Wieden 800
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Wieden 800
M u s i k a u f de r W i ede n jenes für Anton Bruckner (auch ein von Hanslick wenig geschätzter Komponist). Auf der Wieden steht im Resselpark eine kleine, verspielte Arbeit Tilgners, der nach ihm benannte Brunnen (siehe Seite 72). 72 Schwindgasse 3 Hugo Wolf Am Vormittag des 21. September 1897 hielt vor dem Haus Schwindgasse 3 ein Wagen der Privatklinik Dr. Svetlins. Als der im Frack gekleidete Hugo Wolf einstieg, glaubte er auf dem Weg in die Hofoper zu sein, um dort seinen ehemaligen Freund Gustav Mahler als Direktor abzulösen. Der Wagen brachte ihn jedoch direkt in ärztlichen Gewahrsam. Mahler hatte kurz zuvor eine Aufführung von Wolfs Oper Der Corregidor, die in Mannheim mit großem Erfolg uraufgeführt worden war, in seinem Haus abgelehnt. Auch heute wird Wolfs einzige Oper nach einem Libretto von Rosa Mayreder (Punkt 89) selten gespielt. Seine Wohnung, Stiege II, 4. Stock war zu einem Refugium für den gehetzten Komponisten geworden. Wolf wurde von FreundInnen, etwa der Familie des Hofjuweliers Köchert und den Mayreders, unterstützt: Mein Leben ist jetzt gleich einem wunderbar schönen Morgentraum, schrieb er an Freunde. Noch einmal sammelte er von seiner fortschreitenden Syphiliserkrankung langsam den Verstand verlierend all seine kreative Kraft und schuf seine letzten Werke, bevor seine Stimmungs- schwankungen zu einer Gefahr für ihn selbst wurden. Alles endet, was entstehet heißt eines der letzten Lieder, für das er ein Gedicht von Michelangelo vertonte. Nach vier Monaten in der Klinik schien sein Zustand stabil. Mit Melanie Köcherts Hilfe bezog er eine Wohnung in der Mühlgasse 22. Er war nur noch ein Schatten seiner Selbst. Den Sommer verbrachte er bei den Köcherts am Traunsee, wo er wieder komponieren wollte, aber nach einem Selbstmordversuch wurde er erneut in eine Klinik eingeliefert, in der er vier Jahre später starb. Auch seine große Liebe Melanie Köchert hatte ihm nicht mehr helfen können. 73 Karlsplatz 12/Tech nische Universität (Seite) Armensündergottesacker oder Bürgerspitalfriedhof Es muss ein gespenstisches Bild gewesen sein, wenn die Mitglieder der Totenbrüderschaft, vermummt und in schwarze Kutten gehüllt, die Leichen Hingerichteter vom Richtplatz weg zum Armensünder-Gottesacker trugen, wo sie in geweihter Erde begraben wurden. Das war neu, denn zuvor wurden sie in ungeweihter Erde verscharrt: Religiöse Bruderschaften wurden von den Habsburgern gefördert, weil sie im Sinne der Gegenreformation die katholische Durchdringung der Gesellschaft vorantrieben. So steht auch hinter der Gründung der Totenbruderschaft 1638 Kaiserin Der Armensünder-Gottesacker mit der Karlskirche und der heute nicht mehr existierenden St. Augustin Kapelle, die nach der Aufhebung des Friedhofs 1784 abgebrochen wurde. blickpunkt Karlsgasse 4/Johannes Brahms Zum Jahreswechsel 1871/72 zog Johannes Brahms in Untermiete zur Schriftstellerwitwe Celestine Truxa und blieb dort über 25 Jahre lang bis zu seinem Tod 1897. Manche behaupten aus Bequemlichkeit, denn er hatte von seiner Wohnung aus nur ein paar Schritte in seinen Musikverein, andere sagen, dass sich Truxa aufopferungsvoll um den aus Hamburg stammenden Wahlwiener kümmerte und selbst an seinem Totenbett wachte. Brahms scharte um sich einen Kreis von Verehrern, die sich vor allem durch ihre Gegnerschaft zur Wagner und Bruckner auszeichneten und von denen Eduard Hanslick sowie Vater und Sohn Hellmesberger ebenfalls auf der Wieden wohnten. Als gefeierter Pianist konnte er seinen Lebensunterhalt bestreiten, ohne auf eine feste Stelle angewiesen zu sein. So konnte er ungestört komponieren. Von seinen Anhängern wurde er als Erbe Beethovens gefeiert, neue Werke sehnsüchtig erwartet. Noch heute gehören seine sinfonischen Werke zum festen Bestand des klassischen Repertoires. Eleonore von Gonzaga. Später wurde der Friedhof, der sich begrenzt vom Karlsplatz zwischen Argentinierstraße, Paniglgasse und Karlsgasse erstreckte, dem Bürgerspital zur Verwaltung übergeben, weshalb sich auch der zweite Name einbürgerte. Der bekannteste Tote auf diesem Bürgerspitalfriedhof ist der italienische Komponist Antonio Vivaldi, dessen Vier Jahreszeiten heute zu den meistgespielten Konzerten zählen. In Venedig aus der Mode gekommen, erhoffte sich Vivaldi Unterstützung vom als musikbegeistert bekannten Kaiser Karl VI. und reiste nach Wien. Doch Karl starb unerwartet und Vivaldi blieb verarmt und krank in Wien gestrandet, wo er nur zehn Monate nach seiner Ankunft starb und in einem Armengrab beerdigt wurde. 57