Wehrmedizinische Monatsschrift

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Wehrmedizinische Monatsschrift
Fachorgan des Sanitätsdienstes der Bundeswehr
58. Jahrgang - Heft 6 - 20. Juni 2014
Wehrmedizinische Monatsschrift
Herausgegeben durch das Bundesministerium der Verteidigung
Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V.
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Übersicht über alle Standorte des
zentralen Sanitätsdienstes in der Zielstruktur 2020.
Jetzt mit umfangreicher Gliederung
der einzelnen Behörden. Neben den
Kommandobehörden und Bundeswehrkrankenhäusern auch mit der
Aufschlüsselung der regionalen Sanitätseinrichtungen, Ausbildungseinrichtungen und Institute.
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Deutsche Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e.V. (DGWMP)
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Kongresskalender 2014/2015
24.06.2014
Fortbildung im Rahmen der „Kieler Woche“, Kiel
08. - 10.07.2014
7. Zahnärztliche Klausurtagung, Kloster Banz - Bad Staffelstein
10. - 13.09.2014
45. Kongress (150 Jahre DGWMP e.V.), Berlin
19. - 20.09.2014
Allergologie-Grundkurs, Ulm
15. - 18.10.2014
19. Euroacademia Multidisciplinaria Neurotraumatologica (EMN) Annual
Congress in combination with the 1. World Federation of Neurosurgical
Societies (WFNS) Committee Meeting of Military Neurosurgeons
06.11.2014
11. Notfallsymposium, Westerstede
26. - 28.11.2014
1. Kreuther Symposium: Forum für MedABC-Schutz / ABCAbw / Gesundheitsversorgung unter Katastrophenbedingungen, Wildbad Kreuth
14. - 16.01.2015
1. Arbeitstagung Zahnmedizin des Kdo RegSanUstg, Damp
28. - 30.01.2015
22. Jahrestagung ARCHIS, Papenburg
04. - 06.03.2015
13. Arbeitstagung der Offiziere des Sanitätsdienstes im Norden, Damp
15. - 17.10.2015
46. Kongress der DGWMP e.V., Oldenburg
Deutsche Gesellschaft für Wehrmedizin
und Wehrpharmazie e.V.
Bundesgeschäftsstelle
Neckarstraße 2a
53175 Bonn
Telefon 0228/632420 Fax 0228/698533 E-Mail: bundesgeschaeftsstelle@dgwmp.de
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Verehrte Leserinnen und
Leser,
schon seit eineinhalb Jahren erscheint
Ihre/unsere „Wehrmedizinische Monatsschrift“ in ihrer neuen Form – und das
durchaus erfolgreich, wie man dankenswerter Weise Ihren vielen Kommentaren
entnehmen kann. In diesen bestätigen Sie
uns auch immer wieder in dem grundlegenden Ansatz, neben einem zeitgemäßen
Layout besonderen Wert auf die fachliche
Qualität jeder neuen Ausgabe zu legen. Dies zeigt sich deutlich an
den Inhalten: Betrachtet man die Veränderung in den Themen und
die Form ihrer Gestaltung und Präsentation, kann man diesen Wandel durchaus als eine „Verwandlung“ sehen. Gleichgültig, ob es
sich um Originalia, Übersichten, Fallbeschreibungen oder Tagungsberichte aus unserem Sanitätsdienst oder Artikel aus dem internationalen Bereich bzw. der NATO handelt, Aktualität und
wehrmedizinische wie zivil-militärische Bedeutung sind über die
Grenzen unseres Berufsfeldes hinaus zweifelsfrei anerkannt.
Für alle, die mit der Erstellung der Fachzeitschrift unmittelbar befasst sind, ist dies einerseits Bestätigung und Ansporn. Aber es
macht ihnen auch bewusst, dass der Prozess der fachlichen „Neuausrichtung“ noch nicht abgeschlossen ist. Nach der äußeren Neugestaltung soll nun die inhaltliche Anpassung fortgeschrieben werden. Ziel ist es, durch eine Listung in den einschlägigen Fachportalen und -verzeichnissen, die „Wehrmedizinische Monatsschrift“ –
als Spiegel der fachlichen Qualität des Sanitätsdienstes der Bundeswehr – zu dem deutschsprachigen Fachmedium für einsatz- und
wehrmedizinische Themen in Europa zu machen.
Grundlage dafür ist allerdings eine entsprechende fachliche Qualitätssicherung. Diese soll mit der Einrichtung eines unabhängigen
„Review Boards“ etabliert werden, das die eingereichten Beiträge
fachlich prüft und anschließend zur Veröffentlichung freigibt. Damit wollen wir zukünftig auch allen wissenschaftlich tätigen Kameradinnen und Kameraden im Sanitätsdienst eine zitierfähige
Plattform für ihre Publikationen bieten.
Flankiert wird diese mittelfristig erfolgende Weiterentwicklung der
„Wehrmedizinischen Monatsschrift“ durch kurzfristige Änderungen. So sollen zum Beispiel zukünftig Abstracts von Beiträgen
wehrmedizinischer Kongresses in einem eigenen Abschnitt veröffentlicht werden, um sowohl die Varianz und Qualität der Präsentationen angemessen vorstellen zu können als auch die vermittelten Weiterbildungsinhalte allen Sanitätsoffizieren zur Verfügung
zu stellen. Mit dem Bericht über die Tagung der Sanitätsoffiziere
des Nordens 2014 in der Ausgabe 4-14 wurde damit ein Anfang
gemacht. Darüber hinaus wird die Verteilung unserer WMM demnächst durch den Sanitätsdienst selbst gesteuert, so dass Sie alle
dann „Ihr“ Exemplar persönlich übersandt bekommen.
Bitte fühlen Sie sich durch diese individuelle Übersendung „Ihrer“
Zeitung in jeder Hinsicht persönlich angesprochen: Nicht nur als
geneigte Leserin und geneigter Leser, die/der die einzigartigen
Möglichkeiten dieses Mediums für die eigene Fortbildung und den
eigenen Kompetenzerhalt zu schätzen weiß, sondern auch als Zeugin und Zeuge für die hohe fachlich-wissenschaftliche Qualität des
Sanitätsdienstes der Bundeswehr – durch Ihre eigenen Beiträge,
die Sie an die Redaktion senden.
In Vorfreude auf Ihre weitere engagierte Mitarbeit an „Ihrer“
WMM wünsche ich Ihnen, dass Sie auch diese Ausgabe wieder
genießen können,
Ihr
Dr. Sven Funke
Oberstarzt und Leiter des Presse- und Informationszentrums des
Sanitätsdienstes der Bundeswehr
Inhaltsverzeichnis
Heft 5/58. Jahrgang
ISSN 0043-2156
Mai 2014
Editorial
Funke, S.
185
Übersichten
Rump, A.F.E., Geppert-Hartmann, R., König, M.K. et al.
Zertifizierte Algorithmen-basierte Kursformate in der
notfallmedizinischen Ausbildung von militärischem
Sanitätspersonal
186
Kasuistik
Plümer, H., Fischer, S., Braun, M.
LipidRescue™ - Erfolgreicher Einsatz infolge Ropivacainbedingter Lokalanästhetika-Intoxikation bei axillärer
Plexusanästhesie
Frickmann, H., Janke, C., Wiemer, D.
Kasuistik: „Minority report“ – Interferon-Sprünge und
Interpretationsakrobatik
192
197
Techniken, Verfahren und Methoden
Mathieu, R., Mayer, S., Schulz, C., Mauer, U.M., Kunz, U.
"Intraoperative Magnetresonanztomografie am Bundeswehrkrankenhaus Ulm – erste Erfahrungen"
201
Internationale Beiträge
Müller, N., Rother, E., Borden, N., Sudeck, H.
Treatment of an US soldier developing hemorrhagic
fever with renal syndrome during the 34th KFOR
Mission in Kosovo
206
Geschichte der Wehrmedizin
Machalett, G.
Psychophysische Leistungsfähigkeit der Soldaten der
Nationalen Volksarmee der ehemaligen DDR –
ein historischer Rückblick
209
Aus der NATO
213
Tagungen und Kongresse
216
Miteilungen aus der DGWMP e.V.
221
Buchbesprechungen
222
Titelbild: Gametozyten von Plasmodium falciparum im Blutausstrich,
gefaerbt nach Giemsa
Bildquelle: Oberstabsarzt Dr. Hagen Frickmann, BwKrhs Hamburg /
Bernhard-Nocht-Institut
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186
Ü BERSICHTEN
Aus der Sanitätsakademie der Bundeswehr, München1 (Kommandeurin: Generalstabsarzt Dr. E. Franke), dem Deutschen Berufsverband Rettungsdienst e.V, Offenbach2 (1. Vorsitzender: M. König) und der DBRD Akademie GmbH, Offenbach3 (Geschäftsführer: B. Gliwitzky)
Zertifizierte Algorithmen-basierte Kursformate in der
notfallmedizinischen Ausbildung von militärischem Sanitätspersonal
Certfified algorithms-based course formats in emergency medicine training of
military medical personnel
Alexis F.E. Rump1, Rainer Geppert-Hartmann1, Marco K. König2, 3, Bernhard Gliwitzky2, 3, Volker Hartmann1
Zusammenfassung
Hintergrund: In der notfallmedizinischen Ausbildung haben
sich Algorithmen-basierte Kurssysteme international immer
mehr durchgesetzt. Auch der Sanitätsdienst der Bundeswehr
hat solche Kurse eingeführt.
Methode: Literaturrecherche (Medline, PubMed) und Auswertung eigener Erfahrungsberichte.
Ergebnisse: Die Sanitätsakademie der Bundeswehr ist International Training Center der American Heart Association und
Pre-Hospital Trauma Life Support (PHTLS) Training Site.
Advanced Cardiac Life Support (ACLS) Kurse sind in die
Lehrgänge für Sanitätsoffiziere zur Erlangung der Zusatzbezeichnung Notfallmedizin integriert. Bei PHTLS Kursen erfolgt die Ausbildung von Ärzten und Rettungsassistenten gemeinsam, so dass die Arbeit im Team, wie sie in der Notfallversorgung erforderlich ist, eingeübt werden kann.
Schlussfolgerung: Neben der Standardisierung der Behandlungsabläufe wird durch diese Kurssysteme mit ihrer einheitlichen und einfachen Fachsprache auch die Kommunikation
bei vorliegenden Sprachbarrieren deutlich erleichtert.
Schlagwörter: Militärmedizin, Notfallmedizin, Ausbildung,
ACLS, PHTLS
Summary
Background: In emergency medicine training algorithmbased course formats are increasingly used. The Bundeswehr
Medical Service has introduced such training courses too.
Method: Literature research (Medline, PubMed) and evaluation of own courses.
Results: The Medical Academy of the Bundeswehr has been
accredited as an International Training Center of the American Heart Association and a Pre- Hospital Trauma Life Support (PHTLS) training site. Advanced Cardiac Life Support
(ACLS) training has been integrated in courses for medical
officers to qualify as emergency physicians. Physicians and
paramedics attend PHTLS courses together in order to perform team training as needed for optimized emergency care.
Conclusion: In addition to standardization of treatment procedures these courses using a uniform and simple terminology are suited to facilitate communication despite language
barriers.
Key words: Military medicine, emergency medicine, training, ACLS, PHTLS
Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014
Erfordernisse der notfallmedizinischen
Ausbildung im Sanitätsdienst
Die Bundeswehr hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten zu einer Armee entwickelt, die global im Einsatz ist. Besonders der
Einsatz in Afghanistan entspricht dabei einem kriegsähnlichen
Zustand. Die Anforderungen an die sanitätsdienstliche Unterstützung haben sich damit grundlegend geändert. Dabei gilt aber
weiterhin die Maxime des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, dass
jedem Soldaten bei Erkrankung oder Verwundung im Auslandseinsatz eine medizinische Versorgung zuteil werden muss, die im
Ergebnis dem fachlichen Standard in Deutschland entspricht.
Unabhängig von den besonderen Strukturen der Rettungskette
und der sanitätsdienstlichen Einrichtungen im militärischen Einsatzgebiet [1] sowie der Weiterentwicklung der sanitätsdienstlichen Einsatzgrundsätze sind dennoch bis heute die Prinzipien
der präklinischen ärztlichen Versorgung im Einsatz unverkennbar vom zivilen Rettungs- und Notarztdienst in Deutschland geprägt. Dies ist auch nur natürlich, da die Militärmedizin allgemein kein eigenes medizinisches Fachgebiet darstellt, sondern
nur eine Anwendung medizinischer Kenntnisse und Fähigkeiten
unter besonderen militärischen Bedingungen.
Dennoch darf der Einfluss des konfliktuellen Rahmens auf die
medizinische Versorgung nicht unterschätzt werden. Dies gilt besonders für die Versorgung in Gefechtssituationen, aber auch für
die Versorgung anderer Notfälle außerhalb eines geschützten Lagers durch die allgegenwärtige potenzielle Bedrohung. Abgesehen von der Konfrontation mit im Zivilbereich ungewohnten und
teilweise schweren Verletzungsmustern unterliegt das Sanitätspersonal zahlreichen einschränkenden Zwängen, die durch die
taktische Lage vorgegeben sind und sich unvermeidlich auf die
Behandlungsabläufe auswirken. Die Gefährdung des Rettungsteams und der eigenen Person schafft dabei einen in dieser Intensität ungewohnten psychischen Druck. Eine professionelle und
reibungslose notfallmedizinische Versorgung unter diesen Umständen setzt eine entsprechende Ausbildung voraus, die sowohl
medizinische als auch militärische Fähigkeiten umfassen muss.
Moritz von Nassau (1567 - 1625) hatte bereits erkannt, dass sich
die Leistungsfähigkeit von Soldaten im Gefecht durch die Einübung von automatisierten Abläufen („Drill“) verbessern lässt.
Der Gebrauch der Muskete wurde in 43 Einzelschritte zerlegt
und jedem dieser Schritte ein Kommando zugeordnet. Das Eindrillen exakter Bewegungsabläufe lenkt von der Angst ab, der
Soldat vergisst den Feind und findet „einen Exerzierplatz selbst
auf dem Schlachtfeld“ [2].
A. Rump et al.: Zertifizierte Algorithmen-basierte Kursformate in der notfallmedizinischen Ausbildung
Es ist inzwischen anerkannt, dass die intelligente Übertragung
dieser Prinzipien und eine Ausbildung mit dem Ziel, durchdachte aber standardisierte Behandlungsabläufe einzuführen, auch in
einem zivilen Umfeld geeignet ist, die Versorgungsqualität in
der Akutmedizin zu optimieren. Zu diesem Zweck sind Algorithmen-basierte Kurssysteme geschaffen worden (z. B. ACLS,
ERC, PHTLS usw.), die sich in den letzten Jahren weltweit immer mehr durchgesetzt haben und als Nachweis eines qualitativ
hohen Versorgungsstandards anerkannt sind. Neben der Standardisierung der Behandlungsabläufe bedienen sich diese Kurssysteme einer einheitlichen Fachsprache, die die Kommunikation auf der gleichen sowie auch zwischen verschiedenen Behandlungsebenen deutlich erleichtert. Eine einfache gemeinsame Terminologie ist beim Vorliegen sprachlicher Barrieren, wie
sie im Rahmen der inzwischen regelhaft multinationalen militärischen Einsätze oft vorkommen, für einen reibungslosen Behandlungsablauf von entscheidender Bedeutung.
Solche standardisierten Kursformate sind für die notfallmedizinische Versorgung im militärischen Einsatz von hohem Interesse. Daher werden entsprechende Kurssysteme in mehreren
NATO-Streitkräften in die Ausbildung des Sanitätspersonals integriert. Auch der Sanitätsdienst der Bundeswehr hat algorithmenbasierte Kurse auf verschiedenen Ebenen aktiv eingeführt.
Standardisierte Kursformate
Bei allen Unterschieden weisen international anerkannte und
zertifizierte Kurse, die durch ein Markenzeichen geschützt sind,
Gemeinsamkeiten auf. Gegenstand dieser Kurse sind Notfälle,
mit denen der einzelne Arzt oder Rettungsassistent in der Regel
mit einer nur geringen Wahrscheinlichkeit konfrontiert wird.
Ziel ist es, für diese Notfallsituationen Handlungssicherheit zu
erzeugen. Die Kursdauer ist meist auf zwei Tage beschränkt, das
Zeitmanagement dafür aber sehr straff. Eine intensive theoretische Vorbereitung der Kursteilnehmer ist daher unabdingbar.
Während der Kurse wird der Fokus auf das Wesentliche gerichtet nach dem allgemeinen Prinzip „Treat first what kills first“,
und der Schwerpunkt der Ausbildung liegt auf dem Einüben von
Algorithmen-basierten und Prioritäten-orientierten Untersuchungs- und Behandlungsabläufen. Die Kurse schließen i. d. R.
mit einer schriftlichen und praktischen Prüfung ab. Eine Rezertifizierung der sog. „Provider“ ist regelmäßig (in Abhängigkeit
der Kursformate alle 3 - 4 Jahre) erforderlich. Für den Veranstalter ist die Durchführung einer dieser international anerkannten Kurse personell, materiell und organisatorisch aufwendig:
Zur Wahrung der Einheitlichkeit der Ausbildung dürfen nur in
dem Kursformat zertifizierte Instruktoren unterrichten. Es bestehen weiterhin Mindestanforderungen bezüglich des Verhältnisses von Instruktoren zu Kursteilnehmern (z. B. 1 Instruktor
für 4 Lehrgangsteilnehmer bei PHTLS Kursen).
Besonders bekannt sind Kurse zur Vermittlung und zum Nachweis eines Reanimationsstandards. Reanimationsmaßnahmen
sollten ohne Verzug nach den geltenden Guidelines erfolgen
und ein standardisiertes Training der feststehenden Algorithmen
bietet sich zum Einüben an. Zu nennen sind die Kursformate
der American Heart Association (Advanced Cardiac Life Support, ACLS) und die Advanced Life Support (ALS) Kurse des
European Resuscitation Council (ERC). Bei ACLS Kursen werden die theoretischen Grundlagen durch Filmmaterial vermittelt, während bei ALS Kursen des ERC das Wissen durch Do-
187
zenten vermittelt wird. Die Kurse des ERC sind auch thematisch etwas umfangreicher und für die Durchführenden damit
aufwändiger. Den Besonderheiten bei der Reanimation von
Kindern wird durch das Angebot von hierfür spezialisierten
Kursen (z. B. Pediatric Advanced Life Support, PALS oder European Pediatric Life Support, EPLS) Rechnung getragen.
Ein standardisiertes Vorgehen bei der Behandlung von Traumapatienten im Schockraum wird in Advanced Trauma Life Support (ATLS) Kursen vermittelt [3]. Die persönliche Erfahrung
offensichtlicher Mängel bei der Versorgung schwerverletzter
Patienten hatte einen Orthopäden aus Nebraska veranlasst, ein
ähnliches Kursformat wie ACLS für Traumapatienten zu entwickeln. Dabei wurde das Prioritäten-orientierte ABC des Traumapatienten und das Konzept der „Behandlung im Ablauf“ eingeführt. Der erste ATLS Kurs fand 1978 in Auburn (Nebraska)
statt und das Konzept hat inzwischen weltweit Verbreitung gefunden. ATLS Kurse stehen ausschließlich Ärzten offen. Ein
entsprechender Kurs für nicht-ärztliches Fachpersonal wurde
ebenfalls entwickelt (ATCN: Advanced Trauma Care for
Nurses).
Als präklinische Variante von ATLS haben sich das Pre-Hospital Trauma Life Support (PHTLS) und das International Trauma
Life Support (ITLS) Konzept etabliert [4, 5] (siehe Tabelle 1).
Beide Kursformate stehen sowohl ärztlichem als auch nichtärztlichem Rettungsdienst-Fachpersonal offen. Das PHTLS
Konzept betont die Bedeutung der Kinematik des Traumas und
der initialen Klassifizierung des Patienten als „potenziell kritisch“ oder „potenziell unkritisch“. Es folgt der „Primary Survey“ nach dem ABCDE-Schema, wobei auch Trauma-spezifische Aspekte berücksichtigt werden (z. B. die 4 großen Blutungsräume Thorax, Abdomen, Becken und Oberschenkel). Die
abschließende Bewertung des Verletzten als kritisch oder unkritisch bestimmt das Transportziel (Traumazentrum oder Krankenhaus der Grundversorgung). Das PHTLS Konzept betont die
Bedeutung eines effizienten Zeitmanagements und einer zügigen Einlieferung in eine adäquate Behandlungseinrichtung, da
viele Verletzungsmuster nur chirurgisch versorgt werden können. Dies bedeutet allerdings auf keinen Fall, dass eine notwendige präklinische Versorgung unvollständig bleiben darf, vielmehr muss die erforderliche Behandlung, einschließlich der Anlage des Monitorings, „im Ablauf“ (z. B. parallel in Abhängigkeit der Verfügbarkeit von Helfern, während des Transports) erfolgen.
Eine Innovation stellt der Advanced Medical Life Support
(AMLS) Kurs dar, der als internistisches Gegenstück des
PHTLS Kurses angesehen werden kann. Die Inhaberschaft der
Lizenz liegt für beide Kursformate bei der National Association
of Emergency Medical Technicians (NAEMT) und für Deutschland beim Deutschen Berufsverband Rettungsdienst e. V.
(DBRD). Das didaktische Konzept ist für PHTLS und AMLS
das Gleiche. In Anbetracht der Bedeutung internistischer
Krankheitsbilder im Rettungs- und Notarztdienst ist zu erwarten, dass AMLS Kurse künftig einen hohen Zulauf haben werden.
Der Advanced Hazmat Life Support (AHLS) Kurs behandelt
das notfallmedizinische Management bei Expositionen mit gefährlichen Stoffen und Gütern (Chemikalien, biologische und
radioaktive Agentien) [6]. Wie auch bei anderen standardisierten Kursformaten wird ein Algorithmen-basiertes und PrioritäWehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014
188
A. Rump et al.: Zertifizierte Algorithmen-basierte Kursformate in der notfallmedizinischen Ausbildung
Tab. 1: Zeitplan eines Pre Hospital Trauma Life Support (PHTLS) Kurses
ten-orientiertes Abarbeiten von Einsatzsituationen durch ärztliches und nicht-ärztliches Personal vermittelt. Der Kurs ist praktisch orientiert und bezweckt keine wissenschaftliche Ausbildung zum Toxikologen. Neben dem AHLS Provider Kurs werden auch Spezialkurse, z. B. zu den verwandten Themenfeldern
ABC-Terrorismus und Inhalationstrauma, angeboten (AHLS for
Toxic Terrorism, AHLS for Chemical Burns & Toxic Products
of Combustion, siehe Tabelle 2). Das Kursformat wurde vom
Arizona Emergency Medecine Research Center in Tucson
(AEMRC) in Zusammenarbeit mit der American Academy of
Clinical Toxicology (AACCT) entwickelt. Als Folge der Anschläge vom 11. September 2001 und der Möglichkeit weiterer
Terrorakte unter Verwendung von ABC-Kampfstoffen nahm das
Interesse an diesen Kursen in den USA stark zu. In Europa werWehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014
den bisher nur vereinzelt AHLS Kurse angeboten. Dies könnte
neben den Kosten auch durch die besonderen Anforderungen an
das Ausbildungspersonal bedingt sein (mindestens ein Toxikologe und ein Arzt, der als AHLS-Instruktor zertifiziert ist).
Erfahrungen mit ACLS- und PHTLS-Kursen an
der Sanitätsakademie der Bundeswehr
Die Sanitätsakademie der Bundeswehr (SanAkBw) ist seit 2009
International Training Center der American Heart Association
und führt – mit einer Unterbrechung in 2012, die wegen Neuverhandlung des Training Agreements mit der AHA notwendig
wurde – regelmäßig ACLS-Kurse durch. Diese sind in einen 3wöchigen Lehrgang Notfallmedizin integriert, der im Rahmen
A. Rump et al.: Zertifizierte Algorithmen-basierte Kursformate in der notfallmedizinischen Ausbildung
Tab. 2: Inhalte von Advanced HAZMAT Life Support (AHLS) Kursen
AHLS Provider (2 Tage)
Tag 1
Gefahrstoffe
– Epidemiologie
– Eigenschaften von Gefahrstoffen
– Umgang mit Verletzten
Inhalationstoxikologie
– Reizgase
– Asphyktische Gase
– Antidote (normobarer und hyperbarer Sauerstoff, Methylenblau,
Amylnitrit, Natrium Nitrit, Natrium Thiosulfat,
Hydroxocobalamin)
Pestizide
– Cholinesterase-Inhibitoren, Organophosphate & Carbamate;
Antidote: Pralidoxim, Atropin
Interaktive Bearbeitung von Fallbeispielen
Tag 2
Ätzende Stoffe, Kohlenwasserstoffe und halogenierte Kohlenwasserstoffe
Weitere Gifte
– Hydrazine; Antidot: Pyridoxin
– Fluorwasserstoff und Flusssäure;
– Antidote: Calcium Gluconat und Calcium Chlorid
Toxischer Terrorismus
– Chemoterrorismus: Nervenkampfstoffe
– Bioterrorismus: Anthrax, Botulismus; Botulinum Antitoxin
– Radiologische und nukleare Zwischenfälle & Terrorismus
Interaktive Bearbeitung von Fallbeispielen
Prüfung
AHLS for Toxic Terrorism (1 Tag)
Chemoterrorismus
– Reizgase
– Zyanide
– Antitode: Amylnitrit, Natrium Nitrit, Natrium Thiosulfat
– Nervenkampfstoffe: Der Sarin-Anschlag in der Tokioter U-Bahn
– Antidote: Pralidoxim & Atropin
Bioterrorismus
– Pocken, Anthrax
– Botulismus; Botulinum Antitoxin
Radiologische und nukleare Zwischenfälle & Terrorismus
Interaktive Bearbeitung von Fallbeispielen
AHLS for Chemical Burns and Toxic Products of Combustion
(ein halber Tag)
Allgemeine AHLS Grundsätze
– Epidemiologie
– Eigenschaften von Gefahrstoffen
– Umgang mit Verletzten
– Persönliche Schutzausrüstung & Dokumentation
– Antidote
Ätzende Stoffe
– Ätzende Stoffe
– Fluorwasserstoff & Flusssäure
– Antidote: Calcium Gluconat & Calcium Chlorid
Inhalationstoxikologie
– Reizgase, Asphyktische Gase
– Antidote (normobarer und hyperbarer Sauerstoff, Amylnitrit,
Natrium Nitrit, Natrium Thiosulfat)
Interaktive Bearbeitung von Fallbeispielen
189
der Postuniversitären Modularen Ausbildung von allen Sanitätsoffizieren Arzt durchlaufen wird. Gleichzeitig wird damit ein
zertifizierter Reanimationsstandard nachgewiesen, der von den
Landesärztekammern bei der Beantragung der Zusatzbezeichnung Notfallmedizin gefordert wird.
In Hinblick auf eine optimale Versorgung der Soldaten im Auslandseinsatz wird besonderer Wert auf eine hochwertige traumatologische Ausbildung gelegt. Das PHTLS-Konzept wird in
zahlreichen Armeen zur Ausbildung des Sanitätspersonals seit
Jahren mit großem Erfolg intensiv genutzt, insbesondere auch im
Sanitätsdienst der US-Streitkräfte. Aufgrund der zunehmenden
multinationalen Zusammenarbeit im Einsatz und der Bedeutung
des Sanitätsdienstes der US-Streitkräfte wurde vom Bundesministerium der Verteidigung entschieden, das Kursformat PHTLS
bei der Bundeswehr in die sanitätsdienstliche Ausbildung aufzunehmen. Ziel ist es, eine optimale präklinische Versorgung von
Traumapatienten mit Verletzungsmustern wie Schuss- und Explosionsverletzungen, die im zivilen Umfeld selten angetroffen
werden, zu gewährleisten. PHTLS Kurse sind Teil des am Bundeswehrkrankenhaus Ulm entwickelten Konzeptes zur Basisausbildung von Notärzten im Sanitätsdienst der Bundeswehr [7].
Nach Durchführung von Pilotlehrgängen und Vertragsverhandlungen mit PHTLS Deutschland und dem DBRD e.V. als Lizenzinhaber wurde die SanAKBw im März 2011 als PHTLS
Training Site akkreditiert und ist damit berechtigt, in eigener
Zuständigkeit PHTLS Provider Kurse durchzuführen. Dabei
werden alle Regularien der NAEMT und von PHTLS Deutschland eingehalten, um die Gleichwertigkeit der Provider Kurse
im zivilen Bereich und bei der Bundeswehr sicher zu stellen.
Die militärischen Lehrgangsteilnehmer müssen sich den gleichen schriftlichen und praktischen Prüfungen unterziehen, die
allgemein auch bei zivilen Kursen vorgesehen sind. Auch die
Auswahl und Ausbildung von zertifizierten Instruktoren erfolgt
nach zivilen Kriterien durch Zuteilung eines „Instructor Potential“ an einige wenige Provider und die Zertifizierung als „Full
Instructor“ nach erfolgreichem Besuch eines Instruktorenlehrgangs und zufriedenstellender Leistungen als „Instructor Candidate“ (Hilfsinstruktor). Für Bundeswehr-Verhältnisse eher unüblich ist das Freiwilligkeitsprinzip bei der Weiterqualifizierung
zum PHTLS Instruktor, wodurch die Motivation der Ausbilder
sichergestellt werden soll.
PHTLS Kurse werden an der Sanitätsakademie der Bundeswehr
als eigenständige 2-Tages Kurse oder im Rahmen eines einwöchigen „Military PHTLS“ Lehrgangs (Teamtraining taktische
Verwundetenversorgung) angeboten. Dieser Lehrgang beinhaltet im Anschluss an einen Original PHTLS Kurs eine Einführung in taktische Verfahren der Verwundetenversorgung durch
einen militärischen Führer und ein Skill-Training an tierischen
Nebenprodukten, in dem handwerkliche Fähigkeiten zu notfallmedizinischen Techniken eingeübt werden (Anlage von intraossären Zugängen, Thoraxdrainagen, Koniotomie). Im Anschluss
werden die vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten auf verschiedenen Stationen eines Notfallparcours unter einsatzähnlichen Bedingungen (Tragen einer Splitterschutzweste, Mitführen
einer Waffe zur Selbstverteidigung, usw.) trainiert (Abb. 1).
PHTLS Provider Kurse stehen wie im zivilen Umfeld sowohl
Ärzten als auch Rettungsassistenten offen. Das Kurskonzept ist
bewusst darauf ausgerichtet, ein Teamtraining durchzuführen,
entsprechend den realen Verhältnissen bei der Versorgung von
Notfallpatienten. Es wird bei der Zuteilung von LehrgangsplätWehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014
190
A. Rump et al.: Zertifizierte Algorithmen-basierte Kursformate in der notfallmedizinischen Ausbildung
Abb. 1: „Care under Fire“: Übung im Notfallparcours der Sanitätsakademie der Bundeswehr
zen nach Möglichkeit darauf geachtet, ein ausgewogenes Verhältnis von Ärzten und Rettungsassistenten zu gewährleisten.
Dies ist in dieser Form ein Novum, da im Sanitätsdienst der
Bundeswehr, abgesehen von der spezifischen militärisch orientierten Einsatzvorbereitung und Lehrgängen für AirMedEvac
Personal am Flugmedizinischen Institut der Luftwaffe, in der
medizinisch-fachlichen Aus- und Fortbildung immer noch eine
Trennung von Offizieren und Unteroffizieren besteht. Die enge
kollegiale Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Rettungsassistenten, wie sie in der Notfallversorgung erforderlich ist und im
Auslandseinsatz in der Regel gelebt
wird, muss in der notfallmedizinischen Ausbildung erst noch etabliert werden. Damit leisten PHTLS
Provider Kurse auch einen mittelbaren Beitrag zur Weiterentwicklung
des Sanitätsdienstes, indem gedanklich verankerte traditionelle Schranken zwischen Dienstgradgruppen,
die unterschiedliche aber gleichermaßen erforderliche Fähigkeiten
einbringen, überwunden werden
können.
an eine sanitätsdienstliche Rettungskette angeschlossen zu sein.
Damit ergab sich einerseits die Notwendigkeit, Kommandosoldaten (d. h. Kombattanten) medizinisch auszubilden („Combat
First Responder“) und ihnen andererseits Verfahrensregeln an
die Hand zu geben, wie bei Spezialoperationen medizinisch zu
verfahren ist, bis Verletzte zur weiteren Versorgung an Kräfte
des Sanitätsdienstes übergeben werden können. Es werden dabei drei Ziele verfolgt, nämlich den Verletzten medizinisch zu
versorgen, weitere Opfer zu vermeiden und den militärischen
Auftrag erfolgreich zu erfüllen. Das PHTLS Konzept bildet da-
Tactical Combat Casualty
Care
Das Tactical Combat Casualty Care
(TCCC oder T3C) ist ein Konzept
zur Versorgung von Verletzten im
militärischen Einsatz. Es wurde in
den 1990er Jahren in den USA für
Spezialkräfte entwickelt. Diese führen Operationen in der Tiefe des
Raumes durch, ohne dabei immer
Abb. 2: Todesursachen auf dem Gefechtsfeld (Killed in Action) und nach Aufnahme in eine sanitätsdienstliche Einrichtung (Died of Wounds); aus [9]
Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014
A. Rump et al.: Zertifizierte Algorithmen-basierte Kursformate in der notfallmedizinischen Ausbildung
bei die medizinisch-fachliche Grundlage des TCCC, dem im
PHTLS Kursmanual auch ein eigenes Kapitel gewidmet ist.
Weiterhin existiert im Englischen eine militärische Version dieses Manuals. Nach den vorliegenden statistischen Auswertungen überlebt ein Großteil der schwerverwundeten Soldaten im
Gefecht nicht [8]. Vermeidbar in der Frühphase nach der Verwundung sind schätzungsweise 10 % der Todesfälle, hauptsächlich durch Verbluten aus einer Extremitätenwunde, durch
Spannungspneumothorax oder Verlegung der oberen Atemwege
[9, 10, 11] (Abb. 2). Nach Aufnahme in einer stationären Behandlungseinrichtung stehen im weiteren Verlauf Infektionen
und ein Multiorganversagen im Vordergrund [12]. Die medizinischen Maßnahmen, die bei TCCC auf dem Gefechtsfeld im
Focus stehen, zielen auf die Behandlung der drei unmittelbar lebensbedrohlichen und vermeidbaren Todesursachen mit einfachen Mitteln. Das Ausmaß der Versorgung von Verletzten hängt
zwangslaüfig von der taktischen Lage ab und wird drei Phasen
zugeordnet: Care under Fire, Tactical Field Care und Tactical
Evacuation Care (Tab. 3). Das TCCC Konzept ist demnach in
erster Linie für eigenständig operierende Spezialkräfte gedacht.
Die Prinzipien des TCCC werden aber auch darüber hinaus in
den ersten Ebenen der Verwundetenversorgung genutzt.
Der an der Sanitätsakademie der Bundeswehr durchgeführte
Lehrgang „Military PHTLS“ ist kein TCCC Lehrgang. Die Eingliederung von beweglichen Arzttrupps in Patrouillen und Konvois sowie Anschläge und Gefechtshandlungen, in die auch das
Sanitätspersonal zwangsläufig hineingezogen wird, haben aber
dazu geführt, dass einige Prinzipien des TCCC in der Ausbildung von Ärzten und Rettungsassistenten vermittelt werden.
Ziel ist es dabei, ein ausreichendes Verständnis für die taktische
Lage zu entwickeln, so dass eine möglichst effektive Versorgung der Verletzten ohne vermeidbare Gefährdung der eigenen
Person oder der Truppe erzielt wird. Dies ändert nichts am Status des Sanitätspersonals, das nach wie vor zu den Nichtkombattanten gehört.
Tab. 3: Die wichtigsten Maßnahmen in den 3 Phasen des Tactical
Combat Casualty Care
Care under Fire
1. Feuer erwidern
2. Den Verletzten in Deckung bringen
3. Massive Blutungen stillen (Tourniquet)
4. I.d.R. kein Atemwegsmanagement (ggf. Wendl-Tubus)
Tactical Field Care
1. Den Verletzten entwaffnen
2. Massive Blutungen stillen (falls noch nicht geschehen)
3. Atemwegsmanagement
4. Punktion eines Spannungspneumothorax
5. Abdichten offener Thoraxwunden (z.B. Asherman chest seal)
6. Wärmeschutz
7. Intravenöser Zugang
8. Analgesie, Antibiotika (bereits präklinisch)
9. Verletzte Extremitäten schienen / verbinden
Tactical Evacuation Care
1. Tactical Field Care Maßnahmen weiterführen unter Nutzung
einer erweiterten medizinischen Ausstattung einschließlich
Monitoring
191
Schlussfolgerungen
Das gemeinsame Training von Ärzten und Rettungsassistenten
entspricht der Realität im Notarzt- und Rettungsdienst und dem
militärischen Grundsatz „train as you fight.“ Durch die internationale Anerkennung und Verbreitung des PHTLS Konzepts
werden in den Kursen standardisierte Behandlungsabläufe eingeübt, wie sie auch in den Sanitätsdiensten anderer Streitkräfte
gelehrt werden. Die sprachliche Standardisierung trägt weiter
dazu bei die Versorgung von Verletzten im multinationalen Rahmen noch effektiver und effizienter zu gestalten.
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Bildquelle: Flottillenarzt Priv.-Doz. Dr. Rump
Korrespondierender Autor:
Flottillenarzt Priv.-Doz. Dr. Alexis F. E. Rump
Institut für Radiobiologie der Bundeswehr
Neuherbergstr. 11, 80937München
E-Mail: alexisrump@bundeswehr.org
Der Beitrag wird im Internet unter www.wehrmed.de publiziert.
Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014
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K ASUISTIK
Aus der Abteilung Anästhesie (Ärztlicher Direktor: Oberstarzt Dr. H. Lischke) des Bundeswehrzentralkrankenhauses Koblenz
(Chefarzt: Generalarzt Dr. M. Zallet)
LipidRescue™ - Erfolgreicher Einsatz nach Ropivacain-bedingter
Lokalanästhetika-Intoxikation bei axillärer Plexusanästhesie
LipidRescue™ - successful use after ropivacaine-related local
anaesthetic toxicity in axillary plexus blockade
Herbert Plümer, Sebastian Fischer und Michael Braun
Zusammenfassung
Bei lebensbedrohlichen Anzeichen einer LokalanästhetikaIntoxikation wie plötzlichem Bewusstseinsverlust mit oder
ohne generalisierten Krampfanfall muss umgehend gehandelt werden. Die Lokalanästhetika-Injektion soll sofort gestoppt werden, gefolgt von einer umgehenden Sicherung der
Atemwege mit adäquater Sauerstoffversorgung. Die Gabe
von Antikonvulsiva wird empfohlen. Nach kardiovaskulären
Symptomen muss gefahndet werden. Im Falle eines Herzkreislaufstillstandes hat die sofortige leitliniengerechte Reanimation zu erfolgen. Die Reanimationsbemühungen müssen stets über einen längeren Zeitraum fortgesetzt werden.
Die Anwendung einer Lipidemulsion sowie der Einsatz der
Herz-Lungenmaschine müssen in Betracht gezogen werden.
Wenn Lipidemulsionen verfügbar sind, sollte die rasche Applikation eines Lipid-Bolus (1,5 ml/kgKG Lipidlösung 20 %)
durchgeführt werden, gefolgt von einer definierten kontinuierlichen Infusion. Eine eindeutige Handlungsempfehlung
sollte vorhanden und zugänglich sein.
Schlüsselwörter: Intoxikation, Lokalanästhetika, Krampfanfall, Reanimation, SOP
Summary
Life-threatening signs of local anaesthetic toxicity, such as
sudden loss of consciousness, with or without tonic-clonic
convulsions need to be treated immediately by stopping the
injection, securing and maintaining the airway and providing
adequate oxygenation. Anticonvulsants are recommended.
The cardiovascular status must be assessed. In the event of a
cardiac arrest, cardiopulmonary resuscitation in accordance
with standard protocols must be initiated without delay. It is
important to remember that prolonged resuscitation may be
necessary. The use of lipid emulsion and a cardiopulmonary
bypass may be considered. If lipid is administered, a bolus
dose of 1.5 ml/kg (lipid emulsion 20 %) followed by a defined continuous infusion may be appropriate. A precise standing operating procedure should be established and available.
Keywords: Intoxication, Local Anaesthetics, Seizure, Resuscitation, SOP
Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014
Einleitung
Die Intoxikation mit Lokalanästhetika (LA) ist trotz des weitverbreiteten Einsatzes der Substanzen eine sehr seltene Komplikation [1, 2]. Die Inzidenz beträgt bei peripheren Nervenblockaden 0,075 bis 0,20 % [3]. Allerdings sind die Folgen im Einzelfall gravierend und mit enormen potentiellen Schädigungen bis
zum Tod des Patienten verbunden [4]. Bei den Blockadetechniken an der oberen Extremität stellt die axilläre Plexusanästhesie
das sicherste Regionalverfahren dar [5].
Als Ursache für die systemische Intoxikation wird einerseits die
akzidentelle intravasale Injektion mit rasch einsetzender Symptomatik und andererseits ein resorptionsbedingter Anstieg des
Plasmaspiegels bei größeren Gewebedosen mit verzögerter
Symptomatik nach 20-30 Minuten unterschieden [3].
Dank verbesserten Erkenntnissen zur Pathophysiologie von LA
und erfolgversprechenden tierexperimentellen Untersuchungen
mehren sich in den letzten Jahren klinische Fallberichte über
den erfolgreichen Einsatz von Lipidlösungen als zusätzliche
Therapieoption bei der LA-Intoxikation. Die anästhesiologischen Fachgesellschaften in den USA, Großbritannien und
Deutschland haben diesen Sachverhalt in ihre jüngsten Empfehlungen aufgenommen und publiziert [6-8].
Nachfolgend beschreiben wir den Fall einer Patientin, die während der Anlage einer axillären Plexusblockade eine schwerwiegende systemische LA-Intoxikation erlitt. Ziel dieser Abhandlung ist es, anhand des nachfolgenden Fallberichtes über die
Notwendigkeit eines definierten Sicherheitsstandards bei der
Durchführung von Regionalanästhesien zu sensibilisieren,
Symptome der LA-Intoxikation zu erkennen sowie therapeutische Konzepte sicher und ohne Zeitverzögerung anzuwenden.
Mögliche Fallstricke bei ungewohnter Medikamentenapplikation werden angesprochen und können durch eine klare, eindeutige Handlungsempfehlung (SOP) vermieden werden.
Fallbericht - „Ich glaub, ich tret jetzt ab … “
Eine 47 jährige, 90 kg schwere Patientin stellte sich zur ambulanten Wundrevision des DIII der linken Hand in Plexusanästhesie vor. Die Patientin wurde aufgrund eines anamnestischen
Carotistraumas mit passagerer neurologischer Symptomatik in
2001 und des bestehenden Übergewichtes nach der American
Society of Anesthesia (ASA) als Risikoklasse II eingestuft.
H. Plümer et al.: LipidRescue™ - Erfolgreicher Einsatz nach Ropivacain-bedingter Lokalanästhetika-Intoxikation
Mehrere Voroperationen in axillärer Plexusanästhesie verliefen
unauffällig.
Primär wurden im Aufwachraum das Herzkreislauf-Monitoring
und der venöse Zugang gemäß Klinikstandard angelegt. Die initial erhobenen Vitalparameter zeigten einen Sinusrhythmus von
62/min bei einem Blutdruck von 130/75 mmHg und 100 % Sauerstoffsättigung. Die Punktion des axillären Plexus erfolgte in
Analgosedierung mit Remifentanil. Es wurde die Neurostimulationstechnik mit einer Pajunk Stimuplex Nadel 22G (50 mm)
unter ständiger Aspiration angewendet. Die zu applizierende
LA-Menge war mit 20 ml Ropivacain 0,75 % und 40 ml Prilocain 1 % geplant.
Aufgrund einer einmaligen Gefäßpunktion wurde die Nadel entfernt, die Punktionsstelle komprimiert und ein Oberarzt hinzugerufen. Nach anschließender Nadelkorrektur unter stetig negativem Aspirationstest konnte eine Reizantwort in den Fingerbeugern bis 0,2 mA bei 2 Hz und 0,1 ms ausgelöst werden. Es
erfolgte die langsame Injektion des Ropivacains in 5 ml Schritten bei intermittierender Aspiration. Nach der Applikation von
18 ml Ropivacain 0,75 % klagte die Patientin plötzlich über Unwohlsein. Den Worten: „Ich glaub´, ich tret´ jetzt ab…“ folgte
eine nur flüchtige Exzitationsphase bis zur Manifestation eines
generalisierten tonisch-klonischen Krampfanfalls. Parallel wurde im Monitor-EKG das Auftreten einer monomorphen ventrikulären Tachykardie mit einer Frequenz von 165/min beobachtet. Weitere Vitalparameter konnten aufgrund des Krampfanfalls
nicht abgeleitet werden. Die Injektion wurde sofort abgebrochen und das anschließende Notfallmanagement konsequent
nach den Empfehlungen der deutschen Gesellschaft für Anästhesie und Intensivmedizin (DGAI) ausgerichtet. Neben der unverzüglichen Sauerstoffapplikation
über Maske wurden 15 mg Midazolam fraktioniert appliziert sowie Defibrillator und Amiodaron bereitgestellt. Bedingt durch die Persistenz
des generalisierten Krampfanfalls
waren sowohl die manuelle als auch
die automatische Pulskontrolle so
stark durch Artefakte überlagert,
dass ein möglicher Herzkreislaufstillstand weder bestätigt noch ausgeschlossen werden konnte. Folglich konnte eine leitliniengerechte
Therapie der VT zu diesem Zeitpunkt nicht gestartet werden. Angesichts der progredienten Hypoxiezeichen entschlossen wir uns nach
90 Sekunden, die Lipidtherapie vor
der antiarrhythmischen Therapie
durchzuführen. 30 Sekunden nach
Bolusgabe von 135 ml SMOFlipid
20 % sistierte der Krampfanfall. Die
monomorphe VT konvertierte in
eine Sinustachykardie mit 115/min
bei nun messbarem Puls mit Blutdruckwerten von 110/60 mmHg. Die
deutliche Hypoxie mit 54 % Sauerstoffsättigung war unter jetzt möglicher Maskenbeatmung rasch regredient. Nach Intubation und Starten
193
der kontinuierlichen Lipidinfusion mit 100 ml/h via Perfusor
konnten wir eine rasche Konsolidierung der kardiopulmonalen
Symptomatik erreichen. Mit einem Sinusrhythmus von 90/min,
Blutdruck 140/90 mmHg und 100 % Sauerstoffsättigung wurde
die Patientin ohne zusätzliche antiarrhythmische Therapie und
katecholaminfrei auf die Intensivstation verlegt. Im Verlauf waren keine weiteren Herzrhythmusstörungen oder neurologische
Auffälligkeiten nachweisbar. Die Patientin konnte bereits 45
Minuten nach dem Ereignis extubiert und am nächsten Tag in
Allgemeinanästhesie erfolgreich operiert werden.
Systemische Toxizität von LA und klinische
Symptome
LA unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Toxizität. Aufgrund ihrer Wirkkinetik sind die mittellang wirkenden Substanzen wie
Mepivacain, Prilocain und Lidocain unproblematischer als die
lang wirkenden lipophilen Substanzen Ropivacain, Levobupivacain und Bupivacain [9]. Die systemische Toxizität von Levobupivacain liegt experimentell zwischen der von Bupivacain
und Ropivacain [10].
Mit steigenden Plasmaspiegeln der Substanzen kann es zu Störungen vor allem des zentralen Nervensystems (ZNS) und des
Herz-Kreislauf-Systems kommen [11]. Zudem scheinen lipophile LA, insbesondere Bupivacain, über eine direkte Beeinflussung der oxidativen Phosphorylierung die intrazelluläre Energiegewinnung im Herzmuskel zu beeinflussen. Durch Hemmung der Karnitin-Acylkarnitin-Translokase wird der Transport
von Fettsäuren in die Mitochondrien beeinträchtigt und die Atmungskette mit der lebenswichtigen Produktion von Adenosintriphosphat (ATP) entkoppelt [12].
Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014
194
H. Plümer et al.: LipidRescue™ - Erfolgreicher Einsatz nach Ropivacain-bedingter Lokalanästhetika-Intoxikation
Die systemische Toxizität von LA betrifft zunächst das ZNS.
Symptome wie Übelkeit, Müdigkeit, periorale Taubheit, Unruhe, Doppelbildersehen und Schwindel sind oft Prodromi von
kardiovaskulären Ereignissen [13]. Die Abfolge der ZNSSymptome kann in Stadien eingeteilt werden, die jedoch nicht
zwangsläufig durchlaufen werden müssen (Tab. 1). Eine LA-Intoxikation kann sich durchaus zu Beginn als generalisierter
Krampfanfall manifestieren [14 - 16].
Aufgrund der potenziellen Gefahrenlage bei LA-Blockaden
durch Applikation relevanter LA-Mengen müssen grundsätzlich
die in Tab. 2 genannten Vorsichtsmaßnahmen eingehalten werden [9].
Diskussion
Obwohl der Einsatz von 20 %igen Lipidemulsionen zur Therapie von LA-Intoxikationen in der Literatur inzwischen als LipidRescue™ bezeichnet wird [17], ist ihr genauer Wirkungsmechanismus bis heute nicht bekannt [18]. Derzeit werden mehrere Theorien auf der Grundlage von Weinbergs tierexperimentellen Ergebnissen diskutiert [19-21]. Am bekanntesten ist die „Lipid sink“-Theorie, in der die Extraktion lipophiler LA aus Plasma und Gewebe beschrieben wird. In der „Fat rush“-Theorie
wird zudem eine Reaktivierung der durch LA inhibierten Fettsäureoxydation an Herzmuskelzellen vermutet [18].
Erste Fallberichte über den erfolgreichen klinischen Einsatz von
Lipidemulsionen erschienen bereits 2006 [15, 22]. Abgesehen
von einer Ausnahme finden sich im Melderegister der American
Society of Regional Anesthesia (ASRA) mehr als 20 Fallberichte
über den erfolgreichen Einsatz der LipidRescue™ bei LA-Intoxikationen. Darüber hinaus werden 15 Fallberichte über den Einsatz bei Intoxikationen mit verschiedenen lipophilen Psychopharmaka, Antiarrhythmika und durch Cocainmissbrauch aufgeführt [23]. Folglich wird die Therapie mit einer 20 %igen Lipidemulsion in den amerikanischen Guidelines aktuell evidenzbasiert mit Grad IIa, Klasse B empfohlen. Hingegen sollte Propofol
als Lipidersatz aufgrund des zu niedrigen Fettanteils und zu hoher kardiodepressiver Effekte vermieden werden (III; C) [6].
2009 publizierte der wissenschaftliche Arbeitskreis Regionalanästhesie der DGAI seine Empfehlungen zur Lipidbehandlung
(Tab. 3): Bei in aller Regel zunächst erkennbaren zentralnervösen Symptomen wie Desorientiertheit, Tremor, Verlust der Ansprechbarkeit bis hin zu tonisch klonischen Krämpfen soll die
Lokalanästhetikazufuhr sofort gestoppt werden und eine umgehende Sicherstellung der Oxygenierung und der Atemwege erfolgen, um eine Hypoxie und Azidose zu vermeiden. Antikonvulsiva sollen gegeben werden. Nach kardiotoxischen Symptomen muss gefahndet werden. Im Falle eines Kreislaufstillstandes muss sofort die leitliniengerechte Reanimation erfolgen. Für
die weitere möglicherweise spezifische Behandlung kann eine
Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014
Lipidgabe erwogen werden. Empfehlenswert erscheint die rasche Applikation eines Bolus (1,5 ml/kgKG Lipidlösung 20 %)
und eine anschließende kontinuierlichen Gabe mit 0,1-0,5
ml/kgKG/min über 30-10 Minuten (Tab. 3). Als Ultima Ratio
bleibt - falls verfügbar - der Anschluss an die extrakorporale Zirkulation unter laufender Reanimation. Bedacht werden muss jedoch stets, dass die Reanimationsbemühungen über längere Zeit
fortzusetzen sind [8].
Biscoping unterstreicht in diesem Zusammenhang, dass es sich
bei der Lipidtherapie um eine zwar oft erfolgreiche, aber nur adjuvante Maßnahme bei lebensbedrohlichen LA-Intoxikationen
handelt und selbstverständlich zuvor die Empfehlungen zur kardiopulmonalen Reanimation bei Herz-Kreislauf-Stillstand beachtet und befolgt werden müssen [24].
Trotz der Empfehlungen der Fachgesellschaften, experimenteller
Daten und zahlreichen Fallberichten bestehen aber auch Zweifel
über die Wirksamkeit der Lipidtherapie. So konnten die positiven Effekte aus verschiedenen experimentellen Untersuchungen
nicht im Schweinemodell bestätigt werden [25, 26]. Aufgrund
eines möglichen „Publikationsbias“ wird des Weiteren vermutet,
dass erfolglose Behandlungsfälle nicht publiziert wurden, und
dadurch eine falsch positive Datenlage suggeriert wird. Verschiedene Autoren bemängeln zudem eine vergleichsweise unzureichende Datenlage bei geringer klinischer Erfahrung [17, 27]. Daher empfiehlt der Arbeitskreis Regionalanästhesie, alle Fälle
anonym dem bundesweiten Ereignis-Meldesystem unter
www.Pasos-ains.de mitzuteilen. Abschließend wird auf mögliche Nachteile und Nebenwirkungen einer Lipidbehandlung hingewiesen. Die zur Behandlung einer LA-Intoxikation verabreichte Lipidmenge überschreitet die maximale empfohlene Dosis der Hersteller um das 120fache [8]. Es handelt sich bei dieser
Therapieform also um einen „Off-Label-Use“, außerhalb der zugelassenen Herstellerindikationen. Eine Höchstdosis bei LipidRescue™ wurde im Gegensatz zu den Guidelines anderer
Fachgesellschaften (10 - 12 ml/kgKG über 30 - 60 min) durch
die DGAI nicht formuliert [6, 7].
In unserer Kasuistik müssen wir aufgrund der perakut einsetzenden Symptomatik von einer intravasalen Injektion des LA ausgehen. Der Injektion war bei der Blockadeanlage eine einmalige
Gefäßpunktion vorausgegangen. Trotz Nadelkorrektur und nachfolgenden negativen Aspirationstesten ist ein druckbedingter
Übertritt des Ropivacains durch die Gefäßleckage als wahrscheinliche Ursache anzunehmen.
Bei der weiteren Nachbetrachtung unseres Notfallmanagements
wurden wir auf ein scheinbar diskrepantes Vorgehen zu den
Empfehlungen der Fachgesellschaften und auf einige Fallstricke
mit nicht unerheblichem Gefahrenpotential aufmerksam:
Wegen der Persistenz des Krampfanfalls konnte eine leitliniengerechte Therapie der VT nicht gestartet werden. Andererseits
stand die zentralnervöse Symptomatik mit
progredienter Hypoxie im Vordergrund. In
diesem Konfliktfeld entschlossen wir uns
für die vorzeitige Lipid-Bolus-Gabe. Durch
das nachfolgend rasche Sistieren der zentralnervösen und kardialen Symptome
konnte von der erwogenen antiarrhythmischen Behandlung abgesehen werden. Retrospektiv müssen wir von einer monomorphen VT ohne Kreislaufstillstand ausgehen,
die jedoch nach den ERC-Reanimationsleit-
H. Plümer et al.: LipidRescue™ - Erfolgreicher Einsatz nach Ropivacain-bedingter Lokalanästhetika-Intoxikation
195
linien primär mit Amiodaron zu behandeln
gewesen wäre [28]. Aufgrund der hohen Lipophilie von Amiodaron [29] hätte in unserem Fall ein Versagen der vorgezogenen Lipidtherapie deletäre Folgen haben können.
Wegen der bereits diskutierten „Lipid sink“Theorie wäre eine Amiodaronapplikation
nach Lipidgabe über einen unbestimmten
Zeitraum vermutlich wirkungslos geblieben.
Darüber hinaus mussten wir konstatieren,
dass die von uns berechnete kontinuierlich
zu applizierende Lipidmenge fehlerhaft war.
Es wurde nur ein Fünftel der empfohlenen
Menge über 30 Minuten infundiert, respektive 0,02 ml/kgKG/min. Auch die von uns gewählte Applikationsform über eine Spritzenpume (Perfusor) erwies sich als ungeeignet.
Die maximale Leistungsfähigkeit der in unserer Klinik eingesetzten Perfusoren beträgt
200 ml/h. Theoretisch hätte sie für das empfohlenen Zeitintervall über 30 Minuten 540
ml/h betragen müssen (Soll-Menge: 0,1 x 90
kgKG x 30 min = 270 ml in 30 Minuten).
Die abteilungsinterne SOP zur LA-Intoxikation war zwar bekannt, jedoch nur über das
hauseigene Computernetzwerk verfügbar.
Dadurch wurde eine Kontrollberechnung der
zu applizierenden Lipidmenge erschwert
und nicht zeitgerecht vorgenommen.
Die Sinnhaftigkeit einer definierten, kontinuierlichen Lipidgabe über 30 Minuten belegt Marwicks Fallbericht von 2009. Er beschreibt die Wiederkehr kardiotoxischer
Symptome 40 Minuten nach der initial erfolgreichen Behandlung mit 150 ml einer
20 %igen Lipidlösung [30].
Die DGAI publizierte in ihren Empfehlungen zur Lipidbehandlung insgesamt 17 tabellarische Fallberichte. In allen Fällen wurde der empfohlene Lipidbolus von 1,5
ml/kgKG appliziert. Die anschließende kontinuierliche Lipidtherapie wurde in nur 8
Fällen und in äußerst heterogener Dosierung
durchgeführt [8]. Die Ursache dafür sehen
wir in den unterschiedlichen Dosierempfehlungen der Fachgesellschaften, einschließlich der Empfehlung von alternativen Dosierintervallen und Mengen. Eine einheitliche Empfehlung der Fachgesellschaften
wäre hier zweifelsfrei von Vorteil. Erst
kürzlich wurde durch eine Marburger Arbeitsgruppe auf die Notwendigkeit einer
schriftlichen SOP bei LA-Intoxikationen
hingewiesen. Im Gegensatz zur Empfehlung
von Dosierintervallen und Mengen, entschied sich die Arbeitsgruppe für eine eindeutige Dosierungsempfehlung, um im Notfall keine zusätzlichen Irritationen zu verursachen [31]. Auch Neal und Mitarbeiter fordern klare, eindeutige HandlungsempfehWehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014
196
H. Plümer et al.: LipidRescue™ - Erfolgreicher Einsatz nach Ropivacain-bedingter Lokalanästhetika-Intoxikation
Abb. 1: Regionalanästhesie-Arbeitsplatz mit SOP und LipidRescue™-Kit
lungen, um im Notfall keine unnötigen Zeitverluste zu provozieren. Die Umsetzung der Therapieempfehlungen ist zudem
deutlich verbessert, wenn solche Handlungsempfehlungen im
Notfall verfügbar sind [32].
Wir können uns den Empfehlungen und der Kritik dieser Arbeitgruppen uneingeschränkt anschließen. Als Konsequenz des Ereignisses haben wir unsere SOP überarbeitet, eindeutige Dosierungen in einer gewichtsadaptierten Tabelle festgelegt und am
Regionalanaesthesie-Arbeitsplatz hinterlegt (Tab. 4). Strategien
zur Vermeidung möglicher Fallstricke wurden eingearbeitet und
in Tab. 5 gesondert aufgeführt. Verschiedene Arbeitsgruppen
empfehlen darüber hinaus die Vorhaltung eines LipidRescue™Kits am Regionalanästhesie-Arbeitsplatz (Abb. 1).
Fazit für die Praxis
Grundsätzlich sind bei der Durchführung von Regionalanästhesien ausreichende Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Ein klares Behandlungsregime (SOP) sollte nach den Empfehlungen
der Fachgesellschaften definiert, etabliert und am Arbeitsplatz
verfügbar sein.
Für die Durchführung einer Lipidbehandlung sollten einfache,
praktikable Applikationsformen und Dosierungen festgelegt sowie mögliche Fallstricke bedacht werden. Da noch vergleichsweise wenige klinische Erfahrungen zur Lipidbehandlung vorliegen, sollten alle Fälle anonym der DGAI über das EreignisMeldesystem unter www.Pasos-ains.de mitgeteilt werden. Picard u. Meek formulierten in diesem Zusammenhang [18]: „Fat
may be bad for you, but it may just once be very good for your
patient – and whether it is or not, tell us all!“
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Bildquelle: Abb. 1: Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz – Abt. X
Anschrift des Verfassers:
OFA Dr. Herbert Plümer
Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblen, Abt. X
Rübenacher Straße 170
56072 Koblenz
E-Mail: HerberPluemer@bundeswehr.org
Der Beitrag wird im Internet unter www.wehrmed.de publiziert.
Aus dem Fachbereich Tropenmedizin am Bernhard-Nocht Institut (Leiter: Oberfeldarzt Dr. H. Sudeck) des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg1
(Chefarzt: Generalarzt Dr. J. Hoitz) und der Abteilung A (Abteilungsleiter Admiralarzt Dr. S. Apel) des Kommandos Sanitätsdienst2 (Inspekteur
des Sanitätsdienstes: Generaloberstabsarzt Dr. I. Patschke)
Kasuistik: „Minority report“ –
Interferon-Sprünge und Interpretationsakrobatik
Case report: “Minority Report” –
“Fluctuating” Interferon Results and Interpretative Difficulties
Hagen Frickmann1, Christian Janke2, Dorothea Wiemer1
Zusammenfassung
Hintergrund: Interferon-Gamma Freisetzungsteste (interferon gamma release assays, IGRA) erlauben, bei nur wenigen
bekannten Kreuzreaktionen, den Nachweis des stattgehabten
Kontakts mit Erregern des Mycobacterium tuberculosisKomplexes beim immungesunden Patienten. Jedoch weisen
auch diese Testsysteme Schwächen auf, insbesondere bei
suboptimalen präanalytischen Bedingungen.
Falldarstellung: Wir präsentieren exemplarisch einen klinisch gesunden Patienten ohne plausible Expositionsanamnese, der sich aufgrund von wiederholt falsch-positiven
Quantifon®-Testen in einem Privatlabor bei unklaren Probenlagerungs- und –transportbedingungen zur weiteren Abklärung in unserem Haus vorstellte. Nach Optimierung der Präanalytik war kein positives Testergebnis mehr nachweisbar.
Schlussfolgerungen: Der Fall belegt eindrucksvoll, wie diagnostische Testsysteme unter Routinebedingungen trotz akzeptabler Sensitivitäts- und Spezifitätswerte bei Patientenkollektiven mit geringer Vortestwahrscheinlichkeit zur Generierung falsch-positiver Ergebnisse beitragen könne. Diese
sind häufig nur mit großem Aufwand auszuräumen. Auch die
in der Bundeswehr übliche Praxis, gesunde Soldaten bei geringem Expositionsrisiko im Auslandseinsatz routinemäßig
auf Tuberkulosekontakt zu untersuchen, führt zum häufigen
Auftreten falsch positiver Ergebnisse und sollte deshalb
überprüft werden.
Schlagwörter: Tuberkulose; Quantiferon; Vortestwahrscheinlichkeit; IGRA; Screening
Summary
Background: Interferon gamma release assays (IGRA) allow the detection of previous contacts with pathogens of the
Mycobacterium tuberculosis complex in immunologically
healthy patients with only few known cross reactions. However, these test systems show weaknesses as well, in particular, if pre-analytic conditions are sub-optimal.
Case report: We describe a clinically healthy patient without
known exposition to tuberculosis patients who was admitted
to our department for the further evalation of repeated positive Quantiferon® results which were measured in a commercial laboratory under uncertain pre-analytic conditions. No
positive test result was detectable any more after the pre-analytic conditions were optimized.
Conclusions: The case impressively demonstrates how diagnostic test systems may lead to falsely positive results under
routine conditions in spite of acceptable sensitivity and specificitiy, if they are applied to samples of patients with a very
low pre-test probability of positive results. The exclusion of
such falsely positive results is often rather consuming. The
mode of testing healthy soldiers with low risk of exposition
to tuberculosis during abroad deployments leads to a certain
amount of falsely positive results. Therefore, a reevaluation
of this routine used in the Bundeswehr Medical Service
should be discussed.
Key words: tuberculosis; Quantiferon; pre-test probability;
IGRA; screening
Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014
198
H. Frickmann: Kasuistik: „Minority report“ – Interferon-Sprünge und Interpretationsakrobatik
Tabelle 1: Zusammenschau der Vorbefunde des Patienten mit Verdacht auf stattgehabten Kontakt mit Mycobacterium tuberculosis
Zeit vor Vorstellung bei uns Untersuchung
Indikation
Ergebnis
11 Monate
vor Atalanta-Mission
negativ (0 mm Induration)
7 Jahre
Mendel-Mantoux-Test
2 Monate
Quantiferon®-Test
Mendel-Mantoux-Test
Übernahme zum Offizier negativ (0 mm Induration)
nach Atalanta-Mission
positiv
(ohne nähere Angaben)
Besonderheiten
Falsches Geburtsdatum erfasst,
Befundausgang 1 Tag nach
Probeneingang
2 Monate
(1 Woche nach erstem
Quantiferon®-Test)
Quantiferon®-Test
unklar, Verdacht auf Pro- negativ
benverwechslung?
(ohne nähere Angaben)
Befundausgang 3 Tage nach
Probeneingang
3 Wochen
Quantiferon®-Test
Befund lag nicht schriftlich vor
bis 3 Tage
Mendel-Mantoux-Test
Zustand vor geplantem
Auslandseinsatz
Falldarstellung
unklar, Vergleich mit Zu- negativ
stand vor Einsatz?
Ein Patient war vor und nach einem fünfmonatigen AtalantaEinsatz mit Mendel-Mantoux- (MMT)- und Quantiferon®Testen auf Tuberkulose untersucht worden.Vor dem Einsatz
war ein Mendel-Mantoux-Test (MMT, Intrakutantest) mit negativem Ergebnis erfolgt. Nach dem Einsatz, aus dem kein Expositionsereignis zur Begründung einer gezielten Testung berichtet werden konnte, wurde zunächst ein Quantiferon®-Test
durchgeführt, der ein positives Ergebnis zeigte. Dabei blieb
offen, warum der Quantiferon®-Test und nicht erneut ein
MMT-Test durchgeführt wurde. Ein weiterer Quantiferon®Test, der wenige Tage später, am ehesten aus einem Absicherungsbedürftnis heraus, abgenommen worden war, blieb dagegen negativ. Daraufhin wurde zunächst nichts weiter unternommen, auch ein radiologischer Tuberkuloseausschluss erfolgte nicht. Knapp zwei Monate später wurde vor geplantem
Auslandseinsatz aus formalen Gründen wieder getestet, erneut
mittels Quantiferon®-Test und diesmal wieder mit positivem
Ergebnis. Ein daraufhin eingeleiteter MMT-Test wurde, drei
Tage bevor sich der Patient an unserer Dienststelle vorstellte,
als negativ befundet. Eine Übersicht der Untersuchungen findet sich in Tabelle 1.
Aktuell fand sich an der Einstichstelle des letzten MendelMantoux-Tests nur noch eine blande Rötung ohne Induration.
Der Patient war subjektiv asymptomatisch; Husten, Nachtschweiß, Gewichtsverlust, Fieber und selbst eine Allgemeinsymptomatik wurden verneint. Kontakte zu auffällig hustenden Mitmenschen waren weder für die Zeit während noch
nach der Atalanta-Mission erinnerlich. Nach Geburt sei eine
BCG-(Bacillus Calmette Guerin)-Impfung erfolgt. Die körperliche Untersuchung war unauffällig, ebenso die Röntgenuntersuchung des Thorax.
Bei uns wurde erneut ein Quantiferon®-Test entnommen und
umgehend ins nahegelegene Universitätsklinikum Eppendorf
überstellt. Der Befund war negativ (Mitogenkontrolle: 22.39
IU/ml (Grenzwert: >0,5 IU/ml), TB-Ag-Nullkontrolle: 0.060
IU/ml (Grenzwert: 0,35 IU/ml)).
Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014
positiv
(ohne nähere Angaben)
Diskussion
Folgen einer Immunkonversion nach Kontakt mit
Mycobacterium tuberculosis für Soldaten
Eine nachgewiesene Immunkonversion, das heißt das Positivwerden eines zuvor negativen Interferon-Gamma Release Assays (IGRA, Funktionsdetails im Folgenden),liefert einen Hinweis auf eine stattgehabte Infektion mit Mycobacterium tuberculosis. Dies schließt falsch positive Resultate aus den im Folgenden geschilderten Gründen nicht aus. Wenngleich der Quantiferon®-Test neben Exposition gegenüber M. tuberculosisKomplex auch nach Kontakt mit den atypischen Mykobakterien
M. kansasii, M. marinum und M. szulgai positiv werden kann,
sind letztere Ereignisse die Ausnahme, so dass die Spezifität der
IGRA mit 98-100% [1] recht hoch ist.
Im Falle einer im Quantiferon®-Test nachgewiesenen Immunkonversion muss der Ausschluss einer aktiven Tuberkulose erfolgen. Dazu gehören die Röntgenuntersuchung des Thorax,
eine Lymphknotenstatuserhebung sowie der Ausschluss einer
sterilen Leukozyturie als möglichem Hinweis auf eine Urogenitaltuberkulose. Bei bekannter Risikoexposition oder klinischen
Hinweisen auf ein hohes Progressionsrisiko (inbesondere Immunsuppression) folgen die mikrobiologischen Untersuchungen von Sputum (3 Sputen an drei Tagen mittels Ziehl-NeelsenFärbung und Kultur, eventuell 1-2 Sputen mittels PCR aufgrund
des Zeitgewinns im Vergleich zur Kultur, bei jedoch eingeschränkter Sensivität [2]) und – im Falle einer sterilen Leukozyturie – auch von Urin (Kultur und ggf. PCR, Mikroskopie hier
eher im begründeten Ausnahmefall, da Nachweis nicht-tuberkulöser Mykobakterien – auch mehrfach – im Urin meist von geringer medizinischer Bedeutung ist bzw. auf Kolonisation oder
Kontamination beruht [2]).
Während eine aktive Tuberkulose eine spezifische Behandlung
nach sich zieht, geht auch die sogenannte latente Tuberkulose
grundsätzlich mit einem Verlust der Auslandsdienstverwendungsfähigkeit für in der Regel 3 Monate bis zum Vorliegen
endgültig negativer mikrobiologischer Befunde einher. Ferner
ist zwischen Zufallsbefunden eines positiveån Quantiferon®-
H. Frickmann: Kasuistik: „Minority report“ – Interferon-Sprünge und Interpretationsakrobatik
Tests und sogenannter Immunkonversion zu unterscheiden. Von
letzterer spricht man, wenn ein negativer Quantiferon®-Vorbefund vorlag, also von einem Expositionsereignis zwischen der
vorausgegangenen und der aktuellen Testung auszugehen ist.
Die Immunkonversion, also das Positivwerden des IGRA nach
vorausgegangener Exposition, ist mit einer Progressionswahrscheinlichkeit zur aktiven TBC assoziiert, die situationsabhängig variert, aber insgesamt gering ist. Vorbeschriebene Progressionsraten über 10 % [3] finden sich vor allem bei engen Kontaktpersonen, insbesondere wenn hohe Gamma-Interferon-Antworten 8 Wochen nach letztmöglicher Exposition zu einem Indexfall beobachtet werden [4]. Im Gegensatz dazu konnte in einer portugisischen Studie lediglich eine 1,3-prozentige Progressionsrate bei IGRA-positiven Angestellten im Gesundheitssystem festgestellt werden [5]. Als Risikokollektiv für eine Progression zur aktiven TBC gelten vorerkrankte Patienten, z. B.
mit Diabetes mellitus, Alkohol- oder Drogenabusus, erworbener
Immunschwäche, Dialysepatienten und Transplantierte. Entsprechende Prädispositionen sind bei Soldaten die Ausnahme.
Derzeit wird bei Angestellten im Gesundheitswesen eine präventive Therapie (in der Regel mit Isoniazid 300 mg/Tag über 9
Monate) für sinnvoll erachtet, wenn nach dokumentiertem engem Kontakt zu Tuberkulosepatienten ein positiv gewordener
IGRA auf eine frisch erworbene latente Tuberkulose hinweist
[4]. Als enger Kontakt definiert ist – neben z. B. ungeschützter
Hustenexposition bei sputumpositiven Patienten – eine kumulative Kontaktdauer von mindestens 8 Stunden zu einem mikroskopisch positiven und von mindestens 40 Stunden zu einem
mikroskopisch negativen und nur Kultur-/PCR-positiven Patienten [4, 6]. Entscheidet sich ein Soldat mit aktueller Immunkonversion nach Aufklärung für die Durchführung einer präventiven Therapie, ist dies bei der Prüfung der Auslandsdienstverwendungsfähigkeit zu berücksichtigen.
Funktionsweise der IGRA
Durch den Kontakt mit M. tuberculosis werden spezifische TLymphozyten induziert, die durch Stimulation mit mykobakteriellem Antigen zur Produktion und Ausschüttung von Interferon Gamma angeregt werden können. Das durch eine solche
Stimulation ausgeschüttete Interferon wird im IGRA gemessen,
sei es als globaler optischer Dichtewert im ELISA wie beim
Quantiferon®-Test oder als farbiger Punkt an korrespondierender
Position einer spezifisch induzierten T-Zelle wie beim ELISPOT®. Während beim ELISPOT® die Leukozyten quantifiziert
werden, wird beim Quantiferon®-Test durch die sogenannte Mitogen-Kontrolle, die Lymphozyten unspezifisch stimuliert, geprüft, ob die Probe überhaupt genügend Interferon-bildende
Lymphozyten enthält, was bei leukopenen Patienten unter Umständen nicht der Fall ist. Ein Quantiferon®-Test ist entsprechend
nur auswertbar, wenn der Interferon-Messwert in der MitogenKontrolle einen definierten Grenzwert überschreitet. Wiederholt
falsch positive Quantiferon®-Befunde sollten zur Prüfung der
Präanalytik sowie ggf. zum Chargenwechsel führen.
Fehlerquellen beim
Quantiferon®-Test
Probenverwechslungen sind häufige Ursachen unplausibler Befunde, wiederholte Verwechslungen sind jedoch ungewöhnlich.
Einmal in akkreditierten Diagnostikeinrichtungen angekommen, kann eine lege artis durchgeführte Weiterbearbeitung der
199
Tabelle 2: Fehleranfällige Präanalytik des Quantiferon®-Tests: Grundsätzlich wirken sich präanalytische Fehler auch auf die interne, sogenannte ‚Mitogen‘-Kontrolle des Testsystems aus. Da die spezifischen
Auswirkungen der Präanalytikeinflüsse auf die Immunfunktion der
Zellen im Einzelfall jedoch nicht vorhersehbar sind, kommt es nicht
obligat zu einer Störung der Mitogenkontrolle und damit einem nicht
auswertbaren (aber somit auch nicht falschen) Ergebnis.
Präanalytische Fehler bei Abnahme, Lagerung und Transport, die zu
fehlerhaften Quantiferon®-Testergebnissen führen können:
• Lagerung der Testpackungen unter Temperaturbedingungen jenseits der empfohlenen 4 - 25 °C
• unzureichende Befüllung der Röhrchen
• mangelnde Durchmischung von Blutprobe und Röhrcheninhalt
• Transportzeiten bis zum Beginn der Inkubation von >16 Stunden
• Lagerung befüllter Röhrchen im Kühl- oder Gefrierschrank
• relevante kumulative Abweichungen von der 16 - 24-stündigen Inkubationszeit der befüllten Probe bei 37 °C
Probe überlicherweise angnommen werden. Jedoch kann es bereits vorher zu systematischen präanalytischen Fehlern kommen, die zu falsch positiven Ergebnissen führen können, wie
der Testhersteller bereits in der Bedienungsanleitung einräumt
(Tabelle 2).
Vom Anwender nicht zu beeinflussen sind technische Probleme
bei der Herstellung bestimmter Testchargen, die als Ursachen
falsch positiver Quantiferon®-Befunde beschrieben wurden [7];
hier kann ein Chargenwechsel Abhilfe schaffen. Überlagerte
Chargen jenseits der vom Hersteller empfohlenen 15-Monatsgrenze sollten nicht mehr eingesetzt werden.
Immunologische Boostereffekte, wie man sie von MMT-Mehrfachtestungen kennt, die innerhalb von 1 bis 5 Wochen durchgeführt werden [8], sind bei Quantiferon®-Testungen dagegen
nicht zu erwarten, da letztgenannte Untersuchungen nicht invivo erfolgen. Andererseits können MMT-Testungen bestehende Sensibilisierungen boostern, sodass vermehrte InterferonGamma-Ausschüttungen im IGRA verstärkt messbar sind [9].
Solche Boostereffekte sind bei mehrfachen IGRA-Abnahmen
jedoch nach Literaturlage nicht zu erwarten [9]. Sollten wiederholte immunologische Untersuchungen im Einzelfall, z. B. bei
mehreren Expositionen, in kurzen Intervallen nötig sein, ist
nach arbeitsmedinizischen Empfehlungen dennoch grundsätzlich der IGRA zu bevorzugen [10]. Jedoch zeigt sich auch beim
IGRA, insbesondere bei schwach positiven Befunden, eine eingeschränkte Reproduzierbarkeit bei scheinbaren Spontanreversionen [11].
Folgerungen
Der mit unserer Testcharge und unter bewusster Optimierung
der Präanalytik durchgeführte negative Quantiferon®-Test legt,
in Übereinstimmung mit dem aktuellen negativen MMT-Test
und der leeren Expositionsanamnese, nahe, dass es bei dem Patienten zu zweimalig falsch-positiven Quantiferon®-Befunden
kam und eine latente TBC sehr wahrscheinlich nicht vorlag.
Eine präventive Chemotherapie sowie eine assoziierte EinWehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014
200
H. Frickmann: Kasuistik: „Minority report“ – Interferon-Sprünge und Interpretationsakrobatik
schränkung der Vewendungsfähigkeit bei bevorstehendem erneuten Auslandseinsatz wurden unsererseits für nicht erforderlich erachtet.
Neben der Optimierung der diagnostischen Präanalytik empfiehlt es sich, vor und nach Auslandseinsatz das gleiche Testsystem (Mendel-Mantoux oder Interferon-Gamma Release Assay
wie Quantiferon® und ELISPOT®) einzusetzen, um eine Konversion zuverlässig beurteilen zu können. Markterhältliche
IGRA-Systeme sind in vergleichenden Studien bei knapp einem
Zehntel latent tuberkuloseinfizierter Patienten falsch-negativ,
und zwar unabhängig voneinander bei unterschiedlichen Proben
[12]. Der MMT ist sogar noch weniger sensitiv [13]. Daher kann
nur der Einsatz des gleichen Testsystems eine zuverlässige Aussage hinsichtlich einer kürzlich stattgehabten Immunkonversion
liefern.
Innerhalb des Sanitätsdiensts ist das Komplettscreening von
Auslandskontingenten ausschließlich auf Basis des Intrakutantests angewiesen. Im Einzelnen könnte ein Intrakutantest-basiertes Screening idealerweise wie folgt ablaufen: Zunächst müsste
der Ausschluss der BCG-geimpften Subpopulation erfolgen sowie eine initiale Zweistufentestung, das heißt zwei Intrakutantests im Abstand von 2 Wochen zum Ausschluss eines Boostereffekts. Sind beide Tests negativ, könnte man nachfolgend jeweils
einsatzbezogen belastbar mittels des Intrakutantests screenen, allerdings nur solange, bis dieser einmal positiv ist. Danach ist das
Testverfahren für den Betroffenen für immer obsolet.
Häufig kommt der Quantiferon®-Test zur Bestätigung positiver
MMT-Teste im Sinne einer Stufendiagnostik zum Einsatz. Das
heißt, der MMT-Test wird als Screening- und der Quantiferon®Tests als Bestätigungsuntersuchung verwendet. Diese Praxis basiert letztlich auf früheren Empfehlungen (unter anderen [14],
Deutsches Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose
[15]). Der hier geschilderte Fall resultierte aus einer Abweichung von diesem Algorithmus. Hintergrund der Stufendiagnostik ist - bei hoher Spezifität des Quantiferon®-Tests - seine
Anfälligkeit gegenüber präanalytischen Einflüssen, wenngleich
die „standardisierte Durchführung, Ablesung und Dokumentation“ des MMT-Tests als „ein Problem auch in der Bundeswehr“
identifiziert wurde [3].
Vom Deutschen Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose [6] wird die oben geschilderte Stufendiagnostik für erwachsene Kontaktpersonen explizit nicht mehr empfohlen, vielmehr
wird dort der IGRA präferiert. Ferner wird sehr deutlich darauf
hingewiesen [4, 6], dass Testungen nur bei Kontaktpersonen
(oben beschriebene relevante Expositionen !) erfolgen sollten,
da der positive prädiktive Wert (PPW = Sensitivität x Prävalenz /
[Sensitivität x Prävalenz + (1-Spezifität) × (1-Prävalenz)]) der
Testergebnisse bei niederiger Prävalenz inakzeptabel niedrig
wird. Die bisher in der Bundeswehr übliche Praxis, gesunde
Soldaten bei geringem Expositionsrisiko im Auslandseinsatz
routinemäßig zu untersuchen, muss daher zu einem vermehrten
Auftreten falsch positiver Ergebnisse führen und sollte deshalb
einer Reevaluierung unterzogen werden. Der hier geschildete
Fall belegt dies exemplarisch. Eine Lösung des Problems könnte in einem evidenzbasierten und missionsangepassten gezielten
Screening nur bei tatsächlichen oder mutmaßlichen Risikokontakten bestehen, unterstützt durch fachliche Beratung bei Problemkonstellationen durch die MEDINTEL-Hotline.
Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014
Interessenkonflikt
Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der
Richtlinien des International Committee of Medical Journal
Editors besteht.
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Anschrift für die Verfasser:
Dr. med. Hagen Frickmann, Oberstabsarzt
Fachbereich Tropenmedizin am Bernhard-Nocht-Institut
Bundeswehrkrankenhaus Hamburg
Bernhard-Nocht-Straße 74, 20359 HAMBURG
E-Mail: Frickmann@bni-hamburg.de
Der Beitrag wird im Internet unter www.wehrmed.de publiziert.
201
T ECHNIKEN , V ERFAHREN
UND
M ETHODEN
Aus der Abteilung Neurochirurgie (Ärztlicher Direktor: Oberstarzt Prof. Dr. U. Kunz) am Bundeswehrkrankenhaus Ulm (Chefarzt: Generalarzt
Dr. A. Kalinowski)
Intraoperative Magnetresonanztomografie am
Bundeswehrkrankenhaus Ulm – erste Erfahrungen
Intra-operative magnetic resonance imaging at the Bundeswehr Hospital in
Ulm – first experiences
René Mathieu, Simon Mayer, Chris Schulz, Uwe Max Mauer und Ulrich Kunz
Zusammenfassung
Hintergrund: Die Notwendigkeit der stetigen Weiterentwicklung der intraoperativen Bildgebung führte zur intraoperativen Magnetresonanztomografie (ioMRT). Erfahrungen
mit der ioMRT der Wirbelsäule sind unseres Wissens bisher
noch nicht veröffentlicht.
Methoden: Im Zeitraum vom 26. Juni 2013 bis 28. Februar
2014 wurden bereits 100 Patienten im ioMRT untersucht.
Ergebnisse: Bei 60 Patienten wurde eine ioMRT des Kopfes
durchgeführt. Bei 19 Patienten wurde ein Scan der Lendenwirbelsäule in Bauchlage gefahren, bei zehn Patienten erfolgte an der HWS eine ioMRT und bei elf an der BWS. Bei
allen kranialen Eingriffen zeigte sich, dass eine intraoperative Bildgebung den Resektionsgrad und eloquente Areale suffizient darstellt. Im Bereich der Wirbelsäule wurde aufgrund
der bei der ioMRT erhobenen Befunde die Operation bei fünf
Patienten fortgeführt.
Schlussfolgerungen: Die in Ulm installierte Einrichtung ist
leistungsstark. Es lassen sich sehr gute ioMRT-Untersuchungen durchführen.
Schlagworte: intraoperative Bildgebung, intraoperatives
MRT
Summary
Background: The constant need for further developments in
intra-operative imaging led to intra-operative magnetic resonance imaging (ioMRI). To our knowledge “Lessons Learned” about intra-operative MRI of the spine have not been
published by now.
Methods: A total of 100 patients were examined using ioMRI from 26 June 2013 to 28 February 2014
Results: 60 patients underwent ioMRI head scans. 19 patients had scans of their lumbar spine, 11 of thoracic spine
and ten patients had ioMRI scans of the cervical spine. All
cranial scans showed thata sufficient imaging of the grade of
resection of the tumor is possible . As a result of the spine
scans in five patients the operations were continued.
Conclusions: The equipment used in Ulm is effective. It makes high-quality ioMRI examinations possible.
Keywords: intra-operative imaging, intra-operative MRI.
Einleitung
Der chirurgische Alltag ist ohne intraoperative Bildgebung nicht
mehr vorstellbar. Durchleuchtung und Computertomografie
(CT) sind die etablierten intraoperativen Verfahren [1], jedoch
in der Darstellung der Weichteile und insbesondere der Strukturen des ZNS nicht brauchbar [2]. Das Problem des sogenannten
„brain shift“, der Verschiebung des Gehirns innerhalb des Schädels nach Eröffnung, und der daraus resultierenden Abweichung
der Neuronavigation [3, 4], die neuroonkologische Notwendigkeit der kompletten Resektion maligner Tumoren sowie die
frühzeitige Identifizierung postoperativer Komplikationen führten zur Weiterentwicklung der intraoperativen Bildgebung
[5, 6, 7].
Die intraoperative Magnetresonanztomografie (ioMRT) ist daher der folgerichtige Fortschritt und stellt eine der wichtigsten
Entwicklungen der letzten Jahre in der Neurochirurgie dar [8].
Neben der intraoperativen Bildgebung ist für die bildgeführte
Chirurgie die Neuronavigation eine etablierte Methode, die erhebliche Verbesserungen in den operativen Maßnahmen erbrachte [9, 10]. Hierzu gehören:
• detaillierte präoperative Planung wie Zugang, Lagerung des
Patienten und Schonung eloquenter Areale,
• Fusionierung und 3D-Darstellung von Bildgebung (CT, MRT)
und funktionellen Daten (funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT), Diffusion Tensor Imaging (DTI) für Fiber Tracking, Elektrophysiologie, Angiographie, Positronen-Emissions-Tomografie (PET) und Single-Photon Emission Computed Tomography (SPECT)),
• präzisere Zugänge, Biopsien, Katheter-/Elektroden-Platzierung oder Schrauben-positionierung,
• intraoperative Darstellung und Fusionierung mit Bilddaten des
OP-Mikroskops,
• geführte intraoperative 3D-Darstellung.
Die Kombination von Neuronavigation und inraoperativer
MRT-Bildgebung zeigte daher den derzeit bestmöglichen Outcome für Gliom Patienten [11].
Seit 1995 wurden ioMRT-Systeme eingeführt. Diese waren
Low-Field-Systeme mit 0,5 T Feldstärke [12, 13]. Der Vorteil
dieser Systeme lag in der erhöhten Mobilität – diese Systeme
waren in der Weiterentwicklung fahrbar – und der geringeren
Größe des Magnetfeldes (durch die geringere Feldstärke). Da
innerhalb der 5-Gauß-Linie ferromagnetische Instrumente und
Geräte nicht benutzt werden können, ist eine geringere Größe
des Feldes von Bedeutung [14, 15].
Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014
202
R. Mathieu et al.: Intraoperative Magnetresonanztomografie am Bundeswehrkrankenhaus Ulm – erste Erfahrungen
Abb. 1: Ergebnisse der Untersuchungen in der intraoperativen MRT:
a) Intraoperatives sagittales T2 gewichtetes Bild des Patienten in Bauchlage; der rote Pfeil markiert die eröffnete Haut.
b) Intraoperatives axiales T2 gewichtetes Bild des Patienten in Bauchlage; der rote Pfeil markiert die eröffnete Haut, der blaue Pfeil die durchgeführte Dekompression.
Abb. 2: Prä- und intraoperative MRT:
a) Präoperatives sagittales T1 gewichtetes Bild der Patientin; der rote Pfeil markiert den Tumor. b) Intraoperatives sagittales T1 gewichtetes Bild
mit Kontrastmittel; der rote Pfeil markiert die vollständige Tumorresektion.
Der Nachteil liegt in der Bildqualität. Die Auflösung ist gegenüber 1,5 T (und höher) deutlich schlechter und nicht geeignet,
im Randbereich der Raumforderung eine ebenso ausreichende
Aussage über den Grad der Tumorresektion treffen zu können.
Diese Systeme zeigen zudem häufig nur einen Teil der dargestellten Körperregion durch ein kleines Field of View (FOV)
[16]. Weitergehende Bildverfahren wie Fiber Tracking und damit das Darstellen von Nervenbahnen im Gehirn durch DTI, die
Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014
Traktografie oder auch Spektroskopien sind ebenso nicht ausreichend möglich [17, 18, 19].
Die Nachteile der Niedrig-Feld-Systeme führten zur Etablierung von Hoch-Feld-Systemen mit meist 1,5 T Feldstärke [3].
Mit diesen Systemen konnte nochmals der Nachweis erbracht
werden, dass die intraoperative MRT zu einer Verlängerung der
Lebenszeit bei hirneigenen Tumoren [5], zu einer besseren Darstellbarkeit bei Aneurysma-Chirurgie [20] oder zu einem erhöh-
R. Mathieu et al.: Intraoperative Magnetresonanztomografie am Bundeswehrkrankenhaus Ulm – erste Erfahrungen
203
licht es die neue Modalität, alternative Zugangswege und Techniken zu initiieren und damit Komplikationen zu reduzieren [21].
Methoden
Etablierung der intraoperativen Magnetresonanztomografie
Abb. 3: Intraoperative axiale FLAIR-Sequenz nach Entfernung des
Tumors; der rote Pfeil markiert die eröffnete Haut.
ten Resektionsgrad von intrakraniellen Raumforderungen führte
[7].
Die Kombination der Neuronavigation mit der ioMRT ermöglicht eine aktualisierte bildgeführte Chirurgie und damit eine erhöhte Patientensicherheit, verlängerte Überlebenszeit und Reduktion von Komplikationen [3].
Unseres Wissens sind bisher noch keine Erfahrungen mit der intraoperativen MRT der Wirbelsäule veröffentlicht. Hier ermög-
Seit dem 24. Juni 2013 ist das intraoperative MRT am Bundeswehrkrankenhaus Ulm in den Operations-Betrieb aufgenommen. Es handelt sich hierbei um ein Ultra High Field-System
mit 3 T, Modell Skyra, der Firma Siemens. Integriert ist das System in einem Operationssaal mit einem Navigationssystem,
Modell VectorVision Sky, der Firma Brainlab. Die Raumsteuerung erfolgt über Touchscreens, Modell Buzz, der Firma Brainlab. Als OP-Mikroskop dient das Modell Pentero 900 (Firma
Carl Zeiss, Jena), das ebenfalls in das Navigationssystem integrierbar ist. Für den Patiententransport ist eine Lösung der Firmen Maquet und Siemens vorhanden, die es ermöglicht, den Patienten direkt vom Operationstisch über ein Shell-System auf
den Untersuchungstisch des MRT zu schieben, der sogenannte
Combi Dockable Table (Abb. 5). Ein Umlagern oder ein dritter
Transfertisch sind daher nicht notwendig.
Diese Kombination ist bisher weltweit nur am Universitätsspital
Zürich (seit Mai 2013) und am Bundeswehrkrankenhaus Ulm
installiert.
Für die Bilderfassung existieren Flexible Body Coils der Firma
Siemens in verschiedenen Größen und Spulenanzahlen und eine
kraniale Spule (8 Spulensystem) der Firma Noras. Das NorasSpulensystem wird kombiniert mit einer Matrix der Firma
Brainlab, um eine direkte Autoregistrierung der erhobenen Bilddaten mit dem Navigationssystem zu erhalten. Das Einlesen von
Fiducials (Markern mit kontrastreichem Inhalt, die auf die
Kopfhaut geklebt werden) oder ein Surface Matching (Abscannen an repräsentativen Stellen der Hautoberfläche mit Infrarot
oder einem Hauterkennungssensor) sind nicht mehr notwendig.
Die kraniale Spule ermöglicht zudem ein scharfes Fixieren des
Abb. 4: Typischer Aufbau
während einer Gehirntumor
Operation: Eingeschwenkt ist
das OP-Mikroskop; auf dem
Bildschirm links: Mikroskopbild mit eingeblendeten
Tumorgrenzen über die Neuronavigation; rechts im Bild:
Magnetresonanztomogramm
Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014
204
R. Mathieu et al.: Intraoperative Magnetresonanztomografie am Bundeswehrkrankenhaus Ulm – erste Erfahrungen
Kopfes, was bei intrakraniellen Eingriffen und für die Neuronavigation essenziell ist.
Patienten
Im Zeitraum vom 26.06.2013 bis 28.02.2014 wurden bereits
100 Patienten mittels ioMRT untersucht. Das Alter der Patienten
lag zwischen 16 und 80 Jahren (Mittelwert 48 und Median 53
Lebensjahre). 51 von 100 Patienten waren weiblich. Abhängig
von der Indikation wurden hierbei präoperative und intraoperative Scans gefahren (Tab. 1).
Bei achtzig Patienten wurde der Combi Dockable Table genutzt,
um einen direkten Transfer auf den Untersuchungstisch zu gestalten.
Ergebnisse
Abb. 5: Direkter Transfer des Patienten vom OP-Tisch auf den Untersuchungstisch des MRT
Tab. 1: Untersuchte Patienten in der intraoperativen Magnetresonanztomografie am Bundeswehrkrankenhaus Ulm
Untersuchte
Region
Kopf
Diagnose
Intrakranielle Raumforderung
Anzahl
Patienten
45
Hydrocephalus
1
Hypophysenadenom
Intracerebraler Abszess
HWS
BWS
Aneurysma
Spinalkanalstenose
Instabilität C1/2
Intraspinaler Tumor
Syringomyelie
Durale AV-Fistel
Arachnoidalzyste
LWS
Myelonherniation
Intraspinaler Tumor
Spinalkanalstenose
Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014
11
1
1
9
1
3
5
1
1
1
6
13
Bei 59 Patienten wurde eine Kopf-MRT durchgeführt und ein
präoperativer Scan gefahren, um die Neuronavigation mit den
jeweils aktuellen Bilddaten zu matchen und intraoperativ zu
nutzen. Bei einem Patienten führten wir keinen kranialen Scan
durch, da die Kopfspule einen geringen Bewegungsumfang zulässt. Eine ausreichende Inklination mit Hochlagerung des Kopfes war nicht möglich.
Bei 19 Patienten wurde ein Scan der Lendenwirbelsäule in
Bauchlage gefahren und ebenso der direkte Transfer genutzt.
Bei fünf Patienten zeigte sich aufgrund eines hohen BodyMass-Index lagerungsbedingt ein geringerer Abstand zur Röhrenoberfläche. Die Bildqualität war hierdurch reduziert. Bei
zehn Patienten erfolgte an der HWS eine ioMRT und bei elf an
der BWS.
Der Patiententransfer erwies sich in allen Fällen als sicher und
in achtzig Fällen war ein Scan ohne Umlagern des Patienten
möglich.
Bei allen kranialen Eingriffen zeigte sich, dass eine intraoperative Bildgebung den Resektionsgrad und die Schonung eloquenter Areale suffizient darstellt.
Im Bereich der Wirbelsäule wurde aufgrund der erhobenen Befunde aus der Bildgebung die Operation bei fünf Patienten fortgeführt.
Diskussion
Die untersuchten Patienten zeigen, dass durch das vorhandene
System intraoperative MRT-Untersuchungen im Bereich der
Wirbelsäule und des Kopfes machbar sind [21]. Insbesondere
im Bereich des Kopfes zeigen sich hier die bekannten Vorteile.
Ein intraoperativer Scan führt aufgrund des „Brain Shifts“ und
der Beurteilbarkeit des Resektionsrandes zu mehr Patientensicherheit und in der Gliom-Chirurgie zu einer längeren Überlebenszeit. Die Kombination der in den Saal integrierten Neuronavigation mit der intraoperativen Bildgebung und dem gleichzeitigen Einspiegeln in das OP-Mikroskop gewährleistet mehr
Übersicht und eine verbesserte bildgestützte navigationsgeführte Chirurgie. Wir sahen bei den ersten hundert Patienten ähnliche Vorteile, wie sie bereits in der Literatur beschrieben sind
[22, 23, 24, 25, 26].
Nachteile zeigen sich bei der Lagerung des Patienten. In einem
Fall war eine intraoperative Bildgebung des Kopfes lagerungsbedingt nicht möglich. Zur Lösung des Problems werden derzeit
von den Firmen Noras und Pro Med Instruments weitere Kopf-
R. Mathieu et al.: Intraoperative Magnetresonanztomografie am Bundeswehrkrankenhaus Ulm – erste Erfahrungen
spulen entwickelt. Es bleibt jedoch der Durchmesser von 70 cm
des ioMRT-Gerätes als wesentliche Einschränkung.
Bei Wirbelsäulenpatienten ist zumeist im Bereich der BWS und
LWS eine Bauchlagerung notwendig. Die MRT-Scans wurden
daher ebenfalls in Bauchlagerung durchgeführt, um ein weiteres
Umlagern des Patienten zu vermeiden. Korpulente Patienten
kommen allerdings sehr nah an der Röhrenoberfläche zu liegen,
sodass in Bauchlagerung durch atmungsabhängige Bewegungen die Bildqualität eingeschränkt sein kann.
Die spinal untersuchten Patienten zeigten, dass eine intraoperative MRT mit ausreichender Bildqualität möglich ist. Insbesondere bei älteren Patienten kann somit eine Revisions-OP aufgrund nicht ausreichender Dekompression beziehungsweise Tumorexstirpation vermieden werden. Eine Nutzbarkeit für weitere spinale Eingriffe muss in künftigen Untersuchungen nachgewiesen werden. Bisher wurden noch keine Erfahrungen mit der
intraoperativen MRT der Wirbelsäule veröffentlicht. Hier eröffnen sich neue Möglichkeiten bezüglich neuer Zugangswege und
Techniken sowie der Reduktion von Komplikationen, wie bereits in der kranialen intraoperativen MRT aufgezeigt [8].
Schlussfolgerungen
Insbesondere das Wirbelsäulentrauma, das aus wehrmedizinischer Sicht bedeutsam ist, bedarf weiterer Untersuchungen. Relevant für die intraoperative MRT sind beispielsweise Spätfolgen und Langzeitkomplikationen, aus denen weitere operative
Eingriffe resultieren. Die Anzahl der Revisionseingriffe kann
möglicherweise hierdurch reduziert und die Erfolgsaussichten
können deutlich erhöht werden.
Interessenkonflikt:
Bei allen Autoren besteht kein Interessenkonflikt.
Bildquelle:
Abteilung Neurochirurgie, Bundeswehrkrankenhaus Ulm
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Anschrift für die Verfasser:
Dr. med. René Mathieu, Oberstabsarzt
Abteilung XII Neurochirurgie, Bundeswehrkrankenhaus Ulm,
Oberer Eselsberg 40, 89081 Ulm
renemathieu@bundeswehr.org
Der Beitrag wird im Internet unter www.wehrmed.de publiziert.
Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014
206
I NTERNATIONALE B EITRÄGE
Aus der Inneren Abteilung1 und der Sektion Tropenmedizin am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin4 (Abteilungsleiter: Oberstarzt Dr. C.
Busch; Leiter Fachbereich Tropenmedizin: Oberfeldarzt Dr. H. Sudeck ) des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg (Chefarzt: Generalarzt Dr. J.
Hoitz), der Klinik für Innere Medizin2 (kommissarischer Ärztlicher Direktor: Flottillenarzt Dr. M. Vogelpohl) am Bundeswehrkrankenhaus Ulm
(Chefarzt: Generalarzt Dr. A. Kalinowski) und aus dem Department of Emergency Medicine, Carl R. Darnall Army Medical Center, Texas, United States of America3 Nathan Borden, MD, CPT (03).
Treatment of an US soldier developing hemorrhagic fever with renal
syndrome during the 34th KFOR Mission in Kosovo
Hämorrhagisches Fieber mit renalem Syndrom – Behandlung eines
amerikanischen Soldaten während des 34. KFOR-Einsatzes im Kosovo
Nicole Müller1, Enno Rother2, Nathan Borden3, Hinrich Sudeck4
Summary
Soldiers in foreign missions are at principle risk of acquiring
zoonotic diseases. We present a severe course of a Hantavirus
infection in an U.S. Army infantryman during his KFOR deployment. He presented with a febrile gastroenteritis with
signs of sepsis. Laboratory tests were remarkable for thrombocytopenia and coagulopathy. Differential diagnosis comprised
among others the Crimean-Congo hemorrhagic fever (CCHF),
which is endemic in Kosovo. MED-EVAC transportation to
Germany was not possible until the CCHF was ruled out. In
the course the patient developed oliguric renal failure, respiratory impairment and a posterior reversible encephalopathy
syndrome. After extensive intensive care treatment the soldier
recovered from his Hantavirus infection. This case illustrates
the importance of deployed providers understanding theatrespecific medical threats including local zoonotic disease.
Keywords: hemorrhagic fever with renal syndrome, Hantavirus infection, Dobrava, Kosovo
Zusammenfassung
Soldaten im Einsatz sind einem erhöhten Risiko zoonotischer
Erkrankungen ausgesetzt. Wir stellen einen schweren Verlauf
einer Hantavirusinfektion eines US-Soldaten während des
KFOR-Einsatzes vor. Der Patient zeigte eine schwere fieberhafte Diarrhoe als Intialsymptomatik mit Zeichen der Sepsis.
Laborchemisch fand sich eine ausgeprägte Thrombozytopenie und Koagulopathie. Unsere differentialdiagnostischen
Überlegungen umfassten auch das Crim-Congo-Hämorrhagische Fieber, welches endemisch im Kosovo ist. Erst nach
Ausschluss eines CCHF war eine MED-EVAC aus dem Einsatzland möglich. Im weiteren Verlauf entwickelte der Patient ein oligurisches Nierenversagen, eine respiratorische Insuffizienz und eine posteriore reversible Encephalopathie.
Nach umfangreicher intensivmedizinscher Therapie erholte
sich der Soldat ohne bleibende Folgeschäden.
Schlagworte: Hämorrhagisches Fieber mit renalem Syndrom, Hantavirus-Infektion, Dobrava, Kosovo
Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014
Clinical case
In May 2013 a 37-year old male soldier was transferred to our
role-3-hospital in Camp Prizren, Kosovo, complaining of epigastric discomfort, emesis and severe nonbloody diarrhea with
20 bowel movements/24 h. His review of symptoms was remarkable for mild headache fatigue and paresthesia in both hands.
Symptoms had started four days earlier after a physical fitness
test, including nausea and vomiting, followed by the development of fever up to 39 °C, headache and diarrhea. He presented
to the Camp Bondsteel Emergency Department (ED), Kosovo,
for evaluation and treatment. In the ED he received symptomatic treatment for dehydration and given his fever, headache, and
mild cognitive impairment meningitis was high on the differential. He received empiric Ceftriaxone and Vancomycin for meningitis. Laboratory evaluation of his cerebrospinal fluid was
within normal limits. Despite intravenous fluid resuscitation and
antibiotics the patient continued to deteriorate evidenced by his
worsening diarrhea and decreasing platelet count. The decision
was made to transfer the soldier to a higher level of care at
Camp Prizren, Kosovo, where more advanced diagnostic and
treatment modalities were available.
The patient, an active duty U.S. Army infantryman stationed at
a remote base in northern Kosovo, denied any past medical or
surgical history. He also denied ticks bites, eating on the local
Abb. 1: Gelbhalsmaus (Apodemus flavicollis)
N. Müller et al.: Treatment of an US soldier developing hemorrhagic fever with renal syndrome
economy and other soldiers in his unit having similar symptoms. Beside the Balkan there was no significant travel history.
Upon admission the patient appeared alert, diaphoretic and lethargic. His initial vital signs revealed a blood pressure of
110/70 mmHg, pulse 63/min, SpO2 on room air 92 %, temperature 38,7 °C, and respiratory rate 35/min. The skin and mucous
membranes were dry without petechiae, rash or edema. There
was no jaundice. His heart and lungs were clear to auscultation
without wheezing, rales or rhonchi. The abdominal exam was
remarkable for mild diffuse abdominal tenderness with increased, non-pitched bowel sounds, and no guarding, rebound or
flank pain. The neurological exam was unremarkable except for
lethargy. He had no nuchal rigidity. There was no joint swelling
or tenderness. The initial laboratory work (see table 1) was remarkable for severe thrombocytopenia (13.000/µl), a prolonged
aPTT (53 sec.) and an elevated LDH (433 U/l).
The abdominal ultrasound showed moderate splenomegaly
(16x5cm), prominent small bowel loops with normal peristalsis.
There was ascites and retroperitoneal free fluid. The CT scan revealed a moderate edema of the intestine, confirmed splenomegaly and showed massive intraperitoneal fluid collections. There were subtle pleural effusions bilaterally, but no pneumonia.
His respiratory status prompted an evaluation of his acid-base
status which revealed a combined disorder. There was a metaboTable 1: Clinival laboratory investigations (Laboratory Camp
Prizren), 13 MAY 2013
Paramter
RBC
Hb
Hkt
MCV
Blood analysis
Result
5.4/pl
MCHC
Neutrophils
Lymphocytes
ALT
GGT
Bilirubin
LDH
Urea
Erythroctes
Protein
Keton bodies
5.7/nl
4,4-11,3
Urobilinogen
16%
20-40%
pH
80%
13,000/µl
Serum analysis
Paramter
AST
Creatinine
28-33
48-75
150-400
Result
70 U/l
4+
2+
negative
Glucose
negative
Bilirubin
negative
negative
6
Peripheral blood smear
Standard
– Poicilocytosis
<37
– Anisocytosis
29 U/l
<41
– No fragmentocytes
– Absolute thrombo14 U/l
<55
cytopenia
–
Thrombanisocytosis
1,37 mg/dl
<1,2
– Makrothrombocytes
433 U/l
<248
– Granulocytes shifted
to juvenile forms with
toxic granulation
39 mg/dl
17-43
1,33 mg/dl
0,6-1,36
78%
1,13
>70
Lactate
CRP
1,47 mmol/l
1,95 md/dl
aPTT
53 sec
TPZ
INR
Urine analaysis
Parameter
Result
Leucocytes
2+
12-17
35-52
80-96
34 g/d
WBC
Platelets
16 g/dl
47%
88/fl
Standard
4,2-6,0
0,6-2,4
<0,5
18-40
207
lic acidosis likely due to bicarbonate loss from diarrhea and a
primary respiratory alkalosis, presumably from sepsis-induced
hyperventilation. An echocardiogram showed cardiac involvement with developing clinical signs of hypotension and sinus
bradycardia of 30bpm. The patient’s clinical, radiographic and
laboratory evaluations were consistent with severe sepsis likely
from fulminant gastroenteritis. He was therefore treated with
broad-spectrum antibiotics including Piperacillin/Tazobactam
and Ciprofloxacin accompanied by fluid replacement. Due to
the splenomegaly, elevated LDH and relatively low CRP level
we also considered a viral (co-) infection or a hematological
disease. Additional laboratory tests for a variety of respiratory
and gastroenterological pathogens (e.g. Salmonella spp., Shigella spp., Norovirus, Rotavirus, Adenovirus, Cl. diff.) were all negative. The peripheral blood smear showed thrombocytopenia,
some megathrombocytes, immature granulocytes and no fragmented red blood cells or atypical white blood cells, making a
hematological disease unlikely.
We also considered Crimean-Congo hemorrhagic fever
(CCHF), which is endemic in Kosovo, as a differential diagnosis. However, the patient’s lack of bleeding and hepatic involvement were inconsistent with CCHF at this stage. Nevertheless
we decided to establish strict hygienic protections for the staff
and ordered serological testing, which was not available at our
facility. The analysis was provided by the civilian University
Hospital Center in Prishtina, Republic of Kosovo. In addition to
CCHF we considered Hanta virus infection. The patient’s austere living conditions at remote military installations places him at
risk for exposure to Hanta virus vectors. Clinically, the patient’s
nephritic urine is concerning for possible Hanta infection. His
urea and creatinine levels were normal at admission, but went
into non-oliguric renal failure within the following days.
Despite our therapeutic measures the overall status of the patient further deteriorated. The lethargy did not improve and a
follow-up echocardiography showed worsening global left ventricular function consistent with septic cardiomyopathy. A CT
scan of the head was done to rule out intracerebral bleeding as a
cause of headache and lethargy. At that time the patient also reported visual disturbances which resolved spontaneously. Due
to limitations of our facility concerning transfusion of platelets
and hemofiltration we requested an urgent MED-EVAC transportation to Germany (Landstuhl Regional Medical Center LRMC) on the following day. Since patients with even the
slightest suspicion of hemorrhagic fever do not get entry permit
for countries of the European Union, medical evacuation had to
be delayed until the CCHF testing was completed.
The serological analysis showed a positive result for Dobrava
virus, a strain of Hantavirus (see table 2). Surprisingly, the first
testing for Crimean-Congo hemorrhagic fever also showed a delayed positivity after 39 cycles of PCR testing. Because of further clinical deterioration and this debatable result of CCHFPCR we initiated an antiviral treatment with ribavirin in standard dose of 16 mg/kg body weight every 6 hours, administered
under ICU conditions. However, confirmatory PCR and ELISA
on CCHF presented a negative result. Thus in excellent collaboration with the US Army we finally were able to MED-EVAC
our patient to Germany, Lanndstuhl Regional Medical Center
(LRMC).
At the LRMC the patient presented progressive non-oliguric renal failure with a peak creatinine of 4.8 mg/dl plus respiratory
Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014
208
N. Müller et al.: Treatment of an US soldier developing hemorrhagic fever with renal syndrome
Table 2: Microbiological investigations, 14 MAY 2013
A. Testing on Hanta virus, type Dobrava
Parameter
RT-PCR
Hantavirus-IgM-ab
Hantavirus-IgG-ab
Indirect immunofluorescence assay:
IgM-ab (< 1:100)
IgG-ab (< 1:100)
Immunoblot:
IgM-ab
IgG-ab
B. Testing on Hanta virus, type Puumala
Indirect immunofluorescence assay and Immunoblot:
IgM and IgG-ab
C. Testing on CCHF
RT-PCR (39 cycles)
Result
positive
positive
positive
1:400
1:100
positive
positive
negative
positive
RT-PCR (confirmation)
negative
IgG-Elisa
negative
IgM-Elisa
negative
Testing A and B: LtCol Kurig, Department of Microbiology, Central
Institute of Medical Services of the German Federal Armed Forces in
Koblenz
Testing C: Prof. Dr. N. Ramadani, National Institute of Public Health,
University Hospital Center, Prishtina, Republic of Kosovo
failure requiring intermittent bipap-ventilation. Platelets were
given to prevent bleeding and thereafter remained stable. Entering the polyuric phase of illness on day 4 after admission to the
LRMC the patient started to improve, when on day 6 unexpectedly presented two seizures, revealing changes on MRI
consistent with a posterior reversible encephalopathy syndrome
(PRES). On tight blood pressure control and anti-seizure medication the patient finally improved. Follow up MRI showed improvement, creatinine levels returned to baseline of 1,1 mg/dl
without necessity of hemofiltration. The patient has meanwhile
returned to his home country recovering from this atypical Hantavirus infection.
Discussion
Hantavirus Infections causing different forms of hemorrhagic
fever with renal syndrome (HFRS) can be associated with a relevant morbidity and mortality. Immediate evaluation and correct treatment are important to prevent a fatal clinical course. Infection is mainly acquired by inhalation of aerosolized virus or
contact with urine or feces of infected rodents. The rodent host
on the Balkans is the yellow-necked field mouse – Apodemus
flavicollis (picture 1). Even transmission from person to person
has been reported [1].
Throughout Europe and the Balkans prevalent strains of Hantavirus are Puumala (PUUV), Dobrava (DOBV), and Saaremaa
spp. (SAAV), which are known to cause hemorrhagic fever with
renal syndrome [2]. PUUV causes a generally mild form of the
disease, the so called nephropathia epidemica, whereas the subtype DOBV more often presents with hemorrhagic complications due to disseminated intravascular coagulopathy and thromWehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014
bocytopenia [1, 2]. The DOBV infection usually starts abruptly
with fever, headache and gastrointestinal symptoms [3] followed by renal failure, sometimes visual disturbances and thrombocytopenia. Although gastrointestinal symptoms are common,
extensive diarrhea like in our patient has not been described in
the literature. Pleural and abdominal effusions as well as cardiac
disorders are encountered frequently [3, 4, 5, 6]. Overall mortality rates range from 5 - 15 %. The clue to the diagnosis of Hantavirus in our case was thrombocytopenia and a nephritic urine
sediment plus a possible exposure to rodents, though renal failure was still missing by the time of admission. Relevant thrombocytopenia occurs in the majority of patients and thrombocyte levels below 50.000/µl develop in more than half of the cases, but
the extent of decrease in platelet count as in our case (lowest
platelet count 9.000/µl) has not been described so far [7]. Peripheral blood smear revealed immature granulocytes and macroplatelets which are supposed to be seen frequently in Hantavirus
infections [7]. Sepsis-like presentations of severe Hanta-Virus
are common [8].
Laboratory findings suggestive of the diagnosis Hantavirus infection include leucocytosis, a rapid decline in platelet count, an
elevated LDH and renal involvement, which includes proteinuria, hematuria and reduced glomerular filtration rate. Other possible abnormalities include an increase in serum levels of lactate
and an elevation of liver enzymes. The latter was missing in our
patient. In acute infection, viral RNA is detectable from serum
by PCR, later the diagnosis of Hantavirus infection is based on
serology. Even in the so called prodromal phase of the disease
IgM- and usually also IgG-antibodies are present. Besides positive testing on Hanta virus, we also got a positive result in
CCHF-PCR in the first place. Confirmation testing for CCHF
was done and consistent to our clinical impression turned out to
be negative. Possible laboratory contamination has to be discussed since the Laboratory in Prishtina had dealt with two other
confirmed cases of CCHF at the same time.
There is no specific antiviral therapy for hantavirus-infection.
Therefore treatment is mainly symptomatic. Although one prospective double-blinded study in patients with proven Hantavirus infection found that administration of intravenous ribavirin
led to a reduction in mortality, the efficacy of this drug is still
discussed [9, 10, 12]. Few cases have been reported with persistent chronic renal failure after infection with Dobrava virus. Steroids seem to be an option for these patients [11].
Conclusions
Rodent-borne infections like Hantavirus can present as a severe,
sepsis-like disease with hemorrhagic fever and a potentially lethal outcome. Soldiers are at particular risk for sporadic or endemic outbreaks. In Kosovo CCHF is an important differential diagnosis of hemorrhagic fever. Availability of rapid and highquality diagnostic testing for these diseases is essential to confirm or rule out a specific infection. Otherwise life-saving
MED-EVAC can be delayed with potential harm to the patient.
Bildquelle: Abb. 1: James Lindesy at Ecology of Commanster,
http://www.commanster.eu/commanster/Vertebrates/Mammals/
SpMammals/Apodemus.flavicollis.html (Accesed 21 Feb 2014)
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Anschriften für die Verfasser:
Oberfeldarzt Dr. Nicole Müller
Innere Abteilung, Bundeswehrkrankenhaus Hamburg
Lesserstrasse 180, 22049 Hamburg
Nathan Borden
MD, CPT (03), Department of Emergency Medicine
Carl R. Darnall Army Medical Center
36000 Darnall Loop Fort Hood
Texas, 76544, United States of America
This article will be published in the internet under
www.wehrmed.de.
W EHRMEDIZIN
Psychophysische Leistungsfähigkeit der Soldaten der Nationalen
Volksarmee der ehemaligen DDR – ein historischer Rückblick
Psycho-physical performance of soldiers of the National Peoples Army of the
former GDR – a historical review
Gerd Machalett
Zusammenfassung
Der psychophysischen Leistungsfähigkeit der Soldaten wurde in der ehemaligen Nationalen Volksarmee (NVA) große
Aufmerksamkeit gewidmet. Die Forschung zu diesem Themenkomplex führte der Lehrstuhl für Leistungsmedizin im
Institut für die Militärhygiene an der Militärmedizinischen
Sektion (MMS) der Ernst-Moritz-Arndt-Universität in
Greifswald in Zusammenarbeit mit den sportmedizinischen
Bereichen der Armeesportklubs und den Kliniken und Instituten der Militärmedizinischen Akademie (MMA) in Bad
Saarow durch.
Der vorliegende Beitrag gibt einen kurzen Überblick über
ausgewählte Aktivitäten und Ergebnisse dieser sportmedizinischen Forschungsarbeit, die für die Organisation der „Militärischen Körperertüchtigung“ genutzt wurden. Sie waren
auch im Rahmen der Blutspende von Soldaten von Interesse
und fanden Eingang in die Planungen zur körperlichen und
psychischen Entwicklung von Jugendlichen in der DDR.
Dem Schul- und Freizeitsport kam eine Schlüsselrolle zu, um
die physische Leistungsfähigkeit und -motivation künftiger
Soldaten herauszubilden und wurde als gesamtgesellschaftliche Aufgabe gesehen.
Schlagworte: Soldaten, NVA, Leistungsfähigkeit, psychophysische Sportmedizin.
Summary
Psycho-physical performance of soldiers was a main issue in
the National People´s Army of the former German Democratic Republic (GDR). Research in this field was performed under guidance of the Institute for Performance Medicine
which was a part of the Armed Forces Institute for Military
Hygiene at the Military Medical School of the Ernst-MoritzArndt University in Greifswald. The institute cooperated
with the Section for Sports Medicine of the military sports
clubs and the Academy for Military Medicine in Bad Saarow.
This article gives a short overview of selected research activities which were used to enhance physical fitness in military
personnel. The results were even of interest regarding blood
donation by soldiers and influenced the development of procedures to force up physical and psychological fitness in the
young generation of the GDR. Sporting activities at school
and during free time played a key role in the GDR in order to
enhance psycho-physical fitness of future soldiers.
Keywords: Soldiers, NPA, performance capacity, psychophysical, sports medicine.
Einführung
Die Leistungsfähigkeit jedes einzelnen Soldaten kann über Sieg
oder Niederlage auf dem Gefechtsfeld mit entscheiden. Deshalb
Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014
210
G. Machalett: Psychophysische Leistungsfähigkeit der Soldaten der Nationalen Volksarmee der ehemaligen DDR
hatte auch der Medizinische Dienst in der Nationalen Volksarmee (NVA) der ehemaligen DDR die Aufgabe, sich intensiv mit
dem Themenkomplex der psychophysischen Leistungsfähigkeit
auseinander zu setzen.
Wie bedeutsam dieser Aspekt für die Landesverteidigung erachtet wurde, belegen zahlreiche wissenschaftliche Veranstaltungen, die sich unter anderem mit folgenden Themen befassten [4]:
– Herausbildung, Erhaltung und Steigerung der Leistungsfähigkeit,
– Methoden der Objektivierung und Verbesserung der psychophysischen Leistung,
– Einfluss von Pharmaka auf die Leistung des Soldaten.
Dieses spiegelte sich auch im Auftrag des Medizinischen Dienstes der NVA wieder, indem im Rahmen der Gesundheitserziehung und Durchsetzung militärischer Bestimmungen die physische und psychische Leistungsfähigkeit der Soldaten erhalten
und entwickelt werden sollte [3, 5].
Daraus leitete sich die Notwendigkeit ab, wissenschaftlich fundierte leistungsmedizinische Untersuchungen durchzuführen
mit dem Ziel, optimale Methoden für die physische Ausbildung
der Soldaten, die Qualifizierung der Ausbilder und die Evaluation der Ergebnisse zu entwickeln.
Diese Aufgabe wurde durch den Lehrstuhl für medizinische
Leistungsmedizin (Leiter: Oberst Prof. Dr. Wolfgang Quies) des
Institutes für Militärhygiene an der Militärmedizinischen Sektion (MMS) der Ernst-Moritz-Arndt Universität (EMAU) in
Greifswald sowie den Kliniken und Instituten der Militärmedizinischen Akademie (MMA) in Bad Saarow, wo Teilbereiche
der Leistungsuntersuchungen erfolgten, wahrgenommen.
Leistungsmedizinische Forschungsergebnisse wurden unmittelbar in die Truppenpraxis zur „militärischen Körperertüchtigung“
(MKE) überführt.
Als Beispiele seien genannt:
• Anleitung für die physische Ausbildung in den Landstreitkräften,
• Dienstvorschrift 010/0/002 (regelte den „Härtekomplex“ der
MKE),
• Tauglichkeits- und Eignungsrichtlinien in der NVA.
Hinzu kamen die Festlegungen zur MKE der politischen Verwaltung, der unter anderem auch die Sportoffiziere der Einheiten unterstellt waren.
Begriff der Leistungsfähigkeit in der NVA
Da die Leistung des Menschen sowohl von anatomischen, physiologischen und biochemischen als auch von psychischen Faktoren abhängt, schlugen Trzopek und Werner [15] als Arbeitshypothese die folgende Definition für den Begriff psychophysische Leistungsfähigkeit vor:
„Die psychophysische Leistungsfähigkeit ist eine komplexe
biologische Größe, die die Fähigkeit des Menschen zum aktiven
bewussten Vollbringen einer bestimmten Leistung unter genau
definierten Bedingungen ausdrückt.“
Die psychischen und physischen Komponenten beeinflussen
sich gegenseitig [4, 15]. Die Leistungsfähigkeit ist damit unter
anderem abhängig von
• inneren und äußeren Faktoren wie Ererbung, Erziehung und
Bildung,
• dem Grad der Anpassung des Organismus an die Leistungsanforderungen und
• der Antriebsstruktur, also Motivation zum Leistungserbringen.
Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014
Die psychische Leistungsfähigkeit
Diesem Teilbereich der Leistungsfähigkeit wurde in der NVA
ein hoher Stellenwert beigemessen, da man die herausragende
Bedeutung des Intellektes und der Emotionen für das Leistungsvermögen des Menschen nicht zuletzt aus dem Leistungssport
der ehemaligen DDR und der Leistungsmobilisierung unter
Ausnahmebedingungen ableiten konnte. Es galt der Spruch:
“Der Wille kann bekanntlich Berge versetzen!“
Bei der Entwicklung der psychischen Leistungsfähigkeit waren
folgende Komponenten zu beachten:
– der intellektuelle Leistungsbereich (Konzentrationsvermögen,
geistige Beweglichkeit, Aufmerksamkeit),
– die emotionale und affektive Verarbeitung,
– angeborene Reaktionsweisen (Charakter und Temperament),
– erworbene, anerzogene Verhaltensweisen (emotionale Seite
der Persönlichkeitsstruktur)
Innerer Faktoren des psychischen Leistungsvermögens sind
charakterisiert durch Empfindungen, Wahrnehmungen, Emotionen und Gefühle. So leiten sich bekanntlich daraus das Denken,
die Willensbildung und die Handlungen ab.
Da die geistigen Prozesse erlern- und trainierbar sind, wurde der
Anerziehung stabiler Motivationen eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Leistungshemmenden Faktoren bei gestörter
Verarbeitung von Emotionen und Wahrnehmungen sowie unzureichenden Kenntnissen sollte entgegen gewirkt werden.
Die Erfassbarkeit psychischer Komponenten wurde als problematisch angesehen und stellte die politischen Verantwortlichen
in der Regel vor komplizierte Situationen. Oft erwiesen sich die
Überzeugungen in Bewährungssituationen als wenig stabil.
Auch hier galt: „Weiß doch der Volksmund, dass es schwer ist,
in das Herz eines Menschen zu schauen.“
Die physische Leistungsfähigkeit
Darunter verstand man in der NVA eine komplexe biologische
Größe, die aus den Komponenten Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit und koordinativen Fähigkeiten besteht [15].
Trotz der hohen Streuung biologischer Werte lassen sich diese
leichter erfassen und interpretieren als die besprochenen psychischen Faktoren. Durch entsprechende ergometrische, spirometrische, biochemische und blutgasanalytische Verfahren
konnten Parameter des kardiovaskulären und pulmonalen Systems hinreichend charakterisiert werden.
Die physische Leistung beruht auf einer allgemeinen körperlichen und einer speziellen Leistungsfähigkeit, die als Tauglichkeit bezeichnet wurde. Die allgemeine körperliche Leistungsfähigkeit wird durch biologische Faktoren, Konditionierung und
Widerstandsfähigkeit bestimmt [15].
Die spezielle Leistungsfähigkeit bestimmt die Eignung des einzelnen Soldaten zum Verrichten bestimmter militärischer Tätigkeiten. Beide beeinflussen den Grad der Tauglichkeit.
Aus Beobachtungen und gezielten Untersuchungen wurden als
wesentliche Schlussfolgerungen abgeleitet [3, 4]:
– Den größten Leistungszuwachs erfährt eine männliche Person
zwischen dem 12. und 14. Lebensjahr.
– Die körperliche Höchstleistung wird ab dem 17. bis 19. Lebensjahr erreicht.
– Im 19. Lebensjahr sind die Ausdauerleistungen am höchsten
entwickelt.
– Nach dem 20. bis 21.Lebensjahr tritt bezüglich der Höchstleistung ein Leistungsabfall ein, so dass vom 22. bis 34. Le-
G. Machalett: Psychophysische Leistungsfähigkeit der Soldaten der Nationalen Volksarmee der ehemaligen DDR
Abb.1: Spiroergometrischer Messplatz
bensjahr die Ausdauerleistungen denjenigen von 17- bis 19jährigen Männern entsprechen dürften.
– Der weitere kontinuierliche Abfall der Höchst- und Ausdauerleistungen kann durch Training lediglich verzögert werden.
– Nur Erfahrung und Routine tragen dazu bei, dass ältere Personen über einen gewissen Zeitraum noch über ein ausreichendes Niveau der Leistungsfähigkeit verfügen.
Daraus resultierte, dass selbst mit intensivstem Training unter
Beachtung von Alter, Geschlecht, Konstitution und Kondition
nur eine maximal 10 - 15 %-ige Steigerung der Leistungsfähigkeit im Verlaufe des 18-monatigen Wehrdienstes erreichbar war.
Daher musste schon spätestens ab dem 12. Lebensjahr eine systematische Körpererziehung beginnen, um die geforderte körperliche Leistungsfähigkeit bei künftigen Wehrpflichtigen zu erhalten. Folglich wurde dem Schul- und Freizeitsport in der
DDR dieses als eine ganz wesentliche Aufgabe übertragen [6].
Für das spätere Leistungsniveau im Wehrdienst wurden deshalb
schon in Schulen, Berufs- und Fachschulen, im Betriebs- und
Freizeitsport sowie nicht zuletzt durch die vormilitärische Ausbildung in der Gesellschaft für Sport- und Technik wichtige
Weichen gestellt.
Durch eine Reihe von Studien konnten diese Hypothesen auch
wissenschaftlich unterlegt werden.
So untersuchte Quies 1979 an über 500 wehrpflichtigen Probanden (Motorisierte Schützen, Artilleristen und Offizierschüler) die
physische und psychische Leistungsfähigkeit durch Normenüberprüfung im Härtetest und bei militärtypischen Tätigkeiten wie
Märschen, Würfen, Hindernisläufen, Sprüngen etc. [12].
Die anthropometrischen Messwerte wurden durch spiroergometrische Leistungsprüfungen ergänzt. Die dabei beobachtete, relativ große Streuung der Werte wurde auf die individuellen körperlichen Unterschiede der Probanden und auf Unterschiede in der
Vorbereitung auf die Testung und vor allem in der Leistungsmotivation zurückgeführt.
Das Niveau der körperlichen Leistungsfähigkeit bei den untersuchten Wehrpflichtigen von drei Diensthalbjahren wies keine
nennenswerten Differenzen zu den bei untrainierten Normalpersonen erhaltenen Ergebnissen auf [5].
20 % der Wehrpflichtigen zeigten bereits bei Antritt des Wehrdienstes bei der spiroergometrischen Testung eine ungenügende
Leistungsfähigkeit. Aus diesem Personenkreis erfüllten dann
211
50 % die gestellten Normen bei der praktischen Überprüfung
nicht.
Bei den Nichterfüllern im 1. Diensthalbjahr stimmten die spiroergometrischen Testergebnisse mit den mangelnden Leistungen im
Härtekomplex weitgehend überein. Im 2. und 3. Diensthalbjahr
wurde spiroergometrisch eine bessere objektive Leistung registriert als im Härtekomplex, der dem subjektiven Leistungsbereich
zugeordnet werden muss. Hier lag der Schluss nahe, dass die
MKE durchaus die Leistungsfähigkeit steigern kann, die Motivation jedoch einen entscheidenden Faktor darstellte [13].
Das konnte durch sportsoziologische Befragungen von Jodl [9]
als Tendenz zum Zurückhalten von Leistungspotenzialen im
Verlaufe des Wehrdienstes geklärt werden. Dieses bewusste Zurückhalten körperlicher Leistungspotenziale im Training und in
der Normenüberprüfung kann nach Quies [12] einen bedenklichen Circulus vitiosus einleiten. Letzterer kann durch Ausbleiben trainingswirksamer Reize, die bei 60 bis 70 % der maximalen Belastbarkeit liegen sollten [6], zum Stagnieren des Niveaus
der körperlichen Leistungsfähigkeit führen.
Als günstig erwies sich daher eine effektive prozentuale Zeitaufteilung der MKE- Aktivitäten, um folgende Eigenschaften
herauszubilden:
• 40 % Ausdauer,
• 30 % Kraft,
• 15 % Beweglichkeit,
• 10 % Gewandtheit,
• 5 % Schnelligkeit.
Ein Intervalltraining zu Beginn des Wehrdienstes versprach den
größten leistungsfördernden Effekt. Zusätzlich konnte auch
festgestellt werden, dass das Leistungsniveau der Wehrpflichtigenjahrgänge in den 60-iger Jahren, das heißt nach der Einführung der Wehrpflicht 1962, deutlich höher lag als bei den Jahrgängen zehn Jahre später. Neu einberufene Wehrpflichtige waren hier im Durchschnitt mangelhaft auf den Wehrdienst vorbereitet, wobei allerdings das Niveau von der beruflichen Ausrichtung und der Freizeitsportaktivität abhängig war.
Das größte Defizit bestand bei den Ausdauerdisziplinen. Diese
Erkenntnis war für die Verantwortlichen im damaligen Ministerium für Nationale Verteidigung offenbar so unangenehm, dass
die Arbeit von Quies als „Vertrauliche Verschlusssache“ [12]
eingestuft und so der Kenntnisnahme durch einen größeren Expertenkreis entzogen wurde.
Von aktuellem Interesse dürften auch die Untersuchungen zur
physischen und psychischen Leistungsfähigkeit von Probanden
nach einer Blutspende sein. Im Transfusionsdienst der NVA
Abb. 2: Dienstsport in der NVA.
Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014
212
G. Machalett: Psychophysische Leistungsfähigkeit der Soldaten der Nationalen Volksarmee der ehemaligen DDR
spielten nämlich die Fragen der Einsatz- und Arbeitsfähigkeit
von Blutspendern deswegen eine wichtige Rolle, weil entsprechend der Versorgungsstrategie der NVA der dezentralen Blutabnahme in einem etwaigen Verteidigungsfall ein hoher Stellenwert zugesprochen worden war.
Anthropometrische Messverfahren und auch ergometrische Untersuchungen erbrachten keine aussagefähigen Ergebnisse, da
die Auslenkung der Messparameter bei einer Spendenmenge
von 1/12 – 1/13 des Gesamtvolumens so gering ausfiel, dass
keine Aussage zur Beeinflussung der Ausdauerleistungsfähigkeit zulässig war [9].
Aus diesem Grunde nutzten Jokisch und Reeck [9] die LaktatLeistungskurve, im Sinne eines „Verstärkereffektes“, zur Quantifizierung der Ausdauerleistungen nach einer Blutspende als
Testmodell. Da die Plasmalaktatkonzentration von der physischen Belastung abhängt [14] und somit ein Spiegel der metabolischen Vorgänge im Muskel darstellt [10, 11], waren brauchbare Aussagen zu erwarten [1, 2].
Bei fast allen Probanden fand sich dann auch, allerdings unter
Berücksichtigung der individuell bedingten unterschiedlichen
biochemischen Ausgangslage, bei steigender Belastung eine
Linksverschiebung der Laktatleistungskurve. Dies ist als Zeichen der Zunahme des laktaziden Mechanismus der Energiegewinnung und somit als ein Abfall der Ausdauerleistungsfähigkeit nach einer Blutspende zu werten.
Im Vergleich der Laktatwerte auf den einzelnen Belastungsstufen konnten Unterschiede bis zu einem mmol/l und vereinzelt
darüber hinaus gemessen werden, was eine deutliche Erniedrigung der Ausdauerleistungsfähigkeit signalisierte [8].
Etwas irritierend waren die Ergebnisse von Kontrolluntersuchungen mit anthropometrischen Methoden (Messung der Zeitdauer eines Sturmbahnlaufes) 45 Minuten nach einer Blutspende (400 ml) und der oralen Gabe von einem Liter Flüssigkeit:
bei 80 % der Probanden verbesserte sich die Laufleistung um 8
bis 15 %. Dieser Effekt könnte darauf beruhen, dass sich durch
die Hämodilution die Fließeigenschaften des Blutes verbesserten oder die Motivation zur Leistungserbringung in einer besonderen Testgruppe erhöht war. Letzteres könnte die Rolle des
moralischen Faktors unterstreichen.
Bei speziellen Untersuchungen der psychischen Leistungsfähigkeit fand Roost [14] bei Verwendung von Aufmerksamkeitsund Konzentrationstesten keinerlei Veränderungen durch die
Blutspende.
Schlussfolgerungen
Trotz unterschiedlicher gesellschaftspolitischer und ökonomischer Ausgangsbedingungen lassen sich aus den Erfahrungen
des Medizinischen Dienstes der ehemaligen NVA (als Wehrpflichtarmee) auf dem Gebiet der Leistungsmedizin auf die Gegenwart übertragen:
Unverändert gültig bleibt wohl das alte deutsche Sprichwort:
“Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.“
Der Gesellschaft mit ihren erzieherisch wirkenden Organisationen wie Schule, Freizeitsportvereinen und vor allem auch den
Medien kommt eine wesentliche Schlüsselrolle zu, wenn es um
die physische und psychische Leistungsfähigkeit der heranwachsenden Generationen geht.
Auf körperliche und psychische Höchstleistungen bereitet man
sich nicht allein durch virtuelle Erlebnisse und Taten am Computer vor, denn was sagte der griechische Dichter Hesiod schon
Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014
700 Jahre vor Christus: „Schweiß fordern die Götter uns ab, bevor wir Erfolg haben.“
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Bildquelle:
Abb. 1: Winfried Papenfuß (Autorenkollektiv): “Luftfahrtmedizin” mit
einer Einführung in die Raumfahrtmedizin. Brandenburgisches Verlagshaus, Berlin 1990, 400 S.; 156 Ill.
Abb. 2: Siegfried Walther und Horst Zühlsdorf: “Auf Ketten und Rädern”. Militärverlag der DDR (VEB) Berlin 1988, 134.
Anschrift des Verfassers:
MR Doz. Dr. sc. med. Gerd Machalett, Oberstarzt a. D.
Am See 15
17089 Siedenbollentin
E-Mail: gerdmachalett@gmx.de
Der Beitrag wird unter www.wehrmed.de im Internet veröffentlicht.
213
A US
DER
NATO
NATO Science & Technology Organization –
Human Factors and Medicine
Im Folgenden wird über drei herausragende
wissenschaftliche Veranstaltungen der NATO
Science & Technology Organization (STO)
berichtet, die aus einem internationalen Expertennetzwerk auch wichtige Informationen
für die fachliche Weiterentwicklung im Sanitätsdienst zur Verfügung
stellen.
Ein umfassender Überblick über alle Veranstaltungen und Publikationen der STO findet sich
unter www.cso.nato.int.
HFM-243 Workshop „Regenerative Medizin“,
19. – 21. Mai 2014, Berlin
Fast 50 Experten aus Klinik und Forschung aus 15 Nationen
kamen in der Zeit vom 19. – 21. Mai in der Julius-Leber-Kaserne zusammen, um die Grundlagen für die zukünftige internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der „Regenerativen Medizin“ zu schaffen. Oberstarzt Professor Dr. Willy, der mit Unterstützung seines Teams aus der Abteilung Unfallchirurgie/Orthopädie/septische und dekonstruktive Chirurgie des Bundeswehrkrankenhauses Berlin dieses Expertentreffen in hervorragender
Weise organisiert hatte, hatte in seiner Eigenschaft als Chairman
des Workshops HFM-243 der NATO Science and Technology
Organization (STO) eingeladen. In enger Abstimmung mit dem
Co-Chairman Colonel Scherer, dem Forschungsleiter auf dem
Gebiet der Regenerativen Medizin beim US Army Medical Research and Material Command in Fort Detrick, USA, hatte er
ein höchst anspruchsvolles wissenschaftliches Programm erarbeitet, welches ausreichend Platz für Diskussion und Entwicklung von Zukunftsvisionen bot.
Abb. 2: Lebhafte Diskussion auf höchstem fachlichen Niveau (im
Vordergrund Prof. Dr. Soria, Leiter des Andalusian Center for Molecular Biology and Regenerative Medicine und ehemaliger spanischer
Gesundheitsminister)
Bildquelle: BwKrhs Berlin
Schwerpunkte der Veranstaltung bildeten die wehrmedizinisch
besonders bedeutenden Bereiche des Wiederaufbaus (Regeneration) von schweren, teilweise auch infizierten Knochen- und
Muskeldefekten, zentralen und peripheren Nervenschädigungen, Weichteilverletzungen, Hautschädigungen (v.a. Verbrennungen) und Wundinfektionen. Dabei reichte das Spektrum der
vorgestellten Verfahren und Techniken von den verschiedenen
Möglichkeiten des Einsatzes von Stammzellen über die Anwendung von Biomodulatoren, den Einfluss von Nahrungsergänzungsmitteln, 3-D-Bioprinting von Körpergewebe bis zum Einsatz von Bakteriophagen zur Behandlung von schweren Wundinfektionen. Breiten Raum nahm die Diskussion der Frage ein,
wie man zukünftig den Eingang neuer Technologien in die Therapie beschleunigen kann, und wie die „Verständigung“ zwi-
Abb. 1: Logo der European Society of
Tissue Regeneration in Orthopedics
and Traumatology (ESTROT)
Bildquelle: ESTROT
Welch‘ hohes Interesse die zivilen Wissenschaftler einer Zusammenarbeit mit dem militärischen Bereich entgegenbringen,
lässt sich u.a. an der Mitwirkung der European Society of Tissue
Regeneration in Orthopedics and Traumatology (ESTROT) ablesen, die mit ihrem Präsidenten (Prof. Calori, ITA), Vizepräsidenten (Prof. Schmidmaier, DEU) und Schatzmeister (Prof. Bégué, FRA) vertreten war. Die Bedeutung der „Regenerativen
Medizin“ für die Weiterentwicklung des Sanitätsdienstes der
Bundeswehr unterstrich der Direktor „Wissenschaft“ der Sanitätsakademie der Bundeswehr, Generalarzt Dr. Weller, bei seiner Begrüßung. Er ließ es sich auch nicht nehmen, an einem
großen Teil des Wirkshops teilzunehmen.
Abb. 3: Interessiertes Verfolgen der Vorträge (im Vordergrund
Oberstarzt Prof. Dr. Willy und Generalarzt Dr. Weller)
Bildquelle: BwKrhsBerlin
Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014
214
Aus der NATO
schen Laborforschung, Klinik und Herstellung (Industrie) verbessert werden kann und muss.
Die Teilnehmer waren sich darüber einig, dass der in Berlin begonnene Dialog und die hier bereits etablierten Netzwerkbeziehungen fortgesetzt und in eine konkrete europäische wie auch
transatlantische Zusammenarbeit umgesetzt werden müssen.
Konkret wurde die Einrichtung einer NATO STO-ResearchTask-Group empfohlen, in der Kliniker, Forscher und Hersteller
gemeinsam den optimalen Weg zur Entwicklung und Einführung von Technologie aus der „Regenerativen Medizin“ in die
Behandlung von Verwundeten finden und aufzeigen. Auf einem
für Herbst 2016 in Brüssel (BEL) geplanten Symposium mit
dem Thema „Optimizing Treatment of Severe Injuries by Use of
Regenerative Medicine Technologies“ soll der aktuelle Forschungsstand einem breiten internationalen Expertenkreis vorgestellt werden.
Ein Bericht über den Workshop steht in Kürze auf der Webseite
der STO (www.cso.nato.int) zur Verfügung. Für 2015 ist ein
WMM- Schwerpunktheft „Regenerative Medizin“ geplant.
Oberstarzt a. D. Dr. Peter Mees
E-Mail: wmm@p-mees.de
HFM-249 Symposium „Emerging Technological Advances
in Tactical Casualty Care“ - Call for Papers
20. – 22. April 2015, Warschau (POL)
Vor kurzem wurde der Call for Papers für das Symposium
HFM-249 veröffentlicht. Er wird im Folgenden auszugsweise
wiedergegeben (der vollständige Text kann unter
www.cso.nato.int -> Upcoming Events -> Calls for papers heruntergeladen werden). Das Symposium bietet damit nicht nur
die Möglichkeit des Informationsgewinns, sondern auch die
Chance zur Präsentation eigener wissenschaftlicher Ergebnisse
vor einem breiten internationalen Expertenkreis.
Call for Papers
The HFM 249 Symposium will bring together international experts in the development and fielding of advanced medical technologies, with emphasis on improving care at the point of injury
and during medical evacuation. The goal is to develop a greater
understanding of soon-to-be fielded technologies, and to determine how they can best be applied within the multinational
NATO environment.
The main themes of this symposium to be considered will include:
• Discussions of NATO medical shortfalls which might be remedied by the use of advanced medical technologies.
• A review of current and new developments in advanced medical technologies which may in the short term be applicable to
NATO multinational medical operations.
• Advances in medical technologies which may not be beyond
the early research stages but which might in the future have
applicability to NATO multinational medical operations.
• A review of advanced non-medical technologies which may be
applicable to such operations.
• Limitations and shortfalls of such technologies.
The symposium will address the full scope of potential advanced medical technologies and approaches and assess the current
state-of-the art, including the following topic areas:
Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014
• New point-of-injury care devices, drugs, diagnostics and techniques
• Acute care devices, drugs and techniques for preventing death
from combat wounds
• Use of Virtual Reality for training, patient diagnosis and treatment
• Closed loop and open loop patient management systems
• Patient evacuation, with and without manned vehicles
• Vital Signs Monitoring
• Automatic patient recovery
• Triage tools and techniques
• Medical Information Systems (patient tracking, patient regulating, and medical situational awareness)
• Epidemiologic and outcomes research studies to guide future
R&D investment.
Examples of technology enablers within the scope of this symposium also include hemorrhage control, resuscitation technology, pain management, telemedicine, modular intensive care
units, technology for detection, diagnosis and early treatment of
concussion as well as portable imaging systems (e.g. radiography, ultrasound etc.).
Abstracts of papers to be presented should be sent to the
Programme Committee Chair, Dr. David BEAR at
david.g.baer.civ@mail.mil, and to the CSO/HFM Panel Office
(danielle.pelat@cso.nato.int and marie.linet@cso.nato.int) not
later than 19 September 2014.
For more details and instructions please visit the STO/CSO
website www.cso.nato.int and look under Upcoming Events->
Calls for Papers.
Oberstarzt a. D. Dr. Peter Mees
E-Mail: wmm@p-mees.de
TR-HFM-187 „Management of Heat and Cold Stress –
Guidance to NATO Medical Personnel“
Durch die Auslandseinsätze außerhalb der vertrauten mitteleuropäischen Breiten gewinnt der Umweltfaktor Klima an Bedeutung. In Verbindung mit hohen körperlichen Leistungsabforderungen in der Hitze oder langen Immobilitätsphasen in der Kälte
gefährdet die Klimawirkung die Gesundheit und beeinträchtigt
die Leistungsfähigkeit. Der Anstieg der stationären Aufnahmen
von Soldaten der U.S. Army mit Hitzschlägen um fast das Achtfache in den letzten 22 Jahren oder die hohe Inzidenz von Kälteerkrankungen der Hände und Füße (non-freezing cold injuries)
in den britischen Streitkräften demonstrieren bespielhaft die Bedrohung durch extreme Klimaexpositionen. Diese Problematik
vergrößert sich noch durch die schnelle Luftverlegung von militärischem Personal, da eine allmähliche Akklimatisation während einer längeren Anreise entfällt. Eine Erfahrung, die auch
der jüngste Einsatz der Bundeswehr in der Hitze von Mali bestätigt.
Die ernüchternde Bestandsaufnahme der NATO ergibt, dass in
den Streitkräften kein ausreichendes präventivmedizinisches
Management von extremen Klimaexpositionen umgesetzt wird.
Erschwerend kommt der fortschreitende Abbau der entsprechenden wissenschaftlichen Expertise im militärischen und
auch im zivilen Bereich hinzu.
Aus diesem Grunde etablierte das Human Factors and Medicine
(HFM) Panel der NATO Science and Technology Organisation
(STO) 2009 die Research Task Group 187. An dem Projekt beteiligten sich neun Nationen (Belgien, Deutschland, Estland,
Aus der NATO
Abb. 4: Hitzeexposition und schwere körperliche Arbeit in Koulikoro, Mali (EUTM)
Finnland, Frankreich, Großbritannien, Slowenien, Niederlande,
USA). Den Vorsitz führten die USA durch den international renommierten Physiologen Dr. Michael N. Sawka (seinerzeit Leiter der Abteilung “Thermal & Mountain Medicine”, U.S. Army
Research Institute of Environmental Medicine, Natick, Ma,
USA). Der Zentrale Sanitätsdienst der Bundeswehr wurde
durch die Laborabteilung IV –Medizinische Wehrergonomie
und Leistungsphysiologie– des Zentralen Instituts des Sanitätsdienstes der Bundeswehr Koblenz vertreten.
Der Name der Arbeitsgruppe, „Management of Thermal
Strain“, verdeutlicht das Ziel, die klimaphysiologische Prävention als einen ganzheitlichen Managementprozess für die militärische Anwendung zu strukturieren. Dazu wurden zunächst die
entsprechenden Inhalte nationaler Dokumente gesichtet und
über ihre Einbindung in evidenz-basierte Empfehlungen zur Risikominimierung entschieden.
In den anschließenden Beratungsprozess wurde auch ein wissenschaftliches Symposium (“Clothing in the cold“) eingebunden. Dieses fand anlässlich des Arbeitstreffens der Research
Task Group beim TNO (Netherlands Organisation for Applied
Scientific Research, Soesterberg, NL) statt. Die Teammitglieder
hatten Gelegenheit, sich mit weiteren, eingeladenen Wissenschaftler aus Großbritannien, Frankreich und Norwegen über
aktuelle präventivmedizinische Entwicklungen ihrer Arbeitsgebiete auszutauschen.
Die Arbeitsergebnisse der Research Task Group 187 sind in einem Technical Report im Dezember 2013 veröffentlicht worden. Dieses Grundlagendokument bindet die Einsatzerfahrungen der beteiligten Nationen ein und enthält detaillierte Informationen für medizinisches Personal und militärische Führer
über das präventive Verhalten bei Hitze- und Kälteexpositionen.
Dabei wird zu einem umfassenden Management aufgefordert,
das durch die Analyse und die gezielte Beeinflussung der multifaktoriellen Klimawirkung eine Risikominimierung erreicht.
Zusätzlich verfügt der Abschlussbericht über je einen Anhang,
der die Inhalte für die Hitze und die Kälte prägnant zusammen-
215
Bildquelle: ©Bundeswehr/Falk Bärwald
fasst. Diese beiden Teile sind zur Erstellung von Informationsmaterial (Broschüren, Taschenkarten, Poster, Filmspots, „Apps“
etc.) für die Truppe bestimmt. Dadurch soll die notwendige Wirkungskette von der Erarbeitung durch eine wissenschaftliche
Expertengruppe bis zur Information der klimaexponierten Einsatzsoldaten geschlossen werden.
Die Arbeitsergebnisse der Research Task Group 187 bieten die
Möglichkeit, bei Einsätzen die Auswirkungen extremer Klimaexpositionen auf die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit
deutscher Soldaten durch ein präventivmedizinisch orientiertes
Management zu begrenzen. Zur wissenschaftlichen Fortschreibung der Grundlagen ist jedoch die Stärkung der bundeswehreigenen umweltergonomischen Expertise notwendig. Dazu kann
die Koblenzer Ressortforschungseinrichtung, Laborabteilung
IV –Medizinische Wehrergonomie und Leistungsphysiologie–,
die „Keimzelle“ bilden. Aufbauend auf hiesige Erfahrungen
wurden bereits in Zusammenarbeit mit der Deutschen Sporthochschule Köln und der Universität zu Köln die aktuellen Leitlinien über die Arbeit unter klimatischer Belastung der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin entwickelt.
Der vollständige Report mit zahlreichen Tabellen kann von der
NATO-STO-Webseite unter
http://www.cso.nato.int/Pubs/rdp.asp?RDP=RTO-TRHFM-187
heruntergeladen werden.
Dr. Karl Jochen Glitz
Laborabteilung IV - Wehrmedizinische Ergonomie
und Leistungsphysiologie Zentrales Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr,
Koblenz
E-Mail: karljochenglitz@bundeswehr.org
Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014
216
TAGUNGEN
UND
K ONGRESSE
Forschung – Qualität – Forschungsqualität
ARCHIS 2014 in Ulm
Benedikt Friemert, Michael Engelhardt, Roland Schmidt
Vom 05. bis zum 07.02.14
fand die 21. ARCHIS1-Tagung in Ulm statt, zu der
265 Sanitätsoffiziere aller
Dienstgradgruppen sowie
zivile Referenten aus Klinik, Forschung und Wissenschaft nach Ulm gekommen waren.
Ganz besonders gefreut
hat uns die Teilnahme unseres Inspekteurs, Herrn Generaloberstabsarzt Dr. Patschke, der
uns im Verlauf der Tagung auch einen Überblick über die aktuelle Situation des Sanitätsdienstes sowie die weiteren Planungen
geben konnte. Des Weiteren war Herr Generalstabsarzt Dr.
Fröhlich, Kommandeur der zentralen Sanitätseinrichtungen des
Sanitätsdienstes der Bundeswehr, anwesend. Auch über unseren
Ehrengast, Herrn Professor Dr. Elias Degiannis, Direktor der
Trauma Einheit des Chris Hani Baragwanath Academic Hospital in SOWETO/Johannesburg/Südafrika, eines der größten
Akutkrankenhäuser der Welt, haben wir uns außerordentlich
gefreut.
Stellvertretend für die zivilen Redner und Teilnehmer möchten
wir Herrn Professor Dr. Debus nennen, der in seiner Funktion
als Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und
Gefäßmedizin zum Gelingen der ARCHIS-Tagung beitrug.
Weiterhin möchten wir Herrn Privatdozent Dr. Schrem von der
Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) nennen, der mit
seinem Engagement für die klinische Forschung schon im Vorfeld für die gemeinsame Arbeit mit dem Sanitätsdienst gewor-
Abb. 1: FAST – Notfallsonographie unter Gefechtsbedingungen.
(Bild: OFA Kremers, BwKrhs Ulm)
Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014
ben hatte. Auch Herr Professor Dr. Marzi unterstrich in seiner
Funktion als Leiter des Wissenschaftsausschusses der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie die Bedeutung dieser Tagung in den Fachgesellschaften.
Im Wesentlichen werden wir im Folgenden wir über die Inhalte
der einzelnen Sitzungen und Teilveranstaltungen berichten,
wollen aber an dieser Stelle schon jetzt feststellen, dass diese
ARCHIS-Tagung wieder gezeigt hat, dass die chirurgische
Community des Sanitätsdienstes positiv, kritisch, lebhaft diskutierend, sehr an der Zukunftsentwicklung des Sanitätsdienstes
und natürlich auch der Chirurgie des Sanitätsdienstes interessiert und bereit ist, ihren Beitrag auch im Sinne einer Vorleistung zu erbringen.
An dieser Stelle möchten wir ganz herzlich all denen danken,
die am Gelingen dieser ARCHIS 2014 beteiligt waren. Neben
den Mitarbeitern der Abteilungen möchten wir hier ganz besonders die Herren Oberfeldärzte Dr. Elias und Dr. Josse (Abt. Anästhesie, BwKrhs Ulm) sowie Herrn Oberstabsarzt Schallert
nennen, die ganz wesentlich dazu beigetragen haben, dass der 1.
Lerchenfelder Team-Contest als militärisch—fachliche Herausforderung auf unserem Übungsplatz durchgeführt werden konnte. Des Weiteren gilt der Dank Herrn Oberfeldarzt Kremers
(OP-Manager BwKrhs Ulm), der sich bereit erklärt hatte, die
bildliche Dokumentation dieser Tagung zu übernehmen.
Lerchenfelder DCS – Team – Contest (C. Elias)
Im Unterschied zu den Workshops der vergangenen ARCHIS –
Tagungen wurde am 05.02.2014 auf dem Truppenübungsplatz
Lerchenfeld des Standortes Dornstadt der 1.Lerchenfelder DCS
– Team – Contest durchgeführt. Bei diesem sollten im Rahmen
eines Wettbewerbes zwischen den Bundeswehrkrankenhäusern
die grundlegenden Anforderungen an den heutigen Einsatzchirurgen unter Beweis gestellt werden, welche neben den medizinischen auch die militärischen Grundfertigkeiten umfassen.
Am Start waren sechs Teams mit jeweils 4 Mitgliedern. Jedes
Bundeswehrkrankenhaus stellte ein eigenes Team und zusätzlich trat ein gemischtes - aus SanOA und Truppenärzten bestehendes - Team zum Wettkampf an. Innerhalb der Teams bestanden unterschiedliche Fachausrichtungen und Ausbildungsniveaus. Bei für diese Jahreszeit erstaunlich gutem Wetter wurden
unter der Leitung von Oberstabsarzt Josse und Oberfeldarzt Dr.
Elias von jedem Team sechs Stationen absolviert. Unterstützt
wurden die ausrichtenden Kräfte des BwKrhs Ulm unter anderem durch LtCol Fortuna, MD, welcher als erfahrener Visceralchirurg der amerikanischen Streitkräfte eigens aus Landstuhl
angereist war und bei der Leitung der visceralchirurgischen Station mitwirkte.
Dabei bestanden die medizinischen Anforderungen aus der
Durchführung einer FAST – Sonographie (Abb. 1) mit anschließender Durchführung der entsprechenden Not-OP an einem
Dead-Tissue-Modell, der Versorgung einer relevanten Blutung
nach den Damage-Control-Prinzipen incl. des Erlangens endovasculärer Blutungskontrolle sowie der Versorgung einer Be1 ARCHIS
= Arbeitskreis chirurgischer Sanitätsoffiziere
Tagungen und Kongresse
cken-Verletzung mit den dafür im Einsatz bestehenden Mitteln
wie Beckenzwinge und Pelvic Sling.
Militärisch wurden an Grundfertigkeiten das Gruppengefechtsschießen im Simulator, das Zerlegen und Zusammensetzen aller
gängigen Handfeuerwaffen der Bundeswehr sowie ein Szenario
aus dem TCCC-Spektrum abverlangt. Dazwischen lagen für die
Teilnehmer dann noch Orientierungsaufgaben sowie anspruchsvolle Marschstrecken.
Die Auswertung der sechs Stationen und die Marschleistung der
Teams ergaben als Endergebnis den Sieg des Gastgeberkrankenhauses, wobei alle Teams insgesamt ein sehr gutes Ergebnis erreichten.
Vielleicht wird dieser Team-Wettbewerb eine Fortsetzung bei
den nächsten ARCHIS-Tagungen erleben - ein Anfang wurde
auf jeden Fall durch die Stiftung eines Wanderpokals gemacht.
1. Sitzung: Junges Forum (H.-P. Becker)
Unter der Leitung der beiden Oberstärzte Professor Dr. Willy,
Berlin, und Professor. Dr. Becker, Koblenz, war die 1. Sitzung
der ARCHIS-Tagung 2014 unter dem Titel „Junges Forum“ unmittelbar dem wissenschaftlich interessierten chirurgischen
Nachwuchs gewidmet. Die Gruppe um Frau Stabsarzt Scheuermann-Poley aus dem BwKrhs Berlin informierte über die ersten
Ergebnisse ihres Forschungsprojektes über die Fluoreszenz-insitu-Hybridisierung zum Nachweis von einsatzrelevanten Bakterien in Wundbiofilmen. Stabsarzt Westerfeld et al. berichteten
über die Behandlung penetrierender Verletzungen in der interdisziplinären Notfallaufnahme des BwKrhs Hamburg unter besonderer Berücksichtigung einsatzchirurgischer Grundsätze.
Aus der unfallchirurgischen Abteilung des BwKrhs Westerstede
stellte Flottillenarzt d. R. Dr. Keese-Röhrs die Ergebnisse der
medio-patellofemoralen Ligamentrekonstruktion als lohnenswerte Therapieoption der habituellen Patellaluxation vor. Der
Vortrag von cand.med. Eberle aus der Gruppe von Oberstarzt
Professor Dr. Friemert beschäftigte sich im Sinne der Versorgungsforschung mit dem diagnostischen Nutzen der Kernspintomographie aus Sicht von Ärzten und Patienten. Frau Stabsarzt
Volz aus den BwKrhs Ulm stellte eine sehr interessante Arbeit
vor, bei der die Forschungsgruppe um Privatdozent Dr. Schrem
von der MHH der Frage nachging, welche signifikanten Qualitätstreiber Einfluss auf das Langzeit-Überleben nach Lebertransplantation hatten. Dabei konnte z.B. gezeigt werden, dass
der Tageszeitpunkt der Operationsdurchführung einen entscheidenden Einfluss auf das Outcome der Operation hatte. Oberstabsarzt Dr. Machemehl et al. aus der Abteilung Viszeralchirurgie des BwKrhs Berlin untersuchten die Checklisten zur Patientensicherheit in der Chirurgie. Der Vortrag von Stabsarzt Trotzke aus der Gruppe von Oberstarzt Privatdozent Dr. Kollig,
BwZKrhs Koblenz, beschäftigte sich mit dem Versorgungskonzept der speziellen Frakturen der oberen Halswirbelsäule. Deren
Langzeit-Ergebnisse stehen elementar in Zusammenhang mit
der Erfahrung des Operateurs. Die letzten beiden Vorträge der
Sitzung, gehalten von Stabsarzt Hoth aus dem BwKrhs Ulm und
Oberfeldarzt Dr. Bublitz aus dem BwKrhs Berlin, konnten als
Erfahrungsberichte über die Versorgung der syrischen Bürgerkriegsopfer darstellen, wie komplex die Behandlung chronischer Defektverletzungen ist und mit welchem Aufwand sich
die Teams der Abteilungen dieser Aufgabe widmeten. Zusammenfassend war diese Sitzung spannend und lebhaft sowie anregend für die Zukunft, damit die chirurgischen Nachwuchskräfte
217
ihren Forschungsthemen auch weiterhin mit viel Enthusiasmus
und Engagement nachgehen.
2. Sitzung: Forschungsqualität (M. Engelhardt)
Klinische Forschung ist für die Chirurgischen Abteilungen der
BwKrhs mittlerweile Selbstverständnis und zukünftig Teil ihres
STAN-Auftrags. Hierbei forschen die Kliniken nicht isoliert innerhalb des Sanitätsdienstes. Vielmehr wird eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den zivilen Forschungseinrichtungen wie Universitätskliniken und Instituten angestrebt. Im
einführenden Referat „Einfluss militärischer Forschung und Erfahrung auf die zivile Gefäßchirurgie“ (E.S. Debus, Hamburg)
wurde am Beispiel der Gefäßverletzung der Nutzen militärchirurgischer Expertise für die zivile Chirurgie dargelegt. Die unstillbare Blutung, typisch für penetrierende Verletzungen durch
Waffeneinwirkung, ist nach wie vor die Haupttodesursache verwundeter Soldaten. Und auch im zivilen Umfeld stellt das Verbluten die Haupttodesursache innerhalb der ersten 24 Stunden
nach schwerem Trauma dar. Die an den hohen Patientenzahlen
im Krieg zu gewinnenden präklinischen und operativen Erfahrungen lassen sich - bei sinnvoller wissenschaftlicher Aufarbeitung der Daten - somit auch auf den zivilen Bereich übertragen,
in welchem bei deutlich geringeren Fallzahlen die Datenakquise
ungleich mehr Zeit benötigen würde. Beispiele für solche zivilmilitärischen Verbundprojekte sind die präklinische Anwendung von Tourniquets und verschiedener lokaler und systemischer Hämostyptika, wobei zivile Entwicklungsforschung und
militärische Anwendungsforschung Hand-in-Hand gehen.
Darüber hinaus bietet sich aufgrund der großen, gut dokumentierbaren Patientenzahlen gerade für die militärmedizinische
Wissenschaft die Registerforschung an. So basieren zahlreiche
Entwicklungen der gefäßchirurgischen Traumaversorgung auf
Daten des Vietnam Vascular Registry und, aktueller, des Balad
Vascular Registry (Irak). Gerade auf dem Gebiet der Gefäßtraumatologie kann das Militär taktgebend sein. Dies spiegelt sich
nicht zuletzt in der Besetzung der Kommission „Gefäßtraumatologie und Katastrophenmedizin“ der Deutschen Gesellschaft
für Gefäßchirurgie mit zwei gefäßchirurgisch tätigen Sanitätsoffizieren wider.
Was an Rahmenbedingungen für diese militärmedizinische Forschung notwendig ist, wurde im Vortrag „Methoden und erforderliche Infrastruktur für qualitativ hochwertige klinische Forschung: Was kann ein Bundeswehrkrankenhaus alleine und wo
braucht es Kooperation“ (H. Schrem, Hannover) diskutiert. Im
Forschungsbiotop Operationssaal können beispielsweise die
Optimierung des operativen Ressourcenmanagements, das
Lernverhalten von Chirurgen oder Prognose-Scores für TriageEntscheidungen validiert werden. Ferner wurde auf die Optimierung von Prozessen durch Etablierung eines Lean Six System hingewiesen. Dieses Managementsystem zur Prozessverbesserung und Qualitätssteigerung kann – richtig angewandt –
zu einer effizienteren Gestaltung von Prozessketten auch im
Krankenhaus führen. Darüber hinaus wurde auf den Wert von
Krankenstationen und Nachsorgeambulanzen als Datenbasis für
Outcome-Forschung hingewiesen. Das motivierte Personal, die
leistungsstarken Krankenhäuser und das chirurgische Knowhow seien im Sanitätsdienst bereits vorhanden. Die Hard- und
Software sowie die unabdingbaren Freiräume zur klinischen
Forschung müssen jedoch erst noch geschaffen werden.
Gute klinische Forschung ist kein Selbstzweck, sondern Basis
einer soliden klinisch-akademischen Ausbildung. Im Vortrag
Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014
218
Tagungen und Kongresse
„Profitiert Ausbildung von Forschung“ (T. Seufferlein, Ulm)
wurde verdeutlicht, dass Ausbildung in wissenschaftlich fundierter Forschung ein wesentliches Element der klinischen Weiterbildung darstellt. Umgekehrt ist auch eine systematische Erforschung der Ausbildung selbst unerlässlich um eine hohe Ausbildungsqualität zu gewährleisten.
Die Ausbildung von Chirurgen ist von je her eine zentrale Aufgabe der operativen Abteilungen an den Bundeswehrkrankenhäuser. In ihren Beiträgen „Was können Simulatoren leisten?“
(K. Klemm, Stuttgart) und „Simulation und skills lab in der chirurgischen Weiterbildung“ (C. Willy, Berlin) wiesen die Autoren auf den sich immer mehr zuspitzenden Widerspruch zwischen gesteigerten Anforderungen an den Chirurgen durch enorme Wissenszunahme, rasche technische Weiterentwicklung, zunehmende Spezialisierung und Qualitätsbewusstsein einerseits
und eingeschränkte Lernmöglichkeiten bei reduzierten Arbeitszeiten sowie zunehmenden Qualitätsanspruch der Patienten andererseits hin. So verringerte sich in den letzten 30 Jahren die
Zahl der Operationen bis zum Erwerb des Facharztes um mehr
als 40% und die Arbeitszeit wurde gesetzlich vorgeschrieben
halbiert. Learning Curves, wie sie noch in den Anfangsjahren
des laparoskopischen Operierens üblich waren, werden heutzutage nicht mehr akzeptiert. Vor diesem Hintergrund wurden moderne Ausbildungsmethoden an Simulatoren und in Skills Labs
als Alternative zur herkömmlichen chirurgischen Ausbildung
am Patienten vorgestellt.
Am Beispiel der European Vascular Master Class der Vascular
International (VI)-School e.V. wurden Kriterien für ein erfolgreiches Training am Simulator erläutert: Bewusstes Training in
einer sicheren – weil stressfreien – Umgebung, motivierende
Lernatmosphäre (attraktive Lokalisation des Kurses zur Erholung), hohe Tutorendichte mit erfahrenen Lehrern und möglichst lebensnahe Simulation. Die wissenschaftliche Evaluation
dieser und ähnlicher Veranstaltungen konnte nachweisen, dass
sich mit diesem Trainingskonzept die allgemeinen chirurgischen Fähigkeiten und die speziell geübten Fertigkeiten in kurzer Zeit signifikant verbessern lassen - bei gleichzeitig kürzeren
Operationszeiten. Am Beispiel einer erfolgreich versorgten Arterienverletzung eines afghanischen Soldaten im Feldlager
Kunduz konnte die Übertragbarkeit des Simulator-Kurses „Gefäßchirurgische Notfallkompetenz für operative Fächer“, welcher ebenfalls in Kooperation mit der VI-School am Gefäßzentrum des BwKrhs Ulm durchgeführt wird, auf die reale Situation im Einsatz exemplarisch gezeigt werden.
Die Konsiliargruppe Chirurgie hatte bereits 2012 unter Leitung
von Oberstarzt Professor Dr. Willy Vorschläge für die „Ausgestaltung von Simulationszentren im Systemverbund der Bundeswehrkrankenhäuser“ vorgelegt. Eine NATO-weite Sichtung
vergleichbarer Einrichtungen hatte gezeigt, dass andere Nationen bereits heute modern ausgestattete Simulationszentren betreiben und erfolgreich nutzen.
Durch Erweiterung der Ausbildung mit modernen Simulationstechniken wird die Attraktivität und Glaubwürdigkeit der chirurgischen Ausbildung im Sanitätsdienst steigen. Gleichzeitig
wird die Patientenversorgung im In- und Ausland optimiert und
es bieten sich zahlreiche Möglichkeiten zur Kooperation mit zivilen Institutionen.
Klinische Forschung und systematische Ausbildung müssen
Kernkompetenzen zukunftsorientierter chirurgischer Kliniken
an den BwKrhs sein. Sie sind ein wesentliches Element der AtWehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014
traktivität des Sanitätsdienstes für angehende Einsatzchirurgen
und tragen dazu bei, auch langfristig die chirurgische Einsatzfähigkeit zu sichern.
3. Sitzung: Qualität (R. Schmidt)
Die 3. Sitzung der ARCHIS-Tagung war dem Thema Qualität gewidmet. Den Vorsitz der Sitzung hatte u.a. Frau Evelyn Gieren,
niedergelassene Labormedizinerin und langjährige ISO-Auditorin für den TÜV Nord. Sie führte die Sitzung mit ihrem Übersichtsvortrag „Qualität managen - eine Gradwanderung zwischen
Wissenschaft und gesundem Menschenverstand“ ein. Frau Gieren konnte eindrücklich die relevanten Merkmale eines funktionierenden QM-Systems darlegen. Sie legte besonderen Wert auf
Ausführungen in Bezug auf Strukturqualität, Prozessqualität und
Ergebnisqualität im Rahmen eines Qualitätsmanagementsystems.
Sie wies besonders auf die Notwendigkeit zur Lösung von
Schnittstellenproblemen hin, die bei der Etablierung eines QMSystems gefunden werden müssen. Dabei konnte sie zeigen, dass
in Kliniken mit einem funktionierenden Qualitätsmanagementsystem im Rahmen der Patientenbetreuung Kosteneinsparungen
durch Prozessoptimierungen bis zu 30 % möglich sind.
Anschließend konnte Oberfeldarzt Goller aus dem BwKrhs Berlin die Frage beleuchten, wieviel Zertifizierung eine Allgemeinund Visceralchirurgie heute benötigt. Er legte die Zertifizierungsvorhaben der einzelnen allgemein- und visceralchirurgischen Abteilungen aller BwKrhs vor, die auf einer Konsenskonferenz im
Jahre 2013 durch die jeweiligen Ärztlichen Direktoren definiert
wurden. Gleichzeitig hinterfragte er jedoch kritisch, ob und in
welchem Umfang welche Zertifizierungsmaßnahmen wirklich
notwendig sind. Er legte besonderen Wert auf die Feststellung,
dass eine suffiziente Dokumentation sowie ein entsprechendes
Benchmarking unumgänglich sind, um Qualität und ein Qualitätsmanagement nach außen hin transparent zu dokumentieren.
Im Anschluss an seinen Vortrag klärte Oberstarzt Professor Dr.
Friemert als Ärztlicher Direktor der Klinik für Orthopädie und
Unfallchirurgie am BwKrhs Ulm die Frage, wieviel Zertifizierung heutzutage die Orthopädie und Unfallchirurgie benötigt.
Auch er war eindeutig der Meinung, dass ein Qualitätsmanagementsystem durch das Outcome der Patientenbehandlung gekennzeichnet werden muss. Und auch er zeigte eindrücklich,
dass ohne ein gut funktionierendes Dokumentationssystem eine
Zertifizierung in Frage zu stellen ist. Prinzipiell konnte er in seinem Vortrag klar machen, dass entsprechende Register wie z. B.
das Traumaregister der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) unabdingbar für einen Klinikbetrieb auf höchstem
Niveau sind. Oberstarzt Privatdozent Dr. Schmidt, Ärztlicher
Direktor der Klinik für Allgemein-, Visceral- und Thoraxchirurgie und Leiter des Darmzentrums am BwKrhs Ulm, präsentierte
anschließend ein Statement zur Sinnhaftigkeit der Behandlung
von Patienten mit kolorektalen Karzinomen an einem Darmzentrum. Er konnte die Komplexität der Behandlungsstrategie von
Karzinompatienten in einem Darmzentrum demonstrieren. In
seinem Vortrag wurde auch klar ausgeführt, dass es in Bezug
auf die Gesamtheit der Behandlungsstrategien sehr wohl Unterschiede gibt, wenn ein Patient in einem qualitativ hochwertigen
Darmzentrum mit ausgewiesener Expertise im Gegensatz zu einer Klinik mit wenig operativer Erfahrung versorgt wird. Im
Anschluss an den Vortrag trat Oberfeldarzt Dr. Benesch, Oberarzt der Klinik für Allgemein-, Visceral- und Thoraxchirurgie
sowie Koordinator des Darmzentrums am BwKrhs Ulm, mit
seinem Vortrag „Qualität gibt es nicht zum Nulltarif - Anforde-
Tagungen und Kongresse
rungen an ein BwKrhs für eine erfolgreiche Zertifizierung als
Darmzentrum“ auf. Dr. Benesch ist langjähriger Netzkoordinator des Darmzentrums mit großer Erfahrung in Bezug auf alle
organisatorischen Belange eines Darmzentrums. Er zeigte eindrücklich auf, welche finanziellen Anforderungen im Rahmen
einer Zertifizierung vorgehalten werden müssen. Detailliert
ging er auf einzelne Aspekte eines Darmzentrums ein.
Oberstabsarzt Dr. Badendiek aus der Klinik für Allgemein- und
Visceralchirurgie des BwKrhs Berlin präsentierte im Anschluss
an den Vortrag von Dr. Benesch die Erfahrungen der Berliner
Kollegen mit dem Herniamed-Register. Eine gut etablierte Datenbank ist die Voraussetzung dafür, um ein entsprechendes
Outcome von Patienten, die mit unterschiedlichen Hernierungen versorgt werden, gut zu analysieren.
Den Abschluss der Sitzung machte Oberfeldarzt Dr. Willms aus
der Klinik für Allgemein-, Visceral- und Thoraxchirurgie des
BwZKrhs Koblenz. Er sprach über die Implementierung eines
Laparostoma-Registers. Derzeit existiert bundesweit kein einheitliches Dokumentationsregister für Laparostoma-Patienten.
Die Bundeswehr hat sich im Rahmen der CAMIN (Arbeitsgruppe der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV)) zum Ziel gesetzt, hier richtungsweisend ein
derartiges Register zu erstellen und dies perspektivisch sowohl
für die BwKrhs als auch für zivile Einrichtungen zur Verfügung
zu stellen.
Die Sitzung zum Thema Qualität wurde durch eine rege Diskussion sämtlicher Vorträge vervollkommnet und mit Leben gefüllt, was letztendlich die hohe Akzeptanz sowie die Wichtigkeit
der Thematik eindrücklich untermauern konnte.
4. Sitzung: Forschung (B. Friemert)
In der wissenschaftlichen Sitzung „Forschung“ wurde der Einführungsvortrag von Professor Dr. Ingo Marzi, Ärztlicher Direktor der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie der Universität Frankfurt, gehalten. In seinen ausführlichen Darstellungen konnte er darlegen, wie bedeutsam wissenschaftliche Tätigkeit und wissenschaftliches Denken im klinischen Alltag sind.
Eindrücklich konnte er dieses an einigen ausgewählten Beispielen darstellen, z.B. wie Fragestellungen aus der Klinik ins Labor
und wieder zurück transferiert werden, um letztlich die Patientenversorgung zu verbessern. Durch seinen Vortrag wurde sehr
deutlich, dass eine Patientenversorgung auf höchstem Niveau,
was der Anspruch des Sanitätsdienstes ist, nur mit gleichzeitiger
wissenschaftlicher Arbeit und wissenschaftlichem Gedankengut
möglich ist. Er konnte auch aufzeigen, dass dieses nicht im Sinne einer Freizeitforschung erfolgen kann, sondern dass es hierfür eines zeitlichen, finanziellen und infrastrukturellen Rahmens
bedarf, der Forschung auf hohem Niveau erst möglich macht.
Es folgten 3 weitere Vorträge, die als ein Vortragsblock gedacht
waren. Hierbei präsentierte sich erstmalig die neu gegründete
AG Forschung der ARCHIS. Als erstes stellte Stabsarzt Westerfeld aus Hamburg dar, worüber die Chirurgen und damit die klinischen Abteilungen in den letzten 5 Jahren geforscht haben. Es
zeigte sich, dass die Leistung, die hier im Sinne einer rein freiwilligen und meist in der Freizeit durchgeführten Forschungstätigkeit erbracht wurde, nur als beeindruckend bewertet werden
kann. Es konnte eindrücklich dargestellt werden, dass wissenschaftliches Denken fest im Gedankengut der Chirurgischen
Community verhaftet ist und eine ausgesprochen große Motivation der Mitarbeiter zu dieser freiwilligen Tätigkeit vorliegt.
219
Im zweiten Vortrag konnte Oberstabsarzt Dr. Backes die Ergebnisse einer Umfrage unter den chirurgisch tätigen Sanitätsoffizieren darstellen, die der Frage nachging, inwieweit diese bereit
sind, sich an Forschung zu beteiligen und hier ein entsprechendes Interesse haben. Dabei zeigte sich, dass der Wunsch forschen zu können, in gut einem Drittel der abgegebenen Fragebögen bejaht wurde, wobei eine Verbesserung der Rahmenbedingungen, insbesondere eineFreistellung zur Forschung und
damit die Etablierung der Forschung als STAN-Auftrag, ausgesprochen wünschenswert wäre. Einige Kameraden formulierten
ganz klar auch den Wunsch, ihre Forschungstätigkeit mit einer
Habilitation abzuschließen.
Im dritten Vortrag konnte Oberstabsarzt Dr. Palm darstellen,
welche strukturellen Ideen und Vorstellungen hinsichtlich einer
krankenhaus- und abteilungsübergreifenden chirurgischen Forschung seitens der AG Forschung der ARCHIS für die Zukunft
bestehen. Er konnte zeigen, dass verschiedene Forschungsprojekte nur im Sinne einer gemeinsamen Anstrengung durchgeführt werden können. Es konnte auch gezeigt werden, dass es
vielleicht notwendig ist, Arbeiten auf bestimmten Forschungsgebieten nur in bestimmten Bundeswehrkrankenhäusern durchzuführen und hier Schwerpunkte zu setzen. Ganz wesentlich
war die Aussage, dass hochwertige chirurgische Forschung
letztlich nur im Verbund mit universitären und professionell
wissenschaftlich tätigen Institutionen möglich sein wird. Hier
gilt es für die Zukunft kooperative Strukturen aufzubauen.
Im letzten Vortrag, der aus dem neu geschaffenen Direktorat Wissenschaft des Sanitätsdienstes (SanAkBw München) vorgetragen
wurde, konnte zunächst Generalarzt Dr. Weller darstellen, dass
das neu gegründete Direktorium Wissenschaft die Arbeit aufgenommen hat und zunächst formale Strukturen etabliert wurden,
die für Antragsstellung, Antragsgenehmigung und Forschungsdurchführung notwendig sind. Insbesondere sei das Thema Qualitätsmanagement in der Forschung ein ganz wesentliches, welches zu organisieren ist. Auch er stellte noch einmal die Bedeutung der klinischen Forschung für eine hochwertige Patientenversorgung heraus. Im zweiten Teil konnte Oberstarzt Privatdozent
Dr. Kehe die wesentlichen Grundlagen und Herangehensweisen
zur Strukturierung der Forschungslandschaft in der Bundeswehr
darstellen, während Frau Professor Kern (Universität der Bundeswehr München) ausführlich darlegte, was Qualitätsmanagement
innerhalb der Forschung in Zukunft bedeuten wird.
Zusammenfassend wurde im Verlauf dieser Sitzung immer
deutlicher, welchen Stellenwert klinische Forschung aus Sicht
eines Klinikers hat und welche Forschungsstrukturen und Ideen
die Chirurgen selber ins Leben gerufen haben. Vor allen Dingen
wurde deutlich, dass es im Sanitätsdienst mit der Schaffung eines Direktorates Wissenschaften möglich gemacht wurde, der
Forschung im klinischen Alltag einen deutlich höheren Stellenwert im Vergleich zur Vergangenheit zuzuweisen und Strukturen aufzubauen, die den Weg aus der Freizeitforschung hin zur
professionellen Forschung ebnen werden.
5. Sitzung: Einsatz (N. Huschitt)
Die fünfte Sitzung mit dem Thema Einsatzchirurgie wurde von
einem Ehrengast der Tagung, Herrn Professor Dr. Elias Degiannis eingeleitet. Er ist der Direktor der Trauma Einheit eines der
größten Akutkrankenhäuser der Welt. Das Chris Hani Baragwanath Academic Hospital in SOWETO/Johannesburg/Südafrika
Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014
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Tagungen und Kongresse
besitzt einen Schockraum, in dem bis zu 16 Schwerstverletzte
simultan behandelt werden können.
Herr Professor Degiannis berichtete über eine seit mehreren
Jahren erfolgreiche Kooperation mit dem deutschen Sanitätsdienst, welche es Einsatzchirurgen der Bundeswehr erlaubt, unter seiner Supervision krisentypische Verletzungen in großer
Zahl kennen zu lernen. Zwei weitere Vorträge beschäftigten sich
mit der Einsatzchirurgie der Zukunft. Der Kommandeur des
Kommandos Schnelle Einsatzkräfte Sanitätsdienst, Oberstarzt
Dr. Hoffmann, beleuchte konzeptionelle Entwicklungen künftiger einsatzchirurgischer Missionen in mobilen Kleinsteinheiten
aus Sicht der militärischen Einsatzkräfte, Oberfeldarzt Dr.
Hinck (BwKrhs Hamburg) tat dieses aus Sicht der Kliniker.
Oberfeldarzt Dr. Huschitt (BwKrhs Ulm) machte in seiner Präsentation über Surgistik deutlich, dass ein Einsatzchirurg nicht
nur taktisch gut operieren, sondern auch strategisch klug denken
können sollte. Um auch im Einsatz die Qualität der Versorgung
verbessert messbar zu machen, referierte Oberfeldarzt Dr.
Hentsch (BwZKrhsKoblenz) über die zwingende Notwendigkeit, das Einsatzregister der Bundeswehr fest zu etablieren. Ein
Beitrag aus dem Bernhard-Nocht-Institut von Oberfeldarzt Privatdozent Dr. Hagen (BwKrHs Hamburg) rückte Gefahren
durch Infektionen bei MASCAL-Szenarien sowie deren Diagnostik und Therapie ins Bewusstsein der Zuhörer. Abschließend
wurde durch Oberfeldarzt Dr. Barthmus (BwKrhs Ulm) die
nicht unerhebliche Bedeutung der Einsatz-Urolgie in Rückschau auf die letzten Jahre dargestellt.
Alle Beiträge ließen erkennen, dass die Einsatzchirurgie sich
auch künftig mit enormen Herausforderungen konfrontiert
sieht, die es durch konzentrierte und insbesondere auch multinationale Zusammenarbeit von Konzeptionisten, Klinikern und
militärischen Einsatzkräften zu meistern gilt.
6. Sitzung: Aus der Führung des Sanitätsdienstes
(C. Belzer)
Die besondere Bedeutung der ARCHIS wurde, wie auch in den
vergangenen Jahren, nicht zuletzt durch die Anwesenheit des Inspekteurs des Sanitätsdienstes, Generaloberstabsarzt Dr. Patschke, unterstrichen.
Sein Vortrag am letzten Tag der diesjährigen Tagung zum Thema „Militär- und Notfallchirurgie – Entwicklung, Ausblick und
Schwerpunktbildung“ wurde vom Auditorium mit großer Spannung erwartet. Zunächst ging der Inspekteur darin auf den aktuellen, schon sehr weit fortgeschrittenen Stand der Realisierung
der Strukturreform im Sanitätsdienst ein.
In diesem Zusammenhang wurde auch die derzeitige und zukünftige Ausrichtung der BwKrhs beleuchtet. Dabei wurden die
besondere Berücksichtigung und Akzentuierung der medizinischen Einsatzrelevanz hervorgehoben, welche für alle BwKrhs
und deren klinische Abteilungen - auch in der Personalstruktur als oberste Planungsrationale herangezogen wird. Es wird bei
allen Überlegungen die Frage nach möglichen positiven Aspekten für die Auslandseinsätze zu berücksichtigen sein. Die bisherige Einsatzerfahrung wird dabei Bezugspunkt hinsichtlich der
zukünftigen Ausrichtung sein. „Bundeswehrkrankenhäuser
müssen Fachkrankenhäuser für Akut- und Notfallmedizin sowie
komplexe Erkrankungen sein“, so der Inspekteur in einem Ausblick zum „Bundeswehrkrankenhaus 2020“. Der Inspekteur
verdeutlichte weiterhin die besondere Einsatzbelastung der in
einer akutmedizinischen Disziplin tätigen Sanitätsoffiziere/-innen: Gemessen an den geleisteten Einsatztagen im Zeitraum
Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014
2006-2012 belegten die Fächer Chirurgie und Anästhesie mit
großem Abstand die ersten beiden Plätze.
Hinsichtlich der Berufszufriedenheit von an Bundeswehrkrankenhäusern tätigen Sanitätsoffizieren/-innen wurden die Ergebnisse der Umfrage der KPMG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
vorgestellt. Dabei erfolgte eine Erhebung verschiedener Variablen in Zusammenhang mit der beruflichen Zufriedenheit und
möglichen Potentialen zur Verbesserung derselben. Aus den
dargestellten Resultaten ließ sich eine hohe berufliche Zufriedenheit der Sanitätsoffiziere/-innen an allen Bundeswehrkrankenhäusern subsummieren. Finanzielle Verbesserungen, so zum
Beispiel durch Vergütung von Überstunden und Zulagen, wurden dabei am häufigsten als geeignete Maßnahme zur Steigerung der Attraktivität genannt, gefolgt von einer verlässlichen
Personalplanung und Förderung der fachlichen Qualifikation,
zum Beispiel durch Weiterbildungen.
Abschließend berichtete der Inspekteur, dass eine militärische
Bedarfsträgerforderung zur Weitergewährung der Zulage für Rettungsmediziner oder Gebietsärzte über den 31.12.2014 hinaus für
drei Jahre erstellt wurde und im BMVg vorliegt. Es wurde auch
die Notwendigkeit einer Gesetzesinitiative zur Verlängerung der
Zulage betont, welche „zeitnah initiiert werden soll“.
Im letzten Vortrag dieser ARCHIS Tagung referierte Oberstarzt
Dr. Groß aus dem Bundesamt für Personalmanagement über die
aktuelle Personallage der chirurgischen Fachgebiete. Zuvor stelle er zunächst die neune Struktur des Bundsamtes für Personalmanagement vor, was gleichzeitig auch den Abschied vom alten
Personalamt bedeutete, welches viele von uns z.T. über Jahrzehnte begleitet hat. Anschließend legte er dar, dass sich die
Personalsituation in der Chirurgie langsam aber kontinuierlich
verbessert, was u.a. auch daran liegt, dass sich wieder deutlich
mehr Sanitätsoffiziere als Berufssoldat bewerben und aufgrund
ihrer Leistung auch übernommen werden können. Auch er
machte im weiteren Verlauf deutlich, dass sich die Personalbesetzung ganz wesentlich an den Kernaufgaben der Akut- und
Notfallmedizin ausrichten wird.
Liebe Leserinnen und Leser, liebe Kameradinnen und Kameraden, Kolleginnen und Kollegen, die ARCHIS – Tagung 2014 in
Ulm wurde von vielen Teilnehmern aller Dienstgradgruppen
wie auch den zivilen Teilnehmern als sehr positiv und gelungen
bewertet. Darüber freut sich das Ulmer Team natürlich sehr. Wir
hoffen, dass wir mit dem Programm an der einen oder anderen
Stelle Impulse setzen und Anregungen zur Diskussion geben
konnten, dass unsere chirurgischen Ideen und z.T. auch Forderungen Beachtung finden werden und sich das ein oder andere
im Routinealttag in absehbarer Zeit wiederfinden lässt. Wir Chirurgen werden auch zukünftig positiv kritische und engagierte
Begleiter der Weiterentwicklung der Einsatzchirurgie und damit
auch der Bundeswehrkrankenhäuser bleiben.
In diesem Sinne
mit besten kameradschaftlichen Grüßen aus Ulm
Benedikt Friemert, Michael Engelhardt und Roland Schmidt
Korrespondierender Autor:
Oberstarzt Prof. Dr. Benedikt Friemert
Bundeswehrkrankenhaus Ulm
E-Mail: benediktfriemert@bundeswehr.org
221
M ITTEILUNGEN
AUS DER
DGWMP E . V.
NEUES MITGLIEDERVERZEICHNIS 2014
Mit Stand März 2014 ist für die Mitglieder der DGWMP ein
neues Verzeichnis unter dem Namen „KOMPENDIUM 2014“
erarbeitet worden. Wiederum können Mitglieder der Gesellschaft das KOMPENDIUM auch in Form einer CD erwerben.
Die CD, wie auch die nach wie vor erhältliche Papierform des
„Mitgliederverzeichnisses“ hat u. a. folgenden Inhalt:
Richtlinien
– Satzung, Geschäftsordnung, Wahlrichtlinien, Finanzrichtlinien und Ehrungsrichtlinien
Personalien
– Ehrenpräsidenten, Präsidenten, Ehrenmitglieder, Korrespondierende Mitglieder, Verstorbene Ehrenpräsidenten / Präsidenten / Ehrenmitglieder / Korrespondierende Mitglieder
Ehrungen
– Paul-Schürmann-Medaille, Paul-Schürmann-Preis, HansHartwig-Clasen-Förderpreis, Heinz-Gerngroß-Förderpreis,
Plakette PRO MERITIS
Geburtstage August 2014
Wir gratulieren zum 80. Geburtstag und älter:
Prof. Dr. med. Heinz Singer
Förstermühle 8/Resid.Kursana, 90762 Fürth/Bay. 05.08.1920
Manfred Maier
Oberstabsarzt d. R.
Mörikestr. 21, 72296 Schopfloch/Freudenst.
Wolfgang Schönauer
Oberstapotheker a. D.
Am Brand 6, 83684 Tegernsee
Dr. med. Franz Josef Strauß
Oberfeldarzt d. R.
Grünlandstr. 2g, 84028 Landshut
Dr. med. Rolf Toussaint
Farnweg 7, 50226 Frechen
06.08.1927
06.08.1929
14.08.1922
14.08.1926
Christian Hösl
Oberfeldapotheker a. D.
Conrad-Röntgen-Str.22, 74321 Bietigheim-Bissingen
15.08.1934
Organe der Gesellschaft
– Präsidium, Ständige Gäste des Präsidiums, Arbeitskreise, Bereichsgruppen und Gruppen sowie ein
Alphabetisches Mitgliederverzeichnis
Beide Ausgabenformen (CD und Hardcopy) können
– bei der Bundesgeschäftsstelle in 53175 Bonn, Neckarstraße
2a, zum Preis von 4,00 € für die CD und 6,00 € für die Hardcopy abgeholt werden,
– durch Überweisung von 6,00 € für die CD und 8,00 € für die
Hardcopy auf das Konto der DGWMP bei der Deutschen
Apotheker- und Ärztebank Köln, IBAN: DE26 3006 0601
0002 6507 97 - BIC: DAAEDEDD, unter dem Stichwort
„Kompendium“ abgerufen werden,
– bei der Bundesgeschäftsstelle per Fax 0228 / 69 85 33 bzw.
per E-Mail: bundesgeschaeftsstelle@dgwmp.de gegen Rechnung bestellt werden.
Günter A. Mewißen
Bundesgeschäftsführer der DGWMP, Bonn
Dr. med. Knut Leistikow
Oberstarzt a. D.
Bichlstr. 4, 83278 Traunstein-Wolker
18.08.1931
Dr. med. Klaus W. Schairer
Oberstarzt a. D.
Akazienweg 4, 92224 Amberg
18.08.1934
Heinz Fraedrich
Oberstarzt a. D.
Ghersburgstr.19//SZ Novalis, 83043 Bad Aibling 19.08.1920
Dr. med. Horst Kandler
Oberherrlinger Str. 3, 89134 Blaustein
21.08.1926
Dr. med. Dietrich Braun
Oberfeldarzt d. R.
Friedensweg 11, 72660 Beuren
24.08.1922
Werner Lübke
Hauptmann a. D.
Rautenstrauchstr. 21, 53757 St.Augustin
24.08.1933
Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014
222
Mitteilungen aus der DGWMP e. V.
Wir gratulieren zum 75. Geburtstag:
Hans-Wilhelm Haferkamp
Oberstabsapotheker d. R.
Schwachhauser Heerstr. 80, 28209 Bremen
Prof. Dr. med. Wolf Schmidt
Oberstarzt d. R.
Annette-Kolb-Str.41, 30629 Hannover
Dr. med. dent. Peter Wieland
Stabsarzt d. R.
Liebelsberger Weg 5, 75387 Neubulach
Dr. med. dent. Dr. med. Uta Hammer
Oberstarzt a. D.
Zitzewitzstr. 14, 22043 Hamburg
Wir gratulieren zum 70. Geburtstag:
Dr. med. dent. Caspar Müllensiefen
Flottillenarzt d. R.
Ettlinger Str. 4, 76307 Karlsbad
01.08.1939
04.08.1939
06.08.1939
31.08.1939
05.08.1944
Karl-Egbert Houy
Oberstarzt d. R.
Wilhelmstr. 4, 66538 Neunkirchen
10.08.1944
Dr. med. Georg Gellhaar
Oberstarzt d. R.
Auf der Hannighorst 8, 32139 Spenge
12.08.1944
Joachim Stech
Oberstapotheker a. D.
Sonnenhang 37, 53809 Ruppichteroth
15.08.1944
Dr. med. Claus Walther
Oberstarzt a. D.
Boessnerstr. 3c, 93049 Regensburg
24.08.1944
Dr. med. Bernward Major
Hauptmann d. R.
Mannheimer Str.146, 68753 Waghäusel
31.08.1944
B UCHBESPRECHUNGEN
Christian von Heymann / Axel R. Heller (Hrsg.)
Anästhesie in der Allgemeinchirurgie,
Urologie, Gynäkologie und Geburtshilfe
Reihe „Klinikalltag Anästhesie“
Deutscher Ärzte-Verlag 2013
12 x 19 cm, broschiert
XIV + 242 Seiten, mit 6 Abbildungen und 18 Tabellen
ISBN 978-3-7691-1206-1
D € 29,95 / A € 30,80
Mit diesem 2013 im Deutschen ÄrzteVerlag erschienenen Buch aus der Reihe „Klinikalltag Anästhesie“ ist es den
Herausgebern (Prof. Dr. med. Axel R.
Heller und Prof. Dr. med. Christian von
Heymann) gelungen, hoch aktuelle Informationen und Fakten äußerst übersichtlich und strukturiert auf handliche
und kitteltaschentaugliche 220 Seiten
zu komprimieren. Es ist so eine unkomplizierte alltagstaugliche Möglichkeit entstanden, sich schnell über die
Besonderheiten der einzelnen Eingriffe und Grunderkrankungen sowie über das prä- und postoperative Management zu informieren.
Bei klar strukturiertem Aufbau des Buches mit Gliederung in
die vier großen operative Fachgebiete Allgemeinchirurgie-Urologie-Gynäkologie-Geburtshilfe und weiterführender organbzw. eingriffsbezogener Gliederung ist zügiges Orientieren von
Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014
vornherein gewährleistet. Diese setzt sich in den einzelnen Unterkapiteln fort und ermöglicht durch die überwiegend stichwortartige Darstellung ein schnelles und zeitarmes Erfassen der
eingriffsspezifischen Besonderheiten. Krankheitsbilder, Technik des operativen Vorgehens, Lagerung, anästhesiologisches
perioperatives Management und Besonderheiten können so
schnell erfasst werden. Auf seitenfüllende Wiederholungen
wurde durch klar angegebene Querverweise verzichtet.
Eine gelungene Übersicht zum Umgang mit kritischen Ereignissen im OP bilden die im Anhang farblich hinterlegten sogenannten „Action Cards“. Hier werden beispielhaft die wichtigsten
anästhesiologischen Komplikationen und Problemsituationen
erfasst und Sofortmaßnahmen übersichtlich dargestellt.
Fazit
Das Buch „Anästhesie in der Allgemeinchirurgie-Urologie-Gynäkologie-Geburtshilfe“ ist ein gelungenes aktuelles und umfassendes Nachschlagewerk für den klinischen Alltag, das hilft,
sich auf die Besonderheiten des jeweiligen operativen Fachgebietes und Eingriffes vorzubereiten. Hiervon profitieren nicht
nur Kollegen im Rahmen der Facharztausbildung, sondern auch
fachärztlich tätigen Ärzten sei dieses Buch ans Herz und in die
Kitteltasche gelegt.
Oberstabsarzt Milena Borko, Fachärztin für Anästhesie
Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin,
Notfallmedizin und Schmerztherapie
Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz
Buchbesprechungen
Angerer – Glaser – Gündel – Henningsen – Lahmann – Letzel –
Nowak (Hrsg.)
Psychische und psychosomatische
Gesundheit in der Arbeit
Wissenschaft, Erfahrungen, Lösungen aus Arbeitsmedizin,
Arbeitspsychologie und Psychosomatischer Medizin
Reihe: Schwerpunktthema Jahrestagung DGAUM
2014, Softcover, 600 Seiten
ecomed MEDIZIN, Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH
EUR 59,99; ISBN 978-3-609-10021-0
Das vorliegende Buch gibt einen Überblick über den aktuellen Wissensstand
zum Thema der psychischen Gesundheit
am Arbeitsplatz. Während früher vor allem körperliche Belastungen am Arbeitsplatz als Quelle gesundheitlicher Risiken
wahrgenommen wurden (Tragen schwerer Lasten, Staub- und Schadstoffbelastung etc.), rücken in den letzten Jahren
psychische Belastungen am Arbeitsplatz
als Ursache für mögliche gesundheitliche
Beeinträchtigungen in den Fokus von Betriebsmedizinern, Beschäftigten, Führungspersonal und Öffentlichkeit. Um herauszufinden, wie Beschäftigte davor besser geschützt werden können, müssen zunächst Methoden gefunden werden, psychische Belastungen zu erfassen und zu
bewerten - was natürlich schwieriger ist,
als physikalische oder chemische Belastungen zu erfassen, da es kaum objektive
Kriterien dafür gibt und somit die subjektive Reaktion der Beschäftigten stärker
einbezogen werden muss. In über 50 Beiträgen mehrerer unterschiedlicher Autoren werden unterschiedliche Facetten beleuchtet.
Der erste Teil des Buches widmet sich den wissenschaftlichen
Grundlagen von Zusammenhängen zwischen psychischer Gesundheit und Arbeit. Es werden Fragen beantwortet wie „Nehmen psychische Störungen zu?“, und es werden die gängigen
Modelle beschrieben, die versuchen zu erfassen, was an der Arbeit krank machen kann und auf welchen Wegen es dazu kommen könnte. Außerdem wird die Studienlage zu konkreten Fragestellungen wie dem Einfluss von Führungsverhalten auf die
psychische Gesundheit der Mitarbeiter zusammengefasst. Einzelne Berufsgruppen werden gesondert betrachtet (z. B. Lehrer
oder Beschäftigte im Callcenter). Dabei gibt es auch ein Kapitel
über Soldaten. Allerdings ist dieses eher wenig differenziert, betrachtet vor allem Belastungen in Auslandseinsätzen und stellt
an einer Stelle Studien in missverständlicher Weise nebeneinander. Auf einige andere in der Praxis häufige und arbeitsmedizinisch hoch relevante Belastungen wie heimatferne Verwendungen/Wochenendbeziehungen, Versetzungen oder strukturelle
Besonderheiten des Dienstverhältnisses (keine Kündigungsmöglichkeit für Zeitsoldaten) wird nicht eingegangen.
Im zweiten Teil des Buches werden Theorie und Praxis von betrieblicher Gesundheitsförderung und Prävention erörtert. Es
werden mögliche primärpräventive Maßnahmen beschrieben
223
(wie Sport, Entspannungs- und Meditationstechniken), dann
wird die Sinnhaftigkeit von sekundärpräventiven Maßnahmen
diskutiert (z. B. betriebliches Screening von Depressionen), und
schließlich werden tertiärpräventive Maßnahmen und berufliche
Rehabilitation wie stufenweise Wiedereingliederung beschrieben. Dazu werden mehrere Pilotprojekte größerer Firmen in
Deutschland vorgestellt, die bereits über ein funktionierendes
Netz zwischen Betriebsmedizin (und damit auch dem engen
Kontakt zum unmittelbaren Arbeitsumfeld) einerseits und psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlungsangeboten „außerhalb“ andererseits verfügen. Diese Beispiele vermitteln einen guten Eindruck in den Nutzen solcher Netzwerke sowohl
für die Beschäftigten als auch für die gesamten Betriebe.
Der dritte Teil des Buches beschäftigt
sich mit der praktischen Anwendung
und der psychosomatischen Grundversorgung in der Arbeitsmedizin. Es
werden Grundlagen der Gesprächsführung beschrieben, dann wesentliche Charakteristika verschiedener
psychischer Erkrankungen und Störungsbilder wie chronische Schmerzen, Angststörungen, Depressionen
oder Burnout und Aspekte von deren
Behandlungsmöglichkeiten. Ein sehr
gutes und praxisnahes Kapitel („Psychiatrische-psychosomatische-psychotherapeutische Versorgung“) fasst
– leider nur auf wenigen Seiten – die
Unterschiede zwischen psychiatrischer und psychotherapeutischer sowie ambulanter und stationärer Versorgung zusammen.
Insgesamt ein Buch, das sehr umfangreich und gründlich auf Theorien und
bisherigen Stand der Forschung eingeht. Der Preis für die verschiedenen
Blickwinkel der verschiedenen Autoren (die Beiträge sind so geschrieben, dass sie auch einzeln verständlich wären) liegt erwartungsgemäß in einer gewissen Redundanz der Beiträge.
Praktische Anwendungsmöglichkeiten und Tipps (wie zur Gesprächsführung oder zum psychotherapeutischen Versorgungssystem) werden leider überwiegend allgemein und/oder kurz
gehalten. Wie Arbeitsmediziner (und in unserem Kontext z. B.
auch Truppenärzte) Einfluss auf die gesundheitsförderliche Gestaltung von Arbeit nehmen können, wird eher in großen Kontexten (wissenschaftlich begleitete Mitarbeiterbefragungen, deren Methodik und Möglichkeiten) als in kleinen, praxisnäheren
Zusammenhängen (z. B. Gesprächsführung mit Vorgesetzten
von belasteten Mitarbeitern) beschrieben. Daher dürfte dieses
Buch vor allem für Personen interessant sein, die sich mit der
Erfassung psychischer Belastungen bei der Arbeit bzw. im
Dienst und mit der Entwicklung von Konzepten zur Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention befassen und sich dazu über den
aktuellen Stand der Forschung und Wissenschaft informieren
wollen.
Oberstabsarzt Dr. Beate Eisenführ,
Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie
Zentrum für Seelische Gesundheit, BwKrhs Hamburg
Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014
224
Buchbesprechungen
Wagner-Link, Angelika:
Aktive Entspannung und Stressbewältigung
Wirksame Methoden für Vielbeschäftigte
expert verlag GmbH, D-71272 Renningen
7. Aufl. 2014, 204 S. (PW, 120) Kt.
29,90 €, 49,90 CHF
ISBN-13: 978-3-8169-3182-9
Das Thema Stress und
Stressbewältigung
wird
mittlerweile seit Jahrzehnten aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. So
stammt denn auch die erste
Auflage des vorliegenden
Buches von Angelika Wagner-Link, explizit als Trainingsmanual bezeichnet,
aus dem Jahre 1989. Da sich
nicht nur die Anforderungen
an den Menschen, sondern
auch die Techniken des
Selbstmanagements verändert und verbessert haben,
ist es konsequent, diese neuen Erkenntnisse in einer Neuauflage
darzustellen. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Bedeutung psychischer Erkrankungen in der Gesellschaft und den dramatischen Auswirkungen auf die Arbeitswelt ist denn auch
durchaus zu erwarten, dass die Thematik auch weiterhin eine
breite Leserschaft erreicht. Die Autorin hat dabei den Anspruch,
das Thema Stressbewältigung und Entspannung theoretisch und
praktisch für einen möglichst breiten Leserkreis darzustellen.
Das gelingt ihr fraglos.
Auf 193 Seiten wird eine sehr umfangreiche Darstellung zum
Thema Stress vorgelegt, die auf bewährten verhaltenstheoretischen Konzepten basiert. Gedacht ist das Buch für Autodidakten, also Anwender, die für sich Verfahren der Stressbewältigung kennenlernen und trainieren möchten. Aber auch Psychologen, Ärzte und andere Berufsgruppen aus dem Gesundheitsbereich finden Anregungen für die Präventionsarbeit. In zahlrei-
chen Tabellen und Abbildungen werden diverse Protokolle, Listen und Pläne vorgestellt, die zu einem individuellen Trainingsprogramm zusammengestellt werden können.
Die Autorin legt aber offensichtlich großen Wert darauf, nicht
nur umfangreiche Trainingsmaterialen zur Verfügung zu stellen.
Die vorgestellten Methoden werden immer wieder in den theoretischen Rahmen eingebettet und Zusammenhänge für den Anwender erläutert.
Das Manual ist in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil wird in
zwei Kapiteln die theoretische Basis für ein erfolgreiches
Stressmanagement gelegt. Der Leser erfährt auf fast 50 Seiten
eine Einführung in die Stresstheorie, immer verknüpft mit Beispielen aus dem täglichen Leben. Im zweiten Kapitel werden
zahlreiche Methoden und Techniken der Entspannung und
Stressbewältigung sehr detailliert dargestellt. Hier finden sich
auf über 100 Seiten auch Verweise auf aktuelle Ansätze wie Humor in der Stressbewältigung, Salutogenese oder Resilienz. Der
dritte und letzte Teil verknüpft Theorie, Praxis und individuelle
Bedürfnisse des Lesers. Die Autorin gibt Beispiele und Hinweise, wie und wo einzelne Verfahren eingesetzt werden können,
die in den vorherigen Teilen ausführlich dargestellt wurden.
Das Buch ist auch ohne Vorkenntnisse von Laien gut zu lesen
und auch für den „Stressprofi“ finden sich immer wieder interessante neue Informationen. Einige wenige Kritikpunkte sind
aber zu nennen. Nur wenige der im Titel angesprochenen „Vielbeschäftigten“ werden wohl tatsächlich die Zeit finden, sich die
durchaus lesenswerten Ausführungen ganz durchzulesen. Die
Komplexität des Werkes erschwert allerdings das Querlesen.
Die unglaubliche Fülle an Informationen ist auch in anderer
Hinsicht gleichzeitig der Schwachpunkt des Buches. Einige der
Materialen sind wohl aus anderen Werken der Autorin entnommen und manchmal etwas lieblos ohne Anpassung des Layouts
eingefügt, seitenlange Strichaufzählungen stören mitunter den
Lesefluss.
Insgesamt aber handelt es sich um ein empfehlenswertes Buch,
mit dem die Autorin ihre Kompetenzen im Bereich des Stressmanagementtrainings erneut unter Beweis gestellt hat.
Priv.-Doz. Dr. Jens Kowalski
Psychotraumazentrum der Bundeswehr, Berlin
E-Mail: jenskowalski@bundeswehr.org
Wehrmedizinische Monatsschrift
Redaktion: Oberstarzt a. D. Dr. med. Peter Mees, Baumweg 14, 53819 Neunkirchen-Seelscheid, Telefon +49 2247 912057, E-Mail: wmm@p-mees.de
Herausgeber: Bundesministerium der Verteidigung, Presse- und Informationsstab, Stauffenbergstraße 18, 10785 Berlin.
Beirat: Prof. Dr. med. H. Fassl, Lübeck; Prof. Dr. med. L.-E. Feinendegen, Jülich; Prof. Dr. med. Dr. phil. G. Jansen, Düsseldorf; Prof. Dr. med. Dr. med. h. c. H.-W. Kreysel, Bonn; Prof. Dr. med. Dr. med.
dent. E. Lehnhardt, Hannover; Prof. Dr. W. Mühlbauer, München; Prof. Dr. med. K.-M. Müller, Bochum; Prof. Dr. rer. nat. Dr. med. E. Mutschler, Frankfurt; Prof. Dr. med. G. Paal, München; Oberstapotheker a. D. Dr. rer. nat. H. Paulus; Prof. Dr. med. dent. P. Raetzke, Frankfurt; Prof. Dr. rer. nat. H.-J. Roth, Tübingen; Prof. Dr. med. L. Schweiberer, München; Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Schwenzer,
Tübingen; Prof. Dr. med. H.-G. Sieberth, Aachen; Prof. Dr. med. H. E. Sonntag, Heidelberg; Generalarzt a. D. Dr. med. J. Binnewies, Köln; Admiralarzt a. D. Dr. med. R. Pinnow, Glücksburg.
Verlag:
Beta Verlag & Marketinggesellschaft mbH, Celsiusstraße 43, 53125 Bonn, Postfach 14 01 21, 53056 Bonn, Telefon 02 28/9 19 37-10, Telefax 02 28/9 19 37-23, E-Mail: info@beta-publishing.com; Geschäftsleitung: Heike Lange; Objektleitung: Peter C. Franz; Produktionsleitung: Thorsten Menzel. Satz und Litho: Susanne Hellinger, Langenfeld. Druck: Rautenberg Media & Print Verlag
KG, Troisdorf. Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
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Alle namentlich gezeichneten Beiträge – soweit sie nicht ausdrücklich mit einem * gekennzeichnet sind – geben die persönlichen Ansichten der Verfasserin, des Verfassers oder der Verfasser wieder. Sie
entsprechen nicht unbedingt den Auffassungen der Redaktion oder des Bundesministeriums der Verteidigung. Manuskriptsendungen an die Redaktion erbeten. Erscheinungsweise mindestens acht mal im
Jahr. Bezugspreis jährlich inkl. Porto- und Handlingkosten Inland: € 35,–; Europa: € 41,50; weltweit: € 49,50. Einzelheft: € 4,50 zzgl. Versandkosten € 1,80 Inland, € 4,50 Europa, € 9,50 weltweit. Das
Abonnement verlängert sich jeweils um 1 Jahr, falls nicht 8 Wochen vor Ablauf des Bezugsjahres gekündigt wird. Für Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. ist
der Bezug der Zeitschrift im Mitgliedsbeitrag enthalten. Sanitätsoffiziere der Bundeswehr, die Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie sind, erhalten die
„Wehrmedizinische Monatsschrift“ über ihre Dienststellen.
Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014
Der Sanitätsdienst der
Bundeswehr 2020
– Aufgaben, Strukturen, Menschen
Neuauflage des
Kompendiums erschienen!
Seit der Folge 22 des Kompendiums für den
Sanitätsdienst sind acht Jahre vergangen.
Dies machte aufgrund des schnellen Wandels
im Sanitätsdienst der Bundeswehr eine
Neuauflage notwendig.
Aus dem Vorwort des Herausgebers, Flottenarzt Dr. Möllmann:
Die 23. Auflage des „Kompendium des Sanitätsdienstes“ spiegelt die
Neuausrichtung unseres Sanitätsdienstes hin zu einem innovativen,
flexiblen und einsatzorientierten medizinischen Dienstleister für unsere Soldatinnen und Soldaten wider. Mit Blick auf die
zukünftigen Aufgaben, Fähigkeiten und Strukturen wird der „Sanitätsdienst der Bundeswehr 2020“ von ausgewählten
Wissens- und Erfahrungsträgern umfassend beschrieben und erläutert.
Unser Sanitätsdienst lebt aber vor allem von der Leistungsfähigkeit und der Motivation seiner Soldatinnen und Soldaten
aller Dienstgradgruppen, die sich tagtäglich – sowohl im Heimatland als auch im Auslandseinsatz – und mit großem
persönlichen Einsatz in die Auftragserfüllung einbringen. Auch sie kommen in diesem Buch zu Wort, indem sie – aus ihrer
persönlichen Sicht – von ihren dienstlichen Erfahrungen und Erlebnissen zu Hause und im Auslandseinsatz berichten.
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Bestellung von
Exemplar(en) der 23. Folge des Kompendiums des Sanitätsdienstes
zum Preis von € 24,80/Exemplar zzgl. € 2,80 Handling- und Versandkosten
Name:
Anschrift:
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E-Mail:
Datum:
Unterschrift:
Bitte senden Sie das Bestellformular an:
Fax: 0228/919 37-23, E-Mail: wm@beta-publishing.com oder postalisch an
Beta Verlag & Marketinggesellschaft mbH, Celsiusstr. 43, 53125 Bonn