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Wildtierforschung
in Mecklenburg-Vorpommern
Band 2
Evaluierung von Monitoringmethoden für Schalenwildbestände
Mecklenburg
Mecklenburg
Vorpommern
Vorpommern
Ministerium für Landwirtschaft,
Ministerium
für Landwirtschaft,
Umwelt und Verbraucherschutz
Umwelt und Verbraucherschutz
Evaluierung von Monitoringmethoden
für Schalenwildbestände
Abschlussbericht
April 2014
Norman Stier, Mark Nitze, Vendula Meißner-Hylanová,
Maik Schumann, Andrea Deeken & Mechthild Roth
im Auftrag des Kreisjagdverbandes Rügen e.V. und dem Ministerium für Landwirtschaft,
Umwelt und Verbraucherschutz Mecklenburg-Vorpommern
Büro für Wildtierforschung und forstliche Betreuung
Dorfstr. 8
19246 Kogel
in Kooperation mit
TU Dresden – Professur für Forstzoologie
AG Wildtierforschung
Pienner Str. 7
01737 Tharandt
Gefördert aus Mitteln der Jagdabgabe des Landes Mecklenburg-Vorpommern
und der Norddeutschen Stiftung für Umwelt und Entwicklung aus Erträgen
der Lotterie BINGO! Die Umweltlotterie
Impressum
Herausgeber:
Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt
und Verbraucherschutz
Mecklenburg-Vorpommern
- Oberste Jagdbehörde Paulshöher Weg 1
19061 Schwerin
Bearbeiter
Dr. Norman Stier
Dipl.-Forsting. Mark Nitze
Mecklenburg
Mecklenburg
Vorpommern
Vorpommern
Ministerium für Landwirtschaft,
Ministerium
für Soziales
Umwelt und Verbraucherschutz
und Gesundheit
stier@forst.tu-dresden.de
nitze@forst.tu-dresden.de
Professur für Forstzoologie
Institut für Forstbotanik und Forstzoologie
Technische Universität Dresden
Illustrationen:
Dipl.-Forsting. Norman Stier (Titelfoto)
Franklin Berger (Ministerportrait)
Download:
www.lu.mv-regierung.de
Layout und Druck:
Druckhaus Panzig
Studentenberg 1a
17489 Greifswald
Tel: 03834 595240, Fax: 03834 595259
info@druckhaus-panzig.de, www.druckhaus-panzig.de
Zitiervorschlag:
Stier N., Nitze M., Meissner-Hylanova V., Schumann M., Deeken A. & Roth M. (2015): Evaluierung von Monitoringmethoden
für Schalenwildbestände. Abschlussbericht 2014. Wildtierforschung in Mecklenburg-Vorpommern, Band 2, 40 S.
Schwerin im Januar 2015
Die Arbeitsgruppe Wildtierforschung der Professur für Forstzoologie
Die Arbeitsgruppe Wildtierforschung der Professur für Forstzoologie (Leitung. Prof. Dr. Mechthild Roth) widmet sich in Lehre und Forschung der Ökologie wildlebender Säugetiere und Vögel. Besonderes Augenmerk gilt
den Schalenwildarten (z.B. Dam-, Rot, Muffel- und Schwarzwild) sowie den Raubsäugern; einheimischen (z.B.
Wildkatze, Baummarder, Steinmarder, Iltis, Hermelin, Mauswiesel, Dachs, Fuchs, Fischotter), eingebürgerten/
wiederkehrenden (z.B. Wolf, Luchs) als auch gebietsfremden (z.B. Waschbär, Marderhund, Mink). Im Mittelpunkt
der europaweiten Forschungsvorhaben steht insbesondere die Ermittlung des Raum-Zeit-Musters der Tierarten, basierend auf dem methodischen Konzept der Radiotelemetrie.
Nahrungsökologische Studien durch beispielsweise Mageninhalt- und Losungsanalysen geben Aufschluss
über die trophische Einnischung der Arten und dienen vor allem der Ermittlung nahrungsressourcenabhängiger Interaktionen innerhalb der Lebensgemeinschaften. So galt in den letzten Jahren insbesondere bei den
gebietsfremden Tierarten (Neozoen) und den wiederkehrenden Großraubsäugern das Interesse dem Einfluss
dieser Prädatoren auf ihre Beutetiere. Reproduktionsbiologische Studien, beispielsweise durch die Videoüberwachung von Wurfbauten und die Ermittlung populationsökologischer Merkmale (z.B. Altersstruktur durch
Zahnschnitte) vorwiegend anhand der Sektion von Totfunden (z.B. Verkehrsopfer) ergänzen die Datengrundlage für die Entwicklung von Managementkonzepten zum Schutz der Artenvielfalt. Die Arbeitsgruppe ist unter
anderem zuständig für das Luchsmonitoring in Sachsen (www.luchs-sachsen.de), das Elchmonitoring in Sachsen (www.elch-sachsen.de) und das Wolfsmonitoring in Mecklenburg-Vorpommern (www.wolf-mv.de).
TU Dresden • Professur für Forstzoologie • Pienner Str. 7 • D-01737 Tharandt • Telefon: 035203-38-31371
http://tu-dresden.de/forst/zoologie
Vorwort
Vorwort
Liebe Leserinnen und Leser,
Jegliches Management von Wildtieren setzt fundierte Kenntnisse biologisch-ökologischer Parameter der betroffenen Arten voraus, unabhängig,
ob es um den Schutz seltener oder die Regulation von überhöhten Beständen sogenannter Konfliktarten geht. Eine zentrale Rolle kommt in diesem
Zusammenhang der Populationsdichte zu. Ohne realitätsnahe Angaben
zur Bestandesdichte fehlt eine solide Entscheidungsgrundlage, ob, welche und wie Populationsmanagementmaßnahmen durchzuführen sind.
Auch für die Erfolgskontrolle, die Teil jeder Managementmaßnahme sein
sollte, ist die Erfassung der Populationsdichte die entscheidende Schlüsselgröße. Die Verfügbarkeit geeigneter Methoden zur Dokumentation der
Bestandshöhen und zur Überwachung der Entwicklung von Populationen
ist somit nicht nur von wissenschaftlicher Bedeutung sondern Voraussetzung für ein effizientes Wildtiermanagement.
Forschungsarbeiten zur Entwicklung und Evaluierung geeigneter Methoden mit dem Ziel, verlässliche und praxisrelevante Verfahren zur Erfassung
der Schalenwilddichten zur Verfügung stellen zu können, wurden deshalb in den letzten Jahren intensiviert.
Dazu trug ganz wesentlich das Forschungsvorhaben der TU Dresden – AG Wildtierforschung - im Nationalpark
Jasmund bei. Es konnten geeignete Verfahren entwickelt und evaluiert sowie Empfehlungen für ein zukünftiges
Schalenwildmonitoring auf Jasmund gegeben werden, die in vielen Fällen auch auf andere Regionen übertragbar sind.
Im Projekt konnten praktikable Erfassungsmethoden, die gleichzeitig ein realistisches Bild der Wilddichten
liefern und trotzdem finanziell umsetzbar sind, aufgezeigt und erprobt werden.
In Band zwei der Schriftenreihe „Wildtierforschung in Mecklenburg-Vorpommern“ wird der Abschlussbericht
veröffentlicht und ich hoffe, dass dieser Wissensfortschritt Eingang in die gute fachliche Praxis einer soliden
Schalenwildbewirtschaftung findet beziehungsweise im Schalenwildmanagement umgesetzt wird.
Ich wünsche Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre.
Ihr
Minister für Landwirtschaft, Umwelt und
Verbraucherschutz Mecklenburg-Vorpommern
5
6
Inhaltsverzeichnis
VORWORT............................................................................................................................................. 5
1
EINLEITUNG............................................................................................................................ 9
2
UNTERSUCHUNGSGEBIET................................................................................................... 10
3
MATERIAL UND METHODEN............................................................................................... 12
3.1 Erhebung von Beobachtungsdaten................................................................................... 12
3.2 Damkälbermarkierung....................................................................................................... 12
3.3 Fotofalleneinsatz................................................................................................................. 14
3.4 Fang-Markierung-Wiederfang-Verfahren......................................................................... 16
3.5 distance sampling............................................................................................................... 17
3.6 Ermittlung von Mindestindividuenzahlen mittels Individualerkennung...................... 19
4
VORKOMMENS- UND POPULATIONSDATEN AUS
BEOBACHTUNGSMELDUNGEN UND FOTOFALLENDATEN............................................... 20
5RAUMNUTZUNG WEIBLICHEN DAMWILDES NACH OHRMARKENABLESUNGEN............ 24
6
ERGEBNISSE DES FANG-MARKIERUNG-WIEDERFANG-VERFAHRENS BEIM
DAMWILD............................................................................................................................. 25
7
ERMITTLUNG VON MINDESTINDIVIDUENZAHLEN ÜBER
INDIVIDUALERKENNUNG.................................................................................................... 29
8
ERGEBNISSE DES DISTANCE SAMPLING............................................................................ 30
9
METHODENVERGLEICH....................................................................................................... 34
10
EMPFEHLUNGEN.................................................................................................................. 36
11
ZUSAMMENFASSUNG.......................................................................................................... 38
12
LITERATUR............................................................................................................................ 39
7
8
Einleitung
1
Einleitung
Schon Briedermann fand 1982 für sein Werk einen passenden Titel „Der Wildbestand - Die große Unbekannte“ für
eine Thematik, die heute noch genauso aktuell und von großer Bedeutung für eine fundierte Wildbewirtschaftung ist. Für brisante Diskussionsprozesse z.B. zum Thema Wald-Wild, der Frage Wolf-Wild-Jagd und steigenden
Wildschäden durch immer großflächigeren Maisanbau werden belastbare Daten zur Wildbestandshöhe benötigt. Natürlich sind solche Daten genauso für dauerhaft bestehende Fragen zu jährlich wiederkehrenden
Prozessen der Abschussplanung im Rahmen der Schalenwildbewirtschaftung in der „Normallandschaft“, in
Großschutzgebieten, auf militärischen Liegenschaften oder in Schutzwäldern im Gebirge von grundlegender
Bedeutung.
Bislang standen jedoch noch immer keine praxistauglichen Methoden zur Verfügung, die einerseits genau genug sind und andererseits auch bei großflächiger Anwendung bezahlbar wären. Aus diesem Grund wird in
wildbiologischen Forschungsprojekten weiter Entwicklungsarbeit auf diesem Gebiet geleistet.
Im Rahmen dieses dreijährigen Forschungsprojektes auf der Halbinsel Jasmund wurden schon länger im Gebiet
angewandte Methoden wie Losungszählverfahren, Zähltreiben und Streckenrückrechnung mit zusätzlichen
Methoden verglichen und evaluiert. Außerdem wurden die Methode „distance sampling“ mittels Wärmebildkamera vom Auto und die Methode „Fang-Markierung-Wiederfang“ (mittels Kälbermarkierung) zusätzlich angewandt. Durch Fotofalleneinsatz und die Erhebung von Beobachtungsdaten wurden Grundlagendaten für den
Fang-Wiederfang-Ansatz und Populationsstrukturdaten ermittelt.
Das Projekt wurde im Auftrag des Projektträgers, dem Kreisjagdverband Rügen e.V., bearbeitet und dankenswerter Weise durch Mittel der „Norddeutschen Stiftung für Umwelt und Entwicklung“ und aus der Jagdabgabe
des Landes Mecklenburg-Vorpommern gefördert.
Wir bedanken uns hierfür sowie bei allen Personen und Institutionen, die das Projekt in irgendeiner Form unterstützten. Besonderer Dank gilt hierbei den Jasmunder Jägern, ohne deren Mitarbeit dieses Vorhaben nicht
erfolgreich umgesetzt werden könnte. Außerdem möchten wir Rico Markmann und Rainer Büssow von der
Nationalparkverwaltung Vorpommern – Außenstelle Jasmund für ihren besonderen Einsatz, vor allem bei der
Fotofallenbetreuung, sowie unseren Kollegen aus der Arbeitsgruppe Wildtierforschung an der Forstzoologie
Tharandt für ihre Unterstützung bei der Damkälbersuche danken.
Abb. 1: Von Fotofalle erfasste Ohrmarkierung bei Damwild – einfache und praktikable Methoden in der Wildtierforschung.
9
Untersuchungsgebiet
2
�Untersuchungsgebiet
Das Untersuchungsgebiet befindet sich im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern, im Nordosten der Insel Rügen auf der Halbinsel Jasmund.
Die zu betrachtende Fläche, welche in der Abb. 2 dargestellt ist, liegt hauptsächlich im ca. 3.003 ha großen
Nationalpark (Nationalparkamt Rügen 2002). Aufgrund dieser geringen Gesamtgröße gilt dieser als kleinster Nationalpark Deutschlands (Sperber & Thierfelder 2008). Von dem Gesamtterrain gestalten sich 2.200 ha als Waldgebiet,
welches im Süden an die Stadt Sassnitz angrenzt. Im Norden ist die Gemeinde Lohme zu finden und verbunden
sind beide Ortschaften durch die Landstraße L303, welche mitten durch das Waldgebiet des Nationalparks verläuft. Im Osten grenzt die Waldlandschaft mit ihren charakteristischen Kreidebrüchen und Steilufern direkt an
die Ostsee. Hier befindet sich der bekannte Königsstuhl, welcher mit einer Höhe von 118 m an der Ostküste der
Halbinsel empor ragt.
Unterteilt man den zu beobachtenden Bereich in ein Kern- und Randuntersuchungsgebiet, so umfasst die
Kernfläche den Kahlwild-Lebensraum des Damwildes und dehnt sich über die Fläche des Nationalparks, sowie
dessen unmittelbar angrenzenden Randgebiete aus. Da vor allem das männliche Damwild weit im westlichen
Offenland der Halbinsel vorkommt, muss dies in die Populationsbetrachtung einbezogen werden und wird im
Folgenden zur Fläche des Randuntersuchungsgebiets zugeordnet. Das Hauptaugenmerk der Aufnahmen begrenzte sich auf das Kernuntersuchungsareal und somit auf die Flächen des Nationalparks.
Abb. 2: Lage der Halbinsel Jasmund im Nordosten der Insel Rügen (GOOGLE EARTH 2013, verändert).
Die Waldlandschaft der Stubnitz, welche im Jahr 1990 zum flächenmäßig kleinsten Nationalpark Deutschlands
erklärt wurde, ist insbesondere durch einen hohen Buchenwaldanteil gekennzeichnet (Sperber & Thierfelder
2008). Circa 80 % der Verwaltungsfläche sind von Rotbuchen (Fagus sylvatica, L.) bestockt, die sich vornehmlich
in ihrer dort typischen Hallenbestandsform wiederfinden. Der vorherrschende Waldtyp ist der baltische Waldgersten-Buchenwald (Hordelymo-Fagetum), welcher charakteristisch für nährstoffreiche sowie meist kalkhaltige
Böden ist (BMU 2011). Schwarzerlen (Alnus glutinosa, (L.) Gaertner) und Gemeine Eschen (Fraxinus excelsior, L.)
sind vorrangig an feuchten Standorten zu finden und runden das anzutreffende Baumartenspektrum des Laubholzes ab. Europäische Lärche (Larix decidua, Mill.) und Gemeine Fichte (Picea abies, (L.) H. K arst.) ergänzen die
Baumartenvielfalt weitestgehend. In der auftretenden und etablierten Naturverjüngung ist fast ausschließlich
die Rotbuche zu finden.
Die kennzeichnenden Ökosysteme sind neben den genannten Hallenbeständen, die Steilküste im Osten und
Norden, sowie charakteristische Bach- und Moorlandschaften.
Im folgenden Abschnitt werden die Wildarten, die auf der Halbinsel Jasmund vorkommen, anhand ihrer Entwicklungsgeschichte im Nationalpark nach Siefke (2006) kurz vorgestellt:
Die vorkommenden Schalenwildarten auf der Halbinsel lassen sich hinsichtlich ihrer Besiedlungsgeschichte in
zwei Gruppen unterteilen. Auf der einen Seite kann das Rot- (Cervus elaphus, L. 1758), Reh- (Capreolus capreolus,
L. 1758) und Schwarzwild (Sus scrofa, L. 1758) aufgezählt werden. Diese zeichnen sich durch ihre autochthone
Geschichte auf der Insel Rügen sowie Jasmund aus. Alle drei Arten sind nachweislich seit dem Rückgang der
Gletscher aus der Eiszeit und dem Beginn der Bewaldung vor rund 11 000 Jahren auf der Insel vertreten. Weiterhin gibt es in ihrer Entwicklungsgeschichte diverse Parallelen. Denn keinesfalls befanden sich die Wildbestände
10
Untersuchungsgebiet
auf einem konstanten Niveau. Einerseits senkten Zeiten des Krieges und intensiv genutzter Landschaften die
Wildbestände dramatisch auch auf der Halbinsel herab. Andererseits ließen Zeitperioden der feudalen Herrschaft sowie prioritärer Jagdinteressen, die Wildbestände zahlenmäßig förmlich aufblühen. Dennoch war im
Vergleich zu den anderen autochthonen Arten das Rehwild eher selten. Maßgeblich sind hier vor allem ein
hoher Raubwilddruck und nicht optimale Lebensräume zu vermuten (Siefke 2006). Gleichfalls in geringer Anzahl
vertreten und um 1800 vermutlich ganz auf Rügen verschwunden war das Schwarzwild.
Auf der anderen Seite der anfänglichen Untergliederung können das Dam- (Cervus dama, L. 1758) und Muffelwild
(Ovis orientalis musimon, Pallas 1811) als Neubürger genannt werden. So wird die zeitliche Populationsentwicklung des Damwilds auf der Insel Rügen und gleichfalls auf Jasmund von Siefke (2006) als eine Erfolgsgeschichte
beschrieben. Vor circa 200 Jahren wurden aus dem Tiergarten Putbus, unter dem Fürst Wilhelm Malte, bewusste
Aussetzungen vorgenommen, um diese Arten als jagdbares Wild zu etablieren. Durch darauffolgende Hegebemühungen entwickelten sich die Bestände rasch weiter und erlitten lediglich während der Nachkriegsjahre
teilweise dramatische Einbrüche. Dies führte zum zeitweisen Verschwinden der Wildart, was ein Aussetzen von
vier Wildfängen in den Jahren 1965/66 und dem Heranziehen einer Population in einem sogenannten Einbürgerungsgatter nach sich zog. Auf diese Bemühungen fußt die derzeitige Damwildpopulation.
Die kürzeste Entwicklungsgeschichte weist das Muffelwild auf. Wie auch beim Damwild geht die erste Etablierung auf den Fürst Putbus zurück. Allerdings brachte der anfängliche Auswilderungsversuch von zwei Tieren
keinen Erfolg. Erst das Ansiedeln von 20 bis 25 Individuen, in den Jahren von 1975 bis 1980 war erfolgsversprechend. Im Jahr 2000 schien die bis dato überschaubare Gruppe an Muffelwild verschwunden. Erst im Folgejahr
hat wieder eine Bestätigung in Form einer Sichtbeobachtung stattgefunden.
Alle fünf Schalenwildarten finden sich derzeit in unterschiedlicher Populationsdichte auf Jasmund.
11
Material und Methoden
3
Material und Methoden
Nach Abschluss des Werkvertrages mit dem KJV Rügen im März 2011 begannen die Vorbereitungen für die
Datenerhebung. Nach erfolgreicher Bearbeitung des Projektes über zwei Jahre wurde einer Projektverlängerung für ein drittes Jahr vom Projektträger dem KJV Rügen e.V., den Geldgebern der Obersten Jagdbehörde des
Landes Mecklenburg-Vorpommern und der NUE-Stiftung sowie dem NUE-Projektbeirat zugestimmt.
Im folgenden Kapitel „Material und Methoden“ werden nur diejenigen Methoden detailliert beschrieben, die
innerhalb dieses Vorhabens zur Datenerfassung eingesetzt bzw. evaluiert wurden. Die anderen auf Jasmund
angewandten Verfahren werden im Kapitel 9 im Rahmen des Methodenvergleichs behandelt. Hierfür erfolgt
keine eigene Beschreibung von Material und Methode.
3.1
Erhebung von Beobachtungsdaten
Mit Start des Projektes wurde ein Beobachtungsbogen für die Jäger auf Jasmund erarbeitet und verbessert/
angepasst. Alle bis zum Sommer 2013 angefallenen Daten wurden im Geografischen Informationssystem (GIS)
digitalisiert und ausgewertet. Neben dem Ort (als Punkt in Karte), der Wildart, der Anzahl, dem Alter und Geschlecht wurden der Name des Beobachters und die Art der Beobachtung erhoben.
3.2 Damkälbermarkierung
Im Juni 2011, 2012 und 2013 wurde mit verschiedenen methodischen Ansätzen versucht, neugeborene Damkälber mit Ohrmarken zu kennzeichnen. Einerseits wurden mit unterschiedlich großen Gruppen an Helfern in
enger Kette transektweise übersichtliche Bestände an den potentiellen Setztagen abgesucht (Abb. 5).
Abb. 3: Transektweise Damkälbersuche mit freiwilligen Helfern (Foto: © G. Deeken).
Dankenswerterweise unterstützten viele Helfer von der Nationalparkverwaltung, Jasmunder Jäger und unsere
Kollegen aus der Arbeitsgruppe Wildtierforschung. Andererseits wurde versucht Kälber mittels Wärmebildkamera zu finden (Abb. 4). Grundsätzlich eignen sich für beide Ansätze nur die ersten zwei, max. drei Lebenstage,
da die Kälber danach bereits zu mobil sind und bei menschlicher Annäherung flüchten.
12
Material und Methoden
Abb. 4: Nächtliche Damkälbersuche mittels Wärmebildkamera (Foto: © M. Nitze).
Abb. 5: Markieren des Damkalbes H11 (Foto: © N. Stier).
13
Material und Methoden
3.3 Fotofalleneinsatz
Es wurden 15 Fotofallen Reconyx HC600 (Abb. 6) angeschafft und gemeinsam mit R. Büssow und R. Markmann
von der Nationalparkverwaltung ausgebracht. Hierbei wurde versucht, die Gerätestandorte möglichst gleichmäßig über das Waldgebiet zu verteilen (Abb. 7). Die monatliche Betreuung der Fotofallen (Akku- und Speicherkartenwechsel) erfolgte durch den Revierleiter R. Markmann. Die Fotofallenbilder wurden nach Tharandt
versandt und dort ausgewertet. Es wurden mehrere Fotofallen entwendet, obwohl die Geräte ohne den Sicherheitscode nicht benutzt werden können. Dankenswerter Weise wurden 2012 zwei und 2013 weitere 5 Fotofallen als Ersatz durch die Oberste Jagdbehörde (Schwerin) finanziert, so dass die Datenlücken minimiert werden
konnten.
Innerhalb des Projekts wurde das Kameramodell HC600 Hyperfire vom Hersteller Reconyx verwendet. Trotz der
Zunahme von Fotofallenherstellern und einer immer größeren Geräteauswahl fiel die Wahl auf dieses Gerät,
aufgrund dessen technischer Eigenschaften (Reutimann 2009, Stier et al. 2014). Hierzu zählen laut Reconyx (2012)
vor allem eine rasche Auslösezeit von 0,2 Sekunden und die Möglichkeit Bildfolgen in Serie zu generieren. Hierbei kann eine bestimmte Bildanzahl pro Auslösung der Infrarotkamera programmiert werden. Für die Untersuchung wurden fünf Bilder pro Auslösung eingestellt. Die Bilder werden im JPEG-Bildformat mit 3,1 Megapixeln
aufgenommen und können am Computer ausgelesen, bearbeitet und archiviert werden. Der Bewegungssensor
der Kamera ermöglicht Aufnahmen am Tag bis zu ca. 30 m und stellt diese farbig dar. Nachts ist aufgrund des
Infrarotblitzes und dessen Reichweite die Entfernung auf ca. 16 m beschränkt. Der eingebaute Infrarotfilter tätigt schwarz/weiß Aufnahmen in der Nacht und wirkt für das Wild in dem nicht sichtbaren Strahlungsbereich.
Des Weiteren kamen 4 GB SDHC-Speicherkarten von Transcend (Class 6) zum Einsatz, welche eine gespeicherte Bildanzahl bis zu 10.000 Bildern zulassen. Sowohl die wiederaufladbaren Longlife-NiMH-Akkus von Varta
(2.100mAH) als auch die Speicherkarten wurden im Normalfall monatsweise gewechselt. Dieser Zeitrahmen
verhindert Lücken in der Dokumentation durch Speicherplatzmangel oder Akkuleistungseinbrüche.
Abb. 6: Fotofalle Reconyx HC600 (Foto: © M. Schumann).
Alle Fotofallenbilder wurden zeitnah nach markiertem Damwild gesichtet. Innerhalb der regulären Projektlaufzeit von Mai 2011 bis Juni 2013 wurden die Bilder mittels einer Spezialsoftware vollumfänglich ausgewertet und
die Daten detailliert in einer Datenbank erfasst. Alle Ereignisse von Juni bis Dezember 2013 wurden aus Kapazitätsgründen nur noch auf markiertes Damwild analysiert, um möglichst lange Daten zum aktuellen Überlebensstatus der Tiere und deren Raumnutzung zu erlangen.
14
Material und Methoden
Abb. 7: Verteilung der Fotofallenstandorte auf Jasmund.
Bei der Auswertung der entstandenen Fotofallenbilder galt es, so viel wie möglich an Informationen zu generieren, um abschließend detaillierte Aussagen zur Populationsstruktur und Höhe des Damwildbestandes treffen
zu können. In den ersten beiden Monaten des Untersuchungszeitraums wurden die Daten vollständig von Hand
mittels MS Excel eingegeben, da ein Spezialprogramm erst programmiert werden musste. Alle nachfolgend angefallenen Bilder konnten mittels der Software FFM 2.0 ausgewertet werden. Das Programm erstellte zwei CSV
Dateien, die wiederum mittels MS Excel geöffnet und weiter bearbeitet werden konnten. In einer Datei befanden
sich die Daten aller Bilder, während eine andere die einzelnen Ereignisse darstellte. Zu einem Ereignis wurden
alle Auslösungen mit einem Abstand unter einer Minute zusammengefasst. Die Erleichterung in der Anwendung der Software bestand insbesondere darin, dass das Programm Datum, Bild- und Ereignisnummer sowie
Uhrzeit automatisch aus der Bilddatei (Abb. 8) ausliest und in eine csv-Datei überträgt. Vom Bearbeiter mussten
lediglich die projektspezifischen Parameter ausgefüllt werden. Hierzu zählten die Tierart, das Geschlecht, die
Anzahl sowie Angaben zur Markierung.
15
Material und Methoden
Die Altersansprache wurde, sofern eine Differenzierung möglich war, in drei Altersklassen (AK) vorgenommen.
Die AK0 waren hierbei juvenile Stücke in einem Alter unter einem Jahr. Zu der AKI zählten alle subadulten Individuen innerhalb des ersten Lebensjahres. In die Gruppe der AKII+ konnten alle adulten Tiere ab zwei Jahren
eingegliedert werden. Für einzelne Betrachtungen wurde Damwild der AKI und der AKII+ (z.B. Spießer und
ältere Hirsche) in einer Altersklasse AKI+ zusammengefasst. Als Stichtag für den Altersklassenwechsel wurde für
alle Tierarten der 1. April gewählt.
Des Weiteren konnten nicht alle fotografierten Tierarten artspezifisch erfasst werden. Das Hauptaugenmerk lag
auf den vorkommenden Schalenwildarten, die, sofern es möglich war, in jedem Falle art- und altersklassengenau dokumentiert wurden.
Ebenfalls auf Artniveau wurden auftretende Raubsäuger, wie Dachs (Meles meles, L. 1758), Fuchs (Vulpes vulpes, L. 1758), Stein- (Martes foina, Erxleben 1777) und Baummarder (Martes martes, L. 1758) sowie Marderhund
(Nyctereutes procyonoides, Gray 1834) erfasst. Für fotografierte Mäuse- und Vogelarten konnten die Gruppen
Kleinsäuger sowie Vögel erstellt werden. Von Menschen ausgelöste Ereignisse wurden aus Datenschutzgründen gelöscht. Hauskatzen bzw. Haushunde wurden ebenfalls dokumentiert, aber nicht näher betrachtet. Konnte kein auslösender Grund festgestellt werden, galt die Aufnahme als Fehler. Die durch den Erstbearbeiter bestimmten Tierarten als auch unklare Auslöseursachen wurden durch einen zweiten Bearbeiter kontrolliert, um
mögliche Fehler zu minimieren.
Datum
Uhrzeit
Bildfolge
Standortnummer
Abb. 8: Fotofallenbild mit markiertem Damwild inkl. aufgenommener Parameter.
3.4 Fang-Markierung-Wiederfang-Verfahren
Die Methode des Fang-Wiederfangs ist ein sehr präzises Verfahren zur Schätzung von Populationsgrößen, wenn
wesentliche Grundvoraussetzungen erfüllt werden (Amstrup et al. 2005). Die zu schätzende Population weist
einen Anteil markierter und unmarkierter Individuen auf. Nacheinander und zufällig werden nun Teile der Population gefangen und die Anzahl markierter und nicht markierter Stücke ausgezählt. Entscheidend ist die gleiche
Fang- und Wiederfangwahrscheinlichkeit aller Individuen unabhängig von Alter, Geschlecht und Fangort. Für
dieses Verfahren werden mehrere Modelle zur Populationsdichteberechnung unterschieden:
In einem Fang-Wiederfang-Überlegungsansatz sind alle Individuen der Population individuell voneinander unterscheidbar. In vergleichbaren Untersuchungen wurde dieser Verfahrensansatz vor allem für die Familie der
16
Material und Methoden
Feliden (Felidae, Fischer 1817) angewandt. Schätzungen der Populationsgröße mittels Fang-Wiederfang fanden
u.a. für die Tierarten Tiger (Panthera tigris, L. 1758) (K aranth & Nichols 1998), Jaguar (Panthera onca, L. 1758) (Rovero & Marshall 2009), Ozelot (Leopardus pardalis, L. 1758) (Trolle & Kerry 2003, Rovero & Marshall 2009) sowie Luchs
(Lynx lynx, L. 1758) (Laass 2002, Zimmermann et al. 2008) statt. Die grundlegenden Voraussetzungen hierbei besagen, dass alle Tiere der Population individuell unterscheidbar sind und für jedes Individuum eine Fanghistorie
angelegt werden kann. Viele Arten der Felidae können anhand ihrer individuellen Fellzeichnung voneinander
unterschieden werden. In jedem Fangintervall kann ein Tier somit als gefangen oder nicht gefangen deklariert
werden. Als gefangen bezeichnet man es, wenn das Tier mittels Fotofalle dokumentiert und sicher bestimmt
werden kann. Die Auswertung für solch gelagerte Experimente erfolgen oft mit dem Programm Capture (Laass
2002, Trolle & Kerry 2003, Zimmermann et al. 2008).
Fang-Wiederfang-Experimente können allerdings nicht nur an natürlich individuell unterscheidbaren Tieren
stattfinden, sondern auch an Arten, die durch ihren identischen Phänotyp nur über künstliche Markierung voneinander unterscheidbar sind (z.B: am Dachs (Minta & Mangel 1989), Schwarzwild (Wunn et al. n.d., Hebeisen et al.
2008) und Weißwedelhirsch (Odocoileus virginianus, Zimmermann 1780) (McKinley et al. 2006, Roberts et al. 2006).
Die theoretische Grundlage von Fang-Wiederfang-Berechnungen bildet eine simple Anteilsrechnung (Bailey
1951, Pollock & Otto 1983, Seber 1986). Ein Teil der Population wird bei einer ursprünglichen Fang-WiederfangAnwendung gefangen und markiert (M). Der Wiederfang erfolgt nach einer definierten Zeit (▲t). Der Anteil
markierter Tiere (Wmark) zur Gesamtzahl an Individuen beim Wiederfang (W), ist gleich dem Anteil der anfangs
gefangenen und markierten Individuen (M) zur geschätzten Gesamtpopulation ( ) (Nentwig et al. 2007). Die
entsprechende Formel lautet
Umgestellt nach der Zielvariablen, der unbekannten Populationsgröße, sieht die Formel wie folgt aus:
Die gleiche Rechnung sollte für die Populationsschätzung auf Jasmund angewandt werden. Als Formel-Input
und bekannte Größen lagen vor:
M
= gefangene und markierte Individuen zur Setzzeit
W
= von Fotofallen dokumentierte Anzahl von Tieren mit und ohne Markierung
Wmark = von Fotofallen dokumentierte Anzahl von Individuen mit Markierung
Die zu schätzende Zielgröße und Unbekannte, ist die Anzahl an Damwild auf Jasmund ( ). Die Populationsgröße von Tieren ist nach Nentwig et al. (2007) und Southwood & Henderson (2000) zeitlichen Schwankungen unterlegen. Eine Population wird von vier Ausgangsvariablen beeinflusst: Geburten, Sterbefälle, Emigration und Immigration. Das Ein- und Abwandern von Tieren kann auf der Halbinsel Jasmund vernachlässigt werden. Jährliche
Veränderungen der Gesamtzahl an Tieren aufgrund von Reproduktion und Sterbefällen sind hierbei wichtigere
Faktoren. Um Tendenzen von Jagd, natürlicher Mortalität und auch Reproduktion erkennen zu können, wurden
zusätzlich die Anteile von markierten zu unmarkierten Tieren genauer je Standort pro Monat untersucht.
3.5 distance sampling
Der Begriff distance sampling umschreibt einen Methodenkomplex zur Bestimmung der Dichte von Tieren oder
auch Pflanzen in einem festgelegten Areal (Meissner-Hylanová 2011). Nach Buckland et al. (2001) können hierbei in der theoretischen Betrachtung Punkt- und Linientransektverfahren unterschieden werden. Während der
Untersuchung kam ein Linientransektverfahren zum Einsatz (Mader & Saborowski n.d., Focardi et al. 2002, Ward
et al. 2004, Hounsome et al. 2005, Jakobsson 2006, Marini et al. 2008, Marques 2009). Hierbei sollten im Vorfeld sogenannte Transektlinien für eine Befahrung ausgewählt werden. Das Transektdesign wird der Topographie des
Untersuchungsgebietes, dessen Habitattyps und der Dichte der zu untersuchenden Tierart angepasst (Buckland
et al. 2001).
Das Prinzip des distance sampling sieht nun vor, dass aus der rechtwinkligen Entfernung X des Tieres (Abb. 9)
zum Transekt und den gezählten Ereignissen (Tiergruppen: Rudel/Rotten bzw. Einzeltiere) die Gesamtpopulation der auftretenden Tiere berechnet werden kann (Abb. 10).
17
Material und Methoden
X
Transekt
Abb. 9: Schematische Darstellung der distance sampling Abb. 10: Zwei Damhirsche bei Nipmerow mit
Aufnahmen.
Wärmebildkamera fotografiert.
Für die anschließende Berechnung kam die Software Distance 6.0 zum Einsatz. Einen maßgeblichen Einfluss auf
das Ergebnis haben hierbei die rechtwinklige Entfernung des Individuums oder der Tiergruppe zum Transekt,
die Anzahl der gezählten Tiere und deren räumliche Verteilung im Gebiet (Abb. 25).
Das Transektdesign im Untersuchungsgebiet sah vor, dass für eine komplette Beprobung des UG drei Nächte
notwendig waren. Hierbei entstanden zwei Transektrouten. Während eine innerhalb der Waldfläche im Nationalpark (rot) und die andere weitestgehend im Offenland (blau) verlief (Abb. 11). Die Datenerhebung erfolgte
aus einem PKW heraus, der sich mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von ca. 10 km/h bewegte. Notiert
wurden pro detektiertem Ereignis: Transektnummer, Uhrzeit, rechtwinklige Entfernung X, Wildart, Anzahl, Altersklasse sowie Geschlecht der auftretenden Tiere. Eine Eintragung in einer Karte sowie die Speicherung des
eigenen Standorts auf GPS dienten der späteren räumlichen Darstellung der Ereignisse.
Gezählt wurde aufgrund der vermuteten höheren Tieraktivität und der besseren Sichtbarkeit des Wildes nachts
mittels Wärmebildtechnik. Die Temperaturunterschiede zwischen der Umgebung und den Tieren sind in der
Regel nachts hoch, wodurch sie leicht zu entdecken sind. Gezählt wurde nur einseitig. Da eine Wärmebildkamera ohne zusätzliche Lichtquellen arbeitet, ist das Wild störungsfreier und leichter zu entdecken (Gill et al. 1997)
und wird in seinem Verhalten weniger gestört. Für die Erfassung kamen hierbei zwei Wärmebildkameras zum
Einsatz. In den Jahren 2011 und 2012 wurden die Aufnahmen mit der Wärmebildkamera FLIR P620 und 2013 mit
einer FLIR BHS-XR getätigt. Ein Wärmebild kann in verschiedenen Falschfarbendarstellungen visualisiert werden.
Die häufig genutzte Variante der schwarz/weiß Darstellung ist in der Abb. 10 zu erkennen.
Die Wärmebilderfassungen fanden stets zu einem Zeitpunkt des unbelaubten Zustands der Bäume statt, um
eine möglichst gute Sichtbarkeit des Wildes zu gewährleisten. Im April 2011 erfolgte der erste Durchlauf des
distance sampling. Weitere folgten im November 2011 und April 2012. Die letzten Durchgänge für das Winterhalbjahr 2012/13 fanden nach Ende der Jagdzeit im April 2013 statt. Hierbei war eine terminliche Synchronisation mit einer zusätzlichen Wärmebildbefliegung der Fa. Aerosense besonders wichtig.
18
Material und Methoden
Abb. 11: Verteilung der Offenland- und der Waldtransektlinien auf Jasmund.
3.6 Ermittlung von Mindestindividuenzahlen mittels Individualerkennung
Im Rahmen von zwei Bachelorarbeiten an der AG Wildtierforschung der TU Dresden sollte über Individualerkennung anhand natürlicher Merkmale versucht werden, die Anzahl des männlichen Schalenwildes zu quantifizieren.
Dieser Ansatz wurde für Rothirsche, Damhirsche und Muffelwidder versucht. Klawitter (2014) beschäftigte sich
mit den Damhirschfotos und Lunze (2014) mit den Rothirschen und den Muffelwiddern der Fotofallen von 2011
bis 2013.
Hierzu wurden Körpermerkmale wie Geweih- oder Schneckenausbildung und Fellmerkmale getestet. Weitere
Details können den beiden Bachelorarbeiten entnommen werden.
19
Vorkommens- und Populationsdaten
4 Vorkommens- und Populationsdaten aus Beobachtungsmeldungen
und Fotofallendaten
Von März 2011 bis Sommer 2013 wurden insgesamt 1.419 Beobachtungsereignisse gemeldet. Am Ende des Projektes war ein schlechterer Rücklauf von Beobachtungsdaten zu verzeichnen. Bei Betrachtung deren Verteilung
(Abb. 12, Abb. 13) ist unbedingt zu beachten, dass die Zuarbeit der einzelnen Jäger sehr unterschiedlich war und
damit die Verteilung der insgesamt gemeldeten Beobachtungen stark von der Meldeintensität beeinflusst ist.
So wurden durch den Revierleiter Rico Markmann allein 919 von den 1.419 Schalenwildbeobachtungen bereitgestellt. Dies entspricht 65 % der Gesamtstichprobe. Diese Anzahl belegt das Potenzial der Methode, zumal der
einzige Mehraufwand das Notieren der Beobachtungen auf einer Karte und in einer Tabelle ausmacht.
Abb. 12: Räumliche Verteilung der Damwildsichtbeobachtungen auf Jasmund (n = 1.114).
Grundsätzlich spiegeln die Daten aber die Häufigkeit der einzelnen Arten im Verhältnis zueinander sowie deren Vorkommensgebiete wider. Sie bestätigen die bekannten Informationen, dass Damwild als Hauptwildart
gemeinsam mit Reh- und Schwarzwild auf der gesamten Waldfläche des Nationalparks vorkommt. Rot- und
Muffelwild nutzen dagegen nur Teile dieser Fläche und kommen in den nördlichsten und südlichsten Bereichen
nicht vor (Abb. 13).
Bei der Verteilung der Damwildrudel nach Größen wurde ersichtlich, dass vor allem kleinere Gruppen vorkommen und nur selten mittlere bis größere Rudel entstehen. Leider fehlen Daten aus den Hirscheinständen in der
20
Vorkommens- und Populationsdaten
Feldmark weitestgehend, so dass Aussagen zum Geschlechterverhältnis aus diesen Daten nicht sinnvoll erscheinen. Da die Beobachtungsmeldungen flächendeckender über das Gebiet verteilt sind als die Fotofallendaten,
stellen sie eine wichtige Ergänzung vor allem auch für das Registrieren von markiertem Damwild und für die
Ermittlung dessen Überlebensstatus dar.
Abb. 13: Räumliche Verteilung der Schalenwildsichtbeobachtungen (ohne Damwild) auf Jasmund (n = 269).
Mit Hilfe der im Nationalpark angebrachten 15 Fotofallen konnte ebenfalls das Artenspektrum der Schalenwildarten und ergänzend der Raubsäuger erfasst werden (Abb. 14). Im Vergleich der beiden Erfassungsmethoden (Beobachtungsdaten, Fotofallenereignisse) fällt auf, dass die Fotofallen einen deutlich höheren Anteil an
Schwarz- und Muffelwild ermittelt haben (Abb. 15). Hierbei spielt die Möglichkeit einer 24-Stunden-Überwachung mittels Fotofallen eine wesentliche Rolle. Beim Schwarzwild ist dabei die Nachtaktivität bedeutend. Das
verstärkt auch tagaktive Muffelwild scheint sich hingegen der Beobachtung der meldenden Jäger vermehrt zu
entziehen, indem es sich in wenig vom Menschen frequentierte Bereiche zurückzieht.
21
Anzahl Tiere [St.]
Vorkommens- und Populationsdaten
20000
18000
16000
14000
12000
10000
8000
6000
4000
2000
0
17357
11%
7%
4%
3%
17%
5160
1097
955
3152
58%
2231
Wild t
Wildart
Abb. 14: Erfassungshäufigkeiten von Schalenwild- und Raubsäugerarten (mit Fotofallen erfasst).
Fotofallenanteile [%]
6,0
Beobachtungsanteile [%]
5,6
10,7
3,8
74,0
Damwild
Rotwild
Schwarzwild
Rehwild
Muffelwild
Abb. 15: Vergleich der Erfassungshäufigkeiten der Schalenwildarten zwischen den Aufnahmemethoden.
Bei Betrachtung der Abb. 16 wird deutlich, wie stark sich die Anteile im Spektrum der Schalenwildarten von
Standort zu Standort unterscheiden. Es sind Orte vertreten, an denen fast nur Damwild vorkommt (z.B. J3 & J4)
oder andere (z.B. J8 & J9) bei denen mehr als die Hälfte auf die anderen Arten entfällt.
In Abb. 17 wird deutlich, dass sich die Damhirsche ab dem 2. Lebensjahr (AKI+) im größten Teil des Jahres nicht
im Wald sowie angrenzenden Flächen und damit außerhalb des Erfassungsbereiches der Fotofallen aufhalten.
Damhirsche halten sich vor allem von September bis November in ihren Brunftaktionsräumen auf (Stier et al.
2010) und wandern dazu oft aus teilweise sehr weit entfernten Sommereinständen ein. Die Anteile der durch
Fotofallen erfassten Damhirsche (AKI+) auf Jasmund von etwa 50 % oder mehr in diesem Zeitraum (Abb. 17)
bestätigen diese Tatsache, denn die meisten Brunftplätze liegen im Nationalpark.
Daraus folgt, dass auf Jasmund durch das Fang-Wiederfang-Verfahren mittels Fotofallen und durch das distance
sampling im Frühjahr beim Damwild vor allem der Kahlwildbestand ermittelt wird.
22
Vorkommens- und Populationsdaten
J30
J17
J16
J15
J14
Fotofallenstandorte
J13
J12
J11
J10
J9
J8
J7
J6
J5
J4
J3
J2
J1
Anteil [%] 0
Damwild
Rotwild
Schwarzwild
Rehwild
Muffelwild
n [St.]
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
J1 J2 J3 J4 J5 J6 J7 J8 J9 J10 J11 J12 J13 J14 J15 J16 J17 J30
67,1 56,9 96,5 92,4 85,1 86,3 65,5 46,6 39,8 67,8 59,5 68,8 89,3 82,9 63,0 87,4 87,9 75,9
1,5 9,0 0,0 0,3 0,0 0,5 1,4 8,6 4,7 7,7 6,8 0,7 0,0 1,1 11,3 0,0 0,1 1,5
6,7 9,8 0,9 5,7 10,8 6,8 23,3 18,1 15,4 6,9 18,8 25,4 8,2 10,5 16,0 11,1 11,0 12,7
24,6 2,8 2,5 1,7 4,1 5,6 3,9 3,5 6,2 10,8 7,5 5,1 2,5 5,5 5,9 1,2 0,1 4,5
0,0 21,5 0,0 0,0 0,0 0,7 5,9 23,2 33,9 6,8 7,4 0,0 0,0 0,0 3,9 0,3 0,8 5,4
925 1189 955 1168 804 585 562 2373 746 15551253 672 159 181 1608 334 730 465
Abb. 16: Erfassungshäufigkeiten der Schalenwildarten pro Fotofallenstandort.
68,7
prrozentualer Anteil [%]
70,0
60,0
53,6
50,0
34,5
40,0
53,7
49,1
27,2
16,0
11,8
10 1
10,1
25,4
12,4
57,8
37,2
34,5
30,0
20,0
52,9
26,1
22,0
23,4
25,0
17,9
8,7
8 7 6,9
10,0
7,1 8,5
,
11,3
0,0
I 2011
I 2012
Monate
I 2013
Abb. 17: Anteil der AKI+ beim männlichen Damwild (Spießer und älter) im Jahresverlauf vom gesamten mittels Fotofallen im UG erfassten
Damwildes.
23
Raumnutzung weiblichen Damwildes
5 Raumnutzung weiblichen Damwildes nach Ohrmarkenablesungen
Für die weiblichen, im Jahr 2011 markierten Damkälber lagen bis Mitte 2013 ausreichend Nachweisorte (Abb. 18)
vor, um Aussagen zur Raumnutzung zu treffen. Auch wenn eine Aktionsraumermittlung noch nicht möglich ist,
zeichnen sich bereits jetzt kleinflächige Bereiche (100-300 ha) ab, in denen sich diese Damtiere standortstreu
bewegen, genau wie es andere Telemetriestudien belegen (Nitze et al. 2006, Stier et al. 2010, Gleich 2013). Diese
Tatsache spielt für die Bejagung bzw. Nichtbejagung (in Form von Wildruhezonen) im Nationalpark eine entscheidende Rolle.
Außerdem haben alle sieben Damtiere ihre Aktionsräume in den Gebieten gewählt, in denen sie selbst aufgewachsen sind.
Abb. 18: Räumliche Verteilung der bis Mitte 2013 registrierten Nachweisorte des 2011 markierten, weiblichen Damwildes.
24
Fang-Markierung-Wiederfang-Verfahren beim Damwild
6
Ergebnisse des Fang-Markierung-Wiederfang-Verfahrens beim Damwild
Im Juni 2011 wurden 17, im Juni 2012 27 und im Juni 2013 weitere 21 neugeborene Damkälber mit Ohrmarken
markiert (Abb. 5, Abb. 19). Anhand der Fotofallenereignisse konnten jeweils im Frühsommer des Geburtsjahres,
solange man Damkälber sicher bestimmen konnte, folgende Anteile markierter Damkälber (von allen Damkälbern) ermittelt werden: 2011: 12,8 %, 2012: 11,2 %, 2013: 8,9 %. Jährlich wurden also etwa 10 % aller auf Jasmund
geborenen Damkälber mit Ohrmarken versehen. Diese Ergebnisse belegen, dass es möglich ist, mit einem vertretbaren Aufwand eine umfangreiche Stichprobe an Damwild mit dieser Methode zu markieren, um das FangWiederfang-Verfahren anzuwenden.
Die Markierungsorte sind in beiden Jahren sehr gut über das Untersuchungsgebiet verteilt. Lediglich im Großraum Piekberg (Westseite, südlich der Ortschaft Hagen) wurden keine Kälber gefunden. Da hier trotz intensiver
Suche in allen drei Jahren kaum Kahlwild zur Setzzeit festgestellt wurde, ist zu vermuten, dass in diesem Gebiet
weniger Kälber geboren werden, was unter anderem eventuell mit verstärkt dort vorkommendem Rot- und
Muffelwild zusammenhängen könnte.
Abb. 19: Markierungsorte der Damkälber 2011 bis 2013 (n = 65).
25
Fang-Markierung-Wiederfang-Verfahren beim Damwild
Insgesamt (n = 65) wurden 34 männliche und 31 weibliche Kälber markiert. Die nächtliche Suche mittels Wärmebildkamera (Abb. 4) hat sich besser bewährt, da sie effizienter und mit weniger Personenaufwand verbunden war als die Suche am Tage (Abb. 3). Insgesamt wurden beide methodischen Ansätze in den drei Jahren
immer mehr verfeinert, so dass sie jetzt noch effektiver angewandt werden können. Mit Hilfe von nächtlichen
Wärmebildsuchfahrten ist es möglich, in kurzer Zeit und mit relativ geringem Aufwand größere Stückzahlen
Damkälber zu markieren.
Alle Stücke werden grundsätzlich beidseitig mit Ohrmarken markiert, so dass bei eventuellem Verlust die zweite
Marke als Reserve bleibt. Da sich die Nummer auf der einen Seite vorn und auf der anderen Seite hinten befindet, ist ein Ablesen aus allen Richtungen möglich. Bisher waren bei allen Markierten jedoch beide Ohrmarken
nachweisbar.
Im Gegensatz zu den Beobachtungsdaten der Jäger sind die Fotofallenbilder (Abb. 20) zwar auf die Fotofallenstandorte beschränkt, aber es fallen um ein Vielfaches mehr Daten an. Fotofallen nehmen ihre Daten unabhängig von Datum sowie Tageszeit rund um die Uhr auf und speichern diese dauerhaft und nicht manipulierbar als
Foto ab. So kann man die Fotos mehrfach begutachten, um die benötigten Informationen zu erfassen. Mit Hilfe
einer zusätzlichen „mobilen“ Fotofalle, deren Standort einmal im Monat wechselt, wurden außerdem Datenlücken zwischen den festen Standorten geschlossen.
Innerhalb der vollständig ausgewerteten 2 Jahre (Mai 2011 - Juni 2013) wurden von den 15 (±3) Fotofallen insgesamt 278.992 Bilder getätigt, auf denen 17.357 Stücken Damwild erfasst werden konnten.
16 der 17 im Jahr 2011 markierten Damkälber wurden innerhalb der ersten 4 Lebensmonate von dem Fotofallennetz erfasst. Das fehlende, bisher nie fotografierte Kalb hatte seinen Aktionsraum vor allem am Rand und
außerhalb des Hauptwaldkomplexes, wie die gelegentlichen Sichtbeobachtungen der Jäger zeigten.
Auch von den 27 im Jahr 2012 markierten Kälbern wurden bis Anfang Oktober des Jahres von den Fotofallen
bereits 23 registriert, was für die Datenqualität des Fotofalleneinsatzes spricht. Von den bis dahin Fehlenden
gelang auch später mittels Fotofalle kein Nachweis.
Bei insgesamt 1.419 Beobachtungsmeldungen war 142mal markiertes Damwild dabei, von dem 72 abgelesen
werden konnten. Von Mai 2011 – Juni 2013 wurde mit den 15 Fotofallen 538mal markiertes Damwild erfasst,
wovon 231 abgelesen wurden.
Mit Abschluss der Datenaufnahme im Dezember 2013 waren 8 von den 65 markierten Stücken sicher tot: 2
erlegt, 2 Verkehrsopfer, 2 vermutlich Verkehrsopfer, 2 Fallwild (1 davon Absturz). 34 von 65 markierten Stücken
waren in den letzten 3-4 Monaten vor Abbau der Fotofallen (Dez. 2013) noch nachzuweisen. 12 von 65 markierten Stücken wurden länger nicht beobachtet. 11 wurden nie nachgewiesen, wobei 10 davon aus dem Jahr
2013 stammten. Hierbei spielt vermutlich der sehr kurze Beobachtungszeitraum die wichtigste Rolle, so dass
man davon ausgehen muss, dass die meisten noch am Leben waren. Auch das Fehlen von Fotofallen an einzelnen Standorten scheint hier bedeutsam zu sein, da vor allem Nachweise von Kälbern fehlen, die in Gebieten
ohne Fotofallen markiert wurden.
Abb. 20: Fotofallenbild mit Damtier und markiertem Kalb H13.
26
Fang-Markierung-Wiederfang-Verfahren beim Damwild
Abb. 21 belegt sehr deutlich, wie sich der Anteil markierter Kälber zwischen den Standorten und am gleichen
Standort im Verlauf der Zeit unterscheidet. Daraus wird ersichtlich, wie wichtig eine ausreichend große und
repräsentative Stichprobe an Fotofallendaten ist, um einen realitätsnahen Wert des Anteils Markierter in der
Population zu ermitteln.
90
Anteil
Anteil markierte
markierte Kälber
Kälber pro
pro Standort
Standort &
& Monat
Monat
Anteil markierte
markierte Kälber
Kälber pro
pro Standort
Standort
Anteil
Anteil markierte Kälber gesamt
Anteil markierte Kälber gesamt
Anteil markierter Damkälber an allen Damkälbern [%]
80
70
60
50
40
30
20
10
0
J1
n = Kälber [St.] 125
J2
J3
J4
J5
J6
84 383 483 265 219
J7
J8
57 179
J9 J10 J11 J12 J13 J14 J15 J16 J17 J30
51 105 162 144 38
54 202
63
10
98
Standorte
Abb. 21: Anteil markierter Damkälber pro Monat über die Fotofallenstandorte (grüne Dreiecke) sowie deren Werte pro Standort (graue
Balken) und im UG (rote Linie).
Errechnet man mit Hilfe des Anteils der Markierten auf den Fotofallenbildern und dem Wissen über die Anzahl
insgesamt markierter Stücken in der Population den Damwildbestand, so ergeben sich unterschiedliche Werte,
je nachdem ob man mit der minimal vorhandenen Anzahl markierter Stücken (alle sicher lebend nachgewiesenen) oder mit der maximalen Anzahl (alle nicht tot nachgewiesenen) rechnet (Tab. 1 & Tab. 2). Als Wert der
absoluten Anzahl Markierter wurde grundsätzlich der Mittelwert über alle Tage verwendet, so dass Werte mit
Kommastelle Verwendung finden.
Da im zweiten Jagdjahr 2012/13 ein deutlich höherer Anteil an Markierten in der Population vorhanden war,
erscheinen diese Ergebnisse besser abgesichert und ergeben einen Damwildbestand zwischen 447 und 673
Stück. Nach mehrmonatiger Beobachtungszeit stellte sich heraus, dass sich von den ersten markierten Damkälbern nach längerer Zeit noch fast alle lebend in der Population befanden und teilweise trotzdem nur wenige
Nachweise dieser Individuen gelangen. Deshalb muss man davon ausgehen, dass real etwas weniger als die
J1 (n=12)
Maximalzahl an Markierten vorhanden sein könnte. Aus diesem Grund gehen
die Werte aus den Maximalzahlen
12
5 6
in das
Diagramm
zum
Methodenvergleich
(Abb.
26)
ein.
J2 (n=9)
8
9
J3 (n=14)
14
J4 (n=16)
16
J5 (n=18)
J6 (n=18)
J7 (n=7)
27
Fang-Markierung-Wiederfang-Verfahren beim Damwild
Tab. 1: Ergebnisse zum Damwildbestand mittels Fang-Markierung-Wiederfang-Methode und 15 Fotofallen errechnet.
Zeitraum
Anzahl
markiertes
Damwild
auf Fotofalle
(St.)
Anzahl
Anzahl
unmarkiertes
Damwild
Damwild
gesamt
auf Fotofalle auf Fotofalle
(St.)
(St.)
Wmark
Jagdjahr
2011/12 min.
Jagdjahr
2011/12 max.
Jagdjahr
2012/13 min.
Jagdjahr
2012/13 max.
Anteil
markiertes
Damwild
auf Fotofalle
(%)
W
Mittelwert
markiertes
Damwild
absolut
(St.)
berechneter
DamwildBestand
Winter11/12
(St.)
M
277
7.790
8.067
3,4
13,5
392
277
7.790
8.067
3,4
16,0
466
313
5.694
6.007
5,2
23,3
447
313
5.694
6.007
5,2
35,1
673
min: nur alle sicher nachgewiesenen Markierten verwendet; max: alle Markierten einbezogen, wenn nicht sicher tot
Ergänzend wurde für jeden Kälberjahrgang eine eigene Fang-Wiederfang-Berechnung durchgeführt (Tab. 2).
Die Differenzen zwischen den Minimal- und den Maximalwerten des Damwildbestandes waren für den Jahrgang 2011 am geringsten, da bis zum Projektende über 2 Jahre Zeit war, um den Überlebensstatus markierter
Individuen zu klären. Für 2012 ist die Spanne zwischen errechnetem Minimal- und Maximaldamwildbestand
etwas größer. In den 6 Monaten von Juni bis Dezember 2013 gelang nur für 11 der 21 markierten Damkälber des
Jahrganges der Nachweis des Überlebens, so dass die Spanne am größten ist, aber der reale Wert vermutlich
leicht unter dem Maximalwert liegt, wie im ersten Jahr an umfangreichen Daten belegt werden konnte. Hier
zeigt sich, dass es auch in Zukunft besonders wichtig ist, viele markierte Stücke abzulesen, um den aktuellen
Status möglichst aller Individuen zu kennen.
Für 2012 und 2013 wird davon ausgegangen, dass auf Jasmund etwa 200 Damkälber pro Jahr gesetzt wurden,
was in etwa dem Zuwachs der Population entsprechen dürfte. Auch für diesen Ansatz gehen die Maximalwerte
der 3 Jahre in das Diagramm zum Methodenvergleich (Abb. 26) ein.
Tab. 2: Ergebnisse zum Damkälberbestand mittels Fang-Markierung-Wiederfang-Methode und 15 Fotofallen errechnet.
Zeitraum
Anzahl
markierte
Damkälber
auf Fotofalle
(St.)
Anzahl
unmarkierte
Damkälber
auf Fotofalle
(St.)
Wmark
Anzahl
Damkälber
gesamt
auf Fotofalle
(St.)
Anteil
markierte
Damkälber
auf Fotofalle
(%)
W
Mittelwert
markierte
Damkälber
absolut
(St.)
berechneter
DamkälberBestand
Sommer
(St.)
M
Sommer 2011
min.
204
1.387
1.591
12,8
13,5
105
Sommer 2011
max.
204
1.387
1.591
12,8
16,0
125
Sommer 2012
min.
126
996
1.122
11,2
18,4
164
Sommer 2012
max.
126
996
1.122
11,2
23,3
208
Sommer 2013
min.
40
408
448
8,9
11
123
Sommer 2013
max.
40
408
448
8,9
21
235
min: nur alle sicher nachgewiesenen Markierten verwendet; max: alle Markierten einbezogen, wenn nicht sicher tot
28
Mindestindividuenzahlen über Individualerkennung
7
Ermittlung von Mindestindividuenzahlen über Individualerkennung
Während alle anderen Verfahren vor allem auf das Kahlwild focusieren, da sich dies schwerpunktmäßig im Waldkomplex des Nationalparks und den unmittelbar angrenzenden Offenlandflächen aufhält, sollte über Individualerkennung anhand natürlicher Merkmale versucht werden, die Anzahl des männlichen Schalenwildes zu
quantifizieren.
Dieser Ansatz wurde im Rahmen von 2 Bachelorarbeiten umgesetzt. Klawitter (2014) beschäftigte sich mit den
Damhirschen und Lunze (2014) mit den Rothirschen und den Muffelwiddern.
In Abb. 22 ist ein Beispiel einer Individualkartei an einem Rothirsch dargestellt. Für jeden individuell erkennbaren Hirsch oder Widder und jeden der beiden Jahrgänge (2011/12 und 2012/13) wurde eine entsprechende
Karteikarte angelegt.
Während der Bearbeitung stellte sich heraus, dass es mehrere Muffelwidder gab, die man nicht sicher unterscheiden konnte, weil sie zu ähnlich waren. Aus diesem Grund wurde der Versuch für das Muffelwild eingestellt.
Für Rot- und auch für Damhirsche zeigte sich, dass eine sichere Unterscheidung ab dem 2. Lebensjahr anhand
von Geweihmerkmalen möglich ist, wenn brauchbare Fotos vorliegen. Lediglich für Spießer funktioniert diese
Methode nicht.
Abb. 22: Beispiel einer Individualkartei eines Rothirsches.
Beim Damwild konnten im Jahrgang 2011/12 sicher 139 Hirsche der AKII+ und 2012/13 sicher 114 Hirsche der
AKII+ unterschieden werden.
Am Beispiel des Zeitraumes August 2011 bis April 2012 mit einer umfangreichen Datenbasis von allen Fotofallenstandorten wurde über das Verhältnis AKI (Spießer) zu AKII+ (Damhirsche ab 2. Lebensjahr) die Anzahl
an Spießern errechnet. Es konnten 485 Sichtungen von Spießern (AKI) und 1.286 von Damhirschen der AKII+
registriert werden, was einem Verhältnis von 1 : 2,7 (AKI : AKII+) entspricht. Aus diesem Verhältnis und den 139
identifizierten Damhirschen der AKII+ errechnet sich ein Bestand von 53 Spießern. Der so im ersten Untersuchungsjahr ermittelte Damhirschmindestbestand von 192 Stück passt zur Dimension des Kahlwildbestandes.
Beim Rotwild konnten im Jahrgang 2011/12 mindestens 26 Hirsche der AKII+ und 2012/13 25 Hirsche der AKII+
unterschieden werden.
29
distance sampling
8
Ergebnisse des distance sampling
Die Erhebungen mittels distance sampling müssen getrennt nach Habitattypen erfolgen (Meissner-Hylanová
2011, Nitze et al. 2012). Auf Jasmund wurden 2.294 ha Wald und 975 ha Offenland beprobt. Da jeweils nur eine
Wärmebildkamera zur Verfügung stand, wurde nur einseitig (in Fahrtrichtung links) gezählt. Bei der Erhebung
im April 2012 wurden zusätzlich die Waldtransekte doppelt befahren, um die Stichprobe zu erhöhen. Im Frühjahr 2013 wurden beide Habitattypen doppelt beprobt und damit die Stichprobe (Tab. 3) deutlich erhöht.
Abb. 23: Entdeckungswahrscheinlichkeit der gezählten Damwildgruppen im Wald in Abhängigkeit von der Entfernung zum Transekt im
November 2011.
Abb. 24: Entdeckungswahrscheinlichkeit der gezählten Damwildgruppen im Wald in Abhängigkeit von der Entfernung zum Transekt im
April 2012.
Bei allen distance sampling Durchgängen wurde für Damwild im Wald eine brauchbare Stichprobe (Tab. 3) erhoben, die zwischen 33 und 85 Gruppen umfasste. Buckland et al. (2001) empfehlen mindestens 40, besser 60-80
Ereignisse für brauchbare Ergebnisse. Darauf aufbauend ergaben sich für die Waldtransekte eine gleichmäßige
Verteilung der Ereignisse auf die einzelnen Segmente innerhalb der effektiven Streifenzählbreite (Abb. 23 &
Abb. 24) sowie für Wald sehr große Streifenzählbreiten um die 100 m (Abb. 23 & Abb. 24). Die effektive Streifenzählbreite wird als die senkrechte Entfernung zum Transekt interpretiert, bei der die Summe der übersehenen
Tiere gleich der Summe der Entdeckten ist (Buckland et al. 2001). Die erfassten Ereignisse werden auf die Beprobungsfläche bezogen, die sich aus Transektlänge und effektiver Streifenzählbreite ergibt.
Die Daten aus dem distance sampling (Abb. 25) belegen genau wie die Beobachtungsdaten Damwild als Hauptwildart und im Verhältnis deutlich weniger Rot- und Muffelwild. Sehr auffällig ist, dass bei den beiden Aprilzählungen 2011 und 2012 (Abb. 25a+c) kaum Damwild im Offenland und im nördlichen Waldteil gefunden wurde,
dafür dort mehr im November 2011 (Abb. 25b). Man hätte während der Schonzeit und der besseren Äsung im
April mit mehr Damwild auf den Agrarflächen gerechnet als im November, der Zeit intensiverer Bejagung.
30
distance sampling
Abb. 25: Mit distance sampling mittels Wärmebildkamera erfasste Schalenwildgruppen.
Je gleichmäßiger das Schalenwild über das Gebiet und damit auf die Transekte verteilt ist, und je gleichmäßiger
die Rudelgrößen verteilt sind, umso genauer sind die Ergebnisse des Verfahrens. Außerdem ist es günstig, wenn
viele kleine Rudel statt weniger großer Rudel vorkommen. Je mehr diese Voraussetzungen erfüllt sind, umso
geringer ist der Variationskoeffizient (Tab. 3), der damit das Fehlerrisiko der Daten anzeigt.
31
distance sampling
Tab. 3: Ergebnisse zu Damwild- und Rehwilddichten ermittelt mittels distance sampling unter Einsatz einer Wärmebildkamera.
Zählung
Zählzeit
Variations- Anzahl Anzahl
Dichte
Koeffizient Gruppen Stück
(St./100 ha)
(%)
gezählt gezählt
rel. Anzahl
(Stück/km
Transekt)
Bemerkung
Damwild Wald 1
28.04.06.05.2011
22,8
30,1
36
119
1,91
Damwild Wald 2
06.11.09.11.2011
21,1
17,6
45
94
1,70
Damwild Wald 3
24.04.28.04.2012
29,8
20,2
85*
325*
3,37
* 2mal beprobt
Damwild Wald 4
22.04.28.04.2013
10,3
29,9
33*
105*
1,05
* 2mal beprobt
Damwild
Offenland 1
Damwild
Offenland 2
Damwild
Offenland 3
Damwild
Offenland 4
28.04.06.05.2011
06.11.09.11.2011
24.04.28.04.2012
22.04.28.04.2013
9,1
60,2
13
48
2,05
zu hohe Fehlerwahrscheinlichkeit
14,4
39,4
15
66
4,49
25,5
60,7
6
30
2,04
zu hohe Fehlerwahrscheinlichkeit
36,9
36,6
25*
138*
5,19
* 2mal beprobt
3,2
52,22
12
14
0,22
2,7
51,65
8
10
0,18
2,5
35,62
16*
21*
0,21
* 2mal beprobt
1,25
59,04
10*
12*
0,12
* 2mal beprobt
1,5
67,8
4
4
0,17
11,0
54,76
7
13
0,88
4,9
84,51
2
4
0,27
1,96
66,77
6*
9*
0,34
Rehwild Wald 1
Rehwild Wald 2
Rehwild Wald 3
Rehwild Wald 4
Rehwild
Offenland 1
Rehwild
Offenland 2
Rehwild
Offenland 3
Rehwild
Offenland 4
28.04.06.05.2011
06.11.09.11.2011
24.04.28.04.2012
22.04.28.04.2013
28.04.06.05.2011
06.11.09.11.2011
24.04.28.04.2012
22.04.28.04.2013
* 2mal beprobt
* Anzahl Gruppen und Stück bei Zählung „Wald 3“,„Wald 4“ und „Offenland 4“ höher, da alle Transekte doppelt gezählt wurde.
Für Rot-, Muffel- und Schwarzwild fielen zu wenige Zählereignisse pro Durchgang an, so dass keine brauchbaren Bestandeszahlen berechnet werden konnten. Beim Rehwild (Tab. 3, unten) scheinen im Wald trotz weniger, gezählter Gruppen relativ realitätsnahe Ergebnisse ermittelt worden zu sein. Das Verhältnis von Damwild zu
Rehwild auf den Fotofallenbildern (Abb. 14 & Abb. 15) bestätigt dieses, sehr ähnliche Dichteverhältnis aus dem
distance sampling, die auch zu den langjährig stabilen, geringen Rehwildstrecken auf Jasmund passen.
Im Offenland sind die Werte für Damwild bei den Frühjahrszählungen 2011 (13 Gruppen) und 2012 (6 Gruppen)
nicht ausreichend gesichert, da eine zu geringe Stichprobe dahinter steht und ein Variationskoefizient von 60 %
ermittelt wurde (Tab. 3 rot). Aus diesem Grund wurden die Werte dieser distance sampling Durchgänge nicht
weiter berücksichtigt, in Tab. 4 in Klammer angegeben und im Methodenvergleich (Abb. 26) nicht dargestellt.
Im Wald wurde, mit Ausnahme des Frühjahrs 2013, insgesamt mehr Damwild erfasst, so dass zwischen 36 und
85 Rudel (Tab. 3) ausgezählt werden konnten. Auch hier war der Variationskoeffizient beim Novemberdurchlauf
mit 17,6 % und mit 20,2 % im Frühjahr 2012 am geringsten und damit die Ergebnisse der Realität vermutlich am
nächsten.
32
distance sampling
Wenn man dementsprechend mit den Novemberdaten eine Bestandeshochschätzung versucht, ergibt sich im
Wald bei einer Dichte von 21,0 Stück Damwild / 100 ha ein errechneter Bestand von 483 Stücken und im Offenland mit 14,4 Stück Damwild / 100 ha ein Bestand von 140 Stücken. Zusammen wären das 623 Stück Damwild
zum Zeitpunkt 06.-09.11.2011. Da die Jagdstrecke nach diesem Zeitpunkt noch von der berechneten Gesamtzahl abgezogen werden muss, liegt der Frühjahrsbestand 2012 vermutlich etwas unter dieser Anzahl.
Vom 22.-28.04.2013 ergab sich im Wald bei einer Dichte von 10,3 Stück Damwild / 100 ha ein errechneter Bestand von 236 Stücken und im Offenland mit 36,9 Stück Damwild / 100 ha ein Bestand von 360 Stücken. Zusammen wären das 596 Stücke Damwild.
Die beiden Frühjahrserhebungen 2012 und 2013 ergaben demnach auf der beprobten Fläche einen ermittelten
Damwildbestand von etwa 600 Stück.
Tab. 4: Ergebnisse zu Damwildbestandeszahlen ermittelt mittels distance sampling mit Wärmebildkamera.
Dichte
Wald
(St./100 ha)
Dichte
Offenland
(St./100 ha)
Gesamtanzahl
Wald
(St.)
Gesamtanzahl
Offenland
(St.)
Anzahl
gesamt
(St.)
28.04.-06.05.2011
22,8
(9,1 ?)
524
(88 ?)
(612 ?)
06.11.-09.11.2011
21,1
14,4
483
140
623
24.04.-28.04.2012
29,8
(25,5 ?)
683
(249 ?)
(932 ?)
22.04.-28.04.2013
10,3
36,9
236
360
596
Zeitraum
33
Methodenvergleich
9
Methodenvergleich
In Tab. 5 werden die Ergebnisse unterschiedlicher Verfahren der Bestandesermittlung fürs Damwild über den
Projektzeitraum miteinander verglichen. Dabei fällt die große Übereinstimmung der Ergebnisse des distance
sampling und der beiden Fang-Wiederfang-Ansätze für die Jagdjahre 2012/13 und 2013/14 auf, die auch in Abb.
26 abgebildet ist. Daraus kann auf eine relativ hohe Genauigkeit dieser Ergebnisse und damit der dafür angewandten Methoden schließen.
Bei den Zählungen im Frühjahr (2. Aprilhälfte) wurde fast nur Damkahlwild (ca. 90 %) erfasst, da die Damhirsche
dann schon größtenteils in der Feldmark sind. Gleiches gilt auch für das Fang-Wiederfang-Verfahren. Aus diesem Grund muss zu diesen Werten noch ein Anteil an Damhirschen hinzugerechet werden, um den realen
Damwildbestand zu ermitteln.
Tab. 5: Vergleich der Ergebnisse zum Damwildbestand auf Jasmund nach Verwendung unterschiedlicher Erfassungsmethoden mit der
Jagdstrecke im Projektzeitraum 2011-2013.
Jagdstrecke
Losungszählung
Zähltreiben
distance
sampling
(St.)
(St.)
(St.)
(St.)
2011/12
171
412
257
Apr 2011
612 ?
2012/13
188
403
-
Nov 2011
623
2013/14
-
-
-
Apr 2013
596
Jagdjahr
FangFangWiederfang Befliegung
Wiederfang
Kälber
Fa. aerosence
gesamt
(mal 3)*
(St.)
(St.)
(St.)
[105-125] x3
392-466
= 305-375
geschätzt
geschätzt
ca. 450
ca. 350-375
[164-208] x3
447-673
= 492-627
geschätzt
geschätzt
ca. 600-650
ca. 550-600
[123-235 x3
= 369-705
239
geschätzt
ca. 600-650
* beim Fang-Wiederfang der Damkälber wurde der ermittelte Wert mal 3 genommen, da ihr Anteil etwa 1/3 entspricht.
Bei Betrachtung der Abb. 26 wird deutlich, dass einerseits größere Differenzen zwischen den Ergebnissen des
Zähltreibens und des Losungszählverfahrens bestehen und andererseits deren Ergebnisse zeitweise auf dem
Niveau der Jagdstrecke liegen. Demzufolge wäre die Damwildpopulation zu diesem Zeitpunkt erloschen. Da
dieser Fall jedoch nicht eingetreten ist, müssen die Werte noch deutlich unter der damaligen, realen Populationsgröße gelegen haben.
Die Zähltreiben 2011 und 2012 erfassten nur etwas mehr als 1/3 der Damwildpopulation. Die Ergebnisse der
Losungszählung 2012 und 2013 errechneten einen Bestand, der bei etwa 2/3 der realen Population lag. Die Probleme der Unterschätzung waren teilweise auch vorher schon bekannt bzw. wurden vermutet.
Bei der Befliegung durch die Fa. Aerosence am 27.04.2013 wurden unter guten Bedingungen 7,8 Stück Damwild
(sicher bestimmtes Damwild und vermutetes Damwild [=Damwild?]) / 100 ha dokumentiert. Bei der Hochrechnung dieser Ergebnisse von den 1.366 ha beprobter Fläche auf die 2.600 ha Untersuchungsgebiet gibt Franke (2013) einen minimalen Damwildbestand von 239 Stück an, der auch im Methodenvergleich dargestellt ist.
Selbst wenn ein großer Teil der 96 (von insgesamt 222) Individuen ohne Artbestimmung noch dem Damwild
zugerechnet werden würden, wäre das Ergebnis nur etwa 50 % höher als die Jagdstrecke der letzten Jahre. Von
den anderen wiederkäuenden Schalenwildarten wurde bei der fast flächigen Befliegung nur 1 Stück Rotwild(?),
7 Stück Muffelwild(?) und 0 Stück Rehwild erfasst. Damit wird mit dieser Methode trotz sehr guter Bedingungen
in fast reinem Laubwald nur ein Mindestbestand für Damwild ermittelt (Franke 2013).
Die Ergebnisse des distance sampling und des Fang-Wiederfang-Verfahrens streuen dagegen zwar mit einem
gewissen Fehlerrisiko aber um den realen Wert.
Es zeigte sich, dass die genauesten Daten auf Jasmund vermutlich mit der Fang-Markierung-Wiederfang-Methode erhoben wurden. Je höher der Anteil an markiertem Damwild in der Population ist und je mehr Daten
insgesamt zu einem komplexen Mosaik zusammengesetzt werden können, umso höher wird die Genauigkeit
des Gesamtergebnisses.
34
Methodenvergleich
1000
Jagdstrecke
900
Losungszählung
Damwildbestand (St.)
800
700
Zähltreiben
600
500
distance sampling
(Wärmebildkamera)
400
Fang-Wiederf ang
(Fotof alle Damwild
gesamt)
300
200
Fang-Wiederf ang
(Fotof alle Kälber)
100
2013
2012
2011
2010
2009
2008
2007
2006
2005
2004
2003
2002
2001
2000
1999
1998
1997
1996
0
Bef liegung
(Wärmebildkamera)
Abb. 26: Vergleich der Ergebnisse zum Damwildbestand auf Jasmund nach Verwendung unterschiedlicher Erfassungsmethoden mit der
Jagdstrecke.
35
Empfehlungen
10 Empfehlungen
Im Folgenden werden Empfehlungen gegeben, wie ein effizientes Schalenwildmonitoring auf Jasmund wie
auch in anderen Regionen z.B. anderen Großschutzgebieten aber auch normal bejagten Revieren durchgeführt
werden kann. Im Focus dabei stand vor allem eine möglichst hohe Genauigkeit kombiniert mit einem vertretbaren Aufwand.
In diesem Sinne ist zu empfehlen, alle Ressourcen bezüglich Schalenwildmonitoring auf wenige aber brauchbare Methoden zu konzentrieren, bei denen Angaben zur absoluten Bestandeshöhe möglich sind. Es sollten
möglichst 2 Methoden langfristig parallel angewendet werden, um deren Ergebnisse vergleichen und damit
kontrollieren zu können.
Fürs Damwild sollte die Fang-Markierung-Wiederfang-Methode mittels Beobachtungsdaten angewandt werden (Abb. 27). Hierbei sollten Daten für Damwild gesamt und nur für Kahlwild gesammelt werden, da langfristig
beim Kahlwild nur noch Alttiere markiert sein werden. Der Frühjahrsbestand an Alttieren ist die entscheidende
Kenngröße, da sie in etwa dem Zuwachs entspricht und daraus der nötige Abschuss abgeleitet werden kann.
Um den Anteil markierten Damwildes dauerhaft in gleicher Höhe zu halten, sollten jährlich alle Zufallsfunde
von frisch gesetzten Kälbern markiert werden, um die Ausfälle zu ersetzen. Da weder eine gezielte Kälbersuche
noch zusätzliche Maßnahmen zur Erhebung von Beobachtungsdaten benötigt werden, entsteht bei der Datenaufnahme nur ein minimaler Aufwand (zufällig anfallende Daten in Karte und Tabelle eintragen, Fahrt zu einem
zufällig gefundenen Damkalb zum Markieren). Für die Datenauswertung (Auszählen der Beobachtungsdaten
nach Markierten und Unmarkierten) sind keine Spezialkenntnisse nötig, so dass sie von Jägern vor Ort durchgeführt werden können. Der jährliche Aufwand dafür liegt sehr wahrscheinlich weit unter dem aktuellen fürs
Zähltreiben und das Losungszählverfahren, so dass mit einem geringeren Aufwand absolute Damwildbestandesdaten mit einer deutlich höheren Genauigkeit erhoben werden können.
Abb. 27: Vom Revierleiter des Nationalparks dokumentiertes, markiertes Damkalb (rechts) und Damspießer (2.v.l.) (Foto: © R. Markmann).
Als zweite Methode wird das distance sampling mittels nächtlicher Wärmebildbefahrung aller 3, bis maximal 5
Jahren empfohlen. Dieser sollte mit 4 Durchläufen einseitig oder 2 Durchläufen beidseitig durchgeführt werden, um eine höhere Genauigkeit/Sicherheit als bei den Testläufen in diesem Projekt zu erreichen. Durch diese
höhere Datendichte wären neben Dam- und Rehwild eventuell auch brauchbare Ergebnisse bei den anderen
Schalenwildarten zu erreichen.
36
Empfehlungen
Hierfür wären mit einem Zeit-Aufwand von 50-60 Stunden für die Datenerhebung inklusive Wärmebildtechnik
sowie 30 Stunden für die Auswertung (inkl. Bericht) zuzüglich der Zeit für die Anreise einzuplanen. Kosten für
die Einrichtung des Transektnetzes würden auf Jasmund entfallen, da dieses bereits vorhanden und erprobt
ist. Für das distance sampling würden pro Durchlauf Netto-Kosten von ca. 2.000-2.500 € Personal und ca. 300 €
Reisekosten für die Datenerhebung anfallen. Diese Kosten könnten minimiert werden, wenn der Nationalpark
oder die Jägerschaft einen Fahrer (10 h) und ein geländegängiges Fahrzeug stellen.
Da diese Empfehlungen lediglich auf den Erfahrungen aus diesem 3jährigen Forschungsprojekt basieren,
sollte deren Anwendung am Anfang evaluiert werden, in dem man diesen sehr erfolgversprechenden Ansatz
in einem weiteren vergleichbaren Untersuchungsgebiet parallel anwendet und die Ergebnisse beider Gebiete
und beider Methoden vergleicht.
Hierfür würde sich der Serrahnteil des Müritznationalparks besonders anbieten, da dort ebenfalls Damwild
Hauptwildart ist und es 2013 auch eine Wärmebildbefliegung gab. In dem zusätzlichen Gebiet wären in einem
kleinen Projekt ein einmaliger distance sampling Durchlauf sowie die Kälbermarkierung mittels Wärmebildkamera über 2-3 Jahre nötig.
Sollten diese weiteren Versuche erfolgreich verlaufen, wird das distance sampling mittels terrestrischer Wärmebildbefahrung als finanzierbare Monitoringmethode für Schalenwildbestände für den großflächigen Einsatz zur
Verfügung stehen. Damit würde man dem Ziel, effiziente Monitoringmethoden für das Schalenwild nutzen zu
können, einen großen Schritt näher kommen.
37
Zusammenfassung
11 Zusammenfassung
Im Rahmen eines dreijährigen Forschungsprojektes wurden 2011-2013 durch die Arbeitsgruppe Wildtierforschung an der TU Dresden im Nationalpark Jasmund unterschiedliche Monitoringverfahren für Schalenwildbestände evaluiert und miteinander verglichen.
Projektträger war der KJV Rügen e.V., der sehr umfangreich von den Jägern auf Jasmund unterstützt wurde.
Finanziell unterstützt wurde das Forschungsvorhaben aus Mitteln der Jagdabgabe des Landes MecklenburgVorpommern und der Norddeutschen Stiftung für Umwelt und Entwicklung.
Im Projekt wurden die methodischen Ansätze des Fang-Markierung-Wiederfang-Verfahrens und des distance
sampling mit den langfristig dort angewandten Methoden Losungszählverfahren und Zähltreiben sowie mit
der Jagdstrecke verglichen.
Das distance sampling wurde viermal angewandt, wobei vor allem bei den Erhebungen im Offenland teilweise
zu geringe Stichproben ermittelt werden konnten, so dass die Dichtewerte dieser Durchgänge nicht verwendet
wurden.
Das Fang-Wiederfang-Verfahren wurde jeweils für den gesamten Damwildbestand und getrennt auch für die
drei Damkälberjahrgänge verwendet, deren Ergebnisse vor allem 2012 und 2013 gut zusammen passten. Die
Daten für diesen Ansatz wurden mit 15 Fotofallen von Mai 2011 bis Juni 2013 ermittelt.
Die zusätzlich erhobenen Beobachtungsdaten bestätigten Damwild als Hauptwildart. Reh- und Schwarzwild
kamen ebenfalls flächendeckend, aber in geringeren Dichten vor. Rot- und Muffelwild fehlte vor allem ganz im
Norden und ganz im Süden des Nationalparks.
Männliches Damwild hielt sich vorrangig nur während der Brunft (September-November) im Hauptwaldkomplex auf.
Die Ohrmarkenablesungen der Damtiere aus dem ersten Jahrgang belegen die standortstreue, kleinflächige
Raumnutzung auf 100-300 ha.
Von Juni 2011 bis Juni 2013 wurden insgesamt 65 Damkälber markiert (etwa 10 % der im jeweiligen Jahr Geborenen), von denen 34 männlich und 31 weiblich waren. Die Markierungsorte verteilten sich mit kleinen Ausnahmen relativ gleichmäßig über den ganzen Nationalpark. Die nächtliche Suche mit Hilfe von Wärmebildbefahrung war effizienter als die manuelle Suche mit großen Gruppen.
Die von Fotofallen erfassten Ergebnisse belegen, dass der Anteil markierten Damwildes saisonal und von Standort zu Standort schwankt. Die 15 Fotofallen konnten aber auch innerhalb von wenigen Monaten fast alle markierten Kälber nachweisen, dass belegt, dass die Fotofallendichte und –verteilung ausreichend war.
Mittels individueller Unterschiede konnten auf den Fotofallenbildern beim Damwild im Jahrgang 2011/12 sicher
139 Hirsche der AKII+ und 2012/13 sicher 114 Hirsche der AKII+ unterschieden werden. Beim Rotwild konnten
im Jahrgang 2011/12 mindestens 26 Hirsche der AKII+ und 2012/13 25 Hirsche der AKII+ unterschieden werden.
Das distance sampling und das Fang-Markierung-Wiederfang-Verfahren ergaben für 2012 und 2013 jeweils einen Frühjahrsbestand von etwa 600 Stücke Damwild. Die Übereinstimmung dieser Ergebnisse bestätigt die
Eignung beider Methoden.
Die langfristig angewandten Methoden (Losungszählung, Zähltreiben) unterschätzten den Damwildbestand
deutlich.
Abschließend wurde eine minimale Variante der beiden Verfahren Fang-Wiederfang und distance sampling
für Jasmund zur dauerhaften Anwendung empfohlen. Diese Variante kann auch in normal bejagten Gebieten
Verwendung finden.
38
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12 Literatur
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