Touren - Red Raid - Motorcycle tours in Cambodia

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Touren - Red Raid - Motorcycle tours in Cambodia
Touren Kambodscha
Keep Smiling
Bye bye, Buddha: Nur im
ruhigen Teich spiegelt sich das
Licht der Sterne
Asien? Och nö, da ist es doch schon ohne uns voll genug.
„Aber es ist warm, lecker und die Leute sollen sooo nett
sein“, insistiert die Frau. „Außerdem wolltest du doch
immer mal die Dschungel-Tempel sehen, in denen Angelina
Jolie die Lara Croft gespielt hat“. Na gut, vielleicht ist
Kambodscha ja wirklich einen Versuch wert.
von Guido Bergmann, Fotos Sandra Weißhuhn/Bergmann
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Touren Kambodscha
Auf blauen Dunst: Irgend wann muss irgendwo eine
Abzweigung kommen
Wie wennze fliechs: Auf der Startpiste
von Sen Monorom zeigt die 250 Baja
noch einmal, was in ihr steckt
Ach du Kacke: Elefantöse Duftmarke
in Kambodschas wildem Osten
Wo die wilden Kerle wohnen: Hüttengaudi
in einem Dorf des Phnong-Stammes
V
Alles im Fluss: Das gemeinsame Bad stärkt die
Bande zwischen Mensch und Moped
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ermutlich muss man eine Frau
würden wir die Tür zum Tropenhaus aufstoßen.
sein, um auf die Idee zu kom­men,
Was für eine Wohltat, die ersten Kilometer auf dem
von Europa aus ein Tuktuk in
luftigen Rücksitz von Vireaks Passgieranhänger zu
Phnom Penh vorzubuchen. Ich
verbringen. Mit einem Tag Anreise und sechs Stun­
jedenfalls sehe uns schon mit ei­ner
den Zeitverschiebung in den Knochen haben wir
albernen Touristen-Kutsche durch die Rushhour
keine Eile, selbst in diesem Chaos aus Mopeds,
zotteln, während aus modernen Bussen und klima­
Tuktuks und Autos mitzumischen. Auch, wenn es
tisierten Limousinen mit dem Finger auf uns ge­
sich um ein sehr freundliches Gewimmel handelt.
zeigt wird. Aber meine
Alle fahren, wie sie kön­
Rücksicht ist alles: Kambodschaerste Vorstellung geht
nen, und weichen aus,
gründlich daneben. nische Fahrweise würde in Europa wenn sie müssen. Die
geradewegs ins Grab führen
„Tuktuk? Tuktuk? Mis­
Lässigkeit, mit der un­
ter, Tuktuk?“, singt es
ser Chauffeur den Ge­
von allen Seiten auf dem Flughafenparkplatz. Die
genverkehr kreuzt oder linksherum Kreisverkehre
lustigen Mopeds mit Kutschenabteil scheinen
abkürzt, würde ihn in jeder deutschen Großstadt
tatsächlich das gängige Verkehrsmittel zu sein.
umbringen. Das Letzte, was er hören würde, wäre der
Da wir mit acht Stunden Verspätung ankommen,
beleidigte Hupton eines Autofahrers mit Vorfahrt.
ist unser Privatchauffeur längst weg, aber er hat sich
Tempel, Paläste, spottbillige Restaurants an jeder
um eine Vertretung gekümmert. Völlig überflüssig,
Ecke: Phnom Penh ist ein Paradies für Kulturtou­
aber eine freundliche Geste in dem Durcheinander.
risten. Schnell fühlen wir uns sauwohl in dieser zu
Nach der Kälte zuhause fühlt es sich so an, als
groß geratenen Kleinstadt, in der ausschließlich
vergnügte Leute zu leben scheinen. Umso härter
trifft uns das Pflichtprogramm jedes Phnom-PenhBesuchers: Im Foltergefängnis S21 und auf den
„Killing Fields“ von Choeung Ek schnüren uns die
Gräuel der Roten Khmer die Kehlen zu. Etwa ein
Viertel der kambodschanischen Bevölkerung ließ
Pol Pot in den Siebziger Jahren ermorden, um sei­
nen kommunistischen Bauernstaat zu verwirkli­
chen. Noch dreißig Jahre später spült der Regen
Knochenreste an die Oberfläche der Killing Fields.
Choeung Ek wirkt auf die Urlaubslaune wie der
Besuch einer KZ-Gedenkstätte. Umso lieber kehren
wir in die Stadt zurück, wo uns die Lebenslust
wie eine erfrischende Dusche empfängt.
Wir wollen raus aus der Zivilisation. Das Flucht­
fahrzeug: Honda XR 250 Baja. Dank Reini, einem
in Sen Monorom lebenden Bekannten von Be­
kannten, wissen wir, wo die besten Exemplare zu
haben sind. Bernie von „The Bike Shop“ versucht
vergeblich, uns auf eine „viel bequemere“ Africa
Twin zu locken: Wir nehmen den Klassiker unter
Vorbildlich: Auch in Phnom Penh fördert das
Tragen von Signalfarben die Zweiradsicherheit
Nachtexpress: Das Reservemotorrad machte
sich gleich auch als Heckträger nützlich
Mönch ärgere dich nicht: Buddhas Bodenpersonal bevorzugt lockere Dienstkleidung
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Touren Kambodscha
Zum Glück ist es Beton:
Die Artgenossen enden
meist als chinesisches
Naturheilmittel
King Lui lebt: Angkor Wat brachte Rudyard Kipling
auf die Idee mit dem „Dschungelbuch“
Latten to go: Die Brücken sind
eher auf leichte Lasten ausgelegt
den kambodschanischen Leihmotorrädern, die
brave Enduro mit dem Scheinwerfer-Kassengestell.
Kein Regenzeug, keine Campingausrüstung,
kein dicker Pulli – mit unserem Minigepäck auf
ausgewachsenen 250ern kommen wir uns im
Vergleich zu den einheimischen Rollern jämmer­
lich übermotorisiert vor. Dass darauf bequem sechs
Personen passen, von denen nur der Fahrer aus
Sicherheitsgründen einen Helm tragen muss, wis­
sen wir ja schon. Aber dass sich ohne jede Hilfe
der Zubehörindustrie bis zu vier lebende Schweine
auf einem Gepäckträger verzurren lassen, hätten
wir nicht gedacht. Auch, was ich erst für einen
schlingernden Lkw gehalten habe, entpuppt sich
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Zu warm: Schon bald legte der graue Guru die
Idee von der Sektengründung zu den Akten
beim Näherkommen als Held in Badeschlappen:
dieren unter unseren Rädern zu roten Wolken,
Mit der Nummer, eine Honda Dream zu bändigen,
sodass ich am liebsten noch einmal zurückfahren
die er unter einen Stapel von acht dicken Doppel­
und mich bei den Anwohnern entschuldigen
bettmatratzen gebun­den hat, würde der Mann hier­
möchte. Bei jedem Pickup, der uns entgegen­
zulande jede Motor­radkommt, spüren wir am
Helden in Badeschlappen: Viele
Stuntshow rocken.
eigenen Leib, was die
kambodschanische Mopedfahrer
Stelzenhäuser, Ko­
Leute hier aushalten
sind reif für den Zirkus
kospalmen, frei laufen­
müssen. Trotz­dem lä­
de Haustiere. Der Weg
cheln sie uns an, als
ent­lang des Mekong wirkt wie die exotische Aus­
gäbe es nichts Schöne­res als Wohlstandstouristen,
gabe einer gigantischen Doppelhaushälften-Sied­
die mit Dreck werfen.
lung. Doch statt mit Kinderkreide verziertem As­
Flussblick, Klimaanlage, 18 Dollar. Bei knapp
phalt pflastert eine zerfurchte Staubpiste unseren
sieben Euro pro Person gönnen wir uns in Kampong
Weg. Mit Fesch-Fesch gefüllte Schlaglöcher explo­
Cham gerne ein Luxuszimmer zum Duschen und
Abkühlen, auch wenn die Ohne-Klima-aber-mitPropeller-Variante schon für acht Dollar zu haben
Kleingärtners Alptraum:
wäre. Abendessen am Mekong-Ufer gibt es gleich
Die Angkor-Ruinen zeigen, was
vor der Tür. Wahlweise vom Straßenstand mit
Unkraut auf Dauer anrichten kann
Dosenbier aus der landesüblichen Eistruhe oder
aus einem der Restaurants, die uns Luxusreisenden
„Cambodia“ oder „Angkor Beer“ in der 1,25-LiterKaraffe „on the rocks“ servieren.
Durch eine heiße Agrarsteppe geht es nach
Osten. Gelangweilt schnurren die Hondas durch
die Kautschuk-Plantagen im Grenzgebiet zu Viet­
nam. Eine trostlose Gegend, die sich seit Anfang
der Siebziger nicht von den Massenbombardie­
rungen durch die USA erholt zu haben scheint.
Doch unsere Vorfreude steigt. Die Hauptstraße 76
steuert mitten durch grün schraffiertes Gebiet:
das „Snuol Wildlife Sanctuary“. Ein Schild markiert
das Schutzgebiet: nicht jagen, keine Bäume fällen,
den Wald für Elefanten, Affen und Tiger bewahren!
Wir können es nicht fassen. So muss der Schwarz­
wald nach Lothar ausgesehen haben. Nur, dass er
hier nicht nur geblasen, sondern auch noch Feuer
gespuckt hat. Das Schild ist offenbar das einzige,
was Plantagenbesitzer und Holzschmuggler nicht
gerodet haben. Besser als die illegalen Geschäfte­
macher hat es die US-Army damals mit Napalm und
Agent Orange auch nicht hingekriegt. Erst viele trost­
lose Kilo­meter später tauchen wir in Dschungel­
reste. Sofort frischt die Luft auf, eine flüchtende
Affenhorde lässt mich anhalten. Eine wilde Viel­
falt von Stimmen und Klängen hüllt uns ein.
Der Kontrast könnte nicht größer sein.
„Manchmal ist es wirklich krass“, sagt Reini, den
wir am Abend in Sen Monorom in einer Baumbar
treffen. Sein Lieblingswasserfall in der Nähe ist
kaputt. Irgendjemandem sind heute beim Versuch,
Ackerland zu roden, ein paar Bäume hineinge­
fallen. Schluss mit Idylle. Der Liebe zu seiner Wahl­
heimat kann sowas aber nichts anhaben. Mit
glänzenden Augen malt er in unserer Karte herum,
erzählt vom Leben als Schrauberprinz von Sen
Monorom, und verflucht seinen Terminkalender,
weil er ausgerechnet morgen nach Phnom Penh
muss. Einige Karaffen „Cambodia“ später kickt er
seine XR 400 an und lässt uns mit handschriftli­
chen Tipps zurück, die für mehrere KambodschaReisen reichen dürften. Danke, Reini!
Von der Provinzhauptstadt am Rande der Zivi­
lisation führt ein Dschungelpfad geradewegs in
den Norden. Sehr verlockend für unseren Plan, uns
zu den Mekong-Fällen an der Grenze zu Laos
durchzuschlagen, um die letzten Flussdelphine
zu erleben. Doch nachdem Reini „einsam, eng und
sandig, ganz ohne Hinfaller kommt da kaum
jemand durch“ gesagt hat, legt die vorsichtigere
Hälfte unserer Reisegruppe ein Veto ein. Also
zurück, und den Mekong von Süden hoch.
Eine gute Entscheidung. Zum einen, weil wir in
Kratie zufällig den kambodschanischen Moto­crossMeister Leng kennen lernen, der gerade eine Gruppe
von dreißig australischen Endurofahrern durch die
Wildnis lotst. Ein netter Kerl mit einem netten
Mechaniker. Als ich am Morgen Riesenprobleme
wittere, weil mein Zündschlüssel verschwunden
ist, schwingt Lengs Schrauber sich mit meinem
Tankdeckel auf sein Motorrad und ist fünf Minu­
ten später mit einem nagelneuen Schlüssel zurück.
Drei Dollar. Zauberei kann so einfach sein.
Aber der Zauber hält nur bis Stung Treng. Wo
wir mit der Fähre die letzten asphaltierten Stellen
Kambodschas hinter uns lassen wollen, haucht
i
meine Honda ihr Leben aus. Diagnose: Ventilab­
riss. 78 000 Kilometer hat die XR durchgehalten,
und für ihr Ende hätte sie sich keine bessere Stelle
aussuchen können. Der Motor geht genau am Bus­
bahnhof fest. Im billigen Hotel nebenan können
wir parken, schlafen und mit dem Handy des
Besitzers gratis telefonieren. Jetzt kann Bernard
zeigen, was er mit dem „fully technical support“
meint, der in unserem Leihvertrag steht. Und
Bernie zeigt es uns: Noch am selben Abend zurrt
er im 500 Landstraßenkilometer entfernten Phnom
Penh eine Tauschmaschine auf die Stoßstange
eines Kleinbusses. Schon am nächsten Mittag
sitze ich auf einer frischen XR. 89 000 Kilometer
alt, aber viel besser im Saft als ihre Vorgängerin.
Endlich Dschungel! Die rote Piste zur laoti­schen
Grenze erfüllt alle Klischees, die wir erhofft haben:
roter Staub, archaische Behelfsbrücken und lianen­
behängte Baumriesen. Mein Herz geht auf. Bis wir
an einem Wegweiser stoppen, der bei näherem
Hinsehen gar keiner ist. „Will­
Motorradverleih
Mietmotorräder gibt es beinahe ausschließlich in Phnom Penh, das Angebot
ist groß und unübersichtlich. Die Preise starten bei unter zehn Dollar für einen
landestypischen Roller, eine XR 250 Baja gibt es schon zu Kursen um 20 Dollar
am Tag. Wie der Zustand vieler Leihmaschinen zeigt, ist das billigste Angebot aber
meist nicht das beste. Einen exzellenten Ruf hat „The Bike Shop“ in Phnom Penh
(www.motorcyclecambodia.com). Der Franzose Bernard Merklen hält seine Leihmotorräder
(30 Dollar für eine XR 250, bis zu 65 Dollar für eine XRV 750 Africa Twin, jeweils inklusive Helm und
Schutzkleidung) in einer gut ausgerüsteten Werkstatt in Schuss. Auch begleitete Touren bis in den
hintersten Dschungelwinkel bietet der Bike Shop
an (www.motorcycletourscambodia.com).
Eine sympathische Alternative ist Reinhard „Reini“
Trippmacher (www.adventureriderasia.com). In
seiner Werkstatt im noch ursprünglichen Hügelland von Sen Monorom verleiht er ebenfalls
Enduros und kennt als Tourguide für Overcross
(www.overcross.com) jeden Trampelpfad.
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Touren Kambodscha
Abwarten und Bier trinken:
Heiße Hüttennächte am Mekong
Auf der Suche nach dem Kristallschädel: In Koh Ker hätte es auch Indiana Jones gefallen
Gottes Größte: In den Tempeln
von Angkor Wat könnte man
ein paar Petersdome verstecken
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Der Porter Ricks von Angkoal: Kapitän
Narong weiß, wo Flipper baden geht
kommen im Entwicklungsdreieck unter techno­
logischer Führung von Japan“, steht darauf. Was
es an einem der letzten intakten Regenwaldfle­
cken dieses Planeten zu entwickeln gilt, verstehen
vermutlich nur Leute, die Geld damit verdienen.
Mit dem dumpfen Gefühl, ein verlorenes Para­
dies zu erleben, rumpeln wir in die Hüttensied­
lung Preah Angkoal mit ihrem Delfin-Beobach­
tungsplatz. Noch einige Dutzend der bis zu 2,50
Meter großen Dschungel-Flipper sollen in den
Becken am Fuße der Mekong-Fälle paddeln. Wir
sind die einzigen Touristen hier, doch von laoti­
scher Seite führt eine Straße bis ans Ufer, sodass
wir uns die Abendpirsch mit einer Handvoll
knatternder Boote teilen müssen. Verständlich,
dass die Viecher uns da nicht mehr als ihre Rü­
ckenflosse zeigen wollen.
Die Nacht in der Hütte einer einheimischen
Familie, ein so genannter „Homestay“ wird warm
und schwitzig. Umso mehr genießen wir die Me­
kong Rapids, die wir am frühen Morgen ganz für
uns allein haben. Ein erhabenes Gefühl, sich in
einem Strom treiben zu lassen, der seine Reise
in den Bergen Tibets begonnen hat.
Es dauert eine Weile, bis mir auffällt, dass uns
die Sonne eigentlich ins Gesicht scheinen sollte.
Auch der Pfeil im GPS ruckelt seit einiger Zeit
durchs nirgendwo. Vor rund 80 Kilometern müssen
wir einen Abzweig verpasst haben und fräsen seit­
dem durch eine verlassene Piste entlang der Grenze
zu Laos und Thailand. Zurückfahren ist doof, doch
bei Weiterfahrt könnte es mit Sprit und Orien­
tierung eng werden. Sandra macht sich Sorgen.
Also tue ich, was ein Mann tun muss: Ich täusche
Überblick vor, peile den nächsten, immer noch
verflixt weit entfernten Ort im GPS an und wech­
sele die Wege so, dass sie uns nach und nach
näherbringen. Ich habe Glück. In Choam Khsant
wissen wir wieder, wo wir sind, und gleich neben
dem Restaurant gibt es eine Tankstelle.
Die Dschungeltempel von Angkor Wat kennt
jeder. Die von Koh Ker sind fast noch ein Geheim­
tipp. Zum Glück! Hier können wir ahnen, wie
sich die ersten Entdecker dieser überwucher­ten
Immer mit Dusche: Selbst in der Trockenzeit
können die Mekong-Rapids sich sehen lassen
Riesenbauten gefühlt haben müssen. Außer das
Kilometer entfernten Siem Reap eine kurze
40 Quadratkilometer große Gelände der einstigen
Spritztour gegönnt.
Angkor-Hauptstadt von Minen und Blindgängern
Fast können wir die Luxusfreunde verstehen.
zu befreien, haben die Behörden erfreulich wenig
Denn mit chinesischer Unterstützung werden
unternommen, um hier den Tourismus zu „ent­
überall die Hauptstraßen samt Brücken auf Vor­
wickeln“. So können
dermann gebracht. In
Thailand, wir kommen: Der Pistenwir uns zwischen den
ein paar Jahren wird
Indiana-Jones-Kulissen verlauf richtet sich leider nicht immer Kambodscha komplett
nach GPS und Straßenkarte
frei bewegen und die
asphaltiert sein, doch
Enduros direkt vor tau­
bis dahin müssen alle
sendjährigen Ruinen parken. Dass es auch noch
Staub fressen. Der Mundschutz gehört bei den
dekadenter geht, merken wir, als die mysthische
einheimischen Zweiradfahrern zur Grundaus­
Atmosphäre von Hubschrauberlärm zerrissen
stattung. Und als wäre der Straßenstaub nicht
wird: Ein französisches Touristenpaar im Saintgenug, hängt obendrein eine ewige Rauchwolke
Tropez-Outfit hat sich vom hundertzwanzig
in der Luft, die zum Landschaftsbild einfach da­
zuzugehören scheint. Während mich der allge­
genwärtige Raubbau immer noch ratlos macht,
gelingt Sandra ein kluger Satz: „Waldanzünden
ist für die hier wie Rasenmähen“.
Siem Reap ist ein Kulturschock. Nach zwei
Wochen unterwegs, für die der Slogan „zu Besuch
bei Freunden“ mal gepasst hätte, treffen wir hier
wieder auf Tourismus im großen Stil. Statt der
freundlichen Zurückhaltung, mit der wir uns so
schön angefreundet haben, bekommen wir es
nun mit freundlicher Aufdringlichkeit zu tun.
Verständlich: Das gigantische Ruinenfeld um
Angkor Wat zieht jedes Jahr mehr als drei Millio­nen
Besucher an. Die meisten sind nach zwei Tagen
wieder weg, weshalb auch Restaurantbesitzer,
Statt Rasenmähen:
Naturschutz auf
Kambodschanisch
Aufs Kreuz gelegt: Den Ausflug in die Stadt hatte
sich Miss Piggy irgendwie anders vorgestellt
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Touren Kambodscha
Reise info
Allgemeines: Kambodscha liegt in Äquatornähe zwischen Thailand
und Vietnam. Das Klima ist tropisch, entsprechend schwanken die
Tagestemperaturen zwischen 25 und 35 Grad. Wärmere Kleidung
ist also nur für Höhenlagen sinnvoll, beispielsweise in Sen Monorom. Beste Reisezeit ist nach dem Monsunregen, der zwischen
Mai und Oktober fällt. Dann ist das Land grün und die Luft klar.
Amtssprache ist Khmer, aber auch mit Englisch oder Französisch kommt man in den meisten Regionen gut zurecht.
Anreise: Mit dem Flugzeug über Bangkok nach Phnom Penh
oder Siem Reap. Je nach Reiseplan kann es sich auch lohnen,
lediglich nach Bangkok zu fliegen und von dort per Bus weiterzureisen.
Unterkunft: Camping ist im Land praktisch unbekannt, wer
Maßarbeit: Das Nationalgetränk
keine Abenteuernächte mitten im Wald plant, kann das Zelt
wird in angemessenen
getrost zuhause lassen. Günstige Schlafgelegenheiten finden
Gebinden verabreicht
sich immer. Die Preise für ein Doppelzimmer mit Ventilator beginnen in einfachen Hotels bei etwa sechs Dollar, der Luxus
einer Klimaanlage kostet etwa zehn Dollar extra. Wer nicht flexibel ist, sollte online reservieren,
da sich sonst das Heer der Smartphone- und Tablet-Traveller die hübschesten Zimmer sichert. Etwas
Luxus bieten in Phnom Penh das www.monumenthotel.com (Dachterrasse, DZ 46 USD) und besonders das www.thebillabonghotel.com (Pool, DZ 45 USD). Eine Oase in Siem Reap ist das
www.greenvillageangkor.com (DZ 30 USD). Eine besondere Empfehlung verdient die Nature
Lodge www.naturelodgecambodia.com in Sen Monorom, die saubere Hütten ab 10 Dollar vermietet.
Geld: Kambodscha ist noch ein extrem preiswertes Reiseland, satt wird man für einen Dollar, schon
unter fünf Dollar gibt es ein opulentes Abendmahl. Offizielle Währung ist der Riel (KHR), der in der
Praxis parallel mit dem US-Dollar verwendet wird (1 USD = ca. 4000 Riel). Geld­automaten, teils gebüh­
renfrei, gibt es in jeder Stadt. Kartenzahlung ist noch die Ausnahme. Zur Verwendung übrig gebliebener
Geldsummen empfehlen wir Roland Debschütz‘ freundliches Projekt www.kleinehilfsaktion.de.
Motorradfahren: Noch kommen Endurofahrer voll auf ihre Kosten, jedoch werden bald auch
die hintersten Winkel von Asphaltstraßen erschlossen. Wer also nicht das Abenteuer kleiner
Dschungelpfade sucht, kommt auch auf einer Straßenmaschine zurecht. Mit einer 250er ist man
ausreichend motorisiert. Kurvenspektakel darf man in der überwiegend flachen Landschaft nicht
erwarten. Die größten Gefahren unterwegs drohen durch Sichtbehinderungen durch Staub, Fußgänger und skrupellose Überlandbusse. Vor extremen Offroadeinlagen sollte man sich über die
Minensituation informieren. Es besteht Helmpflicht, was gelegentlich auch kontrolliert wird.
Minen: Der Vietnamkrieg und der Bürgerkrieg gegen die Roten Khmer haben in Kambodscha
Millionen Minen und Blindgänger hinterlassen, die praktisch ausschließlich die Landbevölkerung
treffen. Touristen sind in Kambodscha seit Jahren nicht durch Minen zu Schaden gekommen. Ein
Besuch im Minenmuseum (www.cambodialandminemuseum.org) ermuntert trotzdem zur Vorsicht.
Reiseführer, Bücher, Filme: Als gute Kombination erwiesen sich die Kambodscha-Führer von
Reise Know-How (22,50 Euro) und Lonely Planet (22,99 Euro). Offroad-Impressionen mit Reini
Trippmacher zeigt www.adventureriderasia.com, die dunkle Zeit der Pol-Pot-Zeit rufen das Buch
„Die Kinder der Killing Fields“
(Erich Follath, 19,95 Euro) und
der mit drei Oscars prämierte
Spielfilm „The Killing Fields“
(USA 1984). Eine kleine Ahnung
vom Alltag in Kambodscha vermittelt auch Detlev Bucks SpielfilmDVD „Same Same But Different“
(D 2009)
Karten: Absolut zuverlässiges
Kartenmaterial gibt es nicht. Akzeptabel ist die robuste Karte aus
dem World Mapping Projekt
(8,90 Euro), eine brauchbare
Open Source GPS-Karte liefert
www.mapsntrails.com
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Pfadtrampel: 250 Kubik
reichen hier für alles
Souvenir- und Postkartenverkäufer keine Zeit
verlieren dürfen.
Angkor packt uns trotzdem. Während sich die
Motorräder unter einem Mangobaum ausruhen
dürfen, radeln wir um kurz vor sechs zehn Kilo­
meter durch frische Morgenluft. Gerade rechtzeitig,
um auf dem größten Tempel der Welt zu erleben,
wie die Sonne aus dem Dunst klettert. Ein magi­
scher Moment. Noch ein, zwei Stunden, dann
werden wieder lärmende Touristengruppen ver­
suchen, dieses Weltwunder in einen Freizeitpark
zu verwandeln. Die Ruhe vor dem Ansturm.
Im „Tomb Raider“-Tempel, in dem Angelina
Jolie einst als Lara Croft unterwegs war, ist es dann
auch schon so weit. Wir flüchten vor chinesi­
schen Film- und Foto-Brigaden, die zur Erhaben­
heit dieses Ortes passen wie eine BallermannParty in die Heilige Messe. Genervt fluche ich auf
die Globalisierung, auf den Massentourismus
und auf mich selbst. Erstens, weil ich selbst Teil
davon bin, und zweitens wieder mal das Gefühl
habe, ein paar Jahre zu spät gekommen zu sein.
„Hätteste vielleicht doch schon früher mal mit
mir herfahren müssen“, ätzt Sandra, als könnte
sie meine finsteren Gedanken lesen.
Durch einen „Tuktuk? Mister, Tuktuk?“-Chor
stapfe ich durch das Tempelportal und überlege,
ob ich all diesen lächelnden Leuten mal zeigen
soll, wie so ein richtiger deutscher Griesgram
aussieht. Da ertönt hinter mir leiser Engelsgesang:
„Wolle Posskate kaufe?“ Ich drehe mich um,
gehe in die Knie und blicke in das Lächeln eines
kleinen Bauchladenmädchens. Ich Depp hätte für
einen Moment fast das Wichtigste vergessen:
Kambodschas Einwohner. Diese hartnäckig freund­
lichen Menschen, für die man immer wieder
zurückkommen möchte.