Wehrmedizinische Monatsschrift
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Wehrmedizinische Monatsschrift
Fachorgan des Sanitätsdienstes der Bundeswehr 58. Jahrgang - Heft 6 - 20. Juni 2014 Wehrmedizinische Monatsschrift Herausgegeben durch das Bundesministerium der Verteidigung Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. da! t is r e t s o P e u e n s Da Übersicht über alle Standorte des zentralen Sanitätsdienstes in der Zielstruktur 2020. Jetzt mit umfangreicher Gliederung der einzelnen Behörden. Neben den Kommandobehörden und Bundeswehrkrankenhäusern auch mit der Aufschlüsselung der regionalen Sanitätseinrichtungen, Ausbildungseinrichtungen und Institute. dern! 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World Federation of Neurosurgical Societies (WFNS) Committee Meeting of Military Neurosurgeons 06.11.2014 11. Notfallsymposium, Westerstede 26. - 28.11.2014 1. Kreuther Symposium: Forum für MedABC-Schutz / ABCAbw / Gesundheitsversorgung unter Katastrophenbedingungen, Wildbad Kreuth 14. - 16.01.2015 1. Arbeitstagung Zahnmedizin des Kdo RegSanUstg, Damp 28. - 30.01.2015 22. Jahrestagung ARCHIS, Papenburg 04. - 06.03.2015 13. Arbeitstagung der Offiziere des Sanitätsdienstes im Norden, Damp 15. - 17.10.2015 46. Kongress der DGWMP e.V., Oldenburg Deutsche Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e.V. Bundesgeschäftsstelle Neckarstraße 2a 53175 Bonn Telefon 0228/632420 Fax 0228/698533 E-Mail: bundesgeschaeftsstelle@dgwmp.de Nä h In fo : er n ne de . io t p a m rm gw d w. w w e er t un 185 Verehrte Leserinnen und Leser, schon seit eineinhalb Jahren erscheint Ihre/unsere „Wehrmedizinische Monatsschrift“ in ihrer neuen Form – und das durchaus erfolgreich, wie man dankenswerter Weise Ihren vielen Kommentaren entnehmen kann. In diesen bestätigen Sie uns auch immer wieder in dem grundlegenden Ansatz, neben einem zeitgemäßen Layout besonderen Wert auf die fachliche Qualität jeder neuen Ausgabe zu legen. Dies zeigt sich deutlich an den Inhalten: Betrachtet man die Veränderung in den Themen und die Form ihrer Gestaltung und Präsentation, kann man diesen Wandel durchaus als eine „Verwandlung“ sehen. Gleichgültig, ob es sich um Originalia, Übersichten, Fallbeschreibungen oder Tagungsberichte aus unserem Sanitätsdienst oder Artikel aus dem internationalen Bereich bzw. der NATO handelt, Aktualität und wehrmedizinische wie zivil-militärische Bedeutung sind über die Grenzen unseres Berufsfeldes hinaus zweifelsfrei anerkannt. Für alle, die mit der Erstellung der Fachzeitschrift unmittelbar befasst sind, ist dies einerseits Bestätigung und Ansporn. Aber es macht ihnen auch bewusst, dass der Prozess der fachlichen „Neuausrichtung“ noch nicht abgeschlossen ist. Nach der äußeren Neugestaltung soll nun die inhaltliche Anpassung fortgeschrieben werden. Ziel ist es, durch eine Listung in den einschlägigen Fachportalen und -verzeichnissen, die „Wehrmedizinische Monatsschrift“ – als Spiegel der fachlichen Qualität des Sanitätsdienstes der Bundeswehr – zu dem deutschsprachigen Fachmedium für einsatz- und wehrmedizinische Themen in Europa zu machen. Grundlage dafür ist allerdings eine entsprechende fachliche Qualitätssicherung. Diese soll mit der Einrichtung eines unabhängigen „Review Boards“ etabliert werden, das die eingereichten Beiträge fachlich prüft und anschließend zur Veröffentlichung freigibt. Damit wollen wir zukünftig auch allen wissenschaftlich tätigen Kameradinnen und Kameraden im Sanitätsdienst eine zitierfähige Plattform für ihre Publikationen bieten. Flankiert wird diese mittelfristig erfolgende Weiterentwicklung der „Wehrmedizinischen Monatsschrift“ durch kurzfristige Änderungen. So sollen zum Beispiel zukünftig Abstracts von Beiträgen wehrmedizinischer Kongresses in einem eigenen Abschnitt veröffentlicht werden, um sowohl die Varianz und Qualität der Präsentationen angemessen vorstellen zu können als auch die vermittelten Weiterbildungsinhalte allen Sanitätsoffizieren zur Verfügung zu stellen. Mit dem Bericht über die Tagung der Sanitätsoffiziere des Nordens 2014 in der Ausgabe 4-14 wurde damit ein Anfang gemacht. Darüber hinaus wird die Verteilung unserer WMM demnächst durch den Sanitätsdienst selbst gesteuert, so dass Sie alle dann „Ihr“ Exemplar persönlich übersandt bekommen. Bitte fühlen Sie sich durch diese individuelle Übersendung „Ihrer“ Zeitung in jeder Hinsicht persönlich angesprochen: Nicht nur als geneigte Leserin und geneigter Leser, die/der die einzigartigen Möglichkeiten dieses Mediums für die eigene Fortbildung und den eigenen Kompetenzerhalt zu schätzen weiß, sondern auch als Zeugin und Zeuge für die hohe fachlich-wissenschaftliche Qualität des Sanitätsdienstes der Bundeswehr – durch Ihre eigenen Beiträge, die Sie an die Redaktion senden. In Vorfreude auf Ihre weitere engagierte Mitarbeit an „Ihrer“ WMM wünsche ich Ihnen, dass Sie auch diese Ausgabe wieder genießen können, Ihr Dr. Sven Funke Oberstarzt und Leiter des Presse- und Informationszentrums des Sanitätsdienstes der Bundeswehr Inhaltsverzeichnis Heft 5/58. Jahrgang ISSN 0043-2156 Mai 2014 Editorial Funke, S. 185 Übersichten Rump, A.F.E., Geppert-Hartmann, R., König, M.K. et al. Zertifizierte Algorithmen-basierte Kursformate in der notfallmedizinischen Ausbildung von militärischem Sanitätspersonal 186 Kasuistik Plümer, H., Fischer, S., Braun, M. LipidRescue™ - Erfolgreicher Einsatz infolge Ropivacainbedingter Lokalanästhetika-Intoxikation bei axillärer Plexusanästhesie Frickmann, H., Janke, C., Wiemer, D. Kasuistik: „Minority report“ – Interferon-Sprünge und Interpretationsakrobatik 192 197 Techniken, Verfahren und Methoden Mathieu, R., Mayer, S., Schulz, C., Mauer, U.M., Kunz, U. "Intraoperative Magnetresonanztomografie am Bundeswehrkrankenhaus Ulm – erste Erfahrungen" 201 Internationale Beiträge Müller, N., Rother, E., Borden, N., Sudeck, H. Treatment of an US soldier developing hemorrhagic fever with renal syndrome during the 34th KFOR Mission in Kosovo 206 Geschichte der Wehrmedizin Machalett, G. Psychophysische Leistungsfähigkeit der Soldaten der Nationalen Volksarmee der ehemaligen DDR – ein historischer Rückblick 209 Aus der NATO 213 Tagungen und Kongresse 216 Miteilungen aus der DGWMP e.V. 221 Buchbesprechungen 222 Titelbild: Gametozyten von Plasmodium falciparum im Blutausstrich, gefaerbt nach Giemsa Bildquelle: Oberstabsarzt Dr. Hagen Frickmann, BwKrhs Hamburg / Bernhard-Nocht-Institut Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014 186 Ü BERSICHTEN Aus der Sanitätsakademie der Bundeswehr, München1 (Kommandeurin: Generalstabsarzt Dr. E. Franke), dem Deutschen Berufsverband Rettungsdienst e.V, Offenbach2 (1. Vorsitzender: M. König) und der DBRD Akademie GmbH, Offenbach3 (Geschäftsführer: B. Gliwitzky) Zertifizierte Algorithmen-basierte Kursformate in der notfallmedizinischen Ausbildung von militärischem Sanitätspersonal Certfified algorithms-based course formats in emergency medicine training of military medical personnel Alexis F.E. Rump1, Rainer Geppert-Hartmann1, Marco K. König2, 3, Bernhard Gliwitzky2, 3, Volker Hartmann1 Zusammenfassung Hintergrund: In der notfallmedizinischen Ausbildung haben sich Algorithmen-basierte Kurssysteme international immer mehr durchgesetzt. Auch der Sanitätsdienst der Bundeswehr hat solche Kurse eingeführt. Methode: Literaturrecherche (Medline, PubMed) und Auswertung eigener Erfahrungsberichte. Ergebnisse: Die Sanitätsakademie der Bundeswehr ist International Training Center der American Heart Association und Pre-Hospital Trauma Life Support (PHTLS) Training Site. Advanced Cardiac Life Support (ACLS) Kurse sind in die Lehrgänge für Sanitätsoffiziere zur Erlangung der Zusatzbezeichnung Notfallmedizin integriert. Bei PHTLS Kursen erfolgt die Ausbildung von Ärzten und Rettungsassistenten gemeinsam, so dass die Arbeit im Team, wie sie in der Notfallversorgung erforderlich ist, eingeübt werden kann. Schlussfolgerung: Neben der Standardisierung der Behandlungsabläufe wird durch diese Kurssysteme mit ihrer einheitlichen und einfachen Fachsprache auch die Kommunikation bei vorliegenden Sprachbarrieren deutlich erleichtert. Schlagwörter: Militärmedizin, Notfallmedizin, Ausbildung, ACLS, PHTLS Summary Background: In emergency medicine training algorithmbased course formats are increasingly used. The Bundeswehr Medical Service has introduced such training courses too. Method: Literature research (Medline, PubMed) and evaluation of own courses. Results: The Medical Academy of the Bundeswehr has been accredited as an International Training Center of the American Heart Association and a Pre- Hospital Trauma Life Support (PHTLS) training site. Advanced Cardiac Life Support (ACLS) training has been integrated in courses for medical officers to qualify as emergency physicians. Physicians and paramedics attend PHTLS courses together in order to perform team training as needed for optimized emergency care. Conclusion: In addition to standardization of treatment procedures these courses using a uniform and simple terminology are suited to facilitate communication despite language barriers. Key words: Military medicine, emergency medicine, training, ACLS, PHTLS Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014 Erfordernisse der notfallmedizinischen Ausbildung im Sanitätsdienst Die Bundeswehr hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten zu einer Armee entwickelt, die global im Einsatz ist. Besonders der Einsatz in Afghanistan entspricht dabei einem kriegsähnlichen Zustand. Die Anforderungen an die sanitätsdienstliche Unterstützung haben sich damit grundlegend geändert. Dabei gilt aber weiterhin die Maxime des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, dass jedem Soldaten bei Erkrankung oder Verwundung im Auslandseinsatz eine medizinische Versorgung zuteil werden muss, die im Ergebnis dem fachlichen Standard in Deutschland entspricht. Unabhängig von den besonderen Strukturen der Rettungskette und der sanitätsdienstlichen Einrichtungen im militärischen Einsatzgebiet [1] sowie der Weiterentwicklung der sanitätsdienstlichen Einsatzgrundsätze sind dennoch bis heute die Prinzipien der präklinischen ärztlichen Versorgung im Einsatz unverkennbar vom zivilen Rettungs- und Notarztdienst in Deutschland geprägt. Dies ist auch nur natürlich, da die Militärmedizin allgemein kein eigenes medizinisches Fachgebiet darstellt, sondern nur eine Anwendung medizinischer Kenntnisse und Fähigkeiten unter besonderen militärischen Bedingungen. Dennoch darf der Einfluss des konfliktuellen Rahmens auf die medizinische Versorgung nicht unterschätzt werden. Dies gilt besonders für die Versorgung in Gefechtssituationen, aber auch für die Versorgung anderer Notfälle außerhalb eines geschützten Lagers durch die allgegenwärtige potenzielle Bedrohung. Abgesehen von der Konfrontation mit im Zivilbereich ungewohnten und teilweise schweren Verletzungsmustern unterliegt das Sanitätspersonal zahlreichen einschränkenden Zwängen, die durch die taktische Lage vorgegeben sind und sich unvermeidlich auf die Behandlungsabläufe auswirken. Die Gefährdung des Rettungsteams und der eigenen Person schafft dabei einen in dieser Intensität ungewohnten psychischen Druck. Eine professionelle und reibungslose notfallmedizinische Versorgung unter diesen Umständen setzt eine entsprechende Ausbildung voraus, die sowohl medizinische als auch militärische Fähigkeiten umfassen muss. Moritz von Nassau (1567 - 1625) hatte bereits erkannt, dass sich die Leistungsfähigkeit von Soldaten im Gefecht durch die Einübung von automatisierten Abläufen („Drill“) verbessern lässt. Der Gebrauch der Muskete wurde in 43 Einzelschritte zerlegt und jedem dieser Schritte ein Kommando zugeordnet. Das Eindrillen exakter Bewegungsabläufe lenkt von der Angst ab, der Soldat vergisst den Feind und findet „einen Exerzierplatz selbst auf dem Schlachtfeld“ [2]. A. Rump et al.: Zertifizierte Algorithmen-basierte Kursformate in der notfallmedizinischen Ausbildung Es ist inzwischen anerkannt, dass die intelligente Übertragung dieser Prinzipien und eine Ausbildung mit dem Ziel, durchdachte aber standardisierte Behandlungsabläufe einzuführen, auch in einem zivilen Umfeld geeignet ist, die Versorgungsqualität in der Akutmedizin zu optimieren. Zu diesem Zweck sind Algorithmen-basierte Kurssysteme geschaffen worden (z. B. ACLS, ERC, PHTLS usw.), die sich in den letzten Jahren weltweit immer mehr durchgesetzt haben und als Nachweis eines qualitativ hohen Versorgungsstandards anerkannt sind. Neben der Standardisierung der Behandlungsabläufe bedienen sich diese Kurssysteme einer einheitlichen Fachsprache, die die Kommunikation auf der gleichen sowie auch zwischen verschiedenen Behandlungsebenen deutlich erleichtert. Eine einfache gemeinsame Terminologie ist beim Vorliegen sprachlicher Barrieren, wie sie im Rahmen der inzwischen regelhaft multinationalen militärischen Einsätze oft vorkommen, für einen reibungslosen Behandlungsablauf von entscheidender Bedeutung. Solche standardisierten Kursformate sind für die notfallmedizinische Versorgung im militärischen Einsatz von hohem Interesse. Daher werden entsprechende Kurssysteme in mehreren NATO-Streitkräften in die Ausbildung des Sanitätspersonals integriert. Auch der Sanitätsdienst der Bundeswehr hat algorithmenbasierte Kurse auf verschiedenen Ebenen aktiv eingeführt. Standardisierte Kursformate Bei allen Unterschieden weisen international anerkannte und zertifizierte Kurse, die durch ein Markenzeichen geschützt sind, Gemeinsamkeiten auf. Gegenstand dieser Kurse sind Notfälle, mit denen der einzelne Arzt oder Rettungsassistent in der Regel mit einer nur geringen Wahrscheinlichkeit konfrontiert wird. Ziel ist es, für diese Notfallsituationen Handlungssicherheit zu erzeugen. Die Kursdauer ist meist auf zwei Tage beschränkt, das Zeitmanagement dafür aber sehr straff. Eine intensive theoretische Vorbereitung der Kursteilnehmer ist daher unabdingbar. Während der Kurse wird der Fokus auf das Wesentliche gerichtet nach dem allgemeinen Prinzip „Treat first what kills first“, und der Schwerpunkt der Ausbildung liegt auf dem Einüben von Algorithmen-basierten und Prioritäten-orientierten Untersuchungs- und Behandlungsabläufen. Die Kurse schließen i. d. R. mit einer schriftlichen und praktischen Prüfung ab. Eine Rezertifizierung der sog. „Provider“ ist regelmäßig (in Abhängigkeit der Kursformate alle 3 - 4 Jahre) erforderlich. Für den Veranstalter ist die Durchführung einer dieser international anerkannten Kurse personell, materiell und organisatorisch aufwendig: Zur Wahrung der Einheitlichkeit der Ausbildung dürfen nur in dem Kursformat zertifizierte Instruktoren unterrichten. Es bestehen weiterhin Mindestanforderungen bezüglich des Verhältnisses von Instruktoren zu Kursteilnehmern (z. B. 1 Instruktor für 4 Lehrgangsteilnehmer bei PHTLS Kursen). Besonders bekannt sind Kurse zur Vermittlung und zum Nachweis eines Reanimationsstandards. Reanimationsmaßnahmen sollten ohne Verzug nach den geltenden Guidelines erfolgen und ein standardisiertes Training der feststehenden Algorithmen bietet sich zum Einüben an. Zu nennen sind die Kursformate der American Heart Association (Advanced Cardiac Life Support, ACLS) und die Advanced Life Support (ALS) Kurse des European Resuscitation Council (ERC). Bei ACLS Kursen werden die theoretischen Grundlagen durch Filmmaterial vermittelt, während bei ALS Kursen des ERC das Wissen durch Do- 187 zenten vermittelt wird. Die Kurse des ERC sind auch thematisch etwas umfangreicher und für die Durchführenden damit aufwändiger. Den Besonderheiten bei der Reanimation von Kindern wird durch das Angebot von hierfür spezialisierten Kursen (z. B. Pediatric Advanced Life Support, PALS oder European Pediatric Life Support, EPLS) Rechnung getragen. Ein standardisiertes Vorgehen bei der Behandlung von Traumapatienten im Schockraum wird in Advanced Trauma Life Support (ATLS) Kursen vermittelt [3]. Die persönliche Erfahrung offensichtlicher Mängel bei der Versorgung schwerverletzter Patienten hatte einen Orthopäden aus Nebraska veranlasst, ein ähnliches Kursformat wie ACLS für Traumapatienten zu entwickeln. Dabei wurde das Prioritäten-orientierte ABC des Traumapatienten und das Konzept der „Behandlung im Ablauf“ eingeführt. Der erste ATLS Kurs fand 1978 in Auburn (Nebraska) statt und das Konzept hat inzwischen weltweit Verbreitung gefunden. ATLS Kurse stehen ausschließlich Ärzten offen. Ein entsprechender Kurs für nicht-ärztliches Fachpersonal wurde ebenfalls entwickelt (ATCN: Advanced Trauma Care for Nurses). Als präklinische Variante von ATLS haben sich das Pre-Hospital Trauma Life Support (PHTLS) und das International Trauma Life Support (ITLS) Konzept etabliert [4, 5] (siehe Tabelle 1). Beide Kursformate stehen sowohl ärztlichem als auch nichtärztlichem Rettungsdienst-Fachpersonal offen. Das PHTLS Konzept betont die Bedeutung der Kinematik des Traumas und der initialen Klassifizierung des Patienten als „potenziell kritisch“ oder „potenziell unkritisch“. Es folgt der „Primary Survey“ nach dem ABCDE-Schema, wobei auch Trauma-spezifische Aspekte berücksichtigt werden (z. B. die 4 großen Blutungsräume Thorax, Abdomen, Becken und Oberschenkel). Die abschließende Bewertung des Verletzten als kritisch oder unkritisch bestimmt das Transportziel (Traumazentrum oder Krankenhaus der Grundversorgung). Das PHTLS Konzept betont die Bedeutung eines effizienten Zeitmanagements und einer zügigen Einlieferung in eine adäquate Behandlungseinrichtung, da viele Verletzungsmuster nur chirurgisch versorgt werden können. Dies bedeutet allerdings auf keinen Fall, dass eine notwendige präklinische Versorgung unvollständig bleiben darf, vielmehr muss die erforderliche Behandlung, einschließlich der Anlage des Monitorings, „im Ablauf“ (z. B. parallel in Abhängigkeit der Verfügbarkeit von Helfern, während des Transports) erfolgen. Eine Innovation stellt der Advanced Medical Life Support (AMLS) Kurs dar, der als internistisches Gegenstück des PHTLS Kurses angesehen werden kann. Die Inhaberschaft der Lizenz liegt für beide Kursformate bei der National Association of Emergency Medical Technicians (NAEMT) und für Deutschland beim Deutschen Berufsverband Rettungsdienst e. V. (DBRD). Das didaktische Konzept ist für PHTLS und AMLS das Gleiche. In Anbetracht der Bedeutung internistischer Krankheitsbilder im Rettungs- und Notarztdienst ist zu erwarten, dass AMLS Kurse künftig einen hohen Zulauf haben werden. Der Advanced Hazmat Life Support (AHLS) Kurs behandelt das notfallmedizinische Management bei Expositionen mit gefährlichen Stoffen und Gütern (Chemikalien, biologische und radioaktive Agentien) [6]. Wie auch bei anderen standardisierten Kursformaten wird ein Algorithmen-basiertes und PrioritäWehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014 188 A. Rump et al.: Zertifizierte Algorithmen-basierte Kursformate in der notfallmedizinischen Ausbildung Tab. 1: Zeitplan eines Pre Hospital Trauma Life Support (PHTLS) Kurses ten-orientiertes Abarbeiten von Einsatzsituationen durch ärztliches und nicht-ärztliches Personal vermittelt. Der Kurs ist praktisch orientiert und bezweckt keine wissenschaftliche Ausbildung zum Toxikologen. Neben dem AHLS Provider Kurs werden auch Spezialkurse, z. B. zu den verwandten Themenfeldern ABC-Terrorismus und Inhalationstrauma, angeboten (AHLS for Toxic Terrorism, AHLS for Chemical Burns & Toxic Products of Combustion, siehe Tabelle 2). Das Kursformat wurde vom Arizona Emergency Medecine Research Center in Tucson (AEMRC) in Zusammenarbeit mit der American Academy of Clinical Toxicology (AACCT) entwickelt. Als Folge der Anschläge vom 11. September 2001 und der Möglichkeit weiterer Terrorakte unter Verwendung von ABC-Kampfstoffen nahm das Interesse an diesen Kursen in den USA stark zu. In Europa werWehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014 den bisher nur vereinzelt AHLS Kurse angeboten. Dies könnte neben den Kosten auch durch die besonderen Anforderungen an das Ausbildungspersonal bedingt sein (mindestens ein Toxikologe und ein Arzt, der als AHLS-Instruktor zertifiziert ist). Erfahrungen mit ACLS- und PHTLS-Kursen an der Sanitätsakademie der Bundeswehr Die Sanitätsakademie der Bundeswehr (SanAkBw) ist seit 2009 International Training Center der American Heart Association und führt – mit einer Unterbrechung in 2012, die wegen Neuverhandlung des Training Agreements mit der AHA notwendig wurde – regelmäßig ACLS-Kurse durch. Diese sind in einen 3wöchigen Lehrgang Notfallmedizin integriert, der im Rahmen A. Rump et al.: Zertifizierte Algorithmen-basierte Kursformate in der notfallmedizinischen Ausbildung Tab. 2: Inhalte von Advanced HAZMAT Life Support (AHLS) Kursen AHLS Provider (2 Tage) Tag 1 Gefahrstoffe – Epidemiologie – Eigenschaften von Gefahrstoffen – Umgang mit Verletzten Inhalationstoxikologie – Reizgase – Asphyktische Gase – Antidote (normobarer und hyperbarer Sauerstoff, Methylenblau, Amylnitrit, Natrium Nitrit, Natrium Thiosulfat, Hydroxocobalamin) Pestizide – Cholinesterase-Inhibitoren, Organophosphate & Carbamate; Antidote: Pralidoxim, Atropin Interaktive Bearbeitung von Fallbeispielen Tag 2 Ätzende Stoffe, Kohlenwasserstoffe und halogenierte Kohlenwasserstoffe Weitere Gifte – Hydrazine; Antidot: Pyridoxin – Fluorwasserstoff und Flusssäure; – Antidote: Calcium Gluconat und Calcium Chlorid Toxischer Terrorismus – Chemoterrorismus: Nervenkampfstoffe – Bioterrorismus: Anthrax, Botulismus; Botulinum Antitoxin – Radiologische und nukleare Zwischenfälle & Terrorismus Interaktive Bearbeitung von Fallbeispielen Prüfung AHLS for Toxic Terrorism (1 Tag) Chemoterrorismus – Reizgase – Zyanide – Antitode: Amylnitrit, Natrium Nitrit, Natrium Thiosulfat – Nervenkampfstoffe: Der Sarin-Anschlag in der Tokioter U-Bahn – Antidote: Pralidoxim & Atropin Bioterrorismus – Pocken, Anthrax – Botulismus; Botulinum Antitoxin Radiologische und nukleare Zwischenfälle & Terrorismus Interaktive Bearbeitung von Fallbeispielen AHLS for Chemical Burns and Toxic Products of Combustion (ein halber Tag) Allgemeine AHLS Grundsätze – Epidemiologie – Eigenschaften von Gefahrstoffen – Umgang mit Verletzten – Persönliche Schutzausrüstung & Dokumentation – Antidote Ätzende Stoffe – Ätzende Stoffe – Fluorwasserstoff & Flusssäure – Antidote: Calcium Gluconat & Calcium Chlorid Inhalationstoxikologie – Reizgase, Asphyktische Gase – Antidote (normobarer und hyperbarer Sauerstoff, Amylnitrit, Natrium Nitrit, Natrium Thiosulfat) Interaktive Bearbeitung von Fallbeispielen 189 der Postuniversitären Modularen Ausbildung von allen Sanitätsoffizieren Arzt durchlaufen wird. Gleichzeitig wird damit ein zertifizierter Reanimationsstandard nachgewiesen, der von den Landesärztekammern bei der Beantragung der Zusatzbezeichnung Notfallmedizin gefordert wird. In Hinblick auf eine optimale Versorgung der Soldaten im Auslandseinsatz wird besonderer Wert auf eine hochwertige traumatologische Ausbildung gelegt. Das PHTLS-Konzept wird in zahlreichen Armeen zur Ausbildung des Sanitätspersonals seit Jahren mit großem Erfolg intensiv genutzt, insbesondere auch im Sanitätsdienst der US-Streitkräfte. Aufgrund der zunehmenden multinationalen Zusammenarbeit im Einsatz und der Bedeutung des Sanitätsdienstes der US-Streitkräfte wurde vom Bundesministerium der Verteidigung entschieden, das Kursformat PHTLS bei der Bundeswehr in die sanitätsdienstliche Ausbildung aufzunehmen. Ziel ist es, eine optimale präklinische Versorgung von Traumapatienten mit Verletzungsmustern wie Schuss- und Explosionsverletzungen, die im zivilen Umfeld selten angetroffen werden, zu gewährleisten. PHTLS Kurse sind Teil des am Bundeswehrkrankenhaus Ulm entwickelten Konzeptes zur Basisausbildung von Notärzten im Sanitätsdienst der Bundeswehr [7]. Nach Durchführung von Pilotlehrgängen und Vertragsverhandlungen mit PHTLS Deutschland und dem DBRD e.V. als Lizenzinhaber wurde die SanAKBw im März 2011 als PHTLS Training Site akkreditiert und ist damit berechtigt, in eigener Zuständigkeit PHTLS Provider Kurse durchzuführen. Dabei werden alle Regularien der NAEMT und von PHTLS Deutschland eingehalten, um die Gleichwertigkeit der Provider Kurse im zivilen Bereich und bei der Bundeswehr sicher zu stellen. Die militärischen Lehrgangsteilnehmer müssen sich den gleichen schriftlichen und praktischen Prüfungen unterziehen, die allgemein auch bei zivilen Kursen vorgesehen sind. Auch die Auswahl und Ausbildung von zertifizierten Instruktoren erfolgt nach zivilen Kriterien durch Zuteilung eines „Instructor Potential“ an einige wenige Provider und die Zertifizierung als „Full Instructor“ nach erfolgreichem Besuch eines Instruktorenlehrgangs und zufriedenstellender Leistungen als „Instructor Candidate“ (Hilfsinstruktor). Für Bundeswehr-Verhältnisse eher unüblich ist das Freiwilligkeitsprinzip bei der Weiterqualifizierung zum PHTLS Instruktor, wodurch die Motivation der Ausbilder sichergestellt werden soll. PHTLS Kurse werden an der Sanitätsakademie der Bundeswehr als eigenständige 2-Tages Kurse oder im Rahmen eines einwöchigen „Military PHTLS“ Lehrgangs (Teamtraining taktische Verwundetenversorgung) angeboten. Dieser Lehrgang beinhaltet im Anschluss an einen Original PHTLS Kurs eine Einführung in taktische Verfahren der Verwundetenversorgung durch einen militärischen Führer und ein Skill-Training an tierischen Nebenprodukten, in dem handwerkliche Fähigkeiten zu notfallmedizinischen Techniken eingeübt werden (Anlage von intraossären Zugängen, Thoraxdrainagen, Koniotomie). Im Anschluss werden die vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten auf verschiedenen Stationen eines Notfallparcours unter einsatzähnlichen Bedingungen (Tragen einer Splitterschutzweste, Mitführen einer Waffe zur Selbstverteidigung, usw.) trainiert (Abb. 1). PHTLS Provider Kurse stehen wie im zivilen Umfeld sowohl Ärzten als auch Rettungsassistenten offen. Das Kurskonzept ist bewusst darauf ausgerichtet, ein Teamtraining durchzuführen, entsprechend den realen Verhältnissen bei der Versorgung von Notfallpatienten. Es wird bei der Zuteilung von LehrgangsplätWehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014 190 A. Rump et al.: Zertifizierte Algorithmen-basierte Kursformate in der notfallmedizinischen Ausbildung Abb. 1: „Care under Fire“: Übung im Notfallparcours der Sanitätsakademie der Bundeswehr zen nach Möglichkeit darauf geachtet, ein ausgewogenes Verhältnis von Ärzten und Rettungsassistenten zu gewährleisten. Dies ist in dieser Form ein Novum, da im Sanitätsdienst der Bundeswehr, abgesehen von der spezifischen militärisch orientierten Einsatzvorbereitung und Lehrgängen für AirMedEvac Personal am Flugmedizinischen Institut der Luftwaffe, in der medizinisch-fachlichen Aus- und Fortbildung immer noch eine Trennung von Offizieren und Unteroffizieren besteht. Die enge kollegiale Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Rettungsassistenten, wie sie in der Notfallversorgung erforderlich ist und im Auslandseinsatz in der Regel gelebt wird, muss in der notfallmedizinischen Ausbildung erst noch etabliert werden. Damit leisten PHTLS Provider Kurse auch einen mittelbaren Beitrag zur Weiterentwicklung des Sanitätsdienstes, indem gedanklich verankerte traditionelle Schranken zwischen Dienstgradgruppen, die unterschiedliche aber gleichermaßen erforderliche Fähigkeiten einbringen, überwunden werden können. an eine sanitätsdienstliche Rettungskette angeschlossen zu sein. Damit ergab sich einerseits die Notwendigkeit, Kommandosoldaten (d. h. Kombattanten) medizinisch auszubilden („Combat First Responder“) und ihnen andererseits Verfahrensregeln an die Hand zu geben, wie bei Spezialoperationen medizinisch zu verfahren ist, bis Verletzte zur weiteren Versorgung an Kräfte des Sanitätsdienstes übergeben werden können. Es werden dabei drei Ziele verfolgt, nämlich den Verletzten medizinisch zu versorgen, weitere Opfer zu vermeiden und den militärischen Auftrag erfolgreich zu erfüllen. Das PHTLS Konzept bildet da- Tactical Combat Casualty Care Das Tactical Combat Casualty Care (TCCC oder T3C) ist ein Konzept zur Versorgung von Verletzten im militärischen Einsatz. Es wurde in den 1990er Jahren in den USA für Spezialkräfte entwickelt. Diese führen Operationen in der Tiefe des Raumes durch, ohne dabei immer Abb. 2: Todesursachen auf dem Gefechtsfeld (Killed in Action) und nach Aufnahme in eine sanitätsdienstliche Einrichtung (Died of Wounds); aus [9] Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014 A. Rump et al.: Zertifizierte Algorithmen-basierte Kursformate in der notfallmedizinischen Ausbildung bei die medizinisch-fachliche Grundlage des TCCC, dem im PHTLS Kursmanual auch ein eigenes Kapitel gewidmet ist. Weiterhin existiert im Englischen eine militärische Version dieses Manuals. Nach den vorliegenden statistischen Auswertungen überlebt ein Großteil der schwerverwundeten Soldaten im Gefecht nicht [8]. Vermeidbar in der Frühphase nach der Verwundung sind schätzungsweise 10 % der Todesfälle, hauptsächlich durch Verbluten aus einer Extremitätenwunde, durch Spannungspneumothorax oder Verlegung der oberen Atemwege [9, 10, 11] (Abb. 2). Nach Aufnahme in einer stationären Behandlungseinrichtung stehen im weiteren Verlauf Infektionen und ein Multiorganversagen im Vordergrund [12]. Die medizinischen Maßnahmen, die bei TCCC auf dem Gefechtsfeld im Focus stehen, zielen auf die Behandlung der drei unmittelbar lebensbedrohlichen und vermeidbaren Todesursachen mit einfachen Mitteln. Das Ausmaß der Versorgung von Verletzten hängt zwangslaüfig von der taktischen Lage ab und wird drei Phasen zugeordnet: Care under Fire, Tactical Field Care und Tactical Evacuation Care (Tab. 3). Das TCCC Konzept ist demnach in erster Linie für eigenständig operierende Spezialkräfte gedacht. Die Prinzipien des TCCC werden aber auch darüber hinaus in den ersten Ebenen der Verwundetenversorgung genutzt. Der an der Sanitätsakademie der Bundeswehr durchgeführte Lehrgang „Military PHTLS“ ist kein TCCC Lehrgang. Die Eingliederung von beweglichen Arzttrupps in Patrouillen und Konvois sowie Anschläge und Gefechtshandlungen, in die auch das Sanitätspersonal zwangsläufig hineingezogen wird, haben aber dazu geführt, dass einige Prinzipien des TCCC in der Ausbildung von Ärzten und Rettungsassistenten vermittelt werden. Ziel ist es dabei, ein ausreichendes Verständnis für die taktische Lage zu entwickeln, so dass eine möglichst effektive Versorgung der Verletzten ohne vermeidbare Gefährdung der eigenen Person oder der Truppe erzielt wird. Dies ändert nichts am Status des Sanitätspersonals, das nach wie vor zu den Nichtkombattanten gehört. Tab. 3: Die wichtigsten Maßnahmen in den 3 Phasen des Tactical Combat Casualty Care Care under Fire 1. Feuer erwidern 2. Den Verletzten in Deckung bringen 3. Massive Blutungen stillen (Tourniquet) 4. I.d.R. kein Atemwegsmanagement (ggf. Wendl-Tubus) Tactical Field Care 1. Den Verletzten entwaffnen 2. Massive Blutungen stillen (falls noch nicht geschehen) 3. Atemwegsmanagement 4. Punktion eines Spannungspneumothorax 5. Abdichten offener Thoraxwunden (z.B. Asherman chest seal) 6. Wärmeschutz 7. Intravenöser Zugang 8. Analgesie, Antibiotika (bereits präklinisch) 9. Verletzte Extremitäten schienen / verbinden Tactical Evacuation Care 1. Tactical Field Care Maßnahmen weiterführen unter Nutzung einer erweiterten medizinischen Ausstattung einschließlich Monitoring 191 Schlussfolgerungen Das gemeinsame Training von Ärzten und Rettungsassistenten entspricht der Realität im Notarzt- und Rettungsdienst und dem militärischen Grundsatz „train as you fight.“ Durch die internationale Anerkennung und Verbreitung des PHTLS Konzepts werden in den Kursen standardisierte Behandlungsabläufe eingeübt, wie sie auch in den Sanitätsdiensten anderer Streitkräfte gelehrt werden. Die sprachliche Standardisierung trägt weiter dazu bei die Versorgung von Verletzten im multinationalen Rahmen noch effektiver und effizienter zu gestalten. Literatur 1. Rump A: Sanitätsdienstliche Versorgung im Einsatz. In: CPM Forum „Unterstützung und Durchhaltefähigkeit“ 2009: 14 - 17 2. Stephan C: Das Handwerk des Krieges. Berlin: Rowohlt 1998 3. Scholz B, Gliwitzky B, Bouillon B, Lackner CK, Hauer T, Wölfl CG: Mit einer Sprache sprechen. Die Bedeutung des Pre-Hospital Trauma Life Support (PHTLS)-Konzeptes in der präklinischen und des Advanced Trauma Life Support (ATLS)-Konzeptes in der klinischen Notfallversorgung schwerverletzter Patienten. Notfall & Rettungsmedizin 2010; 1: 58 - 64 4. National Association of Emergency Medical Technicians (NAEMT). Präklinisches Traumamanagement. Das PHTLS-Konzept. München: Elsevier GmbH, Urban & Fischer Verlag 2012 5. Wölfl CG, Bouillon B, Lackner CK, Wentzensen A, Gliwitzky B, Groß B, Brockmann J, Hauer T: Prehospital Trauma Life Support (PHTLS). Ein interdisziplinäres Ausbildungskonzept für die präklinische Traumaversorgung. Unfallchirurg 2008; 111: 688 - 694 6. Bey T: Advanced HAZMAT Life Support. Notfall & Rettungsmedizin 2002; 5: 218 - 221 7. Helm M, Lührs J, Josse F, Kremers G, Weller N, Lampl L: Konzept zur Basisausbildung von Notärzten im Sanitätsdienst der Bundeswehr. Notfall & Rettungsmedizin 2012; 2: 146 - 151 8. Lechner R, Achatz G, Hauer T, Palm HG, Lieber A, Willy C: Verletzungsmuster und –ursachen in modernen Kriegen. Unfallchirurg 2010; 113: 106 - 113 9. Champion HR, Bellamy RF, Roberts P, Leppaniemi A: A profile of combat injury. J Trauma 2003; 54: 13 - 19 10. Hetz SP: Introduction to military medicine: A brief overview. Surg Clin N Am 2006; 86: 675 - 688 11. Lieber A, Willy C: Chirurgische Verletzungsmuster und –mechanismen. 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Zallet) LipidRescue™ - Erfolgreicher Einsatz nach Ropivacain-bedingter Lokalanästhetika-Intoxikation bei axillärer Plexusanästhesie LipidRescue™ - successful use after ropivacaine-related local anaesthetic toxicity in axillary plexus blockade Herbert Plümer, Sebastian Fischer und Michael Braun Zusammenfassung Bei lebensbedrohlichen Anzeichen einer LokalanästhetikaIntoxikation wie plötzlichem Bewusstseinsverlust mit oder ohne generalisierten Krampfanfall muss umgehend gehandelt werden. Die Lokalanästhetika-Injektion soll sofort gestoppt werden, gefolgt von einer umgehenden Sicherung der Atemwege mit adäquater Sauerstoffversorgung. Die Gabe von Antikonvulsiva wird empfohlen. Nach kardiovaskulären Symptomen muss gefahndet werden. Im Falle eines Herzkreislaufstillstandes hat die sofortige leitliniengerechte Reanimation zu erfolgen. Die Reanimationsbemühungen müssen stets über einen längeren Zeitraum fortgesetzt werden. Die Anwendung einer Lipidemulsion sowie der Einsatz der Herz-Lungenmaschine müssen in Betracht gezogen werden. Wenn Lipidemulsionen verfügbar sind, sollte die rasche Applikation eines Lipid-Bolus (1,5 ml/kgKG Lipidlösung 20 %) durchgeführt werden, gefolgt von einer definierten kontinuierlichen Infusion. Eine eindeutige Handlungsempfehlung sollte vorhanden und zugänglich sein. Schlüsselwörter: Intoxikation, Lokalanästhetika, Krampfanfall, Reanimation, SOP Summary Life-threatening signs of local anaesthetic toxicity, such as sudden loss of consciousness, with or without tonic-clonic convulsions need to be treated immediately by stopping the injection, securing and maintaining the airway and providing adequate oxygenation. Anticonvulsants are recommended. The cardiovascular status must be assessed. In the event of a cardiac arrest, cardiopulmonary resuscitation in accordance with standard protocols must be initiated without delay. It is important to remember that prolonged resuscitation may be necessary. The use of lipid emulsion and a cardiopulmonary bypass may be considered. If lipid is administered, a bolus dose of 1.5 ml/kg (lipid emulsion 20 %) followed by a defined continuous infusion may be appropriate. A precise standing operating procedure should be established and available. Keywords: Intoxication, Local Anaesthetics, Seizure, Resuscitation, SOP Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014 Einleitung Die Intoxikation mit Lokalanästhetika (LA) ist trotz des weitverbreiteten Einsatzes der Substanzen eine sehr seltene Komplikation [1, 2]. Die Inzidenz beträgt bei peripheren Nervenblockaden 0,075 bis 0,20 % [3]. Allerdings sind die Folgen im Einzelfall gravierend und mit enormen potentiellen Schädigungen bis zum Tod des Patienten verbunden [4]. Bei den Blockadetechniken an der oberen Extremität stellt die axilläre Plexusanästhesie das sicherste Regionalverfahren dar [5]. Als Ursache für die systemische Intoxikation wird einerseits die akzidentelle intravasale Injektion mit rasch einsetzender Symptomatik und andererseits ein resorptionsbedingter Anstieg des Plasmaspiegels bei größeren Gewebedosen mit verzögerter Symptomatik nach 20-30 Minuten unterschieden [3]. Dank verbesserten Erkenntnissen zur Pathophysiologie von LA und erfolgversprechenden tierexperimentellen Untersuchungen mehren sich in den letzten Jahren klinische Fallberichte über den erfolgreichen Einsatz von Lipidlösungen als zusätzliche Therapieoption bei der LA-Intoxikation. Die anästhesiologischen Fachgesellschaften in den USA, Großbritannien und Deutschland haben diesen Sachverhalt in ihre jüngsten Empfehlungen aufgenommen und publiziert [6-8]. Nachfolgend beschreiben wir den Fall einer Patientin, die während der Anlage einer axillären Plexusblockade eine schwerwiegende systemische LA-Intoxikation erlitt. Ziel dieser Abhandlung ist es, anhand des nachfolgenden Fallberichtes über die Notwendigkeit eines definierten Sicherheitsstandards bei der Durchführung von Regionalanästhesien zu sensibilisieren, Symptome der LA-Intoxikation zu erkennen sowie therapeutische Konzepte sicher und ohne Zeitverzögerung anzuwenden. Mögliche Fallstricke bei ungewohnter Medikamentenapplikation werden angesprochen und können durch eine klare, eindeutige Handlungsempfehlung (SOP) vermieden werden. Fallbericht - „Ich glaub, ich tret jetzt ab … “ Eine 47 jährige, 90 kg schwere Patientin stellte sich zur ambulanten Wundrevision des DIII der linken Hand in Plexusanästhesie vor. Die Patientin wurde aufgrund eines anamnestischen Carotistraumas mit passagerer neurologischer Symptomatik in 2001 und des bestehenden Übergewichtes nach der American Society of Anesthesia (ASA) als Risikoklasse II eingestuft. H. Plümer et al.: LipidRescue™ - Erfolgreicher Einsatz nach Ropivacain-bedingter Lokalanästhetika-Intoxikation Mehrere Voroperationen in axillärer Plexusanästhesie verliefen unauffällig. Primär wurden im Aufwachraum das Herzkreislauf-Monitoring und der venöse Zugang gemäß Klinikstandard angelegt. Die initial erhobenen Vitalparameter zeigten einen Sinusrhythmus von 62/min bei einem Blutdruck von 130/75 mmHg und 100 % Sauerstoffsättigung. Die Punktion des axillären Plexus erfolgte in Analgosedierung mit Remifentanil. Es wurde die Neurostimulationstechnik mit einer Pajunk Stimuplex Nadel 22G (50 mm) unter ständiger Aspiration angewendet. Die zu applizierende LA-Menge war mit 20 ml Ropivacain 0,75 % und 40 ml Prilocain 1 % geplant. Aufgrund einer einmaligen Gefäßpunktion wurde die Nadel entfernt, die Punktionsstelle komprimiert und ein Oberarzt hinzugerufen. Nach anschließender Nadelkorrektur unter stetig negativem Aspirationstest konnte eine Reizantwort in den Fingerbeugern bis 0,2 mA bei 2 Hz und 0,1 ms ausgelöst werden. Es erfolgte die langsame Injektion des Ropivacains in 5 ml Schritten bei intermittierender Aspiration. Nach der Applikation von 18 ml Ropivacain 0,75 % klagte die Patientin plötzlich über Unwohlsein. Den Worten: „Ich glaub´, ich tret´ jetzt ab…“ folgte eine nur flüchtige Exzitationsphase bis zur Manifestation eines generalisierten tonisch-klonischen Krampfanfalls. Parallel wurde im Monitor-EKG das Auftreten einer monomorphen ventrikulären Tachykardie mit einer Frequenz von 165/min beobachtet. Weitere Vitalparameter konnten aufgrund des Krampfanfalls nicht abgeleitet werden. Die Injektion wurde sofort abgebrochen und das anschließende Notfallmanagement konsequent nach den Empfehlungen der deutschen Gesellschaft für Anästhesie und Intensivmedizin (DGAI) ausgerichtet. Neben der unverzüglichen Sauerstoffapplikation über Maske wurden 15 mg Midazolam fraktioniert appliziert sowie Defibrillator und Amiodaron bereitgestellt. Bedingt durch die Persistenz des generalisierten Krampfanfalls waren sowohl die manuelle als auch die automatische Pulskontrolle so stark durch Artefakte überlagert, dass ein möglicher Herzkreislaufstillstand weder bestätigt noch ausgeschlossen werden konnte. Folglich konnte eine leitliniengerechte Therapie der VT zu diesem Zeitpunkt nicht gestartet werden. Angesichts der progredienten Hypoxiezeichen entschlossen wir uns nach 90 Sekunden, die Lipidtherapie vor der antiarrhythmischen Therapie durchzuführen. 30 Sekunden nach Bolusgabe von 135 ml SMOFlipid 20 % sistierte der Krampfanfall. Die monomorphe VT konvertierte in eine Sinustachykardie mit 115/min bei nun messbarem Puls mit Blutdruckwerten von 110/60 mmHg. Die deutliche Hypoxie mit 54 % Sauerstoffsättigung war unter jetzt möglicher Maskenbeatmung rasch regredient. Nach Intubation und Starten 193 der kontinuierlichen Lipidinfusion mit 100 ml/h via Perfusor konnten wir eine rasche Konsolidierung der kardiopulmonalen Symptomatik erreichen. Mit einem Sinusrhythmus von 90/min, Blutdruck 140/90 mmHg und 100 % Sauerstoffsättigung wurde die Patientin ohne zusätzliche antiarrhythmische Therapie und katecholaminfrei auf die Intensivstation verlegt. Im Verlauf waren keine weiteren Herzrhythmusstörungen oder neurologische Auffälligkeiten nachweisbar. Die Patientin konnte bereits 45 Minuten nach dem Ereignis extubiert und am nächsten Tag in Allgemeinanästhesie erfolgreich operiert werden. Systemische Toxizität von LA und klinische Symptome LA unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Toxizität. Aufgrund ihrer Wirkkinetik sind die mittellang wirkenden Substanzen wie Mepivacain, Prilocain und Lidocain unproblematischer als die lang wirkenden lipophilen Substanzen Ropivacain, Levobupivacain und Bupivacain [9]. Die systemische Toxizität von Levobupivacain liegt experimentell zwischen der von Bupivacain und Ropivacain [10]. Mit steigenden Plasmaspiegeln der Substanzen kann es zu Störungen vor allem des zentralen Nervensystems (ZNS) und des Herz-Kreislauf-Systems kommen [11]. Zudem scheinen lipophile LA, insbesondere Bupivacain, über eine direkte Beeinflussung der oxidativen Phosphorylierung die intrazelluläre Energiegewinnung im Herzmuskel zu beeinflussen. Durch Hemmung der Karnitin-Acylkarnitin-Translokase wird der Transport von Fettsäuren in die Mitochondrien beeinträchtigt und die Atmungskette mit der lebenswichtigen Produktion von Adenosintriphosphat (ATP) entkoppelt [12]. Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014 194 H. Plümer et al.: LipidRescue™ - Erfolgreicher Einsatz nach Ropivacain-bedingter Lokalanästhetika-Intoxikation Die systemische Toxizität von LA betrifft zunächst das ZNS. Symptome wie Übelkeit, Müdigkeit, periorale Taubheit, Unruhe, Doppelbildersehen und Schwindel sind oft Prodromi von kardiovaskulären Ereignissen [13]. Die Abfolge der ZNSSymptome kann in Stadien eingeteilt werden, die jedoch nicht zwangsläufig durchlaufen werden müssen (Tab. 1). Eine LA-Intoxikation kann sich durchaus zu Beginn als generalisierter Krampfanfall manifestieren [14 - 16]. Aufgrund der potenziellen Gefahrenlage bei LA-Blockaden durch Applikation relevanter LA-Mengen müssen grundsätzlich die in Tab. 2 genannten Vorsichtsmaßnahmen eingehalten werden [9]. Diskussion Obwohl der Einsatz von 20 %igen Lipidemulsionen zur Therapie von LA-Intoxikationen in der Literatur inzwischen als LipidRescue™ bezeichnet wird [17], ist ihr genauer Wirkungsmechanismus bis heute nicht bekannt [18]. Derzeit werden mehrere Theorien auf der Grundlage von Weinbergs tierexperimentellen Ergebnissen diskutiert [19-21]. Am bekanntesten ist die „Lipid sink“-Theorie, in der die Extraktion lipophiler LA aus Plasma und Gewebe beschrieben wird. In der „Fat rush“-Theorie wird zudem eine Reaktivierung der durch LA inhibierten Fettsäureoxydation an Herzmuskelzellen vermutet [18]. Erste Fallberichte über den erfolgreichen klinischen Einsatz von Lipidemulsionen erschienen bereits 2006 [15, 22]. Abgesehen von einer Ausnahme finden sich im Melderegister der American Society of Regional Anesthesia (ASRA) mehr als 20 Fallberichte über den erfolgreichen Einsatz der LipidRescue™ bei LA-Intoxikationen. Darüber hinaus werden 15 Fallberichte über den Einsatz bei Intoxikationen mit verschiedenen lipophilen Psychopharmaka, Antiarrhythmika und durch Cocainmissbrauch aufgeführt [23]. Folglich wird die Therapie mit einer 20 %igen Lipidemulsion in den amerikanischen Guidelines aktuell evidenzbasiert mit Grad IIa, Klasse B empfohlen. Hingegen sollte Propofol als Lipidersatz aufgrund des zu niedrigen Fettanteils und zu hoher kardiodepressiver Effekte vermieden werden (III; C) [6]. 2009 publizierte der wissenschaftliche Arbeitskreis Regionalanästhesie der DGAI seine Empfehlungen zur Lipidbehandlung (Tab. 3): Bei in aller Regel zunächst erkennbaren zentralnervösen Symptomen wie Desorientiertheit, Tremor, Verlust der Ansprechbarkeit bis hin zu tonisch klonischen Krämpfen soll die Lokalanästhetikazufuhr sofort gestoppt werden und eine umgehende Sicherstellung der Oxygenierung und der Atemwege erfolgen, um eine Hypoxie und Azidose zu vermeiden. Antikonvulsiva sollen gegeben werden. Nach kardiotoxischen Symptomen muss gefahndet werden. Im Falle eines Kreislaufstillstandes muss sofort die leitliniengerechte Reanimation erfolgen. Für die weitere möglicherweise spezifische Behandlung kann eine Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014 Lipidgabe erwogen werden. Empfehlenswert erscheint die rasche Applikation eines Bolus (1,5 ml/kgKG Lipidlösung 20 %) und eine anschließende kontinuierlichen Gabe mit 0,1-0,5 ml/kgKG/min über 30-10 Minuten (Tab. 3). Als Ultima Ratio bleibt - falls verfügbar - der Anschluss an die extrakorporale Zirkulation unter laufender Reanimation. Bedacht werden muss jedoch stets, dass die Reanimationsbemühungen über längere Zeit fortzusetzen sind [8]. Biscoping unterstreicht in diesem Zusammenhang, dass es sich bei der Lipidtherapie um eine zwar oft erfolgreiche, aber nur adjuvante Maßnahme bei lebensbedrohlichen LA-Intoxikationen handelt und selbstverständlich zuvor die Empfehlungen zur kardiopulmonalen Reanimation bei Herz-Kreislauf-Stillstand beachtet und befolgt werden müssen [24]. Trotz der Empfehlungen der Fachgesellschaften, experimenteller Daten und zahlreichen Fallberichten bestehen aber auch Zweifel über die Wirksamkeit der Lipidtherapie. So konnten die positiven Effekte aus verschiedenen experimentellen Untersuchungen nicht im Schweinemodell bestätigt werden [25, 26]. Aufgrund eines möglichen „Publikationsbias“ wird des Weiteren vermutet, dass erfolglose Behandlungsfälle nicht publiziert wurden, und dadurch eine falsch positive Datenlage suggeriert wird. Verschiedene Autoren bemängeln zudem eine vergleichsweise unzureichende Datenlage bei geringer klinischer Erfahrung [17, 27]. Daher empfiehlt der Arbeitskreis Regionalanästhesie, alle Fälle anonym dem bundesweiten Ereignis-Meldesystem unter www.Pasos-ains.de mitzuteilen. Abschließend wird auf mögliche Nachteile und Nebenwirkungen einer Lipidbehandlung hingewiesen. Die zur Behandlung einer LA-Intoxikation verabreichte Lipidmenge überschreitet die maximale empfohlene Dosis der Hersteller um das 120fache [8]. Es handelt sich bei dieser Therapieform also um einen „Off-Label-Use“, außerhalb der zugelassenen Herstellerindikationen. Eine Höchstdosis bei LipidRescue™ wurde im Gegensatz zu den Guidelines anderer Fachgesellschaften (10 - 12 ml/kgKG über 30 - 60 min) durch die DGAI nicht formuliert [6, 7]. In unserer Kasuistik müssen wir aufgrund der perakut einsetzenden Symptomatik von einer intravasalen Injektion des LA ausgehen. Der Injektion war bei der Blockadeanlage eine einmalige Gefäßpunktion vorausgegangen. Trotz Nadelkorrektur und nachfolgenden negativen Aspirationstesten ist ein druckbedingter Übertritt des Ropivacains durch die Gefäßleckage als wahrscheinliche Ursache anzunehmen. Bei der weiteren Nachbetrachtung unseres Notfallmanagements wurden wir auf ein scheinbar diskrepantes Vorgehen zu den Empfehlungen der Fachgesellschaften und auf einige Fallstricke mit nicht unerheblichem Gefahrenpotential aufmerksam: Wegen der Persistenz des Krampfanfalls konnte eine leitliniengerechte Therapie der VT nicht gestartet werden. Andererseits stand die zentralnervöse Symptomatik mit progredienter Hypoxie im Vordergrund. In diesem Konfliktfeld entschlossen wir uns für die vorzeitige Lipid-Bolus-Gabe. Durch das nachfolgend rasche Sistieren der zentralnervösen und kardialen Symptome konnte von der erwogenen antiarrhythmischen Behandlung abgesehen werden. Retrospektiv müssen wir von einer monomorphen VT ohne Kreislaufstillstand ausgehen, die jedoch nach den ERC-Reanimationsleit- H. Plümer et al.: LipidRescue™ - Erfolgreicher Einsatz nach Ropivacain-bedingter Lokalanästhetika-Intoxikation 195 linien primär mit Amiodaron zu behandeln gewesen wäre [28]. Aufgrund der hohen Lipophilie von Amiodaron [29] hätte in unserem Fall ein Versagen der vorgezogenen Lipidtherapie deletäre Folgen haben können. Wegen der bereits diskutierten „Lipid sink“Theorie wäre eine Amiodaronapplikation nach Lipidgabe über einen unbestimmten Zeitraum vermutlich wirkungslos geblieben. Darüber hinaus mussten wir konstatieren, dass die von uns berechnete kontinuierlich zu applizierende Lipidmenge fehlerhaft war. Es wurde nur ein Fünftel der empfohlenen Menge über 30 Minuten infundiert, respektive 0,02 ml/kgKG/min. Auch die von uns gewählte Applikationsform über eine Spritzenpume (Perfusor) erwies sich als ungeeignet. Die maximale Leistungsfähigkeit der in unserer Klinik eingesetzten Perfusoren beträgt 200 ml/h. Theoretisch hätte sie für das empfohlenen Zeitintervall über 30 Minuten 540 ml/h betragen müssen (Soll-Menge: 0,1 x 90 kgKG x 30 min = 270 ml in 30 Minuten). Die abteilungsinterne SOP zur LA-Intoxikation war zwar bekannt, jedoch nur über das hauseigene Computernetzwerk verfügbar. Dadurch wurde eine Kontrollberechnung der zu applizierenden Lipidmenge erschwert und nicht zeitgerecht vorgenommen. Die Sinnhaftigkeit einer definierten, kontinuierlichen Lipidgabe über 30 Minuten belegt Marwicks Fallbericht von 2009. Er beschreibt die Wiederkehr kardiotoxischer Symptome 40 Minuten nach der initial erfolgreichen Behandlung mit 150 ml einer 20 %igen Lipidlösung [30]. Die DGAI publizierte in ihren Empfehlungen zur Lipidbehandlung insgesamt 17 tabellarische Fallberichte. In allen Fällen wurde der empfohlene Lipidbolus von 1,5 ml/kgKG appliziert. Die anschließende kontinuierliche Lipidtherapie wurde in nur 8 Fällen und in äußerst heterogener Dosierung durchgeführt [8]. Die Ursache dafür sehen wir in den unterschiedlichen Dosierempfehlungen der Fachgesellschaften, einschließlich der Empfehlung von alternativen Dosierintervallen und Mengen. Eine einheitliche Empfehlung der Fachgesellschaften wäre hier zweifelsfrei von Vorteil. Erst kürzlich wurde durch eine Marburger Arbeitsgruppe auf die Notwendigkeit einer schriftlichen SOP bei LA-Intoxikationen hingewiesen. Im Gegensatz zur Empfehlung von Dosierintervallen und Mengen, entschied sich die Arbeitsgruppe für eine eindeutige Dosierungsempfehlung, um im Notfall keine zusätzlichen Irritationen zu verursachen [31]. Auch Neal und Mitarbeiter fordern klare, eindeutige HandlungsempfehWehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014 196 H. Plümer et al.: LipidRescue™ - Erfolgreicher Einsatz nach Ropivacain-bedingter Lokalanästhetika-Intoxikation Abb. 1: Regionalanästhesie-Arbeitsplatz mit SOP und LipidRescue™-Kit lungen, um im Notfall keine unnötigen Zeitverluste zu provozieren. Die Umsetzung der Therapieempfehlungen ist zudem deutlich verbessert, wenn solche Handlungsempfehlungen im Notfall verfügbar sind [32]. Wir können uns den Empfehlungen und der Kritik dieser Arbeitgruppen uneingeschränkt anschließen. Als Konsequenz des Ereignisses haben wir unsere SOP überarbeitet, eindeutige Dosierungen in einer gewichtsadaptierten Tabelle festgelegt und am Regionalanaesthesie-Arbeitsplatz hinterlegt (Tab. 4). Strategien zur Vermeidung möglicher Fallstricke wurden eingearbeitet und in Tab. 5 gesondert aufgeführt. Verschiedene Arbeitsgruppen empfehlen darüber hinaus die Vorhaltung eines LipidRescue™Kits am Regionalanästhesie-Arbeitsplatz (Abb. 1). Fazit für die Praxis Grundsätzlich sind bei der Durchführung von Regionalanästhesien ausreichende Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Ein klares Behandlungsregime (SOP) sollte nach den Empfehlungen der Fachgesellschaften definiert, etabliert und am Arbeitsplatz verfügbar sein. Für die Durchführung einer Lipidbehandlung sollten einfache, praktikable Applikationsformen und Dosierungen festgelegt sowie mögliche Fallstricke bedacht werden. Da noch vergleichsweise wenige klinische Erfahrungen zur Lipidbehandlung vorliegen, sollten alle Fälle anonym der DGAI über das EreignisMeldesystem unter www.Pasos-ains.de mitgeteilt werden. Picard u. Meek formulierten in diesem Zusammenhang [18]: „Fat may be bad for you, but it may just once be very good for your patient – and whether it is or not, tell us all!“ Literatur 1. Corcoran W, Butterworth J, Weller RS et al. Local anesthetic-induced cardiac toxicity: a survey of contemporary practise strategies among academic anaesthesiology departments. Anesth Analg 2006; 103:1322 - 1326 2. Sites BD, Taenzer AH, Herrik MD et al. Incidence of Local Anesthetic Systemic Toxicity and Postoperative Neurologic Symptoms Associated With 12.668 Ultrasound-Guided Nerve Blocks: An Analysis From a Prospective Clinical Registry. Reg Anesth Pain Med 2012; 37: 478 - 482 Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014 3. Mulroy MF. 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Apel) des Kommandos Sanitätsdienst2 (Inspekteur des Sanitätsdienstes: Generaloberstabsarzt Dr. I. Patschke) Kasuistik: „Minority report“ – Interferon-Sprünge und Interpretationsakrobatik Case report: “Minority Report” – “Fluctuating” Interferon Results and Interpretative Difficulties Hagen Frickmann1, Christian Janke2, Dorothea Wiemer1 Zusammenfassung Hintergrund: Interferon-Gamma Freisetzungsteste (interferon gamma release assays, IGRA) erlauben, bei nur wenigen bekannten Kreuzreaktionen, den Nachweis des stattgehabten Kontakts mit Erregern des Mycobacterium tuberculosisKomplexes beim immungesunden Patienten. Jedoch weisen auch diese Testsysteme Schwächen auf, insbesondere bei suboptimalen präanalytischen Bedingungen. Falldarstellung: Wir präsentieren exemplarisch einen klinisch gesunden Patienten ohne plausible Expositionsanamnese, der sich aufgrund von wiederholt falsch-positiven Quantifon®-Testen in einem Privatlabor bei unklaren Probenlagerungs- und –transportbedingungen zur weiteren Abklärung in unserem Haus vorstellte. Nach Optimierung der Präanalytik war kein positives Testergebnis mehr nachweisbar. Schlussfolgerungen: Der Fall belegt eindrucksvoll, wie diagnostische Testsysteme unter Routinebedingungen trotz akzeptabler Sensitivitäts- und Spezifitätswerte bei Patientenkollektiven mit geringer Vortestwahrscheinlichkeit zur Generierung falsch-positiver Ergebnisse beitragen könne. Diese sind häufig nur mit großem Aufwand auszuräumen. Auch die in der Bundeswehr übliche Praxis, gesunde Soldaten bei geringem Expositionsrisiko im Auslandseinsatz routinemäßig auf Tuberkulosekontakt zu untersuchen, führt zum häufigen Auftreten falsch positiver Ergebnisse und sollte deshalb überprüft werden. Schlagwörter: Tuberkulose; Quantiferon; Vortestwahrscheinlichkeit; IGRA; Screening Summary Background: Interferon gamma release assays (IGRA) allow the detection of previous contacts with pathogens of the Mycobacterium tuberculosis complex in immunologically healthy patients with only few known cross reactions. However, these test systems show weaknesses as well, in particular, if pre-analytic conditions are sub-optimal. Case report: We describe a clinically healthy patient without known exposition to tuberculosis patients who was admitted to our department for the further evalation of repeated positive Quantiferon® results which were measured in a commercial laboratory under uncertain pre-analytic conditions. No positive test result was detectable any more after the pre-analytic conditions were optimized. Conclusions: The case impressively demonstrates how diagnostic test systems may lead to falsely positive results under routine conditions in spite of acceptable sensitivity and specificitiy, if they are applied to samples of patients with a very low pre-test probability of positive results. The exclusion of such falsely positive results is often rather consuming. The mode of testing healthy soldiers with low risk of exposition to tuberculosis during abroad deployments leads to a certain amount of falsely positive results. Therefore, a reevaluation of this routine used in the Bundeswehr Medical Service should be discussed. Key words: tuberculosis; Quantiferon; pre-test probability; IGRA; screening Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014 198 H. Frickmann: Kasuistik: „Minority report“ – Interferon-Sprünge und Interpretationsakrobatik Tabelle 1: Zusammenschau der Vorbefunde des Patienten mit Verdacht auf stattgehabten Kontakt mit Mycobacterium tuberculosis Zeit vor Vorstellung bei uns Untersuchung Indikation Ergebnis 11 Monate vor Atalanta-Mission negativ (0 mm Induration) 7 Jahre Mendel-Mantoux-Test 2 Monate Quantiferon®-Test Mendel-Mantoux-Test Übernahme zum Offizier negativ (0 mm Induration) nach Atalanta-Mission positiv (ohne nähere Angaben) Besonderheiten Falsches Geburtsdatum erfasst, Befundausgang 1 Tag nach Probeneingang 2 Monate (1 Woche nach erstem Quantiferon®-Test) Quantiferon®-Test unklar, Verdacht auf Pro- negativ benverwechslung? (ohne nähere Angaben) Befundausgang 3 Tage nach Probeneingang 3 Wochen Quantiferon®-Test Befund lag nicht schriftlich vor bis 3 Tage Mendel-Mantoux-Test Zustand vor geplantem Auslandseinsatz Falldarstellung unklar, Vergleich mit Zu- negativ stand vor Einsatz? Ein Patient war vor und nach einem fünfmonatigen AtalantaEinsatz mit Mendel-Mantoux- (MMT)- und Quantiferon®Testen auf Tuberkulose untersucht worden.Vor dem Einsatz war ein Mendel-Mantoux-Test (MMT, Intrakutantest) mit negativem Ergebnis erfolgt. Nach dem Einsatz, aus dem kein Expositionsereignis zur Begründung einer gezielten Testung berichtet werden konnte, wurde zunächst ein Quantiferon®-Test durchgeführt, der ein positives Ergebnis zeigte. Dabei blieb offen, warum der Quantiferon®-Test und nicht erneut ein MMT-Test durchgeführt wurde. Ein weiterer Quantiferon®Test, der wenige Tage später, am ehesten aus einem Absicherungsbedürftnis heraus, abgenommen worden war, blieb dagegen negativ. Daraufhin wurde zunächst nichts weiter unternommen, auch ein radiologischer Tuberkuloseausschluss erfolgte nicht. Knapp zwei Monate später wurde vor geplantem Auslandseinsatz aus formalen Gründen wieder getestet, erneut mittels Quantiferon®-Test und diesmal wieder mit positivem Ergebnis. Ein daraufhin eingeleiteter MMT-Test wurde, drei Tage bevor sich der Patient an unserer Dienststelle vorstellte, als negativ befundet. Eine Übersicht der Untersuchungen findet sich in Tabelle 1. Aktuell fand sich an der Einstichstelle des letzten MendelMantoux-Tests nur noch eine blande Rötung ohne Induration. Der Patient war subjektiv asymptomatisch; Husten, Nachtschweiß, Gewichtsverlust, Fieber und selbst eine Allgemeinsymptomatik wurden verneint. Kontakte zu auffällig hustenden Mitmenschen waren weder für die Zeit während noch nach der Atalanta-Mission erinnerlich. Nach Geburt sei eine BCG-(Bacillus Calmette Guerin)-Impfung erfolgt. Die körperliche Untersuchung war unauffällig, ebenso die Röntgenuntersuchung des Thorax. Bei uns wurde erneut ein Quantiferon®-Test entnommen und umgehend ins nahegelegene Universitätsklinikum Eppendorf überstellt. Der Befund war negativ (Mitogenkontrolle: 22.39 IU/ml (Grenzwert: >0,5 IU/ml), TB-Ag-Nullkontrolle: 0.060 IU/ml (Grenzwert: 0,35 IU/ml)). Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014 positiv (ohne nähere Angaben) Diskussion Folgen einer Immunkonversion nach Kontakt mit Mycobacterium tuberculosis für Soldaten Eine nachgewiesene Immunkonversion, das heißt das Positivwerden eines zuvor negativen Interferon-Gamma Release Assays (IGRA, Funktionsdetails im Folgenden),liefert einen Hinweis auf eine stattgehabte Infektion mit Mycobacterium tuberculosis. Dies schließt falsch positive Resultate aus den im Folgenden geschilderten Gründen nicht aus. Wenngleich der Quantiferon®-Test neben Exposition gegenüber M. tuberculosisKomplex auch nach Kontakt mit den atypischen Mykobakterien M. kansasii, M. marinum und M. szulgai positiv werden kann, sind letztere Ereignisse die Ausnahme, so dass die Spezifität der IGRA mit 98-100% [1] recht hoch ist. Im Falle einer im Quantiferon®-Test nachgewiesenen Immunkonversion muss der Ausschluss einer aktiven Tuberkulose erfolgen. Dazu gehören die Röntgenuntersuchung des Thorax, eine Lymphknotenstatuserhebung sowie der Ausschluss einer sterilen Leukozyturie als möglichem Hinweis auf eine Urogenitaltuberkulose. Bei bekannter Risikoexposition oder klinischen Hinweisen auf ein hohes Progressionsrisiko (inbesondere Immunsuppression) folgen die mikrobiologischen Untersuchungen von Sputum (3 Sputen an drei Tagen mittels Ziehl-NeelsenFärbung und Kultur, eventuell 1-2 Sputen mittels PCR aufgrund des Zeitgewinns im Vergleich zur Kultur, bei jedoch eingeschränkter Sensivität [2]) und – im Falle einer sterilen Leukozyturie – auch von Urin (Kultur und ggf. PCR, Mikroskopie hier eher im begründeten Ausnahmefall, da Nachweis nicht-tuberkulöser Mykobakterien – auch mehrfach – im Urin meist von geringer medizinischer Bedeutung ist bzw. auf Kolonisation oder Kontamination beruht [2]). Während eine aktive Tuberkulose eine spezifische Behandlung nach sich zieht, geht auch die sogenannte latente Tuberkulose grundsätzlich mit einem Verlust der Auslandsdienstverwendungsfähigkeit für in der Regel 3 Monate bis zum Vorliegen endgültig negativer mikrobiologischer Befunde einher. Ferner ist zwischen Zufallsbefunden eines positiveån Quantiferon®- H. Frickmann: Kasuistik: „Minority report“ – Interferon-Sprünge und Interpretationsakrobatik Tests und sogenannter Immunkonversion zu unterscheiden. Von letzterer spricht man, wenn ein negativer Quantiferon®-Vorbefund vorlag, also von einem Expositionsereignis zwischen der vorausgegangenen und der aktuellen Testung auszugehen ist. Die Immunkonversion, also das Positivwerden des IGRA nach vorausgegangener Exposition, ist mit einer Progressionswahrscheinlichkeit zur aktiven TBC assoziiert, die situationsabhängig variert, aber insgesamt gering ist. Vorbeschriebene Progressionsraten über 10 % [3] finden sich vor allem bei engen Kontaktpersonen, insbesondere wenn hohe Gamma-Interferon-Antworten 8 Wochen nach letztmöglicher Exposition zu einem Indexfall beobachtet werden [4]. Im Gegensatz dazu konnte in einer portugisischen Studie lediglich eine 1,3-prozentige Progressionsrate bei IGRA-positiven Angestellten im Gesundheitssystem festgestellt werden [5]. Als Risikokollektiv für eine Progression zur aktiven TBC gelten vorerkrankte Patienten, z. B. mit Diabetes mellitus, Alkohol- oder Drogenabusus, erworbener Immunschwäche, Dialysepatienten und Transplantierte. Entsprechende Prädispositionen sind bei Soldaten die Ausnahme. Derzeit wird bei Angestellten im Gesundheitswesen eine präventive Therapie (in der Regel mit Isoniazid 300 mg/Tag über 9 Monate) für sinnvoll erachtet, wenn nach dokumentiertem engem Kontakt zu Tuberkulosepatienten ein positiv gewordener IGRA auf eine frisch erworbene latente Tuberkulose hinweist [4]. Als enger Kontakt definiert ist – neben z. B. ungeschützter Hustenexposition bei sputumpositiven Patienten – eine kumulative Kontaktdauer von mindestens 8 Stunden zu einem mikroskopisch positiven und von mindestens 40 Stunden zu einem mikroskopisch negativen und nur Kultur-/PCR-positiven Patienten [4, 6]. Entscheidet sich ein Soldat mit aktueller Immunkonversion nach Aufklärung für die Durchführung einer präventiven Therapie, ist dies bei der Prüfung der Auslandsdienstverwendungsfähigkeit zu berücksichtigen. Funktionsweise der IGRA Durch den Kontakt mit M. tuberculosis werden spezifische TLymphozyten induziert, die durch Stimulation mit mykobakteriellem Antigen zur Produktion und Ausschüttung von Interferon Gamma angeregt werden können. Das durch eine solche Stimulation ausgeschüttete Interferon wird im IGRA gemessen, sei es als globaler optischer Dichtewert im ELISA wie beim Quantiferon®-Test oder als farbiger Punkt an korrespondierender Position einer spezifisch induzierten T-Zelle wie beim ELISPOT®. Während beim ELISPOT® die Leukozyten quantifiziert werden, wird beim Quantiferon®-Test durch die sogenannte Mitogen-Kontrolle, die Lymphozyten unspezifisch stimuliert, geprüft, ob die Probe überhaupt genügend Interferon-bildende Lymphozyten enthält, was bei leukopenen Patienten unter Umständen nicht der Fall ist. Ein Quantiferon®-Test ist entsprechend nur auswertbar, wenn der Interferon-Messwert in der MitogenKontrolle einen definierten Grenzwert überschreitet. Wiederholt falsch positive Quantiferon®-Befunde sollten zur Prüfung der Präanalytik sowie ggf. zum Chargenwechsel führen. Fehlerquellen beim Quantiferon®-Test Probenverwechslungen sind häufige Ursachen unplausibler Befunde, wiederholte Verwechslungen sind jedoch ungewöhnlich. Einmal in akkreditierten Diagnostikeinrichtungen angekommen, kann eine lege artis durchgeführte Weiterbearbeitung der 199 Tabelle 2: Fehleranfällige Präanalytik des Quantiferon®-Tests: Grundsätzlich wirken sich präanalytische Fehler auch auf die interne, sogenannte ‚Mitogen‘-Kontrolle des Testsystems aus. Da die spezifischen Auswirkungen der Präanalytikeinflüsse auf die Immunfunktion der Zellen im Einzelfall jedoch nicht vorhersehbar sind, kommt es nicht obligat zu einer Störung der Mitogenkontrolle und damit einem nicht auswertbaren (aber somit auch nicht falschen) Ergebnis. Präanalytische Fehler bei Abnahme, Lagerung und Transport, die zu fehlerhaften Quantiferon®-Testergebnissen führen können: • Lagerung der Testpackungen unter Temperaturbedingungen jenseits der empfohlenen 4 - 25 °C • unzureichende Befüllung der Röhrchen • mangelnde Durchmischung von Blutprobe und Röhrcheninhalt • Transportzeiten bis zum Beginn der Inkubation von >16 Stunden • Lagerung befüllter Röhrchen im Kühl- oder Gefrierschrank • relevante kumulative Abweichungen von der 16 - 24-stündigen Inkubationszeit der befüllten Probe bei 37 °C Probe überlicherweise angnommen werden. Jedoch kann es bereits vorher zu systematischen präanalytischen Fehlern kommen, die zu falsch positiven Ergebnissen führen können, wie der Testhersteller bereits in der Bedienungsanleitung einräumt (Tabelle 2). Vom Anwender nicht zu beeinflussen sind technische Probleme bei der Herstellung bestimmter Testchargen, die als Ursachen falsch positiver Quantiferon®-Befunde beschrieben wurden [7]; hier kann ein Chargenwechsel Abhilfe schaffen. Überlagerte Chargen jenseits der vom Hersteller empfohlenen 15-Monatsgrenze sollten nicht mehr eingesetzt werden. Immunologische Boostereffekte, wie man sie von MMT-Mehrfachtestungen kennt, die innerhalb von 1 bis 5 Wochen durchgeführt werden [8], sind bei Quantiferon®-Testungen dagegen nicht zu erwarten, da letztgenannte Untersuchungen nicht invivo erfolgen. Andererseits können MMT-Testungen bestehende Sensibilisierungen boostern, sodass vermehrte InterferonGamma-Ausschüttungen im IGRA verstärkt messbar sind [9]. Solche Boostereffekte sind bei mehrfachen IGRA-Abnahmen jedoch nach Literaturlage nicht zu erwarten [9]. Sollten wiederholte immunologische Untersuchungen im Einzelfall, z. B. bei mehreren Expositionen, in kurzen Intervallen nötig sein, ist nach arbeitsmedinizischen Empfehlungen dennoch grundsätzlich der IGRA zu bevorzugen [10]. Jedoch zeigt sich auch beim IGRA, insbesondere bei schwach positiven Befunden, eine eingeschränkte Reproduzierbarkeit bei scheinbaren Spontanreversionen [11]. Folgerungen Der mit unserer Testcharge und unter bewusster Optimierung der Präanalytik durchgeführte negative Quantiferon®-Test legt, in Übereinstimmung mit dem aktuellen negativen MMT-Test und der leeren Expositionsanamnese, nahe, dass es bei dem Patienten zu zweimalig falsch-positiven Quantiferon®-Befunden kam und eine latente TBC sehr wahrscheinlich nicht vorlag. Eine präventive Chemotherapie sowie eine assoziierte EinWehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014 200 H. Frickmann: Kasuistik: „Minority report“ – Interferon-Sprünge und Interpretationsakrobatik schränkung der Vewendungsfähigkeit bei bevorstehendem erneuten Auslandseinsatz wurden unsererseits für nicht erforderlich erachtet. Neben der Optimierung der diagnostischen Präanalytik empfiehlt es sich, vor und nach Auslandseinsatz das gleiche Testsystem (Mendel-Mantoux oder Interferon-Gamma Release Assay wie Quantiferon® und ELISPOT®) einzusetzen, um eine Konversion zuverlässig beurteilen zu können. Markterhältliche IGRA-Systeme sind in vergleichenden Studien bei knapp einem Zehntel latent tuberkuloseinfizierter Patienten falsch-negativ, und zwar unabhängig voneinander bei unterschiedlichen Proben [12]. Der MMT ist sogar noch weniger sensitiv [13]. Daher kann nur der Einsatz des gleichen Testsystems eine zuverlässige Aussage hinsichtlich einer kürzlich stattgehabten Immunkonversion liefern. Innerhalb des Sanitätsdiensts ist das Komplettscreening von Auslandskontingenten ausschließlich auf Basis des Intrakutantests angewiesen. Im Einzelnen könnte ein Intrakutantest-basiertes Screening idealerweise wie folgt ablaufen: Zunächst müsste der Ausschluss der BCG-geimpften Subpopulation erfolgen sowie eine initiale Zweistufentestung, das heißt zwei Intrakutantests im Abstand von 2 Wochen zum Ausschluss eines Boostereffekts. Sind beide Tests negativ, könnte man nachfolgend jeweils einsatzbezogen belastbar mittels des Intrakutantests screenen, allerdings nur solange, bis dieser einmal positiv ist. Danach ist das Testverfahren für den Betroffenen für immer obsolet. Häufig kommt der Quantiferon®-Test zur Bestätigung positiver MMT-Teste im Sinne einer Stufendiagnostik zum Einsatz. Das heißt, der MMT-Test wird als Screening- und der Quantiferon®Tests als Bestätigungsuntersuchung verwendet. Diese Praxis basiert letztlich auf früheren Empfehlungen (unter anderen [14], Deutsches Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose [15]). Der hier geschilderte Fall resultierte aus einer Abweichung von diesem Algorithmus. Hintergrund der Stufendiagnostik ist - bei hoher Spezifität des Quantiferon®-Tests - seine Anfälligkeit gegenüber präanalytischen Einflüssen, wenngleich die „standardisierte Durchführung, Ablesung und Dokumentation“ des MMT-Tests als „ein Problem auch in der Bundeswehr“ identifiziert wurde [3]. Vom Deutschen Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose [6] wird die oben geschilderte Stufendiagnostik für erwachsene Kontaktpersonen explizit nicht mehr empfohlen, vielmehr wird dort der IGRA präferiert. Ferner wird sehr deutlich darauf hingewiesen [4, 6], dass Testungen nur bei Kontaktpersonen (oben beschriebene relevante Expositionen !) erfolgen sollten, da der positive prädiktive Wert (PPW = Sensitivität x Prävalenz / [Sensitivität x Prävalenz + (1-Spezifität) × (1-Prävalenz)]) der Testergebnisse bei niederiger Prävalenz inakzeptabel niedrig wird. Die bisher in der Bundeswehr übliche Praxis, gesunde Soldaten bei geringem Expositionsrisiko im Auslandseinsatz routinemäßig zu untersuchen, muss daher zu einem vermehrten Auftreten falsch positiver Ergebnisse führen und sollte deshalb einer Reevaluierung unterzogen werden. Der hier geschildete Fall belegt dies exemplarisch. Eine Lösung des Problems könnte in einem evidenzbasierten und missionsangepassten gezielten Screening nur bei tatsächlichen oder mutmaßlichen Risikokontakten bestehen, unterstützt durch fachliche Beratung bei Problemkonstellationen durch die MEDINTEL-Hotline. Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014 Interessenkonflikt Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht. Literatur 1. Diel R, Goletti D, Ferrara G, et al.: Interferon-γ release assays for the diagnosis of latent Mycobacterium tuberculosis infection: a systematic review and meta-analysis. Eur Respir J 2011; 37: 88 - 99. 2. Richter E, Beer J, Diel R, et al.: Mykobakteriose. Mikrobiologischinfektiologische Qualitätsstandards (MiQ) 5. Elsevier GmbH München 2010; 2: 54, 66. 3. Sudeck H, Reuter K: Schwerpunkt Infektionskrankheiten. Tuberkulose. Wehrmed & Wehrpharm 2010; 34: 36. 4. Diel R, Nienhaus A: Tuberkulose-Screening und präventive Chemotherapie bei Beschäftigten im Gesundheitswesen. Krankenhaushygiene up2date 2013; 8: 113 - 122. 5. Nienhausen A, Costa JT: Screening for tuberculosis and the use of a borderline zone for the interpretation of the interferon-gamma release assay (IGRA) in Portuguese healthcare workers. J Occup Med Toxicol 2013; 28: 1. 6. Diel R, Loytved G, Nienhaus A, et al.: Neue Empfehlungen für die Umgebungsuntersuchungen bei Tuberkulose. Pneumologie 2011; 65: 359 - 378. 7. Slater M, Parsonnet J, Banaei N: Investigation of false-positive results given by QuantiFERON-TB Gold In-Tube assay. J Clin Microbiol 2012; 50: 3105 - 3107. 8. Menzies D: Interpretation of repeated Tuberculin tests. Boosting, conversion, and reversion. Am J Resp Crit Care Med 1999; 159: 15 - 21. 9. Sauzullo I, Massetti AP, Mengoni F, et al. Influence of previous tuberculin skin test on serial IFN-gamma release assays. Tuberculosis (Edinb) 2011; 91: 322 - 326. 10. Nienhaus A, Brandenburg S, Teschler H (Hrsg.): Tuberkulose als Berufskrankheit – Ein Leitfaden zur Begutachtung und Vorsorge. 2. Auflage. 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Hagen Frickmann, Oberstabsarzt Fachbereich Tropenmedizin am Bernhard-Nocht-Institut Bundeswehrkrankenhaus Hamburg Bernhard-Nocht-Straße 74, 20359 HAMBURG E-Mail: Frickmann@bni-hamburg.de Der Beitrag wird im Internet unter www.wehrmed.de publiziert. 201 T ECHNIKEN , V ERFAHREN UND M ETHODEN Aus der Abteilung Neurochirurgie (Ärztlicher Direktor: Oberstarzt Prof. Dr. U. Kunz) am Bundeswehrkrankenhaus Ulm (Chefarzt: Generalarzt Dr. A. Kalinowski) Intraoperative Magnetresonanztomografie am Bundeswehrkrankenhaus Ulm – erste Erfahrungen Intra-operative magnetic resonance imaging at the Bundeswehr Hospital in Ulm – first experiences René Mathieu, Simon Mayer, Chris Schulz, Uwe Max Mauer und Ulrich Kunz Zusammenfassung Hintergrund: Die Notwendigkeit der stetigen Weiterentwicklung der intraoperativen Bildgebung führte zur intraoperativen Magnetresonanztomografie (ioMRT). Erfahrungen mit der ioMRT der Wirbelsäule sind unseres Wissens bisher noch nicht veröffentlicht. Methoden: Im Zeitraum vom 26. Juni 2013 bis 28. Februar 2014 wurden bereits 100 Patienten im ioMRT untersucht. Ergebnisse: Bei 60 Patienten wurde eine ioMRT des Kopfes durchgeführt. Bei 19 Patienten wurde ein Scan der Lendenwirbelsäule in Bauchlage gefahren, bei zehn Patienten erfolgte an der HWS eine ioMRT und bei elf an der BWS. Bei allen kranialen Eingriffen zeigte sich, dass eine intraoperative Bildgebung den Resektionsgrad und eloquente Areale suffizient darstellt. Im Bereich der Wirbelsäule wurde aufgrund der bei der ioMRT erhobenen Befunde die Operation bei fünf Patienten fortgeführt. Schlussfolgerungen: Die in Ulm installierte Einrichtung ist leistungsstark. Es lassen sich sehr gute ioMRT-Untersuchungen durchführen. Schlagworte: intraoperative Bildgebung, intraoperatives MRT Summary Background: The constant need for further developments in intra-operative imaging led to intra-operative magnetic resonance imaging (ioMRI). To our knowledge “Lessons Learned” about intra-operative MRI of the spine have not been published by now. Methods: A total of 100 patients were examined using ioMRI from 26 June 2013 to 28 February 2014 Results: 60 patients underwent ioMRI head scans. 19 patients had scans of their lumbar spine, 11 of thoracic spine and ten patients had ioMRI scans of the cervical spine. All cranial scans showed thata sufficient imaging of the grade of resection of the tumor is possible . As a result of the spine scans in five patients the operations were continued. Conclusions: The equipment used in Ulm is effective. It makes high-quality ioMRI examinations possible. Keywords: intra-operative imaging, intra-operative MRI. Einleitung Der chirurgische Alltag ist ohne intraoperative Bildgebung nicht mehr vorstellbar. Durchleuchtung und Computertomografie (CT) sind die etablierten intraoperativen Verfahren [1], jedoch in der Darstellung der Weichteile und insbesondere der Strukturen des ZNS nicht brauchbar [2]. Das Problem des sogenannten „brain shift“, der Verschiebung des Gehirns innerhalb des Schädels nach Eröffnung, und der daraus resultierenden Abweichung der Neuronavigation [3, 4], die neuroonkologische Notwendigkeit der kompletten Resektion maligner Tumoren sowie die frühzeitige Identifizierung postoperativer Komplikationen führten zur Weiterentwicklung der intraoperativen Bildgebung [5, 6, 7]. Die intraoperative Magnetresonanztomografie (ioMRT) ist daher der folgerichtige Fortschritt und stellt eine der wichtigsten Entwicklungen der letzten Jahre in der Neurochirurgie dar [8]. Neben der intraoperativen Bildgebung ist für die bildgeführte Chirurgie die Neuronavigation eine etablierte Methode, die erhebliche Verbesserungen in den operativen Maßnahmen erbrachte [9, 10]. Hierzu gehören: • detaillierte präoperative Planung wie Zugang, Lagerung des Patienten und Schonung eloquenter Areale, • Fusionierung und 3D-Darstellung von Bildgebung (CT, MRT) und funktionellen Daten (funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT), Diffusion Tensor Imaging (DTI) für Fiber Tracking, Elektrophysiologie, Angiographie, Positronen-Emissions-Tomografie (PET) und Single-Photon Emission Computed Tomography (SPECT)), • präzisere Zugänge, Biopsien, Katheter-/Elektroden-Platzierung oder Schrauben-positionierung, • intraoperative Darstellung und Fusionierung mit Bilddaten des OP-Mikroskops, • geführte intraoperative 3D-Darstellung. Die Kombination von Neuronavigation und inraoperativer MRT-Bildgebung zeigte daher den derzeit bestmöglichen Outcome für Gliom Patienten [11]. Seit 1995 wurden ioMRT-Systeme eingeführt. Diese waren Low-Field-Systeme mit 0,5 T Feldstärke [12, 13]. Der Vorteil dieser Systeme lag in der erhöhten Mobilität – diese Systeme waren in der Weiterentwicklung fahrbar – und der geringeren Größe des Magnetfeldes (durch die geringere Feldstärke). Da innerhalb der 5-Gauß-Linie ferromagnetische Instrumente und Geräte nicht benutzt werden können, ist eine geringere Größe des Feldes von Bedeutung [14, 15]. Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014 202 R. Mathieu et al.: Intraoperative Magnetresonanztomografie am Bundeswehrkrankenhaus Ulm – erste Erfahrungen Abb. 1: Ergebnisse der Untersuchungen in der intraoperativen MRT: a) Intraoperatives sagittales T2 gewichtetes Bild des Patienten in Bauchlage; der rote Pfeil markiert die eröffnete Haut. b) Intraoperatives axiales T2 gewichtetes Bild des Patienten in Bauchlage; der rote Pfeil markiert die eröffnete Haut, der blaue Pfeil die durchgeführte Dekompression. Abb. 2: Prä- und intraoperative MRT: a) Präoperatives sagittales T1 gewichtetes Bild der Patientin; der rote Pfeil markiert den Tumor. b) Intraoperatives sagittales T1 gewichtetes Bild mit Kontrastmittel; der rote Pfeil markiert die vollständige Tumorresektion. Der Nachteil liegt in der Bildqualität. Die Auflösung ist gegenüber 1,5 T (und höher) deutlich schlechter und nicht geeignet, im Randbereich der Raumforderung eine ebenso ausreichende Aussage über den Grad der Tumorresektion treffen zu können. Diese Systeme zeigen zudem häufig nur einen Teil der dargestellten Körperregion durch ein kleines Field of View (FOV) [16]. Weitergehende Bildverfahren wie Fiber Tracking und damit das Darstellen von Nervenbahnen im Gehirn durch DTI, die Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014 Traktografie oder auch Spektroskopien sind ebenso nicht ausreichend möglich [17, 18, 19]. Die Nachteile der Niedrig-Feld-Systeme führten zur Etablierung von Hoch-Feld-Systemen mit meist 1,5 T Feldstärke [3]. Mit diesen Systemen konnte nochmals der Nachweis erbracht werden, dass die intraoperative MRT zu einer Verlängerung der Lebenszeit bei hirneigenen Tumoren [5], zu einer besseren Darstellbarkeit bei Aneurysma-Chirurgie [20] oder zu einem erhöh- R. Mathieu et al.: Intraoperative Magnetresonanztomografie am Bundeswehrkrankenhaus Ulm – erste Erfahrungen 203 licht es die neue Modalität, alternative Zugangswege und Techniken zu initiieren und damit Komplikationen zu reduzieren [21]. Methoden Etablierung der intraoperativen Magnetresonanztomografie Abb. 3: Intraoperative axiale FLAIR-Sequenz nach Entfernung des Tumors; der rote Pfeil markiert die eröffnete Haut. ten Resektionsgrad von intrakraniellen Raumforderungen führte [7]. Die Kombination der Neuronavigation mit der ioMRT ermöglicht eine aktualisierte bildgeführte Chirurgie und damit eine erhöhte Patientensicherheit, verlängerte Überlebenszeit und Reduktion von Komplikationen [3]. Unseres Wissens sind bisher noch keine Erfahrungen mit der intraoperativen MRT der Wirbelsäule veröffentlicht. Hier ermög- Seit dem 24. Juni 2013 ist das intraoperative MRT am Bundeswehrkrankenhaus Ulm in den Operations-Betrieb aufgenommen. Es handelt sich hierbei um ein Ultra High Field-System mit 3 T, Modell Skyra, der Firma Siemens. Integriert ist das System in einem Operationssaal mit einem Navigationssystem, Modell VectorVision Sky, der Firma Brainlab. Die Raumsteuerung erfolgt über Touchscreens, Modell Buzz, der Firma Brainlab. Als OP-Mikroskop dient das Modell Pentero 900 (Firma Carl Zeiss, Jena), das ebenfalls in das Navigationssystem integrierbar ist. Für den Patiententransport ist eine Lösung der Firmen Maquet und Siemens vorhanden, die es ermöglicht, den Patienten direkt vom Operationstisch über ein Shell-System auf den Untersuchungstisch des MRT zu schieben, der sogenannte Combi Dockable Table (Abb. 5). Ein Umlagern oder ein dritter Transfertisch sind daher nicht notwendig. Diese Kombination ist bisher weltweit nur am Universitätsspital Zürich (seit Mai 2013) und am Bundeswehrkrankenhaus Ulm installiert. Für die Bilderfassung existieren Flexible Body Coils der Firma Siemens in verschiedenen Größen und Spulenanzahlen und eine kraniale Spule (8 Spulensystem) der Firma Noras. Das NorasSpulensystem wird kombiniert mit einer Matrix der Firma Brainlab, um eine direkte Autoregistrierung der erhobenen Bilddaten mit dem Navigationssystem zu erhalten. Das Einlesen von Fiducials (Markern mit kontrastreichem Inhalt, die auf die Kopfhaut geklebt werden) oder ein Surface Matching (Abscannen an repräsentativen Stellen der Hautoberfläche mit Infrarot oder einem Hauterkennungssensor) sind nicht mehr notwendig. Die kraniale Spule ermöglicht zudem ein scharfes Fixieren des Abb. 4: Typischer Aufbau während einer Gehirntumor Operation: Eingeschwenkt ist das OP-Mikroskop; auf dem Bildschirm links: Mikroskopbild mit eingeblendeten Tumorgrenzen über die Neuronavigation; rechts im Bild: Magnetresonanztomogramm Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014 204 R. Mathieu et al.: Intraoperative Magnetresonanztomografie am Bundeswehrkrankenhaus Ulm – erste Erfahrungen Kopfes, was bei intrakraniellen Eingriffen und für die Neuronavigation essenziell ist. Patienten Im Zeitraum vom 26.06.2013 bis 28.02.2014 wurden bereits 100 Patienten mittels ioMRT untersucht. Das Alter der Patienten lag zwischen 16 und 80 Jahren (Mittelwert 48 und Median 53 Lebensjahre). 51 von 100 Patienten waren weiblich. Abhängig von der Indikation wurden hierbei präoperative und intraoperative Scans gefahren (Tab. 1). Bei achtzig Patienten wurde der Combi Dockable Table genutzt, um einen direkten Transfer auf den Untersuchungstisch zu gestalten. Ergebnisse Abb. 5: Direkter Transfer des Patienten vom OP-Tisch auf den Untersuchungstisch des MRT Tab. 1: Untersuchte Patienten in der intraoperativen Magnetresonanztomografie am Bundeswehrkrankenhaus Ulm Untersuchte Region Kopf Diagnose Intrakranielle Raumforderung Anzahl Patienten 45 Hydrocephalus 1 Hypophysenadenom Intracerebraler Abszess HWS BWS Aneurysma Spinalkanalstenose Instabilität C1/2 Intraspinaler Tumor Syringomyelie Durale AV-Fistel Arachnoidalzyste LWS Myelonherniation Intraspinaler Tumor Spinalkanalstenose Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014 11 1 1 9 1 3 5 1 1 1 6 13 Bei 59 Patienten wurde eine Kopf-MRT durchgeführt und ein präoperativer Scan gefahren, um die Neuronavigation mit den jeweils aktuellen Bilddaten zu matchen und intraoperativ zu nutzen. Bei einem Patienten führten wir keinen kranialen Scan durch, da die Kopfspule einen geringen Bewegungsumfang zulässt. Eine ausreichende Inklination mit Hochlagerung des Kopfes war nicht möglich. Bei 19 Patienten wurde ein Scan der Lendenwirbelsäule in Bauchlage gefahren und ebenso der direkte Transfer genutzt. Bei fünf Patienten zeigte sich aufgrund eines hohen BodyMass-Index lagerungsbedingt ein geringerer Abstand zur Röhrenoberfläche. Die Bildqualität war hierdurch reduziert. Bei zehn Patienten erfolgte an der HWS eine ioMRT und bei elf an der BWS. Der Patiententransfer erwies sich in allen Fällen als sicher und in achtzig Fällen war ein Scan ohne Umlagern des Patienten möglich. Bei allen kranialen Eingriffen zeigte sich, dass eine intraoperative Bildgebung den Resektionsgrad und die Schonung eloquenter Areale suffizient darstellt. Im Bereich der Wirbelsäule wurde aufgrund der erhobenen Befunde aus der Bildgebung die Operation bei fünf Patienten fortgeführt. Diskussion Die untersuchten Patienten zeigen, dass durch das vorhandene System intraoperative MRT-Untersuchungen im Bereich der Wirbelsäule und des Kopfes machbar sind [21]. Insbesondere im Bereich des Kopfes zeigen sich hier die bekannten Vorteile. Ein intraoperativer Scan führt aufgrund des „Brain Shifts“ und der Beurteilbarkeit des Resektionsrandes zu mehr Patientensicherheit und in der Gliom-Chirurgie zu einer längeren Überlebenszeit. Die Kombination der in den Saal integrierten Neuronavigation mit der intraoperativen Bildgebung und dem gleichzeitigen Einspiegeln in das OP-Mikroskop gewährleistet mehr Übersicht und eine verbesserte bildgestützte navigationsgeführte Chirurgie. Wir sahen bei den ersten hundert Patienten ähnliche Vorteile, wie sie bereits in der Literatur beschrieben sind [22, 23, 24, 25, 26]. Nachteile zeigen sich bei der Lagerung des Patienten. In einem Fall war eine intraoperative Bildgebung des Kopfes lagerungsbedingt nicht möglich. Zur Lösung des Problems werden derzeit von den Firmen Noras und Pro Med Instruments weitere Kopf- R. Mathieu et al.: Intraoperative Magnetresonanztomografie am Bundeswehrkrankenhaus Ulm – erste Erfahrungen spulen entwickelt. Es bleibt jedoch der Durchmesser von 70 cm des ioMRT-Gerätes als wesentliche Einschränkung. Bei Wirbelsäulenpatienten ist zumeist im Bereich der BWS und LWS eine Bauchlagerung notwendig. Die MRT-Scans wurden daher ebenfalls in Bauchlagerung durchgeführt, um ein weiteres Umlagern des Patienten zu vermeiden. Korpulente Patienten kommen allerdings sehr nah an der Röhrenoberfläche zu liegen, sodass in Bauchlagerung durch atmungsabhängige Bewegungen die Bildqualität eingeschränkt sein kann. Die spinal untersuchten Patienten zeigten, dass eine intraoperative MRT mit ausreichender Bildqualität möglich ist. Insbesondere bei älteren Patienten kann somit eine Revisions-OP aufgrund nicht ausreichender Dekompression beziehungsweise Tumorexstirpation vermieden werden. Eine Nutzbarkeit für weitere spinale Eingriffe muss in künftigen Untersuchungen nachgewiesen werden. Bisher wurden noch keine Erfahrungen mit der intraoperativen MRT der Wirbelsäule veröffentlicht. Hier eröffnen sich neue Möglichkeiten bezüglich neuer Zugangswege und Techniken sowie der Reduktion von Komplikationen, wie bereits in der kranialen intraoperativen MRT aufgezeigt [8]. Schlussfolgerungen Insbesondere das Wirbelsäulentrauma, das aus wehrmedizinischer Sicht bedeutsam ist, bedarf weiterer Untersuchungen. Relevant für die intraoperative MRT sind beispielsweise Spätfolgen und Langzeitkomplikationen, aus denen weitere operative Eingriffe resultieren. Die Anzahl der Revisionseingriffe kann möglicherweise hierdurch reduziert und die Erfolgsaussichten können deutlich erhöht werden. Interessenkonflikt: Bei allen Autoren besteht kein Interessenkonflikt. Bildquelle: Abteilung Neurochirurgie, Bundeswehrkrankenhaus Ulm Literatur 1. Engle D J, Lunsford L D: Brain tumor resection guided by intraoperative computed tomography. J Neurooncol 1987; 4: 361 – 370. 2. 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René Mathieu, Oberstabsarzt Abteilung XII Neurochirurgie, Bundeswehrkrankenhaus Ulm, Oberer Eselsberg 40, 89081 Ulm renemathieu@bundeswehr.org Der Beitrag wird im Internet unter www.wehrmed.de publiziert. Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014 206 I NTERNATIONALE B EITRÄGE Aus der Inneren Abteilung1 und der Sektion Tropenmedizin am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin4 (Abteilungsleiter: Oberstarzt Dr. C. Busch; Leiter Fachbereich Tropenmedizin: Oberfeldarzt Dr. H. Sudeck ) des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg (Chefarzt: Generalarzt Dr. J. Hoitz), der Klinik für Innere Medizin2 (kommissarischer Ärztlicher Direktor: Flottillenarzt Dr. M. Vogelpohl) am Bundeswehrkrankenhaus Ulm (Chefarzt: Generalarzt Dr. A. Kalinowski) und aus dem Department of Emergency Medicine, Carl R. Darnall Army Medical Center, Texas, United States of America3 Nathan Borden, MD, CPT (03). Treatment of an US soldier developing hemorrhagic fever with renal syndrome during the 34th KFOR Mission in Kosovo Hämorrhagisches Fieber mit renalem Syndrom – Behandlung eines amerikanischen Soldaten während des 34. KFOR-Einsatzes im Kosovo Nicole Müller1, Enno Rother2, Nathan Borden3, Hinrich Sudeck4 Summary Soldiers in foreign missions are at principle risk of acquiring zoonotic diseases. We present a severe course of a Hantavirus infection in an U.S. Army infantryman during his KFOR deployment. He presented with a febrile gastroenteritis with signs of sepsis. Laboratory tests were remarkable for thrombocytopenia and coagulopathy. Differential diagnosis comprised among others the Crimean-Congo hemorrhagic fever (CCHF), which is endemic in Kosovo. MED-EVAC transportation to Germany was not possible until the CCHF was ruled out. In the course the patient developed oliguric renal failure, respiratory impairment and a posterior reversible encephalopathy syndrome. After extensive intensive care treatment the soldier recovered from his Hantavirus infection. This case illustrates the importance of deployed providers understanding theatrespecific medical threats including local zoonotic disease. Keywords: hemorrhagic fever with renal syndrome, Hantavirus infection, Dobrava, Kosovo Zusammenfassung Soldaten im Einsatz sind einem erhöhten Risiko zoonotischer Erkrankungen ausgesetzt. Wir stellen einen schweren Verlauf einer Hantavirusinfektion eines US-Soldaten während des KFOR-Einsatzes vor. Der Patient zeigte eine schwere fieberhafte Diarrhoe als Intialsymptomatik mit Zeichen der Sepsis. Laborchemisch fand sich eine ausgeprägte Thrombozytopenie und Koagulopathie. Unsere differentialdiagnostischen Überlegungen umfassten auch das Crim-Congo-Hämorrhagische Fieber, welches endemisch im Kosovo ist. Erst nach Ausschluss eines CCHF war eine MED-EVAC aus dem Einsatzland möglich. Im weiteren Verlauf entwickelte der Patient ein oligurisches Nierenversagen, eine respiratorische Insuffizienz und eine posteriore reversible Encephalopathie. Nach umfangreicher intensivmedizinscher Therapie erholte sich der Soldat ohne bleibende Folgeschäden. Schlagworte: Hämorrhagisches Fieber mit renalem Syndrom, Hantavirus-Infektion, Dobrava, Kosovo Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014 Clinical case In May 2013 a 37-year old male soldier was transferred to our role-3-hospital in Camp Prizren, Kosovo, complaining of epigastric discomfort, emesis and severe nonbloody diarrhea with 20 bowel movements/24 h. His review of symptoms was remarkable for mild headache fatigue and paresthesia in both hands. Symptoms had started four days earlier after a physical fitness test, including nausea and vomiting, followed by the development of fever up to 39 °C, headache and diarrhea. He presented to the Camp Bondsteel Emergency Department (ED), Kosovo, for evaluation and treatment. In the ED he received symptomatic treatment for dehydration and given his fever, headache, and mild cognitive impairment meningitis was high on the differential. He received empiric Ceftriaxone and Vancomycin for meningitis. Laboratory evaluation of his cerebrospinal fluid was within normal limits. Despite intravenous fluid resuscitation and antibiotics the patient continued to deteriorate evidenced by his worsening diarrhea and decreasing platelet count. The decision was made to transfer the soldier to a higher level of care at Camp Prizren, Kosovo, where more advanced diagnostic and treatment modalities were available. The patient, an active duty U.S. Army infantryman stationed at a remote base in northern Kosovo, denied any past medical or surgical history. He also denied ticks bites, eating on the local Abb. 1: Gelbhalsmaus (Apodemus flavicollis) N. Müller et al.: Treatment of an US soldier developing hemorrhagic fever with renal syndrome economy and other soldiers in his unit having similar symptoms. Beside the Balkan there was no significant travel history. Upon admission the patient appeared alert, diaphoretic and lethargic. His initial vital signs revealed a blood pressure of 110/70 mmHg, pulse 63/min, SpO2 on room air 92 %, temperature 38,7 °C, and respiratory rate 35/min. The skin and mucous membranes were dry without petechiae, rash or edema. There was no jaundice. His heart and lungs were clear to auscultation without wheezing, rales or rhonchi. The abdominal exam was remarkable for mild diffuse abdominal tenderness with increased, non-pitched bowel sounds, and no guarding, rebound or flank pain. The neurological exam was unremarkable except for lethargy. He had no nuchal rigidity. There was no joint swelling or tenderness. The initial laboratory work (see table 1) was remarkable for severe thrombocytopenia (13.000/µl), a prolonged aPTT (53 sec.) and an elevated LDH (433 U/l). The abdominal ultrasound showed moderate splenomegaly (16x5cm), prominent small bowel loops with normal peristalsis. There was ascites and retroperitoneal free fluid. The CT scan revealed a moderate edema of the intestine, confirmed splenomegaly and showed massive intraperitoneal fluid collections. There were subtle pleural effusions bilaterally, but no pneumonia. His respiratory status prompted an evaluation of his acid-base status which revealed a combined disorder. There was a metaboTable 1: Clinival laboratory investigations (Laboratory Camp Prizren), 13 MAY 2013 Paramter RBC Hb Hkt MCV Blood analysis Result 5.4/pl MCHC Neutrophils Lymphocytes ALT GGT Bilirubin LDH Urea Erythroctes Protein Keton bodies 5.7/nl 4,4-11,3 Urobilinogen 16% 20-40% pH 80% 13,000/µl Serum analysis Paramter AST Creatinine 28-33 48-75 150-400 Result 70 U/l 4+ 2+ negative Glucose negative Bilirubin negative negative 6 Peripheral blood smear Standard – Poicilocytosis <37 – Anisocytosis 29 U/l <41 – No fragmentocytes – Absolute thrombo14 U/l <55 cytopenia – Thrombanisocytosis 1,37 mg/dl <1,2 – Makrothrombocytes 433 U/l <248 – Granulocytes shifted to juvenile forms with toxic granulation 39 mg/dl 17-43 1,33 mg/dl 0,6-1,36 78% 1,13 >70 Lactate CRP 1,47 mmol/l 1,95 md/dl aPTT 53 sec TPZ INR Urine analaysis Parameter Result Leucocytes 2+ 12-17 35-52 80-96 34 g/d WBC Platelets 16 g/dl 47% 88/fl Standard 4,2-6,0 0,6-2,4 <0,5 18-40 207 lic acidosis likely due to bicarbonate loss from diarrhea and a primary respiratory alkalosis, presumably from sepsis-induced hyperventilation. An echocardiogram showed cardiac involvement with developing clinical signs of hypotension and sinus bradycardia of 30bpm. The patient’s clinical, radiographic and laboratory evaluations were consistent with severe sepsis likely from fulminant gastroenteritis. He was therefore treated with broad-spectrum antibiotics including Piperacillin/Tazobactam and Ciprofloxacin accompanied by fluid replacement. Due to the splenomegaly, elevated LDH and relatively low CRP level we also considered a viral (co-) infection or a hematological disease. Additional laboratory tests for a variety of respiratory and gastroenterological pathogens (e.g. Salmonella spp., Shigella spp., Norovirus, Rotavirus, Adenovirus, Cl. diff.) were all negative. The peripheral blood smear showed thrombocytopenia, some megathrombocytes, immature granulocytes and no fragmented red blood cells or atypical white blood cells, making a hematological disease unlikely. We also considered Crimean-Congo hemorrhagic fever (CCHF), which is endemic in Kosovo, as a differential diagnosis. However, the patient’s lack of bleeding and hepatic involvement were inconsistent with CCHF at this stage. Nevertheless we decided to establish strict hygienic protections for the staff and ordered serological testing, which was not available at our facility. The analysis was provided by the civilian University Hospital Center in Prishtina, Republic of Kosovo. In addition to CCHF we considered Hanta virus infection. The patient’s austere living conditions at remote military installations places him at risk for exposure to Hanta virus vectors. Clinically, the patient’s nephritic urine is concerning for possible Hanta infection. His urea and creatinine levels were normal at admission, but went into non-oliguric renal failure within the following days. Despite our therapeutic measures the overall status of the patient further deteriorated. The lethargy did not improve and a follow-up echocardiography showed worsening global left ventricular function consistent with septic cardiomyopathy. A CT scan of the head was done to rule out intracerebral bleeding as a cause of headache and lethargy. At that time the patient also reported visual disturbances which resolved spontaneously. Due to limitations of our facility concerning transfusion of platelets and hemofiltration we requested an urgent MED-EVAC transportation to Germany (Landstuhl Regional Medical Center LRMC) on the following day. Since patients with even the slightest suspicion of hemorrhagic fever do not get entry permit for countries of the European Union, medical evacuation had to be delayed until the CCHF testing was completed. The serological analysis showed a positive result for Dobrava virus, a strain of Hantavirus (see table 2). Surprisingly, the first testing for Crimean-Congo hemorrhagic fever also showed a delayed positivity after 39 cycles of PCR testing. Because of further clinical deterioration and this debatable result of CCHFPCR we initiated an antiviral treatment with ribavirin in standard dose of 16 mg/kg body weight every 6 hours, administered under ICU conditions. However, confirmatory PCR and ELISA on CCHF presented a negative result. Thus in excellent collaboration with the US Army we finally were able to MED-EVAC our patient to Germany, Lanndstuhl Regional Medical Center (LRMC). At the LRMC the patient presented progressive non-oliguric renal failure with a peak creatinine of 4.8 mg/dl plus respiratory Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014 208 N. Müller et al.: Treatment of an US soldier developing hemorrhagic fever with renal syndrome Table 2: Microbiological investigations, 14 MAY 2013 A. Testing on Hanta virus, type Dobrava Parameter RT-PCR Hantavirus-IgM-ab Hantavirus-IgG-ab Indirect immunofluorescence assay: IgM-ab (< 1:100) IgG-ab (< 1:100) Immunoblot: IgM-ab IgG-ab B. Testing on Hanta virus, type Puumala Indirect immunofluorescence assay and Immunoblot: IgM and IgG-ab C. Testing on CCHF RT-PCR (39 cycles) Result positive positive positive 1:400 1:100 positive positive negative positive RT-PCR (confirmation) negative IgG-Elisa negative IgM-Elisa negative Testing A and B: LtCol Kurig, Department of Microbiology, Central Institute of Medical Services of the German Federal Armed Forces in Koblenz Testing C: Prof. Dr. N. Ramadani, National Institute of Public Health, University Hospital Center, Prishtina, Republic of Kosovo failure requiring intermittent bipap-ventilation. Platelets were given to prevent bleeding and thereafter remained stable. Entering the polyuric phase of illness on day 4 after admission to the LRMC the patient started to improve, when on day 6 unexpectedly presented two seizures, revealing changes on MRI consistent with a posterior reversible encephalopathy syndrome (PRES). On tight blood pressure control and anti-seizure medication the patient finally improved. Follow up MRI showed improvement, creatinine levels returned to baseline of 1,1 mg/dl without necessity of hemofiltration. The patient has meanwhile returned to his home country recovering from this atypical Hantavirus infection. Discussion Hantavirus Infections causing different forms of hemorrhagic fever with renal syndrome (HFRS) can be associated with a relevant morbidity and mortality. Immediate evaluation and correct treatment are important to prevent a fatal clinical course. Infection is mainly acquired by inhalation of aerosolized virus or contact with urine or feces of infected rodents. The rodent host on the Balkans is the yellow-necked field mouse – Apodemus flavicollis (picture 1). Even transmission from person to person has been reported [1]. Throughout Europe and the Balkans prevalent strains of Hantavirus are Puumala (PUUV), Dobrava (DOBV), and Saaremaa spp. (SAAV), which are known to cause hemorrhagic fever with renal syndrome [2]. PUUV causes a generally mild form of the disease, the so called nephropathia epidemica, whereas the subtype DOBV more often presents with hemorrhagic complications due to disseminated intravascular coagulopathy and thromWehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014 bocytopenia [1, 2]. The DOBV infection usually starts abruptly with fever, headache and gastrointestinal symptoms [3] followed by renal failure, sometimes visual disturbances and thrombocytopenia. Although gastrointestinal symptoms are common, extensive diarrhea like in our patient has not been described in the literature. Pleural and abdominal effusions as well as cardiac disorders are encountered frequently [3, 4, 5, 6]. Overall mortality rates range from 5 - 15 %. The clue to the diagnosis of Hantavirus in our case was thrombocytopenia and a nephritic urine sediment plus a possible exposure to rodents, though renal failure was still missing by the time of admission. Relevant thrombocytopenia occurs in the majority of patients and thrombocyte levels below 50.000/µl develop in more than half of the cases, but the extent of decrease in platelet count as in our case (lowest platelet count 9.000/µl) has not been described so far [7]. Peripheral blood smear revealed immature granulocytes and macroplatelets which are supposed to be seen frequently in Hantavirus infections [7]. Sepsis-like presentations of severe Hanta-Virus are common [8]. Laboratory findings suggestive of the diagnosis Hantavirus infection include leucocytosis, a rapid decline in platelet count, an elevated LDH and renal involvement, which includes proteinuria, hematuria and reduced glomerular filtration rate. Other possible abnormalities include an increase in serum levels of lactate and an elevation of liver enzymes. The latter was missing in our patient. In acute infection, viral RNA is detectable from serum by PCR, later the diagnosis of Hantavirus infection is based on serology. Even in the so called prodromal phase of the disease IgM- and usually also IgG-antibodies are present. Besides positive testing on Hanta virus, we also got a positive result in CCHF-PCR in the first place. Confirmation testing for CCHF was done and consistent to our clinical impression turned out to be negative. Possible laboratory contamination has to be discussed since the Laboratory in Prishtina had dealt with two other confirmed cases of CCHF at the same time. There is no specific antiviral therapy for hantavirus-infection. Therefore treatment is mainly symptomatic. Although one prospective double-blinded study in patients with proven Hantavirus infection found that administration of intravenous ribavirin led to a reduction in mortality, the efficacy of this drug is still discussed [9, 10, 12]. Few cases have been reported with persistent chronic renal failure after infection with Dobrava virus. Steroids seem to be an option for these patients [11]. Conclusions Rodent-borne infections like Hantavirus can present as a severe, sepsis-like disease with hemorrhagic fever and a potentially lethal outcome. Soldiers are at particular risk for sporadic or endemic outbreaks. In Kosovo CCHF is an important differential diagnosis of hemorrhagic fever. Availability of rapid and highquality diagnostic testing for these diseases is essential to confirm or rule out a specific infection. Otherwise life-saving MED-EVAC can be delayed with potential harm to the patient. Bildquelle: Abb. 1: James Lindesy at Ecology of Commanster, http://www.commanster.eu/commanster/Vertebrates/Mammals/ SpMammals/Apodemus.flavicollis.html (Accesed 21 Feb 2014) Literature 1. Vapalahti O, Mustonen J, Lundkvist A, et al.: Hantavirus infections in Europe. Lancet Infect Dis 2003; 3: 653 – 661. N. Müller et al.: Treatment of an US soldier developing hemorrhagic fever with renal syndrome 2. Markotić A, Nichol ST, Kuzman I, et al.; Characteristics of Puumala and Dobrava infections in Croatia. J Med Virol 2002; 66: 542 – 551. 3. Rollin PE, Coudrier D, Sureau P: Hantavirus epidemic in Europe 1993. Lancet 1994; 343: 115 – 116. 4. Rasmuson J., Lindqvist P., Sörensen K., et al.: Cardiopulmonary involvement in Puumala hantavirus infection. BMC Infect Dis 2013 Oct 28; 13(1):501 (Epub ahead of print). 5. Makela S, Kokkonen L, Ala-Houhala I, et al.: More than half of the patients with acute Puumala hantavirus infection have abnormal cardiac findings. Scand J Infect Dis 2009; 41: 57. 6. 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W EHRMEDIZIN Psychophysische Leistungsfähigkeit der Soldaten der Nationalen Volksarmee der ehemaligen DDR – ein historischer Rückblick Psycho-physical performance of soldiers of the National Peoples Army of the former GDR – a historical review Gerd Machalett Zusammenfassung Der psychophysischen Leistungsfähigkeit der Soldaten wurde in der ehemaligen Nationalen Volksarmee (NVA) große Aufmerksamkeit gewidmet. Die Forschung zu diesem Themenkomplex führte der Lehrstuhl für Leistungsmedizin im Institut für die Militärhygiene an der Militärmedizinischen Sektion (MMS) der Ernst-Moritz-Arndt-Universität in Greifswald in Zusammenarbeit mit den sportmedizinischen Bereichen der Armeesportklubs und den Kliniken und Instituten der Militärmedizinischen Akademie (MMA) in Bad Saarow durch. Der vorliegende Beitrag gibt einen kurzen Überblick über ausgewählte Aktivitäten und Ergebnisse dieser sportmedizinischen Forschungsarbeit, die für die Organisation der „Militärischen Körperertüchtigung“ genutzt wurden. Sie waren auch im Rahmen der Blutspende von Soldaten von Interesse und fanden Eingang in die Planungen zur körperlichen und psychischen Entwicklung von Jugendlichen in der DDR. Dem Schul- und Freizeitsport kam eine Schlüsselrolle zu, um die physische Leistungsfähigkeit und -motivation künftiger Soldaten herauszubilden und wurde als gesamtgesellschaftliche Aufgabe gesehen. Schlagworte: Soldaten, NVA, Leistungsfähigkeit, psychophysische Sportmedizin. Summary Psycho-physical performance of soldiers was a main issue in the National People´s Army of the former German Democratic Republic (GDR). Research in this field was performed under guidance of the Institute for Performance Medicine which was a part of the Armed Forces Institute for Military Hygiene at the Military Medical School of the Ernst-MoritzArndt University in Greifswald. The institute cooperated with the Section for Sports Medicine of the military sports clubs and the Academy for Military Medicine in Bad Saarow. This article gives a short overview of selected research activities which were used to enhance physical fitness in military personnel. The results were even of interest regarding blood donation by soldiers and influenced the development of procedures to force up physical and psychological fitness in the young generation of the GDR. Sporting activities at school and during free time played a key role in the GDR in order to enhance psycho-physical fitness of future soldiers. Keywords: Soldiers, NPA, performance capacity, psychophysical, sports medicine. Einführung Die Leistungsfähigkeit jedes einzelnen Soldaten kann über Sieg oder Niederlage auf dem Gefechtsfeld mit entscheiden. Deshalb Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014 210 G. Machalett: Psychophysische Leistungsfähigkeit der Soldaten der Nationalen Volksarmee der ehemaligen DDR hatte auch der Medizinische Dienst in der Nationalen Volksarmee (NVA) der ehemaligen DDR die Aufgabe, sich intensiv mit dem Themenkomplex der psychophysischen Leistungsfähigkeit auseinander zu setzen. Wie bedeutsam dieser Aspekt für die Landesverteidigung erachtet wurde, belegen zahlreiche wissenschaftliche Veranstaltungen, die sich unter anderem mit folgenden Themen befassten [4]: – Herausbildung, Erhaltung und Steigerung der Leistungsfähigkeit, – Methoden der Objektivierung und Verbesserung der psychophysischen Leistung, – Einfluss von Pharmaka auf die Leistung des Soldaten. Dieses spiegelte sich auch im Auftrag des Medizinischen Dienstes der NVA wieder, indem im Rahmen der Gesundheitserziehung und Durchsetzung militärischer Bestimmungen die physische und psychische Leistungsfähigkeit der Soldaten erhalten und entwickelt werden sollte [3, 5]. Daraus leitete sich die Notwendigkeit ab, wissenschaftlich fundierte leistungsmedizinische Untersuchungen durchzuführen mit dem Ziel, optimale Methoden für die physische Ausbildung der Soldaten, die Qualifizierung der Ausbilder und die Evaluation der Ergebnisse zu entwickeln. Diese Aufgabe wurde durch den Lehrstuhl für medizinische Leistungsmedizin (Leiter: Oberst Prof. Dr. Wolfgang Quies) des Institutes für Militärhygiene an der Militärmedizinischen Sektion (MMS) der Ernst-Moritz-Arndt Universität (EMAU) in Greifswald sowie den Kliniken und Instituten der Militärmedizinischen Akademie (MMA) in Bad Saarow, wo Teilbereiche der Leistungsuntersuchungen erfolgten, wahrgenommen. Leistungsmedizinische Forschungsergebnisse wurden unmittelbar in die Truppenpraxis zur „militärischen Körperertüchtigung“ (MKE) überführt. Als Beispiele seien genannt: • Anleitung für die physische Ausbildung in den Landstreitkräften, • Dienstvorschrift 010/0/002 (regelte den „Härtekomplex“ der MKE), • Tauglichkeits- und Eignungsrichtlinien in der NVA. Hinzu kamen die Festlegungen zur MKE der politischen Verwaltung, der unter anderem auch die Sportoffiziere der Einheiten unterstellt waren. Begriff der Leistungsfähigkeit in der NVA Da die Leistung des Menschen sowohl von anatomischen, physiologischen und biochemischen als auch von psychischen Faktoren abhängt, schlugen Trzopek und Werner [15] als Arbeitshypothese die folgende Definition für den Begriff psychophysische Leistungsfähigkeit vor: „Die psychophysische Leistungsfähigkeit ist eine komplexe biologische Größe, die die Fähigkeit des Menschen zum aktiven bewussten Vollbringen einer bestimmten Leistung unter genau definierten Bedingungen ausdrückt.“ Die psychischen und physischen Komponenten beeinflussen sich gegenseitig [4, 15]. Die Leistungsfähigkeit ist damit unter anderem abhängig von • inneren und äußeren Faktoren wie Ererbung, Erziehung und Bildung, • dem Grad der Anpassung des Organismus an die Leistungsanforderungen und • der Antriebsstruktur, also Motivation zum Leistungserbringen. Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014 Die psychische Leistungsfähigkeit Diesem Teilbereich der Leistungsfähigkeit wurde in der NVA ein hoher Stellenwert beigemessen, da man die herausragende Bedeutung des Intellektes und der Emotionen für das Leistungsvermögen des Menschen nicht zuletzt aus dem Leistungssport der ehemaligen DDR und der Leistungsmobilisierung unter Ausnahmebedingungen ableiten konnte. Es galt der Spruch: “Der Wille kann bekanntlich Berge versetzen!“ Bei der Entwicklung der psychischen Leistungsfähigkeit waren folgende Komponenten zu beachten: – der intellektuelle Leistungsbereich (Konzentrationsvermögen, geistige Beweglichkeit, Aufmerksamkeit), – die emotionale und affektive Verarbeitung, – angeborene Reaktionsweisen (Charakter und Temperament), – erworbene, anerzogene Verhaltensweisen (emotionale Seite der Persönlichkeitsstruktur) Innerer Faktoren des psychischen Leistungsvermögens sind charakterisiert durch Empfindungen, Wahrnehmungen, Emotionen und Gefühle. So leiten sich bekanntlich daraus das Denken, die Willensbildung und die Handlungen ab. Da die geistigen Prozesse erlern- und trainierbar sind, wurde der Anerziehung stabiler Motivationen eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Leistungshemmenden Faktoren bei gestörter Verarbeitung von Emotionen und Wahrnehmungen sowie unzureichenden Kenntnissen sollte entgegen gewirkt werden. Die Erfassbarkeit psychischer Komponenten wurde als problematisch angesehen und stellte die politischen Verantwortlichen in der Regel vor komplizierte Situationen. Oft erwiesen sich die Überzeugungen in Bewährungssituationen als wenig stabil. Auch hier galt: „Weiß doch der Volksmund, dass es schwer ist, in das Herz eines Menschen zu schauen.“ Die physische Leistungsfähigkeit Darunter verstand man in der NVA eine komplexe biologische Größe, die aus den Komponenten Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit und koordinativen Fähigkeiten besteht [15]. Trotz der hohen Streuung biologischer Werte lassen sich diese leichter erfassen und interpretieren als die besprochenen psychischen Faktoren. Durch entsprechende ergometrische, spirometrische, biochemische und blutgasanalytische Verfahren konnten Parameter des kardiovaskulären und pulmonalen Systems hinreichend charakterisiert werden. Die physische Leistung beruht auf einer allgemeinen körperlichen und einer speziellen Leistungsfähigkeit, die als Tauglichkeit bezeichnet wurde. Die allgemeine körperliche Leistungsfähigkeit wird durch biologische Faktoren, Konditionierung und Widerstandsfähigkeit bestimmt [15]. Die spezielle Leistungsfähigkeit bestimmt die Eignung des einzelnen Soldaten zum Verrichten bestimmter militärischer Tätigkeiten. Beide beeinflussen den Grad der Tauglichkeit. Aus Beobachtungen und gezielten Untersuchungen wurden als wesentliche Schlussfolgerungen abgeleitet [3, 4]: – Den größten Leistungszuwachs erfährt eine männliche Person zwischen dem 12. und 14. Lebensjahr. – Die körperliche Höchstleistung wird ab dem 17. bis 19. Lebensjahr erreicht. – Im 19. Lebensjahr sind die Ausdauerleistungen am höchsten entwickelt. – Nach dem 20. bis 21.Lebensjahr tritt bezüglich der Höchstleistung ein Leistungsabfall ein, so dass vom 22. bis 34. Le- G. Machalett: Psychophysische Leistungsfähigkeit der Soldaten der Nationalen Volksarmee der ehemaligen DDR Abb.1: Spiroergometrischer Messplatz bensjahr die Ausdauerleistungen denjenigen von 17- bis 19jährigen Männern entsprechen dürften. – Der weitere kontinuierliche Abfall der Höchst- und Ausdauerleistungen kann durch Training lediglich verzögert werden. – Nur Erfahrung und Routine tragen dazu bei, dass ältere Personen über einen gewissen Zeitraum noch über ein ausreichendes Niveau der Leistungsfähigkeit verfügen. Daraus resultierte, dass selbst mit intensivstem Training unter Beachtung von Alter, Geschlecht, Konstitution und Kondition nur eine maximal 10 - 15 %-ige Steigerung der Leistungsfähigkeit im Verlaufe des 18-monatigen Wehrdienstes erreichbar war. Daher musste schon spätestens ab dem 12. Lebensjahr eine systematische Körpererziehung beginnen, um die geforderte körperliche Leistungsfähigkeit bei künftigen Wehrpflichtigen zu erhalten. Folglich wurde dem Schul- und Freizeitsport in der DDR dieses als eine ganz wesentliche Aufgabe übertragen [6]. Für das spätere Leistungsniveau im Wehrdienst wurden deshalb schon in Schulen, Berufs- und Fachschulen, im Betriebs- und Freizeitsport sowie nicht zuletzt durch die vormilitärische Ausbildung in der Gesellschaft für Sport- und Technik wichtige Weichen gestellt. Durch eine Reihe von Studien konnten diese Hypothesen auch wissenschaftlich unterlegt werden. So untersuchte Quies 1979 an über 500 wehrpflichtigen Probanden (Motorisierte Schützen, Artilleristen und Offizierschüler) die physische und psychische Leistungsfähigkeit durch Normenüberprüfung im Härtetest und bei militärtypischen Tätigkeiten wie Märschen, Würfen, Hindernisläufen, Sprüngen etc. [12]. Die anthropometrischen Messwerte wurden durch spiroergometrische Leistungsprüfungen ergänzt. Die dabei beobachtete, relativ große Streuung der Werte wurde auf die individuellen körperlichen Unterschiede der Probanden und auf Unterschiede in der Vorbereitung auf die Testung und vor allem in der Leistungsmotivation zurückgeführt. Das Niveau der körperlichen Leistungsfähigkeit bei den untersuchten Wehrpflichtigen von drei Diensthalbjahren wies keine nennenswerten Differenzen zu den bei untrainierten Normalpersonen erhaltenen Ergebnissen auf [5]. 20 % der Wehrpflichtigen zeigten bereits bei Antritt des Wehrdienstes bei der spiroergometrischen Testung eine ungenügende Leistungsfähigkeit. Aus diesem Personenkreis erfüllten dann 211 50 % die gestellten Normen bei der praktischen Überprüfung nicht. Bei den Nichterfüllern im 1. Diensthalbjahr stimmten die spiroergometrischen Testergebnisse mit den mangelnden Leistungen im Härtekomplex weitgehend überein. Im 2. und 3. Diensthalbjahr wurde spiroergometrisch eine bessere objektive Leistung registriert als im Härtekomplex, der dem subjektiven Leistungsbereich zugeordnet werden muss. Hier lag der Schluss nahe, dass die MKE durchaus die Leistungsfähigkeit steigern kann, die Motivation jedoch einen entscheidenden Faktor darstellte [13]. Das konnte durch sportsoziologische Befragungen von Jodl [9] als Tendenz zum Zurückhalten von Leistungspotenzialen im Verlaufe des Wehrdienstes geklärt werden. Dieses bewusste Zurückhalten körperlicher Leistungspotenziale im Training und in der Normenüberprüfung kann nach Quies [12] einen bedenklichen Circulus vitiosus einleiten. Letzterer kann durch Ausbleiben trainingswirksamer Reize, die bei 60 bis 70 % der maximalen Belastbarkeit liegen sollten [6], zum Stagnieren des Niveaus der körperlichen Leistungsfähigkeit führen. Als günstig erwies sich daher eine effektive prozentuale Zeitaufteilung der MKE- Aktivitäten, um folgende Eigenschaften herauszubilden: • 40 % Ausdauer, • 30 % Kraft, • 15 % Beweglichkeit, • 10 % Gewandtheit, • 5 % Schnelligkeit. Ein Intervalltraining zu Beginn des Wehrdienstes versprach den größten leistungsfördernden Effekt. Zusätzlich konnte auch festgestellt werden, dass das Leistungsniveau der Wehrpflichtigenjahrgänge in den 60-iger Jahren, das heißt nach der Einführung der Wehrpflicht 1962, deutlich höher lag als bei den Jahrgängen zehn Jahre später. Neu einberufene Wehrpflichtige waren hier im Durchschnitt mangelhaft auf den Wehrdienst vorbereitet, wobei allerdings das Niveau von der beruflichen Ausrichtung und der Freizeitsportaktivität abhängig war. Das größte Defizit bestand bei den Ausdauerdisziplinen. Diese Erkenntnis war für die Verantwortlichen im damaligen Ministerium für Nationale Verteidigung offenbar so unangenehm, dass die Arbeit von Quies als „Vertrauliche Verschlusssache“ [12] eingestuft und so der Kenntnisnahme durch einen größeren Expertenkreis entzogen wurde. Von aktuellem Interesse dürften auch die Untersuchungen zur physischen und psychischen Leistungsfähigkeit von Probanden nach einer Blutspende sein. Im Transfusionsdienst der NVA Abb. 2: Dienstsport in der NVA. Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014 212 G. Machalett: Psychophysische Leistungsfähigkeit der Soldaten der Nationalen Volksarmee der ehemaligen DDR spielten nämlich die Fragen der Einsatz- und Arbeitsfähigkeit von Blutspendern deswegen eine wichtige Rolle, weil entsprechend der Versorgungsstrategie der NVA der dezentralen Blutabnahme in einem etwaigen Verteidigungsfall ein hoher Stellenwert zugesprochen worden war. Anthropometrische Messverfahren und auch ergometrische Untersuchungen erbrachten keine aussagefähigen Ergebnisse, da die Auslenkung der Messparameter bei einer Spendenmenge von 1/12 – 1/13 des Gesamtvolumens so gering ausfiel, dass keine Aussage zur Beeinflussung der Ausdauerleistungsfähigkeit zulässig war [9]. Aus diesem Grunde nutzten Jokisch und Reeck [9] die LaktatLeistungskurve, im Sinne eines „Verstärkereffektes“, zur Quantifizierung der Ausdauerleistungen nach einer Blutspende als Testmodell. Da die Plasmalaktatkonzentration von der physischen Belastung abhängt [14] und somit ein Spiegel der metabolischen Vorgänge im Muskel darstellt [10, 11], waren brauchbare Aussagen zu erwarten [1, 2]. Bei fast allen Probanden fand sich dann auch, allerdings unter Berücksichtigung der individuell bedingten unterschiedlichen biochemischen Ausgangslage, bei steigender Belastung eine Linksverschiebung der Laktatleistungskurve. Dies ist als Zeichen der Zunahme des laktaziden Mechanismus der Energiegewinnung und somit als ein Abfall der Ausdauerleistungsfähigkeit nach einer Blutspende zu werten. Im Vergleich der Laktatwerte auf den einzelnen Belastungsstufen konnten Unterschiede bis zu einem mmol/l und vereinzelt darüber hinaus gemessen werden, was eine deutliche Erniedrigung der Ausdauerleistungsfähigkeit signalisierte [8]. Etwas irritierend waren die Ergebnisse von Kontrolluntersuchungen mit anthropometrischen Methoden (Messung der Zeitdauer eines Sturmbahnlaufes) 45 Minuten nach einer Blutspende (400 ml) und der oralen Gabe von einem Liter Flüssigkeit: bei 80 % der Probanden verbesserte sich die Laufleistung um 8 bis 15 %. Dieser Effekt könnte darauf beruhen, dass sich durch die Hämodilution die Fließeigenschaften des Blutes verbesserten oder die Motivation zur Leistungserbringung in einer besonderen Testgruppe erhöht war. Letzteres könnte die Rolle des moralischen Faktors unterstreichen. Bei speziellen Untersuchungen der psychischen Leistungsfähigkeit fand Roost [14] bei Verwendung von Aufmerksamkeitsund Konzentrationstesten keinerlei Veränderungen durch die Blutspende. Schlussfolgerungen Trotz unterschiedlicher gesellschaftspolitischer und ökonomischer Ausgangsbedingungen lassen sich aus den Erfahrungen des Medizinischen Dienstes der ehemaligen NVA (als Wehrpflichtarmee) auf dem Gebiet der Leistungsmedizin auf die Gegenwart übertragen: Unverändert gültig bleibt wohl das alte deutsche Sprichwort: “Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.“ Der Gesellschaft mit ihren erzieherisch wirkenden Organisationen wie Schule, Freizeitsportvereinen und vor allem auch den Medien kommt eine wesentliche Schlüsselrolle zu, wenn es um die physische und psychische Leistungsfähigkeit der heranwachsenden Generationen geht. Auf körperliche und psychische Höchstleistungen bereitet man sich nicht allein durch virtuelle Erlebnisse und Taten am Computer vor, denn was sagte der griechische Dichter Hesiod schon Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014 700 Jahre vor Christus: „Schweiß fordern die Götter uns ab, bevor wir Erfolg haben.“ Literatur 1. Ästrand PO: Aerobic and anaerobic energy sources in exercise. Medicine and Sport-Basel 1981;13: 22 - 37. 2. Ästrand PO: Experimental studies of physical working capacity in relation to sex und age Copenhagen, Munksgaard, Journal 1952. 3. Gestewitz HR: Möglichkeiten und Grenzen für die Erreichung hoher physischer Belastungen der Angehörigen der NVA in der gefechtsnahen Ausbildung. Z Militärmed 1978 19; 108 - 111. 4. Gestewitz HR, Trzopek HG, Werner G: Probleme der psychologischen Leistungsfähigkeit der Berufssoldaten. Z Militärmed 1971; 12: 260 - 264. 5. Gürtler HW, Kibittel W. Volkmar F: Leistungsphysiologische Testergebnisse bei 16.-bis 18.-jährigen männlichen Probanden einer erweiterten Oberschule4. Med Sport 1970; 10: 78 - 81. 6. Hollmann W, Hettiger Th (Hrsg.):Sportmedizin- Arbeits- und Trainingsgrundlagen Stuttgart, Schattauer 1976. 7. Hollmann W, Chirdel, K. Forsberg, S. Speer, K.: Untersuchungen über den Einfluss der Blutspende auf das kardio-pulmonale Leistungsverhalten Med.Welt 1969; 20: 1157 - 1161. 8. Jokisch P, Reeck M: Einfluss der limitierten Blutspende und der autologen Retransfusion auf die Sauerstoffversorgung des Organismus. Med Diss A Akademie f ärztl Fortbild Berlin 1990. 9. Jodl H: Die Anforderungen der NVA an die körperliche Erziehung und Bildung der Schüler der Klassen 10-12. Theorie und Praxis der Körperkultur 1973; 22: 736 - 740. 10. Keul J: Auswirkungen psychischer und physischer Belastungen auf den Organismus Therapiewoche 1980; 30(18): 3096 - 3106. 11. Pansold B, RothW, Zimmer J, Hasart E, Gabriel B: Die Laktataleistungskurve - ein Grundprinzip sportmedizinischer Leistungsdignostik. Medizin und Sport Berlin 1982; 22: 107 - 112. 12. Quies W: Leistungsphysiologische Untersuchungen zur Optimierung der militärischen Körperertüchtigung für Wehrpflichtige im Grundwehrdienst. Med Diss. B. Greifswald 1979. 13. Quies W, Hoffmann HD, Metze R, Kibittel W: Körperliche Ausdauerfähigkeit- Methoden zu ihrer Bestimmung und Bewertung der Testergebnisse. Wiss Zschr EMAU Greifswald (1974): XXIII (3/4): 139 - 146. 14. Roost U: Psychologische Wirkungen eines limitierten Blutverlustes von 400 ml. Med Diss A. Akad. f. ärztliche Fortbild. Berlin 1986. 15. Sternitzky R: Blutfließverhalten und Mikrozirkulation in der klinischen Medizin. Z klein Med 1986; 23: 1937 - 1938. 16. Trzopek HG, Werner G: Probleme der Begriffsbestimmung, Erfassung und Beurteilung der psychophysischen Leistungsfähigkeit aus Sicht der Militärmedizin. Z Militärmed 1978; 19: 111 - 114. Bildquelle: Abb. 1: Winfried Papenfuß (Autorenkollektiv): “Luftfahrtmedizin” mit einer Einführung in die Raumfahrtmedizin. Brandenburgisches Verlagshaus, Berlin 1990, 400 S.; 156 Ill. Abb. 2: Siegfried Walther und Horst Zühlsdorf: “Auf Ketten und Rädern”. Militärverlag der DDR (VEB) Berlin 1988, 134. Anschrift des Verfassers: MR Doz. Dr. sc. med. Gerd Machalett, Oberstarzt a. D. Am See 15 17089 Siedenbollentin E-Mail: gerdmachalett@gmx.de Der Beitrag wird unter www.wehrmed.de im Internet veröffentlicht. 213 A US DER NATO NATO Science & Technology Organization – Human Factors and Medicine Im Folgenden wird über drei herausragende wissenschaftliche Veranstaltungen der NATO Science & Technology Organization (STO) berichtet, die aus einem internationalen Expertennetzwerk auch wichtige Informationen für die fachliche Weiterentwicklung im Sanitätsdienst zur Verfügung stellen. Ein umfassender Überblick über alle Veranstaltungen und Publikationen der STO findet sich unter www.cso.nato.int. HFM-243 Workshop „Regenerative Medizin“, 19. – 21. Mai 2014, Berlin Fast 50 Experten aus Klinik und Forschung aus 15 Nationen kamen in der Zeit vom 19. – 21. Mai in der Julius-Leber-Kaserne zusammen, um die Grundlagen für die zukünftige internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der „Regenerativen Medizin“ zu schaffen. Oberstarzt Professor Dr. Willy, der mit Unterstützung seines Teams aus der Abteilung Unfallchirurgie/Orthopädie/septische und dekonstruktive Chirurgie des Bundeswehrkrankenhauses Berlin dieses Expertentreffen in hervorragender Weise organisiert hatte, hatte in seiner Eigenschaft als Chairman des Workshops HFM-243 der NATO Science and Technology Organization (STO) eingeladen. In enger Abstimmung mit dem Co-Chairman Colonel Scherer, dem Forschungsleiter auf dem Gebiet der Regenerativen Medizin beim US Army Medical Research and Material Command in Fort Detrick, USA, hatte er ein höchst anspruchsvolles wissenschaftliches Programm erarbeitet, welches ausreichend Platz für Diskussion und Entwicklung von Zukunftsvisionen bot. Abb. 2: Lebhafte Diskussion auf höchstem fachlichen Niveau (im Vordergrund Prof. Dr. Soria, Leiter des Andalusian Center for Molecular Biology and Regenerative Medicine und ehemaliger spanischer Gesundheitsminister) Bildquelle: BwKrhs Berlin Schwerpunkte der Veranstaltung bildeten die wehrmedizinisch besonders bedeutenden Bereiche des Wiederaufbaus (Regeneration) von schweren, teilweise auch infizierten Knochen- und Muskeldefekten, zentralen und peripheren Nervenschädigungen, Weichteilverletzungen, Hautschädigungen (v.a. Verbrennungen) und Wundinfektionen. Dabei reichte das Spektrum der vorgestellten Verfahren und Techniken von den verschiedenen Möglichkeiten des Einsatzes von Stammzellen über die Anwendung von Biomodulatoren, den Einfluss von Nahrungsergänzungsmitteln, 3-D-Bioprinting von Körpergewebe bis zum Einsatz von Bakteriophagen zur Behandlung von schweren Wundinfektionen. Breiten Raum nahm die Diskussion der Frage ein, wie man zukünftig den Eingang neuer Technologien in die Therapie beschleunigen kann, und wie die „Verständigung“ zwi- Abb. 1: Logo der European Society of Tissue Regeneration in Orthopedics and Traumatology (ESTROT) Bildquelle: ESTROT Welch‘ hohes Interesse die zivilen Wissenschaftler einer Zusammenarbeit mit dem militärischen Bereich entgegenbringen, lässt sich u.a. an der Mitwirkung der European Society of Tissue Regeneration in Orthopedics and Traumatology (ESTROT) ablesen, die mit ihrem Präsidenten (Prof. Calori, ITA), Vizepräsidenten (Prof. Schmidmaier, DEU) und Schatzmeister (Prof. Bégué, FRA) vertreten war. Die Bedeutung der „Regenerativen Medizin“ für die Weiterentwicklung des Sanitätsdienstes der Bundeswehr unterstrich der Direktor „Wissenschaft“ der Sanitätsakademie der Bundeswehr, Generalarzt Dr. Weller, bei seiner Begrüßung. Er ließ es sich auch nicht nehmen, an einem großen Teil des Wirkshops teilzunehmen. Abb. 3: Interessiertes Verfolgen der Vorträge (im Vordergrund Oberstarzt Prof. Dr. Willy und Generalarzt Dr. Weller) Bildquelle: BwKrhsBerlin Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014 214 Aus der NATO schen Laborforschung, Klinik und Herstellung (Industrie) verbessert werden kann und muss. Die Teilnehmer waren sich darüber einig, dass der in Berlin begonnene Dialog und die hier bereits etablierten Netzwerkbeziehungen fortgesetzt und in eine konkrete europäische wie auch transatlantische Zusammenarbeit umgesetzt werden müssen. Konkret wurde die Einrichtung einer NATO STO-ResearchTask-Group empfohlen, in der Kliniker, Forscher und Hersteller gemeinsam den optimalen Weg zur Entwicklung und Einführung von Technologie aus der „Regenerativen Medizin“ in die Behandlung von Verwundeten finden und aufzeigen. Auf einem für Herbst 2016 in Brüssel (BEL) geplanten Symposium mit dem Thema „Optimizing Treatment of Severe Injuries by Use of Regenerative Medicine Technologies“ soll der aktuelle Forschungsstand einem breiten internationalen Expertenkreis vorgestellt werden. Ein Bericht über den Workshop steht in Kürze auf der Webseite der STO (www.cso.nato.int) zur Verfügung. Für 2015 ist ein WMM- Schwerpunktheft „Regenerative Medizin“ geplant. Oberstarzt a. D. Dr. Peter Mees E-Mail: wmm@p-mees.de HFM-249 Symposium „Emerging Technological Advances in Tactical Casualty Care“ - Call for Papers 20. – 22. April 2015, Warschau (POL) Vor kurzem wurde der Call for Papers für das Symposium HFM-249 veröffentlicht. Er wird im Folgenden auszugsweise wiedergegeben (der vollständige Text kann unter www.cso.nato.int -> Upcoming Events -> Calls for papers heruntergeladen werden). Das Symposium bietet damit nicht nur die Möglichkeit des Informationsgewinns, sondern auch die Chance zur Präsentation eigener wissenschaftlicher Ergebnisse vor einem breiten internationalen Expertenkreis. Call for Papers The HFM 249 Symposium will bring together international experts in the development and fielding of advanced medical technologies, with emphasis on improving care at the point of injury and during medical evacuation. The goal is to develop a greater understanding of soon-to-be fielded technologies, and to determine how they can best be applied within the multinational NATO environment. The main themes of this symposium to be considered will include: • Discussions of NATO medical shortfalls which might be remedied by the use of advanced medical technologies. • A review of current and new developments in advanced medical technologies which may in the short term be applicable to NATO multinational medical operations. • Advances in medical technologies which may not be beyond the early research stages but which might in the future have applicability to NATO multinational medical operations. • A review of advanced non-medical technologies which may be applicable to such operations. • Limitations and shortfalls of such technologies. The symposium will address the full scope of potential advanced medical technologies and approaches and assess the current state-of-the art, including the following topic areas: Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014 • New point-of-injury care devices, drugs, diagnostics and techniques • Acute care devices, drugs and techniques for preventing death from combat wounds • Use of Virtual Reality for training, patient diagnosis and treatment • Closed loop and open loop patient management systems • Patient evacuation, with and without manned vehicles • Vital Signs Monitoring • Automatic patient recovery • Triage tools and techniques • Medical Information Systems (patient tracking, patient regulating, and medical situational awareness) • Epidemiologic and outcomes research studies to guide future R&D investment. Examples of technology enablers within the scope of this symposium also include hemorrhage control, resuscitation technology, pain management, telemedicine, modular intensive care units, technology for detection, diagnosis and early treatment of concussion as well as portable imaging systems (e.g. radiography, ultrasound etc.). Abstracts of papers to be presented should be sent to the Programme Committee Chair, Dr. David BEAR at david.g.baer.civ@mail.mil, and to the CSO/HFM Panel Office (danielle.pelat@cso.nato.int and marie.linet@cso.nato.int) not later than 19 September 2014. For more details and instructions please visit the STO/CSO website www.cso.nato.int and look under Upcoming Events-> Calls for Papers. Oberstarzt a. D. Dr. Peter Mees E-Mail: wmm@p-mees.de TR-HFM-187 „Management of Heat and Cold Stress – Guidance to NATO Medical Personnel“ Durch die Auslandseinsätze außerhalb der vertrauten mitteleuropäischen Breiten gewinnt der Umweltfaktor Klima an Bedeutung. In Verbindung mit hohen körperlichen Leistungsabforderungen in der Hitze oder langen Immobilitätsphasen in der Kälte gefährdet die Klimawirkung die Gesundheit und beeinträchtigt die Leistungsfähigkeit. Der Anstieg der stationären Aufnahmen von Soldaten der U.S. Army mit Hitzschlägen um fast das Achtfache in den letzten 22 Jahren oder die hohe Inzidenz von Kälteerkrankungen der Hände und Füße (non-freezing cold injuries) in den britischen Streitkräften demonstrieren bespielhaft die Bedrohung durch extreme Klimaexpositionen. Diese Problematik vergrößert sich noch durch die schnelle Luftverlegung von militärischem Personal, da eine allmähliche Akklimatisation während einer längeren Anreise entfällt. Eine Erfahrung, die auch der jüngste Einsatz der Bundeswehr in der Hitze von Mali bestätigt. Die ernüchternde Bestandsaufnahme der NATO ergibt, dass in den Streitkräften kein ausreichendes präventivmedizinisches Management von extremen Klimaexpositionen umgesetzt wird. Erschwerend kommt der fortschreitende Abbau der entsprechenden wissenschaftlichen Expertise im militärischen und auch im zivilen Bereich hinzu. Aus diesem Grunde etablierte das Human Factors and Medicine (HFM) Panel der NATO Science and Technology Organisation (STO) 2009 die Research Task Group 187. An dem Projekt beteiligten sich neun Nationen (Belgien, Deutschland, Estland, Aus der NATO Abb. 4: Hitzeexposition und schwere körperliche Arbeit in Koulikoro, Mali (EUTM) Finnland, Frankreich, Großbritannien, Slowenien, Niederlande, USA). Den Vorsitz führten die USA durch den international renommierten Physiologen Dr. Michael N. Sawka (seinerzeit Leiter der Abteilung “Thermal & Mountain Medicine”, U.S. Army Research Institute of Environmental Medicine, Natick, Ma, USA). Der Zentrale Sanitätsdienst der Bundeswehr wurde durch die Laborabteilung IV –Medizinische Wehrergonomie und Leistungsphysiologie– des Zentralen Instituts des Sanitätsdienstes der Bundeswehr Koblenz vertreten. Der Name der Arbeitsgruppe, „Management of Thermal Strain“, verdeutlicht das Ziel, die klimaphysiologische Prävention als einen ganzheitlichen Managementprozess für die militärische Anwendung zu strukturieren. Dazu wurden zunächst die entsprechenden Inhalte nationaler Dokumente gesichtet und über ihre Einbindung in evidenz-basierte Empfehlungen zur Risikominimierung entschieden. In den anschließenden Beratungsprozess wurde auch ein wissenschaftliches Symposium (“Clothing in the cold“) eingebunden. Dieses fand anlässlich des Arbeitstreffens der Research Task Group beim TNO (Netherlands Organisation for Applied Scientific Research, Soesterberg, NL) statt. Die Teammitglieder hatten Gelegenheit, sich mit weiteren, eingeladenen Wissenschaftler aus Großbritannien, Frankreich und Norwegen über aktuelle präventivmedizinische Entwicklungen ihrer Arbeitsgebiete auszutauschen. Die Arbeitsergebnisse der Research Task Group 187 sind in einem Technical Report im Dezember 2013 veröffentlicht worden. Dieses Grundlagendokument bindet die Einsatzerfahrungen der beteiligten Nationen ein und enthält detaillierte Informationen für medizinisches Personal und militärische Führer über das präventive Verhalten bei Hitze- und Kälteexpositionen. Dabei wird zu einem umfassenden Management aufgefordert, das durch die Analyse und die gezielte Beeinflussung der multifaktoriellen Klimawirkung eine Risikominimierung erreicht. Zusätzlich verfügt der Abschlussbericht über je einen Anhang, der die Inhalte für die Hitze und die Kälte prägnant zusammen- 215 Bildquelle: ©Bundeswehr/Falk Bärwald fasst. Diese beiden Teile sind zur Erstellung von Informationsmaterial (Broschüren, Taschenkarten, Poster, Filmspots, „Apps“ etc.) für die Truppe bestimmt. Dadurch soll die notwendige Wirkungskette von der Erarbeitung durch eine wissenschaftliche Expertengruppe bis zur Information der klimaexponierten Einsatzsoldaten geschlossen werden. Die Arbeitsergebnisse der Research Task Group 187 bieten die Möglichkeit, bei Einsätzen die Auswirkungen extremer Klimaexpositionen auf die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit deutscher Soldaten durch ein präventivmedizinisch orientiertes Management zu begrenzen. Zur wissenschaftlichen Fortschreibung der Grundlagen ist jedoch die Stärkung der bundeswehreigenen umweltergonomischen Expertise notwendig. Dazu kann die Koblenzer Ressortforschungseinrichtung, Laborabteilung IV –Medizinische Wehrergonomie und Leistungsphysiologie–, die „Keimzelle“ bilden. Aufbauend auf hiesige Erfahrungen wurden bereits in Zusammenarbeit mit der Deutschen Sporthochschule Köln und der Universität zu Köln die aktuellen Leitlinien über die Arbeit unter klimatischer Belastung der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin entwickelt. Der vollständige Report mit zahlreichen Tabellen kann von der NATO-STO-Webseite unter http://www.cso.nato.int/Pubs/rdp.asp?RDP=RTO-TRHFM-187 heruntergeladen werden. Dr. Karl Jochen Glitz Laborabteilung IV - Wehrmedizinische Ergonomie und Leistungsphysiologie Zentrales Institut des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, Koblenz E-Mail: karljochenglitz@bundeswehr.org Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014 216 TAGUNGEN UND K ONGRESSE Forschung – Qualität – Forschungsqualität ARCHIS 2014 in Ulm Benedikt Friemert, Michael Engelhardt, Roland Schmidt Vom 05. bis zum 07.02.14 fand die 21. ARCHIS1-Tagung in Ulm statt, zu der 265 Sanitätsoffiziere aller Dienstgradgruppen sowie zivile Referenten aus Klinik, Forschung und Wissenschaft nach Ulm gekommen waren. Ganz besonders gefreut hat uns die Teilnahme unseres Inspekteurs, Herrn Generaloberstabsarzt Dr. Patschke, der uns im Verlauf der Tagung auch einen Überblick über die aktuelle Situation des Sanitätsdienstes sowie die weiteren Planungen geben konnte. Des Weiteren war Herr Generalstabsarzt Dr. Fröhlich, Kommandeur der zentralen Sanitätseinrichtungen des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, anwesend. Auch über unseren Ehrengast, Herrn Professor Dr. Elias Degiannis, Direktor der Trauma Einheit des Chris Hani Baragwanath Academic Hospital in SOWETO/Johannesburg/Südafrika, eines der größten Akutkrankenhäuser der Welt, haben wir uns außerordentlich gefreut. Stellvertretend für die zivilen Redner und Teilnehmer möchten wir Herrn Professor Dr. Debus nennen, der in seiner Funktion als Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin zum Gelingen der ARCHIS-Tagung beitrug. Weiterhin möchten wir Herrn Privatdozent Dr. Schrem von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) nennen, der mit seinem Engagement für die klinische Forschung schon im Vorfeld für die gemeinsame Arbeit mit dem Sanitätsdienst gewor- Abb. 1: FAST – Notfallsonographie unter Gefechtsbedingungen. (Bild: OFA Kremers, BwKrhs Ulm) Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014 ben hatte. Auch Herr Professor Dr. Marzi unterstrich in seiner Funktion als Leiter des Wissenschaftsausschusses der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie die Bedeutung dieser Tagung in den Fachgesellschaften. Im Wesentlichen werden wir im Folgenden wir über die Inhalte der einzelnen Sitzungen und Teilveranstaltungen berichten, wollen aber an dieser Stelle schon jetzt feststellen, dass diese ARCHIS-Tagung wieder gezeigt hat, dass die chirurgische Community des Sanitätsdienstes positiv, kritisch, lebhaft diskutierend, sehr an der Zukunftsentwicklung des Sanitätsdienstes und natürlich auch der Chirurgie des Sanitätsdienstes interessiert und bereit ist, ihren Beitrag auch im Sinne einer Vorleistung zu erbringen. An dieser Stelle möchten wir ganz herzlich all denen danken, die am Gelingen dieser ARCHIS 2014 beteiligt waren. Neben den Mitarbeitern der Abteilungen möchten wir hier ganz besonders die Herren Oberfeldärzte Dr. Elias und Dr. Josse (Abt. Anästhesie, BwKrhs Ulm) sowie Herrn Oberstabsarzt Schallert nennen, die ganz wesentlich dazu beigetragen haben, dass der 1. Lerchenfelder Team-Contest als militärisch—fachliche Herausforderung auf unserem Übungsplatz durchgeführt werden konnte. Des Weiteren gilt der Dank Herrn Oberfeldarzt Kremers (OP-Manager BwKrhs Ulm), der sich bereit erklärt hatte, die bildliche Dokumentation dieser Tagung zu übernehmen. Lerchenfelder DCS – Team – Contest (C. Elias) Im Unterschied zu den Workshops der vergangenen ARCHIS – Tagungen wurde am 05.02.2014 auf dem Truppenübungsplatz Lerchenfeld des Standortes Dornstadt der 1.Lerchenfelder DCS – Team – Contest durchgeführt. Bei diesem sollten im Rahmen eines Wettbewerbes zwischen den Bundeswehrkrankenhäusern die grundlegenden Anforderungen an den heutigen Einsatzchirurgen unter Beweis gestellt werden, welche neben den medizinischen auch die militärischen Grundfertigkeiten umfassen. Am Start waren sechs Teams mit jeweils 4 Mitgliedern. Jedes Bundeswehrkrankenhaus stellte ein eigenes Team und zusätzlich trat ein gemischtes - aus SanOA und Truppenärzten bestehendes - Team zum Wettkampf an. Innerhalb der Teams bestanden unterschiedliche Fachausrichtungen und Ausbildungsniveaus. Bei für diese Jahreszeit erstaunlich gutem Wetter wurden unter der Leitung von Oberstabsarzt Josse und Oberfeldarzt Dr. Elias von jedem Team sechs Stationen absolviert. Unterstützt wurden die ausrichtenden Kräfte des BwKrhs Ulm unter anderem durch LtCol Fortuna, MD, welcher als erfahrener Visceralchirurg der amerikanischen Streitkräfte eigens aus Landstuhl angereist war und bei der Leitung der visceralchirurgischen Station mitwirkte. Dabei bestanden die medizinischen Anforderungen aus der Durchführung einer FAST – Sonographie (Abb. 1) mit anschließender Durchführung der entsprechenden Not-OP an einem Dead-Tissue-Modell, der Versorgung einer relevanten Blutung nach den Damage-Control-Prinzipen incl. des Erlangens endovasculärer Blutungskontrolle sowie der Versorgung einer Be1 ARCHIS = Arbeitskreis chirurgischer Sanitätsoffiziere Tagungen und Kongresse cken-Verletzung mit den dafür im Einsatz bestehenden Mitteln wie Beckenzwinge und Pelvic Sling. Militärisch wurden an Grundfertigkeiten das Gruppengefechtsschießen im Simulator, das Zerlegen und Zusammensetzen aller gängigen Handfeuerwaffen der Bundeswehr sowie ein Szenario aus dem TCCC-Spektrum abverlangt. Dazwischen lagen für die Teilnehmer dann noch Orientierungsaufgaben sowie anspruchsvolle Marschstrecken. Die Auswertung der sechs Stationen und die Marschleistung der Teams ergaben als Endergebnis den Sieg des Gastgeberkrankenhauses, wobei alle Teams insgesamt ein sehr gutes Ergebnis erreichten. Vielleicht wird dieser Team-Wettbewerb eine Fortsetzung bei den nächsten ARCHIS-Tagungen erleben - ein Anfang wurde auf jeden Fall durch die Stiftung eines Wanderpokals gemacht. 1. Sitzung: Junges Forum (H.-P. Becker) Unter der Leitung der beiden Oberstärzte Professor Dr. Willy, Berlin, und Professor. Dr. Becker, Koblenz, war die 1. Sitzung der ARCHIS-Tagung 2014 unter dem Titel „Junges Forum“ unmittelbar dem wissenschaftlich interessierten chirurgischen Nachwuchs gewidmet. Die Gruppe um Frau Stabsarzt Scheuermann-Poley aus dem BwKrhs Berlin informierte über die ersten Ergebnisse ihres Forschungsprojektes über die Fluoreszenz-insitu-Hybridisierung zum Nachweis von einsatzrelevanten Bakterien in Wundbiofilmen. Stabsarzt Westerfeld et al. berichteten über die Behandlung penetrierender Verletzungen in der interdisziplinären Notfallaufnahme des BwKrhs Hamburg unter besonderer Berücksichtigung einsatzchirurgischer Grundsätze. Aus der unfallchirurgischen Abteilung des BwKrhs Westerstede stellte Flottillenarzt d. R. Dr. Keese-Röhrs die Ergebnisse der medio-patellofemoralen Ligamentrekonstruktion als lohnenswerte Therapieoption der habituellen Patellaluxation vor. Der Vortrag von cand.med. Eberle aus der Gruppe von Oberstarzt Professor Dr. Friemert beschäftigte sich im Sinne der Versorgungsforschung mit dem diagnostischen Nutzen der Kernspintomographie aus Sicht von Ärzten und Patienten. Frau Stabsarzt Volz aus den BwKrhs Ulm stellte eine sehr interessante Arbeit vor, bei der die Forschungsgruppe um Privatdozent Dr. Schrem von der MHH der Frage nachging, welche signifikanten Qualitätstreiber Einfluss auf das Langzeit-Überleben nach Lebertransplantation hatten. Dabei konnte z.B. gezeigt werden, dass der Tageszeitpunkt der Operationsdurchführung einen entscheidenden Einfluss auf das Outcome der Operation hatte. Oberstabsarzt Dr. Machemehl et al. aus der Abteilung Viszeralchirurgie des BwKrhs Berlin untersuchten die Checklisten zur Patientensicherheit in der Chirurgie. Der Vortrag von Stabsarzt Trotzke aus der Gruppe von Oberstarzt Privatdozent Dr. Kollig, BwZKrhs Koblenz, beschäftigte sich mit dem Versorgungskonzept der speziellen Frakturen der oberen Halswirbelsäule. Deren Langzeit-Ergebnisse stehen elementar in Zusammenhang mit der Erfahrung des Operateurs. Die letzten beiden Vorträge der Sitzung, gehalten von Stabsarzt Hoth aus dem BwKrhs Ulm und Oberfeldarzt Dr. Bublitz aus dem BwKrhs Berlin, konnten als Erfahrungsberichte über die Versorgung der syrischen Bürgerkriegsopfer darstellen, wie komplex die Behandlung chronischer Defektverletzungen ist und mit welchem Aufwand sich die Teams der Abteilungen dieser Aufgabe widmeten. Zusammenfassend war diese Sitzung spannend und lebhaft sowie anregend für die Zukunft, damit die chirurgischen Nachwuchskräfte 217 ihren Forschungsthemen auch weiterhin mit viel Enthusiasmus und Engagement nachgehen. 2. Sitzung: Forschungsqualität (M. Engelhardt) Klinische Forschung ist für die Chirurgischen Abteilungen der BwKrhs mittlerweile Selbstverständnis und zukünftig Teil ihres STAN-Auftrags. Hierbei forschen die Kliniken nicht isoliert innerhalb des Sanitätsdienstes. Vielmehr wird eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den zivilen Forschungseinrichtungen wie Universitätskliniken und Instituten angestrebt. Im einführenden Referat „Einfluss militärischer Forschung und Erfahrung auf die zivile Gefäßchirurgie“ (E.S. Debus, Hamburg) wurde am Beispiel der Gefäßverletzung der Nutzen militärchirurgischer Expertise für die zivile Chirurgie dargelegt. Die unstillbare Blutung, typisch für penetrierende Verletzungen durch Waffeneinwirkung, ist nach wie vor die Haupttodesursache verwundeter Soldaten. Und auch im zivilen Umfeld stellt das Verbluten die Haupttodesursache innerhalb der ersten 24 Stunden nach schwerem Trauma dar. Die an den hohen Patientenzahlen im Krieg zu gewinnenden präklinischen und operativen Erfahrungen lassen sich - bei sinnvoller wissenschaftlicher Aufarbeitung der Daten - somit auch auf den zivilen Bereich übertragen, in welchem bei deutlich geringeren Fallzahlen die Datenakquise ungleich mehr Zeit benötigen würde. Beispiele für solche zivilmilitärischen Verbundprojekte sind die präklinische Anwendung von Tourniquets und verschiedener lokaler und systemischer Hämostyptika, wobei zivile Entwicklungsforschung und militärische Anwendungsforschung Hand-in-Hand gehen. Darüber hinaus bietet sich aufgrund der großen, gut dokumentierbaren Patientenzahlen gerade für die militärmedizinische Wissenschaft die Registerforschung an. So basieren zahlreiche Entwicklungen der gefäßchirurgischen Traumaversorgung auf Daten des Vietnam Vascular Registry und, aktueller, des Balad Vascular Registry (Irak). Gerade auf dem Gebiet der Gefäßtraumatologie kann das Militär taktgebend sein. Dies spiegelt sich nicht zuletzt in der Besetzung der Kommission „Gefäßtraumatologie und Katastrophenmedizin“ der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie mit zwei gefäßchirurgisch tätigen Sanitätsoffizieren wider. Was an Rahmenbedingungen für diese militärmedizinische Forschung notwendig ist, wurde im Vortrag „Methoden und erforderliche Infrastruktur für qualitativ hochwertige klinische Forschung: Was kann ein Bundeswehrkrankenhaus alleine und wo braucht es Kooperation“ (H. Schrem, Hannover) diskutiert. Im Forschungsbiotop Operationssaal können beispielsweise die Optimierung des operativen Ressourcenmanagements, das Lernverhalten von Chirurgen oder Prognose-Scores für TriageEntscheidungen validiert werden. Ferner wurde auf die Optimierung von Prozessen durch Etablierung eines Lean Six System hingewiesen. Dieses Managementsystem zur Prozessverbesserung und Qualitätssteigerung kann – richtig angewandt – zu einer effizienteren Gestaltung von Prozessketten auch im Krankenhaus führen. Darüber hinaus wurde auf den Wert von Krankenstationen und Nachsorgeambulanzen als Datenbasis für Outcome-Forschung hingewiesen. Das motivierte Personal, die leistungsstarken Krankenhäuser und das chirurgische Knowhow seien im Sanitätsdienst bereits vorhanden. Die Hard- und Software sowie die unabdingbaren Freiräume zur klinischen Forschung müssen jedoch erst noch geschaffen werden. Gute klinische Forschung ist kein Selbstzweck, sondern Basis einer soliden klinisch-akademischen Ausbildung. Im Vortrag Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014 218 Tagungen und Kongresse „Profitiert Ausbildung von Forschung“ (T. Seufferlein, Ulm) wurde verdeutlicht, dass Ausbildung in wissenschaftlich fundierter Forschung ein wesentliches Element der klinischen Weiterbildung darstellt. Umgekehrt ist auch eine systematische Erforschung der Ausbildung selbst unerlässlich um eine hohe Ausbildungsqualität zu gewährleisten. Die Ausbildung von Chirurgen ist von je her eine zentrale Aufgabe der operativen Abteilungen an den Bundeswehrkrankenhäuser. In ihren Beiträgen „Was können Simulatoren leisten?“ (K. Klemm, Stuttgart) und „Simulation und skills lab in der chirurgischen Weiterbildung“ (C. Willy, Berlin) wiesen die Autoren auf den sich immer mehr zuspitzenden Widerspruch zwischen gesteigerten Anforderungen an den Chirurgen durch enorme Wissenszunahme, rasche technische Weiterentwicklung, zunehmende Spezialisierung und Qualitätsbewusstsein einerseits und eingeschränkte Lernmöglichkeiten bei reduzierten Arbeitszeiten sowie zunehmenden Qualitätsanspruch der Patienten andererseits hin. So verringerte sich in den letzten 30 Jahren die Zahl der Operationen bis zum Erwerb des Facharztes um mehr als 40% und die Arbeitszeit wurde gesetzlich vorgeschrieben halbiert. Learning Curves, wie sie noch in den Anfangsjahren des laparoskopischen Operierens üblich waren, werden heutzutage nicht mehr akzeptiert. Vor diesem Hintergrund wurden moderne Ausbildungsmethoden an Simulatoren und in Skills Labs als Alternative zur herkömmlichen chirurgischen Ausbildung am Patienten vorgestellt. Am Beispiel der European Vascular Master Class der Vascular International (VI)-School e.V. wurden Kriterien für ein erfolgreiches Training am Simulator erläutert: Bewusstes Training in einer sicheren – weil stressfreien – Umgebung, motivierende Lernatmosphäre (attraktive Lokalisation des Kurses zur Erholung), hohe Tutorendichte mit erfahrenen Lehrern und möglichst lebensnahe Simulation. Die wissenschaftliche Evaluation dieser und ähnlicher Veranstaltungen konnte nachweisen, dass sich mit diesem Trainingskonzept die allgemeinen chirurgischen Fähigkeiten und die speziell geübten Fertigkeiten in kurzer Zeit signifikant verbessern lassen - bei gleichzeitig kürzeren Operationszeiten. Am Beispiel einer erfolgreich versorgten Arterienverletzung eines afghanischen Soldaten im Feldlager Kunduz konnte die Übertragbarkeit des Simulator-Kurses „Gefäßchirurgische Notfallkompetenz für operative Fächer“, welcher ebenfalls in Kooperation mit der VI-School am Gefäßzentrum des BwKrhs Ulm durchgeführt wird, auf die reale Situation im Einsatz exemplarisch gezeigt werden. Die Konsiliargruppe Chirurgie hatte bereits 2012 unter Leitung von Oberstarzt Professor Dr. Willy Vorschläge für die „Ausgestaltung von Simulationszentren im Systemverbund der Bundeswehrkrankenhäuser“ vorgelegt. Eine NATO-weite Sichtung vergleichbarer Einrichtungen hatte gezeigt, dass andere Nationen bereits heute modern ausgestattete Simulationszentren betreiben und erfolgreich nutzen. Durch Erweiterung der Ausbildung mit modernen Simulationstechniken wird die Attraktivität und Glaubwürdigkeit der chirurgischen Ausbildung im Sanitätsdienst steigen. Gleichzeitig wird die Patientenversorgung im In- und Ausland optimiert und es bieten sich zahlreiche Möglichkeiten zur Kooperation mit zivilen Institutionen. Klinische Forschung und systematische Ausbildung müssen Kernkompetenzen zukunftsorientierter chirurgischer Kliniken an den BwKrhs sein. Sie sind ein wesentliches Element der AtWehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014 traktivität des Sanitätsdienstes für angehende Einsatzchirurgen und tragen dazu bei, auch langfristig die chirurgische Einsatzfähigkeit zu sichern. 3. Sitzung: Qualität (R. Schmidt) Die 3. Sitzung der ARCHIS-Tagung war dem Thema Qualität gewidmet. Den Vorsitz der Sitzung hatte u.a. Frau Evelyn Gieren, niedergelassene Labormedizinerin und langjährige ISO-Auditorin für den TÜV Nord. Sie führte die Sitzung mit ihrem Übersichtsvortrag „Qualität managen - eine Gradwanderung zwischen Wissenschaft und gesundem Menschenverstand“ ein. Frau Gieren konnte eindrücklich die relevanten Merkmale eines funktionierenden QM-Systems darlegen. Sie legte besonderen Wert auf Ausführungen in Bezug auf Strukturqualität, Prozessqualität und Ergebnisqualität im Rahmen eines Qualitätsmanagementsystems. Sie wies besonders auf die Notwendigkeit zur Lösung von Schnittstellenproblemen hin, die bei der Etablierung eines QMSystems gefunden werden müssen. Dabei konnte sie zeigen, dass in Kliniken mit einem funktionierenden Qualitätsmanagementsystem im Rahmen der Patientenbetreuung Kosteneinsparungen durch Prozessoptimierungen bis zu 30 % möglich sind. Anschließend konnte Oberfeldarzt Goller aus dem BwKrhs Berlin die Frage beleuchten, wieviel Zertifizierung eine Allgemeinund Visceralchirurgie heute benötigt. Er legte die Zertifizierungsvorhaben der einzelnen allgemein- und visceralchirurgischen Abteilungen aller BwKrhs vor, die auf einer Konsenskonferenz im Jahre 2013 durch die jeweiligen Ärztlichen Direktoren definiert wurden. Gleichzeitig hinterfragte er jedoch kritisch, ob und in welchem Umfang welche Zertifizierungsmaßnahmen wirklich notwendig sind. Er legte besonderen Wert auf die Feststellung, dass eine suffiziente Dokumentation sowie ein entsprechendes Benchmarking unumgänglich sind, um Qualität und ein Qualitätsmanagement nach außen hin transparent zu dokumentieren. Im Anschluss an seinen Vortrag klärte Oberstarzt Professor Dr. Friemert als Ärztlicher Direktor der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am BwKrhs Ulm die Frage, wieviel Zertifizierung heutzutage die Orthopädie und Unfallchirurgie benötigt. Auch er war eindeutig der Meinung, dass ein Qualitätsmanagementsystem durch das Outcome der Patientenbehandlung gekennzeichnet werden muss. Und auch er zeigte eindrücklich, dass ohne ein gut funktionierendes Dokumentationssystem eine Zertifizierung in Frage zu stellen ist. Prinzipiell konnte er in seinem Vortrag klar machen, dass entsprechende Register wie z. B. das Traumaregister der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) unabdingbar für einen Klinikbetrieb auf höchstem Niveau sind. Oberstarzt Privatdozent Dr. Schmidt, Ärztlicher Direktor der Klinik für Allgemein-, Visceral- und Thoraxchirurgie und Leiter des Darmzentrums am BwKrhs Ulm, präsentierte anschließend ein Statement zur Sinnhaftigkeit der Behandlung von Patienten mit kolorektalen Karzinomen an einem Darmzentrum. Er konnte die Komplexität der Behandlungsstrategie von Karzinompatienten in einem Darmzentrum demonstrieren. In seinem Vortrag wurde auch klar ausgeführt, dass es in Bezug auf die Gesamtheit der Behandlungsstrategien sehr wohl Unterschiede gibt, wenn ein Patient in einem qualitativ hochwertigen Darmzentrum mit ausgewiesener Expertise im Gegensatz zu einer Klinik mit wenig operativer Erfahrung versorgt wird. Im Anschluss an den Vortrag trat Oberfeldarzt Dr. Benesch, Oberarzt der Klinik für Allgemein-, Visceral- und Thoraxchirurgie sowie Koordinator des Darmzentrums am BwKrhs Ulm, mit seinem Vortrag „Qualität gibt es nicht zum Nulltarif - Anforde- Tagungen und Kongresse rungen an ein BwKrhs für eine erfolgreiche Zertifizierung als Darmzentrum“ auf. Dr. Benesch ist langjähriger Netzkoordinator des Darmzentrums mit großer Erfahrung in Bezug auf alle organisatorischen Belange eines Darmzentrums. Er zeigte eindrücklich auf, welche finanziellen Anforderungen im Rahmen einer Zertifizierung vorgehalten werden müssen. Detailliert ging er auf einzelne Aspekte eines Darmzentrums ein. Oberstabsarzt Dr. Badendiek aus der Klinik für Allgemein- und Visceralchirurgie des BwKrhs Berlin präsentierte im Anschluss an den Vortrag von Dr. Benesch die Erfahrungen der Berliner Kollegen mit dem Herniamed-Register. Eine gut etablierte Datenbank ist die Voraussetzung dafür, um ein entsprechendes Outcome von Patienten, die mit unterschiedlichen Hernierungen versorgt werden, gut zu analysieren. Den Abschluss der Sitzung machte Oberfeldarzt Dr. Willms aus der Klinik für Allgemein-, Visceral- und Thoraxchirurgie des BwZKrhs Koblenz. Er sprach über die Implementierung eines Laparostoma-Registers. Derzeit existiert bundesweit kein einheitliches Dokumentationsregister für Laparostoma-Patienten. Die Bundeswehr hat sich im Rahmen der CAMIN (Arbeitsgruppe der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV)) zum Ziel gesetzt, hier richtungsweisend ein derartiges Register zu erstellen und dies perspektivisch sowohl für die BwKrhs als auch für zivile Einrichtungen zur Verfügung zu stellen. Die Sitzung zum Thema Qualität wurde durch eine rege Diskussion sämtlicher Vorträge vervollkommnet und mit Leben gefüllt, was letztendlich die hohe Akzeptanz sowie die Wichtigkeit der Thematik eindrücklich untermauern konnte. 4. Sitzung: Forschung (B. Friemert) In der wissenschaftlichen Sitzung „Forschung“ wurde der Einführungsvortrag von Professor Dr. Ingo Marzi, Ärztlicher Direktor der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie der Universität Frankfurt, gehalten. In seinen ausführlichen Darstellungen konnte er darlegen, wie bedeutsam wissenschaftliche Tätigkeit und wissenschaftliches Denken im klinischen Alltag sind. Eindrücklich konnte er dieses an einigen ausgewählten Beispielen darstellen, z.B. wie Fragestellungen aus der Klinik ins Labor und wieder zurück transferiert werden, um letztlich die Patientenversorgung zu verbessern. Durch seinen Vortrag wurde sehr deutlich, dass eine Patientenversorgung auf höchstem Niveau, was der Anspruch des Sanitätsdienstes ist, nur mit gleichzeitiger wissenschaftlicher Arbeit und wissenschaftlichem Gedankengut möglich ist. Er konnte auch aufzeigen, dass dieses nicht im Sinne einer Freizeitforschung erfolgen kann, sondern dass es hierfür eines zeitlichen, finanziellen und infrastrukturellen Rahmens bedarf, der Forschung auf hohem Niveau erst möglich macht. Es folgten 3 weitere Vorträge, die als ein Vortragsblock gedacht waren. Hierbei präsentierte sich erstmalig die neu gegründete AG Forschung der ARCHIS. Als erstes stellte Stabsarzt Westerfeld aus Hamburg dar, worüber die Chirurgen und damit die klinischen Abteilungen in den letzten 5 Jahren geforscht haben. Es zeigte sich, dass die Leistung, die hier im Sinne einer rein freiwilligen und meist in der Freizeit durchgeführten Forschungstätigkeit erbracht wurde, nur als beeindruckend bewertet werden kann. Es konnte eindrücklich dargestellt werden, dass wissenschaftliches Denken fest im Gedankengut der Chirurgischen Community verhaftet ist und eine ausgesprochen große Motivation der Mitarbeiter zu dieser freiwilligen Tätigkeit vorliegt. 219 Im zweiten Vortrag konnte Oberstabsarzt Dr. Backes die Ergebnisse einer Umfrage unter den chirurgisch tätigen Sanitätsoffizieren darstellen, die der Frage nachging, inwieweit diese bereit sind, sich an Forschung zu beteiligen und hier ein entsprechendes Interesse haben. Dabei zeigte sich, dass der Wunsch forschen zu können, in gut einem Drittel der abgegebenen Fragebögen bejaht wurde, wobei eine Verbesserung der Rahmenbedingungen, insbesondere eineFreistellung zur Forschung und damit die Etablierung der Forschung als STAN-Auftrag, ausgesprochen wünschenswert wäre. Einige Kameraden formulierten ganz klar auch den Wunsch, ihre Forschungstätigkeit mit einer Habilitation abzuschließen. Im dritten Vortrag konnte Oberstabsarzt Dr. Palm darstellen, welche strukturellen Ideen und Vorstellungen hinsichtlich einer krankenhaus- und abteilungsübergreifenden chirurgischen Forschung seitens der AG Forschung der ARCHIS für die Zukunft bestehen. Er konnte zeigen, dass verschiedene Forschungsprojekte nur im Sinne einer gemeinsamen Anstrengung durchgeführt werden können. Es konnte auch gezeigt werden, dass es vielleicht notwendig ist, Arbeiten auf bestimmten Forschungsgebieten nur in bestimmten Bundeswehrkrankenhäusern durchzuführen und hier Schwerpunkte zu setzen. Ganz wesentlich war die Aussage, dass hochwertige chirurgische Forschung letztlich nur im Verbund mit universitären und professionell wissenschaftlich tätigen Institutionen möglich sein wird. Hier gilt es für die Zukunft kooperative Strukturen aufzubauen. Im letzten Vortrag, der aus dem neu geschaffenen Direktorat Wissenschaft des Sanitätsdienstes (SanAkBw München) vorgetragen wurde, konnte zunächst Generalarzt Dr. Weller darstellen, dass das neu gegründete Direktorium Wissenschaft die Arbeit aufgenommen hat und zunächst formale Strukturen etabliert wurden, die für Antragsstellung, Antragsgenehmigung und Forschungsdurchführung notwendig sind. Insbesondere sei das Thema Qualitätsmanagement in der Forschung ein ganz wesentliches, welches zu organisieren ist. Auch er stellte noch einmal die Bedeutung der klinischen Forschung für eine hochwertige Patientenversorgung heraus. Im zweiten Teil konnte Oberstarzt Privatdozent Dr. Kehe die wesentlichen Grundlagen und Herangehensweisen zur Strukturierung der Forschungslandschaft in der Bundeswehr darstellen, während Frau Professor Kern (Universität der Bundeswehr München) ausführlich darlegte, was Qualitätsmanagement innerhalb der Forschung in Zukunft bedeuten wird. Zusammenfassend wurde im Verlauf dieser Sitzung immer deutlicher, welchen Stellenwert klinische Forschung aus Sicht eines Klinikers hat und welche Forschungsstrukturen und Ideen die Chirurgen selber ins Leben gerufen haben. Vor allen Dingen wurde deutlich, dass es im Sanitätsdienst mit der Schaffung eines Direktorates Wissenschaften möglich gemacht wurde, der Forschung im klinischen Alltag einen deutlich höheren Stellenwert im Vergleich zur Vergangenheit zuzuweisen und Strukturen aufzubauen, die den Weg aus der Freizeitforschung hin zur professionellen Forschung ebnen werden. 5. Sitzung: Einsatz (N. Huschitt) Die fünfte Sitzung mit dem Thema Einsatzchirurgie wurde von einem Ehrengast der Tagung, Herrn Professor Dr. Elias Degiannis eingeleitet. Er ist der Direktor der Trauma Einheit eines der größten Akutkrankenhäuser der Welt. Das Chris Hani Baragwanath Academic Hospital in SOWETO/Johannesburg/Südafrika Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014 220 Tagungen und Kongresse besitzt einen Schockraum, in dem bis zu 16 Schwerstverletzte simultan behandelt werden können. Herr Professor Degiannis berichtete über eine seit mehreren Jahren erfolgreiche Kooperation mit dem deutschen Sanitätsdienst, welche es Einsatzchirurgen der Bundeswehr erlaubt, unter seiner Supervision krisentypische Verletzungen in großer Zahl kennen zu lernen. Zwei weitere Vorträge beschäftigten sich mit der Einsatzchirurgie der Zukunft. Der Kommandeur des Kommandos Schnelle Einsatzkräfte Sanitätsdienst, Oberstarzt Dr. Hoffmann, beleuchte konzeptionelle Entwicklungen künftiger einsatzchirurgischer Missionen in mobilen Kleinsteinheiten aus Sicht der militärischen Einsatzkräfte, Oberfeldarzt Dr. Hinck (BwKrhs Hamburg) tat dieses aus Sicht der Kliniker. Oberfeldarzt Dr. Huschitt (BwKrhs Ulm) machte in seiner Präsentation über Surgistik deutlich, dass ein Einsatzchirurg nicht nur taktisch gut operieren, sondern auch strategisch klug denken können sollte. Um auch im Einsatz die Qualität der Versorgung verbessert messbar zu machen, referierte Oberfeldarzt Dr. Hentsch (BwZKrhsKoblenz) über die zwingende Notwendigkeit, das Einsatzregister der Bundeswehr fest zu etablieren. Ein Beitrag aus dem Bernhard-Nocht-Institut von Oberfeldarzt Privatdozent Dr. Hagen (BwKrHs Hamburg) rückte Gefahren durch Infektionen bei MASCAL-Szenarien sowie deren Diagnostik und Therapie ins Bewusstsein der Zuhörer. Abschließend wurde durch Oberfeldarzt Dr. Barthmus (BwKrhs Ulm) die nicht unerhebliche Bedeutung der Einsatz-Urolgie in Rückschau auf die letzten Jahre dargestellt. Alle Beiträge ließen erkennen, dass die Einsatzchirurgie sich auch künftig mit enormen Herausforderungen konfrontiert sieht, die es durch konzentrierte und insbesondere auch multinationale Zusammenarbeit von Konzeptionisten, Klinikern und militärischen Einsatzkräften zu meistern gilt. 6. Sitzung: Aus der Führung des Sanitätsdienstes (C. Belzer) Die besondere Bedeutung der ARCHIS wurde, wie auch in den vergangenen Jahren, nicht zuletzt durch die Anwesenheit des Inspekteurs des Sanitätsdienstes, Generaloberstabsarzt Dr. Patschke, unterstrichen. Sein Vortrag am letzten Tag der diesjährigen Tagung zum Thema „Militär- und Notfallchirurgie – Entwicklung, Ausblick und Schwerpunktbildung“ wurde vom Auditorium mit großer Spannung erwartet. Zunächst ging der Inspekteur darin auf den aktuellen, schon sehr weit fortgeschrittenen Stand der Realisierung der Strukturreform im Sanitätsdienst ein. In diesem Zusammenhang wurde auch die derzeitige und zukünftige Ausrichtung der BwKrhs beleuchtet. Dabei wurden die besondere Berücksichtigung und Akzentuierung der medizinischen Einsatzrelevanz hervorgehoben, welche für alle BwKrhs und deren klinische Abteilungen - auch in der Personalstruktur als oberste Planungsrationale herangezogen wird. Es wird bei allen Überlegungen die Frage nach möglichen positiven Aspekten für die Auslandseinsätze zu berücksichtigen sein. Die bisherige Einsatzerfahrung wird dabei Bezugspunkt hinsichtlich der zukünftigen Ausrichtung sein. „Bundeswehrkrankenhäuser müssen Fachkrankenhäuser für Akut- und Notfallmedizin sowie komplexe Erkrankungen sein“, so der Inspekteur in einem Ausblick zum „Bundeswehrkrankenhaus 2020“. Der Inspekteur verdeutlichte weiterhin die besondere Einsatzbelastung der in einer akutmedizinischen Disziplin tätigen Sanitätsoffiziere/-innen: Gemessen an den geleisteten Einsatztagen im Zeitraum Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014 2006-2012 belegten die Fächer Chirurgie und Anästhesie mit großem Abstand die ersten beiden Plätze. Hinsichtlich der Berufszufriedenheit von an Bundeswehrkrankenhäusern tätigen Sanitätsoffizieren/-innen wurden die Ergebnisse der Umfrage der KPMG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vorgestellt. Dabei erfolgte eine Erhebung verschiedener Variablen in Zusammenhang mit der beruflichen Zufriedenheit und möglichen Potentialen zur Verbesserung derselben. Aus den dargestellten Resultaten ließ sich eine hohe berufliche Zufriedenheit der Sanitätsoffiziere/-innen an allen Bundeswehrkrankenhäusern subsummieren. Finanzielle Verbesserungen, so zum Beispiel durch Vergütung von Überstunden und Zulagen, wurden dabei am häufigsten als geeignete Maßnahme zur Steigerung der Attraktivität genannt, gefolgt von einer verlässlichen Personalplanung und Förderung der fachlichen Qualifikation, zum Beispiel durch Weiterbildungen. Abschließend berichtete der Inspekteur, dass eine militärische Bedarfsträgerforderung zur Weitergewährung der Zulage für Rettungsmediziner oder Gebietsärzte über den 31.12.2014 hinaus für drei Jahre erstellt wurde und im BMVg vorliegt. Es wurde auch die Notwendigkeit einer Gesetzesinitiative zur Verlängerung der Zulage betont, welche „zeitnah initiiert werden soll“. Im letzten Vortrag dieser ARCHIS Tagung referierte Oberstarzt Dr. Groß aus dem Bundesamt für Personalmanagement über die aktuelle Personallage der chirurgischen Fachgebiete. Zuvor stelle er zunächst die neune Struktur des Bundsamtes für Personalmanagement vor, was gleichzeitig auch den Abschied vom alten Personalamt bedeutete, welches viele von uns z.T. über Jahrzehnte begleitet hat. Anschließend legte er dar, dass sich die Personalsituation in der Chirurgie langsam aber kontinuierlich verbessert, was u.a. auch daran liegt, dass sich wieder deutlich mehr Sanitätsoffiziere als Berufssoldat bewerben und aufgrund ihrer Leistung auch übernommen werden können. Auch er machte im weiteren Verlauf deutlich, dass sich die Personalbesetzung ganz wesentlich an den Kernaufgaben der Akut- und Notfallmedizin ausrichten wird. Liebe Leserinnen und Leser, liebe Kameradinnen und Kameraden, Kolleginnen und Kollegen, die ARCHIS – Tagung 2014 in Ulm wurde von vielen Teilnehmern aller Dienstgradgruppen wie auch den zivilen Teilnehmern als sehr positiv und gelungen bewertet. Darüber freut sich das Ulmer Team natürlich sehr. Wir hoffen, dass wir mit dem Programm an der einen oder anderen Stelle Impulse setzen und Anregungen zur Diskussion geben konnten, dass unsere chirurgischen Ideen und z.T. auch Forderungen Beachtung finden werden und sich das ein oder andere im Routinealttag in absehbarer Zeit wiederfinden lässt. Wir Chirurgen werden auch zukünftig positiv kritische und engagierte Begleiter der Weiterentwicklung der Einsatzchirurgie und damit auch der Bundeswehrkrankenhäuser bleiben. In diesem Sinne mit besten kameradschaftlichen Grüßen aus Ulm Benedikt Friemert, Michael Engelhardt und Roland Schmidt Korrespondierender Autor: Oberstarzt Prof. Dr. Benedikt Friemert Bundeswehrkrankenhaus Ulm E-Mail: benediktfriemert@bundeswehr.org 221 M ITTEILUNGEN AUS DER DGWMP E . V. NEUES MITGLIEDERVERZEICHNIS 2014 Mit Stand März 2014 ist für die Mitglieder der DGWMP ein neues Verzeichnis unter dem Namen „KOMPENDIUM 2014“ erarbeitet worden. Wiederum können Mitglieder der Gesellschaft das KOMPENDIUM auch in Form einer CD erwerben. Die CD, wie auch die nach wie vor erhältliche Papierform des „Mitgliederverzeichnisses“ hat u. a. folgenden Inhalt: Richtlinien – Satzung, Geschäftsordnung, Wahlrichtlinien, Finanzrichtlinien und Ehrungsrichtlinien Personalien – Ehrenpräsidenten, Präsidenten, Ehrenmitglieder, Korrespondierende Mitglieder, Verstorbene Ehrenpräsidenten / Präsidenten / Ehrenmitglieder / Korrespondierende Mitglieder Ehrungen – Paul-Schürmann-Medaille, Paul-Schürmann-Preis, HansHartwig-Clasen-Förderpreis, Heinz-Gerngroß-Förderpreis, Plakette PRO MERITIS Geburtstage August 2014 Wir gratulieren zum 80. Geburtstag und älter: Prof. Dr. med. Heinz Singer Förstermühle 8/Resid.Kursana, 90762 Fürth/Bay. 05.08.1920 Manfred Maier Oberstabsarzt d. R. Mörikestr. 21, 72296 Schopfloch/Freudenst. Wolfgang Schönauer Oberstapotheker a. D. Am Brand 6, 83684 Tegernsee Dr. med. Franz Josef Strauß Oberfeldarzt d. R. Grünlandstr. 2g, 84028 Landshut Dr. med. Rolf Toussaint Farnweg 7, 50226 Frechen 06.08.1927 06.08.1929 14.08.1922 14.08.1926 Christian Hösl Oberfeldapotheker a. D. Conrad-Röntgen-Str.22, 74321 Bietigheim-Bissingen 15.08.1934 Organe der Gesellschaft – Präsidium, Ständige Gäste des Präsidiums, Arbeitskreise, Bereichsgruppen und Gruppen sowie ein Alphabetisches Mitgliederverzeichnis Beide Ausgabenformen (CD und Hardcopy) können – bei der Bundesgeschäftsstelle in 53175 Bonn, Neckarstraße 2a, zum Preis von 4,00 € für die CD und 6,00 € für die Hardcopy abgeholt werden, – durch Überweisung von 6,00 € für die CD und 8,00 € für die Hardcopy auf das Konto der DGWMP bei der Deutschen Apotheker- und Ärztebank Köln, IBAN: DE26 3006 0601 0002 6507 97 - BIC: DAAEDEDD, unter dem Stichwort „Kompendium“ abgerufen werden, – bei der Bundesgeschäftsstelle per Fax 0228 / 69 85 33 bzw. per E-Mail: bundesgeschaeftsstelle@dgwmp.de gegen Rechnung bestellt werden. Günter A. Mewißen Bundesgeschäftsführer der DGWMP, Bonn Dr. med. Knut Leistikow Oberstarzt a. D. Bichlstr. 4, 83278 Traunstein-Wolker 18.08.1931 Dr. med. Klaus W. Schairer Oberstarzt a. D. Akazienweg 4, 92224 Amberg 18.08.1934 Heinz Fraedrich Oberstarzt a. D. Ghersburgstr.19//SZ Novalis, 83043 Bad Aibling 19.08.1920 Dr. med. Horst Kandler Oberherrlinger Str. 3, 89134 Blaustein 21.08.1926 Dr. med. Dietrich Braun Oberfeldarzt d. R. Friedensweg 11, 72660 Beuren 24.08.1922 Werner Lübke Hauptmann a. D. Rautenstrauchstr. 21, 53757 St.Augustin 24.08.1933 Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014 222 Mitteilungen aus der DGWMP e. V. Wir gratulieren zum 75. Geburtstag: Hans-Wilhelm Haferkamp Oberstabsapotheker d. R. Schwachhauser Heerstr. 80, 28209 Bremen Prof. Dr. med. Wolf Schmidt Oberstarzt d. R. Annette-Kolb-Str.41, 30629 Hannover Dr. med. dent. Peter Wieland Stabsarzt d. R. Liebelsberger Weg 5, 75387 Neubulach Dr. med. dent. Dr. med. Uta Hammer Oberstarzt a. D. Zitzewitzstr. 14, 22043 Hamburg Wir gratulieren zum 70. Geburtstag: Dr. med. dent. Caspar Müllensiefen Flottillenarzt d. R. Ettlinger Str. 4, 76307 Karlsbad 01.08.1939 04.08.1939 06.08.1939 31.08.1939 05.08.1944 Karl-Egbert Houy Oberstarzt d. R. Wilhelmstr. 4, 66538 Neunkirchen 10.08.1944 Dr. med. Georg Gellhaar Oberstarzt d. R. Auf der Hannighorst 8, 32139 Spenge 12.08.1944 Joachim Stech Oberstapotheker a. D. Sonnenhang 37, 53809 Ruppichteroth 15.08.1944 Dr. med. Claus Walther Oberstarzt a. D. Boessnerstr. 3c, 93049 Regensburg 24.08.1944 Dr. med. Bernward Major Hauptmann d. R. Mannheimer Str.146, 68753 Waghäusel 31.08.1944 B UCHBESPRECHUNGEN Christian von Heymann / Axel R. Heller (Hrsg.) Anästhesie in der Allgemeinchirurgie, Urologie, Gynäkologie und Geburtshilfe Reihe „Klinikalltag Anästhesie“ Deutscher Ärzte-Verlag 2013 12 x 19 cm, broschiert XIV + 242 Seiten, mit 6 Abbildungen und 18 Tabellen ISBN 978-3-7691-1206-1 D € 29,95 / A € 30,80 Mit diesem 2013 im Deutschen ÄrzteVerlag erschienenen Buch aus der Reihe „Klinikalltag Anästhesie“ ist es den Herausgebern (Prof. Dr. med. Axel R. Heller und Prof. Dr. med. Christian von Heymann) gelungen, hoch aktuelle Informationen und Fakten äußerst übersichtlich und strukturiert auf handliche und kitteltaschentaugliche 220 Seiten zu komprimieren. Es ist so eine unkomplizierte alltagstaugliche Möglichkeit entstanden, sich schnell über die Besonderheiten der einzelnen Eingriffe und Grunderkrankungen sowie über das prä- und postoperative Management zu informieren. Bei klar strukturiertem Aufbau des Buches mit Gliederung in die vier großen operative Fachgebiete Allgemeinchirurgie-Urologie-Gynäkologie-Geburtshilfe und weiterführender organbzw. eingriffsbezogener Gliederung ist zügiges Orientieren von Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014 vornherein gewährleistet. Diese setzt sich in den einzelnen Unterkapiteln fort und ermöglicht durch die überwiegend stichwortartige Darstellung ein schnelles und zeitarmes Erfassen der eingriffsspezifischen Besonderheiten. Krankheitsbilder, Technik des operativen Vorgehens, Lagerung, anästhesiologisches perioperatives Management und Besonderheiten können so schnell erfasst werden. Auf seitenfüllende Wiederholungen wurde durch klar angegebene Querverweise verzichtet. Eine gelungene Übersicht zum Umgang mit kritischen Ereignissen im OP bilden die im Anhang farblich hinterlegten sogenannten „Action Cards“. Hier werden beispielhaft die wichtigsten anästhesiologischen Komplikationen und Problemsituationen erfasst und Sofortmaßnahmen übersichtlich dargestellt. Fazit Das Buch „Anästhesie in der Allgemeinchirurgie-Urologie-Gynäkologie-Geburtshilfe“ ist ein gelungenes aktuelles und umfassendes Nachschlagewerk für den klinischen Alltag, das hilft, sich auf die Besonderheiten des jeweiligen operativen Fachgebietes und Eingriffes vorzubereiten. Hiervon profitieren nicht nur Kollegen im Rahmen der Facharztausbildung, sondern auch fachärztlich tätigen Ärzten sei dieses Buch ans Herz und in die Kitteltasche gelegt. Oberstabsarzt Milena Borko, Fachärztin für Anästhesie Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz Buchbesprechungen Angerer – Glaser – Gündel – Henningsen – Lahmann – Letzel – Nowak (Hrsg.) Psychische und psychosomatische Gesundheit in der Arbeit Wissenschaft, Erfahrungen, Lösungen aus Arbeitsmedizin, Arbeitspsychologie und Psychosomatischer Medizin Reihe: Schwerpunktthema Jahrestagung DGAUM 2014, Softcover, 600 Seiten ecomed MEDIZIN, Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH EUR 59,99; ISBN 978-3-609-10021-0 Das vorliegende Buch gibt einen Überblick über den aktuellen Wissensstand zum Thema der psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz. Während früher vor allem körperliche Belastungen am Arbeitsplatz als Quelle gesundheitlicher Risiken wahrgenommen wurden (Tragen schwerer Lasten, Staub- und Schadstoffbelastung etc.), rücken in den letzten Jahren psychische Belastungen am Arbeitsplatz als Ursache für mögliche gesundheitliche Beeinträchtigungen in den Fokus von Betriebsmedizinern, Beschäftigten, Führungspersonal und Öffentlichkeit. Um herauszufinden, wie Beschäftigte davor besser geschützt werden können, müssen zunächst Methoden gefunden werden, psychische Belastungen zu erfassen und zu bewerten - was natürlich schwieriger ist, als physikalische oder chemische Belastungen zu erfassen, da es kaum objektive Kriterien dafür gibt und somit die subjektive Reaktion der Beschäftigten stärker einbezogen werden muss. In über 50 Beiträgen mehrerer unterschiedlicher Autoren werden unterschiedliche Facetten beleuchtet. Der erste Teil des Buches widmet sich den wissenschaftlichen Grundlagen von Zusammenhängen zwischen psychischer Gesundheit und Arbeit. Es werden Fragen beantwortet wie „Nehmen psychische Störungen zu?“, und es werden die gängigen Modelle beschrieben, die versuchen zu erfassen, was an der Arbeit krank machen kann und auf welchen Wegen es dazu kommen könnte. Außerdem wird die Studienlage zu konkreten Fragestellungen wie dem Einfluss von Führungsverhalten auf die psychische Gesundheit der Mitarbeiter zusammengefasst. Einzelne Berufsgruppen werden gesondert betrachtet (z. B. Lehrer oder Beschäftigte im Callcenter). Dabei gibt es auch ein Kapitel über Soldaten. Allerdings ist dieses eher wenig differenziert, betrachtet vor allem Belastungen in Auslandseinsätzen und stellt an einer Stelle Studien in missverständlicher Weise nebeneinander. Auf einige andere in der Praxis häufige und arbeitsmedizinisch hoch relevante Belastungen wie heimatferne Verwendungen/Wochenendbeziehungen, Versetzungen oder strukturelle Besonderheiten des Dienstverhältnisses (keine Kündigungsmöglichkeit für Zeitsoldaten) wird nicht eingegangen. Im zweiten Teil des Buches werden Theorie und Praxis von betrieblicher Gesundheitsförderung und Prävention erörtert. Es werden mögliche primärpräventive Maßnahmen beschrieben 223 (wie Sport, Entspannungs- und Meditationstechniken), dann wird die Sinnhaftigkeit von sekundärpräventiven Maßnahmen diskutiert (z. B. betriebliches Screening von Depressionen), und schließlich werden tertiärpräventive Maßnahmen und berufliche Rehabilitation wie stufenweise Wiedereingliederung beschrieben. Dazu werden mehrere Pilotprojekte größerer Firmen in Deutschland vorgestellt, die bereits über ein funktionierendes Netz zwischen Betriebsmedizin (und damit auch dem engen Kontakt zum unmittelbaren Arbeitsumfeld) einerseits und psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlungsangeboten „außerhalb“ andererseits verfügen. Diese Beispiele vermitteln einen guten Eindruck in den Nutzen solcher Netzwerke sowohl für die Beschäftigten als auch für die gesamten Betriebe. Der dritte Teil des Buches beschäftigt sich mit der praktischen Anwendung und der psychosomatischen Grundversorgung in der Arbeitsmedizin. Es werden Grundlagen der Gesprächsführung beschrieben, dann wesentliche Charakteristika verschiedener psychischer Erkrankungen und Störungsbilder wie chronische Schmerzen, Angststörungen, Depressionen oder Burnout und Aspekte von deren Behandlungsmöglichkeiten. Ein sehr gutes und praxisnahes Kapitel („Psychiatrische-psychosomatische-psychotherapeutische Versorgung“) fasst – leider nur auf wenigen Seiten – die Unterschiede zwischen psychiatrischer und psychotherapeutischer sowie ambulanter und stationärer Versorgung zusammen. Insgesamt ein Buch, das sehr umfangreich und gründlich auf Theorien und bisherigen Stand der Forschung eingeht. Der Preis für die verschiedenen Blickwinkel der verschiedenen Autoren (die Beiträge sind so geschrieben, dass sie auch einzeln verständlich wären) liegt erwartungsgemäß in einer gewissen Redundanz der Beiträge. Praktische Anwendungsmöglichkeiten und Tipps (wie zur Gesprächsführung oder zum psychotherapeutischen Versorgungssystem) werden leider überwiegend allgemein und/oder kurz gehalten. Wie Arbeitsmediziner (und in unserem Kontext z. B. auch Truppenärzte) Einfluss auf die gesundheitsförderliche Gestaltung von Arbeit nehmen können, wird eher in großen Kontexten (wissenschaftlich begleitete Mitarbeiterbefragungen, deren Methodik und Möglichkeiten) als in kleinen, praxisnäheren Zusammenhängen (z. B. Gesprächsführung mit Vorgesetzten von belasteten Mitarbeitern) beschrieben. Daher dürfte dieses Buch vor allem für Personen interessant sein, die sich mit der Erfassung psychischer Belastungen bei der Arbeit bzw. im Dienst und mit der Entwicklung von Konzepten zur Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention befassen und sich dazu über den aktuellen Stand der Forschung und Wissenschaft informieren wollen. Oberstabsarzt Dr. Beate Eisenführ, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Zentrum für Seelische Gesundheit, BwKrhs Hamburg Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014 224 Buchbesprechungen Wagner-Link, Angelika: Aktive Entspannung und Stressbewältigung Wirksame Methoden für Vielbeschäftigte expert verlag GmbH, D-71272 Renningen 7. Aufl. 2014, 204 S. (PW, 120) Kt. 29,90 €, 49,90 CHF ISBN-13: 978-3-8169-3182-9 Das Thema Stress und Stressbewältigung wird mittlerweile seit Jahrzehnten aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. So stammt denn auch die erste Auflage des vorliegenden Buches von Angelika Wagner-Link, explizit als Trainingsmanual bezeichnet, aus dem Jahre 1989. Da sich nicht nur die Anforderungen an den Menschen, sondern auch die Techniken des Selbstmanagements verändert und verbessert haben, ist es konsequent, diese neuen Erkenntnisse in einer Neuauflage darzustellen. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Bedeutung psychischer Erkrankungen in der Gesellschaft und den dramatischen Auswirkungen auf die Arbeitswelt ist denn auch durchaus zu erwarten, dass die Thematik auch weiterhin eine breite Leserschaft erreicht. Die Autorin hat dabei den Anspruch, das Thema Stressbewältigung und Entspannung theoretisch und praktisch für einen möglichst breiten Leserkreis darzustellen. Das gelingt ihr fraglos. Auf 193 Seiten wird eine sehr umfangreiche Darstellung zum Thema Stress vorgelegt, die auf bewährten verhaltenstheoretischen Konzepten basiert. Gedacht ist das Buch für Autodidakten, also Anwender, die für sich Verfahren der Stressbewältigung kennenlernen und trainieren möchten. Aber auch Psychologen, Ärzte und andere Berufsgruppen aus dem Gesundheitsbereich finden Anregungen für die Präventionsarbeit. In zahlrei- chen Tabellen und Abbildungen werden diverse Protokolle, Listen und Pläne vorgestellt, die zu einem individuellen Trainingsprogramm zusammengestellt werden können. Die Autorin legt aber offensichtlich großen Wert darauf, nicht nur umfangreiche Trainingsmaterialen zur Verfügung zu stellen. Die vorgestellten Methoden werden immer wieder in den theoretischen Rahmen eingebettet und Zusammenhänge für den Anwender erläutert. Das Manual ist in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil wird in zwei Kapiteln die theoretische Basis für ein erfolgreiches Stressmanagement gelegt. Der Leser erfährt auf fast 50 Seiten eine Einführung in die Stresstheorie, immer verknüpft mit Beispielen aus dem täglichen Leben. Im zweiten Kapitel werden zahlreiche Methoden und Techniken der Entspannung und Stressbewältigung sehr detailliert dargestellt. Hier finden sich auf über 100 Seiten auch Verweise auf aktuelle Ansätze wie Humor in der Stressbewältigung, Salutogenese oder Resilienz. Der dritte und letzte Teil verknüpft Theorie, Praxis und individuelle Bedürfnisse des Lesers. Die Autorin gibt Beispiele und Hinweise, wie und wo einzelne Verfahren eingesetzt werden können, die in den vorherigen Teilen ausführlich dargestellt wurden. Das Buch ist auch ohne Vorkenntnisse von Laien gut zu lesen und auch für den „Stressprofi“ finden sich immer wieder interessante neue Informationen. Einige wenige Kritikpunkte sind aber zu nennen. Nur wenige der im Titel angesprochenen „Vielbeschäftigten“ werden wohl tatsächlich die Zeit finden, sich die durchaus lesenswerten Ausführungen ganz durchzulesen. Die Komplexität des Werkes erschwert allerdings das Querlesen. Die unglaubliche Fülle an Informationen ist auch in anderer Hinsicht gleichzeitig der Schwachpunkt des Buches. Einige der Materialen sind wohl aus anderen Werken der Autorin entnommen und manchmal etwas lieblos ohne Anpassung des Layouts eingefügt, seitenlange Strichaufzählungen stören mitunter den Lesefluss. Insgesamt aber handelt es sich um ein empfehlenswertes Buch, mit dem die Autorin ihre Kompetenzen im Bereich des Stressmanagementtrainings erneut unter Beweis gestellt hat. Priv.-Doz. Dr. Jens Kowalski Psychotraumazentrum der Bundeswehr, Berlin E-Mail: jenskowalski@bundeswehr.org Wehrmedizinische Monatsschrift Redaktion: Oberstarzt a. D. Dr. med. Peter Mees, Baumweg 14, 53819 Neunkirchen-Seelscheid, Telefon +49 2247 912057, E-Mail: wmm@p-mees.de Herausgeber: Bundesministerium der Verteidigung, Presse- und Informationsstab, Stauffenbergstraße 18, 10785 Berlin. Beirat: Prof. Dr. med. H. Fassl, Lübeck; Prof. Dr. med. L.-E. Feinendegen, Jülich; Prof. Dr. med. Dr. phil. G. Jansen, Düsseldorf; Prof. Dr. med. Dr. med. h. c. H.-W. Kreysel, Bonn; Prof. Dr. med. Dr. med. dent. E. Lehnhardt, Hannover; Prof. Dr. W. Mühlbauer, München; Prof. Dr. med. K.-M. Müller, Bochum; Prof. Dr. rer. nat. Dr. med. E. Mutschler, Frankfurt; Prof. Dr. med. G. Paal, München; Oberstapotheker a. D. Dr. rer. nat. H. Paulus; Prof. Dr. med. dent. P. Raetzke, Frankfurt; Prof. Dr. rer. nat. H.-J. Roth, Tübingen; Prof. Dr. med. L. Schweiberer, München; Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Schwenzer, Tübingen; Prof. Dr. med. H.-G. Sieberth, Aachen; Prof. Dr. med. H. E. Sonntag, Heidelberg; Generalarzt a. D. Dr. med. J. Binnewies, Köln; Admiralarzt a. D. Dr. med. R. Pinnow, Glücksburg. Verlag: Beta Verlag & Marketinggesellschaft mbH, Celsiusstraße 43, 53125 Bonn, Postfach 14 01 21, 53056 Bonn, Telefon 02 28/9 19 37-10, Telefax 02 28/9 19 37-23, E-Mail: info@beta-publishing.com; Geschäftsleitung: Heike Lange; Objektleitung: Peter C. Franz; Produktionsleitung: Thorsten Menzel. Satz und Litho: Susanne Hellinger, Langenfeld. Druck: Rautenberg Media & Print Verlag KG, Troisdorf. Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Autorenhinweise können unter www.wehrmed.de im Internet abgerufen werden. Alle namentlich gezeichneten Beiträge – soweit sie nicht ausdrücklich mit einem * gekennzeichnet sind – geben die persönlichen Ansichten der Verfasserin, des Verfassers oder der Verfasser wieder. Sie entsprechen nicht unbedingt den Auffassungen der Redaktion oder des Bundesministeriums der Verteidigung. Manuskriptsendungen an die Redaktion erbeten. Erscheinungsweise mindestens acht mal im Jahr. Bezugspreis jährlich inkl. Porto- und Handlingkosten Inland: € 35,–; Europa: € 41,50; weltweit: € 49,50. Einzelheft: € 4,50 zzgl. Versandkosten € 1,80 Inland, € 4,50 Europa, € 9,50 weltweit. Das Abonnement verlängert sich jeweils um 1 Jahr, falls nicht 8 Wochen vor Ablauf des Bezugsjahres gekündigt wird. Für Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie e. V. ist der Bezug der Zeitschrift im Mitgliedsbeitrag enthalten. Sanitätsoffiziere der Bundeswehr, die Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie sind, erhalten die „Wehrmedizinische Monatsschrift“ über ihre Dienststellen. Wehrmedizinische Monatsschrift 58 (2014), 6/2014 Der Sanitätsdienst der Bundeswehr 2020 – Aufgaben, Strukturen, Menschen Neuauflage des Kompendiums erschienen! Seit der Folge 22 des Kompendiums für den Sanitätsdienst sind acht Jahre vergangen. Dies machte aufgrund des schnellen Wandels im Sanitätsdienst der Bundeswehr eine Neuauflage notwendig. Aus dem Vorwort des Herausgebers, Flottenarzt Dr. Möllmann: Die 23. Auflage des „Kompendium des Sanitätsdienstes“ spiegelt die Neuausrichtung unseres Sanitätsdienstes hin zu einem innovativen, flexiblen und einsatzorientierten medizinischen Dienstleister für unsere Soldatinnen und Soldaten wider. Mit Blick auf die zukünftigen Aufgaben, Fähigkeiten und Strukturen wird der „Sanitätsdienst der Bundeswehr 2020“ von ausgewählten Wissens- und Erfahrungsträgern umfassend beschrieben und erläutert. Unser Sanitätsdienst lebt aber vor allem von der Leistungsfähigkeit und der Motivation seiner Soldatinnen und Soldaten aller Dienstgradgruppen, die sich tagtäglich – sowohl im Heimatland als auch im Auslandseinsatz – und mit großem persönlichen Einsatz in die Auftragserfüllung einbringen. Auch sie kommen in diesem Buch zu Wort, indem sie – aus ihrer persönlichen Sicht – von ihren dienstlichen Erfahrungen und Erlebnissen zu Hause und im Auslandseinsatz berichten. ✁ Bestellung von Exemplar(en) der 23. Folge des Kompendiums des Sanitätsdienstes zum Preis von € 24,80/Exemplar zzgl. € 2,80 Handling- und Versandkosten Name: Anschrift: Telefon: E-Mail: Datum: Unterschrift: Bitte senden Sie das Bestellformular an: Fax: 0228/919 37-23, E-Mail: wm@beta-publishing.com oder postalisch an Beta Verlag & Marketinggesellschaft mbH, Celsiusstr. 43, 53125 Bonn