Shakespeare in 3sat - Shakespeare

Transcription

Shakespeare in 3sat - Shakespeare
DIE ZEITUNG ZUM SHAKESPEARE - SCHWERPUNKT VOM 15. BIS 29. MÄRZ 2008
3sat inszeniert den bedeutendsten
Dramatiker der Weltliteratur
LIEBESTOLL
Was ist Liebe? „Verständ’ge Raserei /
Und ekle Gall und
süße Spezerei“, wie
Romeo klagt? Der
Schriftsteller Feridun
Zaimoglu kennt die
(Un)Tiefen der Liebe bei Shakespeare – und ihre Kehrseite, die Eifersucht (Seite 4).
MACHTVOLL
Wer die Macht hat,
verliert sie auch, wer
an sie glaubt, der
muss dran glauben,
weiß Albert Ostermaier. Der Dramatiker und Lyriker
schätzt Shakespeare als Pathologen
der Macht – der selbst wiederum
das Mächtigste beherrscht: die Sprache (Seite 6).
TODGEWEIHT
„Die Hard“ – stirb
langsam – galt schon
zu Shakespeares Zeiten. Die Krimiautorin Andrea Maria
Schenkel, gerade
zum zweiten Mal
mit dem deutschen Krimipreis ausgezeichnet, liebt deshalb vor allem
„Richard III.“ (Seite 8).
KÖNIGLICH
Luc Bondy hat
Shakespeares Geschichte vom König,
der auf seine Macht
verzichtet, die Liebe
verliert und den Tod
erntet, mit einem
phänomenalen Gert Voss als König
Lear inszeniert. Ein Interview mit
dem Star-Regisseur (Seite 10).
© ZDF, 3satgrafik
Shakespeare neu erleben: Zwei Wochen lang dreht sich alles um Liebe,
Macht und Tod. Mit legendären Verfilmungen, preisgekrönten Theaterinszenierungen, Talkrunden und Dokumentationen. Ab dem 15. März
Mit Shakespeare
gewinnen:
Kniffelige Fragen
rund um den
englischen Barden
auf Seite 11
2
INHALT
Editorial, Impressum
2
„Mehr als der alte Mann mit Bart“
Interview mit dem Filmemacher Michael Wood
3
Shakespeares Leben
LIEBE
Die Säugamme der Lüge
Schriftsteller Feridun Zaimoglu über „Die Liebe bei Shakespeare“
4
Othello von und mit Orson Welles
Romeo und Julia von Leander Haußmann
Ein Sommernachtstraum von Max Reinhardt und William Dieterle
Viel Lärm um nichts von und mit Kenneth Branagh
Verlorene Liebesmüh von und mit Kenneth Branagh
Der Widerspenstigen Zähmung mit Elizabeth Taylor und Richard Burton
5
MACHT
Wer an sie glaubt, der muss dran glauben
Dramatiker Albert Ostermaier über „Shakespeare und die Macht“
6
Titus mit Anthony Hopkins
Macbeth von Roman Polanski
hamlet_X von Herbert Fritsch
Al Pacino’s Looking for Richard mit Vanessa Redgrave
Schlachten! von Tom Lanoye und Luk Perceval
7
TOD
Ein Meister in Sachen Tod
Krimiautorin Andrea Maria Schenkel über den „Tod bei Shakespeare“
8
König Lear mit Gert Voss
Hamlet mit Asta Nielsen
Julius Cäsar mit Marlon Brando
Ran von Akira Kurosawa
9
© ZDF, 3satgrafik
HOCHVEREHRTES
PUBLIKUM
W
arum Shakespeare? Kein Jahres-, Todes- oder sonstiges Jubiläum steht 2008 an, um gleich die Frage zu beantworten. Warum also widmet 3sat dem meistgespielten Dramatiker der
Welt einen außergewöhnlichen Schwerpunkt? Die Antwort lautet ganz einfach: wem sonst?
„Je länger und intensiver man sich mit Shakespeares Stücken beschäftigt“,
so hat Harold Bloom, der Doyen der amerikanischen Literaturwissenschaft,
bekannt, „desto mehr erkennt man, dass die angemessene Haltung, die
man ihnen gegenüber einzunehmen hat, die Ehrfurcht ist.“ Diese Einstellung ist verständlich. Kein Dramatiker vor Shakespeare und keiner nach ihm
hat so wie er das Äußerste an menschlichen Möglichkeiten formuliert und
durchgespielt. Es ist, als ob er den Menschen als ästhetisches, als intellektuelles, als moralisches und spirituelles Wesen erst erfunden habe. Nicht umsonst haben wir die universalen Begriffe, mit denen Shakespeare den menschlichen Kosmos beschreibt, in den Titel unseres Programmschwerpunktes
gestellt: die Liebe, die Macht und
den Tod.
„Die ganze Welt ist Bühne
Im deutschsprachigen Raum begann die Bedeutung Shakespeares mit Und alle Frauen und Männer bloße Spieler.
seiner Übersetzung durch Schlegel
Sie treten auf und gehen wieder ab,
und Tieck Ende des 18. Jahrhunderts.
Seitdem lernen wir Shakespeare mit Sein Leben lang spielt einer manche Rollen ...“
jeder neuen Übersetzung aus einer
neuen Perspektive kennen. Darüber William Shakespeare: „Wie es euch gefällt“, II, 7
nachzudenken, wer wir sind, wäre
ohne Shakespeare nicht möglich. Er hat den modernen Menschen auf der
Bühne erschaffen, sein Streben, Wirken, Abgründiges wie Erhellendes uns
vor Augen geführt. Ob der zögernde Machtpolitiker Hamlet, der an seiner
Liebe sterbende Romeo (Liebe macht eben auch tot) oder der wilde, animalische Caliban – wir reiben uns an diesen Figuren, wir suchen uns in ihnen zu erkennen, wir ergründen in ihren Schicksalen unsere eigenen Lebenslinien. Ohne Shakespeare geht es also nicht.
Vom 15. bis zum 29. März 2008 zeigt 3sat die wichtigsten, die schönsten und die herausragenden Shakespeare-Verfilmungen. In Erstausstrahlung
präsentieren wir die großartige „König Lear“-Inszenierung Luc Bondys, die
wir im vergangenen Jahr am Wiener Burgtheater mit Gert Voss in der Titelrolle nach ihrer triumphalen Premiere für das Fernsehpublikum aufgezeichnet haben.
Liebe, Macht, Tod – auch bei Lear sind das die zentralen Themen. Sie
diskutieren wir in drei Talkrunden aus dem ZDF-Hauptstadtstudio unter
dem Label „3sat extra“: Politiker, Schauspieler und Shakespeare-Kenner
erörtern ihren Zugang zu Shakespeares Kosmos. Mit Andrea Maria Schenkel,
Feridun Zaimoglu und Albert Ostermaier melden sich drei gewichtige Stimmen der deutschen Gegenwartsliteratur bei uns zu Wort und enthüllen ihr
eigenes Verhältnis zu Shakespeare. Und schließlich freuen wir uns, die neuesten „hamlet_X“-Filme des österreichischen Videokünstlers Herbert Fritsch
zu zeigen, der an seinem wunderbar-größenwahnsinnigen Plan weiter arbeitet, den gesamten Hamlet, zerlegt in bits and pieces, als großes und unfassbares Assoziations-Welttheater filmisch aufzuführen.
Shakespeare, 3sat zeigt es, ist eben immer aktuell. Und wir bekennen zum
Schluss: Shakespeare – mehr braucht es eigentlich nicht.
DANIEL FIEDLER
Koordinator 3sat
„Lear ist ein Niemand im Niemandsland“
Luc Bondy über seine Inszenierung am Wiener Burgtheater
10
FOYER – Das Theatermagazin spezial: Shakespeare
Mit Theo Koll
Service
11
Sendetermine im Überblick
12
IMPRESSUM
Herausgegeben von der Presse und Öffentlichkeitsarbeit 3sat
Verantwor tlich: Stefanie Wald
Redaktion: Maya Geyermann, Dr. Ronald Dietrich
Mitarbeit: Marion Leibrecht
Grafik: ZDF/3sat Grafik
Harald Schröder, Andrea Wagner
Druck: alpha print medien AG
Kontakt:
Presse und Öffentlichkeitsarbeit 3sat
c /o ZDF, 55100 Mainz
E-Mail: presse@3sat.de
Internet: www.3sat.de
3sat ist das Gemeinschaftsprogramm von ZDF, ORF, SRG und ARD
3
„MEHR ALS DER ALTE
MANN MIT DEM BART“
Der Filmemacher Michael Wood über den Menschen William Shakespeare
Warum glauben manche Menschen, dass es sich bei Shakespeares Texten
nicht um das Werk eines Einzelnen handelt?
© akg
Menschen lieben das Mysteriöse, sie lieben Verschwörungstheorien und
Spekulationen. Und Shakespeare ist ohne Zweifel sehr mysteriös. Es gibt vieles, das wir über ihn nicht wissen. Man muss sich jedoch bei jeder historischen Betrachtung an der Quellenlage orientieren, und was Shakespeares
Leben angeht, so legen die Quellen dar, dass Shakespeare ohne Zweifel der
wahre Autor seiner Werke ist.
Sie zeigen neben Shakespeares Stärken auch seine Schwächen.
Es geht darum, ein realistisches Bild von ihm zu zeichnen. Und wie bei jeder historischen Person wäre es wenig hilfreich, aus ihm eine gottähnliche
Figur zu machen, die über den Dingen schwebt. Man muss ihn als das sehen, was er war: ein Schriftsteller des elisabethanischen Englands, der unter Hochdruck für die Literaturindustrie produzierte, der viele seiner Stücke
ständig überarbeitete, aber einige auch nur, wie jeder andere Schriftsteller,
ganz schnell hinter sich brachte.
William wurde sehr jung Vater, er musste die Schule verlassen, war
arbeitslos und hatte lange Zeit keine rosigen Zukunftsaussichten.
© ZDF/David Wallace
Zwei Jahre lang stöberte Michael Wood in den Archiven,
kämpfte sich durch Unmengen an Material und bereiste
ganz England. Der englische Historiker und Spezialist für
Dokumentarfilme zeigt in „Auf der Suche nach Shakespeare“ das Ergebnis seiner Anstrengungen. Entstanden
ist eine Abenteuerreise, die zeigt, wie politische, religiöse
und familiäre Umstände Shakespeare und sein Werk geprägt
haben.
Shakespeare ist einer der wichtigsten Dramatiker der Weltliteratur, sein
Einfluss ist erheblich. War es dadurch einfacher oder schwieriger, sein
Leben zu erforschen?
Es war ganz furchtbar. Jeder hat eine Meinung zu Shakespeares Leben.
Und jedes einzelne Detail seines Lebens wurde zigfach diskutiert. Es gibt eine
Reihe von Shakespeare-Stücken, über die mehr geschrieben wurde als über
ganze Länder dieser Erde. Es war also in der Tat sehr viel schwieriger, als ich
zu Beginn dachte. Einfach auch deshalb, weil man die riesigen Mengen an
Material, durch die man sich kämpfen muss, im Grunde nicht in einem einzigen Menschenleben bewältigen kann.
Sie waren für Ihre Filmaufnahmen in den englischen Midlands unterwegs.
Was ist das Besondere an dieser Landschaft, die Autoren von Shakespeare
bis Tolkin immer wieder inspirierte?
England ist ein kleines Land, aber jede seiner Regionen hat ihren ganz eigenen Charakter. Die Midlands brachten zu Shakespeares Zeiten eine Reihe guter Schriftsteller und Dichter hervor. Man nannte die Region das
„Herz Englands“ und war der Auffassung, dass diese Landschaft etwas typisch Englisches verkörperte. Die Midlands waren reich an Geschichten und
Mythen, Liedern und Volksweisen. Und sie hatten ohne Zweifel einen großen Einfluss auf Shakespeare.
Dies zu wissen, macht Shakespeare menschlicher. Wir haben ja immer noch
das Bild von Shakespeare als dem alten Kerl mit dem Bart, der zum elisabethanischen Establishment zählte. Zu wissen, dass er eigentlich ein rebellischer junger Mann war, hilft, einen Zugang zu seinem Leben zu finden.
Es stimmt, dass er sehr jung Vater wurde, Ärger mit den Behörden hatte, arbeitslos war und dass er nicht zur Universität ging. Aber auch gerade das ist
interessant. Schon zu seiner Zeit waren die Studenten der Cambridge University große Fans seiner Stücke, und sie betonten, dass er eben kein Studierter war, ganz anders als die Neunmalklugen, die gescheite und ausgefallene Stücke schrieben, die nicht halb so ansprechend waren.
Welche Bedeutung hat ein Dichter des 16. Jahrhunderts heute?
Ich denke, dass große Schriftsteller immer relevant sind, ganz egal, wann sie
gelebt haben. Denn sie lassen uns die menschliche Seele sehen. Letztlich geht
es bei Shakespeare um Menschen und Liebe, um die Konflikte, in die wir
im Grunde alle im Laufe unseres Leben einmal verwickelt sind. Auch ein
historischer Schriftsteller inspiriert uns, wenn wir uns mit ihm befassen. Deshalb ist Shakespeare nach wie vor relevant.
Interview: Sally Thomas; gekürzte Fassung
Mit freundlicher Genehmigung von Maya Vision International
Auf der Suche nach Shakespeare
Samstag, 15. März 2008, 20.15 Uhr
Dokumentation, Großbritannien 2008
Länge: 89 Minuten
Erstausstrahlung
WILLIAM
SHAKESPEARE
William Shakespeare wird
vermutlich am 23. April
1564 in Stratford-uponAvon geboren. Der Sohn
des Handschuhmachers
John Shakespeare und
seiner Frau Mary, Tochter
eines wohlhabenden
Landbesitzers, besucht
zunächst die Lateinschule
in Stratford, doch wegen
Geldnöten des Vaters
muss er die Schule vorzeitig verlassen. Mit 18
heiratet er die 26-jährige
Anne Hathaway, mit der
er drei Kinder bekommt.
Über die Jahre zwischen
1585 und 1592 ist wenig
bekannt. Als sicher gilt,
dass er seit den 1590er
Jahren Mitglied und Teilhaber einer der führenden
Theatergruppen Londons
ist, den „Lord Strange’s
Men“, für die er seine ersten Stücke verfasst, unter
anderem die Komödie
„Der Widerspenstigen
Zähmung“. Sein erstes gedrucktes Werk ist jedoch
das Versepos „Venus und
Adonis“, das er 1593 zu
Papier bringt, als die Theater wegen der Pest in
London geschlossen sind.
In den folgenden Jahren
entstehen unter anderem
„Richard II.“, „Romeo und
Julia“, und „Ein Sommernachtstraum“. 1599 kauft
Shakespeare einen Anteil
des Globe Theatre – künftig das Stammhaus der
Truppe. Diese nennt sich,
nach der Thronbesteigung
James’I. 1603, in „The
King’s Men“ um. Es wird
angenommen, dass
Shakespeare bis zum Ende
seiner Theaterarbeit von
seiner Familie getrennt in
London lebt. 1613 verkauft er seinen Anteil des
Globe Theatres und zieht
nach Stratford zurück, wo
er am 23. April 1616
stirbt.
4
worfen, um seiner Lust willen der
List des jungen Fleisches zu erliegen. Täuschung und Schwindel sind
jedoch Wertungen der Betrachter,
der Schaulustigen, der in diese Liebe Nichteingeweihten. Welcher Körper ist unantastbar? Und welcher
Körper darf sich ans verbotene
Fleisch nicht pressen, da er sonst
selbst und sein Gegenüber verdirbt?
Die iebe
© ZDF, 3satgrafik
bei Shakespeare
VON
FERIDUN Z AIMOGLU
W
as tut ein verdienter „Negergeneral“, wenn ihn ein
hochverliebtes junges Ding anstaunt? Er staunt zurück und kann
das Glück nicht fassen, dass es ihn,
den Berserker in blut’gen Schlachten, den feinen Herren zu Hofe vorzieht. Klein machen kann er sich
nicht, der Soldat, er hat zu oft die
brustdekorierten Blender in der
Schlacht versagen sehen – er weiß,
dass er brüllen muss, er weiß, dass
man ihn benutzt wie ein Werkzeug,
und er weiß, dass die Krieger den
Gesängen vor dem Kampf nicht hinterher träumen dürfen: Sie müssen
sich die Seele aus dem Leib brüllen,
damit sie nicht zuschanden kommen. Damit der Feind keine unverdiente Gnade erfährt.
Die Untertanen feiern ihn, er ist
nach ihrem Geschmack geraten, der
rohe Kerl, sagen sie, er bricht den
Feinden die Lanze und spaltet ihre
Schilder, er ist ein Massakermeister.
„Wehe den Rotten, die unsere Grenzen verrücken wollen! Wehe dem
Gezücht, das sich mit unsrem ,Negergeneral‘ anlegt!“ Der alte Mann
aber hat keinen Sinn für die Hymnen der Städter, die ihn anspornen,
die Schädel der Türkenmuselmanen
zu stapeln vor den Toren der Städte.
Sie wollen doch nur, dass man sie
ungestört ihren Geschäften nachgehen lässt. Wer ihm Zweifel nachsagt
ist ein Intrigant, er wird den Lump
überleben. Und doch ist in seiner
Nähe ein Mann, der ihn ob seiner
Liebe zu dem jungen Ding ermahnt,
sein bisschen Glück nicht zu verspielen. Der Einflüsterer hat vielen
Männern, die man zu Helden erkor,
die Torheit angesehen, er ist erfahren
darin, in Ernstfällen zur Seite und
in den Schatten zu treten. Also rät er
dem General, sich zu schonen.
Fabel vom schrillen Liebhaber
Die Zivilisten sind Othello ein Gräuel,
die parfümierten jungen Offiziere
ebenso, er liebt nicht „ein junges
Ding“, er liebt eine junge, schöne
Frau. Wie sieht sie aus, diese Liebe
eines alten Mannes zu einem Mädchen, das seine Tochter sein könnte?
Man spricht schon hinter dem Rükken des „Negergenerals“ von dunkler
Magie, von einer Zuneigung wider
Sitte und Brauchtum. Zu den Gerüchtemachern gehört Jago, er liebt
es, wenn er das Nichts befeuern kann
mit elenden Worten, er glaubt nicht
zu Unrecht, er habe es in der Hand,
den obersten Landsknecht zum Memmen zu machen: In dieser Liebe wird
der Alte vergehen, in dieser Liebe nützen ihm die Narben nicht, die er dem
Mädchen vorzeigt, weil er in seiner
Nähe verarmt und allen Reichtum
vor seinen Füßen aufhäufen will. Die
junge Frau hat diesen Mann mehr als
gern, und dass er mit Heldentaten
prahlt – verschämt und gut gelaunt
– versteht sie richtig: Ihm fehlt die
Wortgewalt des Poeten, aber er kann
noch zürnen, er kann noch mit ganzer Kraft greifen und packen, er kann
noch eine Herrlichkeit besingen, dass
ihm das Wasser in die Augen schießt.
Von dieser Liebe wird sie satt, sie
sieht in ihm keinen Untertanen, aber
einen in ihrer Zivilisation aufgestiegenen Barbaren.
An dieser Stelle setzen wir an,
wir, die wir Shakespeares Kühnheit
bewundern dürfen, als großer Volksbelustiger die Fabel vom schrillen
Liebhaber auf der Bühne zu bebildern. Damals ließen sich die Adeligen in den Logen von Dirnen bedienen, unten aber verfolgten die
einfachen Leute das Schaustück auf
der Bühne – sie starrten die Schautafeln der geheimen Geschichte der
Herren an. Sie ließen sich beherrschen von Raubrittern, die sich auf
die höhere Macht beriefen, das ja.
Hier endlich aber konnten sie, ungeniert und ungestraft, gegen ein
Entgelt von einigen Münzen, das
Liebesleben der feinen Damen und
Herren belauschen und beglotzen.
Der König und die Königin, der
Feldherr und der Pfaffe, der irre
Thronanwärter und die männermordende Buhlerin: Alle diese und
andere Gestalten in Shakespeares
Stücken speisen sich aus der Not,
aus der Sucht oder aus dem Willen
zum Verfall. Es kommt für alle die
Stunde, da sie nicht innehalten können und irre werden, und das geschieht, weil die Gesetze der Gier
und Begierde jedes Naturgesetz brechen, an das sich die Herren und
die Knechte halten müssen. Shakespeare stattet seine Figuren mit dem
Nötigsten aus, dass sie sich gefeit
fühlen können gegen das Böse, das
nur dann entsteht, wenn es keimen
kann im Fleisch. Die Liebe ist kein
Vorwand noch Mittel, eine unverschmutzte, nicht körperliche Liebe
ist bei Shakespeare nicht zu haben.
Auch heute, da die bürgerliche Moral und der proletarische Kodex um
die Körper kämpfen, haftet der Liebe eines älteren Mannes zu einer
jungen Frau der Ruch des Unanständigen an. Es wird ihm vorge-
Lüge als Säugamme der Liebe
Desdemona ist von Othellos Unverdorbenheit beeindruckt – mag er
auch in kniehohem Blut gebadet haben, wenn er sich ihr erklärt, entdeckt sie kein Falsch. Jago aber hat
sich vom kleinen Teufel zum üblen
Anpeitscher gewandelt, und er bedeutet dem General, dass das junge
Ding seinem Nebenbuhler Frechheiten gestattet. Die Lüge ist die
Säugamme der Liebe, dieses Glaubensbekenntnis schreibt Shakespeare
in seine Stücke ein, und die Männer,
vom Wahn absorbiert, sehen ihre
einzige Erlösung darin, eine böse
Großtat zu begehen. Sie morden, sie
verfügen ein letztes Mal über den
Körper der Frau und im letzten Akt
ihres Lebens verzwergen sie zu kleinen miesen Schurken.
Vielleicht hat der gefeierte Feldherr schon immer um das Duldungsrecht gewusst, das er sich in
vielen Abwehrschlachten erkämpft
hat. Nun aber kann er nur die Unschuld verderben, er tötet eine Zivilistin, und wir wissen, dass diese Liebe nicht gut gehen würde: Der
schrille Liebhaber und das großäugige Mädchen passen nicht zueinander. Er hat keine Ahnung, dass
im Verkehrsstrom der Liebschaften
Mäßigung geboten ist. Nicht umsonst raten ihm seine Freunde, vorsichtig vorzugehen, es treiben sich in
den Schatten viele Lauscher herum,
die ganz andere Männer zu Fall gebracht haben. Doch wie könnte ein
Soldat auf sein Ungestüm verzichten? Es ist ja alles keine Frage des
Temperaments, sondern der Körpertemperatur. Othello will nicht
einem Minnesänger gleichtun, der
sich ans Herz fasst, weil diese Geste
für ihn nur eine professionelle
Handbewegung ist. Das Kriegshandwerk bedingt Angriff und Verteidigung, und vielleicht provoziert
er die Gewalt, weil er anfängt in den
Begriffen des Krieges zu denken.
Plötzlich, so glaubt er, will man ihm
die rechtmäßige Beute entreißen, er
weiß aber nicht, dass er im Kampf
mit den Zivilisten unterliegen wird.
Am Ende war für ihn die Liebe
nichts weiter als ein Vorkommnis in
der Jahreszeit seines Verfalls.
FERIDUN ZAIMOGLU
Bei ihm ist „Romeo und Julia“ eine Liebestragödie zwischen einem
Muslimen und einer Christin, den „Othello“ übersetzte er in Slangsprache. Feridun Zaimoglus Thema sind gesellschaftliche Außenseiter,
„Menschen, die schräg zur Landschaft eingepflockt sind“, wie er selbst
sagt. 1964 in der Türkei geboren, lebt Zaimoglu seit mehr als 40 Jahren in Deutschland und arbeitet als freier Schriftsteller. Seinen Durchbruch hatte er 1995 mit dem Roman „Kanak Sprak“, in dem er die
Probleme und das Idiom türkischer Jugendlicher beschreibt. Sein
jüngster Roman „Leyla“ (2006) wurde hochgelobt. Zuletzt erschien
der Erzählband „Rom intensiv“ (2007).
© Britta Rating
LIEBE
5
MONUMENTALER MOHR
Orson Welles’ Klassiker „Othello“
O
b seine finanziellen Nöte seine Kreativität gesteigert hätten? Nein, beschied Orson Welles
lakonisch. Doch so ganz mag man
dem Meister nicht glauben. Denn es
ist gerade sein notorischer Geldmangel, der zum Beispiel in „Othello“ zu einigen filmischen Lösungen
geführt hat, die immer wieder gerne
zitiert werden. So spielt eine Szene –
wenig werkgetreu – in einem türkischen Bad: Dafür mussten sich die
Darsteller nämlich nur Tücher umwickeln.
Immer wenn es gerade Geld gab,
rief Welles die Schauspieler zusammen, nach Marokko, Italien oder
Frankreich. Weil „Othello“ so gewissermaßen ein Film ohne Land
© ZDF, HR/DEGETO
Liebe und Tod liegen dicht beieinander – Orson Welles als „Othello“
war, reichte Welles ihn scherzeshalber bei den Filmfestspielen in
Cannes 1952 als marokkanische
Produktion ein. Erst als der Festivaldirektor panisch in Welles’ Zimmer lief und ihn nach der marokkanischen Nationalhymne fragte,
verstand er, dass er die Goldene Palme für den besten Film gewonnen
hatte.
Preiswürdig und zeitlos sind in
der Tat die monumentalen Bilder,
das expressionistische Licht- und
Schattenspiel, mit dem Welles die
Geschichte des Mohren Othello erzählt, der zum General Venedigs aufsteigt und die schöne Desdemona
gegen den Willen ihres Vaters heiratet. Was schief beginnt, nimmt
dann ein böses Ende. Othellos Fähnrich Jago ist ein machtgieriger Intrigant, der sich an seinem Herrn
rächen will, denn nicht ihn, sondern den Soldaten Cassio hat
Othello zum Leutnant bestimmt.
Leander Haußmanns spektakuläre „Romeo und Julia“- Inszenierung
egie-Wilder, DDR-Wunderkind, Klassik-Zertrümmerer –
so wurde Anfang der 1990er Jahre
Leander Haußmann als Shooting-Star
des Theaters gefeiert. Haußmann, der
später mit Filmen wie „Sonnenallee“
und „Herr Lehmann“ bekannt wurde, lockte mit seiner – immer noch
unkonventionellen – „Romeo und
Julia“-Inszenierung selbst hartgesottene Theaterverweigerer ins Münchener Residenztheater. Die LoveStory der Literatur schlechthin um
das Liebesspaar, das an der Rivalität
seiner verfeindeten Familien zugrunde geht, wird bei Leander Haußmann
vorrangig zur Geschichte einer Jugend, die von übergeordneten Idealen
wenig hält und sich statt dessen von
der ungezähmten Macht des Gefühls
lenken lässt.
Die Inszenierung, die durch zum
Teil halsbrecherische akrobatische
Einlagen, turbulente Fechtszenen,
eine brüchige Leiter bei der Balkonszene und der Akzentuierung durch
Musik besticht, bildete einen Höhepunkt auf dem Berliner Theater-
CHAOS IN DER ELFENWELT
Max Reinhardts „Ein Sommernachtstraum“
© ZDF,ARD/Degeto
Im Zauberwald ist die Verwirrung groß
F
ür die Hollywoodbosse war Max
Reinhardts Verfilmung des
„Sommernachtstraums“ 1935 ein
Abenteuer. Sie hatten dem berühmten
Theatermann angeboten, die Regie
für die Adaption seines Bühnenerfolgs von 1905 selbst zu übernehmen.
Reinhardt sagte begeistert zu und –
entsetzte erst einmal die Produzenten: 67.000 Kilogramm Bäume,
600.000 Meter Zellophan und
650.000 taghelle Glühlampen standen auf seiner Wunschliste. Damit
verwandelte er das Filmstudio in einen
fantastischen Zauberwald mit Wasserfall und Zauberlichteffekten. Dort,
im Reich des Elfenkönigs Oberon,
findet die Komödie um das Liebespaar Hermia und Lysander statt.
Die beiden sind just dann im
Wald, als der schelmische Puck Lust
auf einen Schabernack hat. Eigent-
Orson Welles' Othello
Freitag, 21. März, 22.25 Uhr
Spielfilm, Marokko/Großbritannien 1949
Regie: Orson Welles
Mit: Orson Welles, Michael Lawrence
Micheál MacLiammóir u.a.
Länge: 90 Minuten
SWINGING, SINGING
SHAKESPEARE
BRÜCHIGE LIEBESLEITER
R
Jago beginnt sein Doppelspiel: Er
sorgt dafür, dass Cassio wieder degradiert wird und schlägt ihm
scheinheilig vor, bei Othellos Frau
Desdemona um Fürsprache zu bitten. Othello redet er indes ein, dass
Cassio und Desdemona eine Affäre
haben. Ein Taschentuch als fingiertes Beweisstück für Desdemonas
Ehebruch genügt und der eifersüchtige Othello dreht durch – im
Wahn erwürgt er seine Frau.
Lange Zeit blieb der Film Fragment. Erst Welles’ Tochter Beatrice
rekonstruierte ihn 1991 nach dem
überraschenden Fund der Negative
für mehr als eine Million Dollar.
S
treffen 1993. Haußmanns letzte
Theaterarbeit war seine Inszenierung
von Shakespeares „Sturm“ am Berliner Ensemble.
Romeo und Julia
Samstag, 22. März, 22.45 Uhr
Aufzeichnung einer Aufführung des
Bayerischen Staatsschauspiels im
Residenztheater, München 1993
Inszenierung: Leander Haußmann
Mit: Guntram Bratia, Wolfgang Bauer,
Anne Marie Bubke u.a.
Länge: 128 Minuten
lich sollte er nur für Oberon eine
Zaubertinktur besorgen, damit dieser seine Frau Titania im Schlaf verzaubern kann – auf das sie denjenigen für immer liebe, den sie nach
dem Aufwachen zuerst erblickt, natürlich Oberon. Aber das allein ist
dem Elfen Puck zu langweilig. Er
sieht im Wald das Liebespaar Hermia und Lysander, Demetrius, der
für Hermia brennt und Helena, die
ihr Herz an Demetrius verloren hat.
Um das Chaos perfekt zu machen,
verzaubert Puck die beiden Männer
und arrangiert alles so, dass sie sich
in die bis dahin verschmähte Helena verlieben. Die glaubt an einen
Scherz, und die vernachlässigte Hermia versteht die Welt nicht mehr.
Als schließlich Titania erwacht, läuft
ihr nicht Oberon über den Weg,
sondern der Weber Zettel in Eselsgestalt, in den sie sich prompt verliebt. Die Verwirrung der Gefühle
ist komplett. So lernen im Verlauf
einer Sommernacht alle Beteiligten
die Liebe als Traum und Albtraum
gleichermaßen kennen.
Ein Sommernachtstraum
Montag, 24. März, 10.50 Uhr
Spielfilm, USA 1995
Regie: Max Reinhardt und William
Dieterle; Mit: Olivia de Havilland,
Mickey Rooney, Dick Powell u.a.
Länge: 128 Minuten
© ZDF, Hermann Roth
Wenn zwei sich küssen ...
TRAUMPAAR
S
ie waren das Traumpaar Englands: Kenneth Branagh und
Emma Thompson. Gemeinsam hatten sie schon in Branaghs oscarprämiertem Filmdebüt „Heinrich V.“
gespielt. An diese fulminante Shakespeare-Verfilmung schloss der irische Alleskönner mit der romantischen Komödie „Viel Lärm um
nichts“ (1993) an. In den Rollen des
Benedikt und der Beatrice liefern
sich Branagh und Thompson ebenso witzige wie spitzzüngige Wortgefechte. Hinzu kommen Edelmann
Claudio und die schöne Hero, die
sich sofort ineinander verlieben. Wie
diese beiden unterschiedlichen Paare zueinander finden, grenzt schon
an Zauberei. Denn bis zum Happy
End werden aus Toten Lebende und
aus Narren Helden. Branagh inszenierte den Liebeszank und das
Liebeswerben, die Ränkespiele und
Intrigen vor dem Hintergrund einer
traumhaften toskanischen Landschaft.
Viel Lärm um nichts
Samstag, 22. März, 20.15 Uhr
Spielfilm, USA/Großbritannien 1993
Regie: Kenneth Branagh
Mit: Kenneth Branagh, Keanu Reeves,
Emma Thompson, Denzel Washington u.a.
Länge: 107 Minuten
hakespeare für Musicalfans –
Kenneth Branagh erschließt den
englischen Barden immer neuen Publikumskreisen. In der 30er-JahreVersion von „Verlorene Liebesmüh“,
lässt er singen und tanzen – zu mitreißenden Songs von Cole Porter bis
George Gershwin. Die Handlung
des Klassikers indes bleibt unverändert: Der junge König von Navarra
hat zusammen mit seinen drei besten
Freunden einen folgenschweren Eid
abgelegt. Sie wollen in den nächsten
drei Jahren nur drei Stunden täglich
schlafen, eine einzige Mahlzeit zu
sich nehmen und – das Schwierigste:
keine Frau begehren. Doch bald sehen sich der junge König und seine
Freunde einer extremen Belastungsprobe ihres Gelübdes ausgesetzt ...
Verlorene Liebesmüh
Samstag, 22. März, 16.00 Uhr
Spielfilm, Großbritannien/USA 2000
Regie: Kenneth Branagh
Mit: Kenneth Branagh, Richard Briers,
Alicia Silverstone u.a.
Länge: 88 Minuten
WIE IM RICHTIGEN LEBEN
S
ie küssten und sie schlugen sich:
Elizabeth Taylor und Richard
Burton spielten bereits in „Wer hat
Angst vor Virginia Woolf“ (1966)
ein zerstrittenes Ehepaar. In der
Shakespeare-Komödie „Der Widerspenstigen Zähmung“ (1966) ziehen sie als Katharina und Petruchio
wieder alle Register des Liebens und
Hassens. Für Taylor und Burton die
richtigen Rollen, schließlich waren
sie für ihre privaten Beziehungskrisen mindestens so berühmt wie für
ihre Schauspielkunst.
Der Widerspenstigen Zähmung
Sonntag, 23. März, 16.10 Uhr
Spielfilm, Italien/USA 1966
Regie: Franco Zeffirelli
Mit: Elizabeth Taylor, Richard Burton,
Michael York u.a.
Länge: 122 Minuten
6
mächtigen und Dahinschmachten.
Die Macht bei Shakespeare ist
jedoch nicht nur die Macht der
Herrschenden. Die Macht, das sind
nicht nur Machtgelüste, die Macht
geht nicht nur einher mit dem
Schwert, mit Gift, mit würgenden
oder blutigen Händen. Die Macht
ist auch die Macht der Natur, – der
Natur, die stürmt, die Wellen wirft,
Schiffe und Herzen untergehen lässt,
der Natur, die auch die Natur der
Menschen ist, die alles daran geben,
stärker zu sein als sie und doch immer schwächer sind.
Shakespeare
© ZDF, 3satgrafik
und die MACHT
VON
ALBERT OSTERMAIER
N
ie hätten diese Zeilen des
Shakespeare-Sonetts XCIV
von den Lippen Lady Macbeths
kommen können, die alles unterlässt, was Hilfe wäre und nichts, was
ihr zur Macht verhilft. Lady Macbeth, die „kühl bleibt wie ein Stein“,
aber nur das Messer rührt in des anderen Brust. Sie, die sich versuchen
lässt von Gier, Ehrgeiz und Gewalt.
Sie, für die die Sonne jeden Tag mit
einem Blutbad beendet, das sich
über den Horizont ergießt als Prophezeiung der Nacht, wenn sie den
Schlafenden zum Ungeheuer wird:
„Gib mir die Dolche! Schlafende
und Tote sind Bilder nur; der Kindheit Aug’ allein scheut den gemalten
Teufel.“
Das Morden ist ein Kinderspiel
für Lady Macbeth, nichts, das nach
einer Entschuldigung verlangen würde: „Mein Hände sind blutig, wie
die deinen; doch ich schäme mich,
daß mein Herz so weiß ist“. Die
Schuld trägt man nicht, man kann
sie sich mit etwas Wasser abwaschen
von der bleichen Haut; Schuld zählt
nur, solange sie sichtbar ist. Man
kann im Bewusstsein Lady Macbeths
nur Außen gezeichnet sein, nicht
aber dort, wo das blutige Handeln
entspringt: Das Herz bleibt weiß.
Ein unbeschriebenes Blatt im Stück,
im Sonett das Blatt einer Unschuldsblume: „Das Schönste läßt
sein Tun am tiefsten sinken: Verfaulte Lilien mehr als Unkraut stinken.“ Die Macht lässt niemanden
„Wer Macht zum Wehtun hat und läßt es sein,
Nicht tut, was man ihm zutrauen möchte meist,
Wer andere rührt und kühl bleibt wie ein Stein,
Beharrlich die Versuchung von sich weist,
Den sollen alle Himmelsgaben zieren.“
unverändert zurück, Lady Macbeth
wird wie die Lilie den Kopf hängen
lassen müssen, weil das Unrecht zum
Himmel stinkt.
Pathologe der Macht
Wer die Macht hat, verliert sie auch,
wer an sie glaubt, der muss dran
glauben. Die Macht ist das fieberhaft
Gewünschte, sie zu erlangen ist eine
schon krankhafte Leidenschaft, die,
wenn sie ihr Ziel erreicht hat, nichts
mehr wert ist. Macht ist die Triebfeder in der Hand Shakespeares, die er
in die schwarze Tinte steckt, die er in
Blut taucht, mit der er auf die Rükken der Liebenden schreibt, mit der
er die Brust durchbohrt, die schönen
Gesichter zerkratzt, das Herz aufschlitzt.
Shakespeare ist ein Pathologe der
Macht, er ist ihr Leichenbeschauer,
er seziert sie mit seinen scharfen Sätzen, legt ihre Anatomie frei, wenn er
die Schädeldecken aufklappt mit gekonnten Schnitten, wenn er Stammbäume fällt und Äste absägt, wenn er
die Metastasen des Irrsinns nachzeichnet und die Thronfolgen, die
immer auch Folgen von Entthronungen sind.
Wer mit aller Macht an die
Macht will, ist ihren Launen und
den Kopflosigkeiten des Schicksals
ohnmächtig ausgeliefert. Die Macht
ist bei Shakespeare stets zu greifen.
Sie ist für die einen zum Greifen
nah, für die anderen unbegreifbar,
wenn sie sie verlieren, aber für alle ist
sie Teil ihres Lebens oder Tod.
Die Macht und die Gewalt sind
in Shakespeares Texten offensichtlich, denn sie sind eingeschrieben in
die Welt, in der er lebt und überlebt:
In London wütet die Pest, die Fehlgläubigen hängen an den Bäumen,
alles ist Angst, Verschwörung, Verfolgung. Es wird gefoltert, um die
Wahrheit herauszuquälen, wird gegen Ausländer gehetzt, die allen als
Feinde erscheinen, immer wieder
droht die Gefahr von Anschlägen,
einer Invasion fremder Mächte, von
Umstürzen. Das Leben in der Stadt
ist lebensgefährlich, Krankheiten allerorten, Dreck, Verbrechen, wütende Streitereien. Und zugleich ist
alles orgiastisches Fest, als gälte es
vor dem Tod das Leben nochmals
zu fassen mit vollen Händen. Fast
die ganze Stadt besteht wegen der
hohen Sterblichkeit aus 20-Jährigen,
die sich vergnügen, morden, huren
oder in See stechen, hin zu den neuen Kolonien und ihren Geheimnissen. Jeder versucht zu leben, so lange er leben kann, zu erleben, was er
leben kann: „Süß ist die Blume, die
der Sommer bringt, lebt sie auch
nur und haucht ihr Leben aus, doch
wenn Verwesung in die Blume
dringt, ist das gemeinste Unkraut
ihr voraus.”
Der Tod spielt immer mit in den
Machtspielen und den Spielen mit
der Macht, mit dem Verspielen des
Lebens oder der Liebe, dem Er-
Die Macht der Sprache
Die Macht ist die Macht des Himmels oder jener, die die Macht haben, durch ihn ihre Macht auf Erden
abzuleiten. Die Macht ist die Macht
der Verwünschungen, der Schattenwelten, der Hexen, Kobolde, die
Macht der Waldgeister und Feen,
vor allem die Macht der Verwandlung. Die Suche nach Macht ist ja
auch der Wunsch, ein anderer zu
sein, Gewalt und Stimme zu haben,
zu bestimmen, wer man ist.
Die Macht ist die Macht der
Musik, wenn sie verführt, die Seelen
weit macht, die Träume an der Hand
nimmt, wenn sie die Körper beim
Lieben wie Klangkörper klingen lässt
und ungeahnte Saiten anschlägt in
ihrer Brust. Die Macht der Musik,
wenn sie vergessen macht. Die
Macht der Bilder, welche die Figuren
voneinander haben, die Bilder welche sie sich machen. Die Macht der
Liebe, die Macht der Liebenden,
weil Liebe alles zu verändern vermag, weil Liebe die Macht der Ohnmächtigen ist, weil sie alles umwirft
und auch wieder neu zusammensetzt, weil der, der die Liebe nicht
hat und doch alle Macht hat, am
Ende nichts hat, was zählt.
Doch eine Macht überstrahlt alle
anderen: Die Macht der Sprache,
die Macht durch Sprache, die Macht
mit Sprache, die Sprachmacht, die
selbst Bucklige schön macht, die
Sprache, die verführt, berührt, verklärt, verkehrt, verdreht, die träumt,
mordet, wünscht, sehnt, zum Lachen und ums Leben bringt, die
Schatten wirft und Sonnenstrahlen
auf leuchtende Gesichter, die Sprache, die Welten erfindet und nie verloren geht, die selbst noch spricht,
wenn sie schweigt. Die Macht
Shakespeares, Sätze geschrieben zu
haben, die zugleich Stille sind und
der Sturm, den er wie kein anderer
immer wieder neu in uns entfacht.
ALBERT OSTERMAIER
Albert Ostermaier, Jahrgang 1967, hat gerade „Heinrich VI.“ für Shakespeares „Rosenkriege“ neu übersetzt, die im Mai am Wiener Burgtheater Premiere haben. Begonnen hat er seine schriftstellerische Karriere allerdings mit der Poesie. Sein erstes Theaterstück „Zwischen
zwei Feuern.Tollertopographie.“ wurde 1995 uraufgeführt und war
ein großer Erfolg. Seitdem war er unter anderem Hausautor des Nationaltheaters in Mannheim und des Bayerischen Staatsschauspiels.
Sowohl für seine dramatische als auch seine dichterische Arbeit
wurde er vielfach ausgezeichnet, darunter mit dem Kleist-Preis 2003.
Seit 2006 ist Albert Ostermaier Künstlerischer Leiter des internationalen Brechtfestivals in Augsburg. Zurzeit arbeitet er mit Florian
Henckel von Donnersmarck an einer Bühnenfassung von dessen Film
„Das Leben der Anderen“.
© Glücklich/laif
MACHT
ROSENKRIEG-MARATHON
Z
wölf Stunden auf dem Schlachtfeld von Sex und Macht – das
ist Shakespeares Dramenzyklus „Rosenkriege“ in der Inszenierung von
Luk Perceval. Es geht um rund 100
Jahre englische Geschichte, von der
Anklage Richards II. im Jahre 1398
bis zur Krönung Heinrichs VII.
1485.
Das große Spiel vom Aufstieg
zur Macht ist auch ein Spiel der Entwicklung des Theaters: Es enthält
Elemente des Volkstheaters, des bürgerlichen Dramas und des Slapstick.
3sat zeigt eine zweieinhalbstündige Fassung des Stücks.
© ZDF, Matthias Horn
Machtspiele – Thomas Thieme als Dirty Rich
Schlachten!
Donnerstag, 27. März, 1.30 Uhr
Von Tom Lanoye und Luk Perceval
Nach den „Rosenkriegen” von
William Shakespeare
Aufzeichnung einer Aufführung bei den
Salzburger Festspielen, 1999
Inszenierung: Luk Perceval
Mit: Wolf Bachofner,
Marion Breckwoldt u.a.
Länge: 156 Minuten
AL PACINO SUCHT
RICHARD III.
V
on Machtgier getrieben
kommt Richard durch Skrupellosigkeit an die englische Krone.
Doch dann regt sich Widerstand gegen seine Herrschaft und er wird in
einer Schlacht vernichtet – Das ist
Shakespeares „Richard III.“ Doch
was sagt uns sein Werk heute?
In einem dreijährigen Projekt erarbeitete Hollywood-Star Al Pacino
vor der eindrucksvollen Kulisse New
Yorks einen „Richard III.“ in neuem
Gewand. Er engagierte berühmte
Kollegen, darunter Kevin Spacey und
Alec Baldwin, ließ sich von Shakespeare-Fachleuten wie Kenneth Branagh und John Gielgud beraten und
befragte Passanten auf der Straße.
Pacinos Regiedebüt ist eine liebevolle Hommage an Shakespeare,
in der Richard und die anderen Figuren des Stücks zu Menschen aus
Fleisch und Blut wurden. Und es ist
ein spannender Einblick in die Arbeit von Theaterregisseuren und
Schauspielern. Nicht Millionengagen, sondern die Liebe zu Shakespeare und zum Theater waren Antrieb der Stars.
Al Pacino’s Looking for Richard
Dienstag, 18. März, 22.25 Uhr
Spielfilm, USA 1996
Regie: Al Pacino
Mit: Al Pacino, Alec Baldwin,
Winona Ryder u.a.
Länge: 112 Minuten
7
TITUS ALS GESAMTKUNSTWERK
Die eigenwillige Adaption von Julie Taymor
P
anzerwagen, Motorräder und
Lautsprecher, schräge Outfits,
ein Billardtisch, Splatter-Elemente:
Die amerikanische Regisseurin Julie
Taymor, bekannt durch ihren Film
„Frida“ mit Selma Hayek und ihre
Musical-Version von „The Lion
King“ am Broadway, katapultiert
„Titus Andronicus“, das blutigste
Stück Shakespeares, in die Moderne.
Hinzu kommt der Soundtrack
ihres Mannes Elliot Goldenthal, der
in seinen bombastischen Momenten
an Carl Orff erinnert, aber auch fast
übergangslos mit bizarrem BigbandSound, Industrial Rock und anderen
schrillen Einfällen aufwartet.
Ein Gesamtkunstwerk, das der
Textgrundlage aber treu bleibt:
Nach einem siegreichen Feldzug gegen die Goten kehrt der römische
Feldherr Titus Andronicus nach
Rom zurück. Als Gefangene begleiten ihn die Goten-Führerin Tamora, deren ältesten Sohn Titus hinrichten ließ. Trotz seiner Ansprüche
als Triumphator und Liebling des
Volkes verzichtet Titus nach dem
Tod des Kaisers auf den römischen
Thron und rät sogar gegen jede Vernunft zur Wahl des verschlagenen
Kaisersohns Saturnius. Selbst als dieser seinem Bruder Bassianus die
Braut, Titus’ Tochter Lavinia, wegnimmt, ist Titus bereit, der Staats-
räson zu gehorchen. Doch als
Bassianus mit Lavinia flieht und Saturnius ausgerechnet die nach Vergeltung dürstende Tamora zur Mitregentin macht, gerät Titus
endgültig ins Zentrum einer blutrünstigen Geschichte mit ebenso
vielen schuldigen wie unschuldigen
Opfern.
Regisseurin Julie Taymor konnte Anthony Hopkins als Hauptdarsteller gewinnen. Dessen Titus erinnert in mancher Szene stark an
Hannibal Lecter, auch wenn Titus’
Brutalität nicht abgrundtiefer Bosheit, sondern zunächst einer Verbohrtheit und später reiner Verzweiflung entspringt. Doch selbst
Stars wie Hopkins oder Jessica Lange
werden Teil eines mitreißenden Ganzen: Mal choreografiert Taymor die
Massenauftritte, lässt Soldaten ballettartig marschieren, um dann wieder zurückhaltend dem Text in angepasster Versform Raum zu geben.
Titus
Donnerstag, 20. März, 22.25 Uhr
Spielfilm, USA/Italien 1999
Regie: Julie Taymor
Mit: Anthony Hopkins, Jessica Lange,
Alan Cumming u.a.
Länge: 162 Minuten
Erstausstrahlung
© ZDF/Enrico Appetito
Im Rom zur Zeit Titus’ ein ungewöhnliches Erscheinungsbild – Jessica Lange als Tamora
DER PRINZ IM KALEIDOSKOP
„hamlet_X“ verzigfacht „Sein oder Nichtsein“
K
atja Riemann, Ulrich Mühe,
Rufus Beck, – bekannte deutsche Darsteller spielen Sequenzen
aus Shakespeares „Hamlet“. Aus der
klassischen Tragödie wird so ein großes elektronisches Mosaik: In Fragmente zerlegt, mit immer anderen
Schauspielern und in unterschiedlichen Umsetzungen, entstehen völlig
neue Hamletfiguren.
Die Biografien der Darsteller
fließen in die Geschichten ein, die
Grenzen zwischen Realität und Fiktion, zwischen „Hamlet“ und dem
„wahren Leben“ werden bewusst
verwischt. Alles könnte so sein, oder
auch nicht. Wenn etwa Rockstar
Bela B von seiner Zeit als Maître de
Plaisir am dänischen Hof erzählt
und Rosalind Baffoe von ihrer Begegnung mit Mr. X, dem Party-Löwen Hamlet. Die Opernsängerin
und Dramatikerin Paula Fünfeck
singt ein Lied davon, wie Hamlets
Vater Gift ins Ohr geträufelt wurde,
und Wolfram Koch erklärt, was es
mit dem Gift auf sich hat.
„hamlet_X“ ist Stummfilm,
Zeichentrick-, Experimental- und
Spielfilm. Quer durch alle Genres
versprechen überraschende, manchmal auch verwirrende Bilder eine
kurzweilige Unterhaltung. Herbert
Fritsch, Erfinder des Projekts „hamlet_X“, beschäftigt sich seit 2000
mit dem Hamletmythos, sammelt
Geschichten, Erzählweisen und Bilder.
hamlet_X
Samstag, 15. März, 1.35 Uhr
Kurzfilme, Deutschland 2003 - 2008
Regie: Herbert Fritsch
Mit: Rufus Beck, Matthias Schweighöfer,
Ulrich Mühe u.a.
Länge: 270 Minuten
Teilweise Erstausstrahlungen
© ZDF/H. Fritsch, hamlet-X GbR
Anne Tismer verzweifelt in „Der Mörder von Gonzago”
© ZDF/Columbia
Von den Geistern seiner Opfer verfolgt – Jon Finch als Macbeth
DIE INNEREN DÄMONEN AUF FILM GEBANNT
Roman Polanskis furioser „Macbeth“
P
olanskis „Macbeth“ ist ein finsteres Drama um die Gier nach
Macht und zugleich eine textgetreue
Adaption der Shakespeare-Tragödie.
Die blutrünstige Verfilmung wurde
bei ihrer Premiere 1971 kontrovers
aufgenommen und mit dem brutalen Mord an Polanskis Frau Sharon
Tate 1969 in Verbindung gebracht.
Davon wollte Polanski nichts
wissen. Für ihn ist der Film eine reine Umsetzung des Stücks. Die Feldherren Macbeth und Banquo treffen
nach einer siegreichen Schlacht auf
drei Hexen, die Macbeth vorhersagen, dass er zukünftiger König
Schottlands wird. Banquo werde der
Stammvater einer Reihe von Herrschern. Diese Prophezeiung lässt
Macbeth keine Ruhe. Lady Macbeth
bringt ihren Mann dazu, König
Duncan im Schlaf zu ermorden.
Nach der Tat lenkt sie den Verdacht
auf andere. Macbeth wird zum Kö-
nig gekrönt. Diesem Mord folgen
weitere, Macbeth lässt jeden töten,
der ihm im Wege steht. Doch die
Geister der Ermordeten lassen ihn
nicht mehr los. Wie der Hexenfluch
prophezeite, begeht Lady Macbeth
Selbstmord. Die Macht des blutigen Königs beginnt zu schwinden.
Als der schottische Edelmann Macduff, dessen Frau und Kind Macbeth hat umbringen lassen, gegen
ihn in die Schlacht zieht, ist sein
Untergang besiegelt. Roman Polanskis Shakespeare-Verfilmung fesselt durch ihre prägnante Schauspielerführung und die dichte
Atmosphäre von Furcht und Gewalt.
Macbeth
Sonntag, 23. März, 22.35 Uhr
Spielfilm, Großbritannien 1971
Regie: Roman Polanski
Mit: Jon Finch, Francesca Annis u.a.
Länge: 134 Minuten
8
D ER TOD
© ZDF, 3satgrafik
bei Shakespeare
VON
ANDREA MARIA SCHENKEL
D
ie Geburt, ein Zufall. Die eigene Geburt ist weder beeinflussbar, noch wählbar. Der Tod ist
die einzige Konstante in unserem
Leben, wir gehen mit dem ersten
Atemzug, dem ersten Schrei auf ihn
zu, drehen die Sanduhr des Lebens
um, ehe wir mit dem Leben begonnen haben. Ehe wir erahnen können, erfahren haben, was Leben ist.
Und eben deshalb fasziniert uns der
Tod. Zieht uns an und stößt uns
doch zugleich ab. Wir möchten zu
gerne wissen, wann alles endet, und
im gleichen Augenblick verbannen
wir das Ende aus unserem Dasein.
Und doch ist der Tod allgegenwärtig. Literatur, die sich mit ihm
befasst, zieht uns geradezu magisch
an. Sie lässt uns das Ende sehen. Für
einen Moment kommen wir dem
Tod nahe, setzen uns über ihn hinweg. Besiegen ihn, überleben das
Ende, wozu wir doch im eigenen
Leben nie imstande wären.
Ein Meister in Sachen Tod
Ein Meister in Sachen Tod ist zweifellos William Shakespeare. Er
machte seine Späße damit, nur um
uns im nächsten Augenblick mit ungeheurer Ernsthaftigkeit den Spiegel vorzuhalten. So zieht er die Zuschauer heute wie damals in seinen
Bann.
Shakespeares Stücke wirken auf
mich so mannigfaltig wie das Leben
selbst. Ein brodelnder Kessel aus Lie-
be, Lust, Leidenschaft, Eifersucht,
Gewalt, Betrug und Tod.
In keinem seiner Stücke setzt er
sich so sehr mit dem Tod auseinander wie in „Hamlet“. Ich muss gestehen, es ist nicht mein Lieblingsstück. Mein Favorit ist und bleibt
„Richard III.“ Der sich aufrichtig
zu seiner Bosheit bekennende Schurke Richard. Bereits mit seinen ersten Worten offenbart er sich. Erklärt uns, dass sich seine äußere
Hässlichkeit in seinem Inneren widerspiegelt. Böse ist er, abgrundtief
böse. Angetrieben vom Ehrgeiz intrigiert er, wo er nur kann. Spielt
jeden gegen jeden aus. Feind,
Freund, Bruder. Schreckt nicht davor zurück, zu töten oder töten zu
lassen, um sein Ziel zu erreichen.
Lässt uns nicht eine Sekunde im
Zweifel, dass er selbst bereit ist, Tod
zu spielen.
Der Tod, ein Mysterium
Richard versucht niemals, der Gute
zu sein, er ist in seiner Bosheit ehrlich. Er lässt uns nicht los, lockt uns,
wirbt um uns, und wir folgen ihm
nur zu gern. Lieben ihn dafür. Ihn,
den Hässlichen, den Krüppel. Wir
sind von Anfang an seine Komplizen.
Werden zu Beteiligten am tödlichen
Reigen. Spielen mit, bewundern seine Schlechtigkeit. Wir lieben ihn,
und wie für alle Liebenden wird das
Hässliche schön. Wir sehen seine
wahre Gestalt nicht mehr, sehen über
seine Bosheit hinweg. Sind fassungslos und fasziniert zugleich, als
er der Witwe noch an der Totenbahre seines Opfers, am „blutenden“
Leichnam, seine Liebe gesteht. Wie
er um sie ringt, am Ende siegt und
ihre Hand erhält. Wir lieben und
verehren ihn dafür, hoffen und bangen, lachen erleichtert auf, als der
Coup gelingt.
Wir sind seine Mittäter. Wissen
wir doch, dass all das Liebeswerben
nur Spiel war, und fühlen uns wohl
dabei. Wollte nicht jeder in seinem
Leben schon einmal abgrundtief
böse und schlecht sein? Ist doch das
Böse das Faszinierende. Der Tod das
Anziehende. Das Hässliche wird
schön, das Böse gut, und der Tod? Er
bleibt, was er immer war, der einzig
feste Punkt in unserem Leben, das
Maß aller Dinge und aus diesem
Grund Mysterium, unser Mysterium.
Während Richard Herr ist über
Leben und Tod, ein „Macher“, ist
Hamlet das genaue Gegenteil. Für
mich ist er zu Beginn des Stücks ein
verwöhnter Prinz. Pubertär. Ein
Heranwachsender, der sich in seiner
Depression suhlt, sie cool und chic
findet. Der sich selbst bemitleidet.
Der die Trauer über den Verlust des
Vaters zelebriert, darin Hof hält, sich
gefällt und in Szene setzt. Ein Knabe eben, ein Kind. Den Wert des
Lebens schätzt er noch nicht, er ist
bereit, alles fortzuwerfen. Wie die
Süßigkeiten werfenden Narren auf
den Karnevalswagen kommt er mir
vor, wie er da mit weit ausholenden
Bewegungen sein Leben und das Leben der anderen aus gefüllten Taschen in die Menge wirft. Richard,
der Bösewicht, liegt mir mehr am
Herzen.
ratet. Ein verwöhnter Jüngling ist
er, eifersüchtig bis zum Gehtnichtmehr. Den Vater hatte er noch im
Bett der Mutter geduldet. Schließlich verdankte er ihm seine Existenz,
aber einen anderen? Nein. Nur ihm
darf ihre Liebe gehören, nur ihm.
Hamlet muss jung sein. Ein
Mann sieht die Welt mit anderen
Augen, hat mehr Lebenserfahrung,
kann nicht eine solche Lawine lostreten, alle in dieses Spiel mit dem
Tod hineinziehen, nicht diese Spur
des Todes zurück lassen. Jung muss
er sein, jung wie Romeo und Julia.
Das Leben darf noch nicht kostbar
sein. Es muss noch leicht sein, ein
Tanz, er darf es noch verschwenden.
Deshalb irritiert es mich immer,
wenn ich einen Hamlet jenseits der
30 auf der Bühne sehe, der mit unheilschwangerer Stimme den Totenschädel in der Hand hält. Für Hamlet selbst ist es doch zu Beginn ein
Spiel, ein Ausloten seiner Grenzen,
etwas, das allen Eltern jeden Tag im
Zusammenleben mit heranwachsenden Kindern begegnet.
Und so wie Kindern der Umgang mit neuen Partnern im Leben
der Eltern oft schwer fällt, fällt Hamlet der Umgang mit Claudius
schwer. Da kommt ihm der Geist,
der Claudius des Mordes bezichtigt,
gerade recht. Hamlet läuft diesem
Bild hinterher, passt es doch genau
in seine Gefühlswelt hinein. Und er
wähnt sich im Recht, auf der Seite
des Guten. In diesem Wahn tötet
er. Tötet zuerst versehentlich Polonius, den Vater seiner Liebe Ophelia.
Tötet die Liebe Ophelias und damit
Ophelia selbst. Er ist es, der sie in
den Tod schickt. Durch seine Jugend und ihren Wunsch nach Wahrheit, die nur eine Unterscheidung
in Gut und Böse, in Recht und Unrecht zulässt. Unfähig, die Zwischentöne zu sehen, treibt er sie in
den Tod.
Und wieder haben wir hier den
Tod, diesmal selbst gewählt. Erst der
Tod Ophelias lässt Hamlet aufwachen, erwachsen werden. Er erkennt,
wie unschätzbar wertvoll das Leben
ist und dass er es verschwendet hat.
Hamlet erkennt die Verschwendung
zu spät, erst im Angesicht seines
Todes. Und wie er so schön sagt:
„Der Rest ist Schweigen.“
Das Leben, ein Spiel
Hamlet lässt sich treiben. Er kann
nicht verstehen, dass seine Mutter
nach dem Tod des Vaters erneut hei-
ANDREA MARIA SCHENKEL
Sie gilt als die deutsche Krimi-Entdeckung der letzten Jahre. Andrea
Maria Schenkel wurde 2006 mit ihrem Erstling „Tannöd“ schlagar tig
berühmt. Der Roman steht seit seinem Erscheinen ganz oben in den
Bestsellerlisten, gefolgt von ihrem zweiten Buch „Kalteis“ (2007).
Beide beruhen auf historischen Kriminalfällen und bescher ten ihr den
Deutschen Krimi Preis.
„Tannöd“ erlebt in diesem Jahr seine Bühnenaufführung und Verfilmung. Nach Schenkels Bekunden interessier t sie an Kriminalfällen
nicht die Aufklärung, sondern, „warum der Böse böse wird“. Andrea
Maria Schenkel lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Regensburg.
© Edition Nautilus
TOD
9
SHAKESPEARE UND
DER SAMURAI
DAS MÄDCHEN HAMLET
Stummfilmstar Asta Nielsen spielt den Dänenprinzen
H
© ZDF, Deutsches Filmmuseum Frankfurt
Crossdressing um 1920
amlet ist eine Frau – dem Dänenkönig wurde kein Sohn,
sondern eine Tochter geboren. Die
legendäre Verfilmung mit Asta Nielsen geht zurück auf eine norwegische Sage aus dem 12. Jahrhundert,
nach der Hamlet weiblich war: Der
alte König ist schwer verwundet,
und um die Krone zu retten, gibt
seine Frau Gertrude ihr neugeborenes Kind als Jungen aus. Was folgt,
ist aus dem Drama von William
Shakespeare bekannt, wird nun aber
aus der Perspektive einer jungen
Frau erzählt, die ihre wahre Natur
und ihre Gefühle verbergen muss.
Für dieses Spiel mit Geschlechterrollen war Asta Nielsen, 1881 in
Kopenhagen geboren, mit ihrer androgynen Erscheinung und präzisen Körpersprache prädestiniert.
Durch ihre Interpretationen dunkler und extremer Frauenfiguren wurde sie zum Filmstar des deutschen
Kaiserreichs.
Akira Kurosawas Epos „Ran“ ist eine Bilderschlacht
„Hamlet“ war 1920 die erste Produktion von Nielsens eigener Firma
– und der erste große internationale
Erfolg des deutschen Films nach dem
Ersten Weltkrieg. Als Drehorte dienten die mittelalterlichen Festungstürme, das gotische Rathaus und der
prächtige Kaisersaal der kleinen Stadt
Goslar im Harz. Die Innenaufnahmen entstanden auf dem Berliner
Flugplatz Johannisthal, wo eine
mächtige Glashalle zum Filmatelier
umgestaltet wurde. 3sat zeigt den
„Hamlet“ in einer aufwendig restaurierten Originalfassung. Der Komponist und Klarinettist Michael
Riessler hat dafür eigens eine neue
Filmmusik geschaffen.
Hamlet
Sonntag, 23. März, 11.00 Uhr
Stummfilm, Deutschland 1920
Regie: Sven Gade und Heinz Schall
Mit: Asta Nielsen, Paul Conradi u.a.
Länge: 112 Minuten
A
kira Kurosawa schuf 1985
„Ran“ – sein letztes großes
Epos. 1.400 Statisten und 200 Pferde kamen in den großen Panoramen- und Schlachtenszenen zum
Einsatz. Mit zwölf Millionen Dollar
war es der bis dato teuerste Film Japans. „Ran“, was auf Japanisch so
viel wie Aufruhr oder Umsturz, aber
auch Wahnsinn und Chaos bedeutet, stützt sich auf zwei literarische
Stoffe: die Legende um einen japanischen Herrscher, der seinen drei
Söhnen sein Reich überlässt, und
auf Elemente des „König Lear“.
Die Geschichte spielt im Japan
des 16. Jahrhunderts: Ein alternder
Herrscher überträgt sein Reich den
beiden ältesten seiner drei Söhne.
Unfähig, die aufrichtige Liebe seines
jüngsten Sohnes zu erkennen und
die Hinterlist der beiden anderen zu
durchschauen, kommt seine Einsicht
zu spät: Ausgestoßen und geistig
umnachtet irrt er umher und muss
erleben, wie seine Söhne Land und
Erbe in Chaos und Verderben apokalyptischer Schlachten stürzen.
Von den grandiosen Farben über
die eindrucksvolle Musik bis hin zur
virtuosen Montage gelang dem Regisseur von „Die sieben Samurai“
und „Rashomon“ ein großartiges
Werk der Filmgeschichte.
Ran
Montag, 24. März, 22.45 Uhr
Spielfilm, Japan/Frankreich 1985
Regie: Akira Kurosawa
Mit: Tatsuya Nakadai, Akira Terao u.a.
Länge: 155 Minuten
WAHNSINNIG GUT
Gert Voss als König Lear
M
ich haben alte Männer immer fasziniert, wenn sie sich
ihre Wachheit erhalten“, hat Gert
Voss über seine Rolle als König Lear
in einem Interview gesagt, „diese
Verbindung eines zerfallenden Körpers mit einer unglaublichen Neugier und Helligkeit des Denkens.“
Mit wehendem Greisenhaar und
bauschendem Hemd spielt Voss,
selbst ein Schauspieler der Königsklasse, den alten Lear, dem sich alle
beugen müssen, der aber auch geliebt werden will. Virtuos vollzieht
Voss Lears Verwandlung vom blind
ignoranten Herrscher zum zürnenden Propheten, der schließlich als
verzweifelter und wahnsinnig gewordener König endet.
© ZDF/Ruth Walz
Toben, zetern, schreien – Gert Voss als Lear
Denn Lear veranstaltet einen
Wettstreit unter seinen drei Töchtern: Als Preis für ihr Erbe sollen sie
ihm ihre Zuneigung bekunden. Die
Heuchelei der beiden Älteren bringt
die Jüngste dazu, sich zu verweigern.
Wutentbrannt verstößt ihr Vater sie
und teilt sein Reich unter den beiden anderen auf. Sein Unglück und
das seiner Familie beginnt. Die Worte seines Narren, zu ihm als Warnung gesprochen, können ihn nicht
mehr erreichen.
Luc Bondy hat „König Lear“ als
Stück über das Sehen und das NichtSehen arrangiert, über Macht, Ohnmacht und den Tod. Die Inszenierung am Wiener Burgtheater war in
drei Sparten für den österreichischen
Theaterpreis „Nestroy“ nominiert.
Das verwundert nicht, ist doch das
Stück mit einem großartigen Ensemble besetzt. Neben Gert Voss brilliert vor allem Birgit Minichmayr,
die den Narren als einen kleinen biegsamen Scherzbold mit frecher
Schnauze gibt, der Lears Handeln
weise in Versen kommentiert.
König Lear
Samstag, 29. März, 20.15 Uhr
Burgtheater Wien/Wiener Festwochen 2007
Regie: Luc Bondy
Mit: Gert Voss, Andrea Clausen,
Martin Schwab, Caroline Peters,
Birgit Minichmayr u.a.
Länge: 141 Minuten
Erstausstrahlung
© ZDF/MDR,Tobis
Das Unheil bricht herein in Akira Kurosawas „Ran“
„AUCH DU, BRUTUS”
„Julius Caesar“ mit Starbesetzung
J
oseph L. Mankiewicz’ filmisches
Meisterwerk, mit James Mason
und Marlon Brando in den Hauptrollen, müsste eigentlich „Marcus
Brutus“ heißen. Dies wäre auch für
die literarische Vorlage der passendere Titel. Doch zu Shakespeares
Zeiten wurden Stücke nach ihren
ranghöchsten Figuren benannt, in
diesem Fall nach Julius Caesar. Aber
es ist zweifellos die Tragödie um
Caesers Ziehsohn Brutus, um die es
hier geht. Sein Tyrannenmord, wie
er den gemeinsamen Putsch mit
Cassius and Casca gegen Caesar vor
dem römischen Volk nennt, war nur
kurz von Ruhm gekrönt. Denn als
Mark Anton den Verräter in einer
feurigen Rede brandmarkt, schlägt
die Stimmung um.
James Mason brilliert in der Rolle des Umstürzlers. Für Marlon
Brando bot die Figur des Mark Anton die Gelegenheit, einmal nicht
den Halbstarken spielen zu müssen.
Dementsprechend nervös soll er bei
den Proben zu „Julius Caesar“ gewesen sein. Eine grundlose Sorge:
Seine Darstellung brachte ihm letztlich eine Oscar-Nominierung ein –
eine von vier Nominierungen, die
der Film 1953 erhielt. Ausgezeichnet
wurde er aber für das beste Szenen-
© ZDF,ARD/Degeto
Den Dolch im Gewande – James Mason
als Brutus
bild. Kurioserweise, denn Regisseur
Joseph L. Mankiewicz hatte nur ein
Budget von zwei Millionen Dollar
zur Verfügung und nutzte die Bauten und Kostüme des Historienepos
„Quo Vadis“ – und der war leer ausgegangen.
Julius Caesar
Donnerstag, 27. März, 22.25 Uhr
Spielfilm, USA 1953
Regie: Joseph L. Mankiewicz
Mit: Marlon Brando, James Mason,
John Gielgud u.a.
Länge: 117 Minuten
I N T E RV I E W
10
„LEAR IST EIN NIEMAND IM NIEMANDSLAND“
Luc Bondy über seine Inszenierung am Wiener Burgtheater
Was ist für Sie das Aktuelle, das Faszinierende am „König Lear“?
Wenn man älter wird und bei sich schon die ersten Vergreisungssymptome
entdeckt: Eigensinn, Verblendung, Ungerechtigkeit, Selbstmitleid, Durchhaltevermögen, Suche nach dem Essenziellen, da kann einem Lear aktuell
erscheinen. Das heißt, mit dem Alter gewinnt man mehr Verständnis für das
Innenleben und das Handeln dieses armen und ungerechten Menschen. Immer noch aktuell ist auch Lears Missverständnis: Er gibt seine institutionelle
Macht auf und glaubt, dass er weiterhin wie ein König geehrt wird, was nach
dem alten Recht eines gottgebundenen Königtums auch der Fall gewesen
wäre. Aber für die Generationen eines neuen Zeitalters ist er jetzt ein Niemand und wird in ein Niemandsland geschickt.
Was schwebte Ihnen bei der Figur des Lear vor? Sie haben ja die Rolle mit
Gert Voss genial besetzt.
Voss kann als einziger sehr weit in die Fantasie eines solchen Menschen hineingehen, und das wird dann tief und manchmal unangenehm. Er ist einer
der wenigen Schauspieler, die sich in der Zeit der Probe so stark mit einer
Rolle identifizieren, dass seine Physiognomie sich entsprechend verändert.
Sie haben sich ein Jahr intensiv mit Shakespeare und seinem Stoff befasst,
die Proben zum „König Lear“ dauerten drei Monate. Wie haben Sie Ihr
Lear-Jahr durchlebt?
Es war eben ein Lear-Jahr in meinem Kopf durch und durch, weil ich fünf
Monate vorher mit Marie-Louise Bischofberger und Jeff Layton den Text neu
übersetzt habe. Die Lieder hat der Dichter Peter Handke für uns geschrieben. Die Tiefe und der Reichtum dieses Stückes verlangen im Grunde noch
mehr Zeit als ein Jahr. Ich fühlte mich gut, aber nicht gut genug vorbereitet.
Sie haben den Originaltext eigens für Ihre Inszenierung neu ins Deutsche
übertragen. Warum?
Das ist die beste Vorbereitung überhaupt; man lernt den Sinn der Sätze, man
betrachtet jedes Wort, man liest in dieser wunderbaren englischen Ausgabe die neuesten Erkenntnisse über das Stück. Dann muss man sich um eine
Flüssigkeit, einen Rhythmus bemühen, ohne dass es bemüht dasteht ...
Samuel Beckett hat einmal geschrieben, der Lear sei unaufführbar.
Beckett war auch Regisseur. Also wusste er auch aus dieser Sicht, dass Lear
durch die Vielfalt ineinander verwobener Themen, das Stück als gesamtes
sowie gekürztes, nicht zum Inszenieren ist. Er hat recht, aber es ist nun einmal ein tolles Theaterstück, und da lohnt sogar das Scheitern.
Der Shakespeare-Themenschwerpunkt in 3sat steht unter dem Motto
„Liebe Macht Tod“. Was fällt Ihnen zu Liebe, Macht und Tod bei Shakespeare ein?
Macht kann die anderen und sich selber töten. Macht kann sich als Liebe
tarnen und so töten, aus Liebe stirbt man, und eine Liebe, die stirbt, sieht
dem Tod ähnlich, und schließlich hat man nicht sehr viel Macht über die
Liebe, sie aber über uns! Das kann man alles bei Shakespeare lesen.
© David Baltzer/ZENIT
LUC BONDY
In der Fachwelt gilt er als begnadeter Schauspieler-Regisseur, der die Elite der deutschen Schauspieler
zu atemberaubenden Leistungen zu steigern in der Lage ist. Luc Bondy erhielt seine Schauspielausbildung in Paris bei dem Pantomimen Jacques Lecoq, bevor er 1969 als Assistent am Hamburger Thalia
Theater ins Regiefach wechselte. Ab den 1970er Jahren brachte er viel beachtete Inszenierungen auf
die europäischen Bühnen. 1985 übernahm Bondy die Direktion der Berliner Schaubühne und machte
sich in den folgenden Jahren einen Namen mit Uraufführungen von Botho Strauß’ Theaterstücken.
Mit seinen Operninszenierungen, beispielsweise für die Salzburger Festspiele, erwies sich Bondy als
ebenso erfolgreich. 1998 wurde Bondy Schauspieldirektor der Wiener Festwochen, seit 2000 ist er
deren Intendant.
DIE GANZE WELT
IST BÜHNE ...
... und auf allen Bühnen ist Shakespeare
Luc Bondys „König Lear“ ist nur eine von vielen herausragenden ShakespeareInszenierungen, die derzeit in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu sehen
sind. Theo Koll stellt in „FOYER“ die wichtigsten aktuellen Aufführungen vor.
FOYER – Das Theatermagazin spezial: Shakespeare
Samstag, 15. März, 19.20 Uhr
Moderation: Theo Koll
Erstausstrahlung
S E RV I C E
SHAKESPEARE ALL IN ONE
„Warum hat es bloß mich auf diesen Scheiß-Thron verschlagen?“,
fragt sich Shakespeares Heinrich VI.
Nicht im elisabethanischen Original,
sondern in den burlesken Nacherzählungen von Urs Widmer und Walter E. Richartz. So frei wie möglich,
so nah wie nötig, haben sie sich auf
ihre ganz eigene Weise an Shakespeares Dramen gemacht.
11
DER GROSSE FÜR KLEINE
SHAKESPEARES LEBEN
Mit den Klassikern der Weltliteratur
kann man gar nicht früh genug anfangen – zumindest wenn sie fesselnd und verständlich geschrieben
sind. Der Kinderbuchautor Andrew
Matthews hat in „Die schönsten
Shakespeare Geschichten“ die bekanntesten Stücke des Schriftstellers gesammelt und kindgerecht
nacherzählt: lebendig und auf einfache, aber poetische Art. Fröhliche
Erzählungen, wie der sprichwörtlich zauberhafte „Sommernachtstraum“ oder die Verwechslungskomödie „Was ihr wollt“, gleichen die
düsteren Geschichten um Hamlet
und Macbeth allemal aus. Angela
William Shakespeare war homosexuell. Er war außerdem ein katholischer Spion und seine Verse
stammen eigentlich von Königin
Elisabeth I. Über Shakespeare wird
viel gemunkelt. Will man es genau
wissen, sollte man Hildegard Hammerschmidt-Hummels spannende
und detailreiche Shakespeare-Biografie lesen. Die Gesamtdarstellung
von Zeit, Leben und Werk des vielleicht berühmtesten Unbekannten
der Weltliteratur trägt viele Details
zu einem schlüssigen Ganzen zusammen.
SHAKESPEARE SPIELEN
Barretts detailreiche Illustrationen
geben dem Buch einen fantasievollen Rahmen. Aus dem Englischen
von Mirjam Pressler.
Andrew Matthews:
Die schönsten Shakespeare
Geschichten
KeRLE Verlag, ab 8 Jahren
Hildegard Hammerschmidt-Hummel
William Shakespeare
Seine Zeit – Sein Leben – Sein
Werk
Verlag Philipp von Zabern
OPERNDRAMA
Die Schauergeschichte um den
machtverrückten Heerführer Macbeth war Verdis erste ShakespeareVertonung und wurde bei der
Uraufführung im Jahr 1847 enthusiastisch aufgenommen. Für die Inszenierung im Opernhauses Zürich be-
„My wooden O“ nannte Shakespeare zärtlich seine Lieblingsspielstätte, das runde Globe Theatre in
London. Würde er heute leben, er
wäre vermutlich Fan des Neusser
Globes, einem Nachbau des großen
Vorbilds. Jedes Jahr für vier Wochen
werden hier die Stücke des elisabethanischen Meisters zum Leben erweckt. Rund 15.000 Zuschauer
lockt es jährlich in die Welt der Könige und Clowns, Liebhaber und
Schurken. In diesem Jahr bespielen
vom 24. Juli bis 24. August unter
anderen die „shakespeare company
bremen” und Kompanien aus New
York und Paris die Bühne.
Shakespeare’s Geschichten
Nacherzählt von Urs Widmer und
Walter E. Richartz
Gelesen von: Elke Heidenreich,
Otto Sander, Bernd Rauschenbach
und Urs Widmer
Kein & Aber, 14 CDs, Gesamtlaufzeit:
15 Stunden 40 Minuten
Shakespeare spielen – das bedeutet,
verdammt viel Text auswendig lernen. Es gibt aber eine andere Spielart, bei der man, zugegeben, auch
sein Gedächtnis bemühen muss: das
Shakespeare-Memo. Die Welt des
großen Meisters erschließen Bilderkärtchen. Darauf zu sehen: Berühmte Illustrationen seiner Dramen, Szenenbilder von Film und
Bühne, das London von damals und
heute Porträts, sowie wichtiger
Zeitgenossen.
FÜR GLOBE-TROTTER
www.shakespeare-festival.de
lässt Regisseur David Pountney die
Handlung ganz im historischen Kontext. In den Hauptrollen: Thomas
Hampson als zerrissener Macbeth
und Paoletta Marrocu als seine dämonische Lady, Roberto Scandiuzzi
gibt den Banquo und Luis Lima
überzeugt als Macduff. Franz Welser-Möst dirigiert Chor und Orchester des Opernhauses Zürich.
Macbeth
TDK, 2 DVDs
Laufzeit: 186 Minuten
Shakespeare Memo Game
Piatnik
Testen Sie Ihr Shakespeare-Wissen ...
und gewinnen Sie eine von drei Shakespeare Geschichten-Boxen
In vier Fragen ist jeweils ein bestimmter Buchstabe gesucht. Die vier Buchstaben ergeben das Lösungswort.
1
„Die erste Seite, die ich
in ihm las, machte mich
zeitlebens ihm eigen“,
sagte einst ein weltberühmter Schriftsteller. In seinen
Jugendjahren war die Lektüre
Shakespeares für ihn und seine
stürmischen Freunde ein Erweckungserlebnis. Danach wollten sie Theaterstücke schreiben wie der Engländer. Weg von
den Griechen und Franzosen,
genial sollten sie sein. Als Genie
und fast so bedeutend wie
Shakespeare wird der Urheber
der Zeilen hierzulande auch
heute noch gefeiert. Gesucht
ist der dritte Buchstabe des
zweiten Vornamens.
2
Die früheste amtliche
Erwähnung William
Shakespeares ist ein
Eintrag im Taufbuch der
Pfarrkirche in Stratford-uponAvon. Seinen Geburtstag kann
man sich in etwa daraus ableiten. Dass es mit großer Wahrscheinlichkeit der 23. April ist,
trifft sich gut. Denn so teilt sich
Shakespeare das Datum mit
dem Gedenktag an eine andere
große, allerdings weit ältere und
heilige Nationalfigur Englands.
Gesucht ist der zweite Buchstabe des Vornamens (ohne
Titel).
3
Er steht auf der Liste
der „wahren“ Verfasser von Shakespeares
Texten an oberster
Stelle. Obwohl die Theorie,
dass er zum Beispiel „Verlorene Liebesmüh“ geschrieben
haben soll, sich durch nichts
belegen lässt. Dabei könnte
seinen Anhängern doch das Lebenswerk der gesuchten Person auch schon reichen.
Schließlich war er ein berühmter Staatsmann, Schriftsteller und Philosoph. Gesucht
ist der zweite Buchstabe des
Nachnamens.
4
Ihre Schauspielkunst, ihr
extravaganter Lebensstil und ihre Affären
brachten dieser Dame
im Paris des 19. Jahrhunderts
gleichermaßen Verehrer und
Neider ein. Als Hauptdarstellerin einer Shakespeare-Tragödie – in einer Hosenrolle –
machte sie sich in der Theatergeschichte unvergesslich. Die
gleiche melancholische und zerrissene Figur aus Shakespeares
gleichnamigem Drama verkörperte die Französin in ihrem
ersten Spielfilm. Von welcher
„Göttlichen“ ist hier die Rede?
Gesucht ist der dritte Buchstabe des Vornamens.
Schicken Sie das Lösungswort
und Ihre Anschrift per Postkarte an:
Presse und Öffentlichkeitsarbeit 3sat, c/o ZDF,
55100 Mainz
oder per Mail an
magazin@3sat.de
Einsendeschluss ist der
31. März 2008
12
SONNTAG, 23. MÄRZ 2008
SAMSTAG, 15. MÄRZ 2008
19.20 Uhr
FOYER – Das Theatermagazin spezial: Shakespeare
11.00 Uhr
20.15 Uhr
Auf der Suche nach Shakespeare
Dokumentation von Michael Wood
Großbritannien 2008
Länge: 89 Minuten
Erstausstrahlung
© ZDF/David Wallace
1.35 Uhr
12.50 Uhr
Der elektronische Hamlet
Film von Achim Forst, Deutschland 2008
Länge: 9 Minuten, Erstausstrahlung
16.10 Uhr
Der Widerspenstigen Zähmung
(The Taming of the Shrew)
Spielfilm von Franco Zeffirelli, Italien/USA 1966
Mit: Elizabeth Taylor, Richard Burton, Cyril Cusack u.a.
Länge: 122 Minuten
hamlet_X
Kurzfilme von Herbert Fritsch, Deutschland 2003 - 2008
Mit: Ulrich Mühe, Herbert Knaup u.a.
Länge: 270 Minuten, teilweise Erstausstrahlungen
Hamlet
Stummfilm von Sven Gade und Heinz Schall, Deutschland 1920
Mit: Asta Nielsen, Paul Conradi, Eduard von Winterstein u.a.
Länge: 112 Minuten
Moderation: Theo Koll
Länge: 35 Minuten, Erstausstrahlung
22.35 Uhr
Macbeth
DIENSTAG, 18. MÄRZ 2008
22.25 Uhr
Al Pacino’s Looking for Richard
(Looking for Richard)
Spielfilm von Al Pacino, USA 1996
Mit: Al Pacino, Alec Baldwin, Kevin Spacey,
Winona Ryder, Kenneth Branagh, Kevin Kline u.a.
Länge: 112 Minuten
© ZDF/Columbia
MONTAG, 24. MÄRZ 2008
10.50 Uhr
DONNERSTAG, 20. MÄRZ 2008
22.25 Uhr
© ZDF/Enrico Appetito
22.45 Uhr
FREITAG, 21. MÄRZ 2008
22.25 Uhr
Orson Welles’ Othello
(Othello)
Shakespeare in 3sat –
Sendetermine im Überblick
Verlorene Liebesmüh
(Love’s Labour’s Lost)
20.15 Uhr
Spielfilm von Kenneth Branagh
Großbritannien/USA 2000
Mit: Kenneth Branagh,
Alessandro Nivola, Adrian Lester u.a.
Länge: 88 Minuten
21.00 Uhr
22.25 Uhr
Julius Caesar
Spielfilm von Joseph L. Mankiewicz, USA 1953
Mit: Marlon Brando, James Mason, John Gielgud u.a.
Länge: 117 Minuten
1.30 Uhr
Schlachten!
Von Tom Lanoye und Luk Perceval
Nach den „Rosenkriegen” von
William Shakespeare
Aufzeichnung einer Aufführung
©ZDF, Matthias Horn
bei den Salzburger Festspielen, 1999
Inszenierung: Luk Perceval
Mit: Wolf Bachofner, Jytte-Merle Böhrnsen u.a.
Länge: 156 Minuten
Viel Lärm um nichts
(Much Ado About Nothing)
3sat extra: „Liebe“
Talkrunde aus dem Zollernhof in Berlin
Gäste u.a.: Bas Karst
Länge: 44 Minuten, Erstausstrahlung
22.45 Uhr
3sat extra „Macht“
Talkrunde aus dem Zollernhof in Berlin
Moderation: Thea Dorn
Gäste u.a.: Albert Ostermaier
Länge: 44 Minuten, Erstausstrahlung
Spielfilm von Kenneth Branagh
USA/Großbritannien 1993
Mit: Denzel Washington, Kenneth Branagh, Keanu Reeves, u.a.
Länge: 107 Minuten
22.00 Uhr
Spielfilm von Akira Kurosawa
Japan/Frankreich 1985
Mit: Tatsuya Nakadai, Akira Terao,
Jinpachi Nezu u.a.
Länge: 155 Minuten
DONNERSTAG, 27. MÄRZ 2008
SAMSTAG, 22. MÄRZ 2008
© ZDF,ARD/Degeto
Ran
© ZDF/MDR,Tobis
Spielfilm von Orson Welles, Marokko/Großbritannien 1949
Mit: Orson Welles, Micheál MacLiammóir, Robert Coote u.a.
Länge: 90 Minuten
16.00 Uhr
Ein Sommernachtstraum
(A Midsummer Night’s Dream)
Spielfilm von Max Reinhardt und William Dieterle
USA 1935
Mit: Ian Hunter, Mickey Rooney, James Cagney u.a.
Länge: 128 Minuten
Titus
Spielfilm von Julie Taymor
USA/Italien 1999
Mit: Anthony Hopkins, Jessica Lange,
Alan Cumming, Laura Fraser u.a.
Länge: 162 Minuten, Erstausstrahlung
Spielfilm von Roman Polanski
Großbritannien 1971
Mit: Jon Finch, Francesca Annis,
Martin Shaw, Nicholas Selby u.a.
Länge: 134 Minuten
SAMSTAG, 29. MÄRZ 2008
20.15 Uhr
König Lear
Romeo und Julia
Aufzeichnung einer Aufführung des
Bayerischen Staatsschauspiels München
im Residenztheater, 1993
Inszenierung: Leander Haußmann
© ZDF, Hermann Roth
Mit: Guntram Bratia,
Anne Marie Bubke, Wolfgang Bauer, Margit Carstensen u.a.
Länge: 128 Minuten
© ZDF, Ruth Walz
22.35 Uhr
Aufzeichnung aus dem Burgtheater Wien,
Wiener Festwochen 2007
Inszenierung: Luc Bondy
Mit Gert Voss, Andrea Clausen u.a.
Länge: 141 Minuten, Erstausstrahlung
3sat extra: „Tod“
Talkrunde aus dem Zollernhof in Berlin
Gäste u.a.: Andrea Maria Schenkel, Claus Peymann
Länge: 44 Minuten, Erstausstrahlung
Noch mehr Shakespeare im ZDFtheaterkanal
So, 15. März, 21.30 Uhr: Julius Caesar
Mi, 19. März, 21.30 Uhr: Richard III.
Deutsches Schauspielhaus Hamburg, 1988
Inszenierung und Fernsehregie: Michael Bogdanov
Schauspielhaus Zürich, 2003, Inszenierung: Stefan Pucher
Do, 27. März, 15.15 Uhr: Romeo und Julia
Di, 18. März, 19.40 Uhr: Othello
Deutsches Schauspielhaus Hamburg, 2005
Inszenierung: Stefan Pucher
Mailänder Scala, 2000, Ballett von Kenneth MacMillan
nach der Musik von Sergej Prokofiev
Weitere Infos und Sendetermine unter www.zdftheaterkanal.de