13 Der Besuch von kranken und sterbenden Menschen ist oft mit
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13 Der Besuch von kranken und sterbenden Menschen ist oft mit
Mit freundlicher Genehmigung des Schweizer Odd Fellow-Wortes Ausgabe 5-2012 La peur / La paura Der Besuch von kranken und sterbenden Menschen ist oft mit Angst verbunden Es liegt nicht jedem gleich gut, schwerkranke oder sterbende Menschen zu besuchen. Es ist eine schwierige Aufgabe, und der Gang ins Spital ist oft mit Angst verbunden. Aber es sind nicht nur Profis und Ehrenamtliche, die trösten sollen. Als Odd Fellow verpflichtet man sich, Kranke zu besuchen und Sterbende zu begleiten. Im Rahmen einer Gästeloge der St.-Ursen-Loge in Solothurn wurde dieses Thema in einem Vortrag zur Sprache gebracht. ■ Thomas Giuliani* Wir sollen als Verwandte, Freunde, Nachbarn, Arbeitskollegen oder Vereinsmitglieder Kranke besuchen. Diesen Besuch verrichten wir jedoch nicht, um unsere Neugier zu befriedigen, sondern um dem Kranken beizustehen und ihn zu trösten. Wir möchten den uns möglichen Beitrag leisten, das * Thomas Giuliani ist Mitarbeiter der Hospizgruppe Solothurn. Die Gruppe besteht aus Frauen und Männern, die ehrenamtlich als ausgebildete Trauerund SterbebegleiterInnen tätig sind . Sie unterstehen der Schweigepflicht und sind politisch und konfessionell neutral. Leid zu erleichtern. Dazu bringen wir Geschenke mit, von denen wir hoffen, dass sie den Kranken trösten, stärken, erfreuen, erheitern aufbauen oder ihm die Zeit vertreiben… Was bringen sie mit bei einem Besuch? Wenn sie schon besucht wurden, was haben sie dann mit den Geschenken gemacht? Ein Dienst am Menschen Meine Besuche sind ein Dienst am Menschen. Soll ich jetzt ein symbolisches Geschenk mitbringen? Ich bringe mich mit! Ich schenke meine Zeit! Meine Aufmerksamkeit durch Zuhören, ein offenes Ohr haben. Mein Mitgefühl indem ich mein Gegenüber verstehe und ernst nehme. Meine Anteilnahme, wenn ich das Leid anerkenne und Gefühle zulassen kann. Ich mache einen Zuspruch und schenke damit Zuversicht. Die Vorbereitung auf einen Besuch ist die Grundlage, mich auf das Einzulassen, was mich im Zimmer, am Bett erwarten wird. Wenn immer möglich halte ich mir vorher eine oder eine halbe Stunde frei. In dieser Zeit gehe ich in die Stille, lege alle meine Aufgaben und Arbeiten ab, mache mich sozusagen frei. Manchmal beschaffe ich mir einige Informa- tionen über das erfahrene Leid, die Familiensituation. Bevor ich dann eine Zimmertür öffne, stelle ich mein Handy aus um ungestört zu bleiben. Denn jetzt gilt meine ganze Aufmerksamkeit dem Leidenden. Mit dem Durchschreiten der Tür lasse ich alle meine Bedürfnisse, meine Angelegenheiten draussen und stelle sie zurück. Ich stelle mir vor; ich bin ein leeres Blatt Papier, auf welches der Kranke oder Sterbende schreiben kann. Dies hat den Vorteil, dass ich nach dem Besuch dieses voll geschriebene Blatt weglegen kann ohne dass mich das Schicksal des Besuchten belastet. Mitfühlen aber nicht mitleiden Ein wichtiger Faktor für mich ist die Tatsache, dass ich mitfühlen aber nicht mitleiden darf. Leide ich als Begleiter mit, dann habe ich meine Grenze überschritten und kann meine Aufgaben gegenüber den Leidenden nicht mehr glaubhaft wahrnehmen, denn ich bin selber zum Leidenden geworden. Wie geht man auf einen Leidenden zu, wie gestaltet man die Kontaktaufnahme? Beim Eintreten ins Zimmer versuche ich bereits die Stimmung im Raum, den Gemütszustand des Leidenden wahrzunehmen. Dann erfolgt der erste Blickkontakt, eine Berührung, sei es durch Handreichung oder Handauflegen auf die Schulter. Je vertrauter einem die Person ist, desto näher sollte die Begrüssung ausfallen. Diese erste Kontaktaufnahme ist bereits Kommunikation. Hier kann ich bereits feststellen ob ich ungelegen komme, ob überhaupt jetzt ein Besuch oder Gespräch gewünscht oder angebracht ist. Wenn mir jemand nicht gleich die Hand gibt, dann nehme ich das nicht persönlich. Vielleicht bin ich fremd oder die leidende Person möchte im Augenblick keine Unterhaltung. 13 14 Angst Die Phase des Anteilnehmens Nach der Begrüssung und der Kontaktaufnahme folgt die Phase der Anteilnahme. Es ist nicht einfach, die richtigen oder passenden Worte zu wählen. Die Sprache ist das wichtigste Werkzeug und besitzt die grösste Bedeutung beim Trösten. Wie sage ich etwas? Wie betone ich etwas? Wie stelle ich eine Frage ohne zusätzliches Leid zu erzeugen? Stimmt meine nonverbale Körpersprache mit dem Gesprochenen überein? Es gibt viele kleine, aber wichtige Betrachtungsweisen, die uns oft gar nicht bewusst sind, wenn wir einen Krankenbesuch machen. So erlebe ich, dass Angehörige nach der Begrüssung und den oft bereits zur Floskel gewordenen Fragen: «Wie geht es dir, hast du Schmerzen?» das mitgebrachte Geschenk überreichen, damit es seinen aufbauenden oder wertschätzenden Symbolauftrag erfüllt. Dann gehen sie nahtlos zum Erzählen über, wie der gestrige Abend im Theater war, wie hektisch der heutige Arbeitstag verlaufen ist, oder welche Sorgen die Enkeltochter mit ihren schlechten Schulleistungen bereitet. Damit ist die Aufmerksamkeit nicht mehr beim Leidenden, sondern der Besucher steht im Mittelpunkt. Natürlich ist damit nicht Negatives beabsichtigt, nein, man will den Leidenden trotz seiner Situation am Familienleben und am Geschehen draussen teilhaben lassen. Aber damit erfährt der Leidende keine Linderung, keine wirkliche Hilfe. Es zeigt vielmehr auf, dass der Besucher der Situation hilflos gegenübersteht, dass er nicht über Leid und Schmerzen sprechen will oder kann. Ich glaube, in solchen Fällen sind die Leidenden oft froh, wenn der Besuch die Tür hinter sich von aussen zuschliesst. Ich persönlich stelle mich bei der Begrüssung nur mit meinem Vornamen vor. Dann folgt die Frage: «Wie geht es ihnen?», vielleicht gleich in Kombination mit einer weiteren Frage, «Wie haben sie die Nacht verbracht?» Aus Erfahrung kann ich sagen, dass es besser ist, offene Fragen zu stellen. Geschlossene Fragen sind oft mit einem Wort oder mit einem knappen Satz beantwortet. Die Phase des Zuhörens Ist es mir gelungen, mit der Kontaktaufnahme, der Begrüssung und der richtigen Fragestellung eine gute, angenehme Situation zu schaffen, ergreift der Leidende in allen Fällen die Möglichkeit, sich über sein Leid mitzuteilen. Gerade Menschen mit frischem und/oder schwerem Leid haben ein grosses Bedürfnis, anderen Menschen mitzuteilen, woran sie leiden, was sie beschäftigt, damit diese an seinem Leid mittragen. Er möchte mit seinem Leid nicht alleine sein. Wir kennen alle den Ausspruch; «geteiltes Leid ist halbes Leid!» Hier komme ich wieder auf mein leeres Blatt Papier zurück. Erst wenn der Leidende sein primäres Gesprächsbedürfnis gestillt hat, wenn er sich verstanden fühlt, erst dann ist er wirklich in der Lage, selber zuzuhören. Unsere Anteilnahme ist gekennzeichnet durch Zuhören. Wirkliche Anteilnahme erfolgt zu etwa zwei Dritteln durch Zuhören und einem Drittel Sprechen. Dabei handelt es sich meistens um eine Form der Rückmeldung. Der Leidende soll wissen, was beim Besucher angekommen ist und wie dieser dazu steht. Hier begegnen wir wiederum die Gefahrenquelle, dass nicht meine Bedürfnisse, mein Empfinden als Besucher im Vordergrund stehen, sondern einzig und allein die Wahrnehmung und das Empfinden des Leidenden. Erst wenn der besuchte Patient sich verstanden fühlt, ist er auch für tröstenden Zuspruch offen. Nur durch aktives Zuhören erfahren wir, worin der Schmerz des Leidenden liegt und was ihn am meisten plagt. Es ist durchaus möglich, dass nicht die Schmerzen einer Operation im Vordergrund stehen, sondern vielleicht die Sorge um ein Haustier, welches alleine zuhause in der Wohnung ist. Vielleicht sind es auch Schuldgefühle gegenüber einem Familienmitglied, weil man zuvor im Streit auseinander ging oder weil der Ehepartner vor einiger Zeit verstorben ist. La peur / La paura Speziell in Situationen, in denen wir nicht wissen was wir sagen sollen und uns hilflos fühlen, entlastet dieses Wissen um die tröstende Wirkung des Zuhörens ungemein. Es nimmt uns den Druck, immer etwas sagen zu müssen. Zudem entschärft es die Gefahr, dass ich als Besucher zu viel sage. Zuhören bedeutet nicht, stumm dazusitzen Aktives Zuhören bedeutet nicht, stumm dazusitzen und alles in sich aufzunehmen. Aktives Zuhören heisst, dass auch immer wieder Rückmeldungen zu dem Gehörten erfolgen. Ich kann Impulse geben mit einzelnen Worten: «Ja» – «Nein!» – «Ich verstehe!» – «Wie?» oder auch nur mit einem «Mhm». Man kann das Zuhören auch mit kurzen Sätze bekunden: «Das ist ja schrecklich!» – «Das tut mir leid!» – «Wie war das für dich?» – «Wie kam es dazu?» oder «Wie erträgst du das nur?» Zusammenfassungen bestätigen dem Leidenden, was man vom Gehörten verstanden hat. Damit weiss er, was bei mir wirklich angekommen ist. Zuhören bringt Licht in die Finsternis! 15 Die Phase des Trostes Wenn sich der Patient verstanden fühlt, folgt die Phase des Trostes. Fühlt er sich aber unverstanden, ist Trost nahezu unmöglich. Deshalb ist das Verstehen des Leids ausserordentlich wichtig. Viele Menschen verfallen in den Fehler, dass sie zwar den Leidenden nach seinem Befinden fragen, doch dann schwächen sie seine Worte ab oder wischen sie gar weg. Sie lassen das Leid nicht in seiner ganzen Härte bestehen. Sätze wie «Nach dem Regen scheint wieder die Sonne!» – «Schau nach vorne, es kommen wieder bessere Zeiten!» – «Du bist noch jung, du kannst noch viele Kinder bekommen» oder (bei einem Sterbenden gehört) «Iss etwas Suppe, dann kommt alles gut!», verfehlen ihre Wirkung. Leid darf nicht abgeschwächt, verkleinert oder gar negiert werden. Leid muss anerkannt werden. Bei meinen Besuchen am Bett von Schwerkranken oder Sterbenden muss ich ehrlich sein, in dem was ich sage und tue. Der Leidende weiss sehr oft, wie es um ihn steht und erkennt sofort, wenn ich ihm etwas vormache. Anteilnahme ist ein schmerzlicher Weg. Der Begleiter übernimmt dabei einen Teil des Leides, und er spürt etwas von dem Schmerz, den der Betroffene empfindet. Es ist wichtig, ihn unbedingt wissen zu lassen, was sein Leid mit mir auslöst. Erst durch eine Rückmeldung kann er die Anteilnahme wirklich erkennen. Es ist wichtig, dass eigene Gefühle offen gezeigt werden. Wenn ein erwartetes Sterben dann unmittelbat bevorsteht, braucht der Sterbende oft nur noch wenig Zuspruch, die Angehörigen dafür umso mehr. Für Sterbende ist der Weg meistens klar. Alles Wichtige ist bereits gesagt – man muss ihn nur noch gehen lassen. Trost basiert nicht auf schönen Worten Trost entsteht vor allem durch die gezeigte Anteilnahme, denn Leid hat immer mit Gefühlen zu tun. Im Leid keine Gefühle zuzulassen, bedeutet, den Trost zu verweigern. Das gilt grundsätzlich für alle Situationen menschlichen Leids. Dabei ist es wichtig, dass man die richtigen Worte wählt, andernfalls ist es leicht möglich, dass aus dem gut gemeinten Trost ein falscher Trost wird: «Deswegen brauchst du doch den Kopf nicht hängen zu lassen». Dem Kranken gegenüber wird ausgedrückt, dass er im Erleben seiner Gefühle falsch liegt. Zum eigenen Leid wird ihm zusätzlich vermittelt, dass er seine Einstellung ändern sollte. Echten Trost kann man besser so formulieren: «Da wäre ich auch traurig, wenn es mir passiert wäre». Der Leidende erfährt, dass seine Gefühle von mir geteilt werden. Ich fühle mit. Ich fühle das Gleiche wie der Leidende. Das tröstet. Drei weitere Beispiele: «Du musst jetzt stark sein!», besser: «Du musst jetzt nicht stark sein!» – «Sei doch nicht so mimosenhaft!», besser: «Willst du ein Schmerzmittel?» – «Nach dem Regen gibt es auch wieder Sonnenschein», besser: «Komm her, und weine dich ruhig aus.» 16 Angst Diese Gegenüberstellungen sollen uns helfen, falschen und echten Trost zu unterscheiden. Erfahrung gewinnt man am besten in der Praxis, und es ist nicht ausgeschlossen, dass ein vermeintlich falscher Trost, manchmal trotzdem ein echter Trost sein kann. Wenn die Worte fehlen hilft nonverbale Kommunikation Was machen wir bei Besuchen und Situationen, in denen uns die Worte fehlen oder der Leidende nicht ansprechbar ist? Da wird eine spezielle Form der Anteilnahme notwendig, weil man dann ausschliesslich über die Berührung, in Kontakt kommt. Kann der besuchte Patient sich nicht mitteilen, kdann önnen wir gemeinsam schweigen, weinen oder durch Händedrücken und Augenzwinkern – also nonverbal – kommunizieren. Die schwierigste und intimste Kommunikation zwischen zwei Menschen ist das Schweigen und sich dabei in die Augen zu sehen. In vielen Fällen genügt es wenn der Kranke weiss oder fühlt, dass jemand am Bett sitzt oder seine Hand hält. (Vorsicht, nicht jeder will gehalten werden!) Wichtig ist, dass der Patient dabei nicht festgehalten wird. Kontakt aufnehmen kann durch Berührung erfolgen. Foto: Openlens/Fotolia.de In gewissen Situationen können das Vorlesen aus der Tageszeitung, einem Buch, das gemeinsame Musikhören, Kerzen oder Düfte, Gebete oder vertraute Rituale eine Brücke über diese Schwere bauen. Manchmal sind Gesten mehr als Worte. Doch auch hier gilt es, nicht unsere Bedürfnisse in den Mittelpunkt zu stellen, sondern die des Patienten. Leidende sind in solchen Situationen sehr empfindlich auf Berührung, Duft, Lärm und vieles andere. Daher ist es von Vorteil, wenn wir Wünsche und Vorlieben des Betroffenen schon vor dem Krankenbesuch in Erfahrung bringen oder kennen. Der Faktor Zeit Meine geschenkte Zeit ist immer vorbestimmt. Wenn ich dem Betroffenen mitteile, wie lange ich Zeit für ihn habe, weiss er, wieviel Zeit ihm bleibt, um seine eigenen La visite aux malades et aux mourants est souvent liée à la peur Sur la base de son expérience professionnelle, l'auteur donne des conseils utiles pour effectuer des visites, assister et consoler les patients. Nous devons d'abord prendre le temps d'être présent, donner au malade ou au mourant la plus grande attention, en tenant compte de ses désirs et de ses besoins. Il faut savoir l'écouter attentivement, partager sa douleur, le consoler, l’encourager, lui donner confiance. La communication, verbale ou non, est essentielle. Il faut absolument être à l’écoute, comprendre et accepter afin d’apporter la consolation. Ainsi le patient saura que ses souffrances sont partagées. Nous devons être sincères, ne pas faire de fausses promesses ou donner des illusions au patient. Nous ne devons pas nous substituer au patient, mais l'accompagner dans ces moments difficiles. Gedanken zu äussern. Wenn ich eine Stunde bleibe, werde ich ihm nach 45 Minuten mitteilen, dass wir jetzt noch eine Viertelstunde Zeit haben, und frage ihn, ob dies ausreichend ist. Andernfalls setzte ich ein erweitertes Zeitfenster an. Diese zeitliche Eingrenzung hat für mich den Vorteil, dass der Leidende deutlich schneller auf den Punkt bringt, was in beschäftigt. Zu lange und sehr ausführliche Gespräche und Besuche bergen die Gefahr, sich zu verlieren. Die Konzentration lässt nach, und es wird auch für den Besuchten – durch die Schmerzen oder zu viel Leid – oft unangenehm. Ich bin kein Freund von «Sitzwachen». Es hilft niemandem, wenn ich zwei, drei Stunden am Bett sitze, während der Leidende schläft, dafür ist mir die Zeit zu kostbar, oder ich werde vielleicht La visita a malati e moribondi è spesso legata a paura Partendo dalla sua esperienza professionale, l’autore dà utili consigli per quando visitiamo, assistiamo e consoliamo i degenti. Innanzitutto dobbiamo prenderci il tempo necessario, essere qui per l’altro, donare al malato o al moribondo la massima attenzione, tener conto dei suoi desideri e bisogni, ed essere presenti attivamente. È necessario ascoltarlo in modo interessato, condi-videre il suo dolore, consolarlo, incoraggiarlo, infondergli fiducia. La comunicazione, verbale e non verbale, è fondamentale. Indispensabili per una consolazione, sono l’ascolto attivo, la comprensione e l’accettazione. Il sofferente deve capire che le sue emozioni sono da noi condivise. Dobbiamo essere sinceri, senza fare false promesse o illudere il paziente. Non siamo in grado di sostituirci al degente, ma lo possiamo accompagnare in questi suoi momenti difficili. La peur / La paura um meinen Schlaf gebracht. Wichtig ist, bei Besuchen auf die Essenzeiten, Arztvisiten oder Therapiezeiten zu achten. Diese unpassenden Zeiten lassen sich durch gezielte Fragen zuvor in Erfahrung bringen. Grundsätzlich ist es sinnvoll, den Patienten zu fragen, wann es ihm am liebsten ist, besucht zu werden, wann ich wieder kommen soll? Vielleicht kann ich ihm dann auch etwas mitbringen oder sonst einen Wunsch erfüllen. Wenn ich eine Zusage mache, dann muss ich das Versprochene auch mitbringen und tatsächlich zum vereinbarten Termin erscheinen. Zuspruch und gute Wünsche Meine Gespräche und Besuche beschliesse ich immer mit einem Zuspruch und meinem Dank für die Offenheit, das Vertrauen. Zuspruch nach einer erfolglosen Operation kann sein: «Es schmerzt sehr, wenn sich Erwartungen nicht erfüllen» – «Ich fände es schade, wenn du jetzt alle Hoffnung aufgeben würdest». Schliesslich beende ich den Besuch möglichst mit einem Wunsch. Ich wünsche (neben der guten Besserung): – dass der Appetit bald zurückkehren möge; – dass die Chemotherapie den Krebs in die Schranken verweist; – dass die geplante Operation gut gelingen möge; – dass du bald nach Hause kannst; – dass dir die Ärzte optimal helfen können; – eine Nacht, in der du schmerzfrei durchschlafen kannst; – dass du das Kapitel der Krankheit bald abschliessen kannst; – dass du zum richtigen Zeitpunkt Mut findest und loslassen kannst. Wünsche sollen nicht fordernd sein. «Ich wünsche dir, dass du die Schmerzen bald überwunden hast» enthalten Forderungen und 17 verlieren damit ihre tröstende Wirkung. Beim aktiven Wunsch wird der Leidende aufgefordert, selber eine Leistung zu erbringen, damit der Wunsch in Erfüllung geht. Das setzt ihn unter Druck. Beim passiven Wunsch hat er nichts zu tun. Der Wunsch geschieht an ihm – diese Form befreit. Offen auf die Betroffenen zugehen Zusammenfassend will ich ihnen mit folgenden Punkten Mut zusprechen, offen auf Kranke, aber auch auf sterbende Mitmenschen zuzugehen: Nehmen sie sich Zeit. Schenken sie der besuchten Person volle Aufmerksamkeit, beachten sie deren Wünsche und Bedürfnisse, seien sie einfach aktiv für sie da. Hören sie interessiert zu, teilen sie das Leid, sprechen sie Mut und Zuversicht zu. Wenn nötig, können sie für Leidende zur Stimme gegenüber den Angehörigen oder Ärzten werden, um Wünsche zu wahren, Schmerzen zu lindern oder in Würde zu sterben… Zuhören ist die Grundlage des Verstehens. Verstehen ist die Grundlage der Akzeptanz, und Akzeptanz ist die Grundlage des Trostes. Diese Aussagen sind zwar sehr plakativ, enthalten jedoch sehr viel Wahres. Zuhören, Verstehen, Akzeptieren bauen aufeinander auf. Erst wenn das Leid umfassend verstanden wurde, befindet man sich auf Augenhöhe mit dem Leidenden. • Wir können nicht für den anderen sterben, aber wir können ihn im Sterben begleiten. • Wir können nicht für den anderen krank sein, aber wir können ihn in seiner Krankheit begleiten. • Wir können nicht für den anderen trauern, aber wir können den Trauernden begleiten. • Wir können nicht für den anderen leiden, aber wir können den Leidenden begleiten. Begleiten ist nicht ausschliesslich körperliche Anwesenheit. Jemanden begleiten ist vor allem die emotionale Nähe. Diese kann auch vorhanden sein, wenn der Begleiter tausende von Kilometern weg ist und einfach eine ansprechende Genesungskarte schreibt oder kurz anruft! Denken sie stets daran, dass auch sie sich freuen, wenn sie in ihrem Leid, Kummer und Schmerz den Weg nicht alleine gehen müssen, sondern jemanden an ihrer Seite haben, der sie begleiten wird. «Wenn es möglich wäre, bei Lebzeiten zu wissen, was nach dem Tode mit uns geschieht, würde niemand Angst vor dem Tode haben.» Leo N. Tolstoi