2. Textanalyse und -interpretation (S. 20)
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2. Textanalyse und -interpretation (S. 20)
Inhalt Vorwort 1. Max Frisch: Leben und Werk 1.1 Biografie 1.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund 1.3 Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken 2. Textanalyse und -interpretation 2.1 Entstehung und Quellen 2.2 Inhaltsangabe 2.3 Aufbau 2.4 Personenkonstellation und Charakteristiken 2.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen 2.6 Stil und Sprache 2.7 Interpretationsansätze 3. Themen und Aufgaben 4. Rezeptionsgeschichte 5. Materialien Literatur 4 6 8 8 13 17 21 21 25 46 73 84 85 89 93 95 98 102 2. Textanalyse und -interpretation (S. 20) 2.1 Entstehung und Quellen In der begleitenden Fachliteratur wird bei der Frage nach den Quellen des Homo faber gelegentlich auf eine im Tagebuch fest gehaltene Skizze von Max Frisch aus dem Jahre 1946 verwiesen, in der ein Kurier mit einer „Botschaft" nach Prag reist. Im Traum erinnert sich der Mann an eine frühere Geliebte, die er aber aus „praktischen" Gründen verlassen hat. Das Traumbild der Frau fragt ihn danach, wo seine „Botschaft" geblieben sei. Und tatsächlich kann der Mann die „Botschaft" nicht mehr finden, als er erwacht. Beim Gang durch die Straßen der Stadt begegnet ihm ein Mädchen, das ihn magisch anzieht. In dem Mann keimt der Gedanke auf, es könne sich um seine Tochter, das gemeinsame Kinde mit jener Frau aus dem Traum, handeln. Er macht sich auf die Suche nach der in der Stadt verschwundenen jungen Frau, findet sie jedoch nicht. Am folgenden Tag will er seine Gedanken zunächst als Hirngespinste abtun, wird dann aber von der Idee besessen, er habe die junge Frau vielleicht deshalb nicht gefunden, weil ihr ein Unglück zugestoßen sei. Er begibt sich ins Leichenschauhaus, doch die Leiche, die man ihm dort zeigt, ist nicht das junge Mädchen, sondern die Leiche einer schwangeren Frau. Motivanklänge und auch Anklänge hinsichtlich der Figurenkonstellation lassen sich zwischen der frühen Skizze und Homo faber durchaus erkennen, so etwa die Anziehungskraft, die das junge Mädchen auf den Mann ausübt, die Vater-Tochter- Konstellation (im Homo faber als Wirklichkeit gestaltet und nicht nur in der Einbildung), das Verlassen einer Frau (im Homo faber verlässt Walter Faber Hanna). Dennoch darf die Bedeutung dieser Skizze wohl insgesamt nicht überbewertet werden, denn zu vielschichtig und vielgestaltig sind die Voraussetzungen für Frischs Faber-Roman, mit dessen Erarbeitung der Autor im Jahre 1955 begonnen hat. In die Entstehungszeit des Romans fallen Reisen von Max Frisch, deren Stationen teilweise auch als Schauplätze des Romans auftauchen. So besichtigt Frisch während eines Aufenthalts in Italien (1956) das „Thermenmuseum" in Rom, das auch Faber und Sabeth besuchen (vergl. S. 119), er fährt (von Neapel aus) mit dem Schiff nach New York, besucht während des Amerika-Aufenthalts auch noch die Halbinsel Yucatán und Havanna. Berücksichtigt man neben diesen Reisezielen auch noch Frischs Griechenlandreise im Mai des Jahres 1957, deren Stationen u. a. Korinth und Athen sind, so ergibt sich eine weitgehende Deckungsgleichheit zwischen den Reisen Walter Fabers im Roman und den Reisen des Autors Frisch in der Entstehungszeit des Romans. Der Entstehung des Homo faber geht auch eine intensive Beschäftigung Frischs mit philosophischen, technischen und naturwissenschaftlichen Fragestellungen voraus, vor allem mit Problemen der Wahrscheinlichkeitslehre. Die von Frisch zu diesem Thema gelesene Literatur bildet den wissenschaftliche Hintergrund für Walter Fabers Weltanschauung und die Rolle, die der Zufall darin einnimmt. („Ich glaube nicht an Fügung und Schicksal, als Techniker bin ich gewohnt mit den Formeln der Wahrscheinlichkeit zu rechnen. (...) Ich bestreite nicht: Es war mehr als ein Zufall, daß alles so gekommen ist, es war eine ganze Kette von Zufällen.