HafenCity News 35
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HafenCity News 35
HAFENCIT Y HAMBURG NEWS JU NI 2014 Über den Dächern der HafenCity Dachnutzungen haben im Umfeld hochverdichteter Innenstädte eine besondere Bedeutung, so auch in der HafenCity. Die Dächer des neuen Stadtteils werden auf vielfältige Art genutzt: als Standort für Haus- und Solartechnik, als Pausenhof, als Terrasse oder auch als Garten Fotos: Miguel Ferraz Araújo (4) Vom Glück des Dachgartens: Ob „Urban Gardening“, Solarfarm oder Grünfläche – intelligente Dachnutzungen tragen viel zur Qualität und Nachhaltigkeit der Gebäude bei HAFENCITY Ein sonniger Tag in der HafenCity. Auf dem Dach des Unilever-Gebäudes sitzen die Mitarbeiter auf Holzbänken, Männer lockern für einen Moment die Krawatten, Frauen blinzeln entspannt in die Sonne. Einige beraten sich, andere genießen den Frühlingstag, die frische Luft, den Blick über den Hafen und die HafenCity. Wer hier arbeitet, für den liegt die kleine Auszeit in der Natur ganz nah: Er muss nur mit dem Fahrstuhl auf das Dach im sechsten Stock fahren, um ins Grüne zu gelangen. Auf einer v-förmigen Grünfläche wachsen Wolfsmilch und Pfennigkraut, Schnittlauch, Magerrasen und Sukkulente. Genutzt wird das firmeneigene Naherholungsgebiet von Unilever-Mitarbeitern – das ganze Jahr über, nur bei Schnee und Eis bleibt es geschlossen. „Weil die Natur in der HafenCity noch relativ wenig Raum hat, haben wir uns bewusst für ein Gründach entschieden“, sagt Birgit Olbrich, die bei Unilever als SHE Manager DACH für Arbeitssicherheit, Gesundheit und Umwelt zuständig ist. „Hier können wir die Herausforderungen des Alltags für kurze Zeit vergessen.“ Der Gestaltung von Dächern kommt in der HafenCity eine besondere Bedeutung zu. Das Dach ist hier eine besondere „fünfte Fassade“. Etliche der bisher entstandenen Dachflächen werden dieser Rolle nicht gerecht, weil sie WWW.HAFENCITY.COM zum Zweck der Baukostensenkung ganz oder überwiegend mit Gebäudetechnik belegt wurden. Im Zuge ihrer Nachhaltigkeitsstrategie hat die HafenCity Hamburg GmbH (HCH) allerdings schon früh dafür gesorgt, dass Dachflächen bei der ressourcenschonenden Wärme- und Energieversorgung einbezogen wurden. So montierte der Energieversorger Vattenfall gemäß dem Vertrag mit der HCH auf den Dächern der Wohngebäude in der westlichen HafenCity auf 1.800 Quadratmetern solarthermische Anlagen zur Warmwasserversorgung. Ebenso hat Greenpeace Deutschland auf dem Dach der neuen Zentrale am Magdeburger Hafen eine 420 Quadratmeter große Photovoltaikanlage und drei Windräder zur teilweisen Deckung des eigenen Strombedarfs installieren lassen. Grüne Dächer für mehr Qualität Doch bereits mit der Entwicklung der ersten Quartiere sind in der westlichen HafenCity private Dachterrassen entstanden, beispielsweise am Kaiserkai oder auf dem Centurion Commercial Center am Grasbrookpark. Auch beim Unilever-Gebäude, das Ende 2011 mit dem Umweltzeichen HafenCity in Gold ausgezeichnet wurde, spielt die grüne Dachnutzung eine Rolle. Auf dem Dach ge- deiht eine „pflegearme Extensivbegrünung“. Nur die Sträucher in den Kübeln werden bewässert, die übrigen Pflanzen bleiben weitgehend sich selbst überlassen. „Wenn es im Sommer länger nicht regnet, dann färbt sich das Dach eben braun“, so Birgit Olbrich. Gut 500 Meter weiter östlich, in der Shanghaiallee ist die Saison ebenfalls eröffnet. Über dem Ökumenischen Forum HafenCity widmen sich drei Bewohnerinnen des Hauses auf der gemeinsamen Dachterrasse der Gartenarbeit. Sie pflanzen Stauden, schneiden Rosen, platzieren Kübel. Da die rund 300 Quadratmeter große Fläche mit Steinplatten belegt ist, wachsen die Pflanzen in Kübeln und Töpfen: Petersilie, Rosmarin und Thymian, Dahlien, Rittersporn und Lorbeerbäume. „Wir probieren noch aus, was hier am besten wächst“, sagt Monika Vogelmann von der Dachgartengruppe. Vor allem mittags, am Nachmittag und abends kommen die Bewohner aufs Dach, um die Sonne zu genießen, zu lesen oder zu klönen. „Wir sind froh, im Grünen sitzen zu können“, erzählt Monika Vogelmann. Samstagmorgen wird häufig zusammen gefrühstückt, auch Ostern und Silvester feiern viele Bewohner auf dem Dach. Für den Garten engagiert sich das ganze Haus: Der Gießdienst geht reihum, jede Partei spendet Geld für die Bepflanzung mit Bäumen und Blumen, viele haben ihre Gartenmöbel aufs Dach gestellt. So wird es weiter belebt, seit Kurzem hat dort sogar ein Bienenvolk sein neues Zuhause gefunden, in einer Holzkiste. Und bald wollen die Dachgärtner des Ökumenischen Forums auch wieder Obst und Gemüse pflanzen. Die Ernte wird geteilt, und wer kochen möchte, findet seine Zutaten mit etwas Glück auf dem Dach. Einer der jüngsten Dachgärten findet sich derzeit auf den Elbarkaden: Rasen und Hecken begrünen seit einigen Wochen das zweite Obergeschoss des nördlichen Gebäudeteils. Genutzt wird die Grünfläche von den Mietern und ihren Kindern. Künftig werden grüne Dächer im Stadtteil noch erheblich mehr Spielraum haben. In der zentralen und östlichen HafenCity, wo Warmwasser großenteils aus regenerativen Energien gewonnen wird, hat Solarthermie für die Wärmeversorgung an Bedeutung verloren. Damit werden im Elbtorquartier, am Lohesepark und im Baakenhafen die Dächer frei für die interne Stromversorgung, aber auch für Nutzungen rund ums Pflanzen, Ernten und Im-Grünen-Sitzen. Wurden bisher vorwiegend Dachflächen begrünt, die nicht Fortsetzung auf Seite 2 3 IN DIESER AUSGABE: Neues Design-Zentrum Hintergründe zur Eröffnung von designxport Seite 3 Überseequartier, Teil 2 Ein offenes Konzept: Wie es im Süden weitergeht Seite 4–5 Tanzen in der HafenCity Tango, Swing und mehr Seite 7 Sommer 2014 Kultur und Events am Hafenbecken Seite 8 1 Gebäudetechnik wie Aufzugsüberfahrten, Abluft- und Kühlungsanlagen belegt waren, kann die Vegetation nun auch mal Vorrang haben – ein Konzept, das die Baugemeinschaft Dock 71 am Lohsepark umsetzen wird. Wenn das Gebäude Anfang 2016 fertiggestellt ist, werden private und gemeinschaftliche Dachterrassen, Extensiv- und Intensivbegrünung, Obst- und Gemüsebeete das fünfte und sechste Obergeschoss belegen, verteilt auf rund 1.200 Quadratmetern. Inzwischen sind auch für das Gebäude auf dem Baufeld 33 gemeinschaftliche Dachgärten geplant. Das Projekt der Baugemeinschaft Am Grasbrookpark, der HANSA-Wohngenossenschaft und der Grundstücksgesellschaft Roggenbuck soll in zwei Jahren realisiert sein. Um die Nachhaltigkeit der Dachnutzungen zu steigern, stellt der Goldstandard des HafenCity-Umweltzeichens seit 2010 für alle Gebäudeentwicklungen verbindliche Forderungen auf: Wer in der Kategorie 2, also beim nachhaltigen Umgang mit öffentlichen Gütern, punkten möchte, muss mindestens 80 Prozent des Dachs als Gründach, solaraktive Fläche und/oder Aufenthaltsort realisieren. Damit werden in der HafenCity künftig weniger graue, dafür aber deutlich mehr grüne Dächer entstehen. Gründächer bieten nicht nur zusätzliche Freizeitflächen mit hoher Auf- enthaltsqualität, vor allem in den Innenstädten haben sie auch Vorteile für die Umwelt. Sie schaffen Lebensraum für Tiere und verbessern die Luftqualität, da ihre Vegetation Sauerstoff produziert und Kohlendioxid bindet. Gründächer bleiben selbst an heißen Tagen relativ kühl. Und schließlich entlasten sie die Siele, indem sie Niederschläge zurückhalten. Die HafenCity Universität, die vor Kurzem einen Neubau in der HafenCity bezogen hat, wird diesen Effekt auf ihrem extensiven Sedumdach weiter erforschen (siehe Interview). Aber es sind nicht nur grüne Dächer, die die HafenCity bereichern: Die Katharinenschule nutzt ihr Dach im fünften Stock als Pausenhof. In den Pausen und am Nachmittag toben Schülerinnen und Schüler zwischen vier und zehn Jahren über das blau-grün-gelb-rot-orange Dach. Auf der Nordseite spenden Sonnensegel Schatten. Stahlträger und ein hoher Zaun, an dem Weinreben hochranken, grenzen die rund 1.000 Quadratmeter große Spielfläche ein. „Für uns lag diese Lösung nahe, weil unsere Außenflächen sehr klein sind“, erzählt Ulrike Barthe-Rasch, die die Grundschule leitet, „die Kinder sind begeistert.“ Im Sommer soll jede Klasse ein Patenbeet bekommen. Ein Buntdach mit grüner Note also. Man darf gespannt sein, was sich die Bauherren für die östliche HafenCity künftig noch alles einfallen lassen. E D ITO R IAL Wenn der Sommer kommt, werden die Veränderungen in der HafenCity atmosphärisch besonders spürbar. Die Stadtbäume der Straßen, vor einigen Jahren gepflanzt, prägen zunehmend das Straßenbild, genauso wie die grünen Dächer, die immer häufiger in der HafenCity entstehen und die nun mitunter sogar von der Straße aus erkennbar sind. Die Menschen fühlen sich wohl in der HafenCity, nicht nur die Bewohner und Beschäftigten, auch die Besucher: Neben den bekannten Veranstaltungen des Sommers und den Kreuzfahrttagen können sie jetzt das Duckstein-Festival in der HafenCity erleben, die neue blaue Wasserkante von der Baakenhafenbrücke aus genießen und das wachsende Angebot an Gastronomie und Ausstellungen testen. Natürlich wird auch gebaut. Am Lohsepark entstehen teils geförderte Wohnungen mit integriertem Wohnkonzept, Kindergärten und einem Ärztezentrum, aber auch Unternehmenszentralen – alles anspruchsvolle Vorhaben mit langfristiger, urbanistischer Qualität. Weitere Bauherren stehen in den Startlöchern. Hinter den Kulissen, aber nach öffentlichen Regeln wird an der Bindung neuer Bau herren gearbeitet, sowohl für das südliche Überseequartier als auch für den Baakenhafen, die größten Baustellen der kommenden Jahre. Auch hier steht die dauerhafte Qualität der City-Erweiterung mit ihrem identitätsprägenden architektonischen und nutzungsbezogenen Charakter, der Urbanität der HafenCity, ihrer hohen ökologischen Nachhaltigkeit und damit die Qualität für gut ein Jahrhundert im Mittelpunkt. Dafür müssen mit Bauherren, Nutzern und zivilgesellschaftlichen Akteuren manchmal kleine Berge versetzt werden – trotz der Sommerstimmung in der HafenCity. Viel Vergnügen bei der Lektüre, Ihr Jürgen Bruns-Berentelg, Vorsitzender der Geschäftsführung der HafenCity Hamburg GmbH 2 I NTE RVI EW „Grüne Dächer tragen zur Nachhaltigkeit bei“ Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Dickhaut, Professor für Umweltgerechte Stadt- und Infrastrukturplanung an der HafenCity Universität Hamburg, über den Nutzen von Gründächern HafenCity News: Hamburg hat sich vor Kurzem eine Gründach-Strategie verordnet. Welche Rolle spielen Gründächer heute in der Innenstadt? Wolfgang Dickhaut: Sie sind eine wirksame Maßnahme, um auf den Klimawandel zu reagieren. In Zukunft werden wir mit mehr Niederschlägen und höheren Temperaturen zu rechnen haben. Gründächer reduzieren den Wasserabfluss und verbessern das Mikroklima. Zudem wird die Stadt weiter verdichtet, deshalb ist es sinnvoll, brachliegendes Potenzial auf Flachdächern zu nutzen und einen Teil der verloren gegangenen Grünflächen auf den Dächern zu realisieren. HafenCity News: Grüne Dächer reduzieren den Wasserabfluss? Wie genau machen sie das? Wolfgang Dickhaut: Normalerweise fließt das Regenwasser unmittelbar und sehr schnell in die Kanalisation und in die Gewässer ab. Gründächer speichern hingegen einen Teil des Wassers im Boden und verlangsamen den Wasserabfluss erheblich, sie wirken als sogenannte Retentionsräume. Langfristig verdunstet dadurch generell ein Teil des Regenwassers auf den Dächern. HafenCity News: Verdunstung wirkt sich ja auch auf die Umgebungstemperatur aus. Welchen Einfluss haben Gründächer bei hohen Temperaturen? Wolfgang Dickhaut: Sie wirken den höheren Durchschnittstemperaturen in den Innenstädten, sogenannten Hitzeinseln, entgegen, denn Gründächer heizen sich deutlich weniger stark auf als beispielsweise Flachdächer aus schwarzer Dachpappe, auf denen es im Sommer bis zu 80 Grad heiß werden kann. Die Verdunstung hat eine kühlende Wirkung. Dieser Effekt macht sich besonders in der Nacht bemerkbar: Während die Innenstädte typischerweise kaum abkühlen, sinkt die Temperatur in ländlichen Gegenden nachts schneller und stärker – zum Vorteil der Bewohner. HafenCity News: ... die auf dem Land also besser schlafen können. Was tragen Gründächer außerdem zur Lebensqualität ihrer Nutzer bei? Wolfgang Dickhaut: Neben den ökologischen Aspekten spielt in innerstädtischen, stark verdichteten Bereichen die Aufenthaltsqualität eine große Rolle. Ein gelungenes Gründach sollte begehbar sein und einen Platz schaffen, an dem sich die Kollegen oder Nachbarn treffen und den sie wie einen Garten zum Erholen, Essen und Trinken nutzen können. HafenCity News: Nun hat ja ein echter Garten andere Wachstumsvoraussetzungen als ein Gründach in, sagen wir, 30 oder 40 Metern Höhe. Wie sollte man so ein grünes Dach bepflanzen? Wolfgang Dickhaut: Das hängt natürlich in erster Linie von den Nutzungsansprüchen ab. Wer wenig Pflegeaufwand betreiben möchte, muss eine Extensivbe- Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Dickhaut grünung mit anspruchslosen Sedumarten wählen, die ohne Bewässerung auskommen. Wem die Aufenthaltsqualität sehr wichtig ist, der nimmt eine Intensivbegrünung mit Sträuchern oder Blumenwiese. Das erfordert aber auch eine höhere Schichtdicke, andere Systeme zur Bewässerung und insgesamt mehr Pflege. In jedem Fall würde ich Pflanzen wählen, die in unseren Breitengraden wachsen und nicht stark bewässert werden müssen. HafenCity News: Unterbau und Bewässerungsanlagen können also variieren. Was muss man für das grüne Dach aus baulicher Sicht beachten? Wolfgang Dickhaut: Extensivbegrünung hat eine Schichtdicke von etwa zehn Zentimetern, daraus ergeben sich für das Gebäude keine zusätzlichen statischen Anpassungen. Bei der Intensivbegrünung mit mehr als 40 Zentimetern Schichtdicke ist das etwas anderes, insbesondere deshalb, weil diese Schichten ja zusätzlich zum eigenen Gewicht noch Wasser aufnehmen. HafenCity News: Lohnt sich der Mehraufwand in der Herstellung finanziell? Wolfgang Dickhaut: Das kommt drauf an, wie man es betrachtet. In der Investitionsphase kosten Gründächer mehr Geld, mittelfristig amortisieren sich aber diese Kosten, weil die Bepflanzung das Dach besser vor UV-Strahlung schützt. Damit steigt seine Lebensdauer. Für Mieter kann es sich ebenfalls lohnen: Wer ein Gründach hat, zahlt in vielen Städten – übrigens auch in Hamburg – weniger Abwassergebühren. HafenCity News: Was glauben Sie, welche Entwicklungen Gründächer künftig nehmen werden? Wolfgang Dickhaut: Sie werden in den Städten sicher weiter an Bedeutung gewinnen. Die Kommunen werden noch mehr Anreize für Gründächer schaffen, und auch Investoren werden sich für sie entscheiden, weil sie die höhere Aufenthaltsqualität gut vermarkten können. JUNI 2014 Fotos: Bina Engel (2), Daniele Manduzio (1) 3 Fortsetzung von Seite 1 schon durch HINTERGRUND Erste Adresse für Hamburger Design Im Juli 2014 eröffnet designxport am Magdeburger Hafen seinen neuen Standort. Auf 700 Quadratmetern entsteht ein multifunktionaler Umschlagplatz für Ideen und ein öffentliches Schaufenster für die lokale und regionale Designbranche MAGDEBURGER HAFEN Gut zehn Jahre ist es her, dass Achim Nagel, Geschäftsführer von Primus Developments, die Idee eines Design-Zentrums zum ersten Mal gegenüber der HafenCity Hamburg GmbH erwähnte. Konzeptionell stand Dr. Babette Peters von hamburgunddesign Pate, als Standort war der etwas abseits gelegene Brooktorhafen im Gespräch. Heute ist daraus das Gebäudeensemble Elb arkaden mit mehr als 30.000 Quadratmetern Fläche im Zentrum der HafenCity geworden – realisiert durch Primus Developments, DS-Bauconcept sowie der Garbe Group mit Otto Wulff als Bauherren. Die Kernidee von designxport gewinnt unter der Leitung von Dr. Babette Peters eine besondere Sichtbarkeit am Mageburger Hafen. Hamburg gilt als Hochburg des Designs, rund 14.000 Desi gner leben und arbeiten hier. Ein aktives Branchennetzwerk existiert seit 1995, seit 1999 koordiniert Babette Peters seine Aktivitäten aus dem siebten Stock des Stilwerks an der Großen Elbstraße heraus. Was fehlte, war ein „Schaufenster für einen der vier größten Teilmärkte der Hamburger Kreativ wirtschaft“, wie Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz bei der Grundsteinlegung der Elbarkaden 2012 betonte. Ab Juli wird es dieses Schaufenster in den Elbarkaden geben: designxport agiert als Interessenvertretung Hamburger Designer an der Schnittstelle zwischen Kultur, Wissenschaft, Technologie und Wirtschaft. Corporate- und Kommuni kationsdesign, Verpackung, Grafik und Marken spielen in Hamburg die Hauptrolle. „Das sind die Spezialitäten in dieser Stadt“, sagt Peters, „und die wollen wir unter anderem am neuen Standort in der HafenCity sichtbar machen.“ Darüber hinaus bietet designxport der Branche Raum und Räume für die Fragen zur Gegenwart und Zukunft des Designs. Diskutiert werden soll etwa, welche Materialien als zukunftsfähig gelten; wie Dienstleistungen für ein Zusammenleben in der Gesellschaft vor dem Hintergrund des sozialen Wandels organisiert werden können oder auch die Rolle der Designer an den künftigen Schnittstellen zwischen Produktdienstleistung und Mensch. Viele Designbüros haben sich bereits an der Elbe, am Hafenrand und in der City niedergelassen. Der Standort für designxport sollte hamburgisch, attraktiv und öffent lichkeitswirksam sein. „Die HafenCity vereint vieles vom dem, was wir für wichtig halten. Sie ist ein neuer Stadtteil, den wir mit prägen können und von dem wir uns auch selbst prägen lassen werden“, sagt Peters, Geschäftsführerin der designxport GmbH, als dessen alleiniger Gesellschafter der Förderverein designxport e. V. fungiert. Die designxport GmbH hat zum 1. Januar 2014 alle Aufgaben von hamburgunddesign übernommen; die städtische Initiative zur Designförderung war 1995 von der Wirtschaftsbehörde gegründet und 2008 bei der Kulturbehörde angesiedelt worden. Schaufenster, Umschlagplatz, Treffpunkt – wie das in der Praxis aussieht, erklärt Babette Peters mit Blick auf ihre Nachbarn: Optisch werde sich designxport von dem Auftritt der iF International Design GmbH deutlich abheben. „Bei uns geht es um Alltag, unsere Dinge können Gebrauchsspuren haben“, sagt die Kunsthistorikerin. Statt gläserner Vitrinen und elektronischer Display wird es bei designxport eine 15 Meter lange Ausstellungswand, etwa für Plakate, geben. An den Arkaden werden Besucher von einem sieben Meter hohen Ausstellungsraum empfangen – hier hängen förderkorbartige Module von der Decke, an denen Objekte hängend präsentiert werden können. Zum Konzept gehören Ausstellungen, Vorträge sowie öffentliche Veranstaltungen, die über den Tellerrand des eigenen Themas hinausreichen sollen. In der sogenannten „Research Lounge“ finden Besucher Magazine und Literatur, darunter auch bisher unveröffentlichte Abschlussarbeiten von Hochschulen. Zu den festen Bestandteilen zählt weiterhin der „Xshop“, in dem ausschließlich in Hamburg gestaltete Produkte gezeigt und verkauft werden. Am „Ideenkiosk“ können Besucher sich in Bistro-ähnlichem Ambiente treffen und austauschen. „Unser Ziel ist, dass Menschen vorbeikommen, weil sie dort eine Ausstellung sehen oder eine Veranstaltung besuchen möchten oder auch, weil der Ort als solcher attraktiv ist“, sagt Peters. designxport kooperiert mit der Hochschule für Bildende Künste (HfBK), der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) und mit der HafenCity Universität, die designxport zum Objekt einer Studie zum Urban Planning und Urban Design erkoren hat. Im Warftgeschoss sollen Animationsfilme aus der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) gezeigt werden. Offen sind bisher Kooperationen mit Hamburger Unternehmen, in denen oder die mit Designern arbeiten. Welche Kontakte in der Nachbarschaft entstehen, müsse man abwarten, sagt Peters. Ebenfalls offen ist bisher, wo einmal der Haupteingang liegen wird. Zwei Zugänge sind vorhanden, einer an der Warftgeschossebene und ein weiterer auf dem hoch wassergeschützten Niveau der Stadtloggia – welcher der wichtigere wird, entscheiden die Besucher. „Bisher weiß man einfach nicht, wo die Menschen sich am liebsten aufhalten und wie sie in der HafenCity den Weg zu designxport finden werden“, so Babette Peters. Das zähle eben zu den Unwägbarkeiten des Pionierdaseins. „Under construction“: Im Juli eröffnet designxport seine neuen Ausstellungs- und Eventflächen an den Elbarkaden K U R Z G E F RAGT WIE STEHT ES UM DEN HANDEL IN DER HAFENCITY? Glaubt man der öffentlichen Bericht erstattung, steht der Einzelhandel in der HafenCity offenbar auf verlorenem Posten. Oft und gern wird über Geschäftsaufgaben und Leerstand berichtet. Tatsächlich ist es in Hamburgs jüngstem Stadtteil schon heute gelungen, in den Erdgeschossen mehr als 50.000 Quadratmeter öffentlich keitsbezogene Nutzungen anzusiedeln – also auf 60 Prozent der fertiggestellten Flächen. Den größten Anteil haben Gastronomie (9.973 qm) und Bildungs einrichtungen (9.737 qm), gefolgt vom Einzelhandel selbst (9.016 qm). Die 50 Händler und 60 Gastronomen profitieren zwar noch nicht von der Frequenz einer typischen City-Lage, denn zurzeit erzeugen die Bewohner, Beschäftigten und Besucher der HafenCity noch nicht die nötige Laufkundschaft. Spätestens mit dem Betrieb JUNI 2014 der Elbphilharmonie und der weiteren Entwicklung des südlichen Überseequartiers sowie der übrigen Quartiere – auch durch den Status der Speicherstadt als UNESCOWeltkulturerbe – wird sich die Lage für den Einzelhandel grundsätzlich verbessern. Um die Zahl der potenziellen Laufkunden zusätzlich zu erhöhen, findet der Handel in der HafenCity viele kleinere Attraktionen in der Nachbarschaft vor. Zum Urbanitätskonzept des Stadtteils gehören auch Ausstellungen und Veranstaltungen in Gebäuden oder auf öffentlichen Plätzen sowie besondere Hotel- und Entertainmentkonzepte, die heute und in Zukunft Besucher anlocken. Dank mehrerer Mechanismen zur Dämpfung der Kosten haben viele ansässige Händler und Gastronomen heute bereits ihr Auskommen: So setzt die HafenCity Hamburg (HCH) in ihren Kaufverträgen mit Bauherren die anteiligen Grundstückskosten bei den Erdgeschossflächen an den meisten Standorten niedriger an als bei den Wohnungen oder Büros, damit sich dies mindernd auf die Mieten auswirken kann. Bei Neubauprojekten, etwa am Baakenhafen oder im nördlichen Überseequartier, werden die Mietpreisobergrenzen für 15 Jahre festgeschrieben. Und während im Bezirk Mitte die Mieten für Sondernutzungsflächen und Außengastronomie bereits 2011 gestiegen sind, wurden diese Mieterhöhungen in der HafenCity erst 2014 wirksam. Darüber hinaus engagiert sich die HCH für die einzelhandelsgerechte Planung der Erdgeschosslagen und trifft bei Neubauprojekten detaillierte Regelungen in Bezug auf die Sichtbarkeit der EG-Flächen. An wichtigen Standorten müssen die Investoren besondere Kompetenzen im Bereich Einzelhandel nachweisen. Die bisherige Entwicklung hat gezeigt, dass Angebote, die auf den Bedarf der HafenCity zugeschnitten sind, auch unter den heutigen Umständen erfolgreich sein können, sofern sie auf angemessenen Mietpreisen beruhen. Bei der Entwicklung entsprechender Konzepte bietet die HCH in Zusammenarbeit mit den Hamburger Wirtschaftssenioren Beratung in der HafenCity an. Last but not least unterstützt die HCH die Koordination der Händler, die sich in der Interessengemeinschaft Gewerbe zusammengeschlossen haben, um ihre Rahmenbedingungen mitzugestalten. Der Einzelhandel in der HafenCity ist auf einem klaren Weg zum Erfolg. 3 Serie zum Überseequartier Teil 2: Der Süden – die weitere Entwicklung Perspektiven für das südliche Überseequartier Das südliche Überseequartier liegt zeitlich weit hinter seinem ursprünglichen Entwicklungsplan zurück. Doch die Verzögerung birgt auch die Chance zur Realisierung neuer Ideen und Konzepte zur Stärkung des Einzelhandels. Von der Ausstrahlung des Quartiers soll die gesamte HafenCity profitieren Wo längst gebaut werden sollte, ist vorerst ein beschauliches Biotop entstanden. Im Laufe des Jahres wird ein neuer Partner für die weitere Entwicklung des Grundstücks gefunden 4 deutschen Immobilienentwickler Groß & Partner, das im Jahr 2005 das mehr als acht Hektar große Gesamtgrundstück erworben hatte, wird seiner Rolle nicht gerecht werden können. Auch wenn im Kaufvertrag für das Überseequartier Sicherungsklauseln eingebaut waren, trotz zweier finanzstarker europäischer Banken als Projektpartner und obwohl später die größte europäische Immobilienbank als Finanzier gewonnen wurde, trug die Konstruktion nicht durch die Krise. ING zählte Mitte des vergangenen Jahrzehnts zu den größten Banken Europas, auf der Forbes-Liste der größten Unternehmen der Welt für das Geschäftsjahr 2007 rangierte die ING Groep nach Umsatz auf Platz neun. Doch bereits für das darauf folgende Geschäftsjahr 2008 musste die Bank mehr als 170 Millionen Euro Verluste ausweisen. Bei Vertragsabschluss 2005 musste das Investorentrio extrem belastbar erscheinen – heute kann es seine Aufgabe in der Entwicklung des südlichen Überseequartiers nicht mehr erfüllen. Erschwerend kommt ein Strategiewechsel auf Seiten der Stadt Hamburg hinzu: Die Hansestadt hatte im Jahr 2005 angeboten, im südlichen Überseequartier 50.000 Quadratmeter anzumieten – damit sollte das Finanzierungsrisiko für das erhebliche Neubauvolumen gesenkt und eine Gesamtentwicklung ermöglicht werden. Hamburg plante damals, entweder die Behörde für Stadtentwicklung (BSU) oder aber das Bezirksamt Mitte inmitten der HafenCity anzusiedeln. Diese Vereinbarung wurde 2013 aufgelöst, sodass – nachdem die BSU in Wilhelmsburg gebaut wurde – auch das Bezirksamt an einem anderen Standort im Bezirk untergebracht werden kann. Aufgrund der Haushaltsbelastung hatte zudem bereits der schwarz-grüne Senat (CDU/ GAL) Abstand genommen von der Kofinanzierung des geplanten Science Centers nach Entwürfen von Rem Koolhaas in Höhe von 46 Millionen Euro. Auch die zugesagten Betriebszuschüsse wird es nicht geben. Sowohl institutionell als auch finanziell muss das südliche Überseequartier daher auf eine neue Basis gestellt werden. In seinen Grundzügen soll die bisherige Planung beibehalten werden, etwa die Nutzung der Erdgeschosse und des ersten Obergeschos- Neustart für das gewerbliche Zentrum der HafenCity 2009 wurden große Teile des Konzerns durch den niederländischen Staat übernommen. Im Zuge der Sanierungsstrategie wurden seither viele Geschäftsbereiche und Beteiligungen verkauft. In der Folge zog sich ING – vormals einer der bedeutendsten Einzelhandelsentwickler für gemischt genutzte Quartiere – aus vielen europäischen Märkten vollständig zurück und ist im März 2013 auch aus dem Dreierkonsortium Überseequartier ausgeschieden. Seither halten SNS und Groß & Partner jeweils 50 Prozent der Anteile. Doch auch an SNS ging die Finanzkrise nicht schadlos vorüber: Wegen der Immobilien risiken wurde das Unternehmen Anfang 2013 ebenfalls vom niederländischen Staat übernommen und heißt heute Propertize. Wird noch einmal überarbeitet: das ursprüngliche Konzept des südlichen Überseequartiers mit Science Center (Grundstück 34/12) und Kreuzfahrtterminal im Quartier Strandkai JUNI 2014 Fotos: Bina Engel (1), Thomas Hampel/ELBE & FLUT (1), Michael Korol (1) ÜBERSEEQUARTIER Das südliche Überseequartier im Frühjahr 2014: eine offene Fläche, ebenes Bauland mit geringer Vegetation. In der zehn Meter tiefen Baugrube südlich der Überseeallee, die das Überseequartier etwa in der Mitte durchtrennt, steht das Wasser. Ein Platz wie geschaffen für den Sandregenpfeifer, einen in Städten eher selten anzutreffenden Brutvogel, der sein Zuhause für gewöhnlich im Wattenmeer der schleswig-holsteinischen Küste sucht und findet. Im Sommer letzten Jahres hatten sich etliche Vertreter dieser Spezies im südlichen Überseequartier niedergelassen. Nach den ursprünglichen Plänen zur Entwicklung der HafenCity hätten südlich der Überseeallee 2013, spätestens 2014 bereits die ersten Gebäude stehen sollen. Mit den Hochbauten wurde indes nie begonnen. Die Gründung für die Baufelder 14 und 16 – insgesamt 70.000 Quadratmeter geplante oberirdische Geschossfläche mit zwei Parkgeschossen, zwei bis drei Einzelhandelsgeschossen und darüber liegenden Büroflächen – wurde zuvor noch realisiert. Während das nördliche Überseequartier mit einem Investitionsvolumen von gut 360 Millionen Euro noch während der Finanzkrise 2007 bis 2010 gebaut wurde (mit Ausnahme des Alten Hafenamts), ist das südliche Überseequartier eine offene Wunde in der HafenCity. Die Bauarbeiten ruhen seit Oktober 2011. Wie geht es dort weiter? Welche Perspektiven hat das Grundstück, das aufgrund seiner zentralen Lage für die gesamte Entwicklung des neuen Stadtteils eine entscheidende Rolle spielt? Fest steht: Das Konsortium aus der niederländischen Großbank ING Real Estate, der ebenfalls niederländischen SNS sowie dem IM FOKUS Die Urbanitätstreiber in der HafenCity Grundgerüst Nutzungsmischung für 12.000 Bewohner und 45.000 Beschäftigte bei mehr als 50.000 Besuchern täglich Zentraler kommerzieller Urbanitätstreiber Dezentraler Urbanitätstreiber HafenCity Ost Wissenschaft, Bildung, Zielkonzepte: Soziales Freizeit Dezentraler Urbanitätstreiber HafenCity West Überseequartier Tourismus Spill-over-Effekte Um die neuen Chancen zu nutzen, hat die HafenCity Hamburg GmbH 2013 mehrere Studien in Auftrag gegeben. Demnach erscheint es im südlichen Überseequartier mit Wetterschutz durchaus möglich, Wohnraum zu schaffen – trotz der vielen notwendigen Erschließungskerne und der damit verbundenen Fragmentierung der Einzelhandels flächen. Durch die Kreuzfahrt und auch lärmbedingt ist das Wohnen hier nur an ausgewählten Standorten möglich. Gleichzeitig hat das international renommierte Ingenieurbüro Werner Sobek Studien über innovative Regenschutz- und Windschutzkonzepte erstellt. Denn eines steht außer Frage: Das südliche Überseequartier erhält kein Shoppingcenter, sondern eine offene Einzelhandelsstruktur mit Wetterschutz in zentralen Bereichen. Denn nur so funktioniert das urbanistische Gesamtkonzept der HafenCity: Der Einzelhandel ist hier kein Selbstzweck, das Angebot dient der Attraktivität des Stadtteils für Besucher und lenkt den Strom der Passanten vom Überseequartier in Richtung Elbphil harmonie und Strandkai sowie in Richtung östliche HafenCity und umgekehrt. Nur wenn in der HafenCity dichte Laufbeziehungen entstehen, können sich die öffentlichkeitsbezogenen Nutzungen in den Erdgeschossen entwickeln und behaupten. Die Bewohner und Beschäftigten der HafenCity werden dafür auch nach Fertigstellung aller Quartiere keinesfalls allein sorgen können. Einzelhandel, Gastronomie & Nahversorgung Einzelhandel/ Gastronomie/ Unterhaltung ca. 40.000 – 50.000 Besucher pro Tag Tourismus Spill-over-Effekte ses durch den Einzelhandel, um so eine hohe Anziehungskraft und Diversität des gewerblichen Angebots für Besucher zu schaffen. Doch die Probleme mit der Realisierbarkeit des südlichen Überseequartiers bieten der HafenCity auch neue Chancen: • Der Einzelhandel kann effektiver entwickelt werden, mit einer kleinteiligen Struktur und höheren Schaufensteranteilen, die den Einkaufsbummel attraktiver machen. Die Flächen des ursprünglich geplanten Science Center werden in die Entwicklung mit einbezogen, um die Anziehungskraft des Viertels zu erhalten. • Die Besucherfrequenz am Standort kann von einem intelligenten Entertainmentkonzept profitieren – eine Option, die aufgrund der positiven Entwicklung der HafenCity zum öffentlichen und touristischen Ort erst heute möglich wird. Gleichzeitig werden Entertainmentangebote den Einzelhandel in den Abendstunden stärken. • Das starke Wachstum der Kreuzfahrtaktivitäten kann noch einmal als Anlass und Gelegenheit zur Überarbeitung der Integration des Kreuzfahrtterminals genutzt werden – mit dem Ziel einer noch besseren Einbindung der Gäste ins Quartier. • Weil der effizientere Einzelhandel deutlich mehr zur Wirtschaftlichkeit des Projekts beitragen kann, entstehen neue Optionen für die Obergeschosse, etwa die Reduzierung von Büroflächen zugunsten alternativer Nutzungen wie Wohnen oder Hotelbetrieb. Kultur Einzelhandel und Gastronomie Mittlere Produktivität Wissenschaft, Bildung, Zielkonzepte: Soziales Einzelhandel, Gastronomie & Nahversorgung Freizeit Kultur Hochproduktiver Einzelhandel mit nationaler und intern. Ausrichtung (inkl. Nahversorgungszentrum) Das Jahr 2013 haben die Konsortialpartner SNS und Groß & Partner in Abstimmung mit der HafenCity Hamburg GmbH zur Suche eines neuen Joint-Venture-Partners verwendet. Der neue Partner sollte nicht nur über Einzelhandelskompetenz verfügen, große, gemischt genutzte Projekte realisieren können und viel Eigenkapital mitbringen, sondern auch den Willen zeigen, die anspruchsvollen Ideen Hamburgs mit den eigenen Ambitionen zu verbinden. Dabei sollen nicht nur konzeptionelle Verbesserungen erreicht werden, es Einzelhandel und Gastronomie Mittlere Produktivität gilt auch, die Leistungskraft der Bauherren zu stärken. Im Einvernehmen mit der Hafen City Hamburg GmbH und der Stadt Hamburg plant das Konsortium, noch im Lauf des Jahres 2014 einen neuen Partner zu binden. Im Sommer wird der Sandregenpfeifer also im südlichen Überseequartier vermutlich noch einmal seine Brut aufziehen; doch in absehbarer Zeit muss er sich auf jeden Fall einen neuen Nistplatz suchen – und neue Besucher werden das Überseequartier frequentieren. I NTE RVI EW „Eine besondere Herausforderung“ Die Entwicklung des Überseequartiers erfordert eine eigene Strategie. Jürgen Bruns-Berentelg, Vorsitzender der Geschäftsführung der HafenCity Hamburg GmbH, erklärt die Hintergründe HafenCity News: Herr Bruns-Berentelg, das südliche Überseequartier stockt schon seit fast drei Jahren. Wa rum dauert es so lange, das Projekt zu realisieren? Jürgen Bruns-Berentelg: Es gibt drei wesentliche Gründe. Zum einen hat es bis zum Frühjahr 2013 gedauert, bis einer der Partner des Dreierkonsortiums, nämlich ING, aus den Vertragsverpflichtungen entlassen werden konnte, die verbleibenden Partner SNS und Groß & Partner sich neu organisiert hatten und die Suche nach einem neuen, starken Partner beginnen konnte. Der Rückkauf der Grundstücke durch die Stadt Hamburg dagegen, der rechtlich möglich wäre, hätte die Neupositionierung erheblich verzögert. Zweitens müssen für das südliche Überseequartier insgesamt 800 Millionen, vielleicht eine Milliarde Euro in eine sehr komplexe Stadtentwicklung investiert werden. Das ist nur für wenige Firmen oder Konsortien mit hervorragendem Zugang zum internationalen Anleihemarkt, hoher Eigenkapitalausstattung und sehr guten Kenntnissen von gemischt genutzten Immobilienprojekten zu bewältigen. Billiges Geld am Kreditmarkt und gute Baukenntnisse reichen dafür nicht aus. Drittens hat Hamburg anspruchsvolle Rahmenbedingungen gesetzt, nämlich ein gemischt genutztes Projekt mit Einzelhandel und Gastronomie als Urbanitätstreiber in einer Größenordnung zu realisieren, das Impulse für die gesamte Hafen City gibt und im Tagesmittel 40.000 bis 50.000 Besucher anzieht. Dabei soll an diesem völlig neuen Standort ohne eigenen Einzugsbereich keinesfalls ein geschlossenes Einkaufszentrum entstehen. Das ist sehr anspruchsvoll. Und die Realisierung dieser Ambitionen kostet auch Zeit. HafenCity News: Warum soll denn im Überseequartier kein geschlossenes Shoppingcenter entstehen? Shoppingcenter sind doch in vielen europäischen Innenstadtstandorten, aber auch mit der Europapassage in Hamburg etablierte Formen des Einkaufens. Jürgen Bruns-Berentelg: Die Frage, ob ein Shoppingcenter ins Überseequartier passt, ist keine primär städtebauliche, sonst müsste man sie auch an anderen Standorten in Hamburg ablehnen. Sie ist primär eine funktionale Frage. JUNI 2014 Die HafenCity braucht ein offenes Konzept, das die Größenordnung besitzt, so viele Besucher anzuziehen, dass die Besucher- und Kundenzahl allen wesentlichen Teilen der HafenCity zugutekommt. Es sorgt dafür, dass Besucher nicht nur an Samstagen und Sonntagen kommen, sondern auch in der Woche. Es bewirkt, dass sie auch die Straßen und nicht nur die Promenaden nutzen, um sich durch die HafenCity zu bewegen, und dass sie die Geschäfte, Ausstellungen und die Gastronomie auch in anderen Teilen der HafenCity frequentieren. Umgekehrt muss das südliche Überseequartier mit dem Einzelhandel gestalterisch und in Bezug auf die Nutzungen so interessant sein, dass Besucher, etwa der Elbphilharmonie, durch die HafenCity und die Speicherstadt gezogen werden und dabei die übrigen Angebote entdecken, die es bereits in der HafenCity gibt. Nur wenn die Besucher auch als Kunden auftreten, haben die Erdgeschossnutzungen außerhalb des Überseequartiers langfristig gute Überlebenschancen. Daher ist das offene, einzelhandelsgeprägte Konzept des südlichen Überseequartiers von zentraler Bedeutung für den urbanen Charakter der HafenCity. Ein geschlossenes Center würde architektonisch und funktional für die HafenCity kein Urbanitätstreiber sein, sondern Einkaufsmaschine, die vor allem sich selbst nützt. HafenCity News: Herr Bruns-Berentelg, das südliche Überseequartier ist nicht nur funktional anspruchsvoll, sondern liegt auch finanziell in einer Größenordnung, die nur wenige Firmen stemmen können. Warum entwickelt man ein solch offenes Konzept nicht schrittweise? Jürgen Bruns-Berentelg: Das ist definitiv nicht möglich. Handel, Gastronomie und Entertainment müssen jene Besucher und Touristen an die City inklusive die HafenCity binden, die bisher nur unzureichend durch das konzeptionelle Dreieck Maritime Identität – Kultur – Einkaufen angesprochen werden konnten. Die neue HafenCity inklusive der Speicherstadt ist der einzige Ort in Hamburg, der das nachhaltig leisten kann. Das setzt Konzepte mit Alleinstellungsmerkmalen voraus, die international wettbewerbsfähig sind und auf Basis weitreichender Erfahrungen reali- Jürgen Bruns-Berentelg siert werden. Sie können nicht als Nebenwissen eines guten Wohnungsbauers oder Büroentwicklers entstehen. Wichtiger noch: Man erreicht diese Qualität nur, wenn das Areal möglichst gleichzeitig und zusammen mit dem Kreuzfahrtterminal realisiert wird. Die wichtigen Mieter und Nutzer in den Einzelhandelslagen kommen nur mit der Gewissheit, dass sie interessante, umsatzstarke Nachbarn und einen leistungsfähigen Investor haben, der garantiert, dass auch die Nachbarbebauung kommt. Würde man versuchen, die 180.000 bis 240.000 Quadratmeter oberirdische Fläche des Überseequartiers zum Beispiel durch sechs Projektentwickler zu realisieren – vorausgesetzt es gäbe sie und es gäbe eine Finanzierung –, wäre der Synchronisationsaufwand für ein schlüssiges Gesamtkonzept weder in der Ausschreibungs- noch in der Konzeptions-, Bau- oder Vermietungsphase zu bewältigen. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass eines oder mehrere dieser Vorhaben scheitern würde, denn jedes ist ein dreistelliges Millionenprojekt – zusätzlich verbunden mit der Schwierigkeit, ein abgestimmtes Nischenangebot am selben Standort zu realisieren. Eine erfolgreiche Gesamtkonzeption für das Überseequartier mit mehreren Bauherren ist weder arbeitsteilig noch schrittweise umsetzbar. In der übrigen HafenCity funktioniert der Wettbewerb um Grundstücke mit den besten Einzelkonzepten ausgezeichnet, ohne dass die verschiedenen Erdgeschossnutzungen als Nebennutzungen im Detail aufeinander abgestimmt werden müssten. Im Überseequartier mit seiner Kernprägung durch Handel, Gastronomie, Entertainment und Mischnutzung in den Obergeschossen wäre diese Strategie ohne symbiotisch wirksame Planung und Realisierung zum Scheitern verurteilt. 5 P O RTRÄT Norbert Aust: Träumer mit Macher-Qualitäten Norbert Aust hat sich ganz der Kultur verschrieben. Und der Jurisprudenz. Und der Touristik. Ein Treffen mit einem vielseitigen Hanseaten Vom Professor zum Multitalent: Norbert Aust entdeckt gern Neues und trennt sich ungern von lieb gewonnenen Dingen Es ist eine illustre Gesellschaft, die sich im Restaurant des Hotels 25hours in der Hamburger HafenCity eingefunden hat: Der Chef des Schmidt Theaters und des Schmidts Tivoli ist ebenso anwesend wie ein Partner der traditionsreichen britischen Anwaltskanzlei Osborne Clarke, der Vorsitzende des Tourismusverbands Hamburg ist gekommen, der langjährige Präsident der Hochschule für Wirtschaft und Politik und auch der Gründer der Hamburg School of Entertainment und des Kindermuseums Kl!ck. Das wirklich Bemerkenswerte dabei ist allerdings, dass sich alle einen einzigen Stuhl teilen und ein einziges Kännchen Tee: Professor Norbert Aust, Jahrgang 1943, hat in seinem bisherigen Leben so viel bewegt, dass es eigentlich für ein halbes Dutzend Existenzen reicht. Aber wie er hier so sitzt – geballte Aufmerksamkeit bis in die Spitzen der kurz geschorenen Haare, freundlich, zugewandt, Lachfältchen um die hellwachen Augen –, wird klar: Das ist kein Mann, der sich in absehbarer Zeit zur Ruhe setzen wird. Wenn Norbert Aust über seinen Werdegang berichtet, fügt sich wie selbstverständlich zu einem Gesamtbild, was auf den ersten Blick schwer vereinbar wirkt. Wie kam es zu dieser Vielzahl von Ämtern und Projekten? Norbert Aust winkt ab: „Ich mache, was mir Freude macht. Und da ich manchmal Neues entdecke, was mir Spaß macht, mich aber schlecht von lieb gewordenen Dingen trennen kann, kommt eben eines zum anderen.“ Nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre und Rechtswissenschaft hatte es ihn an der Universität gehalten, zuerst als Assistent, dann als Dozent. „Und dann fand ich mich plötzlich als Präsident der Hochschule für Wirtschaft und Politik wieder“, merkt er leichthin an. Als Hochschulpräsident entwickelte er Ende der 80er Jahre den neuen Studiengang „Kultur- und Bildungsmanagement“. Um für seine Studenten das nötige Praxisfeld zu schaffen, wurde er Vorsitzender des neu gegründeten KampnagelTrägervereins. Dort lernte er Corny Littmann kennen, der 1988 das Schmidt Theater eröffnet hatte. Just zu dieser Zeit brauchte Hamburg ein neues Konzept für ein traditionsreiches Gründerzeithaus auf der Reeperbahn: Das Zillertal, über Jahrzehnte eine Art inoffizielle Botschaft Bayerns im Norden, drohte zu verwaisen, weil sich der Münchner Betreiber von diesem vorgeschobenen Posten trennen wollte. Eine neue Mission für Aust und seinen Studiengang. Nur, dass es mit dem Entwickeln des Vertriebs- und Mar- ketingkonzepts für ein neues Theater nicht getan war – die kreditgebende Bank forderte, dass der Professor dauerhaft mit von der Partie sein sollte. Das Darlehen ist längst getilgt, doch Norbert Aust führt nach wie vor die Geschäfte des 1991 eröffneten Schmidts Tivoli. Ende der 90er Jahre kam ein Joint Venture des Tivoli mit den Carnival Cruises für das Entertainment auf den Aida-Kreuzfahrtschiffen hinzu – es verlief so erfolgreich, dass der Künstlernachwuchs knapp wurde. Also wurde die Hamburg School of Entertainment gegründet, die Norbert Aust zehn Jahre lang leitete. Und was hat das alles mit Tourismus zu tun? Das Schmidt Theater und das Tivoli profitierten von dem zunehmenden Besucherstrom und zogen ihrerseits Gäste in die Stadt. So entstand schnell eine enge Beziehung zum Tourismusverband der Hansestadt, Anfang der 90er Jahre entwickelte man gemeinsam die Kampagne „Auf nach Hamburg!“. So ergab es sich wie von selbst, dass Aust ein Vorstandsamt im Tourismusverband Hamburg e. V. übernahm und im November 2013 schließlich dessen Vorsitz antrat. Auf den Tourismus der Hansestadt angesprochen, wird Norbert Aust denn auch noch einmal energisch: „St. Pauli ist bekannter in der Welt als Hamburg selbst, die Hafen City wird neben St. Pauli das touristische Highlight der Stadt werden. Ein solches Projekt gibt es nicht noch einmal in Europa!“ Eine Überzeugung, die Aust auch durch sein jüngstes Engagement unterstreicht: als Mitglied des Beirats, der die HafenCity Hamburg GmbH bei der Erfüllung ihrer Aufgaben berät. Seit einigen Jahren plant Aust zudem gemeinsam mit Partnern ein außergewöhnliches Hotelprojekt im nördlichen Überseequartier. Und doch: Bei aller Lust auf Neues macht Norbert Aust den Eindruck eines Menschen, der in sich ruht. Auf die Frage, was er der heutigen Jugend wünschen würde, antwortet der Vater von sechs Kindern: „Mehr Zeit, um aus dem Fenster zu gucken und zu träumen. Schon die Jüngsten laufen in unserer effizienzversessenen Zeit zu schnell auf der Spur. Und vielleicht“, fügt Aust selbstkritisch hinzu, „habe ich mit meinem sehr strukturierten Studiengang an der Hochschule für Wirtschaft und Politik sogar selbst dazu beigetragen.“ Was verloren gehe, sei die Freiheit, öfter mal nach rechts und links zu schauen. Das mag sein. Bei Norbert Aust steht indes nicht zu befürchten, dass er den Blick nach rechts oder links auslässt. Und auch nicht den Blick geradeaus: in die Zukunft. Eine neue Landmarke für den Magdeburger Hafen Er ist fast 60 Meter hoch und ragt deutlich über die Gebäude in seiner Nachbarschaft heraus: der Wohnturm „Cinnamon“, das höchste Wohnhaus am Überseeboulevard. Am 4. Juni feierte der – wohl auch langfris tig schmalste – Tower der HafenCity sein Richtfest. Zu seinen besonderen Kennzeichen gehört die zimtfarbene Aluminiumfassade, die auch für den Namen des Turms Pate steht. Der Turm mit der exakten Höhe von 57 Metern steht unmittelbarer nördlich vom „Alten Hafenamt“, der Keimzelle der heutigen Hamburg Port Authority, und bildet einen spannungsvollen Kontrast zu der roten Backsteinfassade des historischen Gebäudes. Da es sich deutlich von der Kubatur der übrigen Bebauung im Überseequartier abhebt, bildet das Ensemble einen markanten Baustein in der Silhouette des Ostufers am Magdeburger Hafen. Von einer besonderen Herausforderung sprach Jürgen Groß, Geschäftsführer des Eigentümers Groß & Partner, beim Richtfest: 6 „Die Aufgabe war, die Lücke zwischen dem vergleichsweise niedrigen Alten Hafenamt und der deutlich höheren umgebenden Bebauung des Überseequartiers zu definieren. Diese Vermittlung zwischen Klein und Groß erfolgt über den solitären Turm, der wie ein Ausrufezeichen die Position des geschichtsträchtigen Gebäudes markiert." Mit zehn Eigentumswohnungen auf 14 Etagen trägt das Gebäude zur Wohnungsversorgung in Hamburg nicht viel bei; seine Rolle erklärt sich vielmehr aus dem städtebaulichen Konzept des Quartiers: „Der Cinnamon Tower ist ein Taktgeber und Orientierungspunkt. Er bestimmt die Sichtachsen und Laufwege in der HafenCity gerade in Ost-West-Richtung auf beeindruckende Art und Weise“, sagte Jürgen Bruns-Berentelg, Vorsitzender der Geschäftsführung der HafenCity Hamburg GmbH, ebenfalls anlässlich der Fertigstellung des Rohbaus. Entworfen wurde der Turm von den Architekten Bolles + Wilson aus Münster. Zwei der Wohnungen erstrecken sich über drei Unter blauem Himmel feierte Groß & Partner mit Gästen den fertigen Rohbau des Cinnamon-Towers Ebenen. Rundumlaufende Fensterfronten eröffnen den Bewohnern des Turms vor allem in den oberen Stockwerken einen besonderen Blick über die HafenCity und die gesamte innere Stadt. Das Erdgeschoss des Gebäudes wird wie bei allen anderen Gebäuden der HafenCity öffentlich genutzt werden und steht in direkter Verbindung zu dem künftigen Marktplatz an dem zentralen Überseeboulevard. Zeitgleich zur Fertigstellung des Cinnamon-Towers wird das inzwischen denkmalgeschützte „Alte Hafenamt“ saniert. Als Ergänzung des 25hours Hotels an der Überseeallee wird es sich zu einem eigenständigen gastronomischen Anziehungspunkt in der HafenCity entwickeln. Wenn auf den Baufeldern 34/15 und 34/16 wie geplant Ende 2014 der Hochbau beginnt, kann die Entwicklung des nördlichen Überseequartiers mit der Fertigstellung des Wohnturms und des „Alten Hafenamts“ Ende 2015 abgeschlossen sein. JUNI 2014 Fotos: Denkmalschutzamt/Nikolai Wiechmann(1), Bina Engel (2), Miguel Ferraz Araújo (1), Thomas Hampel/ELBE & FLUT (1) Im Juni fand im nördlichen Überseequartier das Richtfest des Wohnturms „Cinnamon“ statt. Die Fertigstellung ist für Sommer 2015 geplant REPORTAGE Die HafenCity schwingt das Tanzbein Immer mehr Hamburger entdecken das Tanzen unter freiem Himmel: Vom 1. Juni bis zum 31. August kommen nicht nur Tango-Liebhaber auf ihre Kosten, sondern auch Swing-Fans und Anhänger lateinamerikanischer Rhythmen HAFENCITY Wer Verónica und Marcelo gesehen hat, ist hin und weg. Seine geschmeidige Grandezza, ihre sinnliche Eleganz, dieses getanzte Gefühl, das nichts anderes als Schmacht und Pathos wäre – wenn die beiden den Tango nicht in technischer Brillanz beherrschen würden. Und so spiegeln die Gesichter der Zuschauer denn auch ein ganzes Spektrum von Emotionen: Eine ältere Dame im geblümten Sommerkleid lächelt ein Jungmädchenlächeln, als wäre ihr der Geist ihrer eigenen Jugend erschienen. Der junge Mann mit dem Hoodie-Shirt schaut betont cool drein, mit so einem Na-und-Ausdruck, den man sich nur mit 19 leisten kann, während das Mädchen in seinem Arm mit träumenden Augen dem Tanzpaar folgt, als wäre die Welt um sie versunken. Ein Mann mit gelber Baseball-Kappe hat anerkennend die Unterlippe geschürzt, wahrscheinlich froh, die Profis machen zu lassen und nicht selbst ein paar Tanzschritte wagen zu müssen. Darin, aber das wird er erst später merken, hat er sich geirrt: Gerade hakt sich seine Frau mit einer gewissen Bestimmtheit bei ihm unter, während sich Marcelo über Verónica beugt, die in seinem Armen dahinzufließen scheint ... „Tango ist ein trauriger Gedanke, den man tanzen kann“, hat einmal der argentinische Komponist Enrique Santos Discépolo gesagt. Aber er war niemals an einem Sommertag in Hamburgs HafenCity, auf einer der mittlerweile schon traditionellen Milongas vor dem Verónica Villarroel und Marcelo Soria betreiben ihr eigenes Tanzstudio „Tango Chocolate“ in St. Georg Unilever-Haus, nur ein paar Meter vom Wasser entfernt. Wenn eine leichte Brise über die Elbe streicht und hoch oben am blassblauen Himmel die Sonne strahlt, können auch die schmelzendsten Tangoklänge nichts gegen die Heiterkeit der Szene ausrichten. Schon seit 2005 veranstalten Verónica Villarroel und Marcelo Soria die sommerlichen Milongas – so heißen die öffentlichen Tango-Events – unter freiem Himmel in der HafenCity. Und mit den beiden hat Argentinien berufene Botschafter des Tangos in die Hansestadt entsandt: Nicht nur, weil sie ihn lieben und fühlen, wie es das Klischee von Argentiniern nun mal verlangt, sondern auch, weil sie die Technik in Perfektion beherrschen. Beide haben eine klassische Tanzausbildung absolviert und sind als Tango-Argentino-Showtänzer international bekannt. Dass so viel Professionalität nicht einschüchtert, liegt am Charme Verónicas und Marcelos ungezwungen-einnehmender Art. Außerdem sind sie gewöhnt, Neulingen die anfängliche Scheu zu nehmen, denn schon seit Jahren führen sie das Tanzstudio „Tango Chocolate“, das seinen ersten Sitz in einer ehemaligen Schokoladenfabrik hatte. Dieses Talent, mit Anfangshürden umzugehen, ist auch bei den Milongas in der HafenCity gefragt. Schließlich geht es hier nicht um die Show der beiden Profis, sondern vor allem um das Vergnügen der Amateure. Und dazu gehört regelmäßig auch ein kleiner Schnupperkurs für Anfänger, die noch nie einen Tangoschritt gemacht haben. Der „Sommer Tango“ gilt als eines der Highlights im Programm „Sommer in der HafenCity“, das alljährlich auf den Plätzen, Promenaden und in Parks in Hamburgs jüngstem Stadtteil stattfindet. Wer eher Lust auf unbeschwerten Schwung verspürt, wird vielleicht den „Swingtanz Sommer“ besuchen. Zum vierten Mal lädt der Verein New Swing Generation von Juni bis August am jeweils letzten Sonntagnachmittag ein, zu den jazzigen Sounds der 20er und 30er Jahre das Tanzbein zu schwingen oder auch Eher bunt und fröhlich als melancholisch: Der Tango in der HafenCity zieht auch das Publikum in seinen Bann einfach dazubleiben und zuzuschauen. Wer mag, kann am Störtebeker Ufer auch spontan am Crashkurs für Anfänger teilnehmen. Um südamerikanische Lebensfreude in allen tanzbaren Formen geht es schließlich beim „Latino Sommer“ am Buenos Aires Kai (Treppenplatz an der HafenCity Universität): Von Salsa, Cumbia, Reaggaeton und Bachata über Merengue bis hin zu West Coast Swing ist am 13 Juli und 10. August alles vertreten, dazu gibt es kühle Getränke und südamerikanische Leckereien. Auch beim „Latino Sommer“ spielt das „Tango Chocolate“ die Gastgeberrolle, unterstützt von der HafenCity Hamburg GmbH und JUFA Hotels, Resorts und Gästehäuser. Doch im argentinischen Tango haben Ve rónica und Marcelo ihr Zuhause gefunden. In diesem Tanz, den europäische Einwanderer Ende des 19. Jahrhunderts in die Hafenstädte des Rio de la Plata brachten, kommt nicht nur Unbeschwertheit, sondern auch Melancholie zum Ausdruck. Bei ihrem kleinen Schnupperkurs wollen Verónica und Marcelo bei den Anfängern erst einmal das Gefühl für diese Musik, diesen Tanz wecken, statt die Neulinge auf Schrittfolgen zu drillen. Dabei kann man schon mal Überraschungen erleben. Tatsächlich schiebt der coole Jüngling mit dem Hoodie seine blonde Partnerin mit einiger Sensibilität über die Tanzfläche am Wasser. Bei dem Mann mit der Baseball-Kappe und seiner Frau braucht es wohl noch ein bisschen Zeit, bis der rechte Einklang hergestellt ist, besonders, weil sie eine gewisse Neigung zum Führen erkennen lässt – beim Tango eine Todsünde für die Frau. Immerhin schaut er weniger unglücklich drein als vielmehr hoch konzentriert, als sitze er in einer Mathematik-Prüfung. Ihren Sommernachmittagstraum erlebt offensichtlich die ältere Dame im Geblümten – sie ist für ein paar Schritte an Marcelo, den Meister selbst, geraten und schwebt mit geschlossenen Augen über die Tanzfläche. Sie hat kaum Erfahrung mit Tango, überlässt sich aber mit Hingabe seiner Führung – und wirkt fast wie eine gute Tänzerin. So kann der Sommer in der HafenCity ganz nebenbei auch schlummernde Talente wecken. Lesungen, Vorträge, Filme und Musik am Lohseplatz Ein Kulturprogramm am Infopavillon „Hannoverscher Bahnhof“ macht im Sommer auf seine Themen aufmerksam Vier Abende mit Kulturprogramm erinnern in diesem Sommer an die Bedeutung des Hannoverschen Bahnhofs für den künftigen Gedenkort gleichen Namens: Im Zweiten Weltkrieg wurden vom Bahnsteig 2 des ehemaligen Bahnhofs 7.692 Sinti, Roma und Juden durch die Nationalsozialisten deportiert. Der Bahnhof, der im Weltkrieg bereits stark zerstört worden war, wurde 1955 vollständig abgerissen. Bis 2016 soll hier ein Gedenkort entstehen – aus den Überresten des ehemaligen Bahnhofsvorplatzes, den denkmalgeschützten Überresten des Bahnsteigs und dem Gleisbereich außerhalb des Parks sowie einer diagonal durch den Park verlaufenden Fuge, die den früheren Verlauf der Gleise markiert. Hinzu kommt ein Dokumentationszentrum. Mit vier Veranstaltungen will die Hamburger Kulturbehörde in Kooperation mit der HafenCity Hamburg GmbH die Geschichte des Ortes stärker ins öffentliche Bewusstsein rücken. » Die Poetik der Erinnerung – Literatur im Kontext des Nationalsozialismus « JUNI 2014 Dr. Martin Doerry, Autor und stellvertretender Chefredakteur des „Spiegel“, liest aus „Mein verwundetes Herz. Das Leben der Lilli Jahn 1900–1944“. Mit Vortrag zum Thema von Prof. Dr. Esther Kilchmann, Juniorprofessorin für Neuere deutsche Literatur an der Universität Hamburg. Dienstag, 24. Juni 2014, 19 Uhr, Infopavillon „Hannoverscher Bahnhof“. » Verfolgte Hamburger Musiker und Musikerinnen und ihre Werke « Vortrag von Prof. Dr. Peter Petersen i. R., Herausgeber des Online-Lexikons „Verfolgte Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit“. Begleitet wird der Vortrag vom Cafe Royal Salonorchester. Dienstag, 29. Juli 2014, 19 Uhr, Infopavillon „Hannoverscher Bahnhof“. Der Südkoreaner Lee Seungwon spielte bei der Eröffnung des Pavillons im Herbst 2013 » Gedenken an ein Verbrechen. Geschichte und Gestaltung des ehemaligen Hannoverschen Bahnhofs « Vortrag von Dr. Linde Apel, Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg. Vortrag mit anschließendem Rundgang über das Gelände mit Andreas Schneider, Dipl.-Ing. Stadtplanung in der HafenCity Hamburg GmbH. Dienstag, 26. August 2014, 19 Uhr, Infopavillon „Hannoverscher Bahnhof“. » Jüdisches Leben in Hamburg. Filmabend mit Einführung durch die beiden Regisseure und anschließender Diskussion « Der Film „Rosenberg“ (1990/Regie: Gabriel Bornstein) erzählt von der Rückkehr eines Juden ins Hamburger Grindelviertel nach 50 Jahren. In der Video-Collage „Talmud-ToraSchule: Zwischen Gestern und Morgen“ (2005) beschwört die Regisseurin Gisela Floto die Geister in den Räumen dieser besonderen Schule im Grindelviertel. Dienstag, 30. September 2014, 19 Uhr. Diese Veranstaltung findet im Ökumenischen Forum HafenCity, Shanghaiallee 12, statt. 7 AUSBLICK Sommer 2014: Kultur und Events am Hafenbecken Neben dem Programm zum „Sommer in der HafenCity“ findet das bekannte Duckstein-Festival erstmals in der HafenCity statt, die Kreuzfahrt feiert ein Jubiläum und Literatur-Fans kommen im September auf ihre Kosten UNTER FREIEM HIMMEL: SOMMER IN DER HAFENCITY Schwungvoll drehen sich die Paare am Elbufer, Autoren lesen vor stimmungsvoller Hafenkulisse, Familien treffen sich zum fröhlichen Picknick im Park. In der HafenCity beginnt der Sommer am 1. Juni: Jeden Sonntagnachmittag verwandeln sich die Plätze, Parks und Promenaden in Freilichtbühnen, Picknickflächen, Spielplätze oder Parketts. Zu den immer zahlreicheren Tanzveranstaltungen (siehe S. 7) kommen Literatur-Events wie die Lesebühne „Hamburger Ziegel“ (15. Juni, 27. Juli, 24. August, je 18 bis 20 Uhr) oder der „Wortflut“ Poetry Slam (8. Juni, PREMIERE IM MAGDEBURGER HAFEN: DUCKSTEIN-FESTIVAL Das Duckstein-Festival findet vom 18. bis 27. Juli zum ersten Mal in der HafenCity statt. Zehn Tage lang gastiert das erfolgreiche FreiluftEvent mit Livemusik, kulinarischen Genüssen und internationalem Straßentheater im Zentrum der HafenCity. Unter dem Motto „unplugged“ zeigen sich die Musiker in diesem Jahr von einer neuen, intimen Seite, dafür wird auf dem Dar-es-Salaam-Platz erstmals ein eigens für das Festival gebauter Musik-Club eröffnet. Die Anrainer in der Hafen City versprechen ein spannendes „Satelliten-Programm“. www.duckstein.de FINNLAND ZU GAST: LITERATURGRÖSSEN IN HAMBURG Bernhard Schlink, Daniel Glattauer, Sven Regener – nur einige der klingenden Namen, die das Harbour Front Literaturfestival vom 10. bis 21. September auf die Bühne bringt. An mehr als 25 besonderen Orten – da runter das Audimax der Kühne Logistics University in der HafenCity, das Museumsschiff Cap San Diego und die Katharinenkirche – präsentieren über 80 Schriftsteller ihre Werke. Unter den Protagonisten finden sich bekannte Thriller- und Krimi-Autoren wie Karin Slaughter und Sascha Arango, hinzu kommen Schriftsteller aus Finnland, dem Gastland der diesjährigen Frankfurter Buchmesse. www.harbourfront-hamburg.com 6. Juli, 10. August, je 17 Uhr), begleitet von „Leselotte Ahoi!“, dem Lesepicknick für Kinder im Sandtorpark (8. Juni, 20. Juli, 17. August, ab 14 Uhr). Am Magdeburger Hafen lädt das Internationale Maritime Museum zu „Käpt’n Kuddels Seefahrtschule“ (22. Juni, 27. Juli, 10. August, ab 13 Uhr), während am Überseeboulevard Fußball und vieles andere gespielt wird (22. Juni, 13. Juli, 24. August, 13 bis 16 Uhr). Das Ökumenische Forum lädt am 29. Juni, 27. Juli und 24. August) zu „Summertime“. Alle Events finden open air statt, der Eintritt ist frei. www.hafencity.com JUBILÄUM: 10 JAHRE QUEEN MARY 2 UND HAMBURG CRUISE DAYS Mehr als 250.000 Menschen standen am Elbufer, als am 19. Juli 2004 um 5 Uhr 34 das Luxus-Kreuzfahrtschiff Queen Mary 2 zum ersten Mal in Hamburg anlegte. Seitdem ist die Hansestadt mit der erhabenen „Königin der Meere“ durch eine innige Leidenschaft verbunden. Diese anhaltende Begeisterung wird genau zehn Jahre später, am Samstag, den 19. Juli 2014, gebührend gefeiert: „QM2“ wird am Morgen mit einer Parade empfangen und von Booten, Barkassen und Salonschiffen zu ihrem Liegeplatz in der HafenCity begleitet. Höhepunkt des maritimen Jubiläums ist die große Verabschiedung an den Landungsbrücken. Nur zwei Wochen später folgt das zweite maritime Event der Superlative. Während der Hamburg Cruise Days vom 1. bis 3. August werden gleich sechs Kreuzfahrtschiffe an den Terminals der Hansestadt vor Anker gehen – und an Land von einem bunten Programm begleitet. www.hamburgcruisedays.com I N F O Sie möchten HafenCity News abonnieren und vierteljährlich gratis zugesandt bekommen? Sie haben Fragen oder Kommentare? Schicken Sie uns ein Fax an +49 (0)40 - 37 47 26 - 26 oder schreiben Sie eine E-Mail an newsletter@HafenCity.com Fotos: www.bergmann-gruppe.net (1), Oliver Fantitsch (1), Thomas Hampel/ELBE & FLUT (2), Jonas Wölk (1) IM PRESSUM Verlag: HafenCity Hamburg GmbH, Osakaallee 11, 20457 Hamburg, www.HafenCity.com V. i. S. d. P.: Susanne Bühler Redaktion: Anja Schnake Texte und Mitarbeit: Andrea Bittelmeyer, Jürgen Drommert, Thomas Götemann, Gunnar Herbst, Anja Schnake Design: lab3 mediendesign, Hamburg Korrektorat: Gustav Mechlenburg Druckerei: Langebartels & Jürgens, Hamburg Die Veröffentlichung von Texten oder Textauszügen darf nur nach Genehmigung der HafenCity Hamburg GmbH erfolgen. Die in dieser Publikation enthaltenen Informationen sind für die Allgemeinheit bestimmt; sie erheben weder Anspruch auf Vollständigkeit noch auf Richtigkeit. 35. Ausgabe, Hamburg, Juni 2014 © 2014 All rights reserved Diese Publikation wurde auf umweltfreundlichem FSC-zertifiziertem Papier gedruckt. 8 Zweimal Tobias Strauch „Namaste“ am Kaiserkai HAFENCITY Der Hamburger Gastronom Tobias Strauch („Mess“, „Marblau“, „sanktpaulibar“) eröffnete Mitte Mai gleich zwei neue Restaurants an den Elbarkaden. Direkt am Wasser auf der Pier am Magdeburger Hafen bietet „Strauchs Falco“ mediterran-hanseatische Küche mit orientalischen Aromen. Auf 200 Quadratmetern finden im Innenraum 120 Gäste Platz, auf der Promenade gibt es weitere 100 Plätze. Im Arkadengeschoss kommen mit „Hamburg im Süden“ noch einmal 100 Quadratmeter für eine kombinierte CaféTapas- und Wein-Bar hinzu. „Die Idee eines Arkadengangs fand ich großartig“, sagt Strauch, „die Entscheidung für den Standort fiel aber auch wegen der SüdWest-Ausrichtung mit viel Gastro-Experte Tobias Strauch Sonne bis in den Abend.“ HAFENCITY Anfang April eröffnete im Erdgeschoss des Gebäudes Am Kaiserkai 46 das familiengeführte Restaurant „India House“. Auf 170 Quadratmetern bietet das Haus seinen Gästen derzeit an sieben Tagen in der Woche Mittagstisch und Abendgastronomie in modernem und dennoch authentischem Ambiente. Die Familie betreibt zwei weitere „India Houses“ in Potsdam und Berlin. „Wir sind froh, in der HafenCity am Kaiserkai fündig geworden zu sein“, sagt Abo Khan, Restaurantmanager im „India House“. Dass die Mahatma-Gandhi-Brücke in Sichtweite liegt, passe natürlich zum Angebot des Hauses. Die Sperrung der Brücke bis zum Herbst 2015 und die Baustelle an der Elbphilharmonie nimmt Abo Khan mit Gelassenheit: „Wir werden gut angenommen und planen hier langfristig.“ Am Vorabend der offiziellen Eröffnung luden die Betreiber ihre neuen Nachbarn und Mitbewerber am Kaiserkai zum Kennenlernen und Netzwerken ein. Besucher, Anwohner und Beschäftigte der HafenCity genießen seither den Blick – durch eine großzügige Glasfront – auf den Traditionsschiffhafen. Bei gutem Wetter können die Gäste des „India Houses“ auch auf der Terrasse am Hafen sitzen. Eine neues Restaurant und eine Tapas-Bar prägen das gastronomische Profil der die Elbarkaden Das Berliner „India House“ hat in Hamburg einen dritten Standort in der HafenCity eröffnet WWW.HAFENCITY.COM