Anhang 5 Expertise Lichtverschmutzung
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Anhang 5 Expertise Lichtverschmutzung
Anhang 5 Expertise Lichtverschmutzung Diese Expertise wurde im Rahmen des Projektes Effiziente SBL erstellt. Das Projekt wird aus Mitteln des Klima- und Energiefonds gefördert und im Rahmen des Programms „NEUE ENERGIEN 2020“ durchgeführt. 1. ALLGEMEINES[1,2,3] Das Problem der "Lichtverschmutzung" Wenn es Nacht wird, beginnen weltweit unzählige künstliche Lichtquellen zu strahlen. Ausgehend von den Städten, Ortschaften, Gebäuden und Straßen bis hin zu den Bergbahnen im Gebirge, erobern nächtliche Lichtkonzentrationen immer mehr die Landschaft. Lichtverschmutzung (aus dem engl. Light Pollution) bezeichnet die Aufhellung des Nachthimmels durch künstliche Lichtquellen, deren Licht in der Atmosphäre gestreut wird. Es geht also darum, dass natürliches Licht durch künstliches verschmutzt wird. Seit es auf der Erde hell geworden ist, haben sich die Lebensbedingungen vieler Tiere dramatisch verändert. Milliarden von Insekten und Vögeln gehen jährlich in die tödlichen Lichtfallen. Ein anderer Teil der Natur verschwindet ebenfalls zusehends: Der Sternenhimmel ist nur mehr in entlegenen Gebieten zu bewundern und die Milchstraße ist ein Naturphänomen, das vielen Menschen kaum mehr bekannt ist. Darüber hinaus beeinflusst die erhellte Nacht zunehmend den natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus des Menschen. Umweltassoziierte Gesundheitsstörungen wie Schlafstörungen, Energielosigkeit und andere, z.T. schwer wiegende Folgeerkrankungen können die Auswirkungen von Lichtimmissionen auf den Lebensbereich des Menschen sein. Beleuchtungssituation Vor etwas mehr als 100 Jahren sind in Europa die ersten elektrischen Außenbeleuchtungsanlagen in Betrieb gegangen. Inzwischen sind es Millionen von Lichtquellen, die Nacht für Nacht die Landschaft erhellen. Längst dient Licht nicht nur mehr dem Bedürfnis des Menschen nach Sicherheit. Licht ist ein Symbol für Luxus geworden, selbstverständlich und uneingeschränkt einsetzbar, sei es für Werbezwecke, Effektbeleuchtung oder zur Beleuchtung von Freizeiteinrichtungen. Mensch und Gesundheit Die überwiegende Mehrzahl der Lebewesen hat sich im Laufe der Jahrmillionen an den natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus angepasst. Zahlreiche Körperfunktionen sind auf diesen Rhythmus abgestimmt - auch jene des Menschen! So bildet der menschliche Organismus nur in der Dunkelheit das Hormon 'Melatonin'. Bereits geringe Lichtintensitäten können die Produktion dieses wichtigen Hormons reduzieren! Seite 2 von 9 Natur Seit Millionen von Jahren ist Licht der ursprüngliche Rhythmusgeber, auf den sich alle Organismen eingestellt haben. Manche haben sich auf ein Leben in der Nacht spezialisiert, andere auf ein Leben am Tag. Ein besonderes Problem mit künstlichem Licht haben nachtaktive Tiere, wie zahlreiche Insekten, Vögel, Amphibien, Reptilien, Fledermäuse und andere Säugetiere. Man schätzt, dass zum Beispiel in Deutschland 180 Milliarden Insekten jährlich an Straßenlaternen verenden. Folgende biologische Auswirkungen der Lichtverschmutzung wurden bislang nachgewiesen: • Blendung & Desorientierung • gestörte/eingeschränkte Futtersuche • • • • veränderte Räuber-Beute-Beziehung gestörte soziale Interaktion (Entwicklung & Fortpflanzung) eingeschränkter Aktionsradius (Barrierewirkung, Vertreibung) gestörte Ruhephasen Astronomie Durch die Aufhellung des Nachthimmels sind am durchschnittlichen Nachthimmel in Österreich nur mehr 10% der eigentlich mit freiem Auge sichtbaren Sterne zu erkennen! Die Lichtverschmutzung schränkt den Beobachtungsbetrieb in großstadtnahen astronomischen Observatorien immer mehr ein. Selbst Observatorien, die auf hohen Bergen fernab von Millionenstädten errichtet wurden, bedürfen heute des Schutzes vor Lichtverschmutzung in Form von gesetzlichen Bestimmungen. Die Aufhellung des Nachthimmels durch die Zivilisation ist ein Phänomen mit enormer Fernwirkung. Die Lichtglocken großer Städte hellen den Himmel - am stärksten im Horizontbereich - sogar noch in Hunderten Kilometern Entfernung auf. Um diese Beeinträchtigung astrophysikalischer Forschungen zu verhindern, wird die Helligkeit des Himmelshintergrundes zum Beispiel am Observatorio del Teide - Teil des Astrophysikalischen Instituts der Kanarischen Inseln - regelmäßig gemessen. Energieverschwendung Wir verschwenden enorme Mengen von Energie und Geld für schlechte Beleuchtung, wo wir Gegenstände (auch den Himmel) beleuchten, die wir nicht beleuchten wollen oder brauchen und welche wir für energieineffiziente Lichtquellen und Leuchten verwenden. Allein in den USA wird eine Milliarde Dollar jährlich verschwendet, nur um den Nachthimmel zu beleuchten. Abbildung 1.1 zeigt eine Karte mit der Lichtverschmutzung in Österreich. Die nachfolgende Karte zeigt die Lichtverschmutzung in Österreich anhand einer Satellitenaufnahme. Lediglich das Hochgebirge und einige dünn besiedelte Gebiete sind nur gering belastet. Seite 3 von 9 Abbildung 1.1: Lichtverschmutzung von Österreich [4] Dabei ist durch eine geschickte Art der Beleuchtung ein Großteil dieser Lichtverschmutzung vermeidbar und bringt zusätzlich eine beträchtliche Energieeinsparung bei gleicher oder besserer Lichtqualität. Das Licht in der obenstehenden Karte wird nutzlos direkt in den Weltraum abgestrahlt - je nach Art der Lichtquelle zwischen 20% und 50% der aufgewendeten Energie! Seite 4 von 9 2. WAS KÖNNEN WIR TUN? Die Beleuchtungsstärke selbst sollte recht kritisch überprüft werden. Problematisch sind Beleuchtungen die Blendung hervorrufen und harte Lichtübergänge. Daher wäre in den sehr hell beleuchteten Gegenden als erster Schritt ein Zurücknehmen der Beleuchtungsstärke anzustreben. Generell trägt auch das vom Boden diffus reflektierende Licht (siehe Abbildung 2.1) zur Lichtverschmutzung bei. Diese Verschmutzung ist jedoch deutlich geringer als jene, die direkt von den Leuchten diffus über die Horizontale hinaus abgestrahltes Licht. Abbildung 2.1: Lichtverschmutzung aus Sicht der Lichttechnik [6] Viele Beleuchtungseinrichtungen stören ebenso sehr oder mehr, als sie uns sehen helfen. Das überflüssige Licht scheint in unsere Gärten, in unsere Fenster und auch die Sternwarten werden beeinflusst. Wie im Falle der Lärmbelästigung sollte dagegen etwas unternommen werden. Die nächtliche Lichtverschmutzung durch künstliche Beleuchtung lässt sich nicht ganz vermeiden. Allein die Reflexion von Böden und Fassaden lässt sich nur eindämmen. Ziel muss es sein, einen vernünftigen Kompromiss zwischen dem dunklen Nachthimmel und dem störendem Kunstlicht zu finden. Ein exakt auf die Bedürfnisse angepasstes, möglichst niedrigeres Lichtniveau der Beleuchtung im städtischen Bereich wäre hierzu ein guter Anfang. Die Beleuchtungslösung sollte aus möglichst aus wenigen Lichtpunkten bestehen, die exakt verteilt und in die Straßen integriert wären. Seite 5 von 9 Die Außenbeleuchtung soll nur in dem Zeitraum in dem sie benötigt wird, nur dort, wo sie notwendig ist und dann nur in der erforderlichen Intensität eingesetzt werden. Die Beleuchtungsdauer und -intensität bei Anstrahlungen soll so gering wie möglich gehalten werden. Lösungen Die Technologie ist heutzutage so weit fortgeschritten, dass ökologische und ökonomische Verbesserungen der Beleuchtung sowie die Eindämmung der Lichtverschmutzung einfach möglich sind. Vor allem durch die Wahl des Lampen und Leuchtentyps sowie mit der Betriebsweise kann die Beleuchtung hinsichtlich Energieeffizienz und Umweltverträglichkeit optimiert werden. • Es soll nur qualitativ hochwertige Beleuchtung verwendet werden. Lichttechnisch schlechte Beleuchtung sollte nach und nach ersetzt werden. Das Licht soll gezielt nach unten gerichtet werden, wo es gebraucht wird (siehe Abbildung 2.2) • Gezielte Lichtlenkung durch geeignete Installation, • Abbildung 2.2: verschiedene Leuchtentypen • Das Licht soll nicht verschwendet werden. Zeitschaltregelungen (Dimmen, Halbnachtschaltung oder Reduzierschaltung) sollen verwendet werden, um sicherzustellen, dass die Beleuchtung nur dann in Betrieb ist, wenn sei notwendig ist.. • Die Begrenzung der Beleuchtungsdauer durch z. B. Bewegungsmelder ist ebenfalls hilfreich. • Es sollte weitgehend auf Bodeneinbaustrahler und Skybeamer verzichtet werden. • Die Beleuchtungsanlage soll so geplant und installiert werden, dass jegliche Blendung möglichst minimiert wird. Derzeit stammt fast jegliche Blendung von schlechten Beleuchtungskörpern oder von schlechten Beleuchtungsanlagen. Seite 6 von 9 Das Auge ist ein erstaunliches Organ, das auch bei niedrigeren Beleuchtungsstärken sehr gut sehen kann. Es soll nur jene Lichtmenge eingesetzt werden, die auch angemessen ist. Mehr Licht bringt mehr Sicherheit ist keine gute Devise. Wenn wir von Stellen, die zu hell beleuchtet sind, in Stellen kommen, die dunkler sind, oder umgekehrt, dann können wir eine Weile nicht gut sehen - solange, bis die Augen sich angepasst haben (Adaptation). • Die Lichtquellen sollten energieeffizient sein. • Bei LED-Lampenlösungen sollte das Licht der einzelnen Leuchtdioden durch intelligentes Optikdesign dorthin gelenkt werden, wo es gebraucht wird und keine Blendung verursacht. Folgende Anforderungen an moderne Leuchten sollten sein: • Abgeschirmter Leuchtentyp, Full-Cut-Off Leuchte (siehe Abbildung 2.2., rechts) • Reduzierung der Lichtpunkthöhe • Gezielte Lichtlenkung durch geeignete Installation, Reflektoren und plane Leuchtenwanne • Geschlossenes Gehäuse und geringe Oberflächentemperatur Die Internationale Beleuchtungskommission (CIE) und viele nationale Organisationen behandeln diese Fragen und geben in regelmäßigen Abständen Berichte und Empfehlungen darüber heraus. Es gibt bereits einige Länder in denen das Thema „Lichtverschmutzung“ in Gesetzen bzw. in Normen verankert ist (siehe Abbildung 2.3.). In Österreich wird voraussichtlich ab Herbst die Ö-Norm ON 1052 in Kraft treten, die sich unter anderem mit dem Thema Lichtverschmutzung beschäftigen wird. Abbildung 2.3: Gesetze Lichtverschmutzung [6] Seite 7 von 9 3. POSITIONSPAPIER LICHTVERSCHMUTZUNG[5] Umwelt - und Naturschutzorganisationen, Astronomen und Mediziner haben eine gemeinsame Position zum verantwortungsvollen Umgang mit künstlicher Beleuchtung im Außenraum erarbeitet. Gestützt auf die „La Palma Deklaration“ zum Schutz des nächtlichen Sternenhimmels werden die Einflüsse auf Tiere und Pflanzen sowie auf menschliche Gesundheit und Wohlbefinden aufgezeigt und entsprechende Forderungen an die politischen Entscheidungsträger formuliert: Sternenhimmel und unbeeinträchtigte Nachtlandschaften Jeder Mensch hat das Recht, den Sternenhimmel und unbeeinträchtigte Nachtlandschaften als Teil der Natur zu erleben. Fauna und Flora Der negative Einfluss künstlichen Lichts auf Fauna und Flora muss minimiert werden. Licht darf im Außenraum nur in der sicherheitstechnisch erforderlichen Intensität und nur dort eingesetzt werden, wo es notwendig ist. Naturschutzfachlich sensible Lebensräume wie Trockenrasen und Gewässer sind besonders zu schützen. Gravierende gesundheitliche Störungen Medizinische Untersuchungen belegen, dass der Einfluss künstlichen Lichts auf den menschlichen Organismus gravierende gesundheitliche Störungen hervorrufen kann. Blendfreie Beleuchtung Blendung durch künstliche Beleuchtung im Außenraum ist unbedingt zu vermeiden. Blendfreie Beleuchtung leistet aus sinnesphysiologischen Gründen bei geringeren Intensitäten mehr als überdosiertes Licht. Standortvorteil für den Tourismus Die von Lichtverschmutzung unbeeinträchtigte Landschaft ist ein Standortvorteil für den Tourismus. In Österreich finden sich einige der wenigen Gebiete Europas, wo Sternenhimmel und Nachtlandschaft noch ungestört erlebt werden können. Wissenschafts-, Bildungs- und Umweltpolitik Im Interesse der Wissenschafts-, Bildungs- und Umweltpolitik sind Standorte astronomischer Forschung und Volksbildung vor Lichtverschmutzung zu schützen. Rechtlich relevanter Tatbestand Lichtimmission muss als rechtlich relevanter Tatbestand eingestuft werden. Zur Eindämmung der eskalierenden Effektanstrahlungen und Werbebeleuchtungen sind gesetzliche Regelungen zu fordern. Seite 8 von 9 4. ZUSAMMENFASSUNG Bevor die Menschen künstliches Licht überhaupt in kontrollierter Weise einzusetzen vermochten, war die Verehrung vor allem des Sonnenlichts weit verbreitet. Die Dunkelheit war vorwiegend mit negativen Assoziationen besetzt, bis hin zur Dunkelheit als Sinnbild des Bösen. Mit der elektrischen Beleuchtung ging eine Erschließung der Nacht durch die Zivilisation einher. Licht wurde zu etwas Steuerbarem, zugleich aber auch zu etwas Steuerndem. Durch die Präsenz des Lichts wurde in bisher nicht nutzbaren nächtlichen (Zeit-)Räumen Arbeit, Verkehr, Geselligkeit und Konsum möglich. So ist es bis heute geblieben und es wird immer mehr Licht in den Nachtstunden. Die meisten bzw. die seriösen Leuchtenhersteller entwickeln Ihre Leuchten heutzutage nach den, bereits oben erwähnten, Anforderungen an eine moderne Leuchte. In der Bevölkerung wird das Thema „Lichtverschmutzung“ immer mehr gefestigt und auch bei den jeweiligen Kommunalpolitikern erhält dieses Thema immer größere Bedeutung. Richtiges Licht Zur Richtigen Zeit Am richtigen Ort. Es kommt nicht auf die „Menge“ des Lichtes an. Es ist höchste Zeit, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass der verschwenderische Umgang mit künstlichem Licht zahlreiche negative Folgen hat, und dementsprechend zu handeln! 5. VERWENDETE QUELLEN [1] „Die Helle Not – Wenn Licht zum Problem wird“, Tiroler Umweltanwaltschaft [2] http://www.lichtverschmutzung.de/ [3] http://homepage.univie.ac.at/thomas.posch/endedernacht [4] http://www.nightsky.at/Obs/LP/LV_DMSP.jpg [5] „Positionspapier Lichtverschmutzung – Optimierung künstlicher Beleuchtung im Außenraum“, div. Autoren [6] Vortrag „Das Ende der Nacht“, Dr. Nikolaus Thiemann, LTG Österreich Seite 9 von 9