Deutschland. Ein Wintermärchen

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Deutschland. Ein Wintermärchen
Heinrich Heine
Deutschland. Ein Wintermärchen
Materialmappe für Lehrer
Theater der Altmark
Deutschland. Ein Wintermärchen
Monolog nach dem Versepos von Heinrich Heine
Es spielt................................Volker Wackermann
Gitarre...................................Robert Grzywotz
Inszenierung..........................Louis Villinger
Bühne und Kostüme..............Sofia Mazzoni
Dramaturgie...........................Cordula Jung
Produktionsassistenz.............Miroslaw Antosik
Regieassistenz.......................Kristin Klein
Technischer Direktor..............Andreas Lerch
Bühnenmeister.......................Sirko Sengebusch
Beleuchtungsmeister..............Ronald Gehr
Ton..........................................Tilo Block / Michael Baeslack
Kostümwerkstattleitung...........Kirstin Versümer
Werkstattleitung......................Steffen Poitz
Premiere: 2. November 2013 | Rangfoyer
Dauer der Vorstellung: ca. 1 Stunde | ohne Pause
Bild- und Tonaufnahmen der Aufführung sind nicht gestattet.
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Inhalt
Seite
Inhaltsangabe
Biographie Heinrich Heine
Grabinschrift Heine
Deutschland. Ein Wintermärchen – Ein Abend über die Suche nach der Heimat
Besonderheiten der Textfassung
Dokumente zur Entstehungs- und Druckgeschichte
„Rheinlied“ – Nikolaus Becker (1840)
Die Wacht am Rhein
Herzog Friedrich III. alias König Friedrich I. alias Kaiser Barbarossa
Göttin Hammonia
Einzelne Zeitereignisse
Der Fall Heine – Marcel Reich-Ranicki
Flüchtlinge
Impressum:
Teresa Böger
Cordula Jung
Kristin Klein
Eva Vogel
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Inhaltsangabe
Vorwort :
Im Vorwort des Wintermärchens erläutert Heine die Entstehungsbedingungen seines
Buches, wie zum Beispiel die Unterwerfung unter die Zensur, welche auch sein Werk nicht
verschont habe. Ebenso wehrt er sich gegen den Vorwurf eines fehlenden Patriotismus und
beteuert sein politisches Glaubensbekenntnis der bürgerlichen Freiheit.
Caput I:
Das Wintermärchen beginnt im November mit dem Grenzübertritt des Reisenden von
Frankreich nach Deutschland. In seiner Heimat wird er von Rührung überfallen, welche
jedoch nur kurz anhält, denn er hört ein Lied, das Entsagung für die einfachen Leute preist
und Widerstand macht sich in ihm breit. Viel lieber will er Lieder von Wohlstand und Glück
singen.
Caput II:
Er befindet sich in der Grenzkontrolle, wo sie ihn nach verbotenen Waren und Büchern
durchsuchen, jedoch hat er seine Schmuggelwaren allein geistig in seinem Kopf versteckt.
Dagegen preist ein anderer Grenzübergänger die Zensur als Stifterin der geistigen Einheit
und den preußischen Zollverein als Stifter der äußeren Einheit Deutschlands.
Caput III:
Die erste Reisestation ist die Stadt Aachen, die für den Reisenden der Inbegriff von
Langeweile ist. So ist das preußische Militär immer noch unverändert in seiner Uniform und
Steifheit, nur die Reiteruniformen haben sich verändert, erinnern ihn aber an das längst
vergangene Mittelalter.
Caput IV:
Am Abend trifft er in Köln ein und genießt die rheinischen Spezialitäten. Bei einem
anschließenden nächtlichen Spaziergang durch die Gassen rufen die Steinhäuser und der
Kölner Dom in ihm das Bild mittelalterlicher Inquisition hervor und er wünscht dem Dom,
dass er als Pferdestall enden wird.
Caput V:
Der reisende spricht mit dem „Vater Rhein“, welcher sich über die nationalistische
Verherrlichung beklagt, insbesondere durch das Lied von Niklas Becker. Er geht sogar so
weit, dass er sich die Franzosen zurück wünscht. Der Reisende versucht den Rhein zu
trösten, in dem er ihm erzählt, dass selbst die Franzosen nun spießbürgerlich und sehr
deutsch geworden wären, denn auch Dichter wie Musset, welcher Beckers Gedicht parodiert
hat, sind nun zum Schweigen verurteilt.
Caput VI:
In Köln begegnet er zum ersten Mal seinem geheimnisvollen, schattenhaften Begleiter,
welcher sich hier als Nachfolger der altrömischen Liktoren (Leibwache des Königs im
Römischen Reich) vorstellt, die den Konsulen immer das Beil als Machtsymbol vorantragen.
Nur geht der „Liktor der Reisenden“ nicht voraus, sondern läuft hinterher, um dessen
Gedanken in die Tat umzusetzen.
Caput VII:
Der Schattengeselle spielt den Erfüllungsgehilfen, dies aber nur im Traum, da dieser Zustand
der einzige ist, in dem die Deutschen die Gelegenheit zum Höhenflug haben, nach dem
Reisenden. Ebenso erhält er den Auftrag die Figuren der Heiligen Drei Könige im Kölner
Dom zu zerschlagen.
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Caput VIII:
Der Reisende befindet sich auf der Fahrt nach Hagen und ihn überkommt bei den
schlammverdreckten Wegen wieder ein Gefühl von Heimat. In Mülheim erinnert er sich an
seine politischen Hoffnungen und seine Gedanken wandern über die Beisetzung Napoleons
bis zur Rückkehr des Kaisertums.
Caput IX:
Eingetroffen in Hagen isst der Reisende zu Mittag und verbindet die kulinarischen Inhalte mit
patriotischen und politischen Kommentaren.
Caput X:
In Unna übernachtet er in einem Wirtshaus und singt ein Loblied auf die Westfalen.
Caput XI:
Als er durch den Teutoburger Wald fährt, erinnert er sich an die Niederlage der Römer unter
Varus und bemerkt ironisch die Rettung der deutschen Kultur vor den Römern durch
Hermann den Cherusker.
Caput XII:
Mitten im Wald erleidet der Reisende eine Kutschenpanne und beginnt mit den heulenden
Wölfen in der Ferne zu reden, welchen er beteuert, dass er sich nicht politisch angepasst
habe und nicht lammfromm geworden sei.
Caput XIII:
Die Sonne geht auf in Paderborn und beim Anblick einer Kreuzigungsfigur empfindet der
Reisenden Mitgefühl, denn der gekreuzigte Menschheitsverbesserer kommt ihm vertraut vor,
wie ein Verwandter.
Caput XIV:
Erinnerungen an seine Amme werden wach und damit auch an die Geschichte vom Kaiser
Rotbart (Barbarossa), die sie ihm immer erzählt hat. Dieser lebt im Berg Kyffhäuser und
wartet darauf mit einer großen Streitmacht zurückzukehren und das deutsche Reich
wiederherstellen zu können.
Caput XV:
In seinem Traum wird der Reisende von Kaiser Rotbart durch dessen Höhle geführt, wobei er
die tief schlafenden Soldaten besichtigt. Auf sein Drängen, Rotbart solle zu einem sofortigen
Angriff zur Befreiung Deutschlands ausholen, beschwichtigt dieser, es habe noch genug Zeit.
Caput XVI:
Um Rotbart weiter zu überzeugen, berichtet der Reisende ihm von der aktuellen, politischen
Situation. Nach der Erklärung einer Guillotine ist Rotbart entsetzt, denn solch eine
Hinrichtungsart für Monarchen empfindet er als Majestätsbeleidigung. Danach platzt dem
Reisenden der Kragen, denn mit so einer Einstellung Rotbarts sieht er seine Hoffnungen auf
eine politische Modernisierung schnell dahinschwinden.
Caput XVII:
Der Reisende erwacht aus seinem Traum und nimmt seine Forschheit gegen den Kaiser
zurück, denn wenn man sich die deutsche, politische Realität genauer anschaue, sei selbst
Rotbarts Einstellung ein Fortschritt.
Caput XVIII:
In der Nacht in Minden wird der Reisende von einem Albtraum geplagt, in dem ihn Zensoren,
Gendarmen und der Preußenadler verfolgen.
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Caput XIX:
In Hannover besichtig er den Palast des regierenden Königs Ernst August.
Caput XX:
Der Reisende ist bei seiner Mutter angekommen, wo er bekocht und mit Fragen gelöchert
wird, bei denen er ausweichend antwortet, wenn sie um politische Einstellungen gehen.
Caput XXI:
Durch das zerstörte Hamburg wandernd, stellt der Reisende mit Entsetzen fest, was sich
alles nach dem Großbrand verändert hat. Er warnt vor einer Einflussnahme der Preußen,
was er für eine politische Gefahr hält.
Caput XXII:
Dem Reisenden werden Veränderungen in seinem alten Bekanntenkreis bewusst.
Caput XXIII:
Zu einem ausgiebigen Speise- und Weingenuss trifft er sich mit seinem Verleger Campe und
begibt sich danach auf die Drehbahn, wo er der Schutzgöttin Hamburgs, Hammonia,
begegnet,
Caput XXIV:
Hammonia und der Reisende gehen zu ihr aufs Zimmer, wo sie ihm gesteht, dass er ihr
Lieblingsdichter sei. Darauf gibt er zu, dass das Heimweh ihn nach Deutschland
zurückgetrieben habe.
Caput XXV:
Um den Reisenden zum Verbleib in Deutschland zu bewegen, umhüllt Hammonia ihn mit
beschönigten Argumenten, wie dem Nachlassen der Zensur und der Verbesserung der
politischen Verhältnisse, denn sie könne in die Zukunft des Landes sehen. Wenn der
Reisende schweigen könne, würde sie ihm einen Blick in diese Zukunft gewähren.
Caput XXVI:
Um die Zukunft Deutschlands zu sehen, sieht der Reisende in den Nachttopfkessel von Karl
dem Großen, wo ihm schreckliche Gerüche in die Nase steigen. Hammonia trägt weitere
Liebesschwüre an ihn heran, doch in ihrer Vision des Hochzeitstages, nähert sich auch der
Zensor Hoffmann mit einer großen Schere und entmannt den Dichter.
Caput XXVII:
Abschließend wird der König ermahnt, die Zensur zu beschränken und ihm wird gedroht in
die Hölle zu kommen, in welche die Dichter ihre Feinde verdammen und aus dieser gibt es
keine Erlösung.
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Biographie Christian Johann Heinrich Heine
(13. Dezember 1797 bis 17. Februar 1856)
Als erstes von vier Kindern des jüdischen Textilhändlers Samson Heine und seiner Frau Peira
wurde Heinrich Heine am 13. Dezember 1797 in
Düsseldorf geboren.
Heinrich, seine Schwester Charlotte und seine
Brüder Gustav und Maximilian wuchsen in einem
von der jüdischen Aufklärungsbewegung
„Haskala“ geprägten Elternhaus auf, welches
weitesgehenden an Deutschland angepasst war.
Ab dem Alter von sechs Jahren besuchte Heine
eine israelitische Privatschule. Dank der kürfürstlichen Gesetzgebung, die es jüdischen Kindern
ab 1804 erlaubte christliche Schulen zu besuchen, wechselte er 3 Jahre später auf die
städtische Grundschule und von dieser 1810 auf
das ehemalige Jesuitengymnasium, in welchem
er besondere Förderungen in Rhetorik, Verslehre
und Philosophie erhielt und außerdem ein
intensives Studium der französischen Klassiker,
aber auch der deutschen Literatur betrieb.
Einer Familientradition folgend, die ihn dazu
bewegte sich an einer Handelsschule auf einen
kaufmännischen Beruf vorzubereiten, verließ er 1814 im Alter von 16 Jahren das
Gymnasium ohne Abgangszeugnis.
Nachdem er zwei Jahre als Volontär bei dem Frankfurter Bankier Rindskopff gearbeitet hatte,
wechselte er ins Bankhaus seines Onkels Salomon Heine, von dem er bis zu dessen Tod
finanzielle Unterstützt wurde, obwohl der Onkel wenig Verständnis für die literarischen
Interessen seines Neffen aufbringen konnte. Ebenfalls von seinem Onkel wurde ihm sein
Jurastudium ermöglicht, welches er an der „Rheinischen Friedrich-Wilhelms Universität“ in
Bonn, der „Georg-August Universität“ in Göttingen und der „Friedrich-Wilhelms Universität“ in
Berlin absolvierte und im Jahr 1825 abschloss. Während dieser Jahre seines Lebens
begegnete er Personen wie August Wilhelm Schlegel, Ernst Moritz Arndt, Georg Wilhelm
Hegel.
Auch beschäftigte er sich in dieser Zeit erstmals intensiv mit dem Judentum, war Mitglied im
„Verein für Cultur und Wissenschaft der Juden“ und begann an de Roman „Der Rabbi von
Bacherach“ zu arbeiten, der jedoch ein Fragment blieb.
Trotz seiner ausführlichen Beschäftigung mit der Religion seiner Eltern wollte Heinrich Heine
selbst sich mit dieser nicht identifizieren, schrieb an seine Freund Immanuel Wohlwill sogar: „
Auch ich habe nicht die Kraft einen Bart zu tragen, und mir Judemauschel nachrufen zu
lassen, und zu fasten etc.“.
Um seine Chancen auf eine Anstellung als Jurist zu erhöhen, hatte Heine sich unmittelbar
nach einem Abschluss protestantisch taufen lassen und seinen ursprünglichen Vornamen
Harry durch Christian Johann Heinrich ersetzt. Er musste jedoch bald feststellen, dass er
auch als christlich getaufter Jude oft nicht als Gleichgestellter akzeptiert wurde, wodurch er
seinen Übertritt zum Christentum später bereute.
Die Tatsache, dass er keine Arbeitstelle finden konnte, veranlasste ihn zu der, zu damaligen
Zeiten eher ungewöhnlichen Entscheidung, sich als freischaffender Schriftsteller sein Brot zu
verdienen und konnte bald darauf erste literarische Erfolge verzeichnen und ab Anfang der
1830er Jahre wurde er als literarisches Talent in Deutschland und sogar Europa
wahrgenommen.
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Am 1. Mai 1831 siedelte Heine fluchtartig nach Paris über, weil er wegen seiner politischen
Ansichten immer wieder angefeindet wurde. Dort verdiente er sich seinen Unterhalt als
Korrespondent der „Augsburger Allgemeinen Zeitung“, die die meist gelesene
deutschsprachige Tageszeitung war.
In Paris begegnete er auch seiner Ehefrau Crescence Eugenie Mirat, die er am 31. August
1841 in der katholischen Kirche St. Sulpice heiratete. Seine jüdische Herkunft verschwieg er
ihr zeitlebens.
Nur 7 Jahre später, im Februar 1848 erlitt Heinrich Heine einen Zusammenbruch, in folge
dessen er die letzten 8 Jahre seines Lebens bettlägerig in seiner, wie er es nannte
„Matratzengruft“, verbrachte. Am 17. Februar 1856 starb Heinrich Heine in Paris im Alter
von 58 Jahren. Drei Tage später wurde er auf dem Friedhof Montmartre beerdigt.
Grabinschrift Heine
Wo wird einst des Wandermüden
Letzte Ruhestätte seyn?
Unter Palmen in dem Süden?
Unter Linden an dem Rhein?
Werd ich wo in einer Wüste
Eingescharrt von fremder Hand?
Oder ruh ich an der Küste
Eines Meeres in dem Sand.
Immerhin mich wird umgeben
Gotteshimmel, dort wie hier,
Und als Todtenlampen schweben
Nachts die Sterne über mir.
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Deutschland. Ein Wintermärchen – Ein Abend über die
Suche nach der Heimat
Heinrich Heine (1797-1856) gilt als der letzte große Dichter der Romantik und zugleich als
deren Überwinder. Seine romantischen Gedichte sind bis heute weltberühmt. Genauso
bewundert, vor allem aber auch gefürchtet war er als politisch engagierter Journalist,
Essayist und Satiriker, der sich auf ironische Weise mit den politischen Verhältnissen seiner
Zeit auseinandersetzte. Wegen seiner kritischen Äußerungen und nicht zuletzt wegen seiner
jüdischen Herkunft wurde er angefeindet und ausgegrenzt. Vor allem die strenge Zensur
machte ihm das Leben und Schreiben in Deutschland so unerträglich, dass er 1831 nach
Frankreich emigrierte. Dort konnte er ungestört arbeiten und musste keine Angst haben, aus
politischen Gründen verhaftet zu werden. 1843, also nach zwölf Jahren im Exil, unternahm
Heine von Heimweh geplagt eine Reise nach Deutschland. Dort wollte er unter anderem
seine Mutter und seinen Verleger Julius Campe besuchen. Die Eindrücke und Erlebnisse
dieser Reise verarbeitet er ein Jahr später in dem satirischen Versepos „Deutschland. Ein
Wintermärchen“. Er macht sich lustig über Rückwärtsgewandheit, übertriebene Religiösität,
die restriktive preußische Restaurationspolitik, Engstirnigkeit und Duckmäusertum, prangert
Zensur, Verlogenheit und Bigotterie mit scharfen Worten an. Gleichzeitig erlaubt er sich
geradezu sentimentale Gefühle, er blickt liebevoll auf seine Heimat und träumt von einem
Deutschland, in dem alle Menschen frei leben und denken dürfen. Schon vor der eigentlichen
Veröffentlichung musste Heine sein Werk mehrfach umarbeiten um der Zensur zu entgehen.
1844 wurde es dennoch verboten und beschlagnahmt und gegen Heine wurde erneut
Haftbefehl erlassen.
„Heimat“ war für Heine ein Lebensthema. Er liebte Deutschland, hatte Heimweh danach und
fühlte sich trotz seiner langen Zeit in Paris immer als deutscher Dichter. Gleichzeitig war er in
seinem Heimatland zeitlebens ein Außenseiter, ein Ausgegrenzter, ein Opfer von Zensur und
Feindseligkeit. So wie es Heine Mitte des 19. Jahrhunderts erging, ergeht es auch heute
noch zahllosen politischen Flüchtlingen.
Die Inszenierung setzt sich anhand Heines Versepos mit dem Thema Heimat aus Sicht derer
auseinander, die ihr Heimatland aus den unterschiedlichsten Gründen verlassen mussten.
Wie verändert die Distanz den Blick auf die Heimat? Wie empfindet man aus der Ferne die
politischen Umstände, die Gebräuche, die gesellschaftlichen Ereignisse daheim? Welche
Sehnsüchte bleiben? Schärft der Abstand den kritischen Blick? Oder verklärt das Heimweh
die Realität? Um diese Fragen aufzugreifen, hat Regisseur Louis Villinger im Vorfeld der
Inszenierung Interviews mit Bürgern unterschiedlichster Herkunft geführt. Er hat Menschen
aus Mali, der Türkei, dem Iran, Russland, Aserbaidschan und Syrien zu ihren Erlebnissen
und ihrem Verhältnis zur ehemaligen Heimat befragt. Ihre Antworten sind während des
Abends vom Band zu hören. Heines Text vermischt sich auf der Bühne mit den Stimmen von
Menschen, die sich heute in einer ähnlichen Situation befinden wie er damals. Entstanden ist
ein vielschichtiges Stimmenkonzert, das sich mit dem Begriff Heimat auseinandersetzt und
Heines Kampf um Freiheit in den Kontext heutiger gesellschaftlicher Ereignisse stellt.
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Besonderheiten der Textfassung
In die Bühnenfassung des TdA von „Deutschland. Ein Wintermärchen“ sind neben den
Interviews zusätzliche Texte von Heinrich Heine eingefügt. Sie verdeutlichen sein Ringen mit
Deutschland, seinen Kampf gegen die Zensur, seine Sehnsucht nach Heimat, und geben so
einen Einblick in die Persönlichkeit des Dichters. Hier eine Auswahl der verwendeten Texte:
Es war nicht eitel Lust meines Herzens, dass ich alles verließ was mir Teures im Vaterland
blühte und lächelte – mancher liebte mich dort, aber ich ging. Ich ging weil ich musste.
(aus Vorrede zu Salon I, Paris, den 17. Okt. 1833)
Ich wollte nicht den geringsten Makel meinem schönen, reinen Namen anheften! Ich wollte
mich nicht der preußischen Censur unterwerfen!! Ich lasse mich nicht wie ein Junge, der
schweigen muss, behandeln!
(Brief an Julius Campe, Paris, den 7. April 1835)
Jetzt wohin? Der dumme Fuß
Will mich gern nach Deutschland tragen;
Doch es schüttelt klug das Haupt
Mein Verstand und scheint zu sagen:
Zwar beendigt ist der Krieg,
Doch die Kriegsgerichte blieben,
Und es heißt, du habest einst
Viel Erschießliches geschrieben.
Das ist wahr, unangenehm
Wär mir das Erschossenwerden;
Bin kein Held, es fehlen mir
Die pathetischen Gebärden.
(aus: Jetzt wohin? aus Romanzero – Zweites Buch: Lamentationen)
Denk ich an Deutschland in der Nacht,
Dann bin ich um den Schlaf gebracht,
Ich kann nicht mehr die Augen schließen,
Und meine heißen Tränen fließen.
Die Jahre kommen und vergehn!
Seit ich die Mutter nicht gesehn,
Zwölf Jahre sind schon hingegangen;
Es wächst mein Sehnen und Verlangen.
Deutschland hat ewigen Bestand,
Es ist ein kerngesundes Land,
Mit seinen Eichen, seinen Linden,
Werd ich es immer wiederfinden.
Nach Deutschland lechzt ich nicht so sehr,
Wenn nicht die Mutter dorten wär;
Das Vaterland wird nie verderben,
Jedoch die alte Frau kann sterben.
(Nachtgedanken aus Zeitstücke – 1844)
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Solche Bücher lässt du drucken!
Teurer Freund, du bist verloren!
Willst du Geld und Ehre haben,
Musst du dich gehörig ducken.
Nimmer hätt ich dir geraten
So zu sprechen vor dem Volke,
So zu sprechen von den Pfaffen
Und von hohen Potentaten!
Teurer Freund, du bist verloren!
Fürsten haben lange Arme,
Pfaffen haben lange Zungen,
Und das Volk hat lange Ohren!
(Warnung)
Wenn ich beseligt von schönen Küssen,
In deinen Armen mich wohl befinde,
Dann musst du mir nie von Deutschland reden; Ich kann`s nicht vertragen – es hat seine Gründe.
Ich bitte dich, lass mich mit Deutschland in Frieden!
Du musst mich nicht plagen mit ewigen Fragen
Nach Heimat, Sippschaft und Lebensverhältnis; Es hat seine Gründe – ich kann`s nicht ertragen.
Die Eichen sind grün, und blau sind die Augen
Der deutschen Frauen, sie schmachten gelinde
Und seufzen von Liebe, Hoffnung und Glauben; Ich kann`s nicht vertragen – es hat seine Gründe.
(Angélique)
Denkst du der Heimat, die so ferne,
So nebelfrei dir verschwand?
Gestehe mir`s, du wärest gerne
Manchmal im teuren Vaterland.
Denkst du der Freunde, die da sanken
An deine Brust, in großer Stunde?
Im Herzen stürmen die Gedanken,
Jedoch verschwiegen blieb der Mund.
Denkst du der Vögel und der Bäume
Des schönen Gartens, wo du oft
Geträumt der Liebe junge Träume,
Wo du gezagt, wo du gehofft?
Ich hatte einst ein schönes Vaterland.
Der Eichbaum
Wuchs dort so hoch, die Veilchen nickten sanft.
Es war ein Traum.
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Das küsste mich auf deutsch und sprach auf deutsch –
Man glaubt es kaum,
Wie gut es klang – das Wort: „Ich liebe dich!“
Es war ein Traum.
(In der Fremde)
Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende
Menschen.
(Zitat aus der Tragödie „Almansor)
Dokumente zur Entstehungs- und Druckgeschichte
Heines „Wintermärchen“ entstand nach seiner ersten Deutschlandreise im Jahre 1843, seit
seiner Übersiedlung im Mai 1831 nach Paris. Beweggrund war ein geschäftliches Treffen mit
seinem Verleger Julius Campe und der Besuch von Verwandten, insbesondere seine Mutter,
deren Wohnung dem Großbrand in Hamburg 1842 zum Opfer gefallen war. So verlässt
Heine am 21. Oktober Paris und erreicht, über Brüssel, Münster, Osnabrück und Bremen
reisend, am 29. Oktober Hamburg. Erst bei seiner Rückfahrt passiert Heine die Stationen, die
er in seinem Wintermärchen aufführt, allerdings in umgekehrter Reihenfolge, nämlich
Hannover, Bückeburg, Minden, Teutoburger Wald, Unna, Hagen, Köln und Aachen.
Mit seinem Brief vom 20. Februar 1844 kündigt Heine seinem Verleger das neue Werk an:
„Hab seitdem ich zurück viel gearbeitet z. B. ein höchst humoristisches Reise-Epos, meine
Fahrt nach Deutschland, ein Cyklus von 20 Gedichten, gereimt, alles gottlob fertig; werde
eine Porzion Prosa hinzuschreiben und Ihnen also recht bald das nothwendige Bändchen
geben. Sie werden sehr mit mir zufrieden seyn und das Publikum wird mich in meiner wahren
Gestalt sehen. Meine Gedichte, die neuen, sind ein ganz neues Genre, versifizirte
Reisebilder, und werden eine höhere Politik athmen als die bekannten politischen
Stänkerreime. Aber sorgen Sie frühe für Mittel etwas was vielleicht unter 21 Bogen ohne
Censur zu drucken.“
Seit den Karlsbader Beschlüssen von 1819 waren alle Druckschriften mit einer Größe von
bis zu 20 Bögen (1 Bogen = 16 Seiten im Oktavformat) der Zensur vor der Veröffentlichung
(Präventivzensur) unterworfen. Alle Schriften über 20 Bogen Umfang waren zensurfrei,
konnten aber dennoch nachträglich verboten oder eingezogen werden.
Campe antwortet am 22. April 1844:
„Ihr Werk erwarte ich, ich muss es sehen und würdigen, was es verfängliches führt.
Censur muß seyn. Aber Sieveking1 ist ein so sehr gescheuter und wirklich raisonabler
Mann, dass ich die Absicht habe, es ihm privatim vorzulegen. Gefällt es ihm, sind
keine Bosheiten darin, die höheren Ortes Reclamationen unabweißlich zur Folge
haben müßten: dann giebt er das Imprimatur2. Hundert-Male streicht Hoffmann3 in
seinem Maulwurfs-Gesichtskreise; Sieveking stellt es wieder her, wenn die
Appellation an ihn gerichtet wird.
Wie gesagt, es fragt sich, um den Grundgedanken; davon hängt alles ab.
Sieveking ist nicht ängstlich, sondern wirklich großartig in Bezug auf solche
1
2
3
Karl Sieveking (1787-1847), der seit 1837 der Hamburger Zensurkommission vorstand.
(lat.) Druckerlaubnis
Friedrich Lorenz Hoffmann (1790-1871), 1822-48 Zensor in Hamburg
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Gegenstände. Und ich darf frei zu ihm sprechen; er consultiert mich zu weilen um
Gegenstände der Presse. Er steht an der Spitze der Druckerei des Rauhen Hauses,
das sich mit Verlag beschäftigt. Natürlich rathe ich ihm nach der redlichsten Weise,
zu oder ab, wie ich in derselben Lage in meinem Intereße handeln würde. Daraus
sehen Sie, dass ich ihn nicht, wie einer Behörde in einem extra Fall, wie dieser ist,
gegenüber stehe, sondern vertraulich über die Sache mich verständigen zu können
hoffen darf.“
Im Brief vom 3. Mai 1844 versucht Heine dem Verleger erneut klarzumachen, dass
sein Reiseepos die Zensur nicht passieren könne,:
„Ihre Briefe vom 13 und 22 April habe ich erhalten und aus letzterem ersehen, dass
Sie Alles was ich Ihnen über mein Opus geschrieben, nicht begriffen haben, denn
sonst würden Sie mir die Zumuthung nicht machen es durch Siveking durch die
Censur zu bringen. Wenn dieser mein Vater wär könnte er mir das Imprimatur
nicht ertheilen; dazu kommt, daß das Gedicht am unleidlichsten Preußen und dessen
König berührt, wo Siveking also aus Staatsgründen und Privatsympathie nicht gut für
mich seyn würde. Von Censur ist keine Möglichkeit. Das Gedicht muss als 21 Bogen
ohne Censur gedruckt werden, oder ich muss, wenn Ihnen dies nicht möglich ist, das
Gedicht hier oder in der Schweitz herausgeben. Anders sehe ich hier keinen Ausweg. Mit
Censur kann es nicht gedruckt werden, obgleich ich bey der Durchsicht noch die grellsten
Stellen strich, Ihrentwegen, auch Ihrentwegen bey der Conzepzion mich zügelte und gewiss
auch noch jetzt ein Uebriges thäte. Denn ich habe ja das Ganze zunächst Ihrentwegen
geschrieben.
Melden Sie mir daher umgehend ob Sie das Gedicht, durch Zugabe auf 21 Bogen
ausgedehnt, ohne Censur drucken können. Ist dies durchaus nicht möglich, so ist es
rein überflüssig, dass ich Ihnen das Manuskript einschicke; können Sie es aber in
angedeuteter Weise drucken, so schicke ich Ihnen das Manuskript unverzüglich und
es bleibt dann nur die Frage: was ich hinzugebe.“
(Textnachweis: Heinrich Heine: Säkularausgabe (HSA). Werke, Briefwechsel,
Lebenserzeugnisse. Hrsg. von den Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der
klassischen deutschen Literatur in Weimar und dem Centre National de la Recherche
Scientifique in Paris)
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„Rheinlied“ – Nikolaus Becker (1840)
Das Rheinlied entstand 1840 während der Rheinkrise zwischen dem Deutschen Bund und
dem Königreich Frankreich, als der französische Regierungschef Adolphe Thiers den Rhein
als natürliche Ostgrenze zwischen den beiden Ländern annehmen wollte. Darauf folgte ein
Sturm der Entrüstung in allen deutschen Ländern und es entstanden viele patriotische Lieder
mit dem freien deutschen Rhein als Sinnbild des deutschen Nationalgefühles.
Sie sollen ihn nicht haben
den freien deutschen Rhein,
ob sie wie gierige Raben
sich heiser danach schrein
So lang er ruhig wallend
sein grünes Kleid noch trägt
so lang ein Ruder schallend
In seine Woge schlägt
Sie sollen ihn nicht haben,
den freien deutschen Rhein,
so lang sich Herzen laben
an seinem Feuerwein
So lang in seinem Strome
noch fest die Felsen stehn,
so lang sich hohe Dome
in seinem Spiegel sehn
Sie sollen ihn nicht haben
Den freien deutschen Rhein
So lang dort kühne Knaben
Um schlanke Dirnen freien
So lang die Flossen hebet
Ein Fisch auf seinem Grund
So lang ein Lied noch lebet
In seiner Sänger Mund
Sie sollen ihn nicht haben
Den freien deutschen Rhein
Bis seine Flut begraben
Des letzten Manns Gebein
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Die Wacht am Rhein
1840 wurde der Text von Max Schneckenburger verfasst unter dem Eindruck der Rheinkrise
und angelehnt an das Rheinlied von Nikolaus Becker. 1854 vertonte Carl Wilhelm das
Gedicht neu und führte es auf der Silberhochzeit des späteren Kaisers Wilhelm I. auf,
wodurch es an Popularität gewann. Während des Krieges 1870/71 wurde es im Deutschen
Kaiserreich zur inoffiziellen Nationalhymne.
Es braust ein Ruf wie Donnerhall,
Wie Schwertgeklirr und Wogenprall:
Zum Rhein, zum Rhein, zum deutschen Rhein!
Wer will des Stromes Hüter sein?
Refrain
Lieb! Vaterland, magst ruhig sein,
Fest steht und treu die Wacht am Rhein!
Durch Hunderttausend zuckt es schnell,
Und Aller Augen blitzen hell,
Der deutsche Jüngling, fromm und stark,
Beschirmt die heil!ge Landesmark.
Refrain
Er blickt hinauf in Himmelsau!n,
Wo Heldengeister niederschau!n,
Und schwört mit stolzer Kampfeslust:
„Du Rhein bleibst deutsch wie meine Brust.“
Refrain
„Und ob mein Herz im Tode bricht,
Wirst du doch drum ein Welscher nicht;
Reich wie an Wasser deine Flut
Ist Deutschland ja an Heldenblut.“
Refrain
„Solang ein Tropfen Blut noch glüht,
Noch eine Faust den Degen zieht,
Und noch ein Arm die Büchse spannt,
Betritt kein Feind hier deinen Strand.“
Refrain
Der Schwur erschallt, die Woge rinnt,
Die Fahnen flattern hoch im Wind:
Zum Rhein, zum Rhein, zum deutschen Rhein!
Wir Alle wollen Hüter sein!
Refrain
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Herzog Friedrich III. alias König Friedrich I. alias Kaiser
Barbarossa
Friedrich wurde als Sohn Friedrichs II. von Hohenstaufen, Herzog von Schwaben und der
welfischen Herzogstochter Judith als Friedrich der III. im Jahre 1122 geboren und stammt
damit von den beiden verfeindeten Hauptadelsgeschlechtern der damaligen Zeit ab.
Friedrich, der Neffe des Königs Konrad III., wird 1152 zu dessen Nachfolger bestimmt, da
sein eigener Sohn, auch Friedrich, zu diesem Zeitpunkt erst 6 Jahre alt ist und man sich des
weiteren durch die staufische und welfische Abstammung Friedrichs III. einen Vorteil für das
Reich erhoffte, die sich auch durch Friedrichs Politik des Ausgleichs bewahrheitete.
Da er der erste deutsche König mit Namen Friedrich ist, wird er zu Friedrich dem I.
1155 wurde er von Papst Hadrian IV. zum Kaiser gekrönt, mit dem er aber später in Konflikt
geriet. Friedrich, auch Barbarossa wegen seines roten Bartes genannt, führte mehrere
Feldzüge nach Italien an, unterlag aber 1176 den papsttreuen Lombarden bei Legnano. Als
er sich mit dem Papst aussöhnte, erkannten die Lombarden den Kaiser zwar an, behielten
aber ihre Rechte.
1189 unternahm Barbarossa seinen dritten Kreuzzug mit Philip II. von Frankreich und
Richard (Löwenherz) I. von England. Nach zwei erfolgreichen Schlachten gegen die Muslime
ertrank er am 10. Juni 1190 im Fluss Saleph in der heutigen Türkei unter nicht genau
geklärten Umständen.
Zum Nachfolger wurde sein Sohn Heinrich VI. bestimmt.
Die Legende:
Nach dem Ertrinken Barbarossas entstanden bald Gerüchte, da das Ende des Kaisers in
Deutschland größte Trauer auslöste. So half man sich mit der Legende, dass er gar nicht tot
sei, sondern bald wiederkehren würde, um die Deutschen aus ihrer Not zu befreien. Diese
Legende ist bis heute bekannt und ihm sowie Kaiser Wilhelm wurde im Jahre 1890-1896 auf
dem Kyffhäuser ein Denkmal gebaut, in dem es scheint, als erwache er gerade aus seinem
hundertjährigen Schlaf.
Er soll, zusammen mit seinem gesamten Hofstaat, verzaubert in den Bergen des Kyffhäusers
sitzen und darauf warten, wiederzukommen. In diesem Berg sitzt er an einem Tisch mit
seiner goldenen Krone auf dem Kopf, sein Bart ist schon durch den Tisch hindurch
gewachsen und reicht zweimal um diesen herum. Alle hundert Jahre erwacht Barbarossa
und schickt einen Knaben nach oben um nachzusehen ob die Raben, Zeichen für Unglück
und Zwietracht, verschwunden sind. Wenn sie noch fliegen, ist die Zeit für Kaiser Barbarossa
noch nicht gekommen und er verfällt für weitere hundert Jahre in den Schlaf.
Nach dem Tod des letzten Stauferkaisers Friedrich II. zerfiel das deutsche Reich nach einer
etwa einhundertjährigen Blütezeit in viele Kleinstaaten mit teilweise sehr gegensätzlichen
Interessen. Die Sage spiegelte die Sehnsucht des einfachen Volkes nach einem einheitlichen
Staat und einem weisen und gerechten Herrscher, als der Barbarossa galt, wider.
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Göttin Hammonia
Hammonia wird in der Literatur oft stellvertretend für die Stadt Hamburg genannt und gilt
auch als Stadtallegorie in Form einer Frau. Erstmals 1624 wird Hamburg von einem
Kupferstecher als Frau dargestellt, welche in den folgenden Jahrhunderten immer wieder auf
Stadtansichten und Karten aufgenommen wird alsschmückendes Beiwerk. Am 21. Februar
1710 wird der Name Hammonia zum ersten Mal
schriftlich erwähnt und in einem Musikstück für die
Petrimahlzeit (Festessen bei der jährlichen Neuverteilung der Ämter im Senat) als Schutzgöttin der Stadt
genannt.
Dargestellt wird Hammonia meistens mit einer zinnenbewährten Mauerkrone, andere Merkmale wechseln, so
wie der Merkurstab, der Anker, das Steuerrad oder das
Wappenschild als Requisit.
(Bild 1)
Anlässlich der Eröffnung der Speicherstadt durch den
Kaiser wurden am 02. Oktober 1888 Statuen der Germania und Hammonia auf der Brooksbrücke angebracht,
die jedoch im Zweiten Weltkrieg verloren gingen. 2003
stellte man Hammonia und Europa als neu geschaffene
Plastiken wieder an die nun auch neu errichtete BrooksBrücke wieder auf.
Bild 1
(Bild 2)
Dieses Mosaik befindet sich
über dem Rathauseingang und
im Phönixsaal, welcher dem
Hamburger Brand gewidmet
ist und zeigt Hammonia über
den Trümmern der Stadt.
Bild 2
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Einzelne Zeitereignisse
Brand in Hamburg:
Zwischen dem 5. und 8. Mai 1842 zerstörte ein großer Brand mehrere Teile der
Altstadt von Hamburg, wobei jedoch die
genaue Ursache ungeklärt blieb. Fest
steht, dass das Feuer in der Deichstraße
beim Cigarrenmacher Cohen ausbrach
und von Nachtwächtern entdeckt wurde,
aber der Versuch erfolglos blieb, das
Feuer zu löschen oder sein Übergreifen
auf andere Häuser zu verhindern, aufgrund von vorangegangener Trockenheit
und anhaltenden Winden. Erst als weitere
Feuerwehrleute aus der Umgebung und
sogar von weiter entfernten Städten zu
Hilfe eilten, konnte das Feuer gelöscht
werden. Durch den Brand wurde ein
Viertel des damaligen Stadtgebietes
vernichtet, wobei 51 Menschen ums Leben kamen, 1700 Häuser zerstört wurden, so wie drei
Kirchen, das Rathaus, die Bank und das Archiv und die Zahl der Obdachlosen auf 20.000
Menschen stieg.
Der Fall Heine – Marcel Reich-Ranicki
„Wenn es um Heine ging, wurde in Deutschland seit eh und je scharf geschossen.
Ein geborener Provokateur war er und ein ewiger Ruhestörer...
Er ging ins Exil, um nie in Deckung gehen zu müssen. Seine Biographie reicht vom jüdischen
Mittelalter bis zur europäischen Neuzeit, sein Werk führt von der deutschen Romantik zur
Moderne der Deutschen... Stets setzte er sich zwischen alle Stühle. Und fast will es
scheinen, als sei da immer noch sein Platz.“
„So konnten die Romantiker jenen deutschen Beitrag zur Weltliteratur, um den der alte
Goethe bangte, nicht leisten: War ihre Dichtung zu deutsch? Keineswegs, aber sie war nicht
europäisch genug. Der die deutsche Literatur aus dieser Sackgasse hinausgeführt hat, war
kein anderer als Heine. Nietzsche war nicht kleinlich. Auch in Sachen Heine ließ er sich nicht
lumpen. »Den höchsten Begriff vom Lyriker« - erklärte er in seiner philosophischen
Autobiographie. (...) Das also sind die Elemente in Heines Schriften, die sich dem
Gedächtnis Nietzsches am stärksten eingeprägt haben: die süße, die leidenschaftliche
Musik, die göttliche Bosheit und die virtuose Beherrschung des Deutschen. Mit anderen
Worten: Der Wohlklang, der Scharfsinn und der Stil – und damit ist schon charakterisiert,
was Heines bahnbrechendes Werk von beinahe allen seinen Nachfolgern unterscheidet.
Bahnbrechend? Ist das nicht ein gar zu großes Wort? Nein, ich nehme es nicht zurück, ich
werde es auch nicht abmildern: Heine hat, um es gleich zu sagen, der deutschen Literatur,
der Poesie ebenso wie der Prosa, neue Möglichkeiten eröffnet und neue Wege gewiesen.
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Ihm ist geglückt, was Europa den Deutschen kaum mehr zutraute: ein Stück Weltliteratur in
deutscher Sprache.
(...) Geistreich und witzig kritisierte Heine die poetische Welt aus der er gekommen war, es
bereitete ihm ein Vergnügen, sie der Lächerlichkeit preiszugeben. Doch die bösen Attacken
sind zugleich beinahe zärtlich. Nicht selten behandelte er diese Welt mit einem Zynismus,
weil er die Sicht der Romantiker auf seine Weise relativierte. Am Ende beschlich ihn wieder –
er gab es offen zu - »eine unendliche Sehnsucht nach der blauen Blume im Traumlande der
Romantik«.
Indem Heine die Romantik wie kein anderer reformierte und modernisierte, rettete und
bewahrte er sie für eine neue Generation. Mit der vielgescholtenen Innerlichkeit hat er sich
konsequent auseinandergesetzt, aber er schämte sich nicht, gelegentlich durchblicken zu
lassen, daß er für sie immer noch eine Schwäche habe. Er dachte nicht daran, sich von der
Szenerie der romantischen Dichtung, von den Feldern und Wäldern, den Tälern und Hügeln,
den Bächen und Flüssen, von den vielen Gräsern und Blumen etwa abzuwenden. Aber ohne
die Innerlichkeit ganz zu verbannen, hat er ihre Auswüchse lachend beseitigt. Und er hat ihre
Szenerie energisch erweitert, indem er tat, was noch unlängst schwer vorstellbar war – er
hatte keine Bedenken, die moderne Stadtlandschaft, Berlin und Hamburg, Köln und Paris, in
die Lyrik einzubeziehen.
Früher als die anderen europäischen Dichter seiner Zeit hat er ausgiebig von der
Umgangssprache profitiert und immer wieder auf das Deutsch des Alltags zurückgegriffen.
So hat er die Sprache der Lyrik und der Prosa erneuert, er hat sie ohne Pardon entrümpelt
und anmutig verschlankt und damit die dringend notwendige Voraussetzung für die
Demokratisierung der Literatur geschaffen.
(...) Der gesunde Menschenverstand machte es Heine möglich, stets aufs neue zu zeigen,
daß die Dichtung vernünftig sein könne – und die Vernunft dichterisch. Ihm ist es scheinbar
mühelos gelungen, jene Synthese zu verwirklichen, die in Deutschland Seltenheit hat – die
Synthese aus Witz und Weisheit, Charme und Scharfsinn, Gefühl und Grazie.
(...) Er hat in seinen Versen gebetet und gebettelt, geflucht und geflüstert, geträumt und
gedroht. Er hat viel gespottet und viel gehöhnt, aber er hat, wie es sich für einen Juden
schickt, immer auch sich selbst verspottet und verhöhnt. Er war verliebt in Widersprüche und
erst recht in Extreme, aber er hat, wie es sich für einen Künstler schickt, niemals das Risiko
gefürchtet.
(...) Heine war, wenn man so sagen darf, ein passionierter Skeptiker, ein skeptischer
Provokateur. Schon seine frühen Publikationen, zumal das »Buch der Lieder« und die
»Reisebilder«, brachten ihm zusammen mit vielen Lesern, Anhängern und Bewunderern
auch unzählige Neider, Gegner und Feinde: Es gab recht bald einen Fall Heine – und es gibt
ihn immer noch.
(...) Alles Engstirnige und Provinzielle war ihm verhasst. Er schwärmte in Deutschland für die
Französische Revolution, er schrieb über französische Zustände, französische Maler und die
französische Bühne, über England und Italien. In Frankreich erläuterte und rühmte er die
deutsche Romantische Schule, er belehrte die Franzosen über die Geschichte der Religion
und der Philosophie in Deutschland. Den Blick, der gebildeten Deutschen lenkte Heine auf
Europa, und auf ungeahnte, auf überraschende Weise belebte und steigerte er das Interesse
Europas an deutschem Geist, an deutscher Kultur.
(...) Seine Lyrik ist empfindsam und doch sarkastisch, leidenschaftlich und zugleich ironisch,
sie ist oft traurig und dennoch komisch. Sein Humor hat dazu beigetragen, daß der Deutsche
und der Jude Heine von ganz Europa akzeptiert und nicht selten soagr geliebt wurde.
Mehr noch: In ihm, dem Heimatlosen, dem Emigranten, hat Europa eine Zentralfigur der
zeitgenössischen Literatur, einen Weltpoeten gesehen und den Nachfolger Byrons erkannt.
(...) Ein geborener Provokateur war er und ein ewiger Ruhestörer. Er traf die schmerzhafteste
Wunden seiner Zeitgenossen, ohne die Folgen, die für ihn selber entstehen mussten, zu
bedenken. Es kümmerte ihn kaum, daß er den anderen sehr bequeme Angriffziele bot und
dies nicht nur deshalb, weil er extreme und also oft anfechtbare Urteile liebte. Er sicherte
sich nie ab, Vorsichtsmaßnahmen waren mit seinem Temperament schlecht vereinbar. Er
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kämpfte tatsächlich mit offenem Visier. Man könnte sagen: Er ging ins Exil, um nie in
Deckung gehen zu müssen.
(...) Da haben wir schon Heines ganze Misere. Er bildet sich nicht ein, man würde ihn als
einen Deutschen mosaischen Glaubens anerkennen. Er weiß sehr wohl, daß man ihm ein
Vaterland verweigert – und er protestiert nicht. Aber er kapituliert auch nicht. Nicht ein
Deutscher will er sein, sondern weniger und mehr – nämlich ein deutscher Dichter.
Ausgestoßen und zur Heimatlosigkeit verurteilt, will er sich um jeden Preis dort einen Platz
sichern, wo er glaubt, eine Ersatzheimat, eine Art Vaterland gefunden zu haben: in der
deutschen Sprache, in der deutschen Literatur. Mit diesem Ziel vor Augen debütiert er in den
zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts mit Versen und mit Prosa, die ihn beinahe über
Nacht berühmt machen. Und hier, in dem dichterischen Kampf ums Dasein, sind die tiefsten
Wurzeln seiner berüchtigten Aggressivität.
(...) »Ich weiß nur zu gut, daß mir das Deutsche das ist, was dem Fische das Wasser ist, daß
ich aus diesem Lebenselement nicht heraus kann...Ich liebe sogar im Grunde das Deutsche
mehr als alles auf der Welt, ich habe meine Lust und Freude dran, und meine Brust ist ein
Archiv deutschen Gefühls...« (Heine)
(Textnachweis: Die Zitate von Marcel Reich-Ranicki sind seinem Buch „Der Fall Heine“
entnommen. Deutscher Taschenbuch Verlag, München, 2005)
Flüchtlinge
Schätzungen zufolge sind weltweit 45 Millionen Menschen auf der Flucht. Dabei gibt es noch
verschiedene Kategorien. 80-85% der Flüchtlinge gehören zu den „Binnenvertriebenen“, sie
bleiben in ihrer Herkunftsregion und entfernen sich nicht über die Staatsgrenze hinaus. Die
restlichen 20-15% suchen Schutz in anderen Ländern, welche jedoch meistens außerhalb
Europas liegen. Im Jahr 2012 wurden die meisten Flüchtlinge in Kenia, Iran und Pakistan
aufgenommen, statt in den reichen Staaten des Westens, wo 2012 nur 300.000 Asylanträge
gestellt wurden.
Die Gründe, die Menschen zu einer Flucht bewegen, können dabei die unterschiedlichsten
Motive haben: Menschenrechtsverletzung, Diskriminierung, Verfolgung, (Bürger-)Krieg,
Folter, Vergewaltigung, eine drohende Todesstrafe und die Bedrohung der Existenz sind nur
einige davon.
Um in die EU einzureisen, benötigt man ein Einreisevisum, doch genau dies bleibt einem
Flüchtling verwehrt. Mit falschen Papieren oder über heimliche Wege über die Grenze
schaffen sie sich in ihrer Not zutritt, was die EU zu verhindern versucht. Unter Einsatz von
Grenzsoldaten, Radartürmen. Nachtsichtgeräten, Schnellbooten, Hubschraubern und
Wärmebildkameras an den Außengrenzen der EU sollen illegale Grenzgänger verhindert
werden. Resultat ist eine hohe Sterberate vor den Toren Europas durch gescheiterte
Fluchtversuche. Sie ertrinken oder erfrieren bei dem Versuch das Mittelmeer oder
Grenzflüsse zu durchschwimmen, ersticken in ihren Verstecken in LKW-Containern oder
kommen in griechisch-türkischen Minenfeldern um. Ebenso fließt aus der EU Geld in
Flüchtlingslager in vielen Kriegs- und Krisengebieten, um sie bereits in ihren
Herkunftsländern von ihrer Weiterflucht zu hindern oder sie führen in den betroffenen
Ländern Schulungen für Polizei und Militär durch zum Thema „Grenzschutz“.
Wenn es trotz aller Widrigkeiten Flüchtlingen gelingt, die Grenzen der EU zu überschreiten,
steht ihnen ein einziges Asylverfahren zu, wobei dies in dem Land stattfinden muss, welches
sie als erstes betreten haben.
2012 stellten 64.539 Menschen einen Asylantrag in Deutschland, die meisten davon aus
Syrien, Afghanistan, dem Iran, Serbien und der Türkei. Ca. 2.000 von ihnen sind dabei
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Minderjährig und kommen ohne Eltern nach Deutschland. Nach der Ankunft werden sie in
eine Erstaufnahmeeinrichtung geschickt und dort zu ihren Fluchtgründen befragt. Nach der
Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung werden sie nach 3 Monaten einem bestimmten
Landkreis oder einer Stadt zugewiesen und je nach Ort unterschiedlich untergebracht, mal
nur ein Bett im Lager oder eine eigene Wohnung. Unter-16-Jährige werden in einer
Jugendhilfeeinrichtung untergebracht und erhalten einen Vormund, Schwierig verhält es sich
dabei bei den 16- und 17-Jährigen, welche ausländerrechtlich als „handlungsfähig“ eingestuft
werden und so wie Erwachsene ohne Vormund in Sammellager untergebracht werden und
allein ihr Asylverfahren durchstehen müssen.
Zuständig für die Asylanten ist in Deutschland das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
(BAMF), welches entscheidet, ob überhaupt auf einen Asylantrag eine Anhörung
durchgeführt wird. Ist dies der Fall, muss der Betroffene alle Gründe für seinen Asylantrag
mündlich vortragen. Ein Drittel aller Asylanträge werden aber gar nicht inhaltlich geprüft,
sondern von Anfang an abgelehnt.
Auch beim Thema Arbeit gibt es einige Einschränkungen, denn ohne Arbeitserlaubnis dürfen
sie erstmal keine Ausbildung machen oder arbeiten. Für Geduldete und Asylsuchende gilt in
den ersten neun Monaten ein Arbeitsverbot, aber auch danach gestaltet sich die Suche
schwierig, da es „bevorrechtigte Arbeitnehmer“ gibt, nämlich Deutsche, EU-Ausländer und
anerkannte Flüchtlinge.
Sozialleistungen, die über dem in Deutschland geltenden menschenwürdigen
Existenzminimum liegen, erhalten anerkannte Flüchtlinge erst seit 2012. Dennoch wird ein
Großteil dieser Leistungen als Sachleistungen ausgezahlt, in Form von Einkaufsgutcheinen
oder sogar fertige Lebensmittel- und Hygienekartons.
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