Kleine Fibel des Nadelbindens

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Kleine Fibel des Nadelbindens
Kleine Fibel des
Nadelbindens
Geschichte
Nadelbinden, auch Nalbinding oder Schlingentechnik genannt, ist eine Handarbeitstechnik, die schon vor tausenden von Jahren praktiziert wurde. Die ältesten Funde
stammen aus der Steinzeit (v.a. Netzfragmente). Auch im Mittelalter war das Nadelbinden verbreitet. (Funde in ganz Europa, aber auch in Afrika und Südamerika). Die
meisten Nadelbindungsfunde aus dem Mittelalter sind Socken, Fausthandschuhe,
Mützen oder Textileinsätze. Ca. im 13. Jahrhundert kam vermutlich aus der islamischen Welt über Spanien das Stricken nach Europa und war im Spätmittelalter bereits weit verbreitet. Punkto Schnelligkeit ist das Stricken dem Nadelbinden überlegen und konnte zudem besser kommerzialisiert werden (im 16. Jahrhundert erste
Strickmaschinen).
Während in unseren Breitengraden diese Technik lange Zeit fast gänzlich verschwunden war, gibt es in Skandinavien eine ungebrochene Nadelbinde-Tradition.
Ein Revival des Nadelbindens bei uns ist der experimentellen Archäologie und der
Living-History- und Reenactment-Szene zu verdanken.
Technik
Alles, was man zum Nadelbinden braucht, sind Wollfäden und eine relativ grosse
Nadel (glatt und nicht zu spitzig) aus Holz oder Knochen (oder auch eine moderne
Wollnadel). Nadelbinden bedeutet nichts anderes, als dass man eine bestimmte Anzahl von Schlaufen, die ineinander verschlungen sind, mittels eines Stiches miteinander verbindet. Die Anzahl der möglichen Stiche ist schier unbegrenzt. Die Palette
von einfach bis komplex ist gross. Aber auch mit einem einfachen Stich kann man
problemlos Socken, Mützen, Pulswärmer etc. nadeln.
Die verschiedenen Stiche sind meist nach dem Ort benannt, an welchem erstmals
Funde gemacht wurden, z.B. Oslo-Stich.
Es gibt zwei Möglichkeiten, diese alte Handarbeitstechnik auszuführen. Die Freihandmethode und die Daumenfesselungsmethode.
Freihandmethode
Die Freihandmethode eignet sich sehr gut, wenn man mit Nadelbinden beginnen
möchte, denn es lässt sich jeder Schritt genau nachvollziehen: Wie man Schlaufen
macht und diese mit der Nadel mittels des gewählten Stiches verbindet. Mit der Zeit
hat man auch den Dreh raus, wie man gleichmässige Schlaufen macht, so dass ein
regelmässiges Fadengeflecht entsteht.
Will man für einmal einen komplexeren Stich wagen, empfiehlt sich diese Methode
weniger. Schneller geht es dann mit der Daumenfesselungsmethode.
Daumenfesselungsmethode
Wenn man einmal das Grundprinzip des Nadelbindens begriffen hat, kann man sich
auch der Daumenfesselungsmethode zuwenden. Man kommt damit wesentlich
schneller voran, da man den Hin- und Rückweg eines Stiches in einem Schritt aus2
führt. Die Stiche werden sehr regelmässig. Aber meines Erachtens leidet der Faden
dabei etwas stärker als bei der anderen Methode. Je nach Wolle kann das Garn gegen Ende eines Fadens etwas ausfransen. Bei komplexen Stichen ist diese Methode
aber unbedingt zu empfehlen, da es mit der Freihandmethode schlicht zu kompliziert
würde.
Der Oslo-Stich
Der Oslo-Stich ist ein relativ einfacher Stich (für beide Methoden) und eignet sich
sehr gut für Anfänger. Es ist ein UO/UOO Stich. U und O bedeuten nichts anderes
als „under“ und „over“, / steht für den Richtungswechsel der Nadel. Das heisst in diesem Falle: Auf dem Hinweg sticht die Nadel von unten in die letzte und von oben in
die zweitletzte Schlaufe. Dann zieht man den Faden durch und zwar so weit, dass
eine neue gleichgrosse Schlaufe entsteht. Dann wendet man die Nadel und sticht
von unten in die drittletzte, von oben in die zweitletzte und von oben in die letzte (die
neu entstandene) Schlaufe (vgl. Abbildung). Ebenfalls unten abgebildet sind die zwei
Anfangsschlaufen ganz zu Beginn einer Arbeit, damit überhaupt ein erster Stich gemacht werden kann.
Oslo-Stich
A: Anfang des Fadens N: Nadel
Den Stich wiederholt man so lange, bis die Schlaufenkette die gewünschte Länge
erreicht hat. Zum Beispiel für Pulswärmer. Dann schliesst man die Kette zur Runde,
indem man vor dem nächsten Stich noch von vorne oben in die Anfangsschlaufe der
Reihe sticht. Dann sticht man vor dem nächsten Stich oben in die zweite Schlaufe
usw. Dabei entsteht oberhalb der ersten Reihe die zweite Reihe.
Ein neuer Faden
Ein gewisser Nachteil beim Nadelbinden ist, dass man nicht mit einem Garnknäuel
arbeitet (denn dieses lässt sich schlecht durch die Schlaufen ziehen), sondern mit
endlichen Fäden. Dafür hat man keine Probleme mit fallengelassenen Maschen. Ein
Arbeitsfaden sollten nicht zu kurz und nicht zu lange sein. Wenn nun also ein Faden
zu Ende ist, muss man einen neuen anfilzen. Dazu franst man beide Enden etwas
aus, legt sie ineinander, befeuchtet sie mit etwas Wasser oder Spucke und reibt sie
zwischen den Handflächen ineinander. Aus diesem Grunde benötigt man fürs Nadelbinden Wolle, die sich verfilzen lässt. Am besten reine Schurwolle (nicht superwash).
Die Wolle sollte für Anfänger nicht zu dünn sein. Verzwirnt muss sie nicht zwingend
sein. Man kann zum Beispiel einen selbstgesponnenen Faden verwenden. Sollte das
Garn etwas dünn geraten sein, kann man auch mit doppeltem Faden arbeiten.
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Die Rosette
Will man z.B. Socken oder eine Mütze nadeln, eignet sich die Rosette sehr gut als
Beginn. Es gibt dafür verschiedene Methoden (siehe z.B. bei Flinkhand). Eine sehr
gute Möglichkeit ist bei Neulakinnas zu sehen (vgl. Link-Liste).
Wichtig bei der Rosette ist, dass man schon ab der zweiten Runde Schlaufen zunimmt, also in jede Schlaufe der Vorrunde zweimal oder gar dreimal einsticht. Sonst
gibt es nur einen Fingerhut. In der dritten Runde sticht man dann in jede zweite
Schlaufe doppelt usw., bis die gewünschte Breite erreicht ist. Am besten probiert
man die Stücke immer wieder an und schaut, ob man zu- oder abnehmen muss. Abnehmen tut man, indem man eine Schlaufe auslässt und erst in die übernächste wieder einsticht.
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Literatur und nützliche Links
Bis vor kurzem musste man sich Informationen zum Nadelbinden aus verschiedenen
Quellen selbst zusammensuchen. 2012 erschien endlich ein Buch zum Thema:
Classen-Büttner, Ulrike, Nadelbinden – Was ist denn das? Geschichte und
Technik einer fast vergessenen Handarbeit, Books on Demand, Norderstedt 2012
ISBN: 978-3-8482-0124-2
Das Buch informiert ausführlich über Geschichte und Technik des Nadelbindens (mit
bebildertem Fundkatalog). Im Anleitungsteil werden anhand von Fotos verschiedene
Stiche mit der Daumenfesselungsmethode erklärt. Zudem gibt es Anleitungen für
konkrete Projekte (Beutel, Mützen, Handschuhe, Socken und Pantoffeln) und nicht
zuletzt ein ausführliches Literaturverzeichnis. Da sich meiner Meinung nach die
Daumenfesselungsmethode für Anfänger weniger gut eignet als die Freihandmethode, würde ich zuerst mit der Anleitung von Flinkhand (siehe unten) arbeiten.
Es gibt vier Links, die ich fürs Nadelbinden sehr empfehlen kann.
www.flinkhand.de
Umfassende Infos zum Nadelbinden. Freihandmethode anhand des Korgen-Stiches
(UUO/UUOO), Daumenfesselungsmethode mit dem Oslo-Stich, Rosettenbeginn,
Anleitungen für Handschuhe, Socken und Mützen. Daneben viele Infos zu anderen
mittelalterlichen Handarbeitstechniken. Shop ist ebenfalls sehr zu empfehlen (Lieferung leider nur nach Deutschland).
www.friuntskafida.de
Frühmittelalterliche Gruppe, die sich dem Handarbeiten verschrieben hat. Die verschiedenen Nadelbindungs-Stiche sind verlinkt mit Fotos, Skizzen oder Videos. Auch
Tipps zum Kammweben.
www.nadelbinden.info
Website von Ulrike Classen-Büttner (Autorin des Nadelbinden-Buches) mit vielen
nützlichen Informationen, Anleitungen und Links.
http://sites.google.com/site/neulakinnas (oder www.en.neulakintaat.fi)
Auf dieser finnischen Nadelbindungsseite werden verschiedene Stiche mit anschaulichen Videos gezeigt. Allerdings wird jeweils nur die Daumenfesselungsmethode
erklärt. Wenn man sich das Video zum Oslo-Stich anschaut, kommt irgendwann (ca.
nach 8 Minuten) auch die Erklärung des Rundenbeginns (Rosette). Und der ist bei
beiden Methoden gleich, also auch für die Freihandmethode zu empfehlen!
Für weitere Fragen stehe ich gerne zur Verfügung:
Bettina Duttweiler, Zürcherstrasse 172, 8500 Frauenfeld,
bettina.duttweiler@bluewin.ch
Viel Spass beim Nadeln!
Elisabeth, im meiemânôt 2013
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