Hoch hinaus - Expatmambo
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Reisen New South Wales New South Wales Reisen Hoch hinaus – die Snowy Mountains entdecken! Bergstation des Snowgum Chairlifts im Winter In den Snowy Mountains liegt das bekannteste Wintersportgebiet Australiens und auch sein höchster Berg, der Mount Kosciuszko. Die Snowies sind Teil der Australischen Alpen und damit der Great Dividing Range, der Wasserscheide im Osten des Kontinents. Mit dem Snowy Mountains Scheme wurde dort das umfangreichste Ingenieurprojekt Australiens verwirklicht. A m zweiten Montag im Juni wird in Australien der Geburtstag der Queen gefeiert – und in den Snowy Mountains beginnt offiziell die Skisaison. Wintersport ist nicht gerade das, was man als Erstes mit Australien verbindet. Doch tatsächlich hat Skifahren in dieser Gegend von New South Wales Tradition. Einige der Ersten, die auf Skiern über die weißen Flächen zogen, waren Goldgräber. Sie suchten dort ihr schnelles Glück in dem kurzen Goldrausch zwischen 1860 und1872. Das bekannteste Wintersportgebiet Australiens Der moderne Wintersport begann 1958 mit der Eröffnung des ersten Sessellifts in Thredbo und der Thredboo Ski School zwei Jahre später. Heute ist Thredbo neben Perisher eines der bekannten Wintersportzentren der Nation. Rund eine Million Besucher kommen jeden Winter. Einer von ihnen ist der derzeitige deutsche Botschafter in Australien. Gebürtig aus Bayern, fährt Dr. Christoph Müller auch gerne einmal in den australischen Alpen Ski. „Skifahren in Australien ist etwas Außergewöhnliches. Eukalyptusbäume, manchmal auch Papageien im Schnee, das gibt es sonst nirgends. Natürlich sind die Abfahrten aus sportlicher Sicht nicht mit denen in den deutschen Alpen vergleichbar“, erläutert der passionierte Skifahrer und frühere Gebirgsjäger. „In Thredbo fährt man bestenfalls 600 Meter hinab, in Deutschland können es bis zu 2000 Meter sein.“ Aber ihn reizt die einzigartige Landschaft, das besondere Wintererlebnis. Bei schönem Wetter nimmt er sich gerne einen Tag Urlaub, startet morgens um 6.00 Uhr in Canberra, ist drei Stunden später auf den Skiern und abends zurück. „Die Infrastruktur in Thredbo und Perisher ist sehr gut. Moderne Lifte, hervorragende Pistenpflege, ausreichend Parkplätze und 40 Auf dem Gipfel iuszko des Mount Kosc Winterspaß in Perisher unter der Woche kein Anstehen am Lift.“ Teurer als in Deutschland, so seine Erfahrung, ist es in beiden Orten. Die tatsächliche Saison ist kurz – Juli und August – und es muss mit Kunstschnee nachgeholfen werden. Das kostet. Von Sydney dauert die Anfahrt sechs Stunden, ebenso weit ist es von Melbourne. Gäste aus dem Süden sind allerdings seltener, denn Victoria hat mit „Falls Creek“ sein eigenes Skigebiet. Snowgum Auch im Sommer einen Besuch wert „Im Winter ist Hauptsaison“, bestätigt Jenny, Mitarbeiterin in der Talstation der Sessellifte Kosciuszko Express und Snowgums Chairlift in Thredbo. „Aber wir haben an 365 Tagen geöffnet. Sie könnten rund ums Jahr hochfahren.“ Die Snowy Mountains sind auch im Sommer einen Besuch wert. Wer einmal auf dem Mount Kosciuszko stehen möchte, dem mit 2228 Metern höchsten Berg auf dem australischen Festland, der nimmt am besten einen der beiden Lifte in Thredbo und wandert auf der Höhe die sechseinhalb Kilometer zum Gipfel (Kosciuszko Walk) Er wird mit herrlichen Rundblicken belohnt. Oder er startet von der anderen Seite, im Tal von Perisher, am Charlotte Pass, und besteigt den Berg über den Summit Walk (neun Kilometer, eine Richtung). Weshalb der höchste Berg Australiens einen so schwer auszusprechenden Namen hat? Der erste Europäer, der seine Höhen 03 | 2016 © 360° Australien – über 20 0 Jahre al t erklomm, war 1840 der Pole Paul Edmund de Strzelecki. Er nannte den Berg nach seinem Landsmann, dem polnischen Freiheitskämpfer und Nationalhelden Tadeusz Kosciuszko. Wunderschön ist auch der Weg den Thredbo River hinauf. Vom Dead Horse Gap bei Thredbo führt er durch ein herrliches Tal zur Bob´s Ridge und weiter zur Cascades Hut. Die Blicke zurück auf die hohen Gipfel des Bergmassivs sind wunderschön. Wer Glück hat, sieht Brumbies, australische wilde Pferde. Sie stammen von den ersten Pferden ab, die Europäer nach Australien brachten. Mein Mann und ich haben sie auf der Höhe an den Hängen des Mount Kosciuszko erspäht. © 360° Australien 03 | 2016 Thredbo River 41 Reisen New South Wales New South Wales Reisen Snowy Mountain Scheme Blick vom Charlotte Pass zum Mount Kosciuszko und den Snowy River Die Great Dividing Range ist die große Wasserscheide im Osten Australiens. Sie zieht sich über 3700 Kilometer von Queensland über New South Wales nach Victoria. Ihren höchsten Teil bilden die Australischen Alpen, der Mount Kosciuszko ist wiederum deren höchste Erhebung. Ihr Scheitel trennt in dieser Region die Flüsse, die sich ostwärts in den Pazifischen Ozean und die Bass Strait ergießen, von denen, deren Wasser nach Westen und Süden in das MurrayDarling Basin abfließen. In diesem Agrargebiet, dem größten Australiens, wird ein Drittel der Nahrungsmittel des Landes produziert. Allerdings mangelt es dort oft an Wasser. Was also liegt näher, als dieses zur Bewässerung von dort herzuleiten, wo es genügend gibt? Von den Flüssen, deren üppige Wasser aus den Bergen gen Osten rauschen und sich dort „ungenutzt“ ins Meer ergießen? Überlegungen dieser Art äußerte bereits Strzelecki. Aber erst nach der große Dürre der Jahre 1881 bis 1884, die 24 Millionen Schafe und etliche Weizenernten vernichtete, wurde ernsthaft über Bewässerungsmöglichkeiten nachgedacht. Brumbie Queensland 360° Info • Snowy Mountains: www.snowymountains.com.au • Kosciuszko National Park: www.nationalparks.nsw.gov.au/ visit-a-park/parks/Kosciuszko-National-Park/Visitor-Info • Energiegewinnung Snowy Mountains Scheme: www.snowyhydro.com.au/discover • Lieder der Settlers: www.songsofthesnowy.com.au • Australischer Kinderbuchklassiker aus den Snowy Mountains: „The Silver Brumbie“, Elyne Mitchell,1958 • TV Zeichentrickserie ab 1994: „Der silberne Hengst – New South Wales König der Wildpferde“ Victoria Murray-Darling Basin Murrumbidgee River Thredbo Mount Kosciuszko im Kosciuszko National Park Jindabyne Perisher Valley Snowy River Bass Strait Tasmania 42 Geehi Rest Area Die Schutzhütten im Hochland der Snowy Mountains – 120 sind noch erhalten – wurden einst von Viehzüchtern, Goldsuchern, Fischern und Skifahrern angelegt. Europäer siedelten in den Australischen Alpen ab 1830, im Sommer wurde bis in die hochgelegenen Regionen Weidewirtschaft betrieben. Der Dichter Andrew Barton (Banjo) Peterson, Autor des berühmten Liedes „Waltzing Mathilda“, hat 1890 in seinem Gedicht „The Man From Snowy River“ diese Zeit festgehalten. Am 17. Oktober 1949 begann offiziell der Bau des Snowy Mountains Scheme, des größten Ingenieurprojekts Australiens. Es nutzt die Wasser der drei großen Flüsse des Bergmassivs: Murray und Murrumbidgee, die nach Westen fließen, werden in den hohen Bergregionen gestaut und bei Bedarf zur Bewässerung abgelassen. Ein Großteil vom Regen- und Schmelzwasser des Snowy River und seiner Zuflüsse, das andernfalls nach Osten abfließen würde, wird aufgefangen und durch unterirdische Tunnel in die Flüsse Murray und Murrumbidgee umgeleitet. Die Kräfte dieser immensen Wassermassen werden auch zur Stromerzeugung genutzt. Das Projekt brauchte 25 Jahre bis zu seiner Vollendung. Es wurde innerhalb der geplanten Zeit verwirklicht und kostete 820 Millionen australische Dollar! 1974, am Ende der Bauzeit, waren sieben Kraftwerke (zwei davon unterirdisch), drei Stauseen (deren Kapazität beträgt annähernd das zwölffache Volumen des Hafens von Sydney), 16 Dämme, 145 Kilometer Tunnel (durch Granit getrieben) und 80 Kilometer Wasserleitungen entstanden. Außerdem 1600 Kilometer Straßen und Wege sowie 49 Lager und Siedlungen. Dieses gigantische Projekt hat die Region verändert. Nicht nur den Lauf des Wassers oder die Ortschaften Jindabyne und Adaminaby, die geflutet und anderweitig neu aufgebaut wurden. Es wurde auch der Grundstein für die Erschließung der australischen Alpen gelegt. Wo man früher nur mit Pferden oder auf Skiern vorwärtskam, das High Country Viehhirten, Fischern und Abenteurern vorbehalten war, gibt es heute Straßen und Lodges, Wanderwege, Lifte und Pisten. Die Menschen hinter dem Snowy Mountains Scheme 100.000 Frauen und Männer aus mehr als 30 Nationen halfen, das Projekt zu verwirklichen. Planer, Ingenieure, Bergleute, Holzfäller, Handwerker, vor allem aus dem Nachkriegseuropa, waren ebenso gefragt wie ungelernte Arbeiter. Viele kamen mit Familien, es entstanden neue Camps, Siedlungen, Schulen, Krankenhäuser. All diese Menschen veränderten die australische Gesellschaft. Viele ließen sich später endgültig in Australien nieder, wie Christel und Herbert Schuster. Sie leben in Goulburn, einer kleinen Stadt zwischen Canberra und Sydney. Dort haben sie ein sehr erfolgreiches Bauunternehmen. Als ich sie an einem Sonntagnachmittag besuche, gibt es Kaffee und selbstgebackenen Kuchen. Das ist für Christel Ehrensache, auch nach 41 Jahren in Australien. - Anzeige - Wie australisch kann eine Reiseführer sein? Nicht missen sollte man auch die Fahrt auf dem Alpine Way von Thredbo nach Khancoban. Es ist eine herrliche Tour durch den südlichen Teil des Kosciuszko National Park. Sie dauert knapp zwei Stunden und ist nur im Sommer möglich, da die Straße im Winter geschlossen ist. Diese überquert auf der Höhe von 1580 Metern am Dead Horse Gap die Great Dividing Range, schlängelt sich anschließend hinab in das Tal des Murray River und zur Grenze des Staates Victoria. Lauschige Picknickplätze an kleinen Zuflüssen laden zum Verweilen ein. Später kreuzt die Straße bei Geehi den Swampy Plains River und führt wieder hinauf. Es bieten sich immer wieder Ausblicke von Westen auf die Berge. 03 | 2016 © 360° Australien Kraftwerk Murray 1 am Alpine Way Finden Sie es heraus www.australienweit.de © 360° Australien 03 | 2016 43 Reisen New South Wales New South Wales Reisen Das neue Jindabyne Herbert und Christel Schuster Mit 22 Jahren hatte Herbert 1961 Deutschland den Rücken gekehrt. Nach drei Monaten in Bonegilla, einem Sammellager für Migranten, wurde ein Fahrer für große Baumaschinen gesucht. Herbert war gelernter Maurer und hatte im Tiefbau gearbeitet. Er bekam den Job, baute Straßen und Wasserleitungen, schon bevor er 1962 beim Snowy Mountain Scheme begann. Aufgrund seiner Erfahrungen bekam er dort schnell eine leitende Stelle. Er wohnte in einem Camp in der Nähe von Jindabyne. „Wir waren in Holzhäusern untergebracht. Es lebten nur Männer dort. Wir haben sehr hart gearbeitet. Das war kein normales Leben, kein Alltag mit sozialen Strukturen, wie ihn Gleichaltrige anderswo hatten. Aus dieser Sicht waren es verlorene Jahre. Aber ich habe sehr gut verdient. Verheiratete oder solche mit Familien waren in Jindabyne oder Cooma untergebracht. Cooma war auch der 44 Ort, wohin wir manchmal ausgingen. Ich kannte aber auch noch den Pub im alten Jindabyne. Es ist schon unglaublich, was dort in den Snowies damals geschaffen wurde!“ 1974 heiratete er Christel in Deutschland und kam mit ihr nach Australien zurück. Auch für die einheimische, ursprünglich sehr ländliche Bevölkerung der Region war mit dem Scheme der normale Alltag plötzlich vorbei. Penny Sharp ist Mitte der 1960erJahre in Tumut zur Schule gegangen. „Mein Ururgroßvater ließ sich 1836 dort im Westen der Snowy Mountains nieder. Noch zu Beginn der 1950er war der Ort ein bäuerliches, sehr, sehr konservatives Gemeinwesen mit Schaf-und Rinderzucht. Das änderte sich schlagartig mit der Ankunft der Migranten. Wir hatten plötzlich fünf neue Schüler in 03 | 2016 © 360° Australien unserer Klasse, jeder aus einem andern Land. Sie sprachen anders, dachten anders, lebten anders. Und das war nur der Anfang. Etliche temporäre Camps und Siedlungen wurden für die Mitarbeiter und deren Familien errichtet. Es war nicht immer einfach, aber aufregend und eine ganz besondere Zeit für mich.“ Sehr am Herzen liegen ihr deshalb die Lieder, die damals entstanden sind. „Es sind Folksongs, komponiert und getextet von drei jungen Leuten, die selbst im Scheme gearbeitet haben!“ Sie drückt mir die CD in die Hand: „Hör sie dir am besten selbst einmal an!“ Das habe ich getan – sie haben mich sehr berührt: Die Lieder der „Settlers“ handeln vom Leben in den Camps, von der Arbeit bei eisiger Kälte oder stickiger Hitze, von Tanzabenden in Thredbo, dem Tod eines Kameraden unter Tage, dem Fluten des Dorfes Jindabyne und der Schönheit der verschneiten Berge. Sie © 360° Australien 03 | 2016 bewahren einen Teil der Geschichte der Region und damit der Geschichte Australiens. Die Snowy Mountains sind ein unerwartetes Stück Australien. 360° Autorin: Susanne Reichhardt Susanne Reichhardt lebt und arbeitet zurzeit in Canberra. Australien ist nach Honduras, Schweden und Brasilien ihre vierte Heimat auf Zeit. In Berlin war die Juristin in der Familien- und Partnerorganisation im Auswärtigen Amt tätig, davon vier Jahre als Vorstand. 2009 absolvierte sie einen Studiengang an der Freien Journalistenschule. Ihr Fachratgeber „Gemeinsam ins Ausland und zurück“, den sie zusammen mit der DiplomPsychologin Anke Weidling verfasste, erschien 2014 im Verlag Klett Cotta. 45