Ausgabe 10/11-2014 ( PDF , 2,3 MB, 24 Seiten)
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Fachorgan des Sanitätsdienstes der Bundeswehr 58. Jahrgang - Heft 10-11 - 20. November 2014 Wehrmedizinische Monatsschrift Herausgegeben durch das Bundesministerium der Verteidigung Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. HUMANITATI • PA TR C HA W LS EH EL RP HAR S DEUTSC HE GE Kongresse & Fortbildungen mit Industrieausstellungen M AZIE E.V. • • SC IE • IAE NT E IA Deutsche Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. (DGWMP) FT FÜ UN R W E M E D I ZI N HR D Kongresskalender 15. - 18.10.2014 19th Annual EMN Congress (Euroacademia multidisciplinaria Neurotraumatologica) together with the 1st World Federation of Neurosurgical Societies (WFNS) Committee Meeting of Military Neurosurgeons, Ulm 06.11.2014 11. Notfallsymposium, Westerstede 26. - 28.11.2014 1. Kreuther Symposium: Forum für MedABC-Schutz / ABCAbw / Gesundheitsversorgung unter Katastrophenbedingungen, Wildbad Kreuth 14. - 16.01.2015 1. Arbeitstagung Zahnmedizin des Kdo RegSanUstg, Damp 28. - 30.01.2015 22. Jahrestagung ARCHIS, Papenburg 04. - 06.03.2015 13. Arbeitstagung der Offiziere des Sanitätsdienstes im Norden, Damp 20. - 21.03.2015 13. Aufbaukurs Allergologie, Ulm 04. - 07.05.2015 21th Nuclear Medical Defense Conference, Munich 07. - 09.07.2015 9. TCCC - Tactical Combat Casuality Care, Pfullendorf 15. - 17.10.2015 46. Kongress der DGWMP e. V., Oldenburg 27. - 29.01.2016 23. Jahrestagung ARCHIS, Hamburg 29. - 30.06.2016 CMC - Combat Medical Care Conferece, Ulm 06. - 08.10.2016 Deutsche Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. Neckarstraße 2a 53175 Bonn 47. Kongress der DGWMP e. V., Ulm Telefon 0228/632420 Fax 0228/698533 E-Mail: bundesgeschaeftsstelle@dgwmp.de re N e äh I t un de p. m w dg w. w n ne tio a rm o nf w : er Bundesgeschäftsstelle 345 Sehr geehrte Leserinnen und Leser, als Präsident des 45. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. (DGWMP), der vom 11. bis 13. September in Berlin stattfand, ist es mir eine Freude, dass die Wehrmedizinische Monatsschrift Ihnen in dieser Ausgabe ausführlich über dieses Ereignis berichtet. Mehr als 650 Teilnehmer hatten den Weg nach Berlin gefunden und in Plenarsitzungen, wissenschaftlichen Vorträgen, Arbeitsgruppen und -kreisen, Workshops, Posterpräsentationen und einer umfangreichen Industrieausstellung das breite Spektrum der Wehrmedizin und Wehrpharmazie mit ihrer Multidisziplinarität erfahren. Tradition und Innovation – so das Motto des Kongresses – prägten die fachlich-wissenschaftlichen Inhalte dieser Veranstaltung, die zugleich daran erinnerte, dass es seit 150 Jahren militärmedizinische Gesellschaften in Deutschland gibt, und die Sanitätsoffiziere damit zu den ersten gehörten, welche die wissenschaftliche Weiterentwicklung ihres Fachgebietes in einer Fachgesellschaft verankerten. Oberfeldarzt Prof. Dr. Ralf Vollmuth beschreibt im ersten Artikel dieses Heftes diese Entwicklung aus der Sicht eines Medizinhistorikers. Überleitend zum Thema der Innovationen widmet sich der Artikel des diesjährigen Preisträgers des Paul-Schürmann-Preises, Oberfeldarzt Dr. Ruf, der Identifizierung molekularbiologischer Marker zur Detektion der okkulten Metastasierung von Hodentumoren. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Wettbewerb um den Heinz-Gerngroß-Förderpreis für junge Sanitätsoffiziere, die im Nachwuchsforum vortrugen, stellen ihre Vortragsinhalte in den anschließenden Kurzartikeln vor. Dieses soll vor allem unseren akademischen Nachwuchs dazu anregen, die Erkenntnisse aus der eigenen wissenschaftlichen Arbeit mit den Lesern der WMM zu teilen und Artikel einzusenden. Einen breiten Raum nimmt die Berichterstattung über den Kongress selbst ein. Neben einer kurzen Vorstellung des Kongressverlaufes finden Sie, geehrte Leserinnen und Leser, eine Auswahl aus den Vorträgen und Postern in Form von Kurzberichten. Das Spektrum reicht dabei von der Geschichte der Wehrmedizin, über Beiträge aus der truppenärztlichen Praxis, den Einsatz der Robotik für die Rehabilitation von Rückenmarkverletzten, bis hin zu zukünftig möglichen telemedizinischen Operationen. Ergänzt wird die Berichterstattung durch Beiträge aus den Arbeitskreisen der DGWMP. Damit wird das umfangreiche fachlich-wissenschaftliche Spektrum und die Vielfalt an Informationen, zumindest in Teilen, allen zur Verfügung gestellt – denjenigen, die sich die eine oder andere Präsentation noch einmal in Erinnerung rufen und die gewonnenen Kenntnisse vertiefen wollen, aber auch denen, die in Berlin leider nicht dabei sein konnten. Ich wünsche Ihnen viel Freude, schöne Erinnerungen und Wissensgewinn beim Lesen dieser Ausgabe. Ihr Dr. Walter Kating, Oberstarzt Leitender Arzt der Abteilung Radiologie am Bundeswehrkrankenhaus Berlin Präsident des 45. Kongresses der DGWMP Inhaltsverzeichnis ISSN 0043-2156 Heft 10-11/58. Jahrgang Oktober-November 2014 Editorial 345 Kating, W. Geschichte der Wehrmedizin Vollmuth, R. 150 Jahre Deutsche Militärärztliche Gesellschaften und ihre Bedeutung für die wehrmedizinische Wissenschaft 346 Paul-Schürmann-Preis 2014 Ruf, C. Molekularbiologische Risikofaktoren einer Metastasierung beim seminomatösen Keimzelltumor des Hodens 350 Heinz-Gerngroß-Förderpreis Rudat, J. Zur Problematik von Fremdkörpereinsprengungen im Kopf – Hals – Bereich 357 Kaltenborn, A. Das Hip Lag Zeichen - Ein neues, verlässliches klinisches Zeichen zur Diagnose des Hüftabduktorenschadens im Licht der Dringlichkeit präziser Untersuchungsmethoden im Einsatz 358 Müller-Schilling, L., Gundlach, N., Böckelmann, I., Sammito, S. Einfluss der körperlichen Leistungsfähigkeit auf Überlastungsbeschwerden und Verletzungen im Rahmen 359 der allgemeinen militärischen Grundausbildung Forstmeier, V. Untersuchung der Dosis-Wirkungsbeziehung von Niedrigversus Hochenergie-Stoßwellentherapie auf die kutane Mikrozirkulation – Implikationen für das prä- und postoperative Weichteiltraumamanagement? 360 Micheel, V. Identifikation atypisch resistenter Enterobacteriaceae bei Patienten einer Infektiologieabteilung auf Madagaskar 361 Heidelmann, L.M., Wulfert, C.-H., Rost, W. Blended Learning in der Ausbildung des Militärchirurgen am Beispiel eines Moduls Traumamanagement 362 Kongressberichte 363 45. DGWMP-Kongress, 10.-13.09.2014, Berlin 363 Festakt 150 Jahre Deutsche militärärztliche Gesellschaften Kongresseröffung Preisverleihungen Vorträge und Poster Aus den Arbeitskreisen der DGWMP e. V. 363 364 365 366 385 Mitteilungen aus der DGWMP e. V. 390 Titelbild: Collage Bildhintergrund: DGWMP / Andreas Meyer-Trümpener Grafische Gestaltung: Marlon Stork, Neunkirchen-Seelscheid Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 346 Geschichte der Wehrmedizin Aus dem Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, Potsdam (Kommandeur: Oberst Dr. Hans-Hubertus Mack) 150 Jahre Deutsche Militärärztliche Gesellschaften und ihre Bedeutung für die wehrmedizinische Wissenschaft 150 Years of German Societies for Military Medicine and their Significance for the Science of Military Medicine Ralf Vollmuth1 Zusammenfassung Mit der Konstituierung der „Berliner militärärztlichen Gesellschaft“ am 10. September 1864 wurde eine Tradition deutscher militärärztlicher Gesellschaften begründet, die über die Umbenennung in die „Deutsche Militärärztliche Gesellschaft“ im Jahre 1927 letztlich zur heutigen „Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. (DGWMP) – Vereinigung deutscher Sanitätsoffiziere (VdSO)“ führte. Alle diese Organisationen bewegten sich inhaltlich zwischen wissenschaftlichen Fachgesellschaften und militärärztlichen Standesvertretungen. Im Beitrag wird beleuchtet, welche Funktionen ihnen für die Verwissenschaftlichung im Sanitätsdienst bzw. im Bereich der einschlägigen wissenschaftlichen Disziplinen im Wandel der Zeit und in verschiedenen politischen Systemen zukommt: Selbst zwar nicht aktiv in die Forschung eingebunden, waren und sind sie von besonderer Bedeutung als (auf unterschiedlichen Wirkmechanismen beruhende) Katalysatoren der Wissenschaft und als wichtige Organe der Wissensvermittlung. Schlagworte: Berliner militärärztliche Gesellschaft, Deutsche Militärärztliche Gesellschaft, Deutsche Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. (DGWMP) – Vereinigung deutscher Sanitätsoffiziere (VdSO), Geschichte, Tradition Summary The constitution of the „Berliner militärärztliche Gesellschaft“ (Berlin Military Medicine Society) on 10 September 1864 laid the foundations for a tradition among German soVortrag, gehalten im Rahmen des 45. Kongresses der DGWMP „Tradition & Innovation“ – Plenarsitzung 7 „Klinische Forschung im Sanitätsdienst“ – am 13. September 2014 in Berlin. Eine wesentliche Basis dieses Vortrags und damit der vorliegenden Veröffentlichung bildet der Beitrag von Ralf Vollmuth und André Müllerschön „Geschichte als Auftrag für die Gestaltung der Zukunft. 150 Jahre ‚Deutsche Militärärztliche Gesellschaften‘“ in der Festschrift „150 Jahre Deutsche Militärärztliche Gesellschaften 1864-2014“ [13]. Vgl. ebendort auch die Zeittafel [9]. 1 Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 cieties for military medicine that first led to its name being changed in 1927 to the „Deutsche Militärärztliche Gesellschaft“ and eventually resulted in today’s „Deutsche Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. (DGWMP) – Vereinigung deutscher Sanitätsoffiziere (VdSO)“ (German Society for Military Medicine and Pharmacy – Association of German Medical Officers). With respect to the subjects they dealt with, all these organizations ranged between scientific specialist societies and military medical associations. The article examines the functions these organizations fulfilled for scientification in the Medical Service of German armed forces and the relevant disciplines not only in the course of time, but also in various political systems. Although not actively involved in research, they were and still are of particular significance both as catalysts of science (that work in a variety of ways) and conveyors of knowledge. Keywords: Berliner militärärztliche Gesellschaft, Deutsche Militärärztliche Gesellschaft, Deutsche Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. (DGWMP) – Vereinigung deutscher Sanitätsoffiziere (VdSO), history, tradition Forschung ist von den unterschiedlichsten äußeren und inneren Faktoren abhängig. Neben die Motivation und den Erkenntnisdrang der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler treten vielfältige Gegebenheiten, die zum Teil bestimmende Auswirkungen auf die Rahmenbedingungen haben, innerhalb derer wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen und vermittelt werden können. Erinnert sei beispielsweise an wissenschaftliche, gesellschafts- wie auch gesundheitspolitische Notwendigkeiten zur Erforschung bestimmter Gebiete: Diese können etwa epidemiologischer oder demografischer Natur sein, wie das Auftreten bestimmter Tumor-, Infektions- oder Demenzerkrankungen. Aus diesen Bedürfnissen resultieren wiederum die Zurverfügungstellung materieller, infrastruktureller und personeller Ressourcen, die Etablierung wissenschaftlicher Einrichtungen und die Institutionalisierung in Gestalt von Interessenvertretungen, Gremien und Fachgesellschaften oder Publikationsorganen. Die „Berliner militärärztliche Gesellschaft“ Mit der Konstituierung der „Berliner militärärztlichen Gesellschaft“ am 10. September 1864 wurde der Grundstein für eine R. Vollmuth: 150 Jahre Deutsche Militärärztliche Gesellschaften und ihre Bedeutung für die wehrmedizinische Wissenschaft 347 Übersicht 1: Auswahl von Gründungen wissenschaftlicher Gesellschaften im 19. Jahrhundert (Quellen: Internetauftritte der Gesellschaften / Wikipedia). Tradition militärärztlicher Fachgesellschaften gelegt, die bis heute andauert und die wissenschaftliche Fortbildung und Beschäftigung mit der Wehrmedizin zu ihren Kernaufgaben und -kompetenzen zählte. Die Gründungs- und Aufbauphase dieser Gesellschaft fiel dabei in eine Zeit, in der sich die Medizin als wissenschaftliches Fach im Umbruch befand, einen immensen Aufschwung erlebte und zahlreiche medizinische Fachgesellschaften und Standesorganisationen entstanden (siehe Übersicht 1). Während in der Folge auch viele lokale militärärztliche Vereinigungen gegründet wurden, reklamierte die „Berliner militärärztliche Gesellschaft“ im Jahre 1927 mit der Umbenennung in die „Deutsche Militärärztliche Gesellschaft“ für sich den Anspruch als zentrale deutsche wissenschaftliche Fachgesellschaft für den Bereich der Wehr- bzw. Militärmedizin [13, S. 26; 11, S. 52; 14, S. 121]. Beide Vereinigungen gelten bekanntermaßen als Vorgängergesellschaften der heutigen „DGWMP – VdSO“. Als „kollegialischer“ Verein ohne nähere inhaltliche Festlegung gegründet, wurden in einem ersten Rundschreiben kurz nach der Konstituierung Vorträge optional erwähnt, allerdings fanden die ersten Sitzungen noch ohne Referate statt [4, S. 3-5; 13, S. 24]. Bereits nach wenigen Monaten war den Mitgliedern jedoch der ausschließlich gesellige Charakter nicht mehr genug und es wurde am 2. Januar 1865 beschlossen, „den geselligen Zweck zwar nach wie vor in den Vordergrund gestellt bleiben zu lassen, zugleich jedoch damit eine wissenschaftliche Absicht zu verbinden und zu diesem Behufe die erste Stunde der Zusammenkünfte wissenschaftlichen Vorträgen und Erörterungen, sowie der Besprechung von medizinischen und rein militärärztlichen Standesfragen zu widmen“ [4, S. 5]. Die wissenschaftliche Gesellschaft war damit geboren! In der Folgezeit wurde die Wissenschaftlichkeit wesentlich stärker akzentuiert, was sich eindrucksvoll im Verzeichnis der Vorträge zeigt (Abb. 1): Das Spektrum umfasste medizinisch-wissenschaftliche und rein militärärztliche Themen ebenso wie sanitätsdienstlich-organisatorische Fragen [13, S. 24], und die Liste weist sowohl junge Fachvertreter wie auch die führenden Mediziner der Zeit als Referenten aus. Exemplarisch zu nennen sind hier die Vorträge der in ihrer Zeit maßgeblichen Chirurgen Bernhard von Langenbeck oder Ernst von Bergmann. Ebenso erwähnenswert sind der bekannte Militärarzt und Abbildung 1: Titelblatt des Verzeichnisses der in der „Berliner militärärztlichen Gesellschaft“ gehaltenen Vorträge [1, S. 26]. langjährige Vorsitzende der Gesellschaft Gottfried Friedrich Franz Loeffler und sein Sohn, der bedeutende Hygieniker und Robert-Koch-Schüler Friedrich Loeffler. Von der wissenschaftlichen Aktualität zeugen etwa die Referate und Demonstrationen von Walther Stechow aus dem Jahre 1896, der sich um die Übersicht 2: Beispiele von Vorträgen bedeutender Protagonisten der „Berliner militärärztlichen Gesellschaft“ [1, S. 26-52]. Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 348 R. Vollmuth: 150 Jahre Deutsche Militärärztliche Gesellschaften und ihre Bedeutung für die wehrmedizinische Wissenschaft Einführung der Radiologie im preußischen Militär verdient machte (siehe Übersicht 2) [1, S. 26-52]. Allein diese wenigen Beispiele belegen den Stellenwert der Gesellschaft für die wissenschaftlich-fachliche Weiterbildung der Sanitätsoffiziere. Durch die Vorträge kam es zum regen fachlichen Austausch zwischen dem militärärztlichen Bereich und oft kriegserfahrenen Hochschullehrern und Wissenschaftlern – zu wichtigen Synergismen aus den Ergebnissen der zivilen medizinischen Forschung und den Fortschritten der Medizin einerseits und den Erfordernissen und Erfahrungen der Militärmedizin und Kriegschirurgie andererseits. Viele Vorträge wie auch ab 1873 die Sitzungsprotokolle wurden in der seit 1872 bis 1920 erschienenen „Deutschen militärärztlichen Zeitschrift“ veröffentlicht und so weiten Kreisen zugänglich gemacht. Die „Deutsche Militärärztliche Gesellschaft“ nutzte schließlich von 1936 bis 1944 die Zeitschrift „Der Deutsche Militärarzt“ zur Veröffentlichung von Mitteilungen und Beiträgen [13, S. 24; 4, S. 6f]. Diese Tradition lebt heute in den Zeitschriften „Wehrmedizinische Monatsschrift“ sowie „Wehrmedizin und Wehrpharmazie“ weiter. Dass das Leben der Gesellschaft trotz der Entmilitarisierungsbestimmungen des Versailler Vertrages nicht zum Erliegen kam, war der kontinuierlichen Erweiterung des Kreises möglicher Mitglieder zu verdanken. Auch die räumliche Beziehung sowohl der Berliner und später der „Deutschen Militärärztlichen Gesellschaft“, die ihre Sitzungen ab 1901 in den jeweilig bestehenden militärärztlichen Akademien abhielten, unterstreicht die Bedeutung als zentrale wissenschaftliche Fortbildungsgesellschaft für Militärärzte und lässt auf eine gegenseitige inhaltliche Beeinflussung schließen. [13, S. 25f]. prozessen geahndeten Versuche zur Trinkbarmachung von Meerwasser an KZ-Häftlingen, ebenfalls in Dachau [z. B. 10; 8, S. 94-117; 3, S. 290-349; 12, S. 1-3, 34-36; 13, S. 26 und 28]. Beide waren übrigens Mitglieder der „Deutschen Militärärztlichen Gesellschaft“ [7, S. 59 und 125; 12, S. 34-36]. War hier also auch die Gesellschaft selbst involviert? Dass Mitglieder der Gesellschaft sich schuldig gemacht haben, bedeutet zunächst einmal nicht, dass diese als Institution als belastet anzusehen ist. Wenngleich die Quellenlage zur „Deutschen Militärärztlichen Gesellschaft“ sehr dürftig ist, ließen sich die Inhalte der Sitzungen durch die systematische Auswertung der erwähnten Zeitschrift „Der Deutsche Militärarzt“ [2] gut rekonstruieren: Die Veranstaltungsankündigungen und -berichte weisen darauf hin, dass vor allem die wehrmedizinisch relevanten Bereiche wie Kriegschirurgie, Infektionskrankheiten, Leistungs- und Flugmedizin/-physiologie und andere mehr im Mittelpunkt standen. Die für den Nationalsozialismus ideologisch grundlegenden und systemtragenden Bereiche wie „Erbbiologie“, „Eugenik“ und „Rassehygiene“ treten hingegen kaum in Erscheinung. Es finden sich auch keine Hinweise auf die Thematisierung der erwähnten verbrecherischen Versuche unter Beteiligung der Wehrmacht, was freilich nicht ausschließt, dass diese Themen am Rande der Veranstaltungen oder in den Vorträgen erwähnt oder diskutiert worden sein könnten [13, S. 27; 12, S. 21f, 45]. Eine abschließende Bewertung über die Bedeutung der „Deutschen Militärärztlichen Gesellschaft“ in der NS-Zeit ist derzeit noch nicht möglich. Nach momentanem Forschungs- und Kenntnisstand ist festzustellen, dass sie zwar distanz- und kritiklos ihren Platz im NS-Staat einnahm, allerdings als standesbezogen-wissenschaftliche Fortbildungsgesellschaft für die nationalsozialistische medizinische Forschung nicht von Bedeutung und trotz der Belastung einzelner Mitglieder nicht tiefer in die Medizinverbrechen des „Dritten Reiches“ verstrickt gewesen ist [13, S. 28; 12, S. 45-47]. Von der VdSO zur DGWMP Übersicht 3: Maßnahmen zur Erweiterung des Kreises der Mitglieder [13, S. 25; 9]. Die Bedeutung der „Deutschen Militärärzt lichen Gesellschaft“ im Nationalsozialismus Von besonderer Brisanz ist naturgemäß die Frage nach der Bedeutung der „Deutschen Militärärztlichen Gesellschaft“ im Nationalsozialismus. Schließlich wurden die verbrecherischen Menschenversuche in den Konzentrationslagern nicht nur durch die SS, sondern auch im Auftrag der Wehrmacht durchgeführt: Beispiele sind die Unterdruck- und Unterkühlungsversuche im Konzentrationslager Dachau im Auftrag der Luftwaffe unter dem Inspekteur des Sanitätswesens der Luftwaffe Generaloberstabsarzt Erich Hippke oder die von seinem Nachfolger Generaloberstabsarzt Oskar Schröder beauftragten und in den Nürnberger Ärzte- Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 Mit der Gründung der „Vereinigung ehemaliger Sanitätsoffiziere“ im Jahre 1954 änderten sich zunächst die Ziele der Gesellschaft in Richtung einer Interessenvertretung ehemaliger Wehrmachtssanitätsoffiziere im Hinblick auf deren versorgungs rechtliche Probleme [5, S. 16; 6, S. 27-43; 13, S. 28]. Eine Rückbesinnung auf den Anspruch als wissenschaftliche Fachgesellschaft brachte zwangsläufig das Bestreben, die 1957 in „Vereinigung deutscher Sanitätsoffiziere“ umbenannte Gesellschaft auch für die Sanitätsoffiziere der neuen Bundeswehr attraktiv zu machen. – Ein wichtiger Schritt war 1961 die Annahme des Namenszusatzes „Wehrmedizinische Gesellschaft“ – letzteres mit dem expliziten Hinweis, „daß sie [die VdSO] im Sinne und in Fortentwicklung der Tradition der früheren ‚Deutsche[n] militärärztliche[n] Gesellschaft‘ [sic!] nicht nur eine gesellschaftlich-kameradschaftliche Vereinigung ist, sondern wie diese besonders für die Verbreitung der für das sanitätsdienstlich-wehrmedizinische Gebiet wichtigen wissenschaftlichen Erkenntnisse sorgen will“ [13, S. 29; 6, S. 43; 5, S. 18]. – Weitere Umbenennungen (siehe Übersicht 4) sollten schließlich 1973 zur heutigen Bezeichnung führen, die sowohl den Anspruch als wissenschaftliche Gesellschaft wie auch als Interessenvertretung untermauert [13, S. 29]. R. Vollmuth: 150 Jahre Deutsche Militärärztliche Gesellschaften und ihre Bedeutung für die wehrmedizinische Wissenschaft 2. 3. 4. Übersicht 4: Die verschiedenen Stationen der Namensgebung der heutigen DGWMP – VdSO [9]. Dies zeigt, dass sich die Gesellschaft einerseits in die wissenschaftlich-kameradschaftlichen Traditionen der militärärztlichen Vorgängergesellschaften stellte und gleichzeitig schon früh zukunftsorientiert auf die wissenschaftliche und militärmedizinische Fortbildung fokussierte. Bei allen Höhen und Tiefen ihrer Geschichte entwickelte sich die VdSO schließlich mehr und mehr zu einer wissenschaftlichen Gesellschaft. Beredtes Zeugnis für diese Positionierung geben etwa die verschiedenen Wissenschaftspreise, die ausgelobt wurden: 1968 wurde der „Paul-Schürmann-Preis“ zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses erstmals verliehen. 1989 erfolgte die Stiftung des „Hans-Hartwig-Clasen-Förderpreises“ zur Förderung des Sanitätsoffiziersnachwuchses, der ab 2006 in den „Heinz-Gerngroß-Förderpreis“ umgewidmet wurde [9, S. 36f; 13, S. 29]. Viele der Teilnehmer und Preisträger sind hierdurch in ihrem wissenschaftlichen Impetus bestärkt worden, haben wissenschaftliche Karrieren im Sanitätsdienst oder im zivilen Bereich eingeschlagen und hierdurch den zivil-militärischen Wissenschaftsaustausch gefördert. Den Weg in das 21. Jahrhundert ist die DGWMP schließlich mit dem Anspruch einer modernen wissenschaftlichen Fachgesellschaft angetreten, die durch ihr vielfältiges Angebot ein spezifisch auf die Bedürfnisse und Belange des Sanitätsdienstes der Bundeswehr abgestimmtes Fortbildungsspektrum abdeckt [13, S. 30f]. Die „Deutschen militärärztlichen Gesellschaften“ bewegten sich also in den 150 Jahren ihres Bestehens in unterschiedlicher Ausprägung zwischen wissenschaftlicher Fachgesellschaft und militärärztlicher Standesorganisation. Dabei hatten sie immer eine Mittlerfunktion zwischen der Wehrmedizin einerseits und der zivilen Forschung und Entwicklung andererseits. Sie waren selbst nie aktiv in die Forschung eingebunden, wirkten aber aufgrund verschiedener Mechanismen wie der Wissensvermittlung und Fortbildung durch aktuelle Vorträge und wissenschaftliche Kongresse sowie der Förderung junger Wissenschaftler durch die Auslobung entsprechender Preise als wichtige Katalysatoren der Wissenschaft. Gleichzeitig war es wohl auch die Selbstbeschränkung auf diese Funktionen, die in der Zeit des Nationalsozialismus tiefere Verstrickungen in unethische und verbrecherische Forschungen verhinderte. Literatur und Quellen 1. Bischoff H: Festschrift zur 50jährig. Stiftungsfeier der Berliner militärärztlichen Gesellschaft am 20. Februar 1914. Im Auftrage der Gesellschaft zufolge Beschlusses vom 14. Dezember 1913 im 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 349 Anschluß an die zur 25jährigen Stiftungsfeier von Oberstabsarzt Dr. Krocker verfaßte Festschrift auf Grund der Akten fortgeführt. Berlin: Verlag Ernst Siegfried Mittler und Sohn 1914 [auch als Nachdruck im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. hrsg. und eingeleitet von Vollmuth R. Bonn: Selbstverlag der DGWMP 2014]. Der Deutsche Militärarzt 1936; 1 – 1944; 9. Eckart WU: Medizin in der NS-Diktatur. Ideologie, Praxis, Folgen. Wien – Köln – Weimar: Böhlau Verlag 2012. Krocker A: Festschrift zur 25jährigen Stiftungsfeier der Berliner militärärztlichen Gesellschaft am 20. Februar 1889. Berlin: Verlag Ernst Siegfried Mittler und Sohn 1889 [Anhang zum dritten Heft des Bandes 1889; 18 der Deutschen Militärärztlichen Zeitschrift]. Locher W, Schneider C, Schmidt H-D: 50 Jahre Deutsche Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie. Wehrmedizin und Wehrpharmazie 2004; 28 (3): 12-26. Mahnken AH: Scientiae – Humanitati – Patriae. Die Deutsche Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie von ihren Anfängen im Jahre 1954 bis zum November 1968. Med. Diss. Bonn 1997. Mitgliederliste der Deutschen Militärärztlichen Gesellschaft (Stand vom 1.11.1937). Berlin o.J. [Wehrgeschichtliche Lehrsammlung SanAkBw]. Mitscherlich A, Mielke F (Hrsg. und Komment.): Medizin ohne Menschlichkeit. Dokumente des Nürnberger Ärzteprozesses. 18. Aufl. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag 2012 (= Die Zeit des Nationalsozialismus, 2003). Müllerschön A, Vollmuth R: Zeittafel zur Geschichte der „Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie (DGWMP) – Vereinigung deutscher Sanitätsoffiziere e. V. (VdSO)“ und ihrer Vorgängergesellschaften. In: 150 Jahre Deutsche Militärärztliche Gesellschaften 1864-2014. [Hrsg. von der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V.]. Bonn: Selbstverlag der DGWMP 2014; 34-37. Roth KH: Tödliche Höhen: Die Unterdruckkammer-Experimente im Konzentrationslager Dachau und ihre Bedeutung für die luftfahrtmedizinische Forschung des „Dritten Reichs“. In: Ebbinghaus A, Dörner K (Hrsg.): Vernichten und Heilen. Der Nürnberger Ärzteprozeß und seine Folgen. Berlin: Aufbau Verlag 2001; 110-151 und 512-526 [Anmerkungen]. Stahl O: Zur Geschichte der Deutschen Militärärztlichen Gesellschaft. Der Deutsche Militärarzt 1939; 4: 49-53. Vollmuth R: Zur Geschichte der „Deutschen Militärärztlichen Gesellschaft“ in der Zeit des Nationalsozialismus. Potsdam 2013 [Manuskript]. Vollmuth R, Müllerschön A: Geschichte als Auftrag für die Gestaltung der Zukunft. 150 Jahre „Deutsche Militärärztliche Gesellschaften“. In: 150 Jahre Deutsche Militärärztliche Gesellschaften 1864-2014. [Hrsg. von der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V.]. Bonn: Selbstverlag der DGWMP 2014; 22-32. Wedel KW: Deutsche Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie – 120 Jahre. Wehrmedizin und Wehrpharmazie 1985; 9 (1): 115-125. Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. Ralf Vollmuth, Oberfeldarzt Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr Abteilung Forschung Zeppelinstraße 127/128 14471 Potsdam E-Mail: Ralf1Vollmuth@bundeswehr.org Der Beitrag wird im Internet unter www.wehrmed.de publiziert. Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 350 Paul-Schürmann-Preis 2014 Aus der urologischen Abteilung (Leiter: Oberstarzt Dr. Walter Wagner) des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg (Chefarzt: Generalarzt Dr. Joachim Hoitz) und der Arbeitsgruppe „Genomics“ (Leiter: Oberstarzt Prof. Dr. Michael Abend) des Instituts für Radiobiologe der Bundeswehr (Leiter: Oberstarzt PD Dr. Matthias Port) Molekularbiologische Risikofaktoren einer Metastasierung beim seminomatösen Keimzelltumor des Hodens Molecular markers to predict metastatic status in testicular Seminoma Christian Ruf Zusammenfassung Einführung: Der Keimzelltumor des Hodens ist der häufigste Tumor des jungen Mannes und der häufigste Tumor bei Soldaten, wobei das Seminom im nicht metastasierten klinischen Stadium I (cSI) am häufigsten ist. Bei 20 % der Patienten mit Seminom im cSI findet sich bei der Nachsorge eine okkulte Metastasierung, deren Risiko bisher anhand klinischer Parameter mit einer Konkordanz von bis zu 65 % abgeschätzt werden kann. Molekularbiologische Marker sollen eine bessere Vorhersage und damit eine individuellere Therapie ermöglichen. Material und Methoden: Bei insgesamt 172 Patienten mit einem reinen testikulären Seminom (101 metastasierte und 71 nicht metastasierte) wurden Gewebe und peripheres Vollblut intraoperativ entnommen und in RNA stabilisierender Lösung gelagert. Nach der RNA Isolation erfolgte das Whole Genome Screening auf den Plattformen AB1700 Whole Genome Mikroarray (Life technologies) und Agilent Mikroarray (Agilent), sowie das Next Generation Sequencing (NGS) mittels SOLiD Platform (Life technologies). Für die quantitative Realtime Polymerase Chain Reaktion (qRTPCR) wurden die LDAs der Firma Life Technologies (Taq Chemie) genutzt. Die Durchführung und Auswertung der RNA Isolation und der Expressionsanalysen erfolgten nach den Standard Operating Procedures (SOPs) des Instituts für Radiobiologie der Bundeswehr. Ergebnisse: Von 40 000 untersuchten Transkripten zeigten sich nach Normalisierung ca. 16 000 Transkripte exprimiert und 4 091 Transkripte differentiell exprimiert. 95 ausgewählte Gene wurden mittels qRT-PCR an einem unabhängigen Kollektiv quantitativ bestätigt. Die Konkordanz betrug bei der Expression zweier Gene (DRD1 und FAM72F1) 88 %. Bei der miRNA Analyse im Tumorgewebe und im peripheren Vollblut waren jeweils 137 small RNAs differentiell exprimiert, von denen jeweils 35, 32 und 38 small RNAs identifiziert werden konnten, die eine signifikante Diskriminierung zwischen lymphogen/okkult metastasiert bzw. beider metastasierter Subtypen von den nicht metastasierten Seminomen ermöglichten. Mittels Support Vector Machine1 war unter 1 Mathematisches Verfahren zur Einteilung einer Menge von Objekten so in Klassen, dass um die jeweilige Klasse ein möglichst großer freier Raum, also Abstand, zu anderen Klassen besteht. Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 der Berücksichtigung zweier Gene eine vollständige Diskriminierung möglich. Schlussfolgerungen: Die Genexpression zweier miRNAs im Tumorgewebe oder Vollblut ermöglicht eine vollständige Diskriminierung metastasierter und nicht-metastasierter Seminome. Die Bestätigung der Ergebnisse an einem größeren unabhängigen Kollektiv ist geplant. Bei Bestätigung der Ergebnisse könnte die Genexpressionsbestimmung eine individuelle Entscheidung für oder gegen eine adjuvante Therapie ermöglichen. Schlüsselwörter: Seminom, Metastasierung, miRNA, mRNA, molekulare Marker Summary Introduction: The germ cell tumor is the most frequently occurring neoplasm of the young man and also of soldiers, whereby the seminoma in the non-metastasised clinical stadium I (cSI) appears most often. At follow up, 20 % of patients with seminoma in cSI show occult metastasis, which, under clinical parameters, with a an estimated risk rate of up to 65 %. Molecular biological marker should allow a better prognosis and thus a more individual therapy. Material and Methods: From a total of 172 patients with a straight testicular seminoma (101 metastasized and 72 non-metastasized) tissue and whole blood samples were extracted intraoperatively and placed in RNA-stabilized solution. After isolating the RNA Whole Genome Screening with the platforms AB1700 Whole Genome Mikroarray (Life technologies) and Agilent Mikroarray (Agilent) was performed as well as Next Generation Sequencing (NGS) by SOLiD Platform (Life technologies). Results: Of 40 000 transcripts explored, after normalization, 16 000 appeared expressed and 4 091 differentially expressed. Within an idependent collective, 95 selected genes could be confirmed quantitatively through qRT-PCR. The concordance for the expression of two genes (DRD1 and FAM72F1) was 88 %. From the miRNA analysis of tumor tissue and peripheral whole blood 137 small RNAs were differentially expressed; of thoses 35, 32 and 38 small RNAs could be identified respectively, which allowed a significant discrimination between lymphogenic/occult metastasis or both subtypes of metastasis and those seminomas without metastasis. C. Ruf: Molekularbiologische Risikofaktoren einer Metastasierung beim seminomatösen Keimzelltumor des Hodens Under the condition of two genes, a complete discrimination could be achieved using Support Vector Machine. Conclusion: The gen expression of two miRNAs in human tumor tissue or whole blood allows for complete differentiation of metastasizing and non-metastasizing seminomas. Confirmation of results in a larger independent collective has been planned. If the results can be confirmed the identification of gene expression could enable an individual decision for or against an adjuvant therapy. Keywords: Seminoma, metastatic status, miRNA, mRNA, molecular marker Einleitung Der Keimzelltumor des Hodens ist der häufigste Tumor des jungen Mannes und damit der häufigste Tumor bei Soldaten. Jährlich werden etwa 4.000 Neuerkrankungen in Deutschland registriert. Die Bundeswehrkrankenhäuser sind Zentren für die Behandlung des Hodentumors, teilweise zertifizierte Zweitmeinungszentren der Deutschen Krebsgesellschaft; mehr als 10 % aller Hodentumorpatienten werden in Deutschland in einem Bundeswehrkrankenhaus behandelt. Die Aussetzung der Wehrpflicht hatte dabei bisher keinen Einfluss auf die Behandlungszahlen. Fragestellungen zur Diagnostik und Behandlung des Hodentumors sind im klinischen Alltag in den Bundeswehrkrankenhäusern von hoher Relevanz. Der Keimzelltumor des Hodens wird je nach histologischem Subtyp in Seminome und Nicht-Seminome eingeteilt. Heute liegt in 56 % der Fälle ein reines Seminom vor [1]. Die Heilungschancen früher Stadien, wie dem nicht metastasierten Seminom, liegen bei frühzeitiger Diagnosestellung und stadiengerechter Therapie bei bis zu 100 %. Die meisten Tumoren fallen durch eine Vergrößerung oder Verhärtung des Hodens, die vom Patienten oder dem/der Partner(in) bemerkt wird, auf. Immer häufiger werden Tumoren auch sonografisch im Rahmen der allgemeinen Vorsorgeuntersuchung oder der urologischen Abklärung bei unerfülltem Kinderwunsch diagnostiziert. Die Diagnose wird mittels Palpation des Hodens, Ultraschall und den Tumormarkern Alphafetoprotein (AFP), Humanes Chorion Gonadotropin (ß-HCG) und Lactatdehydrogenase (LDH) gestellt. Nach der operativen Hodenentfernung (Ablatio testis) erfolgt die Ausbreitungsdiagnostik mittels Computertomografie (CT) von Thorax, Abdomen und Becken mit Kontrastmittel zur Detektion von Metastasen. Bei über 70 % der Seminome sind zum Zeitpunkt der Diagnosestellung keine sichtbaren Metastasen im CT nachweisbar. Das Seminom im nicht metastasierten klinischen Stadium I (cSI) ist damit der häufigste Keimzelltumor des Hodens. Etwa 20 % der Seminompatienten im cSI entwickeln ohne adjuvante Therapie einen Progress der Erkrankung [2] und werden als okkult metastasiert (die vorhandene Metastasierung ist zum Zeitpunkt des Stagings noch nicht sichtbar) bezeichnet. Nicht metastasierte Patienten sind durch die Ablatio testis geheilt und benötigen keine weitere Therapie. Okkult metastasierte Patienten profitieren von einer adjuvanten Therapie, die das Risiko eines Progresses auf unter 5 % reduziert. Zur Unterscheidung zwischen okkult und nicht metastasierten Patienten wurden im Jahr 2002 von Warde et al. die Risikofaktoren Tumorgröße > 4 cm und die Infiltration des Rete testis identifiziert 351 [3]. Bei Vorliegen von einem Risikofaktor steigt das Risiko einer okkulten Metastasierung von 12 % auf 20 % und beim Vorliegen von zwei Risikofaktoren auf 30 % an. Die Validierung dieser Risikofaktoren an einem unabhängigen Kollektiv gelang der gleichen Arbeitsgruppe im Jahr 2010 nicht [4]. In einem bundeswehreigenen Kollektiv konnten wir 90 klinische, histologische, epidemiologische und laborchemische Parameter hinsichtlich Ihrer Assoziation mit dem Metastasierungsstatus untersuchen. In diese Studie mit 527 Seminompatienten wurden im Jahr 2013 die Parameter Tumorlänge, Lymph- und Blutgefäßinvasion sowie die Tumormarker ß-HCG und LDH als Risikofaktoren identifiziert. Die Diskriminierungsfähigkeit der metastasierten von den nicht-metastasierten Seminomen lag in der multivariaten Analyse trotzdem bei maximal 65 % (Konkordanz oder ROC area) [5]. Auch andere Arbeitsgruppen kamen zu ähnlichen Ergebnissen [6]. Dieses Ergebnis zeigt einmal mehr, dass signifikante Assoziationen und die Diskriminierungsfähigkeit zwei unterschiedliche Aspekte darstellen. Zudem unterstreicht es die Dringlichkeit, diagnostisch relevantere Parameter zu finden. Eine adjuvante Therapie mit einem Zyklus Carboplatin-Monochemotherapie senkt das Risiko eines Progresses bzw. Rezidivs im cSI von 20 - 30 % auf unter 5 %. Die Langzeittoxizitäten einer adjuvanten Chemotherapie sind neben kardiovaskulären Nebenwirkungen die Einschränkungen der Fertilität und der Nierenfunktion sowie ein erhöhtes Risiko von Zweitmalignomen [7-12]. Das Auftreten von Nebenwirkungen und Langzeittoxizitäten einer Therapie ist gerade beim Hodentumor aufgrund des jungen Patientenalters und der sehr guten Heilungschancen relevant. Mit einer adjuvanten Therapie sind 80 % der Patienten übertherapiert. Alternativ zu einer adjuvanten Chemotherapie kann eine aktive Überwachung (Active Surveillance) durchgeführt werden. Im Rahmen der Nachsorge wird dann regelmäßig eine Bildgebung mit CT Abdomen/Becken durchgeführt - eine für 80 % der Patienten überflüssige Strahlenexposition mit dem Risiko einer dadurch induzierten späteren Tumorentwicklung. Molekularbiologische Marker wie die Expression der proteinkodierenden messenger RNAs (mRNA) oder der nicht kodierenden kurzen micro RNAs (miRNA) werden bei unterschiedlichen (urologischen) Tumoren incl. Hodentumoren untersucht. Dabei waren verschiedene miRNAs mit dem Metastasierungsstatus bei anderen Tumoren assoziiert [13]. Eine Assoziation der Expression von mRNA und miRNA mit dem Metastasierungsstatus wurde bisher bei Hodentumoren nicht untersucht. Ziel der Arbeit war es, Biomarker zu identifizieren, welche eine noch bessere Vorhersage des Metastasierungsstatus ermöglichen. Der Fokus lag dabei nicht so sehr auf sichtbaren Metastasen, die in der CT diagnostiziert werden können, sondern in der Detektion okkulter Metastasen. Ein Biomarker, der okkulte Metastasen mit hoher Sensitivität und Spezifität vorhersagen kann, hätte eine hohe klinischer Relevanz. Anhand des Markers könnte die fast arbeitstäglich anstehende Entscheidung bei Seminomen im cSI für oder gegen eine adjuvante Therapie bzw. eine engmaschige Nachsorge getroffen werden. In der Konsequenz würden nur die Patienten behandelt, bei denen es notwendig ist. Eine unnötige Exposition gegenüber therapieassoziierten Toxizitäten und ionisierender Strahlung könnte somit vermieden werden. Die Suche nach einem molekularen Marker wurde in mehreren Teilschritten als Einzelprojekte durchgeführt. Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 352 C. Ruf: Molekularbiologische Risikofaktoren einer Metastasierung beim seminomatösen Keimzelltumor des Hodens Material und Methoden Patienten In die Studie wurden ausschließlich Patienten mit einem reinen testikulären Seminom eingeschlossen. Die histologische Diagnose wurde durch einen Pathologen mit viel Erfahrung in dem Bereich der histologischen Hodentumordiagnostik gestellt. Für die unterschiedlichen Projekte wurden Proben von insgesamt 172 Patienten eingeschlossen, davon 101 metastasierte und 71 nicht metastasierte Seminome. Die Patienten wurden in drei Gruppen eingeteilt. 1) Nicht metastasierte Seminome, klinisches Stadium I (cSI), die ohne Hinweis auf Metastasen keine adjuvante Therapie erhielten und während des Follow up von mindestens 2 Jahren kein Tumorrezidiv zeigten. 2) Okkult metastasierte Seminome, die im primären Staging bildgebend und laborchemisch (Tumormarker) keinen Hinweis auf eine Metastasierung zeigten, keine adjuvante Therapie erhielten und im Follow up einen Tumorrezidiv im Sinne einer Metastasierung zeigten. 3) Sichtbar metastasierte Seminome, cSIIa–III, teilweise auch nur lymphogen metastasierte Seminome (cSIIb-IIc), Patienten, die zum Zeitpunkt des primären Stagings schon sichtbare Metastastasen hatten. Gewebeentnahme und Aufbewahrung Das Tumorgewebe und korrespondierendes Hodennormalgewebe wurden intraoperativ aus repräsentativen vitalen Bereichen des Tumors bzw. Hodens standardisiert entnommen und direkt in RNA stabilisierende Lösung überführt. Zusätzlich wurde bei den Patienten Vollblut aus der Cubitalvene direkt in RNA stabilisierende Blutröhrchen (PAX Gene, Fa. Becton, Dickinson and Company, BD) abgenommen. Das Material wurde bis zur Aufarbeitung bei -20°C gelagert. RNA Isolation Die RNA Isolation aller Proben erfolgte mittels säulenbasierten RNA Extraktionskits mRNEasy bzw. miRNEasy der Firma Qiagen bzw. der Kombination einer RNA-Fällung in Phenol-Chloroform gefolgt von einer Säulenaufreinigung zur Isolation sogenannter „small RNAs“, in denen auch die uns interessierenden microRNAs enthalten sind. Alle Laborarbeiten wurden nach DinISO 9001:2000 zertifizierten Standards der Arbeitsgruppe „Genomics“ des Instituts für Radiobiologie der Bundeswehr durchgeführt. Whole Genome Mikroarray Für die Untersuchung mittels AB1700 Whole Genome Mikroarray wurden die gepoolten Proben in copy DNA (cDNA) umgeschrieben und dabei mit einem Chemolumineszenz RT Labeling Kit markiert. Die markierte cDNA der insgesamt 4 verschiedenen gepoolten Proben wurde auf je einem Whole Genome Mikroarray (Human-Genome-Survey-Mikroarray 2.0, Lifetechnologies, Darmstadt) (Abb. 1) hybridisiert und mittels Mikroarray Reader AB1700 (Applied Biosystems, Darmstadt) ausgelesen. Nach Normalisierung gegen die Gesamtgenexpression wurde die Expression jedes einzelnen Gens bei den metastasierten und den nicht-metastasierten Proben gegeneinander verglichen. Ein Gen wurde als exprimiert betrachtet, wenn das Chemilumineszenzsignal mehr als fünffach gegenüber dem Hintergrund- Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 Abb. 1: Whole Genome Mikroarray Chips der Firma Applied Biosystems (Life Technologies, Darmstadt) rauschen erhöht war. Ein mindestens dreifacher Unterschied des normalisierten Chemilumineszenzsignals in der metastasierten gegenüber der nicht-metastasierten Gruppe wurde als differentielle Genexpression definiert. Für den Agilent Mikroarray wurde die Gesamt-RNA revers transkribiert, die cDNA dann in Cyanine-3 markierte cRNA konvertiert, aufgereinigt und ungepoolt auf den Agilent oligo Mikroarray hybridisiert. Die Auswertung des Genom-weiten Expressionsprofils erfolgte mittels Agilent DNA Mikroarray Scanner. Gene, die in >50 % der Proben pro Gruppe exprimiert waren und mehr als zweifache Unterschiede gegenüber der anderen Gruppe zeigten, wurden als differentiell exprimierte Gene gewertet. Die nicht adjustierten und die adjustierten p-Werte (multiple comparison, false discovery rate) wurden berechnet. Quantitative Real Time Polymerase Kettenreaktion (qRT-PCR) Die reverse Transkription der mRNA bzw. miRNA in cDNA erfolgte mittels TaqMan microRNA bzw. mRNA Reverse Transcription Kit. Das entsprechende Primer-Probe Design lag in lyophilisierter Form vor und nach Zugabe des Mastermix und der Oligonucleotide wurden die Proben mittels Low Density Array (LDA) untersucht (Abb. 2). Mit diesem Verfahren können an vier Proben je 95 Gene gleichzeitig untersucht werden. Die Reaktion und das gleichzeitige Auslesen der Expressionsdaten erfolgte mittels AB 7900 qRT-PCR Gerät. Die Genexpression wurde gegen das Haushaltsgen 18S bzw. die mediane Genexpression der 95 untersuchten Gene normalisiert. Ein Unterschied der normalisierten Genexpression um den Faktor >2 wurde als differentielle Genexpression definiert. Alle Reagenzien und Geräte wurden von der Firma Life Technologies (Darmstadt) bezogen. Next Generation Sequencing (NGS) Aus selektierten Biopsaten wurde die Gesamt-RNA isoliert und die angereicherten small RNAs an die SOLiD adaptors ligiert. Nach der reversen Transkription wurde die cDNA aufgereinigt und RNA-Spezies größer 60 - 80 nt wurden verworfen. Nach der in-gel Amplifikation der cDNA erfolgte die Markierung C. Ruf: Molekularbiologische Risikofaktoren einer Metastasierung beim seminomatösen Keimzelltumor des Hodens 353 Ergebnisse und Diskussion Die mRNA Expression ist mit dem Metastasierungsstatus assoziiert, Ergebnisse der Screeninguntersuchung [14] Abb. 2: Amplifikationsplot als grafische Darstellung der Amplifikationsergebnisse für jedes Gen eines Laufes. mittels SOLiD 3´Barcode primer. Die amplifizierte cDNA wurde aufgereinigt und in die Emulsions-PCR eingesetzt. Die Emulsion wurde aufgebrochen und die so genannten „di-base“ Proben in das SOLiD System zur Sequenzierung nach dem sequencing-by-ligation Prinzip eingesetzt. Zur Darstellung, Signalberechnung, für das Clustering, das Auszählen der Reads und die Benennung wurde die SOLiD5500xl Software (LifeScope) und die CLC Genomics Workbench 5.1 (CLC bio) genutzt. Anschließend erfolgte das Trimming (Aussortieren aller Signale ohne Annotation und zu kurzer Fragmente). Small RNAs mit einem Unterschied in der Genexpression >2 und mindestens 50 Reads wurden weiter untersucht. Bioinformatik Die Rohdaten der einzelnen Untersuchungen mussten zunächst normalisiert werden. Als Referenz wurde die Gesamtexpression der Untersuchung oder für die qRT-PCR auch ein Haushaltsgen (18S) genutzt. Nach der Normalisierung wurde die differentielle Expression der Gene untersucht, indem die normalisierte Genexpression jedes einzelnen Gens in den beiden untersuchten Gruppen miteinander verglichen wurde. Ein Unterschied >2 wurde in der Regel als differentielle Expression gewertet. Die Daten der Screeningverfahren (Whole Genome Mikroarray und Next Generation Sequencing) wurden aufgrund des möglichen Alpha-Fehlers beim multiplen Testen nach Bonferroni korrigiert. Nachdem in den Untersuchungen kein einzelnes Gen zur Differenzierung ausreichte, wurden mehrere Variablen (mRNAs, miRNAs, klinische Risikofaktoren wie Tumorgröße) mittels multivariater Analyse untersucht. Dabei wurde die „Area under the Curve“ (AUC) einer „Receiver Operator Correlation curve“ (ROC curve) unter Berücksichtigung verschiedener Variablen berechnet. Die statistische Auswertung erfolgte mittels SAS Software. Die Differenzierung metastasierter und nicht metastasierter Semiome anhand zweier miRNAs erfolgte mittels Support Vector Machine. Zu Beginn der Studien waren in der Literatur keine Gene beschrieben, die eine Assoziation mit dem Metastasierungsstatus bei Hodentumoren aufweisen. Daher untersuchten wir an 31 Patienten (10 metastasiert und 21 nicht metastasiert) das gesamte Genom (alle 20 000 bekannten humanen mRNA`s) mittels Whole Genome Mikroarray, einem semiquantitativen Screeningverfahren. Von 20 000 untersuchten Genen bzw. 40 000 Transkripten zeigten sich nach Normalisierung ca. 16 000 Transkripte exprimiert. Beim Screening metastasierter und nicht metastasierter Seminome fanden sich 4 091 Transkripte differentiell exprimiert. Durch die begrenzte Patientenzahl sowie das gleichzeitige Untersuchen von bis zu 20 000 Genen (multiples Testen) im Rahmen des Screening könnten Verzerrungen oder Fehler (Alphafehler) aufgetreten sein. Daher war es wichtig, die differentiell exprimierten Gene quantitativ zu untersuchen. Aus den 4 091 differentiell exprimierten Genen wurden 95 Gene ausgewählt, die mittels qRT-PCR an dem gleichen Kollektiv quantitativ bestätigt wurden. Dabei wurden vor allem die Gene ausgesucht, die (1) große Expressionsunterschiede aufwiesen, (2) bekanntermaßen mit dem Metastasierungsstatus bei anderen Tumorentitäten korrelierten oder (3) bei denen eine Beteiligung an biologischen Prozessen der Metastasierung beschrieben worden ist. Aus finanziellen und logistischen Gründen konnten nicht alle 4 091 Transkripte untersucht werden. Die Ergebnisse der qRT-PCR stimmten in 88 % der untersuchten Gene mit den Ergebnissen des Mikroarrays überein. Die Rate an falsch Positiven lag bei 1 % und bei falsch Negativen bei 11 %. Durch qRT-PCR eines von jeweils fünf Genen war eine vollständige Diskriminierung von Tumor- und Normalgewebe bzw. eine Diskriminierung der unterschiedlichen Tumorentitäten möglich. Eine Metastasierung konnte anhand der Expression einzelner Gene nicht erkannt werden. Unter Benutzung eines logistischen Regressionsmodells, basierend auf einem Genexpressionsprofil von 85 Genen, konnte eine 88 %ige Vorhersage des Metastasierungsstatus der Seminome erfolgen. Die Ergebnisse dieses zweistufigen Experiments dokumentierten eine gute Übereinstimmung (88 %) der semiquantitativen Mikroarray Ergebnisse mit den quantitativen RT-PCR Ergebnissen. Erstmals konnte gezeigt werden, dass beim Hodentumor Gene eindeutig mit dem Metastasierungsstatus assoziiert sind. Es fand sich kein einzelnes Gen als Marker einer Metastasierung, aber mittels eines bioinformatischen Modells konnte anhand eines Sets von 85 Genen der Metastasierungsstatus eindeutig vorhergesagt werden. Die Aussagen des bioinformatischen Modells werteten wir kritisch, denn eine Signatur aus 85 Genen, die an einem Gesamtkollektiv von 31 Patienten erhoben wurde, ist aufgrund ihrer Komplexität auf der einen Seite und der geringen Fallzahl auf der anderen Seite problematisch. Wir werteten es indes als einen ersten Hinweis darauf, dass basierend auf Transkriptionsänderungen vermutlich Aussagen zur Metastasierung am Primärtumor möglich sind. In weiteren Untersuchungen wurden die Genexpressionsdaten deshalb an einem unabhängigen Kollektiv mit robusteren Verfahren wie der logistischen Regressionsanalyse untersucht. Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 354 C. Ruf: Molekularbiologische Risikofaktoren einer Metastasierung beim seminomatösen Keimzelltumor des Hodens Zwei Gene erlauben eine Vorhersage des Metastasierungsstatus zu 88 % [15] Die oben beschriebenen Ergebnisse wurden an einem unabhängigen Kollektiv von 52 Seminompatienten (12 metastasiert , 40 nicht-metastasiert) validiert. Zusätzlich wurden die in der Literatur beschriebenen klinischen Risikofaktoren (Tumorgröße und Infiltration des Rete testis) mit untersucht. In der Auswertung zeigte sich die Expression von fünf Genen signifikant mit dem Metastasierungsstatus assoziiert. Anders als in der Analyse zuvor wurde eine logistische Regressionsanalyse jedes einzelnen Gens und der Kombination selektierter Gene zur Diskriminierung des Metastasierungsstatus durchgeführt. Die Expression von zwei Genen (Dopamin Rezeptor D1 [DRD1] und family with sequence similarity 71, member F2 [FAM71F2], p=0,005 und 0,024 in der Einzelanalyse und p=0,004 und 0,016 in der Kombination beider Gene) ermöglichte eine signifikante Diskriminierung des Metastasierungsstatus. Die Konkordanz stieg von 77,9 % (DRD1) und 72,3 % (FAM71F2) in der Einzelanalyse auf bis zu 87,7 % bei der Kombination beider Gene. Bei der Untersuchung der klinischen Risikofaktoren konnte nur für die Größe des Primärtumors (als kontinuierliche Variable und als Kategorie >6 cm) eine signifikante Assoziation mit der Metastasierung gezeigt werden (p=0,039/p=0,02). Allerdings war die Konkordanz niedrig (61 %). Eine Kombination der Genexpression mit dem klinischen Risikofaktor ergab keine Verbesserung der Konkordanz. Mit dieser Studie konnten die Ergebnisse der Screeninguntersuchung bestätigt werden: Fünf der untersuchten Gene zeigten eine Assoziation mit dem Metastasierungsstatus und eine 88 %-ige Diskriminierung war anhand der Expression von zwei Genen (DRD1 und Fam71F2) der Nutzung von klinischen Risikofaktoren mit einer Diskriminierungsfähigkeit von bis zu 65 % überlegen. Durch diese Arbeit hat sich zwar die diagnostische Vorhersage verbessert, das initiale Ziel einer sicheren Diskriminierung konnte durch die mRNA Expression jedoch nicht vollständig erreicht werden. Parallel dazu verbesserte sich die Untersuchungstechnik für small RNAs und es mehrten sich die Hinweise auf die diagnostische Wertigkeit der small RNAs, auch beim Keimzelltumor des Hodens [16-19]. Daher untersuchten wir im nächsten Schritt die miRNA Expression im Primärtumor [20] mittels Next Generation Sequencing. nostik des Primärtumors nicht nachweisbar sind im Gegensatz zu den zu diesem Zeitpunkt sichtbaren (nachweisbaren) Metastasen. Ob diese sich auf transkriptionaler Ebene von den sichtbar metastasierten Seminomen unterscheiden, war unklar. Daher führten wir NGS an je 5 Seminompatienten aus den drei Gruppen, sichtbar metastasiert, okkult metastasiert und nicht-metastasiert durch. Für die metastasierten Seminome beschränkten wir uns nur auf die klinischen Stadien IIb und IIc. Diese Stadien sind lymphogen metastasiert (wie auch die okkult metastasierten) und grenzwertige Metastasierung, wie teilweise beim cSIIa, werden nicht eingeschlossen. Durchschnittlich fanden sich 1,3x107, 1,4x107 und 1,7x107 Reads bei den lymphogen metastasierten, okkult metastasierten und nicht metastasierten Seminomen. Nach dem „Trimming“ reduzierte sich die Anzahl auf durchschnittlich 30 - 32 %, wovon 59 - 68 % annotierte Reads mit 8,6 - 11 % (3,6 - 5,7x104) annotierten small RNAs gefunden wurden. Insgesamt zeigten 137 small RNAs eine Genexpression >2 und mindestens 50 Reads. In der univariaten logistischen Regressionsanalyse konnten 35, 32 und 38 small RNAs identifiziert werden, die eine signifikante Diskriminierung zwischen lymphogen/okkult metastasiert bzw. beider metastasierter Subtypen von den nicht metastasierten Seminomen ermöglichten (Abb. 3). Eine Differenzierung zwischen okkult und sichtbar metastasierten Seminomen war nicht möglich. Schließlich nutzten wir Support Vector Machine Berechnungen zur kompletten Diskriminierung metastasierter und nicht metastasierter Stadien. Insgesamt wurden 125, 52 und 6 Kombinationen zweier small RNAs identifiziert, die eine vollständige Diskriminierung der lymphogen metastasierten, der okkult metastasierten und der insgesamt metastasierten Seminome (sowohl lymphogen als auch okkult metastasiert) von den nicht metastasierten Seminomen ermöglichte. Somit ist anhand der Expression zweier small RNAs im Primärtumor erstmals eine vollständige Diskriminierung metastasierter von nicht metastasierten Seminomen möglich. Die Anzahl der eingeschlossenen Patienten wurde aufgrund der hohen Kos- Die miRNA Expression im Tumorgewebe erlaubt eine vollständige Differenzierung metastasierter und nicht metastasierter Seminome [20] Nachdem die mRNA Expression keine vollständige Diskriminierung des Metastasierungsstatus ermöglichte, untersuchten wir an einem unabhängigen Kollektiv die small RNA Expression im Primärtumor. Wir screenten die ca. 1.000 bekannten small RNAs mittels Next Generation Sequencing (NGS), einer quantitativen Untersuchungsmethode, da nicht klar war, welche small RNAs sich zur Diskriminierung metastasierter und nicht-metastasierter Seminome eignen würde. Darüber hinaus erlaubt dieses Verfahren auch die Identifizierung bislang unbekannter und für unsere Zwecke vielleicht geeignetere small RNA-Spezies. Der wesentliche Nutzen eines molekularen Markers besteht in der Detektion okkulter Metastasen, die also während der Diag- Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 Abb. 3: Schnittmengendiagramm der Anzahl der small RNAs, die eine Differenzierung zwischen den okkult/lymphogen oder aller metastasierten Seminome kombiniert versus nicht metastasierten Seminomen ermöglicht. C. Ruf: Molekularbiologische Risikofaktoren einer Metastasierung beim seminomatösen Keimzelltumor des Hodens ten dieser Technik auf 15 reduziert. Die Bestätigung der Ergebnisse muss in einem nächsten Schritt mittels qRT-PCR an einem größeren unabhängigen Kollektiv erfolgen. Eine weitere wichtige Erkenntnis konnte aus dieser Arbeit gewonnen werden: Metastasierte Tumoren unterscheiden sich auf small RNA-Ebene von den nicht metastasierten, eine Unterscheidung sichtbar und okkult metastasierter Tumoren ist aber nicht möglich. Das bestätigte unsere Ergebnisse der klinischen Risikofaktoranalysen, bei der die gleichen Risikofaktoren sowohl für okkult als auch sichtbar metastasierte Tumoren identifiziert worden waren. Diese Ergebnisse unterstreichen zudem die These, dass der biologische Prozess der Metastasierung bei den okkult metastasierten Seminomen bereits eingetreten ist, die Metastasen nur aufgrund ihrer geringen Größe noch nicht nachweisbar sind. Die Gewinnung von Tumorgewebe kann nur intraoperativ stattfinden und muss unter sterilen Bedingungen innerhalb von 10 Minuten Ischämiezeit aus repräsentativen Bereichen des vitalen Tumors erfolgen. Zusätzlich könnte die Gewebeentnahme die histopathologische Diagnostik stören. Nachdem sich mehrere Publikationen die diagnostische Wertigkeit für miRNAs im Hodentumorgewebe und im peripheren Blut nachweisen konnten [17, 21-24], war der nächste Schritt, die small RNA Expression auch im Blut durchzuführen [25]. Die miRNA Expression im Vollblut erlaubt eine vollständige Differenzierung metastasierter und nicht metastasierter Seminome [25] Unsere vorherigen Studien haben gezeigt, dass die small RNA Expression im Tumorgewebe eine vollständige Diskriminierung des Metastasierungsstatus ermöglicht. Ein molekularer Marker im Blut, der im Rahmen einer Blutentnahme und nicht nur intraoperativ bestimmt werden kann, würde die klinische Anwendbarkeit vereinfachen. Gleichzeitig zeigten aktuelle Studien, dass die miRNAs sich als valider Hodentumormarker im Gewebe und im Blut eignen. Daher untersuchten wir die miRNA Expression bei metastasierten und nicht-metastasierten Seminomen im peripheren Vollblut. Es war nicht klar ob die gleichen miRNAs, die wir im Gewebe identifizierten konnten, sich auch zur Diskriminierung metastasierter und nicht metastasierter Seminome im Blut eignen würden. Daher führten wir ein Screening mittels Next Generation Sequencing (NGS) an dem peripheren Vollblut von 15 Seminompatienten durch, je 5 Patienten aus den drei Gruppen lymphogen metastasierter, okkult metastasierter und nicht metastasierter Seminome. Durchschnittlich fanden sich 1,3x107, 1,2x107 und 1,2x107 Reads bei den lymphogen, okkult und nicht metastasierten Seminomen. Nach dem „Trimming“ blieben durchschnittlich 73 - 76 % übrig, wovon 80 - 84 % annotierte Reads mit 7,2 - 7,8 % (1,6 - 1,7x104) annotierten small RNAs. Insgesamt zeigten 137 small RNAs eine Genexpression >2 und mindestens 50 Reads. In der univariaten Analyse konnten 35, 32 und 38 small RNAs identifiziert werden, die eine signifikante Diskriminierung zwischen lymphogen/okkult metastasiert bzw. beider metastasierter Subtypen kombiniert von den nicht metastasierten Seminomen ermöglichten (Abb. 4). Eine Differenzierung zwischen okkult und sichtbar metastasierten Seminomen war nicht möglich. Schließlich nutzten wir Support Vector Machine zur kompletten Diskriminierung metastasierter und nicht metastasierter Stadien. Insgesamt waren 891, 668 und 87 Kombinationen mög- 355 Abb. 4: Schnittmengendiagramm der Anzahl der small RNAs im peripheren Vollblut, die eine Differenzierung zwischen den okkult/ lymphogen oder gesamten metastasierten von den nicht metastasierten Seminomen ermöglicht. lich, die eine vollständige Diskriminierung der lymphogen, okkult metastasierten und der insgesamt metastasierten Seminome von den nicht metastasierten Seminomen ermöglicht. Als Ergebnis dieser Untersuchung fanden wir small RNAs, die einen molekularen Marker zur Differenzierung metastasierter und nicht metastasierter Seminome im peripheren Vollblut darstellen können. Anhand der Expression zweier small RNAs ist damit erstmals eine vollständige Diskriminierung metastasierter und nicht metastasierter Seminome im Vollblut möglich. Auch bei den Ergebnissen der small RNA Expression im Blut zeigte sich, dass metastasierte Tumoren sich auf small RNA-Ebene von den nicht metastasierten unterscheiden, eine Unterscheidung der metastasierten untereinander aber nicht möglich ist. Dies bestätigt die bisherigen Erkenntnisse und die These der biologischen Gemeinsamkeit okkult und sichtbar metastasierter Tumoren. Die Validierung der Ergebnisse an einem unabhängigen größeren Kollektiv muss erfolgen, um die diagnostische Aussagekraft der small RNAs zu bestätigen. Schlussfolgerungen In unseren Studien wurde schrittweise und systematisch nach molekularen Markern zur Diskriminierung metastasierter und nicht metastasierter Seminome gesucht. Im ersten Schritt wurde die Expression der messenger RNAs [14, 15] und im zweiten Schritt die der small RNAs [20, 25, 26] untersucht. Zunächst verglichen wir die Genexpression im Primärtumor metastasierter und nicht metastasierter Seminome als dem Ort, an dem die biologischen Prozesse ablaufen. In einem weiteren Schritt untersuchten wir die small RNA Expression im Vollblut, um so eine bessere klinische Anwendbarkeit zu erreichen [25]. Zu Beginn der Untersuchungen war unklar, welche mRNAs oder small RNAs eine Diskriminierungsfähigkeit besitzen, sodass wir zunächst ein umfassendes Screening aller bekannten Gene und small RNAs mittels Whole Genome Mikroarray bzw. „small RNA Next Generation Sequencing“ durchführten. Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 356 C. Ruf: Molekularbiologische Risikofaktoren einer Metastasierung beim seminomatösen Keimzelltumor des Hodens seminoma managed by surveillance: a pooled analysis. J Clin Oncol 2002, 20(22):4448-4452. 4. Chung P, Mayhew LA, Warde P, Winquist E, Lukka H, Genitourinary Cancer Disease Site Group of Cancer Care Ontario’s Program in Evidence-based C: Management of stage I seminomatous testicular cancer: a systematic review. Clinical oncology 2010, 22(1):6-16. 5. Ruf CG, Khalili-Harbi N, Sachs S, Isbarn H, Wagner W, Matthies C, Meineke V, Fisch M, Chun FK, Abend M: The Search for Biomarkers of Metastatic Seminoma. The Journal of urology 2013. Abb. 5: Grafische Darstellung der Vorhersagewahrscheinlichkeit (AUC) des Metastasierungsstatus bei Seminomen unter Nutzung klinischer und molekularbiologischer Marker. Die Vorhersagbarkeit des Metastasierungsstatus bei Seminomen stieg mit jeder Untersuchung. Vor dem Jahr 2002 waren keine Risikofaktoren bekannt und die aera under the curve (AUC) zur Vorhersage einer Metastasierung lag damit bei 50 % (Abb. 5). Durch die Untersuchung von klinischen Risikofaktoren besserte sich die Konkordanz auf 65 %. Mit der Bestimmung der mRNA Expression als molekularer Marker steigerte sich die Konkordanz anhand der Expression zweier Gene (DRD1 und FAM72F1) auf 88 %. Das Ziel einer vollständigen (100 %) Differenzierung zwischen metastasierten und nicht metastasierten Seminomen wurde schließlich durch Untersuchung der Expression von small RNAs erreicht. Damit lagen erste Hinweise auf eine funktionierende Diagnostik/Prädiktion des Metastasierungsstatus sowohl an Material aus dem Primärtumor als auch an peripherem Vollblut vor. Als zusätzlichen Schritt konnten wir nachweisen, dass sich okkult und sichtbar metastasierte Seminome auf transkriptionaler Ebene nicht unterscheiden. Die Validierung unserer Ergebnisse an einem größeren und unabhängigen Kollektiv befindet sich in der Planung. Sollte sie gelingen, könnte eine okkulte Metastasierung frühzeitig diagnostiziert und eine adjuvante Therapie oder eine intensivere Nachsorge eingeleitet werden. Dies würde die häufige klinische Entscheidung für oder gegen eine Therapie erleichtern. Nicht metastasierte Patienten bedürften keiner weiteren Therapie. Eine unnötige Exposition gegenüber potentiell toxischen Substanzen (Chemotherapie bzw. ionisierende Strahlung) und die damit verbundenen Langzeitschäden könnten so vermieden werden. Literatur 1. Ruf CG, Isbarn H, Wagner W, Fisch M, Matthies C, Dieckmann KP: Changes in epidemiologic features of testicular germ cell cancer: Age at diagnosis and relative frequency of seminoma are constantly and significantly increasing(). Urologic oncology 2013. 2. Mette Sakso Mortensen MGG, Jakob Lauritsen, Mads Agerbaek, Niels Vilstrup Holm, Hans von der Maase, Gedske Daugaard: A nationwide cohort study of surveillance for stage I seminoma. J Clin Oncol 2013, J Clin Oncol 31, 2013 (suppl; abstr 4502). 3. Warde P, Specht L, Horwich A, Oliver T, Panzarella T, Gospodarowicz M, von der Maase H: Prognostic factors for relapse in stage I Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 6. Valdevenito JP, Gallegos I, Fernandez C, Acevedo C, Palma R: Correlation between primary tumor pathologic features and presence of clinical metastasis at diagnosis of testicular seminoma. Urology 2007, 70(4):777-780. 7. Kollmannsberger C, Tyldesley S, Moore C, Chi KN, Murray N, Daneshmand S, Black P, Duncan G, Hayes-Lattin B, Nichols C: Evolution in management of testicular seminoma: population-based outcomes with selective utilization of active therapies. Ann Oncol 2011, 22(4):808-814. 8. Meinardi MT, Gietema JA, van der Graaf WT, van Veldhuisen DJ, Runne MA, Sluiter WJ, de Vries EG, Willemse PB, Mulder NH, van den Berg MP et al: Cardiovascular morbidity in long-term survivors of metastatic testicular cancer. J Clin Oncol 2000, 18(8):1725-1732. 9. Oliver RT, Ong J, Shamash J, Ravi R, Nagund V, Harper P, Ostrowski MJ, Sizer B, Levay J, Robinson A et al: Long-term follow-up of Anglian Germ Cell Cancer Group surveillance versus patients with Stage 1 nonseminoma treated with adjuvant chemotherapy. Urology 2004, 63(3):556-561. 10. Travis LB, Andersson M, Gospodarowicz M, van Leeuwen FE, Bergfeldt K, Lynch CF, Curtis RE, Kohler BA, Wiklund T, Storm H et al: Treatment-associated leukemia following testicular cancer. J Natl Cancer Inst 2000, 92(14):1165-1171. Interessenkonflikt Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonfilkt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht. Die Studie wurde durch Sonderforschungsgelder des Bundesministeriums der Verteidigung finanziell unterstützt. Bildquelle: Abbildungen 1-5: Oberfeldarzt Dr. Ruf, Koblenz Die Arbeit konnte nur durch die erfolgreiche Vernetzung der Bundeswehrkrankenhäuser und des Instituts für Radiobiologie der Bundeswehr entstehen. Mein Dank gilt daher allen, die auf Seiten der Krankenhäuser und des Instituts an dem Projekt mitgewirkt haben. Mein besonderer Dank gilt Herrn Oberstarzt Prof. Michael Abend und seiner Arbeitsgruppe „Genomics“ vom Insitut für Radiobiologie der Bundeswehr. Er hat mit seiner hervorragenden grundlagenwissenschaftlichen und epidemiologischen Expertise vom Studiendesign bis zur Veröffentlichung maßgeblich mitgewirkt. Anschrift des Verfassers: Oberfeldarzt Dr. Christian Ruf Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz Abteilung XI - Urologie Rübenacher Straße 170, 56072 Koblenz E-Mail: christianruf@bundeswehr.de Der Beitrag wird mit vollständigem Literaturverzeichnis im Internet unter www.wehrmed.de veröffentlicht. 357 Heinz-Gerngroß-Förderpreis Zur Problematik von Fremdkörpereinsprengungen im Kopf-Hals-Bereich John Rudat Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz Hintergrund Verletzungen im Gesicht und Kopf-Hals-Bereich bei kriegerischen Auseinandersetzungen waren in der Geschichte und sind in der Gegenwart ein wichtiges Thema. Zu Zeiten des amerikanischen Bürgerkriegs und des 1. Weltkrieges waren etwa 80 90 % aller Verletzungen durch Schusswaffen bedingt. Bei den jüngsten Auseinandersetzungen im Irak und Afghanistan handelt es sich bei ca. 80 % der Fälle um Explosionsverletzungen. Die Kopf-Hals-Region ist in 42 % aller Verletzungen, die zu Repatriierungen von Soldaten führen, betroffen. Eine wesentliche Verletzungsentität ist hierbei die Fremdkörpereinsprengung nach Explosionsanschlägen. Fremdkörper in den Weichteilen können Infektionen verursachen und auch zu chronischen Schmerzzuständen bei Berührung führen. In den vergangenen 12 Jahren wurden in der Abteilung VIIb – Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie des Bundeswehrzentralkrankenhauses Koblenz über 70 Patienten mit Fremdkörpereinsprengungen durch Explosionen behandelt. Es erfolgte eine umfassende Nachschau dieser teils sehr unterschiedlichen Patientenfälle, um Faktoren für eine optimale Therapie herauszuarbeiten. lenswert ist. Bei noch offenen Wunden oder vor maximal 10 Tagen erfolgter Verletzung ist die Fremdkörperentfernung auf dem Perforationsweg ohne Erweiterung des Schadens einfach durchzuführen. Bei länger zurückliegender Fremdkörpereinsprengung mit abgeheilten Wunden stellt sich die Entfernung als deutlich schwieriger dar. In diesen Fällen wurde zur Fremdkörperlokalisation eine Schichtbildgebung mittels Computertomographie durchgeführt (Abbildung 1). Es erfolgte eine umfangreiche 3-dimensionale Diagnostik mit präoperativer Markierung aller Fremdkörper am Bildschirm, die folglich auch 3D navigiert operativ entfernt wurden (Abbildung 2). Mit diesem Instrument wurden sehr gute Ergebnisse besonders bei tiefen, kleinen und alten Einsprengungsverletzungen erreicht. Abb. 2: Präoperative Detektion und Markierung von röntgendichten Fremdkörpern in einer 3D - CT– Rekonstruktion mittels BrainLab® als Vorbereitung für 3D – navigiertes Operieren Ergebnisse Die Fremdkörpereinsprengungen stellen sich interindividuell mannigfaltig dar. Folgende Faktoren sind für die chirurgische Versorgung von Bedeutung: • Größe und Material der Fremdkörper (z. B. Glas, Stein, Metall, Holz) • Ausmaß der Einsprengungen, • Einsprengungstiefe, • relevante Begleitverletzungen und • Zeitpunkt der Einsprengungsverletzung. Es zeigte sich, dass eine möglichst frühzeitige und sorgfältige chirurgische Bergung der Fremdkörper auf dem Fragmentweg mit direkter Hartgewebs- und Weichteilrekonstruktion empfeh- Abb. 1: Beispiel einer Begleitver letzung durch Fremdkörpereinsprengung: Schicht eines CT mit 2 großen röntgendichten Fremdkörpern, die zur Zertrümmerung des linken Collum mandibulae führten (rote Pfeile) Schlussfolgerungen Wenn immer möglich sind besonders im Kopf-Hals-Bereich eingesprengte Fremdkörper so früh wie irgend möglich (spätestens innerhalb von 10 Tagen nach Ereignis) zu entfernen. Die 3D-Diagnostik und Therapie (Navigation) leistet nicht nur bei der rekonstruktiven Gesichtschirurgie, sondern auch bei der Fremdkörperentfernung einen wesentlichen Beitrag für eine erfolgreiche Behandlung. Bildquelle: Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz - Radiologie Anschrift des Verfassers: Stabsarzt Dr. John Rudat Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz Klinik für Mund-, Kiefer- und plastische Gesichtschirurgie Rübenacher Straße 170, 56072 Koblenz E-Mail: johnrudat@hotmail.de Der Beitrag wird im Internet unter www.wehrmed.de veröffentlicht. Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 358 Heinz-Gerngroß-Förderpreis Das Hip Lag Zeichen – Ein neues, verlässliches klinisches Zeichen zur Diagnose des Hüftabduktorenschadens im Licht der Dringlichkeit präziser Untersuchungsmethoden im Einsatz Alexander Kaltenborn Bundeswehrkrankenhaus Westerstede Hintergrund Die Wehrmedizin – insbesondere im Auslandseinsatz – ist charakterisiert durch den Spannungsbogen höchster Erwartungen an die Qualität der ärztlichen Versorgung bei limitierten Ressourcen. Vor diesem Hintergrund scheint es umso wichtiger klinische Zeichen zu entwickeln, die zum einen ohne technische Hilfe erhebbar sind, zum anderen aber nahe an die diagnostische Verlässlichkeit eines apparativen Goldstandards heranreichen. Um zukünftig die Diagnose eines Hüftabduktorenschadens ohne Bildgebung vereinfachen zu können, wurde das in dieser Studie vorgestellte Hip Lag Zeichen entwickelt. Läsionen des M. gluteus medius bzw. minimus sind für einen Großteil des sogenannten Trochanter major-Schmerzsyndroms verantwortlich. Epidemiologische Untersuchungen konnten zeigen, dass bis zu 25 % der Bevölkerung an diesem Syndrom leiden, das sich durch Schmerzen und Spannungen über dem Trochanter major charakterisiert. Methoden Das neu definierte Hip Lag Zeichen wurde nach neuesten Standards der diagnostischen Studienmethodik etabliert, überprüft und bewertet. In einem zweiten Studienabschnitt wurde das Hip Lag Zeichen kompetitiv mit dem etablierten Trendelenburg-Zeichen verglichen, welches heute als Standarduntersuchungsmethode der Hüftabduktorenfunktion angesehen wird. Es wurden 48 „Patientenhüften“ in eine verblindete, prospektive diagnostische Validierungsstudie aufgenommen. In der zur Zeit laufenden zweiten Phase der Studie konnten bisher sechs Patienten rekrutiert werden, bei denen ein Vergleich vom neuen Hip Lag Zeichen und Trendelenburg Zeichen erfolgte. Alle Patienten wurden standardisiert untersucht und dabei das Hip Lag Zeichen klinisch ohne vorherige Kenntnis des MRT-Ergebnisses überprüft. Die Resultate dieses neuen Zeichens wurden anschließend mittels Chi²- und Mann-Whitney-U-Test mit den MRT-Ergebnissen korreliert. Die diagnostische Genauigkeit wurde anhand von Kreuztabellenkalkulationen analysiert. Untersuchungstechnik Zu Beginn der Untersuchung liegt der Patient in einer lateralen Position auf der Untersuchungsliege mit dem zu untersuchenden Bein oben auf. Der Untersucher steht hinter dem Patienten und positioniert seinen Arm unter das zu untersuchende Bein, um einen guten Halt der Extremität zu gewährleisten, während seine andere Hand das Becken des Patienten etwa auf Höhe der Spina iliaca anterior superior stabilisiert. Nun extendiert der Untersucher das Bein in der Hüfte des Patienten passiv um 10°, abduziert es um 20° und erzeugt soweit wie möglich eine passive Innenrotation, während das Knie des Patienten in einer flektierten Position von 45° belassen wird (Abbildung 1). Nachdem Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 Abb. 1: Das Hip Lag Zeichen der Patient aufgefordert wurde, das gesamte Bein aktiv in dieser Position zu halten, löst der Untersucher dieses aus seinem Griff und überprüft visuell, ob sich die Position der Extremität verändert. Das Hip Lag Zeichen ist positiv zu bewerten, wenn der Patient nicht in der Lage ist, die zuvor beschriebene abduzierte, innenrotierte Position aktiv zu halten und der Fuß mehr als 10 cm Richtung Untersuchungsliege abfällt. Ergebnisse Ein positives Hip Lag Zeichen war statistisch signifikant assoziiert mit dem Nachweis eines Hüftabduktorenschadens in der MRT-Schnittbildgebung (p<0.001; Chi²-Test). Das Hip Lag Zeichen ist in der Lage, mit einer Sensitivität von 90 % und einer Spezifität von 97 % eine Läsion der Hüftabduktoren festzustellen. Der positive prädiktive Wert liegt bei 94 %, der negative prädiktive Wert bei 93 %. Ein diagnostisches Odds Ratio konnte bei 239 000 (95 %-Konfidenzintervall: 20.031-2827.819) mit einer statistischen Signifikanz von p<0.001 eruiert werden. Damit reicht das Hip Lag Zeichen in seiner diagnostischen Genauigkeit erstaunlich nahe an den Goldstandard, das MRT, heran. Insbesondere im Vergleich zu Daten zur Genauigkeit des weit verbreiteten Trendelenburg-Tests für die gleiche Entität ist das Hip Lag Zeichen klar überlegen. Dies wird betont durch die Ergebnisse des direkten Vergleichs der beiden klinischen Zeichen. Hierbei hat das Hip Lag Zeichen eine Sensitivität von 100 % gezeigt, wohingegen das Trendelenburg-Zeichen in nur 60 % der Fälle richtig positiv war. Noch dazu ist das Hip Lag Zeichen schnell, ohne jegliche technische Hilfsmittel und mit verlässlicher Aussagekraft auch bei unterschiedlichen Untersuchern reproduzierbar; dies konnte mit Hilfe der Kappa-Statistik (0,911) gezeigt werden. Schlussfolgerung Das neue Hip Lag Zeichen besitzt eine hohe diagnostische Zuverlässigkeit. Durch das Fehlen anderer Optionen im Umfeld begrenzter diagnostischer Möglichkeiten, sei es im Auslandseinsatz oder in abgelegenen Regionen und Entwicklungsländern, hat die Anwendung solider klinischer Tests weitreichende Konsequenzen. Anschrift des Verfassers: Stabsarzt Alexander Kaltenborn Bundeswehrkrankenhaus Westerstede Abteilung für Orthopädie und Unfallchirurgie Lange Strasse 38, 26655 Westerstede E-Mail:alexander.kaltenborn@gmail.com Heinz-Gerngroß-Förderpreis 359 Einfluss der körperlichen Leistungsfähigkeit auf Überlastungsbeschwerden und Verletzungen im Rahmen der allgemeinen militärischen Grundausbildung Lisa Müller-Schilling1, 2, Nils Gundlach3, Irina Böckelmann2, Stefan Sammito2,4 Sanitätsregiment 32, Weißenfels, 2 Bereich Arbeitsmedizin der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität, Magdeburg, 3 Sanitätszentrum Rotenburg, Rotenburg (Wümme), 4 Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr, Koblenz 1 Zielsetzung Am Anfang einer jeden soldatischen Karriere steht die militärische Grundausbildung (GA), die dem Erwerb der soldatischen Grundfähigkeiten und der benötigten körperlichen Leistungsfähigkeit dient. Die dabei auftretende erhöhte körperliche Belastung ist mit dem Risiko für das Auftreten von Überlastungsbeschwerden und Verletzungen vergesellschaftet. Studien aus den US-amerikanischen Streitkräften zeigen, dass das Verletzungsrisiko für Rekruten, die den Advanced Physical Fitness Test am Anfang des Basic Combat Training nicht bestanden haben, durch ein 8-wöchiges Pretraining signifikant verringert werden kann (Knapik et al., 2001; 2003). Inwiefern die körperliche Leistungsfähigkeit zu Beginn der GA die Häufigkeit von Verletzungen und die daraus resultierenden Dienstausfälle beeinflusst und ein Pretraining nach amerikanischem Vorbild auch für Berufsanfänger der Bundeswehr sinnvoll wäre, sollte im Rahmen dieser Studie untersucht werden. Methode Die Daten von insgesamt 372 Probanden (Alter 20,4 ± 1,9 Jahre) aus vier aufeinanderfolgenden GA-Quartalen wurden ausgewertet. Die erhobenen Befunde wurden hinsichtlich Überlastungsbeschwerden und Verletzungen gesichtet und die ausgesprochenen Dienstbefreiungen dokumentiert. Anschließend erfolgte eine Quartileneinteilung der körperlichen Leistungsfähigkeit anhand der Gesamtpunktzahl im Basis-Fitness-Test und eine Analyse der Ausfalltage mit eingeschränkter (eV) sowie mit vollständiger Verwendungsunfähigkeit (vV) basierend auf dieser Einteilung. Nachfolgend wurden alle Konsultationen hinsichtlich der Verletzungsart ausgewertet und ein Vergleich mit vorliegenden Verletzungszahlen aus der GA vorgenommen sowie ein Vergleich der Ausbildungsinhalte durchgeführt. Alle Probanden hatten schriftlich der Auswertung Ihrer Gesundheitsakte und Fitnesswerte zugestimmt. Ergebnisse 141 von 372 Probanden (38 %) stellten sich im Laufe der GA mit einem Überlastungssyndrom oder einer Verletzung beim Truppenarzt vor. Dabei entfielen 62 % aller Beschwerden auf die untere Extremität. Die durchschnittliche Einschränkung der Verwendungsfähigkeit (vV und eV) betrug 6,6 ± 6,4 Tage, wobei die Probanden 0,6 ± 2,5 Tage im Status „vV“ und 6,0 ± 6,0 Tage im Status „eV“ waren. Es stellte sich sowohl für die Gesamtanzahl als auch für die Tage der vV und eV kein signifikanter Einfluss der körperlichen Leistungsfähigkeit in der Varianzanalyse (Gesamt: p = 0,152, vV: p = 0,375, eV: p = 0,119) dar, wobei tendenziell die Gruppe mit der niedrigsten und höchsten Leistungsfähigkeit die meisten Ausfalltage aufwiesen. Außerdem zeigte sich mit durchschnittlich 0,71 Verletzungen/1000 h, dass die Verletzungszahlen im Vergleich zu einer ersten Erhebung aus dem Jahr 2008/2009 (2,27 Verletzungen/1000 h) (Sammito, 2011), insgesamt geringer ausfielen. Die „grüne Ausbildung“ wies hierbei eine Verletzungshäufigkeit von 0,63 Verletzungen/1000h auf, während der Dienstsport mit 1,98 Verletzungen/1000 h ein höheres Verletzungsrisiko aufwies. Das Winterquartal war bei der „grünen Ausbildung“ am verletzungsträchtigsten, während beim Dienstsport das Sommerquartal besonders verletzungsintensiv war. Bei den Ausbildungsinhalten überwiegen insbesondere Schießstunden im Rahmen des neuen Schießausbildungskonzepts der Bundeswehr. Diskussion / Schlussfolgerung In der Auswertung ließ sich kein signifikanter Einfluss der körperlichen Leistungsfähigkeit am Beginn der GA auf das Auftreten von Überlastungssyndromen oder Verletzungen, sowie auf die daraus resultierende Dauer des Dienstausfalls feststellen. Dies zeigt, auch wenn durch die freiwillige Teilnahme an der Studie eine Veränderung der Ergebnisse abschließend letztlich nicht ausgeschlossen werden kann, die gute Eignung der jetzigen Form der GA für die Ausbildung von Rekruten verschiedenster Fitnesslevel. Positiv ist der Rückgang der Verletzungszahlen zu verzeichnen, was auf geänderte Ausbildungseinheiten in der GA zurückzuführen ist. Allerdings ist herauszustellen, dass 62 % der erfassten Verletzungen die untere Extremität betrafen, was deren besondere Bedeutung für Einschränkungen während der GA zeigt. Dabei ist ein besonderes Augenmerk auf die „grüne Ausbildung“ zu legen, da bei dieser insgesamt 53 % aller Verletzungen auftraten. Durch die hohe Stundenzahl zeigte sich jedoch nur eine Verletzungshäufigkeit von 0,63 Verletzungen/1000 h, wobei sich die Hindernisbahn als Bestandteil dieser mit 3,55 Verletzungen/1000 h im Vergleich besonders verletzungsreich darstellte. Zu bedenken ist hierbei, dass gerade durch die Hindernisbahn die Bewegungsabläufe, die ggf. im späteren Einsatz benötigt werden, besonders gut trainiert werden können. Insgesamt ist somit eine Anhebung des Fitnesslevels mit dem Ziel der Verletzungsprevention durch ein Pretraining nach amerikanischem Vorbild vor der GA unnötig, da keine signifikante Senkung des Verletzungsrisikos zu erwarten wäre. Anschrift für die Verfasser: Leutnant (SanOA) Lisa Müller-Schilling 1./Sanitätsregiment 32 Zeitzer Straße 112 06667 Weißenfels E-Mail: lisa.m.schilling@gmail.com Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 360 Heinz-Gerngroß-Förderpreis Untersuchung der Dosis-Wirkungsbeziehung von Niedrig- versus Hochenergie-Stoßwellentherapie auf die kutane Mikrozirkulation – Implikationen für das prä- und postoperative Weichteiltrauma management? Vinzent Forstmeier Bundeswehrkrankenhaus Ulm Hintergrund Traumatische Weichteilschäden von Soldaten im Auslandseinsatz und deren Folgezustände bestimmen wesentlich die Prognose komplexer Verletzungsmuster und somit auch die Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit. Es ist bekannt, dass die verletzte Muskulatur und die kontusionierten Weichteile im Allgemeinen nur langsam und häufig unvollständig ausheilen, mit dadurch verbleibender Funktionseinschränkung. Bereits in großem Umfang wird die Extracorporale Stoßwellentherapie (ESWT) für die multimodale Therapie von z. B. Frakturen, Osteonekrosen des Femurkopfes und Tendinopathien eingesetzt. Sie scheint somit ein weites Spektrum von zellulären und biomolekularen Funktionen zu beeinflussen, wobei präzise Wirkungsmechanismen noch weitgehend unverstanden sind. Eine Dosis-Wirkungsbeziehung verschiedener Stoßwellenenergien auf die kutane Hämodynamik konnte bislang nicht nachgewiesen werden. Hypothese Hochenergetische ESWT beeinflusst die kutane Mikrozirkulation unterschiedlich gegenüber niedrigenergetischer ESWT im Tiermodell. Methoden 30 anästhesierte Sprague-Dawley-Ratten wurden auf zwei Gruppen randomisiert verteilt1. Die Tiere beider Gruppen wurden mit fokussierter Stoßwelle (Storz Medical Duolith SD-1 “T-Top”) im Bereich der Wadenmuskulatur am linken Hinterlauf behandelt (Abbildung 1), wobei in Gruppe A niedrigenergetische Stoßwelle (0,1 mJ/ mm2, 5 Impulse/s, 1000 Impulse gesamt, Gesamtenergie 0,981 J) und in Gruppe B hochenergetische Stoßwelle (0,3 mJ/ mm2, 4 Impulse/s, 1000 Impulse gesamt, Gesamtenergie 10 J) appliziert wurde. Vor Beginn sowie über 20 Minuten nach Ende der Stoßwellenbehandlung erfolgte die Messung der kutanen Mikrozirkulation im Abb. 1: ESW-Applikation auf Bereich des Behandlungsgebieden linken Hinterlauf tes durch kombinierte La(Bild: V. Forstmeier) ser-Doppler und Photospektrometrie (Abbildung 2). Durchführung in Form eines durch das LALLF Mecklenburg-Vorpommern gemäß §8 Abs. 1 TierSchG genehmigten Tierversuchsvorhabens am Institut für Experimentelle Chirurgie der Universität Rostock 1 Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 Abb. 2: Kontinuierliche Messung der kutanen Mikrozirkulation nach der ESW-Applikation (Bild: V. Forstmeier) Ergebnisse Die kutane Sauerstoffsättigung in Gruppe B erhöhte sich signifikant um 12,1 % gegenüber Gruppe A (A: 17,3 % vs. B: 29,4 %; p=0,003) und verblieb auf einem signifikant erhöhten Niveau bis zum Ende der Messperiode. Die kutane Blutflussgeschwindigkeit im Bereich der behandelten Körperregion stieg in Gruppe B signifikant um 39,9 % gegenüber Gruppe A an (A: -22,1 % vs. B: 17,8 %; p=0,045) und verblieb ebenfalls auf einem höheren Niveau als in Gruppe A über 20 Minuten. Der postkapilläre venöse Füllungsdruck in Gruppe B stieg signifikant um 23,0 % mehr an als in Gruppe A (A: 2 % vs. B: 25 %; p=0,014), wobei der venöse Füllungsdruck in Gruppe A über 20 Minuten signifikant unter der Ausgangsmessung persistierte. Schlussfolgerung Hochenergetische ESWT beeinflusst signifikant die Parameter der kutanen Mikrozirkulation im Bereich der behandelten Körperareale. Direkt nach Anwendung kommt es im Tiermodell zur Erhöhung der Gewebesauerstoffsättigung, des postkapillären venösen Füllungsdruckes sowie der Blutflussgeschwindigkeit als Ausdruck einer erhöhten Gebeperfusion mit verbesserter Gewebesauerstoffsättigung. Demgegenüber erhöht niedrigenergetische ESWT die Gewebesauerstoffsättigung in einem geringeren Maße, jedoch unter Abfall der Blutflussgeschwindigkeit sowie des postkapillären venösen Füllungsdruckes als Ausdruck einer verminderten Gewebeperfusion und verbessertem venösen Abstrom bei aufrechterhaltener Gewebesauerstoffsättigung. Möglicherweise kann ein ausgewähltes Konzept der ESWT im Rahmen einer multimodalen Behandlung von Soldaten mit Weichteiltrauma aus Auslandseinsätzen zur Prä- oder Post(operativen) konditionierung des Weichteilgewebes beitragen. Anschrift des Verfassers: Stabsarzt Dr. Vinzent Forstmeier Bundeswehrkrankenhaus Ulm Klinik für Allgemein-, Visceral- und Thoraxchirurgie Oberer Eselsberg 40, 89081 Ulm E-Mail: mail@vinzent-forstmeier.de Heinz-Gerngroß-Förderpreis 361 Identifikation atypisch resistenter Enterobacteriaceae bei Patienten einer Infektiologieabteilung auf Madagaskar Volker Micheel Einleitung Die Ausbreitung zunehmend resistenter bakterieller Erreger spart auch Einsatzgebiete wie Afghanistan oder das tropische und subtropische Afrika nicht aus. Angesichts aktueller Szenarien wie EUTM Mali wird dieses Problem für den Sanitätsdienst aktuell bleiben. Belastbare epidemiologische Daten fehlen in Ländern mit eingeschränkter medizinischer Versorgung. Am Beispiel von Patienten eines madagassischen Krankenhauses wurde die nasale Kolonisation Einheimischer untersucht, um Risikofaktoren für die Stratifizierung des Hygienemanagements bei der Behandlung zu eruieren. Der Focus lag dabei auf den Nachweis von atypisch resistenten Enterobacteriaceae mit einem Extended-Spectrum Beta-Lactmase (ESBL) Resistenzmechanismus, welcher mit Penicillin- und Cephalosporin-Resistenz einhergeht. Diese resistenten Enterobakterien stellen bekannterweise Erreger vieler nosokomialer Infektionen dar, welche die Liegedauer und die Letalität der Patienten bei der Behandlung erhöhen. Der ESBL-Resistenzmechanismus kann unter anderem durch den in Europa häufigen bla(CTX-M) Genotyp ausgelöst werden, welcher in Madagaskar schon bei Hochrisiko-Patienten nachgewiesen werden konnte. In Stichproben mit geringerem Risikopotenzial ist die Bedeutung dieser Genvarianz allerdings noch zu validieren. Material und Methoden Nasenabstriche von 169 Patienten der Infektiologieabteilung des Universitätsklinikums Joseph Raseta de Befelatanana, Antananarivo, Madagaskar, wurden direkt bei stationärer Aufnahmen über einen sechsmonatigen Studienzeitraum in Kooperation mit der Station abgenommen (Abbildung 1). Alle Studienpatienten beantworteten einen Fragebogen zu Geschlecht, Wohnort, professionellem Tierkontakt, chronischen Vorerkrankungen, Medizinisches Labor an der Universitätsklifrüheren Krankennik Joseph Rasetea de Befelatanana hausaufenthalten so(Foto: Volker Micheel) wie vorausgegangenen Antibiotikatherapien. Vor Ort erfolgte zunächst ein erstes Screening. Die Mikroflora der Nasenabstriche wurde auf einen chromogenem ESBL Selektivagar überführt und positive Resultate wurden bei der Therapieplanung berücksichtigt. Die weiterführenden Analysen erfolgten am Fachbereich für Tropenmedizin am Bernhard-Nocht-Institut. Um die Sensitivität zu erhöhen, sind die Proben zunächst in Thioglycolat-Bouillon nicht selektiv vermehrt worden. Anschließend wurden die Enterobacteriaceae auf dem chromogenem ESBL Selektivagar isoliert. Folgend ermittelten wir die Empfindlichkeit gegenüber Piperacillin, Ceftazidim, Meropenem und Ciprofloxacin mittels E-Testen, um Erreger mit Resistenz gegen 3 bis 4 der bakteriziden Antibiotikaklassen (3MRGN/4MRGN) zu identifizieren. Ferner wurden ESBL- oder AmpC-Expression mittels ABCD-Testung und das Vorhandensein eines bla(CTX-M) ESBL Genotyps unter der Verwendung einer kommerziellen ‘Hyplex’ ESBL PCR getestet. Die Speziesanalyse erfolgte mittels 16S-PCR und MALDI-TOF-Verfahren. Ergebnisse Insgesamt 12 von 169 Patienten (7,1 %) wiesen eine nasale Kolonisation mit ESBL-positiven oder 3MRGN-/4MRGN-Isolaten auf. Alle 12 entsprechenden Enterobacteriaceae vom chromogenen Brilliance ESBL Selektivagar waren mit einer Ceftazidim-Resistenz vergesellschaftet. Ein Anteil von 11 der 12 war resistent gegen 3 der 4 getesteten bakteriziden Antibiotika und bei 11 von 12 konnte ein phänotypischer ESBL Resistenzmechanismus nachgewiesen werden. Dieser wurde in 4 Fällen durch den bla(CTX-M) Genotyp verursacht. Die Mehrheit der resistenten Isolate ließ sich der Pantoea agglomerans und vereinzelt der Enterobacter cloacae Spezies zuordnen. Es konnten keine spezifischen Risikofaktoren für eine Besiedlung ermittelt werden, wenngleich die Bewohner der Hauptstadt Antananarivo sogar mit etwas geringerer Häufigkeit kolonisiert waren als die Patienten aus den ländlichen Regionen. Schlussfolgerung Ein relevanter Anteil madagassischer Patienten wies nasale Besiedlungen mit Cephalosporin-resistenten Enterobacteriaceae beziehungsweise 3MRGN-Bakterien auf, was mit dem Risiko endogener Infektionen wie auch nosokomialer Übertragungen vergesellschaftet ist. Eine mögliche Ursache für die erhöhten Resistenzraten könnte die Eigentherapie der Patienten mit verschiedenen Antibiotika sein, welche gerade in ländlichen Landesteilen durch eine eingeschränkte, nicht flächendeckende medizinische Versorgung sowie der teilweisen Freiverkäuflichkeit der Arzneimittel möglich wird. In Übereinstimmung mit vorangegangen Untersuchungen auf Madagaskar, stellte der sich bla(CTX-M) Genotyp erneut als ein relevanter Auslöser für den ESBL-Resistenzmechanismus dar. Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung einer kontinuierlichen Resistenzsurveillance in tropischen Einsatzgebieten, um die Resistenzentwicklung zu verfolgen und kalkulierte Antibiotikatherapien entsprechend der Resistenzlage anzupassen. Spezifische Risikofaktoren für die Besiedlung mit ESBL-positiven oder 3MRGN Enterobakterien ließen sich nicht nachweisen, so dass jeder Einheimische als potenzieller Keimträger atypisch resistenter Erreger angesehen werden sollte. Anschrift des Verfassers: Leutnant (SanOA) Volker Micheel Fachbereich Tropenmedizin am Bernhard-Nocht-Institut, Bundeswehrkrankenhaus Hamburg Bernhard-Nocht-Straße 74, D-20359 Hamburg volker.micheel@gmail.com Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 362 Heinz-Gerngroß-Förderpreis Blended Learning in der Ausbildung des Militärchirurgen am Beispiel eines Moduls Traumamanagement Lena Marie Heidelmann, Chris-Henrik Wulfert und Wilm Rost Aus der Abteilung für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie (Leitender Arzt: Flottenarzt Dr. Rost) am Bundeswehrkrankenhaus Hamburg (Chefarzt: Generalarzt Dr. med. J. Hoitz) Hintergrund Ein integriertes Lernkonzept (Blended Learning) kann den Start in das Berufsleben deutlich vereinfachen. Es knüpft damit konsequent an eine zunehmend computergestützte universitäre Hochschulausbildung an. Die Weiterbildung des Sanitätsoffiziers wird durch die EU-Arbeitszeitrichtlinie und die kompetenzbasierte Reform der (Muster-) Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer reguliert und dominiert. Die Weiterbildungsbeauftragten werden somit gezwungen, ihr aktuelles Lehrkonzept zu überdenken und zu überarbeiten. Für den angehenden Militärchirurgen und Notfallmediziner hat insbesondere das Traumamanagement eine vorherrschende Bedeutung. Vor diesem Hintergrund erscheint es ideal, diese Notfallkompetenz durch ein innovatives Ausbildungskonzept zu entwickeln. Methodische und technische Umsetzung Als theoretischer Rahmen wurde das Buch „Basisweiterbildung Chirurgie“ von Jauch et al. zugrunde gelegt. Zur Entwicklung der Inhalte und als Ideen- und Informationssammlung wurde die Kollaborationsplattform Microsoft One Drive inklusive One Note, gewählt. Zur Umsetzung des E-Learning-Anteils einschließlich der Prüfung theoretischen Wissens wurde uns die Lernplattform ILIAS® der Helmut-Schmidt-Universität zur Verfügung gestellt und die Inhalte dorthin übertragen (Abbildung 1). Weitere konzeptionelle Anregungen liefern „The Draft CanMEDS 2015 - Physician Competency Framework“ aus Kanada und „The Intercollegiate Surgical Curriculum Programme“ der britischen Kollegen, aktuelle Fachliteratur sowie das World Wide Web. Im Rahmen eines berufsbegleitenden Blended Learnings werden in Form von Präsenzinhalten Skilltraining, modulares Operieren, Fortbildungsveranstaltungen, klinische Fallkonferenzen, Lehrvisiten, Projektarbeiten und dazugehörige Feedbackmechanismen miteingebunden. Ergebnisse Das Modul Traumamanagement ist Bestandteil des Weiterbildungscurriculums „iSurgery“, welches aktuell mit 104 Wochenschritten für die chirurgische Ausbildung des Common Trunk entwickelt wird. 19 Wochen werden für das Modul Traumamanagement benötigt. Die Kompetenzen werden im Sinne des Construc tive Alignment (bestehend aus Kompetenz, Prüfung und Lehr-/ Lernmethode) definiert, ausgebildet und evaluiert. Die methodisch-didaktische Gliederung eines jeden Wochenschritts gestaltet sich anhand eines durchgängigen Schemas: Nach den Lernzielen folgen theoretische Grundlagen in Kombination mit Videos als E-Learning-Ressourcen, interaktiven Fällen und Skilltrainings. Sogenannte anvertraubare professionelle Tätigkeiten dienen der Dokumentation des Lernfortschritts praktischer Fähigkeiten, Tests auf der Lernplattform bilden das theoretische Wis- Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 Abbildung 1: Modul Traumamanagement auf der Lernplattform ILIAS® der Helmut-Schmidt-Universität (Bild: OStArzt Dr. Heidelmann) sen ab. Spezielle Anteile für den Militärchirurgen finden in dem Lernschritt Schuss- und Explosionsverletzungen zusätzlichen Anklang. Durch Einbindung des persönlichen Zugangs zum San-Netz mit der virtuellen Bibliothek und Klinik gelingt die kostenfreie Nutzung aktueller Fachliteratur ohne Urheberechtskonflikte zu provozieren. Dadurch werden gegenwärtig vorhandene Ressourcen des Sanitätsdienstes auch für das Modul Traumamanagement strukturiert zugänglich und nutzbar. Der Lernerfolg kann, wie im Folgenden erläutert, in mehreren Bereichen evaluiert werden. Fragen im Lernmodul bilden die Möglichkeit der Selbstkontrolle. Mentoring durch erfahrenere Kollegen und Begleitung durch den Weiterbildungsbeauftragten kontrollieren den Ausbildungszuwachs der praktischen Fähigkeiten. Schlussfolgerungen Moderne Aus- und Weiterbildung junger Ärzte kann nur durch ein integriertes Lernkonzept erfolgreich sein, welches auf die Entwicklung notwendiger und zuvor definierter Kompetenzen ausgerichtet ist. Bestandteile des chirurgischen Arbeitsalltags können didaktisch sinnvoll in das Konzept eingebunden und durch den Einsatz moderner Medien optimal geschult werden. Allerdings impliziert ein kompetenzbasiertes Konzept auch einen erhöhten Schulungsbedarf für die Weiterbilder sowie einen deutlich erhöhten Zeitbedarf für die Ausbildung und die Evaluation. Durch die Entwicklung eines universell anwendbaren Blended Learning Konzeptes ist es gelungen, die Weiterbildung in unserer Abteilung an die lokalen und insbesondere militärischen Besonderheiten anzupassen und strukturierter und verbindlicher zu gestalten. Anschrift für die Verfasser: Oberstabsarzt Dr. Lena Marie Heidelmann Bundeswehrkrankenhaus Hamburg Abteilung II: Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie Lesserstraße 180, 22049 Hamburg E-Mail: lenaheidelmann@bundeswehr.org 363 Kongressberichte Tradition und Innovation 45. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie 11. - 14. September 2014 im Hotel Estrel, Berlin Vom 11. - 14. September fand im Hotel Estrel, Berlin, der 45. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie (DGWMP) statt. Den Weg nach Berlin hatten 641 Kongressteilnehmer gefunden, die höchste Zahl an Teilnehmern aller bis dahin stattgefundenen Kongresse. Sechzig Firmen und Kliniken präsentierten ihre Innovationen und Therapieangebote auf einer gut besuchten Industrieausstellung und eine Reihe von Hilfsorganisationen zeigten mit ihrer Anwesenheit großes Interesse an wehrmedizinischen Fachthemen. Der Kongress stand unter dem Motto „Tradition und Innovation“, wurde doch gleichzeitig der Gründung der ersten Deutschen Militärärztlichen Gesellschaft vor 150 Jahren gedacht, die als „Berliner militärärztliche Gesellschaft“ im Jahre 1864 im Cafe Royal in Berlin gegründet wurde. Der Artikel von Oberfeldarzt Prof. Dr. Vollmuth am Anfang dieses Heftes geht im Detail auf die Geschichte der Deutschen militärärztlichen Gesellschaften ein. Festakt am 10.September 2014 150 Jahre Deutsche militärärztliche Gesellschaften dass selbst unter Anlegung zeittypischer Maßstäbe in der Vergangenheit manches falsch, ethisch mangelhaft und fachlich unverständlich gewesen ist. Wer aber ohne ideologische Brille hinschaut, der findet auch viel Bewahrenswertes und Fortschrittliches, z. B. den rastlosen Entdeckergeist, die treue und hingebungsvolle Pflichterfüllung, den Enthusiasmus für Forschung und Weiterentwicklung von Methoden, Standards und Ausrüstung. Und das alles, um dem Auftrag besser gerecht zu werden, Leib und Leben von Soldaten zu bewahren, Erkrankungen vorzubeugen und die Gesundheit möglichst wiederherzustellen. Davon haben damals wie heute auch die zivilen Patienten bzw. das ganze Gesundheitswesen profitiert. Ich erinnere pars pro toto an die Bekämpfung von Infektionen und Seuchen, die Entwicklung von Impfungen und die Weiterentwicklung von Operationsmethoden und der Prothetik. In vergleichbarer Weise haben zivile medizinische Entwicklungen Eingang in die Militärmedizin gefunden, z. B. die Röntgentechnik. Ohne die Ereignisse und Fehler aus der Geschichte zu verstecken, sieht sich die DGWMP e. V. der guten militärmedizinischen Traditionen verpflichtet und wird daher konsequent die Prinzipien unseres Vereinsmottos: „Scientiae – Humanitati – Patriae“ ehren, pflegen und weiterentwickeln.“ Der vollständige Redetext findet sich im Internet auf der Seite www.dgwmp.de. Dem Kongress waren ein Festakt im Eichensaal der ehemaligen Militärärztlichen Akademie, dem heutigen Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, am Nachmittag des 10. September und ein parlamentarischer Abend im Hotel Estrel vorausgegangen. Der Präsident der DGWMP, Generalarzt a. D. Dr. Christoph Veit, gab beim Festakt einen Überblick über die Entwicklung von der „Berliner militärärztlichen Gesellschaft“ zur heutigen DGWMP. Sein Resume: „150 Jahre Militärärztliche Gesellschaften sind eine lange Zeit, und wer historisch-kritisch hinterfragt, wird feststellen, Der Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, Generalober stabsarzt Dr. Ingo Patschke, bei seinem Grußwort Generalarzt a. D. Dr. Christoph Veit begrüßt die Teilnehmer des Festaktes Der Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, General oberstabsarzt Dr. Ingo Patschke, betonte in seinem Grußwort die Bedeutung einer militärärztlichen Fachgesellschaft für die wissenschaftliche Weiterentwicklung des Sanitätsdienstes der Bundeswehr. Die Förderung junger Sanitätsoffiziere durch Wissenschaftspreise, wie dem Paul-Schürmann-Preis und dem Heinz-Gerngroß-Förderpreis, die Organisation von Kongressen, Tagungen und Weiterbildungsveranstaltungen durch die DGWMP und die Vernetzung in den Arbeitskreisen stehe in der Tradition der Gründer der Berliner Gesellschaft, die sich in erster Linie dem wissenschaftlichen Austausch innerhalb der Multidisziplinarität der Wehrmedizin verschrieben hatte. Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 364 Kongressberichte In seinem Festvortrag „Medizinische Fachgesellschaften im Wandel – Überlegungen aus der Sicht der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie“ gab Professor Dr. Hartwig Bauer, von 2003 bis 2011 Generalsekretär dieser Gesellschaft, einen Überblick über die Entwicklung der medizinischen Fachgesellschaften in Deutschland. Er begrüßte ganz besonders die Integration militärärztlicher Expertise in die Weiterentwicklung der Fachdisziplinen und machte dieses unter anderem am Beispiel der Arbeitsgruppen Einsatz-, Katastrophen- und taktische Chirurgie fest (Leitung: Oberstarzt Prof. Dr. Friemert, Ulm) der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie und der chirurgischen Arbeitsgemeinschaft Militär- und Notfallchirurgie (CAMIN) der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirugie fest, die von Oberstarzt Professor Dr. Schwab, Koblenz, geleitet wird. Oberstarzt Dr. Walter Kating begrüßt die Kongressteilnehmer wickelt – zum Nutzen der militärischen und zivilen Seite in gleicher Weise. Sie betonte aber auch, dass nur durch ständige Weiterentwicklung und das ständige Streben nach Verbesserung das Ziel einer optimalen medizinischen Versorgung auch im Einsatz erreicht werden könne. Mit den Worten: „Wer beginnt, sich auf hohem Niveau zurückzulehnen, hat schon verloren!“ leitete Dr. von der Leyen zu den drei Themenfeldern über, die sie als besondere Schwerpunkte für den Sanitätsdienst ansieht. An erster Stelle sei dabei die Gewinnung von Nachwuchs eine Schlüsselfrage für Deutschland, eine gute Aus- und Weiterbildung schaffe elementare Grundlagen; schließlich sei ein Ausbau der Forschung notwendig, „um uns am Puls der Zeit zu Professor Dr. Hartwig Bauer beim Festvortrag Musikalisch umrahmt wurde der Festakt vom Bläserensemble des Stabsmusikorps der Bundeswehr. Kongresseröffnung In Anwesenheit der Bundesministerin der Verteidigung, Frau Dr. Ursula von der Leyen, und des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, Herrn Hellmut Königshaus, begrüßte der Kongresspräsident, Oberstarzt Dr. Walter Kating (Bundeswehrkrankenhaus Berlin), nach einer durch das Wehrbereichsmusikkorps III dargebotenen musikalischen Overtüre die Teilnehmer. Mit Spannung wurden die Grußworte der Bundesministerin der Verteidigung erwartet. Sie begrüßte das Auditorium auch mit den Worten „Liebe Kolleginnen und Kollegen!“ und verlieh damit als ärztliche Kollegin ihrer engen Verbundenheit zum Sanitätsdienst in besonderer Weise Ausdruck. „Tradition und Innovation gehören zusammen“, betonte die Ministerin, die Genfer Konvention halte sie nach wie vor für hochmodern. Aus den Maßnahmen zur Verbesserung des Loses der Kranken, Verletzten und Verwundeten im Felde würden gestern wie heute auch verbesserte Behandlungsmöglichkeiten im zivilen Bereich ent- Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 Die Bundesministerin der Verteidigung, Frau Dr. Ursula von der Leyen, ließ es sich nicht nehmen, die Kongressteilnehmer persönlich zu begrüßen. Kongressberichte halten“. „Forschung ist eines der zentralen Felder für die Bindung von Personal“, so die Ministerin; ihr offenes Ohr gerade für die Belange des Sanitätsdienstes unterstrich sie abschließend mit den Worten „Spannen Sie mich ein!“. Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Herr Hellmut Königshaus, merkte zunächst an, dass die Ministerin eigentlich von ihm für sein Grußwort vorgesehene Anregungen bereits aufgegriffen habe. Er wies auf das Defizit zur Versorgung Brandverletzter hin und stellte die Frage, welche Regeln im Umgang mit hochinfektiösen Krankheiten, wie Ebola, denn in Zukunft gelten sollten. Er regte auch die bessere Nutzung der im Sanitätsdienst vorhandenen Stellen im Rahmen des „Vakanzenmanagements“ an. Der Präsident der Ärztekammer Berlin, Dr. Günther Jonitz, stellte die Bedeutung von Führung und Unternehmenskultur als „Soft Factors“ heraus, die am Ende die „harte Qualität“ bestimmen. Die Wiederentdeckung primärer ärztlicher Tugenden in organisierter Form führe zu wirklichem Qualitätsmanagement. Der stellvertretende Kommandeur des Kommandos Territoriale Aufgaben, Brigadegeneral Kropf, begrüßte die Teilnehmer als Vertreter der militärischen Seite und als Standortkommandant von Berlin, bevor Generalarzt a. D. Dr. Veit den Kongress eröffnete. Der Inspekteur des Sanitätsdienstes, Generaloberstabsarzt Dr. Ingo Patschke, gab eine Standortbestimmung des Sanitätsdienstes und erörterte die bisher erreichten Teilziele auf dem Weg in die neue Struktur. Auch er betonte die Notwendigkeit der engen Zusammenarbeit mit den Fachgesellschaften und dankte insbesondere der DGWMP für ihre Beiträge zur Weiterbildung und wissenschaftlichen Zusammenarbeit. Oberst d. R. Professor Pommerin beim Festvortrag zum Thema „ Geschichte und Tradition – Anmerkungen zr Erinnerungskultur“ Den Festvortrag des Kongresses hielt Oberst d. R. Professor Dr. Reiner Pommerin. Er ging auf die Begriffe der individuellen, kollektiven und kulturellen Erinnerung ein, wie sie in der Gedächtnisforschung benutzt werden. Dabei stehe im Zentrum der Theorie des kollektiven Gedächtnisses die Einsicht, dass die Vergangenheit nicht ganz vergessen ist, sondern als Ressource 365 oder Hypothek ihre Bedeutung für die Gegenwart noch nicht verloren hat. Dabei habe sich der Verantwortungsradius westlicher Gesellschaften in den letzten Jahren erheblich erweitert, indem sie sich nicht nur ihrer positiven Grundlagen vergewissern, sondern auch negative Ereignisse in ihr kollektives Selbstbild aufnehmen. Mit dem Satz von Generalleutnant Wolf Graf von Baudissin,„Die Entscheidung für diese oder jene Tradition hat – das ist meine tiefe Überzeugung – wenig mit der Vergangenheit, dagegen viel mit den Vorstellungen von Gegenwart und Zukunft zu tun.“, leitete er zu seiner abschließenden Überzeugung über, dass bei der DGWMP wie im Sanitätsdienst auch weiterhin Tradition mit Geschichte und Innovation mit Verantwortung verknüpft wird und schloss mit den Wunsch : “ad multos annos.“ Der vollständige Wortlaut des Festvortrages ist unter www.dgwmp.de veröffentlicht. Preisverleihungen Paul-Schürmann-Preis 2014 Im Rahmen der Eröffnungsveranstaltung wurde Oberstabsarzt Dr. Christian Ruf für seine wissenschaftliche Arbeit mit dem Thema „Molekularbiologische Risikofaktoren einer Metastasierung beim seminomatösen Keimzelltumor des Hodens“ mit dem mit 7 500,- Euro dotierten Paul-Schürmann-Preis ausgezeichnet. Der Präsident der DGWMP, Generalarzt a. D. Dr. Veit, übereichte dem stolzen Preisträger Urkunde und Scheck. Oberstabsarzt Dr. Ruf bedankte sich und stellte heraus, dass dieser Preis eine Auszeichnung für eine hervorragende wissenschaftliche Kooperation zwischen den Bundeswehrkrankenhäusern und dem Institut für Radiobiologie der Bundeswehr darstelle. Eine Kurzfassung der Arbeit des Preisträgers findet sich in dieser Ausgabe. Verleihung des Paul-Schürmann-Preises an Oberstabsarzt Dr. Christian Ruf Heinz-Gerngroß-Förderpreis 2014 Am Nachmittag des 12.September stellten sich sechs junge Sanitätsoffiziere / Sanitätsoffizieranwärter(innen) mit jeweils 10-minütigen wissenschaftlichen Vorträgen und anschließender Diskussion einer kritischen Jury unter Leitung von Oberstarzt Professor Dr. Becker. Aufgabe war es, zu einem wehrmedizinischen oder Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 366 Kongressberichte wehrpharmazeutischen Thema vorzutragen und die dort vorgestellten Ergebnisse oder Thesen in einer Diskussion zu verteidigen. Die Aufgabe wurde von allen Bewerbern souverän gemeistert, das Ergebnis fiel denkbar knapp aus. Im Rahmen des Festabends am gleichen Tag wurde den Siegern, Stabsarzt Alexander Kaltenborn aus dem Bundeswehrkrankenhaus Westerstede („Das Hip Lag Zeichen – ein neues verlässliches klinisches Zeichen zur Diagnose des Hüftabduktorenschadens im Licht der Dringlichkeit präziser Untersuchungsmethoden im Einsatz“) und Leutnant (SanOA) Lisa Müller-Schilling aus dem Sanitätsregiment 32 in Weißenfels („Einfluss der körperlichen Leistungsfähigkeit auf Überlastungsbeschwerden und Verletzungen im Rahmen der allgemeinen militärischen Grundausbildung“) Urkunden und Preisgeld in Höhe von 1 500,- bzw. 1 000,-Euro überreicht. Kurzartikel der Vorträge aus dem Nachwuchsforum sind in dieser Ausgabe abgedruckt. Kongressfotos: DGWMP / Andreas Meyer-Trümpener Vorträge und Poster Aus den zahlreichen Vorträgen im Plenum sowie in mehreren wissenschaftlichen Sitzungen, einschließlich der Arbeitskreise, und aus der Posterpräsentation werden im Folgenden ausgewählte Abhandlungen vorgestellt. Eine vollständige Wiedergabe ist aus Platzgründen leider nicht möglich. Deshalb werden aus den verschiedenen Themenbereichen jeweils einige Beiträge ausführlicher wiedergegeben, um einen Eindruck von der fachlichen Breite und Tiefe dieses Kongresses zu vermitteln. Für eine Kontaktaufnahme zu den Autoren kann deren Email-Adresse unter wmm@p-mees.de angefragt werden. Gesundheitswesen / Krankenhäuser Die historische Entwicklung der Bundeswehrkranken häuser 1957 - 2014 Generalarzt a. D. Prof. Dr. Dr. Erhard Grunwald Koblenz Generalarzt a. D. Dr. Christoph Veit gratuliert Stabsarzt Alexander Kaltenborn zum Preisgewinn Leutnant SanOA Lisa Müller-Schilling nimmt den Heinz-GerngroßFörderpreis entgegen Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 In der Aufbauphase der Bundeswehr, die von 1956 bis 1962 ging, sind 1957 die ersten Lazarette in Gießen, Koblenz, Glückstadt, Amberg und Detmold aufgestellt worden; bis Ende 1959 kamen noch die Lazarette in Hamburg, Bad Zwischenahn und Kempten hinzu, sodass nach kurzer Zeit die Bundeswehr bereits über 1 433 Betten verfügte. Hier zeigt sich beispielhaft der große Zeitdruck, unter dem der Aufbau der Bundeswehr stand, da aus politischen Gründen rasch ein sichtbarer und wirksamer Verteidigungsbeitrag nach Aufnahme der Bundeswehr in die NATO geleistet werden sollte. In den Jahren 1963 bis 1967, die als Ausbauphase der Bundeswehr gelten, kamen noch zwei weitere Lazarette hinzu, sodass der Sanitätsdienst 1966 über 2 285 Betten verfügte. 1970 erfolgte eine bedeutende Straffung der sanitätsdienstlichen Organisation; die nun zwölf Lazarette wurden gemeinsam mit anderen Dienststellen zum Organisationsbereich „Zentrale Sanitätsdienststellen der Bundeswehr“ zusammengefasst und dem Inspekteur des Sanitätsdienstes in jeder Hinsicht unterstellt. Im gleichen Jahr erfolgte auch die Umbenennung der Lazarette in Bundeswehrkrankenhäuser und ihre Öffnung für Zivilpatienten. In den darauffolgenden Jahren erfolgte ein kontinuierlicher Ausbau der Bundeswehrkrankenhäuser in fachlicher, personeller und materieller Hinsicht. In der durch den Ost-West-Gegensatz geprägten Sicherheitslage bis Ende der 1980er Jahre mit einer möglichen militärischen Konfrontation an der innerdeutschen Grenze wären die Krankenhäuser in der ersten Phase einer kriegerischen Auseinandersetzung mit dann 5 000 Betten die einzigen klinischen Einrichtungen gewesen, die anfänglich eine weiterführende Behandlung hätten übernehmen können. Kongressberichte Im Rahmen der Wiedervereinigung 1990 wurden zunächst neun Lazarette der NVA mit ca. 2 000 Betten sowie das frühere Zen tralkrankenhaus der Volkspolizei, das ehemalige kaiserliche Garnisonslazerett Nr. 1, in Berlin übernommen. Mit der Reduzierung der Armee auf 340 000 Soldaten im Rahmen der 1990 erfolgten neuen Gesamtausplanung deutscher Streitkräfte entschied man sich für ein System mit vier größeren Häusern sowie vier sog. „156-Betten-Standardkrankenhäusern“, das 2 300 Betten umfasste. Mit der Ministerweisung zur „Neuausrichtung der Bundeswehr“ im Jahre 2000 und der damit verbundenen einsatzorientierten Umstrukturierung der Streitkräfte wurden drei kleine Krankenhäuser geschlossen und die Fähigkeiten zur stationären Versorgung auf jetzt fünf Häuser mit rund 1 800 Betten konzentriert, um dem Auftrag der umfassenden sanitätsdienstlichen Versorgung der Soldaten im Frieden, Verteidigungsfall und Einsatz gerecht zu werden. Bundeswehrkrankenhäuser: Woher? Wohin? Einsich ten eines Chefarztes Generalarzt Dr. Joachim Hoitz Bundeswehrkrankenhaus Hamburg Seit über 50 Jahren bestehen Bundeswehrkrankenhäuser (BwKrhs), gegründet in Zeiten des Kalten Krieges und der Kampfbereitschaft für Landes- und Bündnisverteidigung auf deutschem Boden als Keimzellen einer im Verteidigungsfall rasch aufwachsenden Lazarettorganisation. Aus dem waffenstarrenden Blockdenken wurde weltweite Krisenbewältigung und Konfliktverhütung, die Kampftruppen mutierten sprachlich zu Friedenstruppen. Wie wandeln sich die BwKrhs? Die heutige Sicherheitspolitik verändert mit einer neuen Bundeswehr auch den Auftrag für die BwKrhs: Ausbildung für eine hocheffiziente medizinische Versorgung Verwundeter oder Erkrankter in Auslandseinsätzen, Abstellung von Fachpersonal dorthin und die abschließende Behandlung der Verwundeten im Heimatland bilden mit Abstand erste Priorität: Ausbildung ist das „Unternehmensziel“ im Systemverbund BwKrhs. Hierzu ist es essenziell, tagtäglich Patienten mit entsprechend schwerwiegenden Erkrankungen und Verletzungen zu behandeln. Dies können zwar auch Soldatenpatienten sein, meistens sind diese jedoch - glücklicherweise - zu gesund, um das Sanitätspersonal erfolgreich auf die Herausforderungen der Auslandseinsätze vorbereiten zu können. Für Ausbildung ist Medizin nach dem State of the Art zwingend, was heutzutage die Anwendung von Evidence Based Medicine (EBM) und nachgewiesene Qualitätssicherung bedeutet, die eine ehedem vorherrschende Erfahrungs- und „Eminenzbasierte“ Medizin verdrängt. Aber wieviel EBM existiert für die Versorgung Verwundeter, z. B. nach Explosions- und Schussverletzung? Die Herausforderung für den Sanitätsdienstes besteht hierin, EBM, wo immer nötig, durch Erfahrungen zu ergänzen, kreativ damit zu verknüpfen und innovativ weiterzuentwickeln. Heutige Einsatzerfahrungen gehen als „medicina in extremis“ weit über die früher völlig ausreichende Versorgungstiefe ziviler Medizin hinaus. Während zu Beginn der BwKrhs die zivile Medizin unidirektional in die BwKrhs hineinwirkte und Sanitätsoffiziere nur wenig reüssierten, wird heute die Militärmedizin - wie in der Geschichte immer wieder - als Motor für kreative und innovative Weiterentwicklungsimpulse geschätzt und werden Ärzte und Pfleger an 367 den BwKrhs, ob ihrer einzigartigen Erfahrungen, als herausragende Vertreter ihres Fachgebietes in den wissenschaftlichen Fachgesellschaften hoch anerkannt. Diese Erkenntnis ist umso wichtiger, als bei begrenzten Personalressourcen der Kampf um die Besten voll entbrannt ist. Dabei unterliegt auch der in den BwKrhs tätige Menschenschlag einem Wandel: Von Pflichtorientiertheit und hierarchischem Denken kommend, sind hier heute Work-Life-Balance und Autonomiestreben ebenso selbstverständlich geworden, wie sich aus den Erfahrungen der Auslandseinsätze heraus der ganzheitlich-interdisziplinär denkende interprofessionelle Teamplayer entwickelt hat. Obwohl die BwKrhs oft nicht zu den Großkliniken mit regionaler Marktbeherrschung gehören, ist gerade dies einer der attraktiven Ansätze, sich auf dem völlig veränderten Gesundheitsmarkt zu positionieren: Von der Daseinsvorsorge der alten kommunalen Klinikstruktur mit anfänglich großzügigen Ressourcen hat sich zivil ein Wandel zum umsatzoptimierten und ressourcenschonenden Management mit zunehmender Spezialisierung ergeben. Marketing prägt die Außenwirkung aller Akteure im Gesundheitswesen. Und da die BwKrhs aus Ausbildungsgründen Patienten aus derselben Population generieren wollen, ist auch für sie ein Marketing erforderlich. Doch gerade der Unterschied in den Unternehmenszielen ist geeignet, ein entscheidendes Alleinstellungsmerkmal heraus zu stellen: Hier exzellent ausgebildete Sanitätssoldaten, die in der Lage sind, überall auf der Welt mit all den Mitteln und unter all den Rahmenbedingungen, die sie gerade vorfinden, im Team eine medizinische Ergebnisqualität wie im Heimatland zu erreichen, dort die Notwendigkeit, zur Steigerung des Shareholder Values ressourcenbeschränkend zu optimieren, und dadurch sowohl den Wettbewerb zwischen Fachabteilungen und Krankenhäusern zu fördern, als auch Ausbildung als zeit- und ressourcenfressende - und lästige - Unausweichlichkeit zu empfinden. Bundeswehrkrankenhaus als Kern eines Ausbildungsclusters BwKrhs haben sich von den einstigen Lazaretten der Grundund Regelversorgung für Soldaten entwickelt zu gesuchten Kooperationspartnern bei Patientenversorgung und Ausbildung, deren Mitarbeiter zu gern zu Rate gezogenen Experten bei der fachlichen Diskussion anderweitig nicht mehr vermittelbarer Erfahrungen und zu äußerst beliebten Krankenhäusern für die Patienten, die den ganzheitlichen Therapieansatz und die Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 368 Kongressberichte kameradschaftliche Atmosphäre im Team bei exzellenter Medizin und persönlicher Zugewandtheit schätzen. BwKrhs sind somit bestens geeignet, den Kern einer zukünftigen Clusterbildung für Ausbildung und Behandlung in ihren Regionen zu bilden. Der Allgemeinarzt als Gatekeeper/ Lotse im Versor gungssystem Professor Dr. Wilhelm Niebling Universitätsklinikum Freiburg Die vertragsärztliche Versorgung in Deutschland gliedert sich in die hausärztliche und fachärztliche Versorgung. An der hausärztlichen Versorgung nehmen Allgemeinärzte, Kinderärzte und Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung (die die hausärztliche Versorgung gewählt haben) teil (§ 73, SGB V). Angesichts einer zunehmenden Spezialisierung und Fragmentierung der Gesundheitsversorgung sind Hausärztinnen und Hausärzte als „Generalisten“ wichtiger denn je. Generalismus bezeichnet dabei eine medizinische Herangehensweise, die vom konkreten Patienten und seinen Problemen ausgeht. Darin ist kein Anspruch auf Allzuständigkeit („Omnipotenz“) enthalten (Zukunftspositionen der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, www.degam.de). Hausarztrolle und -medizin haben einen grundlegenden Wandel erfahren. Die Patientenautonomie hat zugenommen („kritische Konsumenten“). Die umfassende Zuständigkeit des Hausarztes „von der Wiege bis zur Bahre“ hat einer arbeitsteiligen Versorgung mit spezialisierten Fachärzten Platz gemacht. Die „Rundum-die-Uhr-Präsenz“ wurde durch einen flächendeckend organisierten Notdienst abgelöst. Kooperative Versorgungsstrukturen, wie Gemeinschaftspraxen oder Medizinische Versorgungszentren, treten zunehmend an die Stelle der bisherigen Einzelpraxen. Der demographische Wandel, Multimorbidität sowie die Zunahme komplexer chronischer Erkrankungen führen zu einem steigenden Versorgungsbedarf und erfordern eine kosteneffektive Versorgungssteuerung durch den Hausarzt. Nicht zuletzt wünschen Patienten eine umfassende, persönliche und wohnortnahe Versorgung. Ausweislich der Statistik der Bundesärztekammer gab es zum Ende des letzten Jahres 357 252 Ärztinnen und Ärzte in Deutschland- so viele wie noch nie. Während jedoch die Anzahl der niedergelassenen Fachärzte seit 1993 um annähernd 50 % zugenommen hat, haben die Hausärzte im gleichen Zeitraum um 10 % abgenommen. Das vormalige Verhältnis von Hausärzten zu Fachärzten hat sich von 60 zu 40 % umgekehrt. Wir haben also nicht die Fachärzte, die unser Versorgungssystem braucht…und vor allem nicht dort, wo sie gebraucht werden, nämlich im ländlichen Bereich. Der in manchen Regionen bereits spürbare und in vielen drohende Mangel an Hausärzten wird noch dadurch akzentuiert, dass ein Drittel der derzeitigen Hausärzte älter als 60 Jahre ist, 10 % das Rentenalter überschritten und nur 3,5 % jünger als 40 Jahre sind. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung- KBV erwartet bis 2020 einen „Bruttoabgang“ von ca. 15 000 Hausärzten und befürchtet, dass nur jeder zweite freiwerdende Hausarztsitz wieder besetzt werden kann. Nur noch etwa ein Zehntel der rund 11 000 erteilten Facharztanerkennungen entfiel 2013 auf das Gebiet Allgemeinmedizin. Hinzu kommt, dass mit 9 023 Studienplätzen im Wintersemester 2012/13 weniger Studienplätze in Humanmedizin zur Verfügung standen als in den alten Bundesländern vor der Wende… und ein Viertel eines Approbationsjahrganges nach Angaben der Bundesärztekammer eine Tätigkeit im Ausland sucht. Was ist zu tun? • Politik (Koalitionsvertrag), Sachverständigenrat (Gutachten vom 23.Juni 2014), Wissenschaftsrat und der Deutsche Ärztetag fordern eine Stärkung der Allgemeinmedizin in der Ausbildung. Dies beinhaltet die Einrichtung von selbständigen Abteilungen bzw. Instituten für Allgemeinmedizin an allen Medizinischen Fakultäten; • Die Einrichtung und Förderung von Weiterbildungsverbünden und Kompetenzzentren für Allgemeinmedizin (analog Hessen und Baden- Württemberg) sowie • Attraktive Rahmenbedingungen für zukünftige Hausärztinnen und Hausärzte (angemessene Vergütung, Tätigkeit in Teilzeitund/oder Angestelltenverhältnis, etc.); • Nachhaltige Finanzierung durch Gründung einer „Förderstiftung medizinische Aus- und Weiterbildung“. Anfänge sind gemacht. Wenn es gelingt „Leuchtturmprojekte“, wie die Verbundweiterbildung plus (Baden- Württemberg), Kompetenzzentren Allgemeinmedizin (Hessen, Baden-Württemberg.), Perspektive Hausarzt (Hausärzteverband BadenWürttemberg.) in der Fläche zu etablieren, kann auch in Zukunft eine flächendeckende hausärztliche Versorgung unserer Bevölkerung sichergestellt werden. Weiterbildungsverbund Allgemeinmedizin und uni versitäre Lehre - Zukunftsoptionen für Regionale Sani tätseinrichtungen? Erfahrungen aus dem Fachsani tätszentrum München Oberfeldarzt Dr. Roland Vogl et al. Fachsanitätszentrum München Ungünstige Entwicklungsprognose trotz großer Gesamtzahl an Ärzten Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 Versorgungslücken in der ärztlichen, insbesondere hausärztlichen Versorgung, bestehen bereits regional, werden sich aber über die nächsten Jahre noch eher vergrößern. Daher werden von den entsprechenden Interessengruppen (z. B. Ärztekammer, Kassenärztliche Vereinigungen, Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin, Hausärzteverband) Strategien zur Lösung dieses Problems entwickelt. Hierbei stehen strukturierte Wei- Kongressberichte terbildungsverbünde für Allgemeinmedizin, aber auch die verstärkte Implementierung von primärärztlichen Lehrinhalten bereits im universitären Studium im Vordergrund. Es wird am Beispiel des Fachsanitätszentrums München die Umsetzung dieser Optionen vorgestellt. Hierbei wird auf die Möglichkeit einer hausinternen Strukturierung der Ausbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin in einer Regionalen Sanitätseinrichtung, insbesondere unter dem Aspekt der zivil-militärischen Vernetzung, eingegangen. Dabei steht auch die Bindung von jungen Sanitätsoffizieren an die truppenärztliche Tätigkeit i. S. der „Attraktivität des Dienstes“ im Focus. Darüber hinaus wurden auch die universitären Aktivitäten des Fachsanitätszentrums München vorgestellt: Berufsfelderkundung, Public Health, hausärztliche Pflichtfamulaturen für zivile Studenten, Lehrauftrag Manuelle Medizin, zahnärztliche „Hochwertausbildungen“ und PJ-Tertial Allgemeinmedizin. Dies geschieht teilweise in Zusammenarbeit mit der Sanitätsakademie der Bundeswehr und ist auch ein relevanter Baustein in der Zusammenarbeit des Sanitätsdienstes mit dem zivilen Gesundheitswesen. Neue Technologien und Verfahren Kontrastverstärkter Ultraschall (CEUS) in der Gefäß medizin und Implikationen für die Einsatzmedizin Oberfeldarzt Christian Richter et al. Bundeswehrkrankenhaus Ulm Kontrastverstärkter Ultraschall (contrast enhanced ultrasound, CEUS) ist eine im klinischen Alltag etablierte Bildgebung, die die Aussagekraft sonographischer Untersuchungen qualitativ verbessert: CEUS ermöglicht dynamische Untersuchungen der Durchblutung und schließt diagnostische Lücken zwischen Sonographie und Computertomographie. Im Vortrag werden Indikationen, Technik und klinische Beispiele der CEUS aus der Gefäßmedizin und der Traumaversorgung vorgestellt und das einsatzrelevante Potential erläutert. CEUS beantwortet gefäßmedizinische Fragestellungen ohne die Nebenwirkungen herkömmlicher Untersuchungsverfahren, wie v.a. Nephrotoxizität der radiologischen, allergenträchtigen Kontrastmittelsubstanzen. Deswegen kommt CEUS im multimorbiden Krankengut der Gefäßmedizin in immer breiterem Umfang zum Einsatz. Die Kontrolluntersuchungen nach endovaskulärer Aortenrepair (EVAR) sind bereits etabliert. Die Perfusion und davon abhän- Links: Angiographie mit Abriss des Nierenoberpols (Pfeil); Bildquelle: BwKrhs Ulm – Radiologie Rechts: CEUS; Pfeil zeigt Standbild der dynamischen Perfusionsuntersuchung: Perfusionsausfall im Abriss des Oberpols 369 gige Plaquestabilität der Carotisstenose lässt sich bereits mit CEUS nachweisen und beurteilen. Im Gefäßzentrum der Bundeswehr Ulm liegen bereits umfangreiche Erfahrungen mit der Perfusionsdiagnostik mittels CEUS vor. Weiterhin entdeckt CEUS als bed-side Methode, u.a. auf ICU oder im ER, einfach und verlässlich Perfusionsschäden und Verletzungen der Bauchorgane und verringert die Anzahl von CT-Untersuchungen und Transporten instabiler Patienten zum CT. Unter diagnostischem Zeitdruck, bei hoher Anzahl von Traumapatienten, beschränkter CT- und Transportkapazität, schließt CEUS so die diagnostische Lücke zwischen Focused Assessment with Sonography for Trauma (FAST) und CT. CEUS kann als back-up bei CT-Defekten dienen. Während des ersten Ulmer Kurses über CEUS im Gefäßzentrum der Bundeswehr wurden im Einsatzlazarett MASARE-SHARIF mit einem CEUS-fähigen Ultraschallsystem Untersuchungen vorgenommen. In einer Sitzung zur FAST wurde das Potential des CEUS auch telemedizinisch demonstriert. In einer zweiten Phase wurde mit bereits im Einsatz befindlichen CEUS-fähigen Ultraschallsystemen (HD7Bw) Routineuntersuchungen durchgeführt. CEUS ist in der Gefäßmedizin bereits als führendes diagnostisches Verfahren etabliert. In der Traumatologie ist es im Massenanfall die schnellste und differentialdiagnostisch effizienteste Bildgebung. Die Platzierung in einsatzmedizinische Algorithmen ist naheliegend. Ausbildungskonzepte zur FAST bestehen bereits und sind interdisziplinär und organübergreifend konzipiert. Weitere Erfahrungen können im Einsatz wie in der Schockraumversorgung im Inland gesammelt werden. Normenkonforme Integration von Medieninhalten medizinischer Videotürme in PACS und KIS Dipl.-Ing. Jörg Schönfeld Bundeswehrkrankenhaus Berlin Die Zunahme nichtradiologischer bildgebender Verfahren kennzeichnet die technische Entwicklung in modernen Krankenhäusern. Neben einer Vielzahl von Modalitäten aus der Radiologie ist es Ziel der Ärzte und der Krankenhausleitung, auch andere bildgebende Verfahren normenkonform an ein digitales Röntgenbildarchiv (PACS) und an das Krankenhausinformationssystem (KIS) anzuschließen. Die nahezu unüberschaubare Vorschriftenlage auf dem Gebiet des Medizinprodukterechts verlangt von den verantwortlichen Systemintegratoren (Ärzte Ingenieure und Techniker) weitreichende Kenntnisse auf dem Gebiet der Medizin, der Medizintechnik, der Informationstechnologien und Medizinischen IT-Netzwerken. Es ist sinnvoll, Projekt bezogen die nichtradiologischen Geräte technologisch nach gleichen Konzepten anzuschließen wie radiologische Modalitäten. Diese Vorgehensweise erleichtert zum einen die Umsetzung weitreichender technischer Möglichkeiten und schafft die Möglichkeit, Verantwortlichkeiten und Schnittstellen zu definieren, die in den verschiedenen Verordnungen und Normen für den Krankenhausbetreiber empfohlen werden. Im Umfeld nichtradiologischer bildgebender Verfahren wurde die Gruppe der medizinischen Videotürme als technischer Bereich identifiziert, der zum einen durch eine Vielzahl von Systemherstellern und zum anderen durch die Menge an technischen Realisierungsmöglichkeiten zum Anschluss der Systeme an PACS und KIS gekennzeichnet ist. Es ist sinnvoll, die technischen Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 370 Kongressberichte Anschlussbedingungen zu evaluieren und einheitliche Systemintegrationsverfahren einzuführen, um alle rechtlichen und technischen Rahmenbedingungen zu erfüllen. Inhalte der Evaluation: • Identifizierung der Verfahren und Klassifizierung der nichtradiologischen Videomodalitäten • Übersicht Videotürme aus dem Bereich der Endoskopie • Technische Voraussetzung auf Netzwerkebene (Medizinisches IT-Netzwerk) • Medienverarbeitung und strukturierte Befundung Endoskopie • Anbindung der Informationen an PACS und KIS • Fallbeispiel Spezialanwendung ERCP mit Cholangioskopie • Risikomanagement nach DIN EN 80001-1 Fazit: Die Anbindung von nichtradiologischen Modalitäten im Bereich einer Endoskopie oder innerhalb einer medizinischen Spezialanwendung mit Integration in ein digitales Röntgenbildarchiv (PACS) oder Krankenhausinformationssystem (KIS), verlangt eine konzeptionelle Vorgehensweise beim Rollout, insbesondere unter der Berücksichtigung, dass Videotürme in der Regel nicht an ein radiologisches Informationssystem (RIS) angeschlossenen sind. Befundumgebung Endoskopie mit Integration in ein medizitechnisches IT-Netzwerk dardeingriff etabliert, in den USA werden über 80 % der Prostatektomien Roboter-assistiert durchgeführt. Die aktuelle Literatur zeigt neben intraoperativen und perioperativen Vorteilen nun auch signifikante Vorteile im onkologischen und funktionellen Outcome (R1-Raten, Kontinenz, Potenz). Für das onkologische Outcome zeigt ein Review von Coelho (J Endourol 2010) an großen Fallzahlen (RRP n=41.729, LRP n=11189 und RALP n=8472), dass sich bezüglich der positiven Schnittrandrate (unabhängiger Prognosefaktor für rezidivfreies Überleben) ein signifikanter Unterschied (RRP: pT2R1=16,8 %, overall R1=24 %; LRP: pT2R1=12,4 %, overall R1=21,3 %, RALP: pT2R1=9,6 %, overall R1=13,6 %) zwischen RRP und LRP sowie zwischen RRP und RALP zugunsten der laparaskopischen Verfahren ergibt. Beim funktionellen Outcome lag die 12-Monats-Kontinenzrate in einer Metaanalyse von Novara (Eur Urol 2012) bei 69 - 96 %, im Mittel bei 84 % (keine Vorlage) respektive bei 89 - 92 %, im Mittel 91 % (keine Vorlage oder Sicherheitsvorlage). In dieser Metaanalyse zeigte sich erstmalig in der kumulativen Analyse eine statistisch signifikant bessere 12-Monats-Kontinenz nach RALP im Vergleich zu RRP (OR: 1.53; p = 0.03) oder LRP (OR: 2.39; p = 0.006). In einer Studie von Tewari (BJUI 2003) war die Zeit bis zur Wiedererlangung der Kontinenz signifikant kürzer nach RALP (43 vs. 160 Tage). Im Hinblick auf die Potenz zeigten sich in einer Metaanalyse von Ficarra (Eur Urol 2012) 12- und 24-Monats-Potenzraten nach RALP von 54 - 90 % und von 63 - 90 %, in der kumulativen Analyse zeigte sich eine statistisch signifikant bessere 12-Monats-Potenzrate bei RALP im Vergleich zu RRP (odds ratio [OR]: 2.84; 95 % confidence interval [CI]: 1.46 - 5.43; p = 0.002). Im Vergleich RALP vs. LRP zeigte sich ein nicht statistisch signifikanter Trend zugunsten von RALP (OR: 1.89; p = 0.21). In einer Metaanalyse mit strengen Einschlusskriterien von Salinas (Adv Urol 2013) zeigte sich ebenfalls ein Vorteil für Roboter-assistiert operierte Patienten bezüglich der Kontinenz und Potenz. Zusammenfassend lässt sich anhand aktueller Daten aus der Literatur eine Überlegenheit des Roboter-assistierten OP-Verfahrens gegenüber dem offenen OP-Verfahren zeigen. Die Lernkurve der Roboter-Chirurgie ist kürzer als die der laparoskopischen Verfahren. Es deutet vieles darauf hin, dass diese innova- Schwerpunkt der Intergration (dargestellt am Beispiel von Videotürmen in der Endoskopie) in ein medizinischtechnisches IT-Netztwerk ist der Anschluss an Order- und Entrymanagement, HL7- und DICOM-Kommunikation mit Anbindung an ein herstellerunabhängiges PACS und KIS. Begleitend werden Wege zur praktischen Umsetzung der neuen Norm: DIN EN 80001-1 (Risikomanagement bei der Implementierung von Videotürmen als aktive Netzwerkkomponenten in ein Med. IT-Netzwerk) vorgestellt. Roboter-assistierte (DaVinci®) laparoskopische Prosta tektomie - aktuelle Mode oder die Zukunft? Oberfeldarzt Dr. Andreas Martinschek et al. Bundeswehrkrankenhaus Ulm Die Roboter-assistierte (DaVinci®) laparoskopische Prostatektomie (RALP) hat sich mittlerweile als urologischer Stan- Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 Endoskopische Tele-Chirurgie – eine Perspektive auch für die Einsatzversorgung? (Bild: Prof Hirzinger, Deutsche Luft- und Raumfahrttechnik DLR) Kongressberichte tive OP-Methode, bei ständig wachsendem OP-Spektrum auch in anderen Fachgebieten (Chirurgie, HNO, Gynäkologie), einen festen Stellenwert besitzt. Im Laufe des Jahres wurden/werden OP-Roboter im Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz und Bundeswehrkrankenhaus Ulm in den Abteilungen Viszeralchirurgie und Urologie in Betrieb genommen. Für das Jahr 2015 sind ein erster Erfahrungsbericht und eine detaillierte Darstellung der aktuellen Datenlage zur Veröffentlichung in der Wehrmedizinischen Monatsschrift vorgesehen. Erste Erfahrungen mit mobilen Patientensimulatoren Oberfeldarzt d. R. Dr. Burkhard Milde Bückeburg Der Einsatz von Simulation im Bereich der medizinischen Aus-, Fort- und Weiterbildung ist ein weltweit etablierter Standard. Aufgrund der neuen technologischen Möglichkeiten sind Patientensimulatoren nun auch mobil einsetzbar. Erste Erfahrungen mit mobilen, robusten und drahtlosen Simulatoren wurden u. a. während Kontingentvorausbildungen und Workshops gesammelt und ausgewertet. Besonderes Augenmerk wurde hierbei auf die Zielgruppe, die vorbestimmten Lerninhalte, die Berücksichtigung der äußeren Umgebung, das Bedienerpersonal und die Auswahl der zielführenden Simulatoren unter Berücksichtigung von Crew Ressource Management gelegt. Benutzt wurden Systeme der Firma CAE Healthcare (Patiententraumasimulator CAESAR und der Patientensimulator MetiMan (Prehospital)). Das Bedienerpersonal wurde überwiegend durch Mitarbeiter der Firma CAE Healthcare gestellt, nach Systemeinweisung übernahmen auch Bundeswehrangehörige diese Aufgabe. Teilnehmer an den Simulationstrainings waren Feuerwehrpersonal, Schüler und Soldaten aus unterschiedlichen Verwendungen. Ausgewertet wurden Erfahrungsberichte der CAE Mitarbeiter und /oder DASH- Fragebögen. Es wurden vorgefertigte Szenarien (Simulated Clinical Experience - SCE) z. B. aus den Bereichen Tactical Combat Casualty Vor- und Nachbereitung eines Simulators erfordern Erfahrung 371 Care (TCCC), berufsgenossenschaftliche Ersthelferausbildungen und Workshops zu Prolonged Field Care genutzt. Innerhalb der Gruppen gab es unterschiedliche Eingangsvoraussetzungen in Bezug auf Simulationserfahrung, medizinisches Wissen und Motivation. Im Ergebnis war die überwiegende Anzahl der Teilnehmer gegenüber der Nutzung von Patientensimulatoren positiv eingestellt, vollständige Ablehnung gab es nicht. Technisch konnten die Simulatoren in allen Wetterlagen und an unterschiedlichen Orten eingesetzt werden. Der Vor- und Nachbereitungsaufwand an den Simulatoren war nicht unerheblich. Fazit: Patientensimulatoren tragen zu einer realitätsnahen Ausbildung und somit wesentlich zum Erfolg im Einsatz bei. Sie erhöhen die Patientensicherheit und verbessern die Fähigkeiten zum Erhalt von Leben und/ oder Lebensqualität. Der mobile Einsatz ist möglich und realistisch. Konsequenter Weise sollten im Vorfeld die Ausbildungsziele und die Zielgruppe bekannt sein. Nur so können der geeignete Simulator, das geeignete Bediener- und technische Personal und die geeigneten Auswertungsmöglichkeiten zusammengeführt werden. Spezialtherapie im Querschnittgelähmtenzentrum bei Soldaten mit akuter posttraumatischer Querschnitt lähmung Oberfeldarzt d. R. Dr. Yorck-Bernd Kalke et al. Universitätsklinik Ulm / Bundeswehrkrankenhaus Ulm In Deutschland stehen für querschnittgelähmte Patienten und Patientinnen 26 Querschnittgelähmtenzentren mit aktuell 1281 Betten zur Verfügung. Die Inzidenz der Querschnittlähmung liegt in Deutschland bei 2 200 Fällen pro Jahr. Dabei ist etwa die Hälfte der Fälle unfallbedingt bzw., wie bei gutartigen Tumoren, Metastasen, Abszessen oder Ischämien, erkrankungsbedingt. In den meisten Fällen sind die Krankenversicherungen die Kostenträger, gefolgt von den Berufsgenossenschaften bei Arbeits- und Wegeunfällen, und in < 1 % der Fälle ist es die Bundeswehr. Im Querschnittgelähmtenzentrum der Orthopädischen Universitätsklinik Ulm mit derzeit 50 Behandlungsbetten wurden in dem Zeitraum von 30 Jahren zwischen 1984 und 2014 27 Soldaten mit posttraumatischer Tetra- bzw. Paraplegie behandelt, die alle aus dem Bundeswehrkrankenhaus Ulm, insbesondere der Abteilung Neurochirurgie, übernommen wurden. Zielsetzung der Therapie ist immer - abhängig von der Läsionshöhe das Erreichen einer größtmöglichen Selbständigkeit und möglichst die Entlassung in das adaptierte Umfeld nach Hause. Die paraplegiologische Behandlung erfolgt nach der Comprehensive Care Doktrin nach Sir Ludwig Guttmann (1899 - 1980), wonach der querschnittgelähmte Patient spezialisierte Hilfe im Querschnittgelähmtenzentrum so schnell wie möglich braucht, und diese Betreuung durch das Spezialzentrum lebenslang erfolgen sollte. Denn nur im Querschnittgelähmtenzentrum weiß man mit der multifaktoriellen Beeinträchtigung, wie motorischen und sensiblen Ausfällen, neurogener Blasen- und Mastdarmentleerungsstörung, sexueller Dysfunktion, pulmonalen Problematiken, Kreislaufdysregulationen und psychologischer Beeinträchtigung, zurecht zu kommen. Erschwerend kommt die Behandlung der zahlreichen Komplikationen bei Querschnittlähmung, wie Dekubitalulcera, funktionsbeeinträchti- Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 372 Kongressberichte gender Spastik, muskuloskelettales und neuropathisches Schmerzsyndrom, Kontrakturen, neuro-urologische Problematiken, Obstipation und paradoxe Diarrhoen, Hypotonie und autonomer Dysreflexie, Dysphagie, Thrombose und Embolie, Amenorrhoe und Depression bis hin zu Suizidgedanken, hinzu. Bei der Erstversorgung des Soldaten am Einsatzort sind vorrangig die Einschätzung und Sicherung der Vitalfunktionen, das Erfragen des Verwundungshergangs (wenn möglich), die orientierende neurologische Erfassung der Motorik und Sensibilität, der venöse Zugang, die Immobilisierung und ggf. das „DenKopf-unter-Zug-Halten“ sowie den Transport. Zur intensivmedizinischen Behandlung gehören die Sicherstellung der Atmung, die Kontrolle der Lagerung - ggf. auf einer Spezialmatratze - die Kontrakturprophylaxe, die Kontrolle der Darmtätigkeit, der Dauerkatheter, durchaus auch die suprapubische Harnableitung und die Anmeldung im Querschnittgelähmtenzentrum. Der spinale Schock macht sich durch schlaffe Lähmung mit Reflexausfall und Verlust der Temperaturregulation bemerkbar. Zusätzlich kann es zu einem Ausfall der orthostatischen Kreislaufreflexe, Herzrhythmusstörungen, paralytischem Subileus, abgeschwächten Atemwegsreflexen und akutem Harnverhalt kommen. Beim Absaugen des Nasen-Rachen-Raums bzw. der Lunge kann es zur akuten Reflexbradykardie bis hin zur Asystolie kommen. Wegen der eingeschränkten Regulationsfähigkeit können Lagewechsel zu starkem Blutdruckabfall führen. Im Querschnittgelähmtenzentrum stehen dann die einzelnen Fachbereiche mit Pflege, Physiotherapie, Ergotherapie, Sporttherapie, Logopädie, balneophysikalischer Therapie, technischer Orthopädie, Gesprächstherapie und Klinikseelsorge sowie weitere Spezialdisziplinen, wie Wirbelsäulenchirurgie, Neuro-Urologie und plastische Chirurgie, zur Verfügung. Erwähnt sei insbesondere die Kooperation mit der Abteilung Neurochirurgie des Bundeswehrkrankenhauses Ulm und dem Querschnittgelähmtenzentrum der Orthopädischen Universitätsklinik im Hinblick auf die Versorgung der posttraumatischen Syrinx. Im Rahmen der Spezialtherapie, die bei Paraplegikern durchschnittlich zwischen zwei und vier Monaten und bei Tetraplegi- Modernes Exoskelett und Gehtraining eines gelähmten Patienten mit diesem (Bild: EKSO BIONICS™, London) Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 kern drei bis fünf Monate dauert, werden auch modernste Therapiegeräte wie das Exoskelett verwendet, um zumindest ein therapeutisches Gehen zu ermöglichen. Bei allen Patienten wird die American Spinal Injury Association (ASIA) Impairment Scale (AIS A - motorisch und sensibel komplett, AIS B motorisch komplett und sensibel inkomplett, AIS C - motorisch inkomplett ohne Funktion, AIS D - motorisch inkomplett mit Funktion) sowie der Spinal Cord Independence Measurement (SCIM-) Score erhoben, bei dem zwischen 0 und 100 Punkte zu erreichen sind, dabei hinsichtlich der Selbstversorgung bis zu 20 Punkte, der Atmung und des Sphinktermanagements sowie der Mobilität je 40 Punkte. Eine Restitutio ad integrum (AIS E) wird mit 1 - 2 % der Behandlungsfälle nur äußerst selten erreicht. Forschung und Studien Die Pharmakotherapie der Posttraumatischen Belas tungsstörung – neue Ideen und Entwicklungen aus der Grundlagenforschung Ulrike Schmidt Max Planck Institut für Psychiatrie (MPI-P), München Die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) kann nach einsatzbezogenen Belastungen, aber auch in der Zivilbevölkerung nach Gewalttaten oder lebensbedrohlichen Unfällen auftreten. Die Optionen zur medikamentösen Behandlung dieser Traumafolgestörung sind begrenzt. Antidepressiva vom Typ der Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs) gelten als Goldstandard in der Psychopharmakotherapie der PTBS, jedoch profitiert ein nennenswerter Anteil von PTBS-Patienten gar nicht oder nur unzureichend davon. Die Entwicklung von Medikamenten, die gegen die Kardinalsymptome der PTBS, nämlich Nachhallerinnerungen, Vermeidungsverhalten und nervöse Übererregbarkeit, wirken und die die Dauer psychotherapeutischer Behandlungen verkürzen können, ist daher dringend erforderlich. In dem Vortrag wurden die neue Ideen und Entwicklungen aus der Grundlagenforschung präsentiert; unter anderem wurde der Stand der Forschung und Entwicklung des vor 3 Jahren am Tiermodell entdeckten neuartigen Anxiolytikums intranasales Neuropeptid S (iNPS) erläutert und microRNAs als mögliche Zielstrukturen für Antipsychotraumatika diskutiert. microRNAs sind kurze RNA-Moleküle, die nicht für Proteine kodieren, sondern eine besondere Form eines epigenetischen Mechanismus darstellen und somit die Aktivität von Genen regulieren. Noch unveröffentlichte Daten des MPI-P zeigen, dass bestimmte microRNAs sowohl im Blut von PTBS-Patienten als auch im präfrontalen Cortex und Hippocampus von Mäusen, die an einem PTBS-ähnlichen Syndrom leiden, ein verändertes Expressionsmuster aufweisen. In einer früheren Arbeit, der ersten überhaupt, die sich der Untersuchung des Zusammenhangs zwischen PTBS und microRNA-Expression gewidmet hat, zeigten wir, dass der therapeutische Effekt des Antidepressivums Fluoxetin in einem Mausmodell für PTBS von einer signifikant verringerten Expression der microRNA mmu-mir-1971 im Präfrontalen Cortex begleitet war. In der Kollaborationsstu- Kongressberichte die Bw-BioPTSD, die gemeinsam von der Bundeswehr (Psychotraumazentrum Berlin), der Psychiatrischen Klinik der Charité (J.Gallinat) und dem MPI-P entworfen wurde, untersuchen wir mittels Hochdurchsatzanalysemethoden unter anderem, ob in Leukozyten exprimierte microRNAs die Einschätzung der Vulnerabilität für einsatzbezogene Belastungsstörungen erleichtern können - das Design dieser Studie haben wir gerade veröffentlicht. Parallel dazu forschen wir am Mausmodell weiter daran, die Funktion von microRNAs bei Traumafolgestörungen aufzuklären; u. a. möchten wir herausfinden, welche microRNAs an der Regulation des zentralnervösen Neuropeptid-Stoffwechsels beteiligt sind, da bekannt ist, dass dieser bei verschiedenen psychischen Erkrankungen verändert ist. Wie bereits auf vergangenen Kongressen der DGWMP präsentiert und inzwischen veröffentlicht, fanden wir heraus, dass als Nasentropfen/-spray verabreichtes Neuropeptid S (NPS) in Mäusen stark angstlösend wirkt. NPS wirkt nicht direkt auf den GABA-Rezeptor und hat somit keine unerwünschten starken sedierenden Nebenwirkungen wie Benzodiazepine. Noch unveröffentlichte Daten zeigen, dass sich NPS mit hoher Wahrscheinlichkeit auch als Therapeutikum für die PTBS eignet, da es die nervöse Übererregbarkeit und Vermeidungsangst bei traumatisierten Mäusen drastisch vermindert und darüber hinaus das Furchtgedächtnis beeinflusst. Parallel zu diesen Arbeiten am Mausmodell versuchen wir, eine für den Menschen geeignete Form des NPS zu entwickeln, nämlich ein Derivat mit guter Verträglichkeit und langer Wirkdauer. Neben diesen beiden großen Forschungslinien zu microRNAS und Neuropeptiden bei der PTBS wurden kursorisch noch weitere, vielversprechende neue Ansätze vorgestellt, unter anderem ein Präparat, das sich zur Behandlung von selbstverletzendem Verhalten eignet. 373 gen Kommandeure nach Information und direkten Kontakt der mit der Studie befassten Truppenärzte. Ergebnisse: Körperliche Aktivität und Sport sind für den Soldaten im Einsatz eine wichtige Grundlage der Ressourcenerhaltung, die sich auch positiv auf Stimmung, Stress und Anspannung auswirken kann. Sport sollte auch in zukünftigen Einsatzszenarien bewusst als stärkendes Element genutzt und gefördert werden. Ein ausgeglichener Schlaf, so dienstlich im Einsatz möglich, erscheint nach den ersten Studienergebnisse ein sehr zuverlässiger Marker für das Wohlbefinden und die Stabilität des „Systems Psyche“ von Einsatzsoldaten zu sein. Auffälligkeiten in diesem Bereich könnten Hinweise für Betroffene selbst, aber besonders für Vorgesetzte und Kameraden im Sinne eines wenig stigmatisierenden Markers sein. Betroffenen könnte dann mehr Unterstützung und Aufmerksamkeit zukommen, bis sich die Schlafqualität durch eingeleitete Maßnahmen wieder bessert. Die Raucherquote in der Kampftruppe liegt besonders bei den Mannschaften deutlich über zivilen altersgleichen Vergleichspopulationen, allerdings sinkt diese im Einsatz eher im Verlauf ab, so dass gesteigertes Stressrauchen im Einsatz eher kein Problem darstellt, welches vorrangig zu bearbeiten wäre. Ist der Soldat im Einsatz gesund, ausgeglichen und psychisch fit?“ Antworten aus der Einsatzstudie zu Sport, Schlaf und Rauchverhalten von deutschen ISAF-Soldaten. Oberfeldarzt d. R. Prof. Dr. med. Stefan Kropp Asklepios Fachkliniken Teupitz und Lübben, Teupitz Fragestellung: Im ISAF-Einsatz sollten die Parameter „körperliche Aktivität und Sport“, „Schlaf“ und „Nikotinkonsum“ zu drei Messzeitpunkten vor, während und nach einem Auslandseinsatz in einer Untersuchungsgruppe (Panzergrenadierbatallion) untersucht werden, um Hinweise zu den Belastungen des Einsatzes in o.g. Bereichen zu erhalten. Methode: Zu den Messzeitpunkten wurde mittels standardisierter Fragebögen die aktuelle psychische Belastung der Soldaten erfasst. Eine homogene Vergleichsgruppe bestand aus Angehörigen eines sich nicht im Auslandseinsatz befindlichen anderen Panzergrenadierbatallions, die im selben Zeitraster mit demselben Instrumentarium untersucht wurden. Die Rekrutierung der Untersuchungsstichproben erfolgte nach Vorliege der Genehmigung der Untersuchung durch das Bundesministerium der Verteidigung, die Ethikkommission der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) sowie nach Zustimmung durch die jeweili- Fazit der Einsatzstudie zu Sport, Schlaf und Rauchverhalten von deutschen ISAF-Soldaten Diskussion Aus Sicht des Psychotraumzentrums der Bundeswehr konnten mittels vorgelegter Studie drei wesentliche und leicht zu erhebende Grundlagen der Ressourcenerhaltung und Stärkung vor dem Hintergrund eines laufenden Einsatzes der Kampftruppe im Vergleich zu einer am Heimatstandort und in der Einsatzausbildung befindlichen Vergleichseinheit erstmals untersucht werden. Aus Sicht der Studiengruppe könnte die Rolle des Sports im Einsatz durch die vorliegenden Ergebnisse weiter gestärkt, der Schlaf als einfacher Marker für psychisches Wohlbefinden mehr in den Fokus gerückt und die Rolle des Nikotinkonsums im Einsatz etwas nachrangiger als die zwei anderen Marker für seelisches Wohlbefinden betrachtet werden. Aktuelle und bewährte präventive Ansätze zur Raucherentwöhnung und Abstinenz behalten im Inland weiter ihren Stellenwert. Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 374 Kongressberichte Korrelation von Basis-Fitness-Tests-Ergebnissen mit der Leistung bei der Ergometrie im Rahmen der Begut achtung Oberfeldarzt Dr. Nils Gundlach et al. Sanitätszentrum Rothenburg/Wümme Der Allgemeine Umdruck Nr. 80 (Fachdienstliche Anweisungen des Inspekteurs des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, FA InspSan) regelt im Kapitel D01.01 den Umfang der truppenärztlichen Begutachtung im Rahmen von Statusänderungen und Dienstzeitverlängerungen. Insbesondere das Belastungs-EKG in Form der Ergometrie dient der Feststellung der körperlichen Leistungsfähigkeit und dem Ausschluss von Herz-Kreislauferkrankungen bzw. Herzrhythmusstörungen unter Belastung. So sind geschlechtsunabhängige Mindestleistungen (2,3 Watt/kg Körpergewicht [KG] oder 250 Watt absolut) vorgeschrieben. Zeitgleich hat jeder Soldat jährlich den Basis-Fitness-Test (BFT) zum Nachweis seiner körperlichen Leistungsfähigkeit zu bestehen. In einer Voruntersuchung konnte gezeigt werden, dass pathologische Herzrhythmusstörungen während der Belastungsergometrie bei jungen Zeitsoldaten im Rahmen der Weiterverpflichtungsuntersuchungen nicht auftreten. Ein Verzicht auf das Belastungs-EKG zur Detektion von pathologischen Herzrhythmusstörungen wäre daher denkbar. Inwieweit jedoch auch auf die Testung der körperlichen Leistungsfähigkeit verzichtet werden kann, ist bisher nicht untersucht worden. Daher war das Ziel der Studie, die Korrelation der Ergebnisse des BFT und seiner Einzeldisziplinen mit der Leistung auf dem Fahrradergometer sowie der falsch-negativen und falsch-positiven Befunde festzustellen. Hierzu wurde im Rahmen einer Pilotstudie retrospektiv die Begutachtungsuntersuchungen von 372 Weiterverpflichtungsuntersuchungen (Alter: 24,3 ± 2,6 Jahre) sowie Überleben im Einsatz-Begutachtungen aus dem Standort Augustdorf ausgewertet (Zeitraum 2010 - 2012) und mit dem individuellen BFT-Gesamtergebnis und den BFT-Einzeldisziplinergebnissen verglichen. Von den insgesamt 362 Probanden bestanden 350 Probanden sowohl die Ergometrie, wie auch den BFT, während bei 19 Pro- Streudiagramme der Ergebnisse im 1000m-Lauf zur relativen Leistungsfähigkeit auf dem Fahrradergometer mit den jeweiligen Regressionsgeraden, n = 372 Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 banden lediglich der BFT bestanden wurde und bei 3 Probanden lediglich die Ergometrie. Zwischen der absoluten und relativen Leistung auf dem Fahrradergometer und den erzielten Punktzahlen in den Einzeldisziplinen des BFT bzw. der Gesamtpunktzahl zeigte sich lediglich zwischen der absoluten Leistung auf dem Fahrradergometer und dem Ergebnis im Klimmhang keine Korrelation, während alle anderen Ergebnisse hoch signifikant korrelierten (p < 0,001). Beispielhaft ist in der Abbildung das Korrelationsdiagramm zwischen der relativen Fahrradergometerleistung und dem 1000m-Lauf dargestellt. Die im Rahmen der Pilotstudie vorgestellten Ergebnisse zeigen eindrucksvoll bei einer großen Stichprobe, dass bei dem untersuchten jungen Patientenkollektiv eine hoch-signifikante Korrelation zwischen der Leistung auf dem Fahrradergometer und den Ergebnissen im BFT besteht. Lediglich falsch-negative Ergebnisse (Ergometrie nicht bestanden, BFT bestanden) überwiegen. In einer Voruntersuchung konnte bereits gezeigt werden, dass im Rahmen der Belastungs-EKG-Untersuchung bei jungen Zeitsoldaten keine pathologischen EKG-Veränderungen zu finden sind. In Anbetracht des jungen Alters der Probanden und des hohen Zeitansatzes ist die Ergometrie für die Überprüfung der körperlichen Leistungsfähigkeit durch den obligatorisch durch die Truppe durchzuführenden BFT ersetzbar. Der Beitrag wurde mit einem Posterpreis ausgezeichnet. Infektiologie Vergleichende Evaluation serologischer Testverfahren zur Diagnostik der Schistosomiasis Stabsarzt Rebecca Hinz et al. Bernhard-Nocht-Institut / Bundeswehrkrankenhaus Hamburg Die Schistosomiasis stellt insbesondere in Afrika mit mehr als 180 Mio. Erkrankungsfällen ein weit verbreitetes und schwerwiegendes Problem dar und bedingt aufgrund des zunehmenden Engagements der Bundeswehr in Subsahara-Afrika einen Anstieg des Erkrankungsrisikos für exponierte deutsche Soldaten im Einsatz. Die Auswahl geeigneter serologischer Testmethoden für die Diagnostik der Schistosomiasis wird erschwert durch eine unzureichende Datenlage bezüglich der Testgenauigkeit kommerziell verfügbarer Tests. Vor diesem Hintergrund wurden am Fachbereich Tropenmedizin des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg unterschiedliche serologische Testverfahren zur Etablierung einer geeigneten Routine-Diagnostik im Bundeswehr-Einsatz sowie für Rückkehreruntersuchungen evaluiert. 100 Serumproben wurden zunächst durch 2 in-house-Tests des Nationalen Referenzzentrums für tropische Infektionserreger, dem Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM), anhand eines indirekten Immunfluoreszenz-Tests (IIFT, polyvalent für IgG/A/M) und eines IgG-ELISA (enzyme-linked immunosorbent assay) charakterisiert. Das Positiv-Kollektiv dieser Studie wurde gestellt durch 35 im Rahmen der BNITM-inhouse-Serologie (IIFT & ELISA) positiv getesteten Proben. Der BNITM-IIFT wurde mit insgesamt 39 positiven Proben als Goldstandard angesehen. Folgende kommerziell verfügbare bzw. in Entwicklung befindliche serologische Testverfahren Kongressberichte IgG-Immunfluoreszenztest, EUROIMMUN, Antikörper-Titer 1: 10.000, 100-fache Vergrößerung (Bildquelle: Bundeswehrkrankenhaus, Fachbereich Tropenmedizin) wurden evaluiert: IgG-Line-Blot (Prototyp), IgG-ELISA (auf Herstellerwunsch vorerst ohne Angabe), IgM-IIFT und IgGIIFT (EUROIMMUN, Lübeck). Der Line-Blot-Prototyp zeigte sich dem Goldstandard gegenüber unterlegen, wies aber insgesamt die höchste Sensitivität (92,3 %) unter den evaluierten Tests auf. Der kommerziell verfügbare EUROIMMUN-IIFT schnitt in der Evaluation mit der höchsten Spezifität (96,7 %) ab und lässt zudem als einziger der verwendeten Tests eine Differenzierung zwischen IgM und IgG zu. Es ist geplant, diese Evaluation in Kombination mit einer molekulardiagnostischen und mikroskopischen Diagnostik auf ein größeres Proben-Kollektiv in Endemiegebieten auszuweiten. Denkbar wäre hierfür der Einsatz des Line-Blots nach Etablierung durch den Hersteller als Screeningverfahren in Kombination mit dem EUROIMMUN-IIFT als Bestätigungstest. Der Beitrag wurde mit einem Posterpreis ausgezeichnet. Diarrhoesurveillance im tropischen Einsatz Oberstabsarzt Dr. Hagen Frickmann et al. Bernhard-Nocht-Institut / Bundeswehrkrankenhaus Hamburg Hintergrund: Seit 2013 beteiligt sich die Bundeswehr an der „European Union Training Mission“ (EUTM) im tropischen Mali; Bundeswehrsoldaten sind mit Schwerpunkt in Koulikoro nordöstlich von Bamako stationiert. Da – insbesondere zu Beginn der Mission – Diarrhoen zu den „drängendsten“ Gesundheitsrisiken gehörten, wurden seitens des Fachbereichs Tropenmedizin mobile real-time PCR-Assays für eine Durchfallsurveillance zwecks Analyse der Mikroepidemiologie vor Ort im Feldlager von Koulikoro implementiert. Methoden: In der Trockenzeit zwischen Dezember 2013 und März 2014 konnten Stuhlproben von insgesamt 25 Durchfallpatienten der multinationalen EUTM-Kräfte im endemischen Umfeld gesammelt werden. Zu den für die Surveillance eingesetzten real-time Multiplex-PCRs gehörten 2 in-house Protokolle auf enteroinvasive bakterielle Erreger (Salmonella spp., Shigella spp./enteroinvasive Escherichia coli (EIEC), Campylobacter jejuni und Yersinia spp.) und darmpathogene Protozoen (Entamoeba his- 375 PCR-gestützter Nachweis von Durchfallerregern in der Endemiesituation in Koulikoro, Mali tolytica, Giardia duodenalis, Cyclospora cayetanensis und Cryptosporidium spp.) sowie 3 kommerzielle „Rida®Gene“ real-time PCR-Kits ‘EAEC’, ‘EHEC-EPEC’ and ‘ETEC-EIEC’ auf enteroaggregative E. coli (EAEC), enterohämorrhagische E. coli (EHEC), enteropathogene E. coli (EPEC), enterotoxische E. coli (ETEC) und Shigella spp./EIEC. Ergebnisse: Positive PCR-Ergebnisse für Durchfallerreger waren im Stuhl von 60 % (15/25) der Diarrhoepatienten nachweisbar. Vor allem konnte DNA von durchfallassoziierten E. coli sowie phylogenetisch verwandten Shigella spp., deutlich seltener auch von Protozoen, nachgewiesen werden. Im Einzelnen wurden EPEC in 8/25 Patientenstühlen (32 %), ETEC in 6/25 Patientenstühlen (24 %) und EAEC in 6/25 Patientenstühlen (24 %) detektiert. Shigella spp./EIEC, Giardia duodenalis und Cryptosporidium spp. waren dagegen nur bei jeweils einem Patienten (4 %) nachweisbar. In acht Fällen (32 %) lag eine Doppelinfektion vor. Bauchschmerzen und abdominelle Krämpfe waren die Leitsymptome bei insgesamt blander Symptomatik; blutige Durchfälle wurden nicht beobachtet. Etwa die Hälfte der Patienten gab an, Nahrung von außerhalb des Feldlagers zu sich genommen zu haben. Schlussfolgerung: Nichtinvasive Durchfallerreger, wie EPEC, ETEC und EAEC, dominierten die Mikroepidemiologie im Feldlager Koulikoro während der Trockenzeit, während Protozoen und invasive bakterielle Erreger nur eine untergeordnete Rolle spielten. Die starke Dominanz bakterieller Durchfallerreger legt die Implementierung einer Resistenzsurveillance nahe, um im die Einsatzbereitschaft potenziell gefährdenden Ausbruchsfall eine resistenzangepasste, zuverlässig wirksame Antibiotikatherapie initiieren zu können. Die von den Durchfallpatienten nur inkonstant angegebene Verpflegung außerhalb des Feldlagers weist auf autochthone Übertragungen im Lager hin. Unklares Fieber bei ISAF-Personal - vom Indexfall zur Q-Fieber- Ausbruchsdetektion Oberfeldarzt Dr. Elmar Elsner Bundeswehrkrankenhaus Berlin Einleitung: Unklares Fieber während eines Auslandseinsatzes stellt seit jeher eine besondere Herausforderung für Militärärzte aller Nati- Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 376 Kongressberichte onen dar. Ein Großteil fieberhafter Erkrankungen wird durch Infektionskrankheiten verursacht, so dass die Kenntnis von regional typischen und spezifischen Erkrankungen, insbesondere auch in Hinblick auf die limitierten diagnostischen Möglichkeiten im Felde, für die Diagnostik und Therapie und schließlich für die Einsatzfähigkeit von entscheidender Bedeutung ist. Indexfall und Ausbruchsdetektion: Wir berichten über einen 28-jährigen Soldaten, der sich 03/2011 in der Notaufnahme des Feldlazaretts Mazar-e-Sharif mit Fieber bis 38.5 °C vorstellte. Auffällig waren neben einer Thombozytopenie, erhöhte Transaminasen, eine Splenomegalie und ein Perikarderguss. Die durchgeführte Infektionsdiagnostik (Malaria DT, Ausstrich und ST, Dengue-V.-Ag/AKTest, Influenza- A/B-ST, EBV-ST, HIV-Serologie, Hepatitis-Serologie, Blutkulturen, Serologie cardiotrope/ hepatotrope Erreger) erbrachte initial keinen richtungsweisenden Befund, so dass der Patient nach Entfieberung und Besserung des Allgemeinzustandsunter der Verdachtsdiagnose „Virusinfektion mit Begleithepatitis und Perikarditis“ entlassen wurde. Am Folgetag entwickelte der Patient erneut hohes Fieber, atmungsabhängige Brustschmerzen und zeigte im Röntgenbild Zeichen einer atypischen Pneumonie. Es erfolgte die Wiederaufnahme und antibiotische Behandlung mit Levofloxacin. Bei nur unzureichender Besserung erfolgte die Repatriierung und Weiterbehandlung im Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz, aus dem der Patient dann nach 1 Woche beschwerdefrei entlassen wurde. Eine Wiederholungsserologie zeigte schließlich die Serokonversion gegenüber Coxiella burnetii, so dass retrospektiv die Diagnose eines akuten Q-Fiebers gestellt werden konnte. In den Folgemonaten Mai - Juli konnten acht weitere ISAF-Soldaten mit unklaren febrilen Erkrankungen und auffälligem Blutbild nach klinischer Evaluierung als hochverdächtig für Q-Fieber eingestuft werden. Es erfolgte unverzüglich die antibiotische Behandlung mit Doxyzyklin. Die Hospitalisierungsdauer betrug durchschnittlich sechs Tage, eine Repatriierung war nicht erforderlich. Bei allen Patienten konnte im Verlauf die Diagnose Q-Fieber durch die Serokonversion bestätigt werden. Zusammenfassung und Kernaussagen: Aus der Auswertung eigener Daten und der aktuellen Literatur mit besonderem Bezug zur Wehrmedizin resultieren auf Grund der Charakterisierung der Erkrankung und der Diskussion möglicher Differenzialdiagnosen folgende Kernaussagen: • Die beschriebene Ausbruchssituation unterstreicht die Wichtigkeit von interdisziplinärem kontinuierlichem Datenaustausch, kontinuierlicher Datenerhebung und Datenauswertung. • Q-Fieber Ausbrüche kommen immer wieder weltweit vor. Ausbrüche im Rahmen von Auslandseinsätzen sind für Bosnien, Kosovo, Irak und Afghanistan beschrieben. • Bei Soldaten mit Fieber, ggf. Zeichen einer Pneumonie, auffälliger Thrombopenie und erhöhten Leberenzymen (Hepatitis) muss Q-Fieber in die differentialdiagnostischen Überlegungen miteinbezogen werden. Beim geringsten Verdacht sollte die antibiotische Therapie mit Doxyzyklin unverzüglich begonnen werden. Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 Truppenärztliche Versorgung im Ausland Besonderheiten der truppenärztlichen Versorgung von Soldatinnen und Soldaten in Auslandsverwen dungen Oberstarzt Dr. Niels Alexander von Rosenstiel Streitkräfteamt, Bonn Der Sanitätsdienst der Bundeswehr hat den Auftrag, die Gesundheit der Soldatinnen und Soldaten zu schützen, zu erhalten und bei Erkrankung oder Verletzung wiederherzustellen. Die medizinische Versorgung soll dabei im Ergebnis dem fachlichen Standard in Deutschland entsprechen. Dies gilt insbesondere für die Auslandseinsätze, aber auch für die Auslandsverwendungen in Militärattachéstäben, multinationalen Dienststellen und Stäben, Beratergruppen sowie für Lehrgangsteilnehmer. Viele der insgesamt ca. 1 800 Soldatinnen und Soldaten an insgesamt mehr als 140 Dienstorten im Ausland leisten ihren Dienst unter erschwerten Bedingungen in den Tropen oder Subtropen. Aufgrund der langjährigen Betreuung des o. a. Personenkreises werden entsprechende Besonderheiten und Herausforderungen dargestellt. Die sanitätsdienstliche Betreuung von Soldatinnen und Soldaten in Auslandsverwendungen wird durch den Leitenden Sanitätsoffizier Streitkräfteamt (LSO SKA) sichergestellt. An den Auslandsstandorten Brunssum (NLD) und Mons (BEL) werden die Soldatinnen und Soldaten durch eine eigene Sanitätsstaffel betreut. In Fontainebleau (FRA), Izmir (TUR), Lissabon (POR), Neapel (ITA), Northwood (GBR) und Reston (USA) ist jeweils ein Sanitätsfeldwebel als Ansprechpartner in sanitätsdienstlichen Angelegenheiten und als direktes Bindeglied zum LSO SKA eingesetzt. Im Ausland selbst erfolgt die medizinische Versorgung durch militärische und/oder zivile Gesundheitseinrichtungen des Gastlandes. Prinzipiell hat jedes Land sein eigenes Risikoprofil, das sich aus einer Vielzahl von Faktoren ergibt. Von wesentlicher Bedeutung sind biologische Risiken (Krankheitserreger, Vektoren, Prävalenzen von Infektionskrankheiten). Nicht infektiöse Risiken ergeben sich aufgrund von Umweltrisiken (Allergenund Schadstoffbelastung der Luft, verunreinigtes Trinkwasser, Bodenbelastung mit Schwermetallen und chemischen Noxen, Giftwirkungen von Tieren und Pflanzen, Sicherheitsstrukturen, Klima) und kulturellen Einflüssen (Religionen und Menschenbilder). Transportmittel bergen zusätzliche Risiken, und Unfällen im Ausland ist ein höheres Gewicht beizumessen als allen Infektionskrankheiten. Je nach den Gegebenheiten des Ortes kommen zusätzlich noch Berufs- und Freizeitaktivitäten hinzu, deren immanentes Risikoprofil sich zu den genannten hinzuaddiert. Ein weiteres entscheidendes Kriterium in der Bewertung von auslandsspezifischen Risiken ergibt sich schließlich aus der Qualität des Gesundheitswesens vor Ort. Die Gesundheitsberatung vor und während einer Auslandsverwendung stellt medizinische Prävention auf höchstem Niveau dar. Dabei ist eine Beschränkung auf impfpräventable Infektionskrankheiten und Malaria allein nicht ausreichend. Auch weitere der Prävention zugängliche Risiken, wie nahrungsmittel-, vektor- und sexuell übertragbare bzw. durch Hautkontakt 377 erworbene Infektionskrankheiten, Atemwegserkrankungen und regional bedeutsame weitere vektorübertragene Infektionskrankheiten, sind bei den Vorsorgemaßnahmen zu berücksichtigen. Wenn es während einer Auslandsverwendung zu psychischen Auffälligkeiten bzw. Störungen kommt, spielen oft Persönlichkeitsstruktur, Über- oder Unterforderung und psychosozialer Stress (Lebens- und Arbeitsbedingungen im Ausland, „Kulturschock“, Schwierigkeiten mit der Landessprache, gesellschaftliche Isolation und Einsamkeit, etc.) eine krankheitsverursachende Rolle. Innerhalb des Aufgabenspektrums des Sanitätsdienstes der Bundeswehr stellt die truppenärztliche Versorgung von Soldatinnen und Soldaten in Auslandsverwendungen eine einzigartige, facettenreiche und sinnstiftende personennahe Dienstleistung dar. Sie erfordert eine ganzheitliche ärztliche Grundhaltung. Die Herstellung und Aufrechterhaltung einer tragfähigen und vertrauensvollen Beziehung zwischen LSO SKA und den ihm anvertrauten Soldatinnen und Soldaten sowie deren Vorgesetzten und Angehörigen gehört - primär aufgrund der räumlichen Distanz - zu den besonderen Herausforderungen. Neben guten allgemeinmedizinischen Fachkenntnissen und Erfahrung erfordert die Aufgabe nicht nur besondere Kenntnisse über das spezielle Krankheitsvorkommen und Möglichkeiten der medizinischen Versorgung im Ausland, sondern zudem auch die Auswirkungen besonderer Umwelteinflüsse und kultureller Gegebenheiten auf die Gesundheit der Soldatinnen und Soldaten. Die erfolgreiche Leistungserbringung hängt dabei entscheidend von einem engen Zusammenspiel und Ineinandergreifen aller Teilbereiche des Sanitätsdienstes und des Gesundheitswesens im In- und Ausland ab. muss im Falle einer tatsächlichen Giftübertragung die Behandlung mit Antivenin sichergestellt werden. Bei der Versorgung der einheimischen Soldaten zeigten sich immer wieder sexuell übertragbare Erkrankungen, wie Gonorrhoe. In wenigen Fällen wurde auch eine HIV-Infektion nachgewiesen, so dass eine Anbindung dieser Patienten an das malische HIV-Programm initiiert wurde. Im medizinischen Umfeld im Feldlager stellen Nadelstichverletzungen das bedeutendste HIV-Übertragungsrisiko bei im Vergleich zu Deutschland deutlich höherer HIV-Prävalenz unter den Einheimischen dar. Hier gehört die Risikobeurteilung, ggf. mit umgehender Einleitung postexpositioneller Maßnahmen, zu den infektiologischen Aufgaben. Aber auch präventivmedizinische Aspekte, wie etwa die Organisation der Versorgung der Truppe mit Präservativen, waren Teil der praktischen Probleme, mit denen man im Einsatz konfrontiert wurde. Der Erfahrungsbericht soll „aus der Praxis für die Praxis“, insbesondere den jungen Kolleginnen und Kollegen, ein Gefühl für die besonderen Herausforderungen der truppenärztlichen Tätigkeit im tropischen Umfeld zu vermitteln. Dies beinhaltet das Einfügen in ein multinationales Team und die enge Zusammenarbeit mit Labor und Gesundheitsaufseher sowie mit den malischen Kollegen zur Betreuung der einheimischen Soldaten der Mission. Kasuistiken Neurosarkoidose – das Chamäleon in der neuronalen Bildgebung Stabsarzt Dr. Benjamin Becker et al. Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz Herausforderungen der truppenärztlichen Tätigkeit im tropischen Umfeld am Beispiel Mali Oberstabsarzt Dr. Claudia Frey Bernhard-Nocht-Instituit / Bundeswehrkrankenhaus Hamburg Seit März 2013 beteiligt sich der Sanitätsdienst im Rahmen der European Union Training Mission (EUTM) Mali an einem Einsatz im tropischen Westafrika. Zur Sicherstellung der tropenmedizinischen Expertise im Einsatz wird der Dienstposten des Truppenarztes in der Sanitätseinrichtung von Koulikoro seither durch Ärzte mit Zusatzbezeichnung Tropenmedizin oder fortgeschrittener Weiterbildung in diesem Gebiet besetzt. Es wird über die persönlichen Erfahrungen als Truppenärztin in Koulikoro im Zeitraum vom Januar bis März 2014 berichtet. Zu den Herausforderungen in Koulikoro gehört das Management von hochfieberhaften Infektionskrankheiten, welches im tropischen Setting regelhaft den Ausschluss oder Nachweis einer Malaria durch Mikroskopie und Schnelltest erfordert. Das quantitativ größere Problem stellen jedoch die Diarrhoen dar, die insbesondere in der Regenzeit manifest werden. Diese machen in Anbetracht der Kasernierung auf engem Raum innerhalb eines Feldlagers nicht nur eine engmaschige medizinische Betreuung, sondern auch die konsequente hygienische Führung unabdingbar. Ein seltenes, aber potenziell schwerwiegendes Ereignis sind Schlangenbisse, überwiegend verursacht durch die Gemeine Sandrasselotter (Echis carinatus spp). Wenngleich es sich in etwa 50 % der Fälle um sogenannte „trockene Bisse“ handelt, Patientenvorstellung und Anamnese: Im Oktober 2013 stellte sich ein 24-jähriger Patient mit seit 8 Wochen bestehenden Hypästhesien der linken Extremität, Kraftlosigkeit sowie verminderter Feinmotorik und dem Verdacht auf eine Enzephalitis Disseminata, differentialdiagnostisch (DD) einem Lymphom mit ZNS-Befall vor. Im Rahmen der stationären Aufnahme erfolgte eine kontrastmittelunterstützte Magnet-Resonanz-Tomografie (MRT) der Neuroachse. Untersuchungsprotokoll: Mittels 3T-Hochfeldgerät (Skyra®, Siemens Medical, München) wurden multiplanare 2D-Sequenzen mit verschiedener Wichtung (T1w, T2w), 3D-Sequenzen (mprage T1w), Diffusionssequenzen sowie kontrastmittelunterstützte T1w-Sequenzen mit anschließender Subtraktion der Neuroachse akquiriert. Auffallend war hier eine bihippocampale Signalstörung im Sinne einer ödematösen Volumenzunahme in der T2w mit kräftigem KM-Enhancement in der T1w-Subtraktion, jedoch ohne abgrenzbare akute Diffusionsstörung. In ähnlicher Weise sind große Anteile des zervikalen Myelons betroffen. In den, im Rahmen der BWS-Darstellung akquirierten coronalen Sequenzen mit großem Sichtfeld (T2 TIRM) kommt eine kräftige bihiläre sowie mediastinale Lymphadenopathie zur Darstellung. In der im Verlauf angeschlossenen PET-CT-Untersuchung zeigt sich in den Fusionssequenzen ein deutlich gesteigerter Metabolismus der besagten Lymphknoten in diesem Bereich. Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 378 Kongressberichte Somit erfolgte die Diagnosestellung im Sinne einer Sarkoidose Stadium I mit ZNS-Beteiligung. Es wurde eine hochdosierte intravenöse Kortikosteroidtherapie (Methylprednison) eingeleitet, die im Verlauf auf eine orale Therapie umgestellt wurde. Im mittelfristigen Verlauf konnte eine fast vollständige Beschwerdefrei erreicht werden. Nach 6 Monaten lag eine vollständige Beschwerdefreiheit vor. In den hier akquirierten Bildgebungsprotokollen findet sich eine Restitutio ad integrum der hippocampalen sowie der myelopathischen Läsionen. Zusammenfassung: Der dargestellte Fall zeigt eine der mannigfaltigen Präsentationsformen der Neurosarkoidose in der MRT. Die Arbeitsdiagnosestellung gelang eher zufällig durch die Detektion der, in der primären MR-Bildgebung miterfassten Lymphadenopathie. Eine differentialdiagnostische Unterscheidung zu einem Lymphom gelingt nur histologisch. Drittgradig offene Luxationsfraktur der Halswirbel säule mit einseitiger traumatischer Dissektion der Ar teria vertebralis und unvollständiger Tetraplegie Oberstabsarzt Dr. Dan Bieler et al. Primäre MR-Diagnostik im 3T-MRT (Bildquelle: Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz) ZNS-Manifestationen der Sarkoidose: Die Sarkoidose ist eine ideopathische Systemerkrankung, die üblicherweise junge Erwachsene betrifft. Typisch sind nicht-verkäsende granulomatöse Veränderungen. Bei 10 % der systemischen Manifestationen können neuronale Beteiligungen bildmorphologisch nachgewiesen werden, wobei nur 5 % symptomatisch werden. Isolierter Befall des ZNS wird in der Literatur mit nur ca. 1 % angegeben. Typischerweise findet sich MR-morphologisch eine Verdickung sowie eine Kontrastmiuttelanreicherung der Meningen. Neurosarkoidose kann jedoch auch als parenchymatöse Raumforderung analog dem hier präsentierten Fallbeispiel – imponieren und von einem malignen Geschehen rein radiologisch nicht zu differenzieren sein. Insgesamt ließen sich die Fall-assoziierten Hypästhesien sowie die anderen o. g. Symptome gut mit den myelopathischen Veränderungen korrelieren. Eine klinische Entsprechung der hippocampalen Läsionen fand sich nicht. In der Literatur werden ca. 20 % der neurosarkoidalen MR-Manifestationen als primär asymptomatisch beschrieben. Die Therapie der Wahl ist eine individuell angepasste Behandlung mit Glucokortikoiden i.V.- sowie oral. Das Ansprechen metabolisch aktiver und symptomatischer neuronaler Veränderungen ist mit ca. 25 % schlecht. Diagnosesicherung und klinischer Verlauf: Zur Diagnosesicherung wurden multiple laborchemische Untersuchungen (ACE, Neopterin, Lysozym, IL-2-Rezeptor, Quantiferon®-Test, etc.) sowie ein ausführliches Bildgebungsprotokoll angeschlossen (PET-CT, CT-Thorax). Neben einer Knochenmarksbiopsie zum Ausschluss einer lymphatischen Genese, erfolgte eine stanzbioptische Probeexzision aus den mesenterialen Lymphknotenpaketen. Hier fanden sich typische nicht-verkäsende granulomatöse Veränderungen. Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz Einleitung: Primär überlebte offene Verletzungen der Halswirbelsäule sind extrem seltene Traumaentitäten; es finden sich hierzu nur vereinzelte Vorstellungen in der Literatur und dann in der Regel als Folge einer Schussverletzung. Kasuistik: Wir berichten über einen Fall einer drittgradig offenen Luxationsfraktur HWK6/7 mit initial kompletter Paraplegie, die sich eine 31-jährige Frau bei einem Verkehrsunfall im Sinne einer Hochrasanzverletzung zugezogen hatte. Bei der notärztlichen Erstversorgung vor Ort bestand ein Glasgow Coma Scale (GCS) von 15 bei kompletter Tetraplegie sub C6 in Verbindung mit einer stark blutenden großen Wunde an der linken Halsseite und einer zusätzlichen körperfernen Unterschenkelfraktur Instabile Luxationsfraktur HWK 6 / 7 (Bidquelle: Bundeswehr zentralkrankenhaus Koblenz) Kongressberichte rechts. Nach C-Spine-Protektion, Intubation und Tamponade der Wunde erfolgte der luftgebundene Transport in die Zielklinik. Hier wurde im Rahmen der Schockraumversorgung nach Polytrauma-Spiral- und Angio-CT als führende Diagnose eine instabile Luxationsfraktur des Segmentes HWK6/7 mit linksseitiger Zerreißung der Gelenksfacette und traumatischer Dissektion der linksseitigen A. vertebralis festgestellt, wobei eine retrograde Füllung über die A. basilaris bis zur Läsion bestand. Daneben lag eine geschlossene, distale Unterschenkelfraktur rechts vor. Die Verletzte wurde sofort notfallmäßig operativ versorgt. Ursache der Blutung war eine Zerreißung der linksseitigen Vena iugularis interna, die Rißwunde hatte auch den Muskelbauch des Sternocleidomastoideus vollständig durchtrennt. Die linksseitige A. carotis war unverletzt, ebenso die Ansa cervicalis und die Nn. vagus und phrenicus. Im instabilen HWS-Segment konnte nach der Reposition und Exploration die linksseitige A. vertebralis ohne Zeichen einer äußerlichen Verletzung ventral freiliegend vorgefunden werden. Die große Halsvene wurde ligiert, die operative Stabilisierung der HWS erfolgte als ventrale monosegmentale Repositionsspondylodese nach Bandscheibenexstirpation mit autologem Beckenspan und HWS-Platte. Postoperativ konnte bei suffizienter Spontanatmung eine Besserung der neurologischen Ausfallsymptomatik festgestellt werden mit Rückkehr einer linksseitigen 2/5- und rechtsseitigen 3/5-Fingermotorik; es bestand ein Horner-Syndrom. Bei der Dopplersonographie der Vertebralarterien wurde eine normale Fließgeschwindigkeit in V3/4 links gesehen, der Befund vereinbar mit einer relevanten Stenose. Am zweiten postoperativen Tag wurde die Patientin in ein Querschnittszentrum verlegt, wo sich eine dreimonatige neurotraumatologische Rehabilitation anschloss sowie die noch ausstehende Osteosynthese am rechten OSG. Beim dortigen Behandlungsabschluss war die Verletzte am Rollator auf längeren Strecken mobil. Schlussfolgerung: An Hand dieses Fallbeispieles konnte die erfolgreiche Behandlung einer primär lebensbedrohlichen, offenen Verletzung der HWS mit Tetraplegie sowie die Besserung der neurologischen Defizite auf Grund einer sofortigen chirurgischen Intervention dargestellt werden. Berstungsbruch des LWK 4 nach Bauchdurchschuss mit inkompletter Paraplegie Oberstabsarzt Dr. Dan Bieler et al. Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz Einleitung: Offene Frakturen im Bereich der LWS gehören zu den seltenen Traumaentitäten im deutschsprachigen Raum. Sie werden in der Regel durch Schussverletzungen verursacht. Der Algorithmus dieser speziellen Verletzung unterscheidet sich vom gewohnten wirbeltraumatologischen Vorgehen, da die penetrierende Mitbeteiligung des Körperstammes initial im Sinne der primär lebensbedrohlichen Komponente die höhere Behandlungspriorität aufweist. Im Weiteren ist die obligate und schwere Kontamination des Wundgebietes, insbesondere nach Perforation eines Hohlorgans, bei der chirurgischen Versorgung zu berücksichtigen. Sie verzögert den Zeitpunkt der definitiven wirbelchirurgischen Versorgung erheblich. 379 Links: Versorgung der LWK 4-Trümmerfraktur mittels Fixateur interne und Wirbelkörperersatz Rechts: Nach Revisionsoperation (Implantation eines expandierbaren Wirbelkörperersatzes, Implantation Fixateur interne, PMMA Ketteneinlage) (Bidquelle: Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz) Kasuistik: Wir berichten über den Fall eines 31-jährigen Mannes mit Schussverletzungen im Rücken und am rechten Oberarm. Dabei kam es zu einem drittgradig offenem Berstungsbruch des LWK 4 mit kompletter Paraplegie sub L3/4 und Ausschuss durch das Abdomen sowie einem drittgradig offenem Defekttrümmmerbruch des rechten Humerusschaftes mit initial vollständiger Radialisparese. Die medizinische Erstversorgung einschließlich Notfalloperation erfolgte im Heimatland. Gemäß der spärlichen Aktenlage wurde eine explorierende Laparotomie durchgeführt. An der LWS erfolgten die Dekompression und das Debridement des LWK 4 sowie die Implantation eines von dorsal eingebrachten Wirbelersatzkörpers und eines übergreifender Fixateur interne. Anschließend erfolgte auf Veranlassung des Auswärtigen Amtes die Verlegung zur definitiven Therapie in das Bundeswehrzentralkrankenhaus (BwZKrhs). Bei Aufnahme bot sich klinisch eine schlaffe Paraparese sub L4, sowie eine Fallhand rechts. Mikrobiologisch zeigte sich eine ubiqitäre Kontamination mit 3- und 4-MRGN-Keimen mit Isolationspflicht. Im Verlauf erfolgte zunächst eine Relaparotomie bei Ileus und einem Infekt eines Retroperitonealhämatomes mit komplikationslosem weiteren Verlauf. Bezüglich der LWS zeigte sich radiologisch eine Demontage des Fixateur interne in situ und eine Dislokation des Cages nach dorsal als Ausdruck der komplexen Instabilität. Nach sicherem Infektausschluss seitens der LWS erfolgte die operative Revision mit vollständiger Implantatentfernung, subtotaler Corporektomie LWK 4, Einsetzen eines neuen expandierbaren WK-Ersatzes und Anlage einer neuen dorsalen Instrumentation von LWK 3 auf LWK 5. Intraoperativ konnten rechtsseitig die Spinalnerven L 3 bis 5 sicher im großen Defekt gesehen und geschont werden, linksseitig waren die Pendants nicht mehr vorhanden. Als antimikrobiell wirksamer Platzhalter wurden 2 Gentamycin-PMMA-Ketten in die Defekthöhle dorsal eingebracht. Es folgte im Verlauf die definitve Versorgung des Schussbruches am Humerus. Der Verletzte wurde zur weiteren, speziell neurotraumatologischen Rehabilitation in eine Querschnittsabteilung verlegt. Zu diesem Zeitpunkt bestand wieder eine Kontrolle für Miktion und Defäkation bei wieder eingetretenem Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 380 Kongressberichte Sphinctertonus sowie eine Besserung der linksseitigen Lähmungserscheinungen. Schlussfolgerung: Der hier vorgestellte Fall gibt einen Überblick über den modifizierten therapeutischen Algorithmus nach Schussbruch der Wirbelsäule mit penetrierender Höhlenverletzung sowie zusätzlichem, schweren Extremitätentrauma. Zudem kann der hohe personelle und logistische Aufwand bei schwerwiegender Kontamination mit multiresistenten, gramnegativen Keimen exemplarisch aufgezeigt werden. Interdisziplinäre Versorgung eines Kindes mit hoher Querschnittslähmung im TraumaNetzwerk (TNW) Oberfeldarzt Dr. Sebastian Hentsch et al. Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz Casus: Der 12-jährige Patient verunfallte am Abend beim BMX-Fahren in ländlicher Region. Er wies bei Eintreffen des Rettungsdienstes eine Tetraplegie und Ausfall der Eigenatmung auf. Nach Intubation und landgebundenem Transport in das überregionale Traumazentrum (Eintreffen 21:45h) zeigte sich bei der klinischen Untersuchung folgender Befund: Pupillen bds. eng und lichtreagibel ohne Herdblick; Cornealreflexe bds.vorhanden; keine Hämato/Liquorrhoe, keine Reaktion auf Schmerzreize, Muskeleigenreflexe erloschen, kein Sphinktertonus, Priapismus. Nach „primary survey“ nach ATLS-Schema erfolgte die radiologische Notfalldiagnostik mittels Angio-CT und MRT des Schädels und der HWS. Die Durchführung der gesamten bildgebenden Diagnostik wurde mit der Kinderneurotraumatologie St. Augustin telefonisch abgestimmt und eine Verlegung nach Bildgebung vereinbart. Es wurde eine instabile Fraktursituation HWK 3/4 mit Myelonkontusion, intramedullärer Einblutung sowie ausgedehntem Hämatom von C1 bis C5 reichend nachgewiesen. Weitere Verletzungen wurden klinisch ausgeschlossen. Parallel erfolgten Konsilar-untersuchungen der HNO, MKG und Neurochirurgie. Um 23:11h erfolgte die Verlegung des kleinen Patienten mittels SAR-Hubschrauber der Bundeswehr. In der Klinik St. Augustin erfolgten zusätzlich präoperativ elektrophysiologische Untersuchungen, in denen ein vollständiger Ausfall der SSEP-Reizantworten für Medianus und Tibialis (bei pathologischen, jedoch erhaltenen Reizantworten der MEP-Ableitungen für M. triceps brachii bds., M. pollicis brevis bds. sowie M. gastrocnemius und M. abductor hallucis bds.) festgestellt wurde. Eine Spontanatmung am Gerät wurde weiterhin nicht gesehen. Nach Abschluss der Diagnostik wurde eine dorsale Instrumentation mittels Fixateur interne C2 auf C5, Duraerweiterungsplastik mit Laminektomie C3 und C4 durchgeführt. Intraoperativ war keine Strukturunterbrechung des Myelons erkennbar. Im weiteren Verlauf erfolgten eine ventrale Fusion C2/C5 (winkelstabile Platte, Beckenspaninterponat) sowie die Anlagen von PEG, Tracheostoma und suprabubischen Blasenkatheter. Ergebnis: Acht Monate nach dem Unfall ist der Patient aktuell spontanatmend und bewegt die Schulter. Er ist in den Rollstuhl mobilisiert. Nach einem initialen psychologischem Tief zeigt er sich 9 Monate nach dem Unfall sehr gut motiviert und stimmungsstabil. Zusammenfassung: Durch die Strukturen im TNW können im Falle schwerverletzter Kinder und Jugendlicher interdisziplinäre Notfallbehandlungen und Patiententransfers schnell und koordiniert durchgeführt werden. Im vorgestellten Fall einer hohen Querschnittsverletzung eines 12-jährigen Jungen erfolgte die komplette Bildgebung mittels CT, Angio und MRT im Rahmen des nächtlichen Schockraummanagements im überregionalen Traumazentrum in Absprache mit der pädiatrischen Spezialklinik. Nach durchgeführter bildgebender Diagnostik inklusive Konsiliaruntersuchungen konnte die Verlegung in das pädiatrische Akutkrankenhaus nach 1,5 Stunden durchgeführt und somit eine Weiterführung der spezialisierten Therapie zeitnah ermöglicht werden. Zahnmedizin Reproduzierbarkeit mikrobiologischer Diagnostik mit zwei unterschiedlichen Gensondentests bei schweren Parodontitisformen Stabsarzt d. R. Dr. Madline P Gund et al. Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz Versorgung der instabilen HWK ¾ von ventral und dorsal (Bildquelle: Asklepios Kinderklinik Sankt Augustin) Zum Zeitpunkt der Verlegung in die neurologische Frührehabilitation (4 Wochen post Trauma) wurde der Patient orthesenfrei behandelt. Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 Einleitung/Fragestellung: Gensondentests dienen in der Parodontologie dem Nachweis parodontalpathogener Bakterien. Sie werden unter anderem dazu eingesetzt, um eine geeignete, begleitende Antibiotikatherapie zur antiinfektiösen nichtchirurgischen Parodontaltherapie auszuwählen. Ziel dieser Studie war der klinische Vergleich zweier mikrobiologischer Testverfahren: RNA-Sonde (IAI PadoTest 4-5, Institut für angewandte Immunologie, Zuchwil, CH) und DNA-Sonde (mikro IDent Plus, Hain Lifescience) mit Analyse in der Abt XIII Pathologie des Bundeswehrzentralkrankenhauses (BwZKrhs) Koblenz. Kongressberichte Methodik: Bei 66 von Truppenzahnärzten überwiesenen Patienten mit Rezidiven schwerer entzündlicher Parodontalerkrankungen und Sondiertiefen von über 6 mm wurden jeweils vier Teststellen mit Sondiertiefen >6 mm untersucht. Es wurden bei 55 Patienten jeweils zwei Proben mittels steriler Papierspitzen (ISO 35 für IAI PadoTest 4 - 5 und ISO 50 für MikroIDent Plus), die für 10 Sekunden (s), sowie bei elf Patienten für 20 s in den Zahnfleischtaschen zeitgleich inseriert wurden, gewonnen. Überprüft wurde eine Übereinstimmung hinsichtlich der Keime Aggregatibacter actinomycetemcomitans (Aa), Porphyromonas gingivalis (Pg), Tannerella forsythia (Tf) und Treponema denticola (Td). Bei 20 Patienten erfolgten zur DNA-Sonden Untersuchung Probenentnahmen für 10 und 20 s mittels unterschiedlicher Papierspitzengröße (ISO 35 und ISO 50). Alle Proben wurden vor der Parodontitistherapie gewonnen. Zusätzlich erfolgte hierbei der Nachweis von Prevotella intermedia (Pi), Parvimonas micra (Pm), Fusobacterium nucleatum (Fn), Campylobacter rectus (Cr), Eubacterium nodatum (En), Eikenella corrodens (Ec) und Capnocytophaga spc. (Cs). Ergebnisse: Das Durchschnittsalter der Patienten lag bei 45,7±9,6 Jahren. Die durchschnittliche Tiefe der mikrobiologisch untersuchten Zahnfleischtaschen betrug 7,25±1,21 mm. Es ergaben sich folgende Übereinstimmungen für die 4 untersuchten Bakterien bei den verschiedenen Testverfahren: Aa 70 %, Pg 76 %, Tf 83 % und Td 85 %. Die Nachweishäufigkeiten bei DNA-Sonden Einsatz war durch die Gewinnung der Plaqueproben über 20 s und mittels Papierspitzen ISO 50 erhöht. Menge der untersuchten Bakterien (106) je gepoolter Probe aus jeweils 4 paradontalen Taschen Diskussion/Schlussfolgerungen: Die Betrachtung der Ergebnisse zweier Gensondentests zeigte eine gute Übereinstimmung der Befunde für Aa, Pg, Tf und Td. Dennoch scheint eine vorsichtige Interpretation der Ergebnisse auf Grund von erkennbaren minimalen Unterschieden unter Berücksichtigung der klinischen Befunde, Medikamentenanamnese und früherer Empfindlichkeitsreaktionen/unerwünschter Arzneimittelreaktionen auf Antibiotika angeraten zu sein. Die Gewinnung der Plaqueproben bei den von uns verwendeten DNA-Sonden mittels Papierspitzen ISO 50 sowie über einen Zeitraum von 20 Sekunden scheint von Vorteil zu sein. Die Anwendung unterschiedlicher Gensondentests bei therapierefraktären Parodontitisfällen und Rezidiven ergibt zusätzliche therapieentscheidende Ergebnisse. Aufgrund der relativ niedrigen Nachweishäufigkeiten von Aa mit 15 - 38 % in unserem Patientenkollektiv ist eine mikrobiologische Routinediagnostik, die eine adjuvante risikoorientierte 381 systemische Antibioseauswahl ermöglicht, empfehlenswert. Weitere Untersuchungen zur Evaluation einer optimierten mikrobiologischen Routinediagnostik bei Parodontalerkrankungen sind notwendig. Chairside MMP-8 Messungen mittels Speichelprobe bei Soldaten mit leichten und schweren Parodontaler krankungen Stabsarzt d. R. Dr. Madline P Gund et al. Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz Einleitung: Zur Diagnose einer Parodontitis und Periimplantitis werden die klinischen Parameter Bluten nach Sondieren (BnS) und Sondiertiefen in Verbindung mit einer röntgenologischen Verlaufskontrolle herangezogen. Zahlreiche Studien beschreiben eine Dominanz von gramnegativen anaeroben Bakterien, die eine proinflammatorische Wirtsantwort auslösen. Mediatoren stimulieren z. B. Fibroblasten zur Produktion von Prostaglandinen (PGE-2) und aktivieren Collagenase-2 / Metallomatrixproteinasen (aMMP-8), die zu einem Abbau von Alveolarknochen führen (Mantylä et al 2003). In Abhängigkeit von verschiedenen Risikofaktoren (z. B. allgemeiner Gesundheitszustand, Rauchen, hormonelle Veränderung, Stress, Diabetes) kann es zu einer chronischen Überreaktion kommen. Der Schnelltest (aMMP-8 RAPID TEST KIT, dentognostics GmbH, Jena) ist ein Lateral-Flow-Immunoassay-Verfahren für die Untersuchung von Mundspülproben zum Nachweis der Kollagenase mit einer Nachweisgrenze von 1mg/l MMP-8. Der Schnelltest wird vor oder nach der zahnärztlichen Untersuchung oder sogar zuhause im Badezimmer innerhalb von weniger als zehn Minuten auf der Basis einer Speicheluntersuchung, die die gingivale Sulcusflüssigkeit enthält, schmerzfrei durchgeführt. Ziel der Untersuchung war es, bei Patienten mit mindestens 20 Zähnen die Ergebnisse des aMMP-Schnelltests mit klinischen Untersuchungsergebnissen zur parodontalen Entzündungsreaktion und parodontalen Diagnose zu vergleichen. Material und Methoden: 31 erwachsene Patienten (Alter: 38,0 ± 13,0 Jahre), die aufgrund einer parodontalen Fragestellung im Mai und Juni 2014 an die Abt VIIA des BwZKrhs Koblenz überwiesen wurden, konnten klinisch parodontal untersucht werden. BnS wurde an sechs Flächen je Zahn dokumentiert. Die Untersuchungen erfolgten durch zwei kalibrierte Untersucher. Patienten mit (1) Pusaustritt aus parodontalen Taschen, (2) Parodontalbehandlung im Laufe der letzten sechs Wochen, (3) Antibiotikaprophylaxe aufgrund allgemeinmedizinischer Gründe oder (4) Antiphlogistikaeinnahmen, wurden ausgeschlossen. Es wurden 3 Patientengruppen unterschieden: Gruppe G: 10 Patienten mit Gingivitis (BnS >10 %) oder minimaler parodontaler Erkrankung (maximal vier Zähne mit Sondiertiefen >3,5 und ≤5,5 mm). Gruppe LP: 10 Patienten mit leichter bis moderater Parodontitis (maximal vier Zähne mit Sondiertiefen >5,5 mm) und Gruppe SP: 11 Patienten mit schwerer Parodontitis (Sondiertiefen ≥6 mm an mehr als vier Zähnen). Die Mundspülproben wurden frühestens 30 Minuten nach Nahrungsaufnahme, Zähneputzen oder Kaugummikauen gewonnen. Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 382 Kongressberichte Ergebnisse: Bei 11/31 Patienten konnte ein positives aMMP Ergebnis festgestellt werden (Gruppe G: 20 %, Gruppe LP: 50 %, Gruppe SP: 36 %). Raucher (2/11) und Patienten mit Übergewicht / BMI ≥25 (8/18) wiesen keine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit eines positiven aMMP Ergebnisses auf. 9 der 11 aMMP positiven Patienten hatten eine behandlungsbedürftige Parodontitis. Bei jeweils 3 der Patienten mit BnS <10 % sowie BnS 10 - 25 % und 42 % der Patienten mit BnS>25 % wurde ein positives Te stergebnis gefunden. Diskussion und Schlussfolgerungen: Für Patienten sichtbare klinische Zeichen einer Parodontitis sind irreversible Schäden an Zahnfleisch, Kieferknochen und Lockerungen der Zähne. Ein Anzeichen für aktive Entzündungsprozesse im Zahnhalteapparat ist eine erhöhte aMMP-8-Konzentration. Durch eine konsequente Infektionskontrolle mit Biofilmentfernung und weiteren antientzündlichen Maßnahmen wird auch die aMMP reduziert. Ein positives aMMP-Spültest-Ergebnis zeigt eine gerade begonnene Enzymaktivität und ein erhöhtes parodontales Risiko an. Negative Testergebnisse können mit kollagenolytischer Inaktivität zum Untersuchungszeitpunkt erklärt werden. Die 36 %ige Übereinstimmung eines positiven aMMP-Schnelltests aus einer Speichelprobe mit dem klinischen Befund einer behandlungsbedürftigen schweren Parodontitis ersetzt keine zahnärztliche parodontale Kontrolluntersuchung. Wehrpharmazie Untersuchungen zur Stabilität von applikationsferti gen Notfallarzneimitteln Oberstabsapotheker Dr. Plössl et al. Sanitätsakademie der Bundeswehr, München Einleitung: In der Notfallmedizin kommen rasch wirksame, parenteral applizierbare Arzneimittel zur Anwendung, die aufgrund fehlender Konservierung und begrenzter chemischer Stabilität nach erfolgter Rekonstitution nur für einen kurzen Zeitraum haltbar sind. Gleichwohl ist die Herstellung eines Vorrates applikationsfertiger Notfallarzneimittel von wirtschaftlicher Bedeutung und stellt einen relevanten Zeitgewinn dar. Mit diesem Ziel bietet die Apotheke des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg (BwKrhs HH) den Service an, häufig verwendete Notfallarzneimittel zentral in applikationsfertigen Verdünnungen, sog. „Notfallsets“, herzustellen. Diese Arzneimittel besitzen rechtlich den Status einer Defektur, deren Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit für die festgelegte Haltbarkeit zu gewährleisten ist. Eine Abschätzung der Haltbarkeit ist jedoch nur schwer möglich, da aussagekräftige Studien zur Stabilität von Wirkstoffen in rekonstituierten bzw. verdünnten Arzneimitteln nicht vorliegen. Ziel der vorliegenden Arbeit war es deshalb eine schnelle Untersuchungsmethode auf Basis der Ultra High Pressure Liquid Chromatography (UHPLC) mit universeller Charged-Aerosol-Detektion (CAD) zu entwickeln, die Qualität bzw. Stabilität dieser Notfallsets zu untersuchen und eine Empfehlung für die maximale Haltbarkeit zu erarbeiten. Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 Methode: In Voruntersuchungen wurden zunächst für ausgewählte Arzneistoffe wie Atropin, Epinephrin, Cafedrin, Thiopental-Natrium (Na), Ketamin, Suxamethonium und Prednisolon theoretische Betrachtungen zur Analytik und Stabilität sowie orientierende Stabilitätsuntersuchungen durchgeführt. Ausgehend von diesen Betrachtungen wurden in Abstimmung mit der Apotheke des BwKrhs HH Notfallsets hergestellt und über einen Zeitraum von 25 Tagen bei 2 - 8 °C (Kühlschrank), bei 20 °C (Raumtemperatur) sowie bei 30 °C/60 % relativer Luftfeuchtigkeit (rLF) gelagert. Die Arzneistoffe und deren Abbauprodukte wurden mit Hilfe speziell für diesen Zweck entwickelter und validierter UHPLC-Methoden in den zu definierten Zeitpunkten entnommenen Proben quantifiziert. Zur Analytik wurde neben der klassischen UV/VIS-Detektion (DAD) das CAD-Verfahren mit inversen Gradienten, das strukturunabhängig und hoch sensitiv Arznei- und Hilfsstoffe detektieren kann, eingesetzt. Ergebnisse: Für die in dieser Studie betrachtete Gruppe an Notfallarzneimitteln wurde ein Toleranzbereich des Wirkstoffgehalts über die Lagerzeit von 95 - 105 % zu Grunde gelegt. Unter Berücksichtigung der Messunsicherheiten konnte in dieser Untersuchung gezeigt werden, dass sich die Wirkstoffgehalte der Arzneistoffe Atropin, Epinephrin, Cafedrin, Theodrenalin, Ketamin, Midazolam, Clemastin und Suxamethonium bei allen gewählten Lagerungsbedingungen über einen Zeitraum von 25 Tagen im Toleranzbereich von ± 5 % befinden. Demgegenüber kam es bei Thiopental-Na bei einer Lagerungstemperatur von 30 °C/ 60 % rLF nach fünf Tagen zu einem Abbau des Wirkstoffes und einer Abnahme des Wirkstoffgehalts unter 90 %. Weiterhin zeigte die Studie eine verminderte Stabilität von Prednisolon-21-hydrogensuccinat. Bereits nach einer Lagerzeit von zwei Tagen sinken die Wirkstoffgehalte unter 95 % gefolgt von einer vollständigen Hydrolyse bis hin zum Auskristallisieren der Prednisolonbase und hohem thromboembolischen Risiko. Diskussion: In Kooperation mit der Apotheke des BwKrhs HH wurde erstmals die Stabilität applikationsfertiger „Notfallsets“ über einen Zeitraum von 25 Tagen bei unterschiedlichen Lagerungstemperaturen untersucht. Die Ergebnisse zeigen einerseits für einen Großteil der Arzneimittel nur unwesentliche Veränderung der Wirkstoffgehalte, andererseits bestätigen die Daten die Notwendigkeit zur Festlegung definierter Haltbarkeiten. An den beiden Substanzen Thiopental-Na und Prednisolon konnte eindrucksvoll unterstrichen werden, dass die Ermittlung substanzspezifischer Stabilitätsdaten unter Realbedingungen unerlässlich ist. Analytische Abschätzung der Haltbarkeit des neu ein geführten Hautdekontaminations-mittels Reactive Skin Decontamination Lotion® Oberfeldapother Dr. Reinhard Bogan et al. Zentrales Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, München Einleitung: Für die Zulassung von Arzneimitteln sind Stabilitätsstudien regulatorisch vorgeschrieben, während zur Zertifizierung von Medizinprodukten Stabilitätsdaten nicht in jedem Fall zwin- Kongressberichte gend zu erheben sind. Die Bundeswehr bevorratet Medizinprodukte über lange Zeiträume und wendet diese in allen Klimazonen an. Die Stabilität ist daher ein wesentlicher Sicherheitsaspekt. In dieser Arbeit wird die analytische Abschätzung der Haltbarkeit des neuen Hautdekontaminationsmittels „Reactive Skin Decontamination Lotion (RSDL®)“ beschrieben. Hierbei handelt es sich um ein Klasse IIa Medizinprodukt mit CE-Zertifizierung für den europäischen Markt, das bereits im Einsatz Verwendung findet. Methode: RSDL® enthält in einer firmenrechtlich geschützten Formulierung als wirksames Prinzip 2,3-Butandionmonoxim (=Diacetylmonooxim, DAM) zur Dekontamination von chemischen Kampfstoffen und toxischen Industriechemikalien. RSDL® wurde bis zu vier Monate bei 40 °C, 53 °C und 70 °C gelagert. Der Gehalt an DAM, dem Abbauprodukt Dimethylglyoxim (DMG) und einem bis dato unbekannten Abbauprodukt wurde mittels Hochdruckflüssigkeitschromatographie (HPLC) mit UV-Detektion (DAD) bestimmt. Mit den erhaltenen Konzentrations-Zeit-Kurven wurde die Abbaukinetik bestimmt und die temperaturabhängigen Geschwindigkeitskonstanten nach Arrhenius berechnet. Diese Geschwindigkeitskonstanten wurden anschließend genutzt, um die Haltbarkeit von RSDL® im weltweiten Einsatz der Bundeswehr abzuschätzen. Ergebnisse: Der Abbau von DAM folgte einer Kinetik 1. Ordnung. Die Bildung von DMG und des unbekannten Abbauproduktes kann am besten mit einer Kinetik 0. Ordnung beschrieben werden. Auf Basis eines akzeptablen DAM-Gehaltes von 90 % (m/m) erwies sich RSDL® bei den herstellerseitig empfohlenen Lagerungsbedingungen von 15 °C bis 30 °C über mehrere Jahre als stabil. Die berechnete Haltbarkeit bei 15 °C beträgt 38,3 Jahre, bei 30 °C 7,6 Jahre. Höhere Temperaturen führen zu einer deutlichen Verkürzung der Haltbarkeit. Für das Abbauprodukte DMG wurde ein auch herstellerseitig anerkannter Grenzwert von 0,1 % (m/m) berücksichtigt. Dieser Wert wird bei 15 °C nach 22,6 Jahren, bei 30 °C nach 5,0 Jahren erreicht. In beiden Fällen führen höhere Temperaturen, wie sie in Einsatzregionen auftreten können, zu einer deutlich verkürzten Haltbarkeit. Bei der Untersuchung trat zusätzlich ein unbekanntes Abbauprodukt auf. In Anlehnung an die für Arzneimittel anzuwendende Guideline der International Conference on Harmonization Q3B(R2) werden für unbekannte Abbauprodukte Grenzwerte von 0,05 % (Berichtsgrenze), 0,1 % (Identifizierungsgrenze) und 0,15 % (Qualifizierungsgrenze) vorgegeben. Bei Anwendung dieser für Arzneimittel gültigen Grenzwerte auf RSDL® errechnet sich der höchste Wert von 0,15 % bei 15 °C nach 1,0 Jahren und bei 30 °C nach 0,5 Jahren. Diskussion: Die Qualität von RSDL® wird für einen Gewährleistungszeitraum von 4,0 Jahren garantiert. Nach unseren Berechnungen wird der Gehalt des wirksamen Bestandteils DAM nicht unter einen akzeptablen Wert absinken, jedoch konnten für spezifizierte wie für unbekannte Abbauprodukte eine deutliche Limitierung der Haltbarkeit gezeigt werden. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer engmaschigen Untersuchung im Sinne einer risikoorientierten Qualitätsüberwachung von Arzneimit- 383 teln und Medizinprodukten, welche bevorratet und in Auslandseinsätzen angewendet werden. Therapie von Malariainfektionen in Einsatzgebieten der Bundeswehr – Untersuchungen zur Analytik und Stabilität von Artesunatzubereitungen Tassilo Vogel, B.Sc., et al. Zentrales Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, München Einleitung: Die neuen Einsatzgebiete der Bundeswehr, wie das zentralafrikanische Mali, bergen aufgrund ihrer geographischen Lage im „Malaria-Gürtel“ gesundheitliche Risiken durch eine Infektion mit Plasmodium falciparum. Insbesondere die Therapie der schweren Verlaufsformen der Malaria tropica stellt für die behandelnden Ärzte noch immer eine Herausforderung dar. Während früher zur Behandlung fulminanter Krankheitsverläufe Chinin als Goldstandard eingesetzt wurde, wird heute von der World Health Organization (WHO) die intravenöse bzw. intramuskuläre Applikation von Artesunat empfohlen. Artesunat ist ein vom Sesquiterpen Artemisinin abgeleiteter halbsynthetischer Ester mit verbesserter Bioverfügbarkeit aus dem einjährigen Beifuß Artemisia annua L. Der einjährige Beifuß, Artemisia Annua L. (siehe Foto), wird in der chinesischen Medizin seit Jahrhunderten zur Behandlung von Fieber eingesetzt . Das wirksame Prinzip wurde jedoch erst durch eine umfangreiche Studie von ca. 600 chinesischen Wissenschaftlern in der 1970er Jahren als Ergebnis des geheimen chinesischen Militärprojekts 523 entdeckt. Als wirksame sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe wurden die „Artemisinine“ entdeckt. Für die Behandlung von Malariainfektionen stehen inzwischen verschiedene Mono- und Kombinationspräparate für die „Artemisinin-based Combination Therapy“, kurz ACT, zur Verfügung, die jedoch in Deutschland derzeit nicht zugelassen sind. Ziel der vorliegenden Arbeit war deshalb die Charakterisierung und Optimierung des Lösungsverhaltens von Artesunat in wässrigen i. v. Zubereitungen für den Einsatz sowie die Entwicklung schneller und effizienter analytischer Methoden zur Überprüfung der Qualität und Stabilität der selbst hergestellten Artesunatzubereitung bzw. importierter Artesunatpräparate. Methode: Für die Qualitätskontrolle von Artesunatinjektionslösungen bieten sich moderne flüssigchromatographische Verfahren an. Artesima Annua L. (Bildquelle http:// westseedfarm.com/images/artemisiaan. jpg) Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 384 Kongressberichte UHPLC-Chromatogramm von DHA (1), ART (2) und AHD (3); A: CAD-Signale B: UV-Signale Da Artesunat nur über begrenzte chromophore Strukturelemente verfügt, wurde eine schnelle Ultra High Pressure Liquid Chromatography Methode (UHPLC) entwickelt. Die Detektion erfolgte mit Hilfe des sensitiven Charged-Aerosol-Detektionsystems (CAD) in Kopplung mit einem Diodenarray-Detektor (DAD). Die Grafik zeigt das Chromatogramm der Trennung von Artesunat (ART: Peak 2) und seiner Ab-bauprodukte Dihydroartemisinin (DHA: Peak 1) und Anhydrodihydroartemisnin (AHD: Peak 3), die sich durch Hydrolyse bilden. Auffallend ist der signifikante Unterschied in der Detektion zwischen dem UV- und dem CAD-Signal. Für die Vor-Ort-Analytik wurde zusätzliche eine dünnschichtchromatographische Methode etabliert, die zur Qualitätskontrolle im Einsatz genutzt werden kann. Initialer und zeitlimitierender Schritt zur Herstellung der applikationsfertigen Injektionslösung ist die Lösung der Artesunattrockensubstanz in einem geeigneten wässrigen Lösungsmittel. Die Zeit bis zur vollständigen Auflösung in verschiedenen Lösungsmitteln sowie die Osmolarität und die Stabilität der Zubereitungen über ein Zeitintervall von 280 Minuten wurden untersucht. Ergebnisse: Zur schnellen Untersuchung von Artesunatinjektionslösungen wurde eine leistungsfähige UHPLC-CAD-Methode mit einer Nachweisgrenze von 3,7 ng/µl bei einer Reststandardabweichung von 1,0 % validiert. Die flüssigchromatographische Bestimmung erlaubt innerhalb von 2 Minuten die simultane Bestimmung von Artesunat, Dihydroartemisinin, dem aktiven in vivo Metaboliten von Artesunat, sowie Anhydrodihydroartemisinin. Die WHO empfiehlt als Lösungsmittel für Artesunat eine 8,4 %ige Natriumbicarbonatlösung. Jedoch beträgt die Zeit bis zur vollständigen Auflösung länger als 10 Minuten (12 Minuten ± 1 Minute, n=3) und birgt das Problem der Kohlenstoffdioxidfreisetzung aus dem Lösungsmittel. Durch Verwendung eines 0,3 molaren Phosphatpuffers pH 8,4 konnte Artesunat wesentlich effektiver in 4 Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 Minuten ± 30 Sekunden in Lösung gebracht werden (n=3). Weiterhin befinden sich sowohl die Osmolarität als auch der pH-Wert der Artesunatphosphatlösung (268 mosmol kg-1, pH 7,6) wesentlich näher am physiologischen Bereich als die Artesunatbicarbonatlösung (523 mosmol kg-1, pH 8,3). Die Hydrolyse verläuft sowohl in der Bicarbonat- als auch in der Phosphatlösung ähnlich und gewährleistet eine Stabilität von 60 Minuten [3]. Die Stabilität der gepufferten Rezeptur wurde vergleichend über 280 Minuten bei 20 und 30 °C untersucht. Die Hydrolyse verläuft sowohl in der Bicarbonatals auch in der Phosphatlösung ähnlich und gewährleistet eine Stabilität von mindestens 60 Minuten im weltweiten Einsatz. Diskussion: Die ACT wird in Malariarisikogebieten im Rahmen von Auslandseinsätzen der Bundeswehr zukünftig eine wichtige Rolle spielen. Mit den gewonnenen Erkenntnissen kann die Herstellung der applikationsfertigen Injektionslösung bei verbesserter Patienten-verträglichkeit und ohne Stabilitätsverluste wesentlich beschleunigt werden. Die etablierte UHPLC-Methode bildet zukünftig zudem die Basis für die Qualitätskontrolle von Artesunatzubereitungen im weltweiten Einsatz der Bundeswehr. Der Beitrag wurde mit einem Posterpreis ausgezeichnet. Varia Tödliche Monotonie: Eingeschränkte Vigilanz im Ein satzgeschehen Oberfeldarzt Dr. Reinhard Stark Bundeswehrkrankenhaus Hamburg Hypersomnie (verstärkte Tagesschläfrigkeit) ist eine häufige Ursache für lebensgefährdende Fehlhandlungen. Triggerfaktoren sind: • Tätigkeiten mit Schlafentzug, • ausgeprägte klimatische Verhältnisse, • eingeschränkte Erholungsmöglichkeiten bei teilweise Dauerrufbereitschaft, • auftragsbedingte erhöhte Monotoniebelastung. Diesen belastenden Faktoren ist der Soldat im Einsatz einerseits verstärkt und teilweise unvorhersehbar ausgesetzt, andererseits wird gerade unter diesen Umständen von ihm gefordert, schnellst und lebensrettend tätig zu sein. Zusätzlich besteht im Einsatz die Gefahr, dass eine mögliche Neigung zu nicht erholsamen Schlaf exazerbiert: Der Hang zum Grübeln und damit zur Schlafstörung wird gefördert durch den fehlenden Austausch mit der Familie, neuen, teilweise nachhaltig belastenden Eindrücken des Tages und nicht vorhersagbaren Ereignisse des Folgetages. Diese Unausgeschlafenheit gefährdet das Leben der Kameraden und die Auftragserfüllung: Aus Datenerhebungen wird beispielsweise deutlich, dass Schläfrigkeit am Steuer die häufigste feststellbare und vermeidbare Ursache von Unfällen im Straßenverkehr ist: 25 % aller tödlichen Unfälle auf bayrischen Au- Kongressberichte tobahnen werden darauf zurückgeführt. Trotz Überwachung der Polizei mit Fahrtenschreiberkontrollen gaben 43 Prozent anonym befragter LKW-Fahrer an, innerhalb der letzten 12 Monate während des Fahrens eingenickt zu sein. 37 % der Piloten seien mindestens 1x ungewollt eingeschlafen. Das Gefährdungspotential des Hypersomnikers wurde seitens der Politik erkannt: Seit Juni 2007 ist Tagesschläfrigkeit Begutachtungspunkt in der Fahrerlaubnisverordnung, seit Mai 2014 Eigenkapitel in den zivilen Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung. Auch seitens der Bundeswehr bedarf es einer zunehmenden Sensibilisierung für diese Thematik. Ein erster Schritt wäre die Aufnahme einer Hypersomnieneigung in den militärärztlichen Untersuchungsbogen für „besondere Untersuchungen“. Eine wehrmedizinische Begutachtung auf erhöhte Tagesschläfrigkeit kann im Bedarfsfall in dem neurologischen Schlaflabor des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg erfolgen. Das Abdominaltrauma zwischen Tradition Moderne Flottillenarzt d. R. Dr. Thomas Keese-Röhrs et al. und Bundeswehrkrankenhaus Westerstede Seit mehr als 20 Jahren werden Sanitätssoldaten und -soldatinnen der Bundeswehr in zahlreichen humanitären Missionen eingesetzt. 2 % der Einsatzchirurgen sind freiwillig dienstleistende Reservisten. Die Intensität und Lokalisation von Verletzungen differiert stark mit der Art des militärischen Konfliktes, die von terroristischen Anschlägen über Guerilliataktiken bis zu konventionellen Kriegen reichen. Wenn auch die Häufigkeit des Abdominaltraumas als penetrierende lebensbedrohliche Verletzung in den letzten Jahren an Bedeutung verloren hat, so wurden immer noch 12 % aller Verletzten US Soldaten im Irak Krieg einer Damage Control Surgery (DCS) () unterzogen. Die Letalität des Abdominaltraumas Ursachenverteilung der Abdominalverletzungen im 2. Weltkrieg 385 beträgt gem. Joint Theatre Trauma Registry (JTTR) aktuell 45 %. Das Abdominaltrauma hatte in der Wehrmacht eine weit größere Bedeutung. So widmeten Bürkle de la Camp et al, zusammen mit den Behringwerken, umfangreiche Studien einem Peritonitis-Serum, um die Mortalität der Bauchschuss-Verletzung zu senken, die seinerzeit im 2. Weltkrieg über 69 % betrug. Am Beispiel des Truppenarztes Curt Emmrich, der in der „Unsichtbaren Flagge“ mit Erstversorgung und Rücktransport eines Offiziers scheitert, werden Behandlungsstrategie und Ergebnisqualität unter Wehrmedizinischen Aspekten damals und heute gegenübergestellt und u.a. gezeigt, dass die Letalität von 69 % im 2. Weltkrieg auf 45 % im Irakkrieg (2003) gesenkt werden konnte. Aus den Arbeitskreisen der DGWMP Der Arbeitskreis „Junge Saniätsoffiziere“ und der neu gegründete Arbeitskreis „Gesundheitsfachberufe“ erarbeiteten auf ihren Sitzungen Grundsatzpapiere, die bei den Mitteilungen aus der DGWMP weiter hinten in diesem Heft abgedruckt sind. Arbeitskreis Geschichte und Ethik der Wehrmedizin Oberfeldarzt Dr. André Müllerschön Sanitätskommando 4, Bogen Der 45. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. stand ganz im Zeichen des Jubiläums „150 Jahre Deutsche Militärärztliche Gesellschaften“ und der Verbindung von „Tradition & Innovation“, wie auch das Rahmenthema des Kongresses lautete, dessen Vorbereitung auch durch den Arbeitskreis unterstützt worden war. Mehrere Mitglieder wirkten an der Erstellung der Festschrift „150 Jahre Deutsche Militärärztliche Gesellschaften“ und an dem Nachdruck der Festschrift zum 50. Stiftungsfest der Berliner militärärztliche Gesellschaft mit. Darüber hinaus wurden fünf Plenumssitzungen durch historische Vorträge eingeleitet: Generalarzt a. D. Prof. Dr. Dr. Grunwald eröffnete den Veranstaltungsteil „Krankenhäuser 2025“ mit dem Vortrag „Die historische Entwicklung der Bundeswehrkrankenhäuser 19572014“. Flottenarzt Dr. Hartmann referierte in der Plenumssitzung „Innere Medizin 2025 – Bundeswehr und Partner“ zum Thema „Infektionskrankheiten und ihre Bekämpfung im Kontext der Kriege im 19. und 20. Jahrhundert“ und Flottenarzt Dr. Stork beleuchtete in der Sektion „OP-Saal 2025 – Die nächsten Entwicklungsschritte“ ein früher wie heute gleichermaßen bedeutsames Thema, die „Facetten einer Entwicklung – Unter dem Roten Kreuz von Marsla-Tour bis Masar al Sharif“. Am Samstag führte Oberfeldarzt Dr. Müllerschön in der Sitzung „Diagnostik heute für die Therapie von morgen“ mit einem Vortrag zur „Weiterentwicklung von diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen von Beginn des Ersten bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges am Beispiel der Radiologie und der Bluttransfusion“ in die Thematik ein. Oberfeldarzt Prof. Dr. Vollmuth blickte Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 386 Kongressberichte lung organisatorischer Strukturen ging der Referent auf die Kooperation der deutschen und türkischen Sanitätsdienste ein. Im nächsten Vortrag beleuchtete Oberstleutnant a. D. Dr. Franz-J. Lemmens (Leipzig) die deutsche Militärpsychiatrie und ging der Fragestellung nach, inwieweit sie im Ersten Weltkrieg instrumentalisiert wurde. Nach einem kurzen Rückblick auf die Psychiatrie vor 1914 beschrieb er das gehäufte Auftreten von psychischen Krankheitsbildern, vor allem bedingt durch den massiven Einsatz von Artillerie als Vorbereitung von Sturmangriffen, und skizzierte die verschiedenen Therapiekonzepte. Indes kam der Referent zu der Einschätzung, dass die abschließende Beantwortung der Frage nach der Instrumentalisierung der Militärpsychiatrie aktuell nicht eindeutig erfolgen kann. Oberfeldarzt Prof. Dr. Vollmuth resümierte in Durch Tränengas geblendete britische Soldaten, die außerhalb eines Hauptverbandplatz Anlehnung an diesen Vortrag, der den ersten nahe Bethune (Frankreich) auf Behandlung warten (Bildquelle: Mit freundlicher Themenblock beendete, dass das größte ethiGenehmigung des Imperial War Museum, London; Bildnummer Q 11586) sche Problemfeld zum deutschen Sanitätsdienst im Ersten Weltkrieg in dessen Vereinin der letzten Plenumssitzung des Kongresses zum Thema nahmung für die Bedürfnisse der Truppe zu „Klinische Forschung im Sanitätsdienst“ auf „150 Jahre sehen ist – im Mittelpunkt stand nicht das Wohl des einzelnen Deutsche Militärärztliche Gesellschaften und ihre Bedeutung Soldaten, sondern die Wiederherstellung der Kampfkraft, das für die wehrmedizinische Wissenschaft“ zurück. heißt ethische Fragestellungen und Probleme mussten meist Die eigentliche Sitzung des Arbeitskreises, zu der Oberfeldzurückstehen. Er leitete damit auf den zweiten Teil der Sitarzt Prof. Dr. Ralf Vollmuth mehr als 50 Teilnehmer begrüßen zung über, der von Oberstarzt d. R. Prof. Dr. Dr. Wolfgang G. konnte, fand am 12. September statt und begann mit dem ToLocher (LMU München), dem Beauftragten für den Bereich tengedenken für den ehemaligen Inspekteur des Sanitäts- und Ethik im AK, moderiert wurde. Er erläuterte zunächst die ZuGesundheitswesens der Bundeswehr, Generaloberstabsarzt nahme der ethischen Fragestellungen in allen Wissenschaftsa. D. Prof. Dr. Rebentisch, der am 3. Dezember 2013 im Alter bereichen und stellte die Verbindung von Medizin und „Sittvon 93 Jahren verstorben war, und den langjährigen Vorsitlichkeit“ als einen der aktuellen Megatrends im Gesundheitszenden des Arbeitskreises und ehemaligen Vizepräsidenten wesen vor. der DGWMP Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Heinz Goerke, der am Im ersten Vortrag dieses Themenkomplexes begab sich 16. Juni 2014 im 97. Lebensjahr verstarb. Oberstleutnant d. R. Christoph Schneider (LMU München) Anschließend trug Flottenarzt Dr. Hartmann (SanAkBw auf eine „punktuelle ethische Spurensuche“, indem er das München) zum Thema „Im Grabenkrieg – Sanitätsdienst zwipersönliche Kriegstagebuch des deutschen Militärarztes Dr. schen Caritas und Chaos“ vor. Sein Referat, in dem er zuAlfred Bauer aus dem Ersten Weltkrieg untersuchte. Er konnnächst die organisatorischen Strukturen des deutschen Sanite zeigen, dass sich Dr. Bauer trotz aller Widrigkeiten des tätsdienstes im Ersten Weltkrieg darstellte, war auch als EinKrieges persönlich nicht instrumentalisieren ließ und bis zuführung in den gesamten Themenblock zu sehen. Während letzt als „Anwalt der verwundeten Soldaten“ verstand. die durch die Eigentümlichkeiten des Ersten Weltkrieges beDr. Katja Kühlmeyer (LMU München) erläuterte anschliedingten neuartigen Verletzungsmuster (u. a. durch den Einßend die ethischen Probleme bei medikamentöser Prophylaxe satz von Giftgas) die Militärärzte vor neue Herausforderunvon posttraumatischen Belastungsstörungen. Ziel ist die Regen stellten, bereitete im Stellungskrieg die Bergung der Verduzierung emotionaler Symptome und nicht ein „Vergessen“ letzten aus den Gräben unter ständigem Beschuss den Krandes Ereignisses. Problematisch ist dabei besonders die Tatsakenträgern – der entscheidenden Komponente der che, dass Menschen zu „Schöpfern“ ihrer Erinnerungen werRettungskette – große Probleme. Wie riskant die Bergung den könnten. Zurzeit ist dieser Themenkomplex Gegenstand von Verletzten war, zeigt die Verlustrate der deutschen Saniverschiedener Forschungsprojekte. In der anschließenden täter: neben den bis zu 30 000 Verwundeten waren etwa Diskussion stellte Oberstarzt Privatdozent Dr. Zimmermann 10 000 Gefallene zu beklagen. klar, dass in der Wehrpsychiatrie der Bundeswehr aktuell keiDie sanitätsdienstliche Versorgung auf einem „Nebenkriegsne Medikamente zur Prophylaxe posttraumatischer Belasschauplatz“ stellte Oberstarzt a. D. Dr. Gerd Machalett (Sietungsstörungen zum Einsatz kommen. denbollentin) in seinem Vortrag „Die medizinische SicherAbschließend berichtete Oberstarzt Privatdozent Dr. Peter Zimstellung der deutschen Mittelmeerdivision“ im Anschluss mermann (BwKrhs Berlin) über den Zusammenhang zwischen dar; der Beitrag wird im kommenden Jahr in der Wehrmedipersönlicher Wertorientierung und psychischen Symptomatizinischen Monatsschrift veröffentlicht. Neben der Darstelken bei Einsatzsoldaten. Zu Beginn seines Vortrages gab er ei- Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 Kongressberichte 387 nen kurzen Überblick zum derzeitigen wehrpsychiatrischen Behandlungsschwerpunkt und zur Verteilung von psychischen Erkrankungen bei deutschen Soldaten. Dabei treten immer mehr Belastungsstörungen in den Vordergrund, die durch werteorientierte Konflikte hervorgerufen werden. Der Referent stellte eine im Jahre 2013 durchgeführte Testreihe an 200 Bundeswehrsoldaten kurz vor Ende ihres Einsatzes und die sich daraus ergebenden therapeutischen Ansätze vor. In seinem Schlusswort bedankte sich Oberfeldarzt Prof. Dr. Vollmuth bei allen Referenten und betonte, dass die gehaltenen Vorträge gezeigt haben, wie eng und untrennbar die Bereiche Geschichte und Ethik der Wehrmedizin miteinander verbunden sind. Arbeitskreis Veterinärmedizin Oberstveterinär Dr. Michael Nippgen Kommando Sanitätsdienst, Koblenz Auch innerhalb des Arbeitskreises Veterinärmedizin wurde das Motto des 45. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. „Tradition & Innovation“ nachhaltig in zwei historischen Vorträgen aus dem Militärveterinärwesen und zwei Vorträgen aus dem Bereich der aktuellen wehrveterinärmedizinischen Forschung abgebildet. Damit hat auch der zahlenmäßig kleinste approbationsbezogene Arbeitskreis seine militärhistorische Verankerung im Rahmen des Jubiläums „150 Jahre Deutsche Militärärztliche Gesellschaften“ aufgezeigt. In der Begrüßung zur eigentlichen Sitzung des Arbeitskreises konnte Oberstveterinär Dr. Michael Nippgen einen großen Zuhörerkreis von 30 Teilnehmern inklusive des Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. begrüßen. Anschließend trug Oberstabsveterinär Dr. Hendrik Tandler (ZInstSanBw Kiel) zum Thema der „Diagnostik hochkontagiöser Zoonoserreger im Auslandseinsatz“ vor. Seine Präsentation berücksichtigte dabei Erreger wie das Tollwutvirus, EHEC und den Erreger des Krim-Kongo hämorrhagischen Fiebers. Die hohe Letalität der durch die genannten Erreger ausgelösten Erkrankungen, verbunden mit dem endemischen Vorkommen in den Einsatzländern der Bundeswehr, erfordert eine feldtaugliche und zuverlässige Diagnostik. Dr. Tandler berichtete in seinem Vortrag über die Ergebnisse der Forschungsaufträge am Zentralen Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr Kiel (ZInstSanBw Kiel) zur Installation feldtauglicher Untersuchungsmethoden für die Anwendung im veterinärmedizinischen Labor im Einsatz. Über die Gefahr, die von Waldwildtieren als Reservoir für Zoonose- und Tierseuchenerreger ausgeht, berichtete Frau Dr. Helena Anheyer-Behmenburg (ZInstSanBw Kiel). Tierseuchen- und Zoonoseerreger bei Wildtieren rücken als Ausgangspunkt für auf Haustiere und / oder Menschen übertragbare Erkrankungen zunehmend in das Bewusstsein von Tierärzten, Humanmedizinern und interdisziplinären Forschergruppen. Im Rahmen der durch Frau Dr. Anheyer-Behmenburg dargestellten Übersicht wurden Infektionserreger aktueller Brisanz wie der Tierseuchenerreger Afrikanische Schweinepest (ASP)-Virus, das zoonotisch übertragbare Hepatitis E-Virus (HEV) oder weitestgehend unbekannte Erreger wie der bei Waschbären verbreitete und inzwischen auch bei der deutschen Waschbärenpopulation vorkommende Parasit Baylisascaris procyonis näher betrachtet. Aether-Insufflationsgerät für die Narkose beim Pferd (2. Weltkrieg) Bildquelle: Tierärztliche Hochschule Hannover, Veterinärhistorisches Museum, Schäffer Im Rahmen des militärhistorischen Blocks des Arbeitskreises Veterinärmedizin beleuchtete der Inspizient Veterinärmedizin der Bundeswehr, Oberstveterinär Dr. Leander Buchner, in seinem Vortrag „vom Kurschmied zum Sanitätsoffizier Veterinär, ein steiniger Weg“ die Entwicklung des militärischen Veterinärwesens bis zum heutigen Tage. Der Vortrag beschrieb dabei die Evolution des Veterinäres vom Status eines Hufschmieds (um 1850) über den eines Veterinäroffiziers (um 1940) zum heutigen Sanitätsoffizier Veterinär in den deutschen Streitkräften als die Bundeswehr aufgestellt wurde (um 1950 bis heute). In der letzten Präsentation der Arbeitskreissitzung berichtete Herr Dr. Andreas Menzel, wie das Militärveterinärwesen die Entwicklung der Tierinhalationsnarkose in der zivilen Veterinärmedizin beeinflusst hat. In seinem von 1845 bis 1945 reichenden, historischen Überblick zeigte Herr Dr. Menzel auf, wie die verletzungsbedingte chirurgische Behandlungsbedürftigkeit der militärisch eingesetzten Diensttiere die Entwicklung und Verbesserung der Inhalationsnarkose in der Tiermedizin befördert haben. Dabei wurden die im militärischen Veterinärwesen eingesetzten Aetherinhalationsnarkosen bis hin zu Chloroformnarkosen über verschiedene Apparaturen und Verdampfer zunehmend serienreif weiterentwickelt. Letztlich haben diese militärischen Entwicklungen die Grundlage für die heutige kontrollierbare Inhalationsnarkose in der zivilen Veterinärmedizin geliefert. In seinem Schlusswort bedankte sich Oberstveterinär Dr. Nippgen bei allen Referenten und dankte für die gehaltenen, interes- Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 388 Kongressberichte santen und lehrreichen Vorträge, die nicht nur die Historie sondern auch die Gegenwart und den Weg in die Zukunft mitbehandelt haben. Vor allem bei den aktuellen wehrveterinärmedizinischen Themen ist zudem eine hohe Relevanz auch für die Humanmedizin herausgearbeitet worden. Arbeitskreis Wehrpharmazie Oberfeldapotheker Dr. Klaudia Meyer-Trümpener Bundesministerium der Verteidigung, Bonn Am Freitagnachmittag (12.09.2014) begrüßte der Vorsitzende, Flottenapotheker a. D. Gregor Peller, die Teilnehmer zur Arbeitskreissitzung anlässlich des Jubiläumskongresses. Zunächst stand die Wahl für den Vorsitz des Arbeitskreises auf der Tagesordnung. Oberstapotheker Dr. Bernd Klaubert wurde zum Vorsitzenden, Flottenapotheker a. D. Gregor Peller und Oberstapotheker Dr. Boris Mey wurden als Stellvertreter nominiert und gewählt. Sie werden ihre Aufgaben mit Beginn des Jahres 2015 übernehmen. Der Inspizient Wehrpharmazie der Bundeswehr, Oberstapotheker Arne Krappitz, begrüßte ebenfalls die Teilnehmer und freute sich über das gut gefüllte Auditorium, das die hohe Wertschätzung der Kongressteilnehmer für das Programm und die Vortragenden zum Ausdruck bringe. Passend zum Motto des Kongresses „Tradition und Innovation“ waren zwei retrospektive und ein wissenschaftlicher Beitrag vorgesehen. Flottenapotheker a. D. Gregor Peller eröffnete den Vortragsreigen mit einem ersten historischen Abriss zur Entstehung und Entwicklung von Bundeswehrapotheken. Peller hat sich als erster dieses Themas angenommen und ein umfangreiches Quellenstudium, u. a. in den Archiven des Bundesministeriums der Verteidigung und der Kommandobehörden des Sanitätsdienstes, betrieben. Nach der Aufstellung der Bundeswehr wurden die Sanitätsmaterialversorgungseinrichtungen der Teilstreitkräfte durchaus unterschiedlich betrieben: Bei der Marine gab es stationäre Sanitätsmateriallager ohne Apotheker, die Luftwaffe hatte Lagerbezirke für Sanitätsmaterial, die von einem Apotheker geleitet wurden, und das Heer verfügte mit den Korps- und Divisionsversorgungspunkten über verlegefähige Einrichtungen. Auch die gesetzlichen Grundlagen waren in den 1960iger Jahren völlig verschieden von den heutigen. So fanden das Apothekengesetz und das Arzneimittelgesetz noch bis in die 1970er Jahre keine Anwendung auf Einrichtungen, die der Versorgung von Angehörigen der Bundeswehr mit Arzneimitteln dienten. Gab es zu Anfang der achtziger Jahre mit Schaffung der Bundeswehrapotheken noch 45 Einrichtungen, so sank deren Anzahl mit Einführung der regionalen Sanitätsmaterialversorgung 1988 auf zunächst 37 Bundeswehrapotheken, um dann mit jeder Strukturreform weiter abzunehmen. Nach der Neuausrichtung der Streitkräfte sind im Jahr 2014 hiervon noch vier Bundeswehrkrankenhausapotheken, drei Versorgungsund Instandsetzungszentren Sanitätsmaterial sowie zwei Sanitätsmateriallager verblieben. Oberstapotheker a. D. Dr. Claus Michael Lommer nahm den Faden der historischen Betrachtung auf und berichtete über die Arzneimittelherstellung als die „ureigenste pharmazeutische Tätigkeit“ in den Bundeswehrapotheken im Wandel der Zeit. Mit vielen persönlichen Bildern aus den 1980er und Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 1990er Jahren illustrierte er den Aufbau und die Leistungen der pharmazeutischen Großherstellung in den Bundeswehrkrankenhausapotheken, die er als pharmazeutischer Technologe damals maßgeblich mitgeprägt hat. Hatte in den ersten Jahren noch jede Bundeswehrkrankenhausapotheke ein eigenes Logo auf der Verpackung und teilweise eigene Rezepturen für die von ihr hergestellten Produkte, so wurde dies im Laufe der Jahre standardisiert und dokumentiert. Der Wandel des Produktportfolios, das auf den Vorgaben des aktuellen Herstellungserlasses basiert und die heutige hochmoderne Geräteausstattung stellen auch für die Zukunft eine leistungsfähige und auftragsangepasste bundeswehreigene Arzneimittelherstellung sicher. Aus der wehrmedizinischen Forschung am Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Bundeswehr trug Oberfeldapotheker Karin Niessen vor. Sie stellte eindrucksvoll die aktuellen Ansätze zur Suche nach neuen Antidoten auf molekularpharmakologischer Ebene vor. Rezeptoren des Neurotransmitters Acetylcholin sind Angriffsort vieler chemischer Kampfstoffe. Die Behandlung entsprechender Intoxikationen erfolgt standardmäßig mittels Atropin und Reaktivatoren für den muscarinischen Typ des Rezeptors, wie Obidoxim oder das im Zulassungsprozess befindliche HI6. Bei den nicotinischen Rezeptoren hingegen besteht eine Therapielücke und wehrmedizinischer Forschungs- und Handlungsbedarf. Niessen stellt deshalb nochmals die pharmakologischen Mechanismen am Acteylcholinrezeptor dar und leitete die Ziele ihrer Forschungen am Nicotinrezeptor hieraus ab. Das von Niessen vorgestellte Forschungsprojekt befasst sich mit der Entwicklung neuer Methoden für das schnelle Screening von potentiellen Wirkstoffen am menschlichen nicotinischen Acetylcholinrezeptor. Dazu wurden die Rezeptoren isoliert und in einer Versuchsanordnung mit aufsteigenden Konzentrationen der Bispyridniumverbindung MB 327 versetzt und ihre Funktionalität in den verschiedenen Zuständen getestet. Mit dem vorgestellten Testsystem kann die Suche nach potentiellen Antidoten, die am nicotinischen Acteylcholinrezeptor angreifen, standardisiert und vereinfacht werden. Mit diesem Ausblick in die Zukunft bewies Oberfeldapotheker Niessen eindrücklich, wie die Wehrpharmazie ihren Beitrag zur Innovation der Wehrmedizin leisten kann. Arbeitskreis Zahnmedizin Oberstarzt d. R. Dr. Christoph Kathke Berlin Am 13.09.2014 fand die Fortbildungsveranstaltung des Arbeitskreises Zahnmedizin statt. Der Leiter des Arbeitskreises, Oberstarzt d. R. Dr. Christoph Kathke, konnte fast 30 aktive Sanitätsoffiziere Zahnarzt, Reservisten sowie auch interessierte Veterinärmediziner begrüßen. Zum Thema „Geschlechtsspezifische Zahnmedizin“ referierte die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Geschlechtsspezifische Zahnmedizin, Frau Privatdozent Dr. Dr. Christane Gleissner (Universität Mainz), mit dem Vortrag: „Welchen Einfluss hat das Geschlecht auf die Mundgesundheit?“ Die meisten Erkrankungen der Mundhöhle zeigen geschlechtsspezifische Unterschiede in der Prävalenz. Dies betrifft insbe- Kongressberichte sondere häufige Erkrankungen, wie Karies und Parodontitis, die Hauptursachen für Zahnverlust. Während sich Männer und Frauen im mittleren Lebensalter im Hinblick auf die Zahl fehlender Zähne bzw. totale Zahnlosigkeit (noch) nicht unterscheiden, sind 65- bis 74-jährige Seniorinnen in Deutschland häufiger zahnlos (25,2), oder ihnen fehlen mehr Zähne (14,9) als gleichaltrigen Senioren (19,6 respektive 13,3). Internationale epidemiologische Daten belegen ähnliche geschlechtsspezifische Unterschiede in anderen Ländern und Kulturen. Dies überrascht umso mehr, als dass Frauen ein höheres Inanspruchnahmeverhalten zahnärztlicher Leistungen, eine bessere Mundhygiene und eine höhere Motivation zu allgemeinpräventivem Verhalten aufweisen und wirft die Frage nach dem „Warum“ auf. Geschlechtsspezifische Schnittstellen zwischen Medizin und Zahnmedizin wurden erläutert (Hormonersatztherapie bei Frauen und Männern, Diabetesunterschiede, Medikamentenwirksamkeiten) und Möglichkeiten aufgezeigt, wie die interdisziplinäre Zusammenarbeit sinnvoll verstärkt und so die (zahn-) medizinische Versorgung aller Patienten verbessert werden kann. Ferner zeigte PD Dr. Dr. Gleissner auf, dass der „Gender-Shift“ das Berufsbild des Zahnarztes verändert: In den letzten Jahrzehnten ist die Zahl der Frauen in der Zahnmedizin ständig gestiegen. Bereits ab dem Jahr 2017 wird die zahnmedizinische Versorgung vorwiegend durch Frauen erfolgen. Dies wirft die Frage auf, was das für das Berufsbild des Zahnarztes bedeutet. Ein Blick in die empirische Forschung wirft ein Schlaglicht auf potenziell wichtige Bereiche, die sich mit dem „Gender-Shift“ verändern könnten, wie beispielsweise die Wochenarbeitszeit, Modelle der Praxisorganisation, die Art der Praxisführung und die Praxisphilosophie, das Erwerbseinkommen, das Investitionsverhalten bei der Praxisgründung, die Zahnarzt-Patienten-Beziehung, Weiterbildung und Spezialisierung sowie Forschung und Lehre. In Umfragen werden erste Trends sichtbar. In den Fächern Oralchirurgie und Implantologie treten die geschlechtsspezifischen Unterschiede besonders deutlich hervor. Abschließend referierte Prof. Dr. Dr. Ralf J. Radlanski (Charite Campus Benjamin Franklin, Berlin) zur „Frage des Sexualdimorphismus bei menschlichen Zähnen“. Vielfach wird angenommen, dass sich auch anhand der Zähne des Menschen das Geschlecht des Individuums bestimmen lässt. Eine Vielzahl anthropologischer, morphometrischer Studien legt diesen Schluss nahe. Die Arbeitsgruppe um Prof. Radlanski fragte sich, ob dieser Unterschied auch tatsächlich erkennbar ist. Zu diesem Zweck wurden 50 intraorale Fotografien, die die Frontzahnregion von Frauen und Männern (Alter: 6 bis 75 Jahre) zeigten, in Originalgröße auf einem fünfseitigen Fragebogen randomisiert angeordnet. Die Lippenregion war jeweils ausgeblendet. Außer „weiblich“ und „männlich“ konnte auch ein „?“ für unentschieden angegeben werden. Diese Fragebögen wurden an 50 Fachleute (Zahnärzte/innen, Zahntechniker/innen, zahnärztliche Fachangestellte, Student/innen der Zahnmedizin) und an 50 Laien zum Ankreuzen verteilt. Diese Fragebögen wurden in der Originalform auch in der Arbeitskreissitzung an das Auditorium verteilt: Wie in der oben angeführten Untersuchung konnten hier ebenfalls keine geschlechtsspezifischen Merkmale / Unterschiede bei den Zahnformen ausgemacht werden. 389 Arbeitskreis Offiziere des Militärfachlichen Dienstes Hauptmann Stephan Wüsthoff Streitkräfteamt, Bonn Am späten Nachmittag des 12.09.2014 konnte der Vorsitzende, Hauptmann Stephan Wüsthoff, neben dem Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie ein über alle Dienstgrade hinweg gemischtes Teilnehmerfeld des Arbeitskreises herzlich begrüßen. Im Mittelpunkt des Nachmittages stand der Vortrag des eingeladenen Referenten, Oberstarzt Dr. Jens-Peter Evers, Dezernatsleiter G 3.1 Im Kommando Sanitätseinsatzunterstützung.Im Schwerpunkt seiner Ausführungen berichtete er über aktuelle Herausforderungen in den Einsatzgebieten der Bundeswehr mit besonderem Augenmerk auf die Offiziere des militärfachlichen Dienstes im Sanitätsdienst. Er stellte dabei sehr eindrucksvoll die Konkurrenzsituation zwischen den Forderungen der neuen (18.08.14) Zentralweisung „Ausbildung und Verwendungsaufbau von Offizieren des militärfachlichen Dienstes (OffzMilFD)im Sanitätsdienst der Bundeswehr“ und den noch zukünftig verbleibenden Dienstposten von Offz MilFD San in den Einsatzgebieten dar. So sind gem. Zentralweisung Erfahrungen und Bewährung in der besonderen Auslandsverwendung (Einsatz) wesentliche Bestandteile im Werdegang. Nach derzeitigem Planungsstand stehen den Offz MilFD San zukünftig noch fünf Auslandseinsatzdienstposten zur Verfügung, um dieser Forderung zu entsprechen. Im weiteren Verlauf berichtete OTA Dr. Evers dem Auditorium von den aktuellen sanitätsdienstlichen Planungen zur ISAF-Nachfolgemission Resolut Support Mission (RSM) Afghanistan. Die erhöhte internationale Beteiligung u. a. auch in Schlüsselfunktionen wie den Dienstposten des Einsatzoffiziers der Sanitätseinsatzkompanie Mazar e Sharif führte am Ende des Vortrages zu einer lebhaften Diskussion. Im zweiten Teil der Arbeitskreissitzung am Samstag schlossen sich die OffzMilFD der Sitzung des neuen Arbeitskreises Gesundheitsfachberufe an. Der Vortragende, Hauptmann Assert, Sachbearbeiter im BAPersBw, berichtete über neue Modelle der Personalentwicklung, Personalplanung und der Steuerkopforganisation. Die mit der neuen Attraktivitätsoffensive der Bundesministerin der Vetreidigung verbundenen Änderungen in der Personalführung sorgten für viel Gesprächsstoff. So soll jeder Soldat zukünftig jährlich ein Personalgespräch erhalten. Für OffzMilFD soll darüber hinaus ab Feststellung der A12 Perspektive eine verbindliche Personalentwicklung aufgezeigt werden. Nach der Pause berichtete Hauptmann Wüsthoff, nun wieder im Kreis der OffzMilFD San, über die aktuellen Projekte des Vorstandes. Dabei ging er im Schwerpunkt auf die nun endlich festgeschriebene Erhöhung der Lehrgangsplätze auf 100 Plätze beim Lehrgang „Fortbildung für Sanitätsdienstoffiziere“ ein, die seit dem 09.09.2014 jetzt dauerhaft festgeschrieben ist, nachdem bisher die bereitgestellten 50 Lehrgangsplätze immer „überbucht“ waren. Insgesamt war auch diese Tagung des Arbeistkreises wieder durch interessante Vorträge und konstruktive Gespräche zwischen allen Dienstgradgruppen gekennzeichnet. 46. Kongress der DGWMP 15. bis 17. Oktober 2015, Weser-Ems Halle, Oldenburg Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 390 Mitteilungen aus der DGWMP e. V. Neuausrichtung des Arbeitskreises SanOA/ Junge Sanitätsoffiziere (AK SanOA/Junge SanOffz) Der Arbeitskreis SanOA/Junge SanOffz der DGWMP e. V. stellt die Schnittstelle zwischen dem Deutschen SanOA e. V. und der DGWMP e. V. dar. Während der Fokus des SanOA e. V. auf der Interessenvertretung vor allem der studierenden Sanitätsoffizieranwärter liegt, konzentriert sich die DGWMP e. V. – neben der Wahrnehmung der Interessen für alle Angehörigen des Sanitätsdienstes – im Schwerpunkt auf die Fortbildung der Sanitätsoffiziere und die Förderung der wissenschaftlichen Arbeit. Seit kurzem steht der AK SanOA/Junge SanOffz unter neuer Leitung durch die Stabsärzte Lars Hönig, Felix König und Dr. Andreas Westerfeld. Sie haben sich zum Ziel gesetzt, die Ausbildung junger Sanitätsoffiziere im ersten klinischen Abschnitt in den Fokus zu rücken. Hierbei soll vor allem die klinikübergreifende Vernetzung der Kameraden sowie die Förderung wissenschaftlichen Arbeitens gestärkt werden. Im Rahmen des 45. Kongresses der DGWMP e. V. in Berlin fand ein Workshop zur weiteren Ausrichtung des AK statt. Dabei wurden verschiedene Projektideen entwickelt: 1. Das SanNetz wird zum aktuellen Zeitpunkt kaum von Sanitätsoffizieren genutzt – obwohl einige hilfreiche Tools zur Verfügung stehen. Als Beispiel kann die virtuelle Bibliothek genannt werden, die bereits jetzt Zugriff auf viele Journals sowie die clinical decision support-Datenbank „Dynamed“ ermöglicht. Trotzdem bleibt hier viel zu tun, um das SanNetz für Sanitätsoffiziere attraktiver zu machen. 2. SanOA und junge SanOffz, die wissenschaftlich aktiv sind, beispielsweise im Rahmen ihrer Dissertation oder im Bundeswehrkrankenhaus, sollen in ihrer Forschung unterstützt werden. Außerdem soll der wissenschaftliche Austausch gefördert und ausgebaut werden. Eine interessante Option stellt hier auch die Publikation eigener Arbeiten in der WMM dar. Der Schriftleiter, Oberstarzt a. D. Dr. Mees, bot uns im Rahmen des Workshops Berlin hierzu seine Unterstützung an. Denkbar sind z. B. Mitteilungen über Dissertationen, Preise, Auszeichnungen, besondere Projekte an Universitäten usw. 3. Für eine wirkungsvolle Vertretung der Interessen der jungen Sanitätsoffiziere ist eine bessere Vernetzung essenziell. Daher werden interessierte Kameradinnen und Kameraden aus den fünf Bundeswehrrankenhäusern gesucht, die mit uns gemeinsam Ideen zur Verbesserung unserer Ausbildung entwickeln. Wir bitten um Kontaktaufnahme per Email an akjungesanoffz@dgwmp.de oder über eine Mitgliedschaft in unserer Gruppe im SanNetz! Lars Hönig, StArzt, BwKrhs Hamburg, Abt. X Felix König, StArzt, BwKrhs Hamburg, Abt. II Dr. Andreas Westerfeld, StArzt, BwKrhs Hamburg, Abt. X Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 Positionspapier des Arbeitskreises Gesund heitsfachberufe in der DGWMP e. V. Einleitung Die Angehörigen der einzelnen Gesundheitsfachberufe bilden eine tragende Säule des Sanitätsdienstes der Bundeswehr. Hierbei handelt es sich vor allem um die Dienstgradgruppen der Portepeeunteroffiziere und Unteroffiziere aller TSK sowie um zivile Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in den verschiedensten Einrichtungen, wie beispielsweise den Bundeswehrkrankenhäusern, den Kommandos, den Regimentern, den Regionalen Sanitätseinrichtungen, den Versorgungs- und Instandsetzungszentren SanMat, den Instituten sowie den sonstigen sanitätsdienstlichen Versorgungsbereichen ihren Dienst ausüben. Die sowohl fachliche als auch örtliche Aufsplitterung erschwerte bislang die Kommunikation untereinander, so dass für die Angehörigen der Gesundheitsfachberufe der Bedarf für eine gemeinsame Basis zum gezielten Informationsaustausch bestand. Dies auch, um dieser Berufsgruppe eine vernehmbare Stimme zu geben, so dass Anliegen der Gesundheitsfachberufe an die Entscheidungsträger im Sanitätsdienst der Bundeswehr effizient herangetragen werden können, hat die Deutsche Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. (DGWMP e. V.) in der Hauptversammlung am 11.09.2014 dem Antrag der Gründung eines Arbeitskreises Gesundheitsfachberufe in der DGWMP e. V. zugestimmt. Der Arbeitskreis Gesundheitsfachberufe hat in seiner Sitzung am 13.09.2014 dieses Positionspapier erarbeitet und nachfolgend mit den Mitwirkenden des Arbeitskreises abgestimmt. Erarbeitung eines Selbstverständnisses und von Identifikationsmerkmalen des Arbeitskreises Gesundheitsfachberufe Der Arbeitskreis Gesundheitsfachberufe bildet eine Basis für alle Angehörigen der Gesundheitsfachberufe, unabhängig davon ob es sich um Soldatinnen und Soldaten oder zivile Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter handelt und unabhängig vom Dienstgrad. Dabei umfasst der Begriff Gesundheitsfachberufe nicht nur die bundeseinheitlich geregelten Gesundheitsfachberufe im engen Sinne, sondern alle im Sanitätsdienst der Bundeswehr vertretenen Ausbildungsberufe im Gesundheitswesen. Um die Wahrnehmung des Arbeitskreises Gesundheitsfachberufe zu verbessern, soll eine Kernbotschaft erarbeitet werden, welche die Zielstellung des Arbeitskreises kurz und allgemein verständlich charakterisiert. Dabei sollen sich darin alle im Sanitätsdienst der Bundeswehr tätigen Angehörigen der Gesundheitsfachberufe wiederfinden. Information über den Arbeitskreis Gesundheitsfachberufe Der Arbeitskreis Gesundheitsfachberufe informiert alle Angehörigen der Gesundheitsfachberufe über seine Tätigkeit. Die Informationen sollen sowohl bundeswehrintern als auch über die DGWMP e. V. verbreitet werden. Hierzu sollen geeignete Informationswege gefunden und genutzt werden, um möglichst alle Angehörigen der Gesundheitsfachberufe im Sanitätsdienst der Bundeswehr zu erreichen und zu vernetzen. Deshalb sind alle im Arbeitskreis Mitwirkenden und Interessierten aufgerufen, sich als Multiplikatoren bei der Verbreitung dieser Informationen zu beteiligen. Mitteilungen aus der DGWMP e. V. Zusammenarbeit des Arbeitskreises Gesundheitsfachberufe mit anderen Arbeitskreisen und Organisationen Der Arbeitskreis Gesundheitsfachberufe sieht sich nicht als Konkurrenz zu anderen Arbeitskreisen der DGWMP e. V., sondern möchte mit diesen konstruktiv zusammenarbeiten. Außerdem soll ein Austausch mit den einzelnen Konsiliargruppen im Sanitätsdienst der Bundeswehr erfolgen. Die Zusammenarbeit mit weiteren Organisationen und Verbänden wird nicht ausgeschlossen. 391 Vorbereitung und Durchführung von Workshops, Lehrgängen, Fortbildungen und Sitzungen des Arbeitskreises Gesundheitsfachberufe Der Arbeitskreis Gesundheitsfachberufe möchte den Gesundheitsfachberufen in der Bundeswehr geeignete Fortbildungsmöglichkeiten bieten. Weil die inhaltlichen und formalen Anforderungen an Fortbildungen bei den einzelnen Gesundheitsfachberufen unterschiedlich sind, möchte der Arbeitskreis zuerst diese unterschiedlichen Fortbildungsstrukturen erfassen. Daher sind alle im Arbeitskreis Mitwirkenden aufgerufen, den Vorstand über die Anforderungen an Fortbildungen für die jeweiligen Berufsgruppen zu informieren (beispielsweise Pflichtfortbildungen, Fortbildungspunkte, Inhalte). Der Arbeitskreis Gesundheitsfachberufe wird sich inhaltlich mit eigenen Programmteilen an der 13. Arbeitstagung der Offiziere des Sanitätsdienstes im Norden in Damp (04. - 06.03.2015) sowie am 46. Kongress der DGWMP e. V. in Oldenburg (15. - 17.10.2015) beteiligen. In den Sitzungen des Arbeitskreises sollen einzelne Workshops für die Angehörigen der Gesundheitsfachberufe angeboten werden. Die Vorbereitungen der Sitzungen erfolgen durch den Vorstand des Arbeitskreises, jedoch kann die inhaltliche Ausgestaltung nur erfolgreich sein, wenn sich möglichst viele Mitwirkende des Arbeitskreises beteiligen, indem eigene Inhalte angeboten oder geeignete Referentinnen und Referenten benannt werden. Außerdem bietet der Arbeitskreis Gesundheitsfachberufe die Mitwirkung bei der Gestaltung eines Lehrgangs für Gesundheitsfachberufe an der Sanitätsakademie der Bundeswehr an und hält einen solchen Lehrgang für notwendig. Anregungen zu Inhalten und möglichen Referentinnen und Referenten können jederzeit dem Vorstand des Arbeitskreises mitgeteilt werden. Des Weiteren plant der Arbeitskreis Gesundheitsfachberufe, zusammen mit der DGWMP e. V. zukünftig regionale Fortbildungen für die Angehörigen der Gesundheitsfachberufe anzubieten. Insbesondere regionale Fortbildungen leben vom Engagement der Mitwirkenden des Arbeitskreises, sei es als Fortbildungsteilnehmerin bzw. -teilnehmer oder als Referentin bzw. Referent. Für diese Fortbildungen können dem Vorstand des Arbeitskreises jederzeit Anregungen zu Inhalten und möglichen Referentinnen und Referenten sowie eigene Angebote mitgeteilt werden. Gesundheitsfachberufe mitwirken, um durch die Darstellung von Stellenbeschreibungen und Verbreitung von Informationen über bundeswehrspezifische Anforderungen mögliche Missverständnisse aufgrund von fehlenden bzw. falschen Informationen zu verhindern. Dies schließt auch ein Mitwirken bei der Truppenwerbung ein. Dazu soll auch der Austausch zwischen den einzelnen Berufsgruppen der Gesundheitsfachberufe intensiviert werden. Zusätzlich möchte sich der Arbeitskreis Gesundheitsfachberufe mit nachfolgenden Themenfeldern konstruktiv auseinandersetzen, um die Angehörigen der Gesundheitsfachberufe, aber auch die jeweiligen Entscheidungsträger zu informieren und um an der Erarbeitung von Lösungsvorschlägen mitzuarbeiten. Dem Arbeitskreis Gesundheitsfachberufe ist dabei bewusst, dass diese konstruktive Auseinandersetzung nur interprofessionell in gemeinsamen Arbeitsgruppen mit Sanitätsoffizieren bzw. Offizieren im Sanitätsdienst zielführend ist, weshalb eine enge Zusammenarbeit angestrebt wird: o Aufstiegsmöglichkeiten für einzelne Angehörige der Gesundheitsfachberufe. o Unbesetzte Dienstposten, verbunden mit dem Missverhältnis zwischen STAN-Soll, der Ist-Antrittsstärke und dem wirklichen aufgabenbezogenen Personalbedarf. o Möglichkeiten zur Einbindung von Assistenz- bzw. Servicekräften in Sanitätseinrichtungen, vor allem aufgrund fehlender Mannschaftsdienstgrade. o Gewünschte Auslandsverwendung bei festgestellter Unabkömmlichkeit bzw. die Verbindung von Teilzeittätigkeit und Auslandsverwendung. o Besoldung und Gestaltung von Zulagen. o Sicherstellung aller Grundlagen-Ausbildungen wie Sport und Erhalt der IGF im Dienstbetrieb (u.a. Umsetzung der Vorgaben gemäß ZDv 3/10) mit dem Ziel, eine ehrliche, objektive Vergleichbarkeit in den Beurteilungen herzustellen. o Einführung und Umsetzung von BGM Betrieblichem Gesundheitsmanagement. o Umsetzung weiterer Ausbau von Qualitätsmanagementsystemen mit dem qualifizierten Einsatz von Angehörigen der Gesundheitsfachberufe. Diese Themenfelder bilden nur den aktuellen Stand ab und der Arbeitskreis Gesundheitsfachberufe ist offen für alle weiteren Themenfelder. Mit der Bearbeitung dieser Themenfelder ist langfristig eine Beschreibung von einzelnen Abläufen in den Sanitätseinrichtungen der Bundeswehr verbunden, um durch ein Verständnis dieser Abläufe unproduktive prozessuale Aufteilungen von Tätigkeiten zu reduzieren und geeignete Abläufe sinnvoll zu vernetzen. Im Mittelpunkt steht die Forderung nach einer modernen, multiprofessionellen Gesundheitsversorgung mit Respekt und Vertrauen unter den Berufsgruppen. Erstellung eines Lagebildes der Gesundheitsfachberufe im Sanitätsdienst der Bundeswehr durch den Arbeitskreis Gesundheitsfachberufe Der Arbeitskreis Gesundheitsfachberufe sieht sich als Sprachrohr und Interessenvertretung aller im Sanitätsdienst der Bundeswehr vertretenen Angehörigen der Gesundheitsfachberufe. Daher möchte sich der Arbeitskreis konstruktiv einerseits sowohl mit wirklichen als auch mit gefühlten Problemen dieser Berufsgruppe, andererseits aber auch mit den Vorteilen einer Tätigkeit im Sanitätsdienst der Bundeswehr auseinandersetzen. Der Arbeitskreis möchte daher bei der Beschreibung des Tätigkeitsspektrums der Aktuelle Aufgaben des Arbeitskreises Gesundheitsfachberufe Der Arbeitskreis Gesundheitsfachberufe setzt sich mit den im Positionspapier genannten Aufgaben und Themenfeldern auseinander. Dazu ist der Arbeitskreis auf intensive Mitwirkung aller Angehörigen der Gesundheitsfachberufe in der Bundeswehr angewiesen. Vorrangige Aufgaben bis zur nächsten Sitzung des Arbeitskreises Gesundheitsfachberufe sind: • Erarbeitung von Vorschlägen für einen Lehrgang für Gesundheitsfachberufe an der Sanitätsakademie der Bundeswehr ab dem Jahr 2015. Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 392 Mitteilungen aus der DGWMP e. V. • Vorbereitung der Sitzung des Arbeitskreises Gesundheitsfachberufe im Rahmen der 13. Arbeitstagung der Offiziere des Sanitätsdienstes im Norden in Damp (04. - 06.03.2015), einschließlich der Organisation eines geeigneten Fortbildungsangebotes. • Informationen über die Tätigkeit des Arbeitskreises Gesundheitsfachberufe (über die Medien / gegenüber Entscheidungsträgern im Sanitätsdienst der Bundeswehr). • Sammlung von Informationen und Anregungen seitens der Angehörigen der Gesundheitsfachberufe im Sanitätsdienst der Bundeswehr. Dieses Positionspapier bildet immer nur den aktuellen Sachstand ab und soll von allen im Arbeitskreis mitwirkenden Personen kontinuierlich weiterentwickelt werden. Frank Lukoschus, Oberstabsbootsmann, Vorsitzender Carsten zu Putlitz, Stabsfeldwebel, Stv. Vorsitzender Julia Kinne, Hauptfeldwebel, Stv. Vorsitzende Geburtstage Januar 2015 Wir gratulieren zum 80. Geburtstag und älter: Dr. med. dent. Günter Böckmann Oberfeldarzt d. R. Schürmannskamp 7, 49080 Osnabrück Dr. med. vet. Gerhard Schreiber Veterinärrat Oppernweg 2, 67307 Göllheim Dr. med. Wolfgang Bachor Oberstabsarzt d. R. Gansackerweg 17, 71065 Sindelfingen 03.01.1932 06.01.1932 14.01.1918 Dr. med. Ewald Schupp Flottenarzt a. D. Am Buttermarkt 2, 56253 Treis-Karden 26.01.1926 Heinz Masing Oberfeldapotheker d. R. Am alten Markt 7, 66849 Landstuhl 29.01.1930 Dr. med. Erich Kalous Oberstarzt a. D. Am Ginsterbusch 53, 30459 Hannover 31.01.1922 Dr. med. dent. Günther Popp Generalarzt a. D. Heimgart 16/c/o Volker Nübel, 40883 Ratingen 31.01.1921 Dr. med. vet. Martin Fuchs Oberstveterinär a. D. Joh.-Sebastian-Bach-Str.16, 33604 Bielefeld 15.01.1923 Wir gratulieren zum 75. Geburtstag: Dr. med. Bernhard Schöning Panoramastr.13, 69257 Wiesenbach 17.01.1929 Prof. Dr. med. Jürgen Probst Oberstarzt d. R. Asamallee 10, 82418 Murnau Dr. med. Hans Niehaus Oberfeldarzt d. R. Schloßstr. 9, 48455 Bad Bentheim 02.01.1940 19.01.1927 Dr. med. Jürgen Markhoff Flottenarzt a. D. Kopperpahler Allee 104, 24119 Kronshagen Dr. rer. nat. Jörg Hoff Generalapotheker a. D. Riedegg 56, 4210 Gallneukirchen 23.01.1940 23.01.1935 Dr. med. Egon Jung Medizinaldirektor a. D. Latschenweg 4, 85521 Ottobrunn 25.01.1933 Wir gratulieren zum 70. Geburtstag: Robert D. Toon Colonel (ret.) 135 North Maysville Street 40353 1153 Mount Sterling, KY 14.01.1945 Wehrmedizinische Monatsschrift Redaktion: Oberstarzt a. D. Dr. med. Peter Mees, Baumweg 14, 53819 Neunkirchen-Seelscheid, Telefon +49 2247 912057, E-Mail: wmm@p-mees.de Herausgeber: Bundesministerium der Verteidigung, Presse- und Informationsstab, Stauffenbergstraße 18, 10785 Berlin. Beirat: Prof. Dr. med. H. Fassl, Lübeck; Prof. Dr. med. L.-E. Feinendegen, Jülich; Prof. Dr. med. Dr. phil. G. Jansen, Düsseldorf; Prof. Dr. med. Dr. med. h. c. H.-W. Kreysel, Bonn; Prof. Dr. med. Dr. med. dent. E. Lehnhardt, Hannover; Prof. Dr. W. Mühlbauer, München; Prof. Dr. med. K.-M. Müller, Bochum; Prof. Dr. rer. nat. Dr. med. E. Mutschler, Frankfurt; Prof. Dr. med. G. Paal, München; Oberstapotheker a. D. Dr. rer. nat. H. Paulus; Prof. Dr. med. dent. P. Raetzke, Frankfurt; Prof. Dr. rer. nat. H.-J. Roth, Tübingen; Prof. Dr. med. L. Schweiberer, München; Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Schwenzer, Tübingen; Prof. Dr. med. H.-G. Sieberth, Aachen; Prof. Dr. med. H. E. Sonntag, H eidelberg; Generalarzt a. D. Dr. med. J. Binnewies, Köln; Admiralarzt a. D. Dr. med. R. Pinnow, Glücksburg. Verlag: Beta Verlag & Marketinggesellschaft mbH, Celsiusstraße 43, 53125 Bonn, Telefon 02 28/9 19 37-10, Telefax 02 28/9 19 37-23, E-Mail: info@beta-publishing.com; Geschäftsleitung: Heike Lange; Objektleitung: Peter C. Franz; Produktionsleitung: Thorsten Menzel. Satz und Litho: Susanne Hellinger, Langenfeld. Druck: Rautenberg Media & Print Verlag KG, Troisdorf. Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen S ystemen. Autorenhinweise können unter www.wehrmed.de im Internet abgerufen werden. Alle namentlich gezeichneten Beiträge – soweit sie nicht ausdrücklich mit einem * gekennzeichnet sind – geben die persönlichen Ansichten der Verfasserin, des Verfassers oder der Verfasser wieder. Sie entsprechen nicht unbedingt den Auffassungen der Redaktion oder des Bundesministeriums der Verteidigung. Manuskriptsendungen an die Redaktion erbeten. Erscheinungsweise mindestens acht mal im Jahr. Bezugspreis jährlich inkl. Porto- und Handlingkosten Inland: € 35,–; Europa: € 41,50; weltweit: € 49,50. Einzelheft: € 4,50 zzgl. Versandkosten € 1,80 Inland, € 4,50 Europa, € 9,50 weltweit. Das Abonnement verlängert sich jeweils um 1 Jahr, falls nicht 8 Wochen vor Ablauf des Bezugsjahres gekündigt wird. Für Mitglieder der D eutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. ist der Bezug der Zeitschrift im Mitgliedsbeitrag enthalten. Sanitätsoffiziere der Bundeswehr, die Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie sind, erhalten die „Wehrmedizinische Monatsschrift“ über ihre Dienststellen. Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 10-11/2014 • SC IE E IA M AZIE E.V. SC HA W LL EH SE RP HAR DEUTSC HE GE Deutsche Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V., Bereichsgruppe NORD-WEST HUMANITATI • PA TR • 46. KONGRESS • IAE NT FT FÜ R W E M E D I ZI N HR UN D der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin & Wehrpharmazie. e. V. (DGWMP) Tagungspräsident: Dr. med. Udo Schumann, Oberstarzt Wissenschaftliche Leitung: André Gutcke, Oberstarzt Dr. med. Torsten Groß, Oberfeldarzt Dr. med. Heinrich Weßling, Oberfeldarzt Von der Forschung über das Krankenbett bis in den Einsatz Anmeldung wissenschaftlicher Vorträge und Poster bis zum 30. Juni 2015 unter: Jahreskongress2015@dgwmp.de Tel.: 04488/508935 15. bis 17. Oktober 2015 Weser-Ems Halle, Oldenburg Weitere Informationen zum Kongress unter: www.dgwmp.de Manche nennen es Zukunft. Wir nennen es Alltag. cobas T modular platform. Sie müssen flexibel sein. Wir liefern Ihnen die Möglichkeit dazu: cobasT modular platform. • Die optimale Lösung für vernetztes Arbeiten • Flexibles, modulares Konzept: 48 Konfigurationen für hohes, mittleres und niedriges Anforderungsvolumen • Außergewöhnliche Parameter-Vielfalt • Äußerst einfaches Handling • Patentierte analytische Qualität Roche Diagnostics Deutschland GmbH Sandhofer Straße 116 68305 Mannheim www.roche.de COBAS und LIFE NEEDS ANSWERS sind Marken von Roche. © 2013 Roche Diagnostics. Alle Rechte vorbehalten.