Ein kurzer Vorab-Blick ins Monty-Python-Buch
Transcription
Ein kurzer Vorab-Blick ins Monty-Python-Buch
«Some are delighted, others sickened» – David Letterman Inhalt 1. Doch ein Vorwort Spielregeln, Warnungen, Verbrauchertipps 2. 8 Unter Ausschluss der Öffentlichkeit Alfred Biolek erinnert sich 3. Kein Vorwort Pythonesk ist, wenn man trotzdem lacht 4. Monty Python’s Flying Circus Alle 45 Folgen der TV-Serie 1969–1974 5. It’s… Das Ende vom Anfang Always Look on the Bright Side of Death: Wie der «Flying Circus» zu Ende ging und ein unsterblicher Kult begann Monty Python’s wunderbare Welt der Ritter der Kokosnuss und Der Sinn des Lebens des Brian 6. Erst Resteverwertung, dann gruppendynamischer Prozess: Warum ein paar Wochen in der Karibik nicht den Psychiater ersetzen 7. Die Zeiten nach Python Die Soloprojekte nach dem Ende des «Flying Circus» oder Kommen wir nun zu etwas nicht ganz völlig anderem Wie war das im Mittelteil? John Cleese: Von Fawlty bis Wanda, von Potter bis Bond Der unermüdlich Reisende Michael Palin: Für die BBC mehrfach um den Erdball Der verrückte Visionär Terry Gilliam: Kultige Jahrhundertfilme von Hollywoods «Staatsfeind Nr.1» Knick, knack… on the Bright Side of Life! Eric Idle: Der gierige Bastard erobert den Broadway Der Ringo der Pythons? Terry Jones: Das verkannte Comedygenie Der Tod steht ihm gut Graham Chapman: The Doctor is in 8. Kein Känguru für Michelangelo Live und in den Charts – Immer wieder vereint, nie wieder zusammen 9. Pythons Patenkinder Die britischen Erben der Comedy-Götter 10. Fliegen im Zirkus, Blödeln für Deutschland oder War witzig wirklich witzig? Monty Python auf Deutsch – Deutsche Comedy im Schatten der Briten 11. Zeitleiste Die wichtigsten Daten im Python-Universum im Überblick 12. Pythonographie nur Monty Python alle Filme, Bücher, Platten, DVDs (mit Beschreibung und Einschätzung aller in Deutschland auf DVD erschienenen Versionen), Online Solo x 6 alle Filme, Bücher, Platten, DVDs (mit Beschreibung und Einschätzung aller in Deutschland auf DVD erschienenen Versionen), Online 1. Doch ein Vorwort Was kann es bedeuten, wenn man die ersten Kapitel eines Manuskripts übersät mit Post-it-Zetteln und Anmerkungen («Was soll das?», «Albern», «Versteh ich nicht», «Ist das witzig?») zurück bekommt, und vor allem mit Fragezeichen, jede Menge Fragezeichen. Im Fall dieses Buches und speziell von Monty Python kann das nur eines heißen: dass man auf dem richtigen Weg ist. Denn die Pythons sind selten verstanden worden, und wenn, dann meist falsch. Die US-Zeitschrift Esquire druckt in jeder Ausgabe neben einem meist attraktiven Bild einer ebensolchen Frau einen Witz in der Rubrik «Funny Joke from a Beautiful Woman» ab, versehen mit dem expliziten Hinweis, man könne nicht dafür garantieren, dass der Witz wirklich ausnahmslos für alle Leser witzig sei. Was nur fair ist, denn wenn der Witz blöd ist, hat man wenigstens noch das Bild. Und wenn auch das nicht hilft, die Genugtuung, dass man sich nicht von billigen Witzen und halbnackten Frauen einwickeln lässt. Trotzdem ist es an der Zeit für ein paar grundsätzliche Spielregeln, an die man sich halten sollte, da man sonst a) viel weniger Spaß an der Sache hat b) vielleicht von anderen Lesern aufgezogen und gehänselt werden würde und sich c) eines Verstoßes gegen das Gesetz zum «Korrekten Lesen komischer Schriften» schuldig machen könnte. Die Sanktionen sind den entsprechenden Gesetzestexten zu entnehmen. Im Zweifel fragen Sie einen Experten Ihres Vertrauens für «Komisches Recht» (und davon gibt es mehr, als man glauben mag). Fünf, äh, drei, drei Regeln sind es, die zu beherzigen sind: Regel 1: Sie sollten wissen, wer Monty Python ist. Das hört sich jetzt vielleicht blöd an, hat aber schon zu etlichen bösen Verwechslungen gehört. Ende der 70er Jahre hätte der Chef eines nicht eben kleinen britischen Medien-Unternehmens beinahe viel Geld für einen Film bereitgestellt, weil er dachte, dass Monty Python dieser drollige kleine Mann mit Schnauzbart und Bowler-Hut ist, der immer so schön harmlose Witze erzählt. Zum Glück für alle Beteiligten ist das ja noch mal gut ausgegangen. Trotzdem wollen die Gerüchte nicht verstummen, dass Monty derzeit in einem Alte-Witze-Pflegeheim in der Nähe von Dover lebt. Regel 2: Bleiben Sie locker. Regel 3: Seien Sie ehrlich, auch zu sich selbst. Geben Sie ruhig zu, wenn sich Ihnen ein Witz nicht erschließt, vielleicht liegt es ja auch am gesellschaftspolitischen Umfeld oder am Klimawechsel. Scheuen Sie sich nicht, auch Ihre Mitmenschen zu fragen, wenn Sie etwas nicht verstehen, am besten gleich jetzt. Gehen Sie zum Beispiel mit einem breiten, gewinnenden Lächeln auf einen wildfremden Menschen zu und fragen Sie ihn, ob er Ihren Popo streicheln will, Sie seien jetzt nicht mehr verseucht. Entweder ihr Gegenüber antwortet mit Monty Python 197 «Mein Luftkissenboot ist voller Aale» und Sie haben einen Python-Freund fürs Leben gewonnen, oder Sie kriegen eins auf die Fresse. In letzterem Fall gilt dann wieder Regel 2. Sie sollten des Englischen so weit mächtig sein, dass Sie den Satz «I’m off to play the grand piano» in einem arrogant-versnobten Upperclass-Tonfall vorbringen können, am besten gefolgt von einem penetranten Heul- respektive Jammerton, beginnend unmittelbar nach dem o in «Piano» und dann bis ins Unerträgliche ansteigend. Gerade für Kontaktscheue ist das durchaus interessant. Wenn Sie Gefahr laufen, sich leicht in ihren religiösen Gefühle verletzt zu sehen, sollten Sie vielleicht Kapitel 6 überspringen, wenn Sie allergisch auf Albernheiten reagieren, sollten Sie vielleicht den gesamten Mittelteil (ab Kapitel 4) auslassen, und wenn Sie überhaupt nichts mit dieser Art von Humor anfangen können, sollten Sie sich fragen, was Sie mit diesem Buch eigentlich wollen, ob nicht irgendwas generell in Ihrem Leben schief läuft und warum Sie so ein humorloser Sack sind. Monty Python 198 Die Reihenfolge der Kapitel ist zwar durchaus mit einem gewissen dramaturgischen Hintersinn entstanden, aber dennoch austauschbar – das bleibt Ihnen völlig selbst überlassen, schließlich verfügt auch jeder mp-3-Player mittlerweile über die Funktion «zufällige Titel». Es besteht auch nur wenig Gefahr, dass Sie im hinteren Bereich des Buches vielleicht etwas erfahren, das Ihnen den Spaß oder die Spannung am vorderen Teil nehmen könnte. Um Enttäuschungen vorzubeugen: Dieses Buch enthält auch keinerlei lebensphilosophische Erkenntnisse wie auch immer gearteter Pilgerreisen oder anderer Selbsterfahrungstrips. Auch «so Stellen», die sich vornehmlich mit schwitzigen Erlebnissen beschäftigen und/oder Krankheitsbildern und anderen Feuchtgebieten «untenrum» (wie Fanny Müller es nennen würde), sind nicht vorgesehen und wären wirklich rein zufällig. Auch geistige Erleuchtung darf man nicht erwarten, es kann aber ebenso wenig völlig garantiert werden, dass diese gänzlich ausbleibt. Zum Abschluss noch das klassische «name dropping» – in Zeiten, in denen kommentarlos ganze Listen abgedruckt werden mit den Namen irgendwelcher Gestalten, die sich hier oder da dann und wann haben blicken lassen, ist die erste Frage doch immer: Wer steht drin? Und wer nicht? Folgende fiktive und reale Personen sind im Buch zu finden (wenn auch nicht in dieser Reihenfolge): Dr. Biolek, Mr. Bean, Dr. House, Prof. Henry «Indiana» Jones, Lord Bernard Delfont, Sir Peter Ustinov, Vicco von Bülow, Saint George of Harrison, Pitt (Brad), Depp (John), Moon (Keith), die Queen und der Papst. Zusammenhang und Ort müssen Sie allerdings schon selbst herausfinden. Natürlich stehen noch viel mehr Namen im Buch, aber das würde den Rahmen sprengen und wäre irgendwie auch sinnlos – da hätte man ja gleich ein Register anhängen können, aber wer kann sich das in Zeiten steigender Energiepreise noch leisten? Ansonsten bleibt alles so drin stehen, wie es ist – es sei denn, wir hören bis Druckannahme von John oder Michael… Dieses Buch soll anregen und erfreuen, den Geist, den Appetit, wenn’s sein muss auch die Verdauung – es befindet sich in seiner Wirkung also irgendwo zwischen Conquistador Coffee («…brings a new meaning to the word vomitì), «Crunchy Frog» («If we took the bones out it wouldn’t be crunchy, would it?») und «Whizzo Butter» («contains 10 % more less»). Wer jetzt ein leichtes Hungergefühl verspürt («Well, I do feel a bit peckish»), vielleicht auch ein unerklärliches Verlangen nach gepresstem, industriegefertigtem Dosenfleisch – warum nicht nach der Lektüre ins «Vesuvio», gleich zwei Querstraßen weiter hier um die Ecke? Vorsicht an der Ausfahrt des Getränkemarktes, die ist ganz schlecht einsehbar. Chef Buco und sein Team freuen sich auf Ihren Besuch (sagen Sie, Sie kommen von mir, dann gibt es Knoblauchbrot gratis und «Grappa auffe Hause»). Sollte es dennoch Probleme oder Ärger geben, wenden Sie sich vertrauensvoll an Mr. Luigi Vercotti oder Mr. Marty Rigelli, East Luton Street, Paignton (3 x klopfen) – das gilt auch für alle Rückfragen und jegliche Kritik an diesem Buch. Und wenn alles den Bach runtergeht, auf drei Dinge kann man sich laut diesen verrückten Jungs von Monty Python immer verlassen: 1. Es gibt kein Känguru im «Letzten Abendmahl» 2. «It’s a fair cop but society is to blame» 3. Im Zweifel geht der Hauptpreis immer an die Frau mit den dicksten Dingern 2. «Unter Ausschluss der Öffentlichkeit» Alfred Biolek erinnert sich «Ich leide an sekundären Unterleibsquetschungen und an einer Infektion des Nahrungstraktes» Alfred Biolek als Antonio im «Ärzte spielen Shakespeare»Sketch in MONTY PYTHON’S FLIEGENDER ZIRKUS, 1972 Der Silvesterkater war gerade abgeklungen, als am 3. Januar 1972 kurz vor 21 Uhr im ersten deutschen Fernsehprogramm Claudia Doren, die reguläre Ansagerin des WDR, eine ungewöhnliche Show von «sechs jungen Engländern» ankündigte: «Monty Python’s Fliegender Zirkus» – wonach sie von zweien ebendieser Engländer rücklings in den hinter ihr liegenden See gezerrt wurde. Genau genommen waren es vier Engländer, ein Waliser und ein Amerikaner, und nach Deutschland geholt hatte die Truppe mit dem seltsamen Namen Monty Python ein deutscher Fernsehproduzent, der später in Deutschland mindestens so bekannt werden sollte wie die Pythons in England: Alfred Biolek. Der Mann, den wir seit Jahrzehnten aus dem Fernsehen als Showmaster («Bios Bahnhof»), Talkmoderator («Boulevard Bio») und Vorkocher der Nation («alfredissimo») kennen, leistete in seiner Zeit als TV-Produzent (vor allem für Rudi Carrell und «Das laufende Band») wahre Pionierarbeit und holte große Namen wie Sammy Davis jr., Ella Fitzgerald und Herman van Veen nach Deutschland. Zu seinen Glanzleistungen gehörte aber sicher auch die Entdeckung von Monty Python fürs deutsche Fernsehen – und das durchaus gegen den Willen der Mehrheit des deutschen TV-Publikums, wie die Reaktionen der Zuschauer zeigten (mehr dazu im letzten Kapitel und im nachfolgenden Interview). Als Dr. Alfred Biolek 2008 in Berlin die «Goldene Kamera» für sein Lebenswerk überreicht bekam, hielt die New Yorker Sängerin Helen Schneider – auch eine Biolek-Entdeckung – die Laudatio auf den Fernsehmann. Eigentlich hätte dies aber ein anderer tun sollen: Monty-Python-Star John Cleese, der aus gesundheitlichen Gründen absagen musste. Man muss sich nur ansatzweise vorstellen, wie Cleese vielleicht in einem seiner «silly walks» auf die Bühne gekommen wäre und die Auszeichnung in Anspielung auf den legendären «Dead Parrot»-Sketch hätte umtauschen wollen, um zu ahnen, was uns entgangen ist – «but don’t mention the war!». Im Februar 2008 erinnerte sich Alfred Biolek in Berlin im Gespräch mit dem Autor an die manchmal durchaus wilden Zeiten mit Monty Python: Alfred Biolek (links) und John Cleese (als Rotkäppchen) Cover der Video-Kassette MONTY PYTHON‘S FLIEGENDER ZIRKUS Wie sind Sie zum ersten Mal auf Monty Python aufmerksam geworden? Alfred Biolek: Das Komische ist: Ich weiß es nicht mehr. Als die Pythons in Montreux mit der «Silbernen Rose» ausgezeichnet wurden, hatten wir sie ja schon nach München eingeladen. Ob mich damals vielleicht jemand auf sie aufmerksam gemacht hat? Ich kann mich wirklich nicht mehr erinnern. Es gab ja nicht die Möglichkeiten wie heute, wo man irgendwo über Satellit oder im Internet einen Kanal erwischt, auf dem man dann ein solches Programm zufällig entdecken kann – das gab’s ja alles nicht. Es gab ja nicht mal Video! Da ich aber damals immer wieder mal in London war, vermute ich, dass ich dort eine der BBC-Sendungen gesehen habe. Wie kam es dann zur Kontaktaufnahme? Ich habe zunächst die Verantwortlichen bei der BBC gebeten, den Kontakt herzustellen, was sie auch gemacht haben. Dann habe ich bei den Pythons angefragt, ob sie nicht gerne nach Deutschland kommen möchten, worauf sie geantwortet haben, nein, möchten sie nicht. Davon haben Sie sich aber nicht abschrecken lassen. Nein. Ich hab daraufhin gefragt, ob ich mich nicht mal mit ihnen treffen könnte. Da hieß es dann, ja, das könne man wohl machen. Und so bin ich nach London geflogen, und wir haben uns im BBC Club getroffen, das weiß ich noch ganz genau. Ihre erste Frage war natürlich, warum sie nach Deutschland kommen sollten, sie seien jetzt gerade so bekannt in England und hätten eigentlich gar kein Interesse, außerhalb des Landes aufzutreten – und in Deutschland schon gar nicht. Und wie haben Sie’s geschafft, dass sie doch zusagten? Das wurde ein langer Abend mit viel Gin Tonic, an dem ich sie quasi überzeugt habe. Jedenfalls hieß es danach: Okay, gut, wir kommen. Der Deal war aber, dass sie eine Woche nach Deutschland kommen könnten, ohne sich schon zu verpflichten, die Sendung tatsächlich zu machen. Sie wollten sich zunächst umschauen und recherchieren, ob sie genügend Material finden würden. Was sie ja offensichtlich auch haben. Ja, sie kamen für eine Woche und wir haben alles besichtigt, vom Hofbräuhaus über Dachau bis zu allen Schlössern König Ludwigs und dem Albrecht-DürerHaus. Dann sind sie wieder nach Hause und haben signalisiert: Jawohl, wir machen’s. Und Sie waren damals die ganze Zeit mit ihnen unterwegs? Die ganze Woche, jeden Abend. Nach drei oder vier Abenden hab ich gesagt, heute brauch ich mal einen Abend für mich und ihr unternehmt alleine etwas. So um halb neun höre ich, wie kleine Steinchen an mein Fenster geworfen werden. Ich schaue raus und sehe drei von ihnen draußen stehen – die wohnten nämlich im Hotel in derselben Straße – und einer sagte nur: «Alfred, I don’t think you will get an evening by yourself.» Dann ging’s also wieder los und wir haben die ganze Woche miteinander verbracht. Auch als wir später gedreht haben, waren wir ziemlich viel zusammen, wir sind zum Beispiel auch mal übers Wochenende ins Elsass gefahren. Dann wurde das Drehbuch aus England geschickt? Ja. Die Pythons haben das Drehbuch geschrieben, das Thomas Woitkewitsch dann übersetzt hat. Bei der ersten Folge haben sie ja tatsächlich deutsch gespro- chen und ihre Texte wie in Lautschrift auswendig gelernt. Bei der zweiten Folge wurde dann englisch gesprochen und wir haben’s synchronisiert. Übrigens gab es später in den siebziger Jahren im dritten Programm des Süddeutschen Rundfunks noch eine Version der BBC-Folgen des FLYING CIRCUS, zu denen wir, statt zu synchronisieren, einen deutschen Subtext gesprochen haben, also auch keine Untertitel, sondern einfach gesprochene Erklärungen. Das hab ich damals zusammen mit Woitkewitsch gemacht. Aber das lief sozusagen unter Ausschluss der Öffentlichkeit im Dritten, wie ja in dieser Zeit die dritten Programme sowieso eher unbemerkt sendeten – im Gegensatz zu heute, wo sie genauso zum Mainstream gehören wie alle anderen. Aber damals konnte man eben noch Sachen ausprobieren, das machen heute vielleicht gerade noch Programme wie 3Sat und arte, die ja eher für die Minderheiten senden. Warum wurde die erste Sendung überhaupt auf Deutsch produziert? War das eine Idee der Pythons? Das weiß ich, ehrlich gesagt, nicht mehr. Wahrscheinlich hatten wir das vorgeschlagen, und sie fanden es gut, aber auch gut möglich, dass sie’s selber angeregt hatten. Laut der offiziellen Python-Autobiographie war John Cleese damals ein bisschen sauer, weil er davon ausging, eigentlich ziemlich gut deutsch zu können. Na ja. (lächelt) Ich kann nur sagen, dass er später tatsächlich besser deutsch gesprochen hat, er hat ja immer wieder dazugelernt. Aber damals war er nicht viel weiter als die anderen. Cleese war es auch, der behauptete, die Pythons hätten sich in Deutschland alles angesehen und mit den Verantwortlichen – also Ihnen – abgesprochen, nur um dann zuhause «wie immer etwas völlig anderes» zu schreiben… Was ja nicht ganz stimmt, denn Dürer war drin, auch die olympischen Spiele, Rotkäppchen, der Holzfäller. Gut, es gab jetzt keinen direkten Sketch übers Hofbräuhaus, aber König Ludwig kam vor und auch die Schlösser. Und dann das Shakespeare-Stück, gespielt von Ärzten… Mit Ihrem unvergessenen Gastauftritt als Antonio im Arztkittel. In Ihrer Biografie schreiben Sie zwar: «Ich wollte à la lounge auf den Schirm» – aber doch wahrscheinlich nicht so, oder? Nein. Das war einfach nur ein Gag. Thomas Woitkewitsch hatte auch ein paar kleine Auftritte. Ich hab ja auch die olympischen Spiele kommentiert, den Lauf der Männer mit Sextanerblase, der Orientierungs- und Gehörlosen, den Wettkampf der Nichtschwimmer… Hagelte es damals nicht Proteste der Zuschauer, nach dem Motto: So was kann, so was darf man nicht machen? Nein, nicht dass ich wüsste. Oft gingen aber solche Proteste ja nur an den Sender und wurden gar nicht an uns weitergegeben. Es war ja eine Bavaria-Produktion für den WDR, und der WDR war damals der progressivste und mutigste unter den deutschen Sendern, gerade in punkto Unterhaltung. Wie kam die erste Sendung denn bei den Zuschauern an? Das war ein absoluter Flop, das kann man nicht anders sagen, sowohl in der Quote, als vor allem auch in der Bewertung. Die Quote wurde damals ja noch nicht durch ein Gerät ermittelt, sondern durch Telefonanrufe. Bei der Gelegenheit wurde auch gefragt, welche Note man der Sendung geben würde, von +10 bis –10. Die Sendung bekam, wenn ich mich recht erinnere, eine –7. Deutschland war eben für den englischen «sense of humour» überhaupt noch nicht bereit. Man lachte über Heinz Erhardt, man lachte über Rudi Carrell, und am besten möglichst noch über Rudi Carrell und Heinz Erhardt zusammen – das 1. Folge von MONTY PYTHON‘S FLIEGENDEM ZIRKUS mit den Olympischen Spielen (oben), König Ludwig (Mitte) und Ärzten, die Shakespeare spielen (unten). Graham Chapman als Wilhelm Tell war komisch. Aber diese Art von Humor war völlig ungewohnt, und die Leute konnten damit nichts anfangen. Wie waren die Kritiken damals? Das weiß ich nicht. Um ganz ehrlich zu sein: mich hat Kritik nie besonders interessiert, weder später, als es um meine Person ging, noch in der Zeit, als es um das ging, was ich produziert habe, denn eigentlich ist immer alles verrissen worden. Schlechte Kritiken gab’s also bestimmt, aber das hätte mich – und hat uns ja – nicht daran gehindert, eine zweite Folge zu machen. Die zweite Sendung wurde also trotz mieser Quoten, schlechter Kritiken und einem allgemeinen Desinteresse seitens der Zuschauer produziert? Ja, und das lag daran, dass der WDR einen sehr experimentierfreudigen, aufgeschlossenen und mutigen Unterhaltungschef hatte, nämlich Hannes Hoff, der uns einfach noch eine zweite Show machen ließ. Und da waren dann ein paar absolute Highlights drin. Das habe ich vor allem gemerkt, nachdem ich mir irgendwann später die Videokassette vom Monty-Python-Auftritt LIVE AT THE HOLLYWOOD BOWL besorgt hatte. Dort spielen sie ja Sketche live auf der Bühne und dazwischen gibt es Filmsketche als Einspieler. Und wenn man sich jetzt vor Augen hält, wie viele Folgen die Pythons in England für die BBC produziert haben, dann ist es schon erstaunlich, dass etwa die Hälfte der eingespielten Filme aus unserer damaligen Produktion stammten – vor allem das Philosophen-Fußballspiel, aber auch noch ein, zwei andere. Das zeigt, dass sie offensichtlich das, was sie damals bei uns gemacht haben, auch selbst durchaus hoch einschätzten. Wie kamen denn eigentlich die eher an konservative öffentlich-rechtliche Arbeit gewöhnten Bavaria-Techniker und Kameraleute mit dem schrägen Python-Humor zurecht? Das waren teils fest angestellte, teils auch freie Mitarbeiter, die von der Bavaria für diese Produktion engagiert wurden. Aber da gab es auch jemanden wie den Kameramann Justus Pankau, den ich vorher bereits kannte, und das war selbst so eine Type! Der hätte problemlos ein Teil von Monty Python sein können, der war einfach wunderbar, genial. Und für ihn war es das Größte, bei den MontyPython-Shows mitzuarbeiten. Ich hab ihn neulich noch getroffen bei einer Veranstaltung, er ist inzwischen natürlich längst pensioniert, er war eigentlich beim Süddeutschen Rundfunk beschäftigt, wurde aber für solche Sachen frei gestellt. Er hat auch beide Folgen als Kameramann gedreht, weil er wirklich so gut dazu passte. Ihren Regisseur hatten die Pythons ja selbst mitgebracht, Ian MacNaughton, der blieb dann später in Deutschland und hat eine Deutsche geheiratet, ist aber mittlerweile gestorben. (der Schotte MacNaughton starb 2002 im Alter von 76 Jahren) Hatten Sie später noch Kontakt zu den Pythons? Nein, außer bei der Beerdigung von Graham Chapman, im Jahr 1989. Zu der Trauerfeier sind Thomas Woitkewitsch und ich damals nach London gereist. Ich hatte Graham auch vorher mal zu Hause besucht, das muss so ein, zwei Jahre vor seinem Tod gewesen sein. Nach der Trauerfeier gab es abends noch ein kleines Fest, das war dann das letzte Mal, dass wir uns alle gesehen haben. Gleich nach der Produktion unserer Sendungen hatten wir uns übrigens noch in Montreux getroffen, beim Fernsehfestival, das war sehr schön. Dort haben sie die «Silberne Rose» bekommen und damit zum ersten Mal über England hinaus international hohe Anerkennung erfahren. (Monty Python bekam 1971 beim angesehenen «Rose d’Or»-Festival der Fernsehunterhaltung im Schweizer Montreux die «Silberne Rose». Der erste Preis, die «Goldene Rose von Montreux», ging damals an die österreichische TVSendung «Peter Lodynski’s Flohmarkt Company», eine Show, die jeder, der sie gesehen hatte, als «exactly like Python» beschrieb, wie Michael Palin in seinem Tagebuch notiert. Palin kommt danach zu dem Schluss, der Grund, dass die Kopie dem Original vorgezogen wurde, sei darin zu finden, dass Produktion und Präsentation der österreichischen Konkurrenten sehr «slick», also professionell gewesen sei, während die Python-Shows eher «sloppy», schlampig daherkämen. Mit der «Bronzenen Rose von Montreux» wurde im gleichen Jahr Vicky Leandros für ihre experimentelle WDR-Fernsehshow «Ich bin» ausgezeichnet) Machte sich denn schon damals die Unterschiedlichkeit der Charaktere der Pythons bemerkbar? Absolut, das waren ja sehr unterschiedliche Temperamente, das merkte man besonders, wenn wir privat unterwegs waren. Was wir aber damals nicht ahnten – und die sechs natürlich selber auch nicht –, war, dass sie alle später auch international eine solche Karriere machen würden. Ich hätte natürlich nie gedacht, dass das so etwas Besonderes werden würde, was ich da mache. Das war schon eine tolle Sache und ich bin ein bisschen stolz, dass sie damals auch mir zuliebe nach Deutschland gekommen sind, weil sie ja zuerst eigentlich gar nicht wollten, ich sie aber überzeugen konnte. So ähnlich ging’s mir später auch mit Herman van Veen, der auch erst nicht wollte, aber mir zuliebe kam. Wie waren denn Ihre persönlichen Sympathien verteilt? Ich empfand immer John Cleese als den eindrucksvollsten und Michael Palin als den liebenswertesten der Pythons. Die anderen waren etwas reservierter. Der kommunikativste und herzlichste war schon Michael Palin, keine Frage, der war ja auch sehr bodenständig. Palin sagte später mal, es sei immer vorteilhaft gewesen, mit John Cleese unterwegs zu sein, zum Beispiel im Flugzeug, weil der immer gleich erkannt wurde und man dann von der bevorzugten Behandlung profitieren konnte. Cleese ist ja später vor allem des Wetters wegen nach Santa Barbara gezogen. Ja, komisch, das hab ich nie ganz verstanden, der ist doch sehr britisch, dann hat er auch diesen Hang zu Deutschland und zieht plötzlich so weit weg nach Kalifornien. Sehr eigenartig. Trafen die Python-Sketche denn grundsätzlich Ihre Art von Humor? Ja, ich konnte mit diesem Humor sehr viel anfangen. Ich war schon als Schüler ein Jahr in Amerika gewesen. Der amerikanische Humor ist zwar auch wieder anders als der englische, aber ich war schon zu der Zeit sehr international orientiert, was jetzt gar nicht speziell auf den Humor bezogen war. Ich hatte 1968 und ’69 eine Sendung fürs ZDF produziert, die NIGHTCLUB hieß, und schon da hatten wir große Stars zu Gast, Josephine Baker, Ella Fitzgerald, Artisten aus Pariser Nachtclubs und eben auch Comedians, wie man heute sagen würde, englische Komiker, die völlig verrückte Sachen gemacht haben. Daher war mir das alles schon ein bisschen vertraut. Ich bin damals auch immer wieder in England gewesen und hab mir viele solcher Sachen angesehen – offensichtlich ja auch die Pythons. Hätte ich mit dieser Art von Humor nichts anfangen können und es nicht gut gefunden, dann hätte ich’s auch nicht produziert. (lächelt) Es war wirklich eine wichtige Zeit für mich, aber es kam eben hinterher noch so viel anderes bei mir. Etwas, das gleich anschließend bei Ihnen kam, war die Satiresendung DAS FASS, in der Sie sich zusammen mit einigen anderen Mitstreitern gewissermaßen am pythonesken Humor versuchten. Wie kam es dazu? Bavarian Restaurant Sketch Na ja, wir hatten uns damals überlegt: Wenn die das können, können wir das auch. Die Pythons waren ja in dem Sinne keine Profis, auch keine richtigen Schauspieler. Wir, das waren der damalige Bühnenbildner, auch Thomas Woitkewitsch und ein paar andere. Das war auch teilweise ganz lustig, aber wenn man sich vor Augen hält, dass deren Show schon nicht ankam, dann kann man sich vorstellen, wie wenig unsere ankam. (lächelt) Das war schon sehr gewöhnungsbedürftig. Wann lief die Sendung? Im Vorabendprogramm der ARD, produziert fürs Westdeutsche Werbefernsehen, WWF. Es gab nur eine Sendung, und die kam auch gleich ins Archiv. Interessanterweise zeige ich aber auch in meiner Bühnenshow sowohl ein paar Ausschnitte aus Monty Python, als auch eine kleine Sache aus dem FASS, was immer sehr gut aufgenommen wird. Die Leute können dann immer gar nicht glauben, wenn ich ihnen erzähle, dass es damals keiner sehen wollte. Haben Sie damals und auch heute in irgendeiner Form noch Einflüsse der Pythons auf den Humor in Deutschland entdecken können? Nein. Dieser skurrile Humor hat in Deutschland nie wirklich stattgefunden. Was irgendwann aus England und Amerika herübergeschwappt ist, wie so vieles andere auch, sind die so genannten Comedians. Stand-up-Comedy hat es dort ja immer schon gegeben, aber die hatten nicht diesen skurrilen Humor der Pythons. Ich sehe da auch keine Nachfolger, niemanden, der das in irgendeiner Form aufgegriffen hätte. Was das Spielen mit Konventionen und den Einfallsreichtum beim Erfinden skurriler Figuren und Geschichten betrifft, könnte man vielleicht noch an Helge Schneider denken. Ein wenig, ja, aber das ist natürlich schwer zu vergleichen, weil die Pythons ja als Gruppe auftraten. Ein bisschen geht vielleicht auch Bully Herbig mit seiner Bullyparade und seinen parodistischen Kinofilmen wie DER SCHUH DES MANITU in diese Richtung, aber auch nicht wirklich. Zum Abschluss die Glaubensfrage: Haben Sie einen Lieblingssketch aus dem Monty-Python-Repertoire? Ja, das Fußballspiel der Philosophen.