TF 2-15 Kopie18.p70 - Deutsche Tinnitus-Liga
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TF 2-15 Kopie18.p70 - Deutsche Tinnitus-Liga
Wissenschaft Ergebnisse einer Befragung von 2493 Schülern1 im Alter von 14 Jahren Tinnitus bei Tiroler Jugendlichen von Priv.-Doz. MMag. DDr. Viktor Weichbold Unter der Leitung von Priv.-Doz. MMag. DDr. Viktor Weichbold von der Universitäts-Klinik für Hör-, Stimm- und Sprachstörungen der Medizinischen Universität Innsbruck wurde eine Befragung von rund 2500 Tiroler Jugendlichen durchgeführt. Die Befragung erfolgte zwischen 2011 und 2013 an ca. 25 Tiroler Schulen, und zwar im Rahmen eines Gehörschutz-Projekts. Das Projekt wurde in Schulklassen der 8. Schulstufe abgehalten; die Schüler waren also in der Regel 14 Jahre (+/- 1 Jahr) alt. Zu Beginn des Projekts wurde den Teilnehmern ein Fragebogen vorgelegt, der auch das Vorhandensein von Ohrgeräuschen thematisierte. Die ausgewerteten Antworten werden erstmals im TinnitusForum präsentiert. Ergebnisse 1. Häufigkeit des Tinnitus Auf die Frage: „Hast Du ein Geräusch im Ohr, das dauernd (oder meistens) da ist und nicht mehr weggeht – z. B. ein Rauschen oder Pfeifen?“, antworteten 183 der 2493 Befragten mit „Ja“: Das sind 7,3 Prozent. Demnach hatten ca. sieben Prozent der 14-Jährigen zum Zeitpunkt der Befragung einen längerfristig bestehenden Tinnitus (Abb. 1). dass knapp vier Prozent der 14-Jährigen einen chronischen Tinnitus haben. 3. Präsenz des Tinnitus Die nächste Frage betraf die Beständigkeit des Tinnitus: Ist er persistierend (= immer da) oder intermittierend (= zwischendurch weg)? Die Ergebnisse zeigt Abbildung 3. Der allergrößte Teil (82 Prozent) der Jugendlichen empfindet einen Tinnitus, der zwischendurch verschwindet. Nur bei 18 Pro- zent der Befragten ist er dauerhaft da: In fast allen diesen Fällen ist er zugleich chronisch (länger als sechs Monate). 4. Lokalisation des Tinnitus Zur Frage, wo der Tinnitus lokalisiert ist, ergab sich folgende Antwortverteilung (Abb. 4): Über ein Drittel der Befragten kann nicht eindeutig angeben, wo der Tinnitus empfunden wird. Der Großteil lokalisiert den Tinnitus im Ohr: entweder einseitig oder beidseitig (zusammen 58 Prozent). Nach Geschlecht getrennt beträgt die Häufigkeit bei Buben 7,4 Prozent und bei Mädchen 7,2 Prozent. Dieser Unterschied ist nicht signifikant; männliche und weibliche Schüler sind in unserer Stichprobe gleich häufig von Tinnitus betroffen. 2. Dauer des Tinnitus Die Frage: „Seit wann besteht das Geräusch im Ohr?“ ließ als Antworten zu: • „seit weniger als 3 Monaten“ (= akuter Tinnitus), • „seit 3 bis 6 Monaten“ (= subakuter Tinnitus), • „seit mehr als 6 Monaten“ (= chronischer Tinnitus). Die Ergebnisse zeigt Abbildung 2. Etwa die Hälfte der 183 Betroffenen (51 Prozent) gibt an, dass der Tinnitus seit mehr als sechs Monaten besteht, also chronisch ist. Auf die gesamte Stichprobe bezogen bedeutet das, Abb. 1: Häufigkeit des Tinnitus. 1 Das männliche grammatische Geschlecht ist geschlechtsneutral zu lesen. 20 Tinnitus-Forum 2–2015 Wissenschaft 5. Auslöser des Tinnitus Die Frage, durch welches Ereignis der Tinnitus ausgelöst wurde, konnte von der Mehrzahl der Schüler nicht beantwortet werden („weiß nicht“: 61 Prozent). Die Verteilung der Auslöser, soweit angegeben, zeigt Abbildung 5. Lärmexposition spielt darunter eine entscheidende Rolle. 6. Tinnitus-Belastung („Distress“) Wie sehr belastet der Tinnitus die betroffenen Jugendlichen? Die Verteilung der Antworten zeigt Abbildung 6. Fast die Hälfte (48,6 Prozent) der Betroffenen fühlt sich durch den Tinnitus (so gut wie) nicht belastet; über ein Drittel (36,1 Prozent) nur ein bisschen. Hingegen empfinden 10,9 Prozent eine ziemliche Belastung und 4,4 Prozent eine sehr große Belastung – zusammen sind das ca. 15 Prozent, denen der Tinnitus emotional zu schaffen macht. Auf die Gesamtstichprobe (N = 2493) bezogen heißt das, dass ca. ein Prozent der 14-Jährigen eine höhergradige Belastung durch ihren Tinnitus erfährt. 7. Tinnitus und Lärmexposition Eine weitere Frage untersuchte die Exposition der Schüler gegenüber extremen Schallpegeln: „Wie oft warst Du im vergangenen halben Jahr Lärm ausgesetzt, der so laut war, dass es in Deinen Ohren schmerzte?“ Schmerz in den Ohren wird bei Pegelstärken ab 120 dB HL empfunden. Die Häufigkeit, mit der die Schüler solchen Pegelstärken im zurückliegenden Halbjahr exponiert waren, zeigt Abbildung 7. Die Darstellung erfolgt getrennt für Schüler mit Tinnitus und ohne Tinnitus. Abb. 2: Dauer des Tinnitus. Abb. 3: Präsenz des Tinnitus. 21 Tinnitus-Forum 2–2015 Wissenschaft Es zeigt sich ein deutlicher Unterschied in der Extremlärmexposition zwischen Schülern mit und ohne Tinnitus. Tinnitus-Betroffene waren viel öfter Schallpegeln von >120 dB HL ausgesetzt als Nichtbetroffene. Fast ein Viertel (23,5 Prozent) gibt an, dreimal oder sogar öfter in so lauter Umgebung gewesen zu sein, dass es in ihren Ohren schmerzte – gegenüber nur ca. zehn Prozent der Schüler ohne Tinnitus. 8. Tinnitus und Arztbesuch Auf die Frage, ob sie wegen des Tinnitus schon bei einem HNO-Arzt waren, antworteten 20 Prozent der Betroffenen mit „Ja“. Einer von fünf Betroffenen hat demnach wegen des Tinnitus bereits einen Arzt aufgesucht. Diskussion Abb. 4: Lokalisation des Tinnitus. Von 14-jährigen Jugendlichen wäre zu erwarten, dass ihr Gehör gesund ist, dass allenfalls ein sehr kleiner Prozentsatz Symptome einer Innenohrschädigung aufweist. Unser Befund, dass ca. sieben Prozent einen längerfristig bestehenden Tinnitus aufweisen – davon drei Prozent chronisch – deutet darauf hin, dass bereits viele Jugendliche altersuntypische Gehörschäden haben. Es fällt nicht schwer, die Faktoren zu identifizieren, die dafür verantwortlich sind: in erster Linie hohe Schallpegel. Knalltraumata, akute Lärmbelastung (Disco, Rockkonzert) und auch chronische Lärmbelastung (häufiges Hören lauter Musik) zählen zu den hauptsächlich genannten Auslösern des Tinnitus bei den befragten Jugendlichen. Interessant ist, dass über 80 Prozent der Schüler angeben, dass ihr Tinnitus intermittierend ist. Das dürfte charakteristisch sein für einen lärmbedingten Tinnitus „im Frühstadium“: Er ist nicht gleich als dauerhafter (persistenter) Tinnitus da, sondern zunächst als intermittierender. Phasen der Präsenz wechseln mit Phasen der Absenz. In dieser Form kann er sich noch zurückbilden – oder aber zu einem persistierenden werden. Leider wird dem Phänomen des intermittierenden Tinnitus in der wissenschaftlichen Literatur so gut wie keine Beachtung geschenkt. Unter Dutzenden Theorien zur Entstehung und Chronifizierung des Tinnitus findet sich keine einzige, die die Mechanismen thematisiert, die das Ohrgeräusch zwischendurch verschwinden lassen. Die Erforschung dieser Mechanismen könnte einen Ansatzpunkt für eine Therapie – oder eine Tinnitus-Suppression – liefern. 22 Tinnitus-Forum 2–2015 Abb. 5: Auslöser des Tinnitus. Abb. 6: Tinnitus-Belastung. Wissenschaft Danksagung Für die Erhebung der Daten im Rahmen des Gehörschutzprojekts „PRO.ject.EAR“ sei Herrn Werner Pfeifer herzlicher Dank ausgesprochen. Kontakt zum Autor: Abb. 7: Tinnitus und extreme Lärmexposition. Interessant ist auch, dass die TinnitusBelastung bei den befragten Schülern nur gering ist. Fast 50 Prozent fühlen sich durch ihren Tinnitus nicht belastet, und weitere 36 Prozent nur ein bisschen. Das mag mit dem intermittierenden Charakter des Ohrgeräusches zusammenhängen: Ein Tinnitus, der nur zweitweise da ist, belässt Phasen der Erleichterung und der Erholung. Das macht ihn weniger belastend. Vielleicht liegt aber auch eine „jugendliche Unbeschwertheit“ vor, die einen leisen Pfeifton, der im Getriebe des Alltags leicht übertönt werden kann, nicht so schlimm findet. – Andererseits gibt ein Prozent der befragten Schüler an, sich durch den Tinnitus höhergradig belastet zu fühlen, was angesichts des jungen Alters der Befragten kein unbedenklicher Prozentsatz ist. 17. Tinnitussymposium: Neueste Erkenntnisse aus Forschung und Praxis am 5. Dezember 2015 Veranstalter: Tinnituszentrum Charité – Universitätsmedizin Berlin und Deutsche Tinnitus-Stiftung Charité – Universitätsmedizin Berlin Leitung: Prof. Dr. med. Birgit Mazurek Ort: Kaiserin-Friedrich-Haus Robert-Koch-Platz 7, 10115 Berlin Teilnehmergebühr: 100,00 Euro Fortbildungspunkte: 8 Punkte Sonstiges: Industrieausstellung Auskünfte erteilt: Sekretariat von Prof. Mazurek Astrid Bohne Luisenstr. 13 10117 Berlin E-Mail: astrid.bohne@charite.de Telefon: 030 450 555 009 Fax: 030 450 555 942 Priv.-Doz. MMag. DDr. Viktor Weichbold Univ.-Klinik f. Hör-, Stimm- und Sprachstörungen Medizinische Universität Innsbruck Anichstraße 35 A-6020 Innsbruck Telefon: 0043 (0)512 504 DW 25438 E-Mail: viktor.weichbold@uki.at Seit über 15 Jahren im interdisziplinären Team therapeutisch kompetent für Patienten mit: Tinnitus Hyperakusis Morbus Menière Depressionen Angst- und Panikstörungen allg. psychosomatische Störungen In einer der schönsten Landschaften der Südpfalz, zwischen Wald und Reben und nur wenige Kilometer vom Elsass entfernt, werden Sie besonders gut genesen können. ParkKlinik GmbH Bad Bergzabern, Kurtalstr. 83-85 76887 Bad Bergzabern, Tel. 06343-942-0 www.parkklinik-bad-bergzabern.de 23 Tinnitus-Forum 2–2015