Große Unterschiede bei Zulassung biologischer Mittel
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Große Unterschiede bei Zulassung biologischer Mittel
Hans Scholten Berater in Frankreich hansscholten@sfr.fr Große Unterschiede bei Zulassung biologischer Mittel Info Gentechnik In den USA wird Gentechnik als eine Möglichkeit betrachtet, den Einsatz chemischer Mittel in der Landwirtschaft zu reduzieren. Deshalb ist diese Technik dort auch in der biologischen Landwirtschaft akzeptiert. Cisgenetik Dem Vertreter der niederländischen Universität Wageningen, Rob van de Broek, wurden auf dem Symposium in Lille im vergangenen März viele Fragen über das Thema Cisgenetik* gestellt. Die Zuhörer waren sehr interessiert an den Entwicklungen rund um diese Technik. Die Reaktionen vieler Teilnehmer zeigten jedoch, dass Cisgenetik nicht mit offenen Armen empfangen wird. 10 EFM 2010-06 Im französischen Lille fand am 10. und 11. März ein europäisches Symposium über die Zulassung von biologischen Pflanzenschutzmitteln in Europa statt. Zwischen den europäischen Ländern bestehen riesengroße Unterschiede in Bezug auf das Zulassungsverfahren, so zeigte sich auf dem Kongress. dem amerikanischen Markt 2.500 Produkte dieser Art zugelassen. In manchen europäischen Ländern sind das noch nicht einmal 25. Das ist nur 1 % der in Amerika zugelassenen Mittel! Auch zwischen den einzelnen europäischen Staaten gibt es große Unterschiede bei der Zahl der zugelassenen Mittel und dem Zulassungsverfahren. Die im biologischen Anbau verwendeten Pflanzenschutzmittel sind fast immer natürlichen Ursprungs. Dennoch ist es nicht immer leicht, für diese Mittel eine Zulassung zu bekommen. In vielen Ländern muss dasselbe Verfahren durchlaufen werden wie für die Zulassung konventioneller Pflanzenschutzmittel. Die extrem hohen Kosten dieses Verfahrens halten die Hersteller oft davon ab, eine Genehmigung zu beantragen. Der Markt für biologische Mittel ist vorläufig noch sehr klein. Dadurch ist es für Hersteller oft so gut wie unmöglich, die großen Beträge, die für eine Zulassung aufgebracht werden müssen, wieder hereinzuholen. Die Zahl der zugelassenen Mittel bleibt dadurch in vielen Ländern begrenzt. Frankreich versus Belgien Amerikanischer Markt Zwischen Europa und anderen Ländern auf der Welt besteht ein großer Unterschied in der Auffassung über natürliche Pflanzenschutzmittel. In den USA gilt das Prinzip, dass ein natürliches Mittel immer weniger schädlich ist als sein chemisches Gegenstück. Deshalb bekommen natürliche Mittel in den USA sehr leicht eine Zulassung. Insgesamt sind auf *Transgenetik- Cisgenetik Die Form der genetischen Modifikation, bei der Gene von einem Organismus (beispielsweise Bakterium) auf einen anderen Organismus (Apfel) übertragen werden, wird in die Züchtung Transgenetik genannt. Cisgenetik ist die Übertragung von Genen von der einen zur anderen Sorte innerhalb derselben (Pflanzen-) Art (Übertragung der Schorfresistenz einer Apfelsorte auf eine andere Apfelsorte). Das Antragsverfahren für konventionelle Pflanzenschutzmittel verläuft in allen EU-Ländern nahezu gleich. Das Verfahren für biologische Mittel ist jedoch in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich. In Frankreich muss vor der Markteinführung eines biologischen Mittels exakt dasselbe Verfahren durchlaufen werden wie für ein chemisches Produkt. Dieses Verfahren ist teuer und dauert mindestens drei Jahre. Hier gilt das Prinzip, dass auch ein natürliches Mittel für Menschen tödlich sein kann. Anders ist das in Belgien, wo seit 2007 ein spezielles Verfahren gilt. Dort wird der Antragsteller während der Erstellung des Antrags intensiv begleitet. Biologische Mittel bekommen im Verfahren Vorrang vor konventionellen Mitteln. Hierdurch dauert das Verfahren weniger lang. Ein Mittel kann schon innerhalb eines Jahres nach Antrag eine Zulassung bekommen. Der belgische Staat trägt einen Großteil der Kosten, wodurch Betriebe leichter eine Registrierung für ein biologisches Mittel beantragen. Seit der Einführung dieses Verfahrens sind in Belgien achtzehn Mittel für den biologischen Anbau genehmigt worden. Deutschland sehr tolerant In Deutschland sieht die Situation ganz anders aus. Hier ist es erlaubt, dass landwirtschaftliche Betriebe selbst Präparate aus in der Natur vorkommenden Produkten herstellen. Voraussetzung ist, dass die hierfür benötigten Kräuter selbst gepflückt wurden. Es ist also beispielsweise verboten, Lavendelextrakt aus zugekauftem Lavendel herzustellen. Erlaubt ist hingegen, diese Pflanze selbst anzubauen und zu einer Spritzbrühe zu verarbeiten. Durch diese Bestimmung in den deutschen Vorschriften stehen Bio-Bauern in Deutschland relativ viele Mittel zur Verfügung. Das könnte sich 2013 jedoch ändern, weil diese Vorgehensweise mit der europäischen Harmonisierung der Zulassung verboten wird. Italien großer biologischer Produzent In Italien konnte sich die biologische Landwirtschaft stark entwickeln. Neben Deutschland, Österreich und Dänemark gehört dieses Land zu einem der größten europäischen Produzenten von Bio-Produkten. Fast 20 % der italienischen Landwirtschaft sind biologisch. Nach Angaben einer italienischen Sprecherin dürfen in Italien jedoch nur sehr wenige Mittel verwendet werden. Die Gesetzgebung ist ähnlich wie in Frankreich. Auch in Italien besteht im Zulassungsverfahren für biologische Mittel kaum ein Unterschied zum Verfahren für chemische Mittel. Gespräche mit italienischen Obstbauern zeigen jedoch, dass viele natürliche Mittel toleriert werden, auch wenn dies von keiner offiziellen Stelle bestätigt wird. Außerdem kursieren Geschichten über europäische Obstbauern, die biologische Mittel in Italien einkaufen, weil dort „alles zu finden“ ist. Praktisches Beispiel Ein gutes Beispiel für die Unterschiede zwischen den einzelnen europäischen Ländern ist die Zulassung von Brennnesseljauche. Diese Lösung, die man erhält, wenn man Brennnesseln in Wasser „ziehen“ lässt, ist schon seit Jahrhunderten bekannt. Sie wird für diverse Feldfrüchte verwendet und wirkt unter anderem gegen Läuse. In Deutschland darf Brennnesseljauche verwendet werden, wenn die Brennnesseln im eigenen Betrieb gepflückt wurden. In Frankreich wurde vor einigen Jahren ein Bio-Bauer vor Gericht geladen, weil er diese nicht registrierte Lösung verwendet hatte. In Italien tut der Gesetzgeber so, als ob er nicht wüsste, dass dieses Mittel angewandt wird. Harmonisierung Die zukünftige europäische Harmonisierung der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln hat nicht nur einen Einfluss auf die Zulassung der Mittel. Auch die Entsorgung leerer Verpackungen, das Verbot des Spritzens unter Einsatz von Flugzeugen und die Lagerung von Mitteln werden im betreffenden Gesetzesartikel geregelt. In allen europäischen Ländern wird zukünftig auch eine Spritzlizenz erforderlich sein. Zwischen den einzelnen Ländern bestehen große Unterschiede beim Zulassungsverfahren für biologische Pflanzenschutzmittel. EFM 2010-06 11