Auf dem Gipfel

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Auf dem Gipfel
| Porträt
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Der Jubilar:
Geburtstagsfeier im
Dornier Delta, begleitet von Verbandsgeschäftsführer HansKarl Sternberg und
promobil-Verlagsleiter
Adi Kemmer.
50 Jahre Hymer
Der Ingenieur:
Erwin Hymer mit
dem Prospekt seines
Hymermobil 550 von
1971, des Vaters der
heutigen Reisemobile.
Auf dem Gipfel
50 Jahre Reisemobile und Caravans von Hymer.
Hinter dem Erfolg steckt ein Name: Erwin Hymer.
D
er Mittsiebziger marschiert
mit flottem Tempo durch
die Fabrik. Während des
Gehens schweifen die Augen
aufmerksam nach links und
nach rechts. Falkenaugen, denen so schnell nichts entgeht.
Prüfende und genaue Augen,
die im Gespräch das Gegenüber
präzise fixieren, die Augen
eines Ingenieurs.
Erwin Hymer lässt sich kein
X für ein U vormachen. Dafür
hat der große Mann der europäischen Reisemobil- und Caravanbranche zu viel erlebt, zu viel
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promobil 2/2007
bewegt. 76 Jahre ist er, hat vor
kurzem zwei neue Hüftgelenke
eingesetzt bekommen. Fährt
sich mit gespielter Koketterie
beim Fototermin über das
schüttere Haupthaar. Und hüpft
unter den erschreckten Blicken
seiner Umgebung munter von
dem Stapel Paletten hinunter,
den er auf Geheiß des Fotografen bestiegen hatte.
Dann geht’s hoch hinauf auf
einer Außentreppe bis fast zum
Dach der neuen Produktionshalle am Stammsitz in Bad
Waldsee. Ein Sinnbild: 50 Jahre
nach dem Bau des ersten EribaCaravans, dem so genannten
„Ur-Troll“, ist Erwin Hymer
wieder einmal auf einem Gipfel
angelangt. Hier oben pfeift ein
scharfer Winterwind, einen Erwin Hymer ficht das nicht an,
weder wörtlich noch im übertragenen Sinn.
Hymer weiß, wo oben ist. Er
kennt die Mühseligkeit des Aufstiegs, weiß um die Gefahr eines
Absturzes, kalkuliert Risiken.
Während das Jubiläumsfieber
seine Firma erfasst, macht sich
Erwin Hymer nicht viel daraus.
„Wir haben immer gearbeitet,
und jetzt arbeiten wir weiter“,
stellt er nüchtern fest. Da ist er,
der Ingenieur, der Schwabe, ein
Schaffer, wie man im Süddeutschen sagt.
Aber kein Asket, feiert gern,
gönnt sich was. Er, der den
Handwerksbetrieb des Vaters
Alfons Hymer in ein europaweit agierendes Firmenimperium verwandelt hat. Rollt am
Steuer einer feinen S-Klasse ins
Büro, wohnt in einem schicken
Heim, nennt am nahen Bodensee ein noch schickeres sein
Eigen. Und isst mittags ganz
selbstverständlich mitten unter
den Arbeitern in der Werkskantine, reiht sich in die Schlange
vor der Essensausgabe ein, meldet geschäftig den Besuch an
der Kasse an, damit auch ja
nichts schief geht. Ein Patriarch
alter Schule, Erfolgsmann mit
Bodenhaftung, keiner dieser
Ackermänner oder Essers.
Der Karnevalist:
Fasnacht in Oberschwaben ist eine
Institution. Erwin
Hymer mit Ministerpräsident Günther
Oettinger.
Der Patriarch:
Auch mit 76 Jahren
ist Erwin Hymer täglich im Unternehmen
anzutreffen.
Die S-Klasse krönt nicht nur
als Pkw den Fuhrpark. Traditionell führt sie ebenso die Flotte
der Reisemobile an, Hymermobil S-Klasse heißt seit Jahrzehnten die Hymer-Spitzenbaureihe. Das führt mitunter zu
Konflikten mit der Marke mit
Stern, die penibel auf Namensrechte achtet.
Vor einiger Zeit bot ein Vorstand des Automobilriesen Erwin Hymer einen Vertrag über
die Namensrechte an. Hymer
grinst verschmitzt, er erkannte
die vergiftete Offerte sofort:
Verträge enden irgendwann,
dann wäre er die Hymermobil
S-Klasse für immer losgewesen.
„Ich bin immer nur der Techniker gewesen“, stellt Erwin
Hymer sein Licht gern unter
den Scheffel, doch ein rechter
Schwabe ist stets sein eigener
Finanzminister, Controller und
gewiefter Verhandlungsführer.
Passend dazu ist das Büro
des Mehrheitsaktionärs und
Aufsichtsrats der Hymer AG
zwar großzügig gestaltet und
gediegen eingerichtet, aber beileibe nicht protzig. Hinter dem
Schreibtisch hängt ein großes
Ölbild vom ersten Caravan,
die Szene spielt am Bodensee.
„Das hat der Erich Bachem gemalt“, betont Erwin Hymer. Zusammen mit Bachem, dessen
Namenskürzel „Eriba“ heute
noch die Caravans schmückt,
startete das Geschäft mit den
Caravans 1957.
Heute haben längst Reisemobile die Oberhand gewonnen. Einen ersten Versuch startete Hymer 1961 mit dem Caravano, einem Campingbus auf
Borgward-Basis. Zehn Jahre
später wagte Hymer den zweiten Anlauf. Anlass bot ein Urlaubserlebnis: „Wir waren in
Frankreich unterwegs, hatten
endlich ein kleines Hotel in
Monaco gefunden, sind dann
jeden Tag mit dem Auto hinund hergefahren. Das muss
man anders machen, habe ich
mir gedacht.“ So erfindet man
Reisemobile, deshalb gelten
Schwaben als Tüftler.
Von Beginn an lag die Priorität Erwin Hymers bei Integrierten, „ich habe gesagt, wir
bauen ein richtiges Fahrzeug“.
Hatte Hymer doch zuvor in jun-
gen Jahren den Dornier Delta
entwickelt, ein winziges Auto
mit bis zu sechs Sitzen, Familienkutsche, rollende Einkaufstasche. Und Freizeitfahrzeug:
Die zwei Sitzbänke verwandelten sich im Handumdrehen in
eine Liegefläche.
Neben Einfallsreichtum, Urteilskraft und einer ausgeprägten
Ader fürs Finanzielle zählen zu
den Eigenschaften Erwin Hymers auch Tempo und Zähigkeit. Siehe Brand des Werks im
Jahr 1968: „Mittwochs brannte die Fabrik ab, am Samstag
lagen die Baupläne vor, am
Montag war die Baugenehmigung erteilt.“
Das nennt man Unternehmertum. Es kennzeichnet die
Firmengruppe mit ihren zahlreichen Marken und ausgesuchten Vorständen und Geschäftsführern auch heute. Man
schaue sich nur das Jahr 2006
an: Die riesige Fertigungshalle
mit 24 000 Quadratmetern in
Bad Waldsee gebaut, die Tochtermarke Carado mitsamt Fertigungsstätte nahe Dresden ins
Leben gerufen, das imponierende Verkaufszentrum Expocamp
in Wertheim/Main eingeweiht,
in einem Rutsch alle Reisemobile erneuert.
Probiert Hymer die eigenen
Caravans und Reisemobile aus?
„Aber sicher, nur habe ich dafür
zu wenig Zeit.“ Man glaubt’s,
ein Erwin Hymer hat es eilig
auf dem Weg zum nächsten
Gipfel, selbst wenn er sich
inzwischen in reifen Jahren
manche Pausen nimmt. Fürs
Tagesgeschäft sind die Manager zuständig. Doch ein Erwin
Hymer mischt sich weiter mit
der ihm eigenen Beharrlichkeit
ein, schaut nach dem Rechten,
hält mit seiner Meinung nicht
hinter dem Berg.
Äußerlichkeiten wischt Erwin Hymer beiseite. Inhalt
zählt, nicht Verpackung. Wohl
deshalb hat er nicht bemerkt,
dass die Bügel seiner Brille drei
Aussparungen zeigen, sie entsprechen exakt den Streifen im
Hymer-Markenzeichen. Das haben die Falkenaugen übersehen.
Text: Randolf Unruh
Fotos: Tschovikov, Archiv
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