Rezension -03- Königreich der Himmel
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Rezension -03- Königreich der Himmel
R e z e n s i o n Autor: Sven Mankowski Bewertung Königreich der Himmel Kingdom of Heaven 6,24cm * 8,33cm Regie: Ridley Scott Buch: William Monahan Produktion: Ridley Scott Musik: Harry Gregson-Williams Darsteller: Balian von Ibelin Orlando Bloom Gottfried von Ibelin Liam Neeson Sibylla Eva Green Sultan Saladin Ghassan Massoud Guy de Lusignan Martin Csokas Tiberias Jeremy Irons König Balduin Edward Norton Reynald de Chatillon Brendan Gleeson Nr. 03 10/2005 Königreich der Himmel Rezension Kingdom of Heaven Frankreich 1184. Der aus einfachen Verhältnissen stammende Hufschmied Balian folgt nach dem tragischen Tod seines Sohnes und seiner Frau dem Vater auf einem Kreuzzug nach Jerusalem, um dort nach Vergebung zu suchen. Als er nach beschwerlicher Reise dort eintrifft, erhält er als Baron von Ibelin die Verantwortung über ein Stück Land und befehligt fortan eine Gruppe von rund einhundert Kreuzrittern. Der von einer Lepraerkrankung geschwächte König von Jerusalem versucht, gemeinsam mit seinem Statthalter die Etablierung eines „Königreichs der Himmel“ als einen Ort, an dem Christen, Moslems und Juden gemeinsam in Frieden leben können; ein Frieden, der durch weitreichende Intrigen immer wieder gefährdet wird … „Sei ohne Furcht im Angesicht Deiner Feinde. Sei tapfer und aufrecht, auf dass Gott Dich lieben möge. Sprich stets die Wahrheit, auch wenn dies den eigenen Tod bedeutet. Beschütze die Wehrlosen. Tue kein Unrecht. Dies ist Dein Eid.“. Dieser Ausspruch von Balians Vater Gottfried stellt eine mögliche, historisch aber nicht belegbare Variante des so genannten Kreuzfahrereids dar und ist einer der vielen Höhepunkte von „Königreich der Himmel“. Drehbuchautor William Monahan, der in der Filmbranche bisher noch nicht in Erscheinung getreten ist, liefert als Debüt eine vielschichtige und sehr durchdachte Geschichte mit historischem Bezug und legt damit den Grundstein für das Gelingen dieses opulenten Epos, das seine Zuschauer für rund 143 Minuten an den Sitz zu fesseln weiß. Garant für eine anspruchsvolle Umsetzung des Drehbuchs ist der Mann, der mit „Gladiator“ bei der 73. Oscar-Verleihung im Jahre 2000 verdiente fünf Oscars einspielte, darunter in der Kategorie „Bester Film“. Nicht zuletzt deshalb hat es bereits im Vorfeld zum offiziellen Kinostart immer wieder Vergleiche mit dieser Arbeit von Regisseur und Erfolgsproduzent Ridley Scott gegeben. Hinzu kommt, dass viele Kinobesucher glaubten, deutliche Parallelen im Werdegang der Protagonisten ausgemacht zu haben. Jedoch stellen solche eher unfreiwilligen Ähnlichkeiten kein Maß für den Vergleich dar. Um es vorweg zu nehmen: „Königreich der Himmel“ ist der eindeutig „reifere“ Film. Die Begründung dieser Aussage ist vor allem in den Leitmotiven zu finden: Maximus alias Russell Crowe wird als „Gladiator“ einzig durch den Gedanken der Rache für den Mord an seiner Frau und seinem Sohn dazu getrieben, den Traum eines Mannes von einem römischen Reich wiederaufleben zu lassen, für den dieser jahrzehntelang zahlreiche Länder mit Krieg überzogen und anschließend erobert hatte. Balian hingegen tritt seine Reise nach Jerusalem mit dem Wunsch nach Vergebung an und ist nicht zuletzt auch auf der Suche nach einer neuen Orientierung in seinem Leben, das jüngst eine schicksalhafte Wendung erfahren hat und zudem in relativ kurzer Zeit durch die Figur seines Vaters geprägt wird. Sven Mankowski Seite 1 von 6 Königreich der Himmel Rezension Kingdom of Heaven Die Hauptaussage des Films zielt jedoch auf die unabdingbare Maxime, dass ein friedliches Zusammenleben verschiedener Religionen durch Akzeptanz und beiderseitiges Verständnis füreinander möglich ist, solange anderen Menschen nicht aus Motiven religiöser Überzeugung oder aber Falschauslegung Leid zugefügt wird. Die Thematisierung des Fanatismus passt sich damit nahtlos in die politische Landschaft unserer Tage ein und enttarnt jegliches Blutvergießen für die Verteidigung von heiligen Stätten, egal welcher Religion, als Götzentum. Die sieben Kreuzzüge der Christen, die zwar weitreichende Veränderungen in Gesellschaft und Politik zur Folge hatten, aber zumindest aus religiöser Sicht keine nennenswerten Ergebnisse hervorbrachten und daher bei Theologen bis heute umstritten sind, bilden dafür die ideale Kulisse. Durch die Intrigen gegen König Balduin, hauptsächlich angeführt vom designierten Thronerben und Tyrannen Guy de Lusignan sowie Reynauld de Chatillon, wird einmal mehr gezeigt, wie die Politik eine Religion instrumentalisiert und diese ganz unfreiwillig vor den Karren des Strebens nach Macht und Reichtum spannt. Ziel der Untergrabung königlicher Autorität ist ein offener Krieg gegen Sultan Saladin von Aleppo, der bereits Syrien und Ägypten unter seine Herrschaft gebracht hatte und die Macht des Islams wiederherstellen wollte. Nach sorgfältiger Planung besiegte er im Juli 1187 ein großes Kreuzfahrerheer unweit des Sees Genezareth und blies nun zur Eroberung von Jerusalem. Die Leistung der Schauspieler in diesem Geflecht aus historischen Bezügen, moralischen Wertvorstellungen und religiösen Motiven ist durchweg gut. Orlando Bloom, in der Rolle des Balian von Ibelin, war hauptsächlich durch seinen Auftritt in der „Herr der Ringe“-Trilogie als Elbenprinz Legolas bekannt geworden. Im Jahre 2004 mimte er jedoch in „Troja“ an der Seite von Brad Pitt und Eric Bana den verweichlichten Prinzen Paris und schadete dadurch seinem Image nachhaltig. Als mittelalterlicher Held, erstarkt in den Zügen christlichen Edelmutes, liefert er aber eine insgesamt überzeugende Leistung ab. Gottfried alias Liam Neeson (Oscar-Nominierung für die Hauptrolle in „Schindler´s Liste“, 1993) verkörpert im Grafen Gottfried von Ibelin die prägnante Vaterfigur und die 25jährige Eva Green verknüpft als „Sibylla“ (Schwester von König Balduin, Ehefrau von Guy de Lusignan und heimliche Geliebte von Balian,) alle wichtigen Handlungsstränge miteinander. In den viel zu seltenen Momenten, in denen Jeremy Irons auf der Leinwand zu sehen ist, erhält man durchaus den Eindruck, er sei von den Produzenten kurzzeitig als Schauspieler engagiert worden, nachdem er schon sein halbes Leben lang Tiberias, Statthalter von Jerusalem, gewesen ist: Seine Loyalität gegenüber dem König scheint greifbar nahe, seine Lehenstreue wirkt wie das wohltuende Versprechen eines guten Freundes. Lediglich die in der Originalversion dezent eingestreuten Shakespeare-Verse fallen der Synchronisierung zum Opfer. Ghassan Massoud, Sven Mankowski Seite 2 von 6 Königreich der Himmel Rezension Kingdom of Heaven 47jähriger Lehrer an einer Schauspielschule in seiner Heimatstadt Damaskus, identifiziert sich nach eigener Aussage sehr stark mit seiner Rolle des funkeläugigen Saladin, dem Gotthold Ephraim Lessing in seiner Ringparabel „Nathan der Weise“ bereits ein literarisches Denkmal setzte und der bis heute als Symbol religiöser Toleranz und noblen Rittertums gilt. Die aus Costa Rica stammende Lebensgefährtin von Ridley Scott, Giannina Facio, die seit „Black Hawk Down“ (2001) in all seinen Produktionen eine Rolle erhalten hat, ist in diesem Film als Schwester von Saladin zu sehen. Edward Norton, den man spätestens seit „Fight Club“ (1999) zu den eher bekannteren Schauspielern zählen darf, übernimmt die Rolle des Königs, obwohl der sein von der Lepraerkrankung gezeichnetes Gesicht stets hinter einer Maske verbirgt, die seiner von Weisheit geprägten Rede etwas Geheimnisvolles verleiht. Die rund 140 Millionen Dollar teure Produktion entstand vor allem an Schauplätzen in Spanien und Marokko, wo man nach dem Studium historischer Quellen einen detaillgetreuen Kulissen-Nachbau des mittelalterlichen Jerusalems in Angriff nahm. Durch die Unterstützung des hiesigen Königs Mohammed VI. standen neben den sonst üblichen Komparsen sogar insgesamt 1.500 marokkanische Soldaten für die Dreharbeiten zur Verfügung. Rund 14.000 Kostüme wurden vor allem für die fulminanten Schlachtszenen gefertigt, in denen unter anderem drei Belagerungstürme (je 17 Tonnen Gewicht), vier Katapulte mit einer Reichweite von 56 Fuß, 800 Special Effects sowie der legendäre Sound-Effect „Wilhelm Scream“ aus dem Jahre 1951 zum Einsatz kamen. Das Drehbuch ist mit 260 Seiten doppelt so umfangreich wie üblich für einen Film dieser Länge und zeugt damit von der erzählerischen Dichte, die für den aufmerksamen Zuschauer sogar zahlreiche Anspielungen auf biblische Ereignisse, wie zum Beispiel die Hochzeit zu Kana oder den Einzug von Jesus in Jerusalem, bereithält. Auch der auf der Synode von Clermont durch Papst Urban II. geprägte Kreuzfahrer-Schlachtruf „Deus lo volt“ („Gott will es“), findet hier in Form des Exclamatio Anwendung als rhetorisches Mittel. Angesichts eines so gelungenen Werks fällt negative Kritik zwar unbedeutend ins Gewicht, sollte aber aus Prinzip auch nicht unterlassen werden. Obwohl die Liebesgeschichte zwischen Balian und der schönen Sibylla, wie bereits erwähnt, vor allem der Zusammenführung von Handlungssträngen dient, wirkt sie insgesamt sehr aufgesetzt und scheint ansonsten eher der Vollständigkeit halber vorhanden zu sein. Die obligatorische, zeitlich recht knapp bemessene Liebesszene scheint unbeholfen und überflüssig. Der zweite Kritikpunkt zielt auf das „MacGyver“-Image, das dem Zuschauer durch die Hauptfigur Balian vermittelt wird. Es wirkt ein wenig unglaubwürdig, dass binnen kurzer Zeit aus einem einfachen Hufschmied ein Sven Mankowski Seite 3 von 6 Königreich der Himmel Rezension Kingdom of Heaven Feldherr mit umfangreichem Wissen auf dem Gebiet der technischen Kriegsführung im Belagerungsfall wird. Diese Lücke wird aber vermutlich durch die gegenüber der Kinoversion rund 70 Minuten längere Sonderedition auf DVD geschlossen werden, die bereits für das folgende Jahr angekündigt wurde. Obwohl die Kameraführung, vor allem in den Kampfszenen, wirklich gut ist, fehlt es den Aufnahmen an einigen Stellen an Weitwinkel, um den Pathos wichtiger Szenen auf größere Füße stellen zu können. Darüber hinaus wird die oben angesprochene und sorgsam entwickelte „Magie“ des Königs durch eine mehr als überflüssige Szene fast vollständig zerstört. Eine sehr gute Umsetzung erfährt aber die Begegnung zwischen Balian und Richard Löwenherz, König von England und einer der Anführer im dritten Kreuzzug, dessen augenscheinlichen Heldentaten und Legenden in wenigen Filmsekunden auf geradezu beeindruckende Weise zu einer einzigen Farce degradiert werden. Bei einer Produktion dieses Genres spielt erfahrungsgemäß auch der Soundtrack eine überaus wichtige Rolle. Ridley Scott, der gerne mit dem Komponisten Hans Zimmer zusammenarbeitet, engagierte entgegen ersten Überlegungen dessen Protegé Harry GregsonWilliams, um die epische Erzählung in eine musikalische Hülle zu fassen. Und so webte dieser einen Klangteppich aus Motiven, die so vielfältig sind, wie die Geschichte selbst. Obwohl dieses Bemühen dazu führt, dass dem Zuschauer die vollständige und nachhaltige Etablierung der zwei Hauptthemen durch einen relativ zügigen Erzählstil und raschen Szenenwechseln vorenthalten wird, gelingt es dem Komponisten stets, der Handlung vor den aufwändigen Kulissen zu der beabsichtigten Atmosphäre zu verhelfen. Choralähnliche Passagen mit sakralem Charakter prägen und untermalen die Autorität der Kreuzritter, während die Darstellung der Sarazenen über die dem nahöstlichen Kulturkreis zugehörigen, arabischen Klänge erfolgt. Erwähnenswert ist auch, dass musikalische Elemente gleich mehrerer, zudem teilweise recht unterschiedlicher Film-Produktionen für das motivische Rüstzeug verwendet wurden: Unter anderem standen “Der 13. Krieger“, „Blade II“, „Hannibal“ und „The Crow“ hierfür Pate. Holzblasinstrumente, E-Violinen und Percussion verwandeln neben Gamben und Lauten die so entstandenen Partituren in ein ungewöhnliches aber dennoch harmonisches Klangbild, das sich auch ohne die bewegten Bilder genießen lässt. Den Anspruch, „weltlichen“ und auch unterhaltenden Charakter zu besitzen, unterstreicht die Musik zudem durch ihre neuerliche Verwendung in Werbe-Trailern, mit denen Fernsehsender gerne ihr neues Programm ankündigen. (Beispiel: CS:NY auf VOX) Sven Mankowski Seite 4 von 6 Königreich der Himmel Rezension Kingdom of Heaven Dass William Monahan die Übertragung der Botschaften des Films auf die heutige Zeit beabsichtigt hat, ist unter anderem auch darin ersichtlich, dass in einem ersten Entwurf des Drehbuchs eine Szene vor der eigentlichen Geschichte zeigen sollte, wie zwei Reporter der Gegenwart im Grab von Balian stecken bleiben, während in unmittelbarer Nähe ein unerbittlicher Krieg tobt, zu dessen Berichterstattung sie vor Ort sind. Doch letztlich entscheidet der Zuschauer selbst darüber, wie er den teilweise subtil eingestreuten Allegorien begegnet: Lässt zum Beispiel die knappe Antwort von Balian auf die Frage des Patriarchen (gespielt von Jon Finch), ob denn ein Mensch durch den Ritterschlag zu einem besseren Kämpfer wird, die Vermutung zu, dass es sich dabei um eine Aufforderung handelt, seinen Glauben öffentlich zu bekennen, ihn nach außen hin sichtbarer zu machen und dadurch bewusster für ihn einzustehen ? Oder manifestiert sich über die Missachtung päpstlicher Weisungen in Balian gar der Ansatz eines reformatorischen Grundgedankens ? Gehen wir noch einmal zurück in das Kolosseum des antiken Roms. Ridley Scott schickte seinen Gladiator zu einer Zeit in die Arena, wo an vielen Orten der Erde die so genannte „Spaßgesellschaft“ begründet und ausgerufen wurde. Die Parallele zum Film zeigt sehr eindrucksvoll, dass das Konzept „Brot und Spiele“ seit jeher für die Verschleierung eines zumindest vorübergehenden Machtverlusts der Regierung verwendet wird. „Black Hawk Down“ hatte 2001 durch die Aufarbeitung der schrecklichen Ereignisse vom 3. Oktober 1993 in Somalia eine desillusionierende Wirkung bezüglich der sorgfältigen Planung und Durchführung von Militär-Einsätzen durch die US-amerikanischen Streitkräfte und wandte sich damit auch gegen die Serie kriegsverherrlichender Hollywood-Produktionen, die direkt oder indirekt durch das Pentagon unterstützt oder mitfinanziert wurden. Und eines der zukünftigen Projekte von Ridley Scott, für das William Monahan erneut das Drehbuch schreibt, basiert auf dem berühmten Roman „Blood Meridian“ von Cormac McCarthy. Diese Adaption dürfte durch die realistische Darstellung der Eroberung des Wilden Westens einen erneuten Angriff auf den unangebrachten Patriotismus der Amerikaner bezüglich des Gründungsmythos der Vereinigten Staaten darstellen. Vor diesem Hintergrund gilt es also als sehr unwahrscheinlich, dass „Königreich der Himmel“ in erster Linie zur Unterhaltung des Publikums entstanden ist. Da sich im brausenden Fahrwasser der Gegenstimmen aber oft sowohl Un- als auch Irrglauben tummeln, hat dies bei der Bewertung leider häufig die Beschränkung auf die rein handwerklichen Leistungen zur Folge oder aber die Produktion stößt insgesamt auf Ablehnung; entweder, weil zugunsten der Erzählung historische Überlieferungen und damit Sven Mankowski Seite 5 von 6 Rezension Königreich der Himmel Kingdom of Heaven geschichtliche Rahmenbedingungen bewusst verändert wurden oder man gerne Stillschweigen über das dunkle Kapitel der mittelalterlichen Kreuzzüge bewahren möchte. Wem sich aber die wahre Botschaft des Films offenbart, der nimmt nach dem gut zweieinhalbstündigen Marathon des moralisch erhobenen Zeigefingers die Aufforderung „Und nun erhebe Dich als Ritter.“ ernst und empfindet die Vermittlung irdischer Ansichten vor dem Hintergrund göttlicher Gerichtsbarkeit als gelungen. Ein gutes Beispiel für solch ein Memento mori liefert der König von Jerusalem in seinem ersten Gespräch mit Balian: „Ein König mag einen Mann fordern, ein Vater mag Anforderungen an seinen Sohn haben; aber seid Euch bewusst, dass selbst wenn Ihr von einem König gefordert werdet oder von einem mächtigen Mann: Eure Seele gehört Euch allein. Wenn Ihr vor Gott steht könnt Ihr nicht sagen, dass man Euch befohlen hat nun so oder so zu handeln, oder dass Tugendhaftigkeit in diesem Moment nicht angebracht war. Das wird nicht genügen. Denkt immer daran.“ Sven Mankowski Seite 6 von 6