Personalbemessung in der stationären Pflege
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Personalbemessung in der stationären Pflege
Personalbemessung in der stationären Pflege Rechtliche Rahmenbedingungen Gesundheit, Soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Gesundheit, Soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Personalbemessung in der stationären Pflege Rechtliche Rahmenbedingungen Rechtliche Rahmenbedingungen 1 Impressum Herausgeber: ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Ressort 9, V.i.S.d.P.: Ellen Paschke, Paula-Thiede-Ufer 10, 10179 Berlin Bearbeitung: Christa Hecht Bildnachweise: Seite 9, 21: Renate Stiebitz Seite 18: Kay Herschelmann Seite 23: Franziska Becker Seite 27: ver.di Gesamtherstellung: VH-7 Medienküche GmbH, 70372 Stuttgart W-2886-02-0709 2 Rechtliche Rahmenbedingungen Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Vorwort ......................................................................................................................... 5 Rechtliche Situation, Pflegeversicherungsgesetz ........................................................................... 6 Die Verträge regeln unter anderem ........................................................................................................... 8 Teil der Verträge ist ................................................................................................................................... 8 Vertragsparteien sind ................................................................................................................................ 8 Heimgesetzgebung ........................................................................................................... 10 Heimpersonalverordnung .................................................................................................... 10 Neues Bundesrecht: Verbraucherschutz im Heim und der ambulanten Pflege ........................................ 10 Regelungen zur Personalbemessung ....................................................................................... 11 Die Heimpersonalverordnung regelt Mindestanforderungen an das Personal in Pflegeheimen ..................... 18 Anforderungen an ein Personalbemessungsverfahren ................................................................... 19 Neue Definition Pflegebedürftigkeit ........................................................................................ 19 Was können Beschäftigte und Betriebsräte/Personalräte/Mitarbeitervertretungen tun? ............................. 20 Was kann die betriebliche Interessenvertretung tun? .................................................................... 21 Weitere Handlungsmöglichkeiten ........................................................................................... 23 Zusammenfassung ............................................................................................................ 27 Rechtliche Rahmenbedingungen 3 4 Rechtliche Rahmenbedingungen Vor wor t Vorwort In einer 2006 von der ver.di-Bundesverwaltung durchgeführten Fachtagung »Personalbemessung in der stationären Pflege« kam schon deutlich zutage, dass in sehr vielen Heimen zu wenig Personal eingesetzt wird und auch in sehr vielen Heimen Fachkräfte fehlen. Das ist in erster Linie ein gesellschaftliches und politisches Problem und es ist auch mit der Reform der Pflegeversicherung ab 1. Juli 2008 nicht gelöst. sam mit den Beschäftigten möglich. Deshalb will ver.di zusammen mit den Beschäftigten auf beiden Ebenen aktiv sein: Der Arbeit im Betrieb und den politischgesellschaftlichen Weg einschlagen, um die Öffentlichkeit für dieses Problem zu sensibilisieren. Wir wollen bessere Arbeitsbedingungen erkämpfen – damit der Stress weniger wird und damit auch die Bewohnerinnen und Bewohner besser gepflegt werden können. Seit der Föderalismusreform 2006 sind die Bundesländer im Heimrecht stärker in der Verantwortung. Doch führt das derzeit zu sehr viel Verwirrung und zu unterschiedlichen Entwicklungen. Denn die Bundesländer und die Landesparlamente sind unterschiedlich schnell in der Erarbeitung, Verabschiedung und Umsetzung der sich aus den neuen Kompetenzen ergebenden Gesetze. Eine Verbesserung der Situation der Beschäftigten in der Altenpflege hat sich dadurch nach der Einschätzung von ver.di bisher nicht ergeben. In dieser Broschüre werden zunächst die rechtlichen Rahmenbedingungen erläutert. Dies wird dann ergänzt durch die Regelungen in den Bundesländern. Mit der Erörterung der Handlungsmöglichkeiten der betrieblichen Interessenvertretung werden die Informationen abgerundet. Allen aktiven Beschäftigten soll damit eine Hilfe bei der Interessenvertretung an die Hand gegeben werden. Gute Pflege erfordert eine Personalbemessung, die dem tatsächlichen Pflegebedarf in der geforderten Qualität und in der benötigten Zeit entspricht. ver.di hat sich zum Ziel gesetzt, die ver.di-Mitglieder und die Beschäftigten in den Altenpflegeheimen bei der Verbesserung der Personalsituation und der Rahmenbedingungen zu unterstützen. Das ist nur gemein- Rechtliche Rahmenbedingungen Eure Gabriele Feld-Fritz 5 Pflegeversicherungsgesetz Rechtliche Situation, Pflegeversicherungsgesetz Zur Verdeutlichung der Situation wird bei der gesetzlichen Grundlage und den wesentlichen rechtlichen Grundsätzen begonnen. Vieles ist darin festgelegt, doch wenig in Bezug auf die Personalbemessung. Das Pflegeversicherungsgesetz (eingeführt 1. 4. 1995) oder besser Sozialgesetzbuch XI (SGB) regelt die Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit. Im § 2 ist ausdrücklich als Ziel bei Pflegebedürftigkeit ein selbstständiges und selbstbestimmtes Leben und die freie Wahl der Einrichtungen und Dienste festgelegt. Weiterhin ist darin geregelt, dass die sich für die Pflege erforderlichen Dienst-, Sach- und Geldleistungen nach der Schwere der Pflegebedürf- tigkeit zu richten haben. Die Pflegebedürftigen haben außerdem nun nach der Gesetzesreform ab 1. 7. 2008 schon ab Antragstellung einen umfassenden Anspruch auf Aufklärung und Beratung über die möglichen Pflegeleistungen und auf eine Vergleichsliste der Einrichtungen, die Pflege anbieten. Das Pflegeversicherungsgesetz regelt außerdem, dass die Sicherstellung einer ausreichenden Pflegversorgung eine gemeinsame Verantwortung der Länder, Kommunen, Pflegeeinrichtungen und Pflegekassen unter Beteiligung des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) ist. Also keiner kann sich nach dem Gesetz einfach zurückziehen und auf die anderen verweisen. Beteiligte Aufgabe Länder (§ 10 SGB XI) Verantwortung für die Vorhaltung einer leistungsfähigen, zahlenmäßig ausreichenden und wirtschaftlichen pflegerischen Versorgungsstruktur. Näheres durch Landesrecht bestimmt, ➞ neue Heimgesetze. Kommunen als Sozialhilfeträger § 75 SGB XII Der Sozialhilfeträger soll Einrichtungen nicht neu schaffen soweit geeignete Einrichtungen anderer Träger vorhanden sind, ausgebaut oder geschaffen werden können. Pflegeeinrichtungen § 11 SGB XI Rechte und Pflichten der Pflegeeinrichtungen sind, eine Pflege nach allgemein anerkanntem Stand der medizinisch-pflegerischen Erkenntnisse und eine humane und aktivierende Pflege unter Beachtung der Menschenwürde. Dabei ist die Vielfalt, Unabhängigkeit und Selbstständigkeit der Träger zu beachten. Pflegekassen § 12 und 69 SGB XI Sicherstellung der pflegerischen Versorgung. Zusätzliche Förderung durch Pflegestützpunkte und örtliche und regionale Arbeitsgemeinschaften. Und Sicherstellung des störungsfreien und nahtlosen Übergangs der verschiedenen Leistungen. Dabei sollen sie beachten, dass die Leistungsausgaben nicht die Beitragseinnahmen aus der Pflegeversicherung übersteigen (Grundsatz der Beitragssatzstabilität). Tab. 1 6 Rechtliche Rahmenbedingungen Pflegeversicherungsgesetz Grundlage für die Arbeit in Altenpflegeheimen ist auch die Definition des Begriffs der Pflegebedürftigkeit und die Leistungsansprüche. Pflegestufe Hilfebedarf bei der Körperpflege, der Ernährung und der Mobilität (Grundpflege) Hilfebedarf bei der hauswirtschaftlichen Versorgung Zeitaufwand Pflegestufe I (erheblich pflegebedürftig) bei wenigstens 2 Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens 1 x täglich mehrfach in der Woche mindestens 90 Minuten, davon müssen mehr als 45 Minuten auf die Grundpflege entfallen Pflegestufe II (schwer pflegebedürftig) mindestens 3 x täglich zu verschiedenen Tageszeiten mehrfach in der Woche mindestens 3 Stunden, davon müssen mindestens 2 Stunden auf die Grundpflege entfallen Pflegestufe III (schwerstpflegebedürftig) täglich rund um die Uhr auch nachts mehrfach in der Woche mindestens 5 Stunden, davon müssen mindestens 4 Stunden auf die Grundpflege entfallen Tab. 2 Auf die Leistungsansprüche wird in anderen Kapiteln eingegangen soweit es für die Personalbemessung wichtig ist. Hier sei schon angemerkt, dass nach dem SGB XI die Leistungen wirksam und wirtschaftlich sein müssen. Die Leistungshöhe wird erstmals ab 2014 alle drei Jahre überprüft. Eine danach mögliche Anpassung orientiert sich an der kumulierten Preisentwicklung des jeweils letzten Drei-Jahres-Zeitraums, darf allerdings nicht höher ausfallen als die Bruttolohnentwicklung im gleichen Zeitraum. Die Pflegekassen schließen zur Erfüllung Ihrer Aufgaben Versorgungsverträge und Vergütungsvereinbarungen mit Trägern der Pflegeeinrichtungen und sonstigen Leistungserbringern ab. Für Altenpflegeheime ist im § 71 des SGB XI eine Definition enthalten. Demnach sind stationäre Pflegeeinrichtungen selbstständig wirtschaftende Einrichtungen, in denen Pflegebedürftige unter ständiger Verantwortung einer ausgebildeten Pflegekraft ganztägig (vollstationär) oder nur tagsüber oder nachts (teilstationär) untergebracht und verpflegt werden können. Die Ein- Rechtliche Rahmenbedingungen richtungen müssen die Gewähr für eine leistungsfähige und wirtschaftliche Versorgung und eine ortsübliche Arbeitsvergütung für Beschäftigte bieten. Sie haben eine Verpflichtung, Qualitätsmanagement nach § 113 einzuführen und weiterzuentwickeln. Zusätzlich sind sie verpflichtet, die Expertenstandards nach § 113a einzuhalten. Nach § 72 SGB XI dürfen nur Einrichtungen zur Pflege zugelassen werden, mit denen ein Versorgungsvertrag besteht. Er wird abgeschlossen vom Träger der Pflegeeinrichtung mit den Landesverbänden der Pflegekassen im Einvernehmen mit den überörtlichen Sozialhilfeträgern. Sobald ein Versorgungsvertrag vereinbart wurde, hat das Altenheim auch Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Konkreter geregelt ist das dann im § 82 SGB XI wonach zugelassene Pflegeheime und Pflegedienste eine leistungsgerechte Vergütung für die allgemeinen Pflegeleistungen (Pflegevergütung) erhalten und für die stationäre Pflege ein angemessenes Entgelt für Unterkunft und Verpflegung. Und im § 84 SGB XI ist noch ergänzend festgelegt, dass der Träger eines Altenheimes verpflichtet ist, mit der 7 Pflegeversicherungsgesetz vereinbarten personellen Ausstattung die Versorgung der Pflegebedürftigen jederzeit sicherzustellen, auch bei Personalengpässen und -ausfällen. Auf Verlangen des Kostenträgers hat er in einem Personalabgleich die vereinbarte Personalausstattung nachzuweisen. Überschüsse, die das Pflegeheim erwirtschaftet, verbleiben beim Pflegeheim, Verluste sind vom Heim zu tragen. Damit eine wirksame und wirtschaftliche pflegerische Versorgung sichergestellt werden kann, schließen die Landesverbände der Pflegekassen unter Beteiligung des MDK und den Verbänden der Privaten Krankenversicherungen mit Vereinigungen der Träger der ambulanten oder stationären Pflegeeinrichtungen gemeinsam einheitliche Rahmenverträge ab. Die Verträge regeln unter anderem: ■ Inhalt der Pflegeleistungen. ■ Allgemeine Bedingungen der Pflege, Kostenübernahme, Abrechnung der Entgelte. ■ Maßstäbe und Grundsätze für wirtschaftliche und leistungsbezogene personelle und sächliche Ausstattung der Einrichtungen. ■ Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Pflege. ■ Zugang des MDK und sonstiger Prüfer. Teil der Verträge ist: I. landesweite Verfahren zur Ermittlung des Pflegebedarfs oder zur Bemessung der Pflegezeiten oder II. landesweite Personalrichtwerte als Bandbreiten 1. Verhältnis Heimbewohner/Pflege- und Betreuungskräfte unterteilt nach Pflegestufen (Personalanhaltszahlen) und 2. für Pflege zusätzlich Anteil der ausgebildeten Fachkräfte am Pflege- und Betreuungspersonal. 8 Die Landesverbände der Pflegekassen können die Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit der ambulanten, teilstationären und vollstationären Pflegeleistungen bei tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Nichterfüllung der Anforderungen nach § 79 SGB XI durch Sachverständige prüfen lassen. Die angemessene Vergütung des Altenheims wird über die Vereinbarung eines Pflegesatzes erreicht. In der Pflegesatzvereinbarung nach § 85 SGB XI sind die wesentlichen Leistungs- und Qualitätsmerkmale der Einrichtung festzulegen. Vertragsparteien sind: ■ Träger des einzelnen zugelassenen Pflegeheims. ■ Pflegekassen und sonstige Sozialversicherungsträger. ■ Sozialhilfeträger oder ■ Arbeitsgemeinschaften der Kostenträger. Die Pflegesatzvereinbarung kommt durch Einigung zwischen dem Träger des Pflegeheims und der Mehrheit der Kostenträger zustande. Sie wird schriftlich festgelegt. Kommt eine Vereinbarung nicht innerhalb von sechs Wochen zustande, setzt eine Schiedsstelle auf Antrag einer Vertragspartei die Pflegesätze unverzüglich fest. Gegen die Festsetzung kann vor dem Sozialgericht geklagt werden. Hierzu gibt es ein wichtiges Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 29. Januar 2009. Darin hat das BSG für das Verfahren in der Schiedsstelle zwei Stufen für die Festlegung der Pflegesätze vorgegeben: 1. Plausibilitätsprüfung der vom Heimträger prognostisch geltend gemachten Kostenansätze. 2. Überprüfung der Wirtschaftlichkeit über externen Vergleich mit den Pflegesätzen vergleichbarer Pflegeheime der Region. Rechtliche Rahmenbedingungen Pflegeversicherungsgesetz Liegt der Pflegesatz im unteren Drittel der Vergleichseinrichtungen, ist Wirtschaftlichkeit gegeben. Tarifbindung ist dabei immer wirtschaftlich angemessen. Für die Abrechnung der Pflegeleistung mit den Pflegebedürftigen bzw. Heimbewohner/-innen regelt § 87a SGB XI das Heimentgelt. Dabei enthält das Gesamtheimentgelt den Pflegesatz, Entgelt für Unterkunft und Kost und evt. gesonderte Investitionskosten. Weiterhin können nach § 88 SGB XI Zusatzleistungen vereinbart werden. Der Pflegesatz wird meist von den Pflegekassen direkt an das Altenheim gezahlt. Die anderen Bestandteile des Heimentgelts haben die Bewohner/innen selbst zu zahlen, bei Bedürftigkeit springt der Sozialhilfeträger ein. Durch § 92a SGB XI sollte mit einer Ermächtigung der Bundesregierung für eine Rechtsverordnung zu einem länderbezogenen Pflegeheimvergleich hinsichtlich Wirtschaftlichkeit, Qualität, der Bemessung der Vergütungen und Entgelte und zur Erstellung der Leistungs- und Preisvergleichslisten Transparenz über die Pflegeleis- Rechtliche Rahmenbedingungen tungen in Deutschland geschaffen werden. Eine solche Rechtsverordnung gibt es jedoch bis heute nicht. Aus den Berichten der Bundesregierung über die Entwicklung der Pflegeversicherung (zum Beispiel letzter und vierter Bericht vom 17. 1. 2008 Bundestagsdrucksache Nr. 16/7778) lassen sich allerdings etliche Informationen herausholen. Und ab 2009 wird die Qualität der Altenheime nach einer Vereinbarung der Spitzenorga- nisationen in der Pflege nach fünf Themenbereichen geprüft und mit Noten von sehr gut bis mangelhaft (1 – 5) bewertet. Die Ergebnisse werden im Internet veröffentlicht. Dazu hat der MDK einen Prüfkatalog mit 82 Kriterien erarbeitet. Zur Qualitätssicherung der Pflegeleistungen sind seit der Reform des Pflegeversicherungsgesetzes in den §§ 112 bis 115 SGB XI Regelungen zur Qualitätsverantwortung der Träger der Pflegeeinrichtung sowie Maßstäbe und Grundsätze über Vereinbarungen aller Beteiligten, Qualitätsprüfungen und eine Schiedsstelle Qualitätssicherung festgelegt. 9 Heimgesetzgebung Heimgesetzgebung Heimpersonalverordnung Das Heimgesetz (ursprüngliches Gesetz vom 7. 8. 1974) enthält Regelungen zum Schutz von Heimbewohnern. Vom Gesetz erfasst sind Heime, die wegen Alter oder Behinderung pflegebedürftige Menschen stationär betreuen. Es enthält Regelungen zum Inhalt von Heimverträgen, z. B. zur Schriftform und zu Kündigungsfristen. Das Heimgesetz und die ergänzenden Rechtsverordnungen (Heimpersonalverordnung, Heimmindestbauverordnung, Heimmitwirkungsverordnung) regeln weiterhin bestimmte Mindeststandards für die Ausstattung der Heime mit Personal und bauliche Normen. Die Heimaufsicht hat diese zu kontrollieren und Missstände zu beseitigen. Dies kann bis zu einer Heimschließung für als ungeeignet erkannte Heime bzw. zu Beschäftigungsverboten von Heimmitarbeitern führen. Die Heimaufsicht ist in den einzelnen Bundesländern bei verschiedenen Behörden angesiedelt, zum Teil bei Landkreisen oder kreisfreien Städten (z. B. in NRW), zum Teil bei Versorgungsämtern oder Landesämtern für Soziales und Familie oder Ähnliches. Ergänzend zum Heimgesetz wurden vier Verordnungen zum Schutz der (künftigen) Heimbewohner/-innen erlassen. Eine davon ist die Heimpersonalverordnung. Mit der Föderalismusreform 2006 wurde die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes im Heimrecht trotz vieler Proteste auf die Bundesländer übertragen. Das Bundes-Heimrecht und die Rechtsverordnungen gelten solange auch in einzelnen Bundesländern weiter bis ein neues Länder-Heimrecht verabschiedet wird und soweit es nicht durch das neue Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz abgelöst wird. Der jeweils aktuelle Stand der Heimgesetzgebung in den Bundesländern kann bei ver.di unter http://gesundheitspolitik.verdi.de/ pflege/heimrecht abgerufen werden. Die Heimpersonalverordnung (HeimPersV) gilt seit dem 1. Oktober 1993 und regelt in Bezug auf Personal im Wesentlichen: ■ Die Eignungsvoraussetzungen von Heimleiter/ -innen und Pflegedienstleitungen, ■ das Zahlenverhältnis von Fach- zu Hilfskräften und ■ die Verpflichtung für Heimträger, ihren Mitarbeitern Fort- und Weiterbildung zu ermöglichen. Neues Bundesrecht: Verbraucherschutz im Heim und der ambulanten Pflege Für die zivilrechtlichen Vertragsfragen von Verträgen zwischen Alten- und Pflegeheimen und den Bewohner/-innen ist erst kürzlich das Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) vom Bundestag beschlossen worden. Der Bundesrat hat diesem Gesetz vor Kurzem zugestimmt, so dass es am 1. Oktober 2009 in Kraft tritt. Eine Übergangsvorschrift stellt sicher, dass die Neuregelung erst ab dem 1. Mai 2010 auf Verträge Anwendung findet, die nach dem bisherigen Heimgesetz abgeschlossen wurden, so dass die Verträge bis dahin an das neue Recht angeglichen werden können. Für weitere Altverträge wie Miet- und Dienstverträge im Bereich des Betreuten Wohnens gilt das Gesetz auch zukünftig nicht. Das Gesetz soll die Rechte älterer, pflegebedürftiger und behinderter Menschen stärken, wenn sie Verträge über die Überlassung von Wohnraum mit Pflege- oder Betreuungsleistungen abschließen. Die vertragsrechtlichen Vorschriften des Heimgesetzes werden mit diesem neuen Gesetz abgelöst und weiter entwickelt. 10 Rechtliche Rahmenbedingungen Personalbemessung Regelungen zur Personalbemessung Im Pflegeversicherungsgesetz – SGB XI – gibt es nur sehr wenige oder unbestimmte Festlegungen zum Personal in den Altenpflegeheimen. Wie schon oben ausgeführt soll die Pflege nach allgemein anerkanntem Stand der medizinisch-pflegerischen Erkenntnisse gestaltet und human und aktivierend sein. Es soll eine leistungsfähige und wirtschaftliche Versorgung, Qualitätsmanagement und die Einhaltung von Expertenstandards gewährleistet sein. Was darunter zu verstehen ist, ist im Gesetz jedoch nicht genauer geregelt. Solange der Versorgungsauftrag nicht konkretisiert und solange die Inhalte der Pflegeleistung nicht genau feststehen, können Arbeitsmenge, eingesetzte pflegerische Methoden, organisatorische Abläufe, räumliche Rahmenbedingungen, die die Personalbemessung beeinflussen, nicht bestimmt werden. Genauer ist im Sozialgesetzbuch nur im § 71 geregelt, dass eine stationäre Pflegeeinrichtung die ständige Verantwortung einer ausgebildeten Pflegekraft vorhalten muss. Als verantwortliche Pflegekraft wird anerkannt: ■ Gesundheits- und (Kinder-)Krankenpfleger/-in oder Altenpfleger/-in mit zwei Jahren praktischer Berufserfahrung im Ausbildungsberuf innerhalb der letzten fünf Jahre. Zusätzlich muss eine Weiterbildungsmaßnahme für leitende Funktionen mit einer Mindeststundenzahl, die 460 Stunden nicht unterschreiten soll, erfolgreich durchlaufen worden sein. Rechtliche Rahmenbedingungen Weiterhin ist im Absatz 3 des § 75 SGB XI geregelt, dass in Rahmenverträgen über die stationäre Pflege entweder ■ landesweite Verfahren zur Ermittlung des Pflegebedarfs oder zur Bemessung der Pflegezeiten oder ■ landesweite Personalrichtwerte vereinbart werden sollen. Die Personalrichtwerte können als Bandbreiten vereinbart werden und sollen bei teil- oder vollstationärer Pflege wenigstens 1. das Verhältnis zwischen der Zahl der Heimbewohner und der Zahl der Pflege- und Betreuungskräfte (in Vollzeitkräfte umgerechnet), unterteilt nach Pflegestufen (Personalanhaltszahlen), sowie 2. im Bereich der Pflege, der sozialen Betreuung und der medizinischen Behandlungspflege zusätzlich den Anteil der ausgebildeten Fachkräfte am Pflege- und Betreuungspersonal umfassen. Dabei ist jeweils der besondere Pflege- und Betreuungsbedarf Pflegebedürftiger mit geistigen Behinderungen, psychischen Erkrankungen, demenzbedingten Fähigkeitsstörungen und anderen Leiden des Nervensystems zu beachten. Bei der Vereinbarung der Verfahren sind auch in Deutschland erprobte und bewährte internationale Erfahrungen zu berücksichtigen. Damit ist in § 75 SGB XI die für die Personalbemessung wichtigste Regelung enthalten. Die Rahmenverträge in den Bundesländern in der Umsetzung dieser Bestimmung enthalten folgende Richtwerte: 11 Personalbemessung Bundesland Vertrag vom/in Kraft Personal-Richtwerte BadenWürttemberg Zuletzt ergänzt 12. 9. 2002 Verhältnis Beschäftigte zu Pflegebedürftige Pflegestufe I 1 : 3,96 bis 1 : 3,13 Pflegestufe II 1 : 2,83 bis 1 : 2,23 Pflegestufe III 1 : 2,08 bis 1 : 1,65 Bei schwer Demenzkranken Pflegestufe I 1 : 2,38 Pflegestufe II 1 : 1,70 Pflegestufe III 1 : 1,25 Beim Pflege- und Betreuungspersonal muss dabei eine Fachkraftquote von 50 % eingehalten werden. Der Anteil geringfügig Beschäftigter darf nicht mehr als 20 % betragen. Hauswirtschaft 1 : 5,9 Leitung und Verwaltung 1 : 30 Bayern 1. 10. 1998 Nur allgemeine Regelung nach SGB XI und HeimPersV. Geringfügig Beschäftigte Anteil bis 20 % möglich. Werte, die bei den Pflegesatzverhandlungen zugrunde gelegt werden: Verhältnis Beschäftigte zu Pflegebedürftige Pflegestufe 0 1 : 6,70 Pflegestufe I 1 : 3,00 Pflegestufe II 1 : 2,25 Pflegestufe III 1 : 1,90 Für Einrichtungen der Gerontoversorgung auch günstigere Personalrichtwerte möglich. Leitung und Verwaltung 1 : 30 Küche 1 : 18 Hausw./Wäsche 1 : 11,5 Hausmeister 1 : 80 Den Werten ist eine Arbeitszeit von 38,5 Stunden wöchentlich zugrunde gelegt. Berlin Zuletzt geändert 1. 4. 2005 Verhältnis Beschäftigte zu Pflegebedürftige Pflegestufe I 1 : 4,1 Pflegestufe II 1 : 2,5 Pflegestufe III 1 : 1,97 Verantwortliche Pflegekraft 1 : 100 Qualitätsmanagement-Beauftr. 1 : 200 Sozialarbeiter/-innen 1 : 200 Beim Pflege- und Betreuungspersonal muss dabei eine Fachkraftquote von 52 % eingehalten werden. Der Anteil geringfügig Beschäftigter darf nicht mehr als 5 % betragen. 12 Rechtliche Rahmenbedingungen Personalbemessung Bundesland Vertrag vom/in Kraft Personal-Richtwerte Brandenburg 1. 5. 1997 Nur allgemeine Regelung nach SGB XI und HeimPersV. Berechnungsgrundlage für Pflegesatzverhandlung, Beispiel 80-Betten-Haus: Verhältnis Beschäftigte zu Pflegebedürftige Pflegestufe I 1 : 4,28 Pflegestufe II 1 : 3,04 Pflegestufe III 1 : 2,08 Härtefälle 1 : 1,8 Bremen Rahmenvereinbarung aus den 90ern Personalrichtwerte für Pflegesatzverhandlungen, gestaffelt nach Größe der Einrichtung (21 Klassen mit Zugrundelegung einer Modellbelegungsstruktur). Verhältnis Beschäftigte zu Pflegebedürftige Pflegestufe 0 1 : 6,79 bis 6,28 Pflegestufe I 1 : 4,08 bis 3,77 Pflegestufe II 1 : 2,55 bis 2,35 Pflegestufe III 1 : 2,04 bis 1,88 Hamburg Zuletzt geändert 6. 12. 2003 Verhältnis Beschäftigte zu Pflegebedürftige Pflegestufe I 1 : 4,22 bis 1 : 4,06 Pflegestufe II 1 : 2,48 bis 1 : 2,39 Pflegestufe III 1 : 1,76 bis 1 : 1,69 Zusätzlich 1 Stelle Pflegedienstleitung pro Einrichtung. Beim Pflege- und Betreuungspersonal muss dabei eine Fachkraftquote von 50 % eingehalten werden. Der Anteil geringfügig Beschäftigter darf nicht mehr als 20 % betragen. Hessen Rahmenvertrag gemäß Beschluss der Schiedsstelle vom 14. 10. 2005 Verhältnis Beschäftigte zu Pflegebedürftige Grundlage der Berechnung ist ein Personalanhangswert von 1 : 3,40 bezogen auf die Pflegestufe I. Den übrigen Pflegestufen werden dazu Äquivalenzziffern zu diesem Wert zugeordnet. Pflegestufe 0 Äquivalenzziffer 0,70 Pflegestufe I Äquivalenzziffer 1,00 Pflegestufe II Äquivalenzziffer 1,40 Pflegestufe III Äquivalenzziffer 1,80 Durch einen aus der Belegung und den Äquivalenzziffern errechneten Wert ergibt sich ein Maximalwert für die Vollzeitstellen. Bis zu 10 % der Stellenanteile des Pflegepersonals können der Hauswirtschaft und bis zu 2 % der Leitung und Verwaltung zugeordnet werden. Hauswirtschaft Bei Pflegeheimen bis zu 40 Plätzen 1 : 5,3 Bei Pflegeheimen ab 41 Plätzen 1 : 5,9 Leitung/Verwaltung Bei Pflegeheimen bis zu 40 Plätzen 1 : 20,0 Bei Pflegeheimen ab 41 Plätzen 1 : 28,0 Rechtliche Rahmenbedingungen 13 Personalbemessung Bundesland Vertrag vom/in Kraft Personal-Richtwerte MecklenburgVorpommern Schiedsstelle Spruch 3. 5. 2006 Verhältnis Beschäftigte zu Pflegebedürftige Pflegestufe I 1 : 4,71 bis 1 : 4,07 Pflegestufe II 1 : 3,38 bis 1 : 2,64 Pflegestufe III 1 : 2,24 bis 1 : 1,83 Nachtwachen im Verhältnis 1 : 1,9 Vollzeitkräfte (VK) Pflegedienstleitung bis 40 Heimplätze 0,5 VK, ab 40 Plätze 1 : 80 VK. Dabei ist ein Anteil für Qualitätsmanagement enthalten. Beim Pflege- und Betreuungspersonal muss dabei eine Fachkraftquote von 50 % eingehalten werden. Der Anteil geringfügig Beschäftigter darf nicht mehr als 20 % betragen. Hauswirtschaft 1 : 7 Leitung und Verwaltung: bis 15 Plätze 0,5 VK bis 23 Plätze 0,75 VK bis 29 Plätze 1 VK ab 30 Plätze 1 : 30 Auszubildende, Praktikanten, Zivildienstleistende und Teilnehmer am FSJ sind außerhalb dieser Werte zu berücksichtigen. Niedersachsen 1. 1. 2009 Verhältnis Beschäftigte zu Pflegebedürftige Pflegestufe I 1 : 4,5 bis 1 : 3,65 Pflegestufe II 1 : 3,0 bis 1 : 2,43 Pflegestufe III 1 : 2,2 bis 1 : 1,82 Pflegestufe G 1 : 14,5 bis 1 : 12,16 Andere Werte für die Pflege von Bewohner/-innen mit dauerhaft eingeschränkter Alltagskompetenz. Zusätzlich 1 Stelle Pflegedienstleitung pro Einrichtung. Qualitätsmanagement 1 : 120 Beim Pflege- und Betreuungspersonal muss dabei eine Fachkraftquote von 50 % eingehalten werden. NordrheinWestfalen 1. 10. 1999 Nur allgemeine Regelung nach SGB XI und HeimPersV. Geringfügig Beschäftigte Anteil bis 20 % möglich. Ermittlungsbogen für Versorgungsvertrag enthält Orientierungswerte: Verhältnis Beschäftigte zu Pflegebedürftige Pflegestufe 0 1 : 8 Pflegestufe I 1 : 4 Pflegestufe II 1 : 2,5 Pflegestufe III 1 : 1,8 14 Rechtliche Rahmenbedingungen Personalbemessung Bundesland Vertrag vom/in Kraft Personal-Richtwerte Rheinland-Pfalz Zuletzt geändert 1. 1. 2007 Verhältnis Beschäftigte zu Pflegebedürftige Pflegestufe 0 1 : 8,6 Pflegestufe I 1 : 4,2 Pflegestufe II 1 : 2,8 Pflegestufe III 1 : 1,8 Verantwortliche Pflegekraft 1 : 50, soziale Betreuung 1 : 50 Für Pflegekonzepte zum Aufbau eines ehrenamtlichen Helfernetzes bis 50 Plätze 0,5 VK, über 50 Plätze 1 VK. Altenpflegeschüler/-innen Anrechnung auf VK 1 : 7. Beim Pflege- und Betreuungspersonal muss dabei eine Fachkraftquote von 50 % eingehalten werden. Der Anteil geringfügig Beschäftigter darf nicht mehr als 20 % betragen. Saarland Zuletzt geändert 1. 9. 2005 Verhältnis Beschäftigte zu Pflegebedürftige Pflegestufe I 1 : 3,92 Pflegestufe II 1 : 2,81 Pflegestufe III 1 : 2,07 Verantwortliche Pflegekraft gesondert berechnet. Bei den Pflegesätzen werden noch unterschiedliche Äquivalenzziffern für die Pflegestufen zugrunde gelegt. Für die Praxisanleitung für ersten Auszubildenden 0,2 je weitere 0,1. Qualitätsmanagementanteil gesondert. Heimleitung 1 : 60 Verwaltung 1 : 60 Küchenmeister/HWL 1 : 70 Küche/Speisesaal 1 : 19,25 Wäscherei 1 : 23,85 Raumpflege 1 : 23,85 Hausmeister 1 : 80 Sachsen 1. 10. 1997 Nur allgemeine Regelung nach SGB XI und HeimPersV. Keine Richtwerte. Personalbemessung der Pflegesatzverhandlung vorbehalten. Sachsen-Anhalt Zuletzt geändert 23. 4. 2004 Rechtliche Rahmenbedingungen Nur allgemeine Regelung nach SGB XI und HeimPersV, aber geringfügig Beschäftigte Anteil bis 30 % möglich. Formular für Versorgungsvertrag enthält Richtwerte: Verhältnis Beschäftigte zu Pflegebedürftige Pflegestufe I 1 : 4,5 bis 1 : 3,65 Pflegestufe II 1 : 3,0 bis 1 : 2,43 Pflegestufe III 1 : 2,2 bis 1 : 1,82 15 Personalbemessung Bundesland Vertrag vom/in Kraft Personal-Richtwerte SchleswigHolstein 1. 7. 1996 Nur allgemeine Regelung nach SGB XI und HeimPersV. Geringfügig Beschäftigte Anteil bis 20 % möglich. Grundlage für die Pflegesatzverhandlungen sind Personalrichtwerte: Verhältnis Beschäftigte zu Pflegebedürftige Pflegestufe 0 1 : 12 bis 1 : 9 Pflegestufe I 1 : 6 bis 1 : 4,05 Pflegestufe II 1 : 4 bis 1 : 3,05 Pflegestufe III 1 : 2,8 bis 1 : 2,28 Leitende Pflegekraft 1 : 100 Qualitätsmanagement 1 : 200 Nachtwachen für erste 20 Plätze 1 : 2,29 Nachtwachen für weitere Plätze 1 : 20 Leitung 1 : 55, maximal 1 Verwaltung 1 : 38 Hauswirts. Leitung 1 : 60, maximal 1 Koch/Köchin 1 : 60 Küche 1 : 18 Wäsche 1 : 40, Reinigung nach Quadratmetern Technischer Dienst 1 : 80 Für Praxisanleitung von Auszubildenden, Teilnehmern am FSJ, Zivildienstleistenden, Praktikanten ist zusätzliches Budget gesondert zu vereinbaren. Thüringen Zuletzt geändert 21. 10. 1998 Nur allgemeine Regelung nach SGB XI und HeimPersV. Keine Richtwerte. Personalbemessung der Pflegesatzverhandlung vorbehalten. Tab. 3 Aus dieser Aufstellung ist deutlich zu erkennen, dass die Bundesländer und die Pflegekassen dem Auftrag des Pflegeversicherungsgesetzes zur Festlegung von Standards für die Personalbemessung in der Altenpflege nur unzureichend nachgekommen sind. Zum Einen wurden Verfahren zur Ermittlung des Personalbedarfs oder zur Bemessung der Pflegezeiten zwar ansatzweise erprobt, dann aber doch wieder ad acta gelegt. Zum Anderen wird die Personalbemessung zum Teil der Verhandlung über einen Versorgungsvertrag und den Pflegesatz zwischen Altenpflegeheimbetreiber und Pflegekassen überlassen. Und weiterhin gibt es auch augenscheinlich große Unterschiede in den Personalrichtwerten. Da drängt sich doch die Frage auf, warum für die Pflege zum Beispiel in Baden-Württemberg und Berlin 16 unterschiedliche Personalstärken notwendig sind. Diese Entwicklung hat schon vor der Föderalismusreform und dem Übergang der Gesetzgebungskompetenz im Heimrecht auf die Länder begonnen. Es ist abzusehen, dass die Regelungen in der nächsten Zeit durch ein unterschiedliches Handeln der Bundesländer noch weiter auseinanderfallen werden. Dann wird es für die Beschäftigten in der Altenpflege und letztlich auch für die Altenheimbewohner/-innen darauf ankommen in welchem Bundesland sie arbeiten und gepflegt werden. Denn es wird ganz unterschiedliche Belastungen in der Arbeit und in der Qualität geben. Wie sich die unterschiedlichen Regelungen auswirken, lässt sich aus den nachfolgenden Beispielen sehr gut erkennen. Die hier offenen Punkte sind nicht geregelt und damit der Willkür der Heimbetreiber ausgesetzt: Rechtliche Rahmenbedingungen Personalbemessung Sachsen-Anhalt Bewohnerzahl 100 Baden-Württemberg Berlin Personal- Berechnung Personal- Berechnung Personal- Berechnung richtwerte richtwerte richtwerte Pflegestufe I 46 3,65 12,60 3,13 14,70 4,1 11,22 Pflegestufe II 40 2,43 16,46 2,23 17,94 1,5 26,67 Pflegestufe III 14 1,82 7,69 1,65 8,48 1,97 7,11 Zwischensumme 36,75 41,12 Hauswirtschaft 5,9 16,95 Leitung/Verwaltung 30 3,33 45,00 verantwortliche Pflegekraft 100 1 QM-B 200 0,5 Sozialarb. 200 0,5 Gesamt 100 36,76 61,40 46,49 Tab. 4 Im Pflegeversicherungsgesetz und in den Rahmenverträgen nach § 75 SGB XI wird zwar an vielen Stellen auf Qualitätsvereinbarungen und Qualitätsmanagement verwiesen. Doch auch diese Vereinbarungen geben für die Personalbemessung keine festen Anhaltspunkte, sondern beschreiben lediglich allgemein die Pflegeleistung oder nur den Ablauf von Qualitätsmanagement. Diese unbestimmte Situation führt dazu, dass den Pflegekräften immer mehr Arbeit aufgebürdet wird und sie sich oft wie eine Pflegemaschine vorkommen. Die Arbeitgeberseite versucht oft besonders an den Personalkosten zu sparen. So wird der Umgang mit den alten Menschen nach Minuten eingeteilt und es bleibt kaum mehr Zeit für persönliche Zuwendung zu den Pflegebedürftigen, und das obwohl die Pflegekräfte in vielen Fällen die einzigen Bezugspersonen sind. Viele Pflegekräfte empfinden es auch als Belastung, dass sie damit ihrem eigenen Anspruch an die Qualität ihrer Arbeit nicht mehr gerecht werden können. Rechtliche Rahmenbedingungen Deutlich wird die Problematik sehr gut auch an einem Vergleich der Berechnungsergebnisse nach den Personalrichtwerten und einer Berechnung mit den nur für die Pflege erforderlichen Zeiten, die der Pflegstufenzuordnung zugrunde liegen. Vergleicht man die für die Pflegestufen erforderlichen Pflegezeiten für die Anerkennung der Pflegebedürftigkeit mit den Personalrichtwerten, wird offensichtlich, dass es allein dabei eine große Lücke gibt und das Personal nicht ausreicht. Mit der Reform der Pflegeversicherung 2008 wurde für Pflegebedürftige mit erheblichem allgemeinen Betreuungsbedarf durch eine dauerhafte Einschränkung der Alltagskompetenz (Demenz) die Erstattung von Kosten für zusätzliche Betreuung (§§ 45a und 87b SGB XI) eingeführt. Weiterhin werden Mittel zur Finanzierung von Modellen neuer Versorgungsstrukturen und Betreuungsformen zur Verfügung gestellt. Damit sind erste Schritte getan zu etwas mehr Berücksichtigung individueller Bedarfe an Pflegeleistungen, doch reicht dies bei Weitem nicht aus. 17 Heimpersonalverordnung Die Heimpersonalverordnung regelt Mindestanforderungen an das Personal in Pflegeheimen „Mindestanforderung“ bedeutet damit auch, dass es Heimen erlaubt ist, bessere Personalqualifikationen von sich aus oder in Vereinbarungen mit Kostenträgern anzubieten. In § 5 HeimPersV wird die sogenannte Fachkraftquote geregelt, in der festgelegt ist, dass betreuende Tätigkeiten nur durch Fachkräfte oder unter angemessener Beteiligung von Fachkräften wahrgenommen werden dürfen. Hierbei muss mindestens eine, bei mehr als 20 nicht pflegebedürftigen Bewohnern oder mehr als vier pflegebedürftigen Bewohnern mindestens jeder zweite weitere Beschäftigte eine Fachkraft sein. In Heimen mit pflegebedürftigen Bewohnern muss auch bei Nachtwachen mindestens eine Fachkraft ständig anwesend sein. Die HeimPersV stellt auch klar, dass „Altenpflegehelferinnen und Altenpflegehelfer, Krankenpflegerhelferinnen und Krankenpflegehelfer sowie vergleichbare Hilfskräfte keine Fachkräfte im Sinne der Verordnung“ sind. Die Fachkraftquote in der Heimpersonalverordnung enthält keine Vorgaben über die erforderliche Anzahl von Pflegekräften. Sie legt nur fest wie sich das schon vorhandene Personal in der Fachlichkeit zusammensetzen muss. Damit sind diese Regelungen für die Personalbemessung nur zum Teil nützlich. Das Entscheidende für die Arbeitsbelastung von Pflegekräften ist doch wie viel Arbeit zu tun ist bzw. wie viele Pflegebedürftige in einer bestimmten Zeit zu pflegen sind und was als Standard für die Pflege festgelegt wird. Heimpersonalverordnung im Einzelnen Mindestanforderungen Ermittlung der Fachkraftquote ■ Anforderungen an die Heimleitung ■ die erste, neben der PDL, beschäf- ■ Eignung der Beschäftigten tigte Pflegeperson muss eine Fachkraft sein; ■ bei mehr als 20 nicht pflegebedürftigen Bewohnern oder bei mehr als 4 pflegebedürftigen Bewohnern muss jede zweite für betreuende Tätigkeiten beschäftigte Person eine Fachkraft sein ■ Definition der Fachkraft ■ Benennung, wer keine Fachkraft ist „Fachkraftquote“ Mindestverhältnis zwischen Fachkräften und Hilfskräften ■ in Pflegeheimen muss nachts mindestens eine Fachkraft anwesend sein Keine Fachkraft nach der Heimpersonalverordnung sind ■ Altenpflegehelfer/-innen ■ Krankenpflegehelfer/- innen ■ Facharbeiter/-innen für Krankenpflege ■ andere Hilfskräfte Tab. 5 18 Rechtliche Rahmenbedingungen Personalbemessungsverfahren Anforderungen an ein Personalbemessungsverfahren Aus Sicht von ver.di muss ein verbindliches Personalbemessungsverfahren eine ausreichende Personalausstattung mit qualifizierten Pflegekräften und anderen Fachkräften eine bedarfsgerechte und qualitativ gute Versorgung gewährleisten. Unabhängig davon, wie die Kassenlage der Kostenträger ist oder wie einseitig gewinnorientiert der Pflegeheimbetreiber arbeitet. ■ Ein Pflegebedarfsermittlungsverfahren muss ausgehen vom individuellen Hilfebedarf und dem daran orientierten standardisierten Methodenspektrum pflegerischer Leistungen und Leitlinien (Qualitätsstandards). ■ Welche pflegerischen Maßnahmen erforderlich sind, muss ausgehend von der Indikation zur Pflege beurteilt werden. Der Umfang des Hilfebedarfs ist aus der Situation der Person, dem Grad ihrer Pflegebedürftigkeit und dem Lebensumfeld abzuleiten. ■ In die Bedarfsermittlung sind die Leistungen aller am pflegerischen und therapeutischen Prozess beteiligten Berufe einzubeziehen. ■ Die Besonderheiten der Pflegeeinrichtung müssen bei der Bemessung der erforderlichen Personalausstattung noch mehr, als dies nun schrittweise und mit zusätzlichen Mitteln für Modellvorhaben geschehen ist, berücksichtigt werden (gibt es z. B. besondere Angebote für spezielle Zielgruppen oder gibt es besondere Betreuungskonzepte, die mehr Personal erfordern?). Die Besonderheiten der Pflegeeinrichtung müssen in die Bemessung der erforderlichen Personalausstattung Eingang finden. Dazu gehören Grundsatzfragen ■ der Aufbau- und Ablauforganisation, ■ der Qualitätssicherung und der Qualitätsentwicklung, Zeitliche Schwankungen müssen bei der Umrechnung von „erforderlichen Pflegezeiten” in Personalbedarf berücksichtigt werden. Dabei ist auch in einem bestimmten Um- fang qualifiziertes Personal zusätzlich für Notsituationen vorzuhalten (darunter fallen z. B. Mehraufwand durch Heimaufnahme, Bewohner im Sterbestadium, Krisenphasen etc.). Eine Fachkraftquote unter fünfzig Prozent ist angesichts der komplexen Anforderungen unzureichend. Eine differenziertere Betrachtung der Qualitätsanforderungen und der heute vorherrschenden Bedarfslagen von Heimbewohnern erfordert eher eine Mindestquote, die oberhalb dieser Schwelle liegt. Bei der Personalbedarfsermittlung muss die Nettoarbeitszeit realistisch definiert werden. Zu berücksichtigen sind geltende arbeits- und tarifrechtliche Normen zum Beispiel Arbeitszeitrichtlinien, Urlaubsansprüche und Ausfallzeiten wegen Krankheit. Neue Definition Pflegebedürftigkeit Bereits seit November 2006 arbeitet der Beirat zur Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) an einer Neudefinition der Pflegebedürftigkeit. Das dazu neu entwickelte Begutachtungsinstrument „NBA“ (Neues Begutachtungs-Assessment) wurde gemeinsam vom Institut für Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld und vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Westfalen-Lippe erarbeitet. Gegenüber dem bisherigen Begutachtungsverfahren soll das NBA statt einer reinen Bemessung des Hilfebedarfs auch die körperlichen Beeinträchtigungen und kognitive/ psychische Einbußen sowie Verhaltensauffälligkeiten berücksichtigen. ■ der einrichtungsspezifischen Angebotsstruktur, ■ der Betreuungskonzepte und ■ der Qualifikationserfordernisse. Rechtliche Rahmenbedingungen 19 Betriebsrat Begleitend dazu wird ein neues Begutachtungsverfahren empfohlen. Mit acht Modulen zur Ermittlung des „Bedarfsgrades“ sollen die individuellen Beeinträchtigungen ermittelt werden. Dafür soll es fünf Bedarfsgrade (B1 bis B5) geben, die so angelegt sind, dass auch Pflegebedürftige einem Bedarfsgrad zugeordnet werden, die relativ geringe Beeinträchtigungen aufweisen und nach den heute geltenden Regelungen der Pflegeversicherung keine Leistungen erhalten. Damit soll vermieden werden, dass Menschen als „nicht pflegebedürftig“ bezeichnet werden, obwohl sie auf pflegerische Hilfe angewiesen sind. Ebenso soll durch eine stärkere Differenzierung – fünf Bedarfsgrade statt drei Pflegestufen – eine bessere Berücksichtigung individueller Pflegeleistungen möglich sein. Die Umsetzung dieser Vorschläge ist nicht vor 2010 zu erwarten, da eine erneute Gesetzesänderung erst nach der Bundestagswahl möglich wird. Ob damit eine konkrete Grundlage für eine angemessene Personalbedarfsermittlung gegeben ist, bleibt abzuwarten Wichtig ist jedoch, dass sich Fachleute und Beschäftigte aus der Altenpflege in diese Diskussion und in die dadurch nötige Änderung des SGB XI einmischen. Was können Beschäftigte und Betriebsräte/Personalräte/ Mitarbeitervertretungen tun? Die belastende Arbeit in der Altenpflege ist für die Beschäftigten ein großes Problem. Eine Sonderauswertung des in den Jahren 2007 und 2008 erhobenen DGB-Index Gute Arbeit hat ergeben, dass in der Altenpflege 52 Prozent der Beschäftigten ihre Arbeit und ihr Einkommen als schlecht und weitere 36 Prozent als mittelmäßig betrachten. Nur 12 Prozent der Beschäftigten werteten mit gut. Zähne zusammenbeißen und weiter so hilft dabei nicht. Denn damit wird auf Dauer die Gesundheit aufs Spiel gesetzt und auch die Situation in der gesamten Branche immer schwieriger. Schon jetzt zeigt sich besonders in Ballungszentren mit guten anderen Beschäftigungschancen wie München und Hamburg, dass es für die Altenpflege schwierig ist, qualifiziertes Personal zu bekommen. Deshalb kommt es darauf an, dass sich Beschäftigte gemeinsam mit ver.di gegen schlechte Arbeitsbedingungen wehren. Eine besondere Rolle kommt im Betrieb auch den Betriebsräten, Personalräten oder Mitarbeitervertretungen zu. Hier soll exemplarisch mit den Handlungsmöglichkeiten des Betriebsrates dargelegt werden mit Hilfe welcher Ansätze Verbesserungen erreicht werden können. Die Anregungen gelten natürlich auch für Personalräte und Mitarbeitervertretungen. Die jeweils zu beachtenden Mitbestimmungsregelungen sind aus den Personalvertretungsgesetzen und dem Mitarbeitervertretungsrecht zu ersehen. Auf jede spezielle Regelung einzugehen, würde den Inhalt dieser Broschüre sprengen. 20 Rechtliche Rahmenbedingungen Betriebsrat Was kann die betriebliche Interessenvertretung tun? Informationen beschaffen: Der Betriebsrat (BR) hat ausgehend von den §§ 80, 92 und 106 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) die Möglichkeit, sich Informationen zur Personalsituation zu beschaffen. So sollte er sich ■ eine Stellenübersicht, Stellenpläne und Stellenbesetzungspläne anfordern. Das können auch sein, Arbeitnehmerlisten, aus denen die Zusammensetzung der Belegschaft nach Alter, Beschäftigungsart und Qualifikation der Beschäftigten hervorgeht. Gegebenenfalls sollten Unterlagen über Vollkräftestatistiken, denen die Stellenanteile aller Beschäftigten zu entnehmen sind sowie Mutterschutz- und Erziehungszeiten, Wehrdienst, Wegfall der Lohnfortzahlung, Beurlaubungen, Ausscheiden von Beschäftigten verlangt werden. Auch wichtig sind Soll- und IstDienstpläne sowie Urlaubspläne, Arbeitszeitänderungen, Mehrarbeit, Überstunden. ■ Informationen über die Personalplanung und die Personalbemessungskriterien für alle Abteilungen und Bereiche mit Stellen-Soll anhand der Berechnung der Personalanhaltszahlen gemäß der Vereinbarung (Versorgungsvertrag und Pflegesatzvereinbarung) mit der Pflegekasse einfordern. Ebenso die Ergebnisse der Pflegesatzverhandlungen und Leistungs- und Qualitätsvereinbarung. Auch die Berechnung der Fachkraftquote ist dabei wichtig. Wenn die Informationen nicht vom Arbeitgeber zu bekommen sind, könnte dies über die Pflegebedarfsplanung beim Landkreis/Stadt besorgt werden oder Pflegesätze in der Pflegeberatungsstelle angefordert werden. Nach den Regelungen der verschiedenen Heimgesetze in den Bundesländern (z. B. Art. 16 PfleWoqG Bayern oder § 14 WTG NRW) hat die jeweils zuständige Aufsichtsbehörde auch gegenüber Personen, die ein Rechtliche Rahmenbedingungen berechtigtes Interesse haben, eine Informationspflicht über die Rechte und Pflichten der Träger der stationären Einrichtungen. Die Beschäftigten bzw. Betriebsräte müssten unserer Auffassung nach als Personen mit berechtigtem Interesse angesehen werden. ■ Informationen über die wirtschaftliche Situation des Betriebes einfordern. So kein Wirtschaftsausschuss gebildet werden kann, sollte sich der Betriebsrat eine Übersicht über die Berechnung der annähernden Einnahmen verschaffen und daraus vorhandene Mittel für Personal ermitteln. Dafür ist eine Übersicht über die Struktur der Belegung nach Pflegestufen, ggf. für jeden einzelnen Wohnbereich erforderlich. Auch wichtig ist: Personalkostenplanung (Controlling), Ausfallstatistik, Werkverträge mit Drittfirmen und Kontroll-Listen über die Arbeitszeiten der Beschäftigten der Fremdfirma. 21 Betriebsrat GmbHs und Aktiengesellschaften haben nach den gesetzlichen Regelungen (Handelsgesetzbuch) eine Publizitätspflicht, wonach abhängig von der Größe des Unternehmens die Bilanz und evt. der Jahresabschluss im Elektronischen Bundesanzeiger zu veröffentlichen ist. Diese Pflicht obliegt allen Kapitalgesellschaften und allen Personenhandelsgesellschaften ohne natürliche Person als persönlich haftenden Gesellschafter. So kann sich der Betriebsrat über www.unternehmensregister.de Informationen über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zumindest aus dem vorvergangenen Jahr beschaffen. Mit all diesen Informationen und deren Auswertung ist eine Diskussion mit dem Arbeitgeber über die Personalssituation möglich. Wenn sich ergibt, dass die Personalrichtwerte nach dem Rahmenvertrag nach § 75 SGB XI oder die Vereinbarungen im Versorgungsvertrag oder über den Pflegesatz nicht eingehalten werden, sollte mindestens die Einhaltung dieser Vorgaben vom Betriebsrat eingefordert werden. Sehr oft wird versucht, den Betriebsrat von diesen Informationen fern zu halten. Der Betriebsrat hat aber Anspruch auf rechtzeitige und umfassende Unterrichtung durch den Arbeitgeber und auf Verlangen sind dem Betriebsrat jederzeit die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Auch hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat – unter Berücksichtigung seiner Vorschläge – sachkundige Arbeitnehmer als Auskunftspersonen zur Verfügung zu stellen. Nach näherer Vereinbarung kann der Betriebsrat auch Sachverständige hinzuziehen. Diese Möglichkeiten sollten genutzt werden! 22 Manchmal wird über langwierige Verfahren zur Besetzung von freien Stellen versucht, Personalkosten einzusparen. Dadurch entstehen über längere Zeiträume Unterbesetzungen, ein starker Druck zur Vertretung der fehlenden Kräfte und große Arbeitsbelastungen. Aber auch mit weiteren Methoden versucht der Arbeitgeber die Personalkosten zu senken, so unter anderem durch Personaleinsatz mit Mehrarbeit und Überstunden, geteilte Dienste, vermehrte Teilzeit, Einsatz billigerer Arbeitskräfte wie Zivildienstleistende, Freiwilliges Soziales Jahr, Praktikant/-in, Arbeitsgelegenheiten. Auch durch eine Veränderung von Arbeitszeiten zur Einsparung von Zulagen und Zuschlägen, Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf mehr als an 5 Tagen, Abbau von leistungseingeschränkten und älteren Beschäftigten, Druck auf Beschäftigte mit krankheitsbedingten Ausfallzeiten etc. wird versucht, Kosten für Personal einzusparen. Und das ist dann eine gute Möglichkeit, die Gewinne, die ja beim Altenheimbetreiber verbleiben, auf Kosten der Beschäftigten zu steigern. Es ist wichtig, dass der Betriebsrat diese Maßnahmen erkennt und mit Initiativen dagegen tätig wird. Rechtliche Rahmenbedingungen Betriebsrat Weitere Handlungsmöglichkeiten Nach § 87 Abs. 1 BetrVG hat der Betriebsrat in vielen entscheidenden Regelungsbereichen ein starkes Mitbestimmungsrecht, denn ohne Zustimmung des BR ist der Arbeitgeber nicht einseitig befugt, zu handeln. Der Betriebsrat kann in diesen Fällen auch Betriebsvereinbarungen vorschlagen und diese über die Einigungsstelle durchsetzen. Aus vielen Berichten aus Altenheimen ist uns bekannt, dass gerade auch in diesen Fragen sehr große Missstände herrschen. Hier seien nur die wichtigsten Bereiche genannt: ■ Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen. ■ Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage. ■ vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit. ■ Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans. ■ Fragen der betrieblichen Lohngestaltung und Festsetzung leistungsbezogener Entgelte. „Durch Einsparungen beim Personal können wir Ihnen erfreulicherweise eine individuelle Unterbringung für die Zeit der Heimmodernisierung anbieten.“ Rechtliche Rahmenbedingungen Sehr oft wird berichtet, dass durch eine ungünstige Gestaltung von Dienstplänen, ständiger Vertretungen und viel zu kurzfristiger Information über die festgelegten Dienste eine sehr große Belastung für die Beschäftigten in vielen Altenheimen vorhanden ist. Eine verlässliche Planung der Freizeit und eigener Interessen, ja sogar von Familienaufgaben ist dadurch nur sehr schwierig möglich. Dabei gibt es große Spielräume, diese Belastungen durch angemessene Regelungen, genug Personal, vernünftige Arbeitszeitgestaltung und Dienstpläne, in denen auch die Interessen der Beschäftigten berücksichtigt werden, abzubauen. Es muss gewollt sein und es ist nötig, sich eingehender mit allen Rahmenbedingungen zu beschäftigen! Manchmal ist schon am Umgangston in einer Einrichtung schnell zu spüren, ob Stress, Belastungen und Druck im Betriebsklima vorherrschen oder ob auch die Bedürfnisse der Beschäftigten Beachtung finden. Es ist unverständlich wie viele Arbeitgeber oder Leitungen von Altenheimen anscheinend meinen, mit Disziplinierung und schlechten Arbeitsbedingungen die Beschäftigten belasten zu können. Gerade in einer Tätigkeit, in der es für die Aufgabe – nämlich Pflege – auf Zuwendung ankommt, ist das fatal. Wie soll von den Beschäftigten die im Pflegeversicherungsgesetz und den ausführenden und ergänzenden Regelungen immer wieder geforderte Beachtung der Menschenwürde und der individuellen Bedürfnisse der zu pflegenden Menschen erwartet werden, wenn deren eigene Würde so mit Füßen getreten wird? Hier hat der Betriebsrat eine wichtige Aufgabe. Deshalb ist es erforderlich, die Dienstpläne zu überprüfen und das Mitbestimmungsrecht dazu, durchzusetzen. Weiterhin kann über Betriebsvereinbarungen zu Grundsätzen für die Dienstplangestaltung, zu Überstunden und Mehrarbeit, zu evt. Arbeitszeitkonten, zu Vertretungsregelungen und zur Urlaubsplanung mehr Verlässlichkeit für die Arbeitszeiten und auch mehr Transparenz hergestellt werden. Diese Betriebsvereinbarungen sind erzwingbar. 23 Betriebsrat Oft haben wir auch schon gehört, dass in Einrichtungen, in denen hohe krankheitsbedingte Ausfälle sind oder eine große Fluktuation herrscht, die Leitungen die Verantwortung für die Besetzung der Dienste auf die Beschäftigten oder die Stations- oder Wohnbereichsleitungen abwälzt. Da werden die Beschäftigten selbst dazu verpflichtet, für Ersatz bei kurzfristigen Ausfällen zu sorgen und Kollegen/-innen aus freien Dienstzeiten zu rufen, bevor sie in den wohlverdienten Feierabend gehen können oder die Stationsleitungen werden einfach mit dem Problem allein gelassen. Nach § 84 SGB XI ist der Träger der Einrichtung verpflichtet, mit der vereinbarten personellen Ausstattung die Versorgung der Pflegebedürftigen jederzeit sicherzustellen, auch bei Personalengpässen und -ausfällen. Er hat auf Verlangen des Kostenträgers in einem Personalabgleich die vereinbarte Personalausstattung nachzuweisen. Das heißt mit anderen Worten, nicht die Beschäftigten tragen die Verantwortung für die Abdeckung von Personalengpässen, sondern ganz allein und eindeutig der Arbeitgeber. So er seiner Pflicht dafür nicht nachkommt, sollte die betriebliche Interessenvertretung nach Wegen suchen, wie sie ihn dazu zwingen kann. Eventuell auch unter abgesicherter Einschaltung der Aufsichtsbehörde. Die Paragrafen 92, 92a und 93 BetrVG zur Personalplanung, Beschäftigungssicherung und Ausschreibung von Arbeitsplätzen sind auch wichtige Instrumente. Denn der Arbeitgeber hat den Betriebsrat über die Personalplanung, insbesondere über den gegenwärtigen und künftigen Personalbedarf sowie über die sich daraus ergebenden personellen Maßnahmen und Maßnahmen der Berufsbildung, anhand von Unterlagen rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. machen. Dies kann sich beziehen auf die Gestaltung der Arbeitszeit, neue Formen der Arbeitsorganisation, Änderung der Arbeitsverfahren und -abläufe und Qualifizierungsmaßnahmen. Die Vorschläge des Betriebsrates sind vom Arbeitgeber mit dem Betriebsrat nach § 92a BetrVG zu beraten und er hat eine Ablehnung zu begründen, ab 100 Beschäftigten auch schriftlich. Der Betriebsrat kann ebenso verlangen, dass Arbeitsplätze, die besetzt werden sollen, allgemein oder für bestimmte Arten von Tätigkeiten vor ihrer Besetzung innerhalb des Betriebs ausgeschrieben werden. In diesem Zusammenhang kann der Betriebsrat seinen Forderungen Nachdruck verleihen, indem er ■ Personalplanung als Tagesordnungspunkt in den Monatsgesprächen und auf Betriebsversammlungen ansetzt, ■ einen Vorschlag an den Arbeitgeber zur Einführung einer Personalbedarfsermittlung und Personaleinsatzplanung einbringt, ■ konkrete Forderungen zur Verbesserung der Personalsituation entwickelt und im Betrieb breit propagiert, ■ Initiativanträge stellt z. B. zur Übernahme befristet Beschäftigter, Neueinstellungen bei entsprechendem Personalbedarf, Aufstockung wöchentlicher Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten, Einstellung von Aushilfskräften, Ablehnung von Überstundenanordnungen. Er hat mit dem Betriebsrat über Art und Umfang der erforderlichen Maßnahmen und über die Vermeidung von Härten zu beraten. Der Betriebsrat kann dem Arbeitgeber Vorschläge für die Einführung einer Personalplanung und ihre Durchführung machen. Der Betriebsrat kann dem Arbeitgeber auch Vorschläge zur Sicherung und Förderung der Beschäftigung 24 Rechtliche Rahmenbedingungen Betriebsrat Zusätzlich sollte der Betriebsrat auch die verschiedenen Beratungs-, Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte aus den §§ 84, 85 und 99 BetrVG ausschöpfen: ■ Beschwerdeverfahren nutzen z. B. bei Mobbing. ■ Entlastungsanzeigen bzw. Belastungsanzeigen von Beschäftigten unterstützen und deren Bearbeitung durch die Leitung der Einrichtung verfolgen. ■ Einstellungsverfahren (z. B. auf unbefristete Neueinstellung dringen). ■ Versetzungen und Kündigungen (z. B. wegen Krankheit) verweigern. ■ Genehmigung von Überstunden verweigern, wenn ein Personalkostenüberschuss ausgewiesen oder das Stellenpotential nicht ausgeschöpft ist und ggf. bei Nichtbeachtung klagen. Ein sehr wichtiger Aspekt liegt auch in der Gestaltung des Arbeitsschutzes. Auch hier hat der Betriebsrat im § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ein sehr starkes Mitbestimmungsrecht, denn wenn darüber mit dem Arbeitgeber eine Einigung nicht zustande kommt, entscheidet die Einigungsstelle. Hier kommt es darauf an, zunächst alle Maßnahmen des Arbeitsschutzes und der Arbeitssicherheit wie die Gestaltung der Arbeitsplätze, die Bereitstellung von Hilfsmitteln und Arbeitskleidung zu regeln. Besonders mit dem seit über zehn Jahren vorgesehenen Instrument der Gefährdungsbeurteilung kann viel bewirkt werden. Die Gefährdungsbeurteilung gilt nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes für alle Betriebe unabhängig von der Betriebsgröße und der Branche. Der Arbeitgeber hat danach die Pflicht, Gefährdungen zu beurteilen und erforderliche Maßnahmen einzuleiten. Rechtliche Rahmenbedingungen Ganz wichtig, es geht hier um ein vorausschauendes Handeln, um Prävention. Dabei ist zu untersuchen: ■ Mögliche Gefahrenquellen, ■ Gestaltung der Arbeitsabläufe einschließlich der Arbeitszeiten, ■ Qualifikation und Unterweisung, ■ Psychische Belastungen, ■ menschengerechte Arbeitsgestaltung. Das beinhaltet die Beachtung folgender weiterer Regelungen: Umgang mit Gefahrstoffen (§ 7 GefStoffV) und biologischen Arbeitsstoffen (§§ 5 – 8 BioStoffV) die Arbeit an Bildschirmgeräten (§ 3 BildscharbV), das manuelle Heben und Tragen von Lasten (§ 2 LasthandhabV), die Benutzung von Arbeitsmitteln (§ 3 BetrSichV), die Mutterschutzrichtlinie (§ 1 MuSchRiV), die Benutzung persönlicher Schutzausrüstung (§ 2 PSA-BV) und die Einrichtung und Nutzung von Arbeitsstätten (§ 3 ArbStättV). Obwohl die Gefährdungsbeurteilung schon seit der Reform des Arbeitsschutzgesetzes 1996 gilt, ist sie noch nicht in allen Betrieben durchgeführt, sind oft die Betriebsräte nicht ausreichend beteiligt und auch die Beschäftigten nicht einbezogen. Zuletzt kam durch eine gesonderte Auswertung des DGB-Index „Gute Arbeit 2008“ heraus, dass im Gesundheits- und Sozialwesen nur 36 Prozent der Befragten von einer bzw. mehrmals durchgeführten Gefährdungsanalyse für ihre Arbeitsplätze wussten. 34 Prozent der Befragten gaben an, dass keine Gefährdungsanalyse erfolgt war und 30 Prozent konnten dazu keine Auskunft geben. 25 Betriebsrat Gerade in der stationären Altenpflege sollte den psychischen Belastungen bei der Gefährdungsbeurteilung besondere Beachtung geschenkt werden. Aber genau dieser Aspekt wird stark vernachlässigt. Und deshalb hat der Betriebsrat hier eine besondere Aufgabe, darauf zu dringen, dass die Gefährdungsbeurteilung auch die psychischen Belastungen an den Arbeitsplätzen einbezieht. Beurteilt werden muss dabei nach dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand und den Aussagen aller Fachleute: ■ Die Arbeitszeitgestaltung – Dauer, Lage, Pausen, sozialverträgliche Gestaltung. ■ Organisation der Arbeit – bis hin zu fachlicher und sozialer Unterstützung, Konflikten mit Vorgesetzten und Kollegen/-innen, Kommunikation, Führungsverhalten, Betriebsklima. ■ Arbeitsumgebung – Lärm, Beleuchtung, EDVTechnik (z. B. störungsanfällig?). Psychische Überbelastungen äußern sich nicht nur in psychischen Erkrankungen, wie oft angenommen wird, sondern sie können auch zu anderen Krankheiten führen so z. B. zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen, zu MuskelSkelett-Erkrankungen und zu Hautkrankheiten. Mit sorgfältig durchgeführten Gefährdungsbeurteilungen, die auch die psychischen Belastungen einschließen, können rechtzeitig Maßnahmen ergriffen werden, um eine gesundheitliche Gefährdung der Beschäftigten zu vermeiden. 26 Das sind auch alles Aspekte, die mit der Personalbemessung und der Personalausstattung wechselseitig zusammenhängen. Sehr oft wird aus Altenheimen von einer großen Zahl von Beschäftigten mit Burn-OutSyndrom berichtet. Das deutet allein schon auf starke psychische Belastungen an den Arbeitsplätzen hin. Aber generell ist es wichtig, dass der Betriebsrat bei hohen Arbeitsunfähigkeitsraten im Betrieb, die Gefährdungsbeurteilungen heranzieht, untersucht und evt. eine erneute gründlichere Durchführung erzwingt. Allein dadurch kommen oft schon Defizite bei der personellen Ausstattung zutage. Dann könnte versucht werden, die Berufsgenossenschaft oder die Aufsichtsbehörde für den Arbeitsschutz mit einzuschalten. Ein sehr wirksames Mittel ist z. B. auch, bei einer krankheitsbedingten Kündigung vom Arbeitgeber zunächst einmal die Gefährdungsbeurteilung für den konkreten Arbeitsplatz anzufordern. Liegt diese nicht vor, wird der Arbeitgeber bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung um die Kündigung eine sehr schlechte Ausgangsposition haben. Zum Themenkomplex Arbeitsschutz und Gefährdungsbeurteilung gibt es bei verschiedensten Stellen eine Fülle von Informationen und es gibt auch viele sachkundige Berater/-innen. Hinweise können leicht im Internet gefunden werden. Wir geben gerne auch auf Anfrage Informationen zu Kontakten, die Beratung durchführen, bei der die Interessen und Beteiligung der Beschäftigten beachtet werden. ver.di bietet für die betriebliche Interessenvertretung Seminare an, in denen sich vertieft mit den einzelnen Aspekten beschäftigt werden kann – dazu verweisen wir auf unsere ver.di-homepage www.verdi.de oder http://gesundheit-soziales.verdi.de/seminare_tagungen und das zentrale Bildungsprogramm. Rechtliche Rahmenbedingungen Zusammenfassung Zusammenfassung Wir haben in den vorangegangen Kapiteln versucht, die Grundlagen für Personalbemessung mit dem besonderen Blick auf die in den Altenheimen vorhandene Situation so kurz und so verständlich wie möglich und nötig darzustellen. Wir hoffen, diese Broschüre ist damit eine gute Hilfe für die betriebliche Arbeit und macht Mut zum Handeln. Es kommt nun darauf an, die Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben zu informieren und mit ver.di zusammenarbeiten, auch um sich hier mit anderen Betriebsräten zu vernetzen! Rechtliche Rahmenbedingungen Es ist wichtig, die Beschäftigten über alle Initiativen und Beschlüsse des Betriebsrates oder von ver.di-Veranstaltungen auf dem Laufenden zu halten. Ebenso ist es erforderlich, politischen Druck durch Information der Öffentlichkeit in Zusammenarbeit mit ver.di zu erzeugen. Seit Anfang 2009 haben sich in ver.di viele aktive Mitglieder in der Altenpflege zu Aktionen zusammengefunden. Damit wurde vor Ort und in den Bundesländern schon viel Aufmerksamkeit für die Situation in Altenpflegeeinrichtungen erzeugt. Dies gilt es auszubauen. 27 Wir fordern: Politische Fensterreden reichen nicht aus – es müssen Taten folgen: ■ Mehr Personal Es muss mehr Personal eingesetzt werden und dafür muss das Geld zur Verfügung stehen. ■ Mehr Geld Mehr gesellschaftliche Wertschätzung. Pflegearbeit muss besser bezahlt werden. ■ Bessere Ausbildung Die Altenpflegeschulen brauchen eine Landesfinanzierung, die Schulgeld durch die Auszubildenden unnötig macht. Für die praktische Ausbildung fordert ver.di ein Umlageverfahren. Aktiv werden! Mitmachen in der Bewegung Altenpflege! 28 Rechtliche Rahmenbedingungen