Probekapitel - Deutscher Apotheker Verlag

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Probekapitel - Deutscher Apotheker Verlag
00_DAV_Fichtel_2015.book Seite 1 Dienstag, 30. Juni 2015 12:08 12
Teil B/S. 1
Kommentar
Teil B
Kommentar
Bundesrahmentarifvertrag
für Apothekenmitarbeiter
ab 1. Januar 2015
Stand des Kommentars: März 2015
Fichtel/Mettang, Bundesrahmentarifvertrag
Stand: März 2015
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Kommentar Präambel und Einführung vor § 1
Teil B/S. 3
Bundesrahmentarifvertrag
zwischen dem Arbeitgeberverband Deutscher Apotheken e. V. und der
ADEXA – Die Apothekengewerkschaft, gültig ab 1. Januar 2015
Präambel
Die Bezeichnung der Mitarbeiter sowie der Apothekeninhaber in männlicher Form umfasst aus Gründen der praktischen Vereinfachung auch
die Mitarbeiterinnen und Apothekeninhaberinnen.
Die Apothekeninhaber und die Mitarbeiter tragen dafür Sorge, dass die
Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes eingehalten
werden.
Arbeitsrecht ist die Summe der Rechtsregeln, die das Sonderrecht im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer beinhalten. Es stellt ganz überwiegend ein Schutzrecht zugunsten der Arbeitnehmer dar. Ein umfassendes
„Arbeitsgesetzbuch“, das alle oder auch nur die wesentlichen arbeitsrechtlichen Normen enthielte, gibt es im bundesdeutschen Recht nicht. Die zu
berücksichtigenden Vorschriften sind vielmehr weit verstreut und dazu noch
auf höchst verschiedenen Ebenen angesiedelt. Viele Gesetzesregelungen sind
lückenhaft bzw. unklar oder entsprechen nicht mehr den sich zum Teil rasch
wandelnden Gegebenheiten des Arbeitslebens. Hier greifen vielfach die
Gerichte – vor allem das Bundesarbeitsgericht und das Bundesverfassungsgericht, zunehmend auch der Europäische Gerichtshof – klärend, ergänzend,
auch korrigierend oder gar im Wege der sogenannten Rechtsfortbildung ein.
Diese zusätzlichen Rechtsquellen machen die Materie für die Betroffenen –
Arbeitgeber wie Arbeitnehmer – meist noch unübersichtlicher. Die wichtigsten arbeitsrechtlichen Bestimmungen enthalten (entsprechend ihrer Rangfolge)
a)
b)
c)
d)
e)
EG-Richtlinien und -Verordnungen
das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland,
Bundes- und Landesgesetze und -verordnungen sowie Gewohnheitsrecht,
Tarifverträge,
Betriebsvereinbarungen1).
Tarifverträge sollen – wie das Grundgesetz in Art. 9 Abs. 3 bestimmt – „der
Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen“ dienen.
1)
Betriebsvereinbarungen setzten jedoch einen Betriebsrat voraus und
spielen deshalb für die meisten Apotheken keine Rolle
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Stand: März 2015
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Teil B/S. 4
Kommentar Präambel und Einführung vor § 1
Die zu diesem Zweck zwischen den Tarifvertragsparteien ausgehandelten
Normen ersetzen fehlende Gesetzesbestimmungen oder verdrängen vorhandene gesetzliche Vorschriften, soweit diese nicht zwingendes Recht darstellen.
Der Vorteil von Tarifverträgen liegt für alle Beteiligten – also Arbeitgeber wie
Arbeitnehmer – in erster Linie in der branchenspezifischen Vereinheitlichung
der Arbeitsbedingungen, festgelegt von den Tarifpartnern, denen die besonderen Gegebenheiten und Bedürfnisse ihres Wirtschaftszweigs regelmäßig
besser vertraut sind als etwa dem Gesetzgeber oder Verwaltungsbehörden.
Rahmentarifverträge für den Bereich der öffentlichen Apotheken werden seit
1954 regelmäßig abgeschlossen.
Tarifvertragsparteien des Bundesrahmentarifvertrages für Apothekenmitarbeiter (BRTV)2) sind auf Arbeitgeberseite der Arbeitgeberverband Deutscher
Apotheken e.V. (ADA) und auf Arbeitnehmerseite die ADEXA Die Apothekengewerkschaft.3)
Der BRTV regelt vor allem die für das Arbeitsverhältnis der Mitarbeiter
besonders wichtigen Bereiche wie Arbeitszeit (§§ 3 und 4), Notdienst und
dessen Vergütung (§§ 5 und 6), Mehrarbeit und deren Bezahlung (§§ 7 und
8), Gehaltsfortzahlung im Krankheits- und Todesfall (§§ 9 und 10), Freistellung von der Arbeit aus besonderen Anlässen (§ 10a), Urlaub (§ 11), Bildungsurlaub (§ 12). Der BRTV enthält ferner spezielle Regelungen für die
Berechnung der Berufsjahre (§ 14) sowie für Gehalts- und Sonderzahlung
(§§ 17 und 18), Beendigung des Arbeitsverhältnisses – insbesondere Kündigungsfristen und Zeugnisanspruch – (§ 19). Nicht aus dem BRTV ablesbar
sind die jeweils geltenden Tarifgehälter und Ausbildungsvergütungen. Diese
werden vielmehr von den Tarifpartnern – also ADA und ADEXA Die Apothekengewerkschaft – in einem separat vereinbarten Gehaltstarif (vgl. § 17
Rdn. 1) festgelegt, der auch eine gesonderte Laufzeit hat. Das Gleiche gilt für
den erstmals 2002 abgeschlossenen Tarifvertrag über die Förderung privater
Altersvorsorge für Apothekenmitarbeiter (Altersvorsorgetarif), der jedoch
am 31.12.2011 außer Kraft getreten ist und nur noch Wirkung für bereits
bestehende oder bis Ende 2011 abgeschlossene Verträge hat (s. Teil C). Mit
Wirkung zum 01.01.2012 wurde zwischen den Tarifparteien dafür ein Tarif-
2)
3)
zur Tariffähigkeit von ADA und ADEXA vgl. BAG 28.03.2006 in NZA
2006, S. 1112 u. S. 1225 sowie Fichtel in DAZ 1995, S. 995
Die Geschäftsstelle des ADA befindet sich in 48151 Münster, Bismarckallee 25, Telefon 0251 5393840, die der ADEXA in 22299 Hamburg, Hudtwalckerstr. 10, Telefon 040 80030817
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Kommentar Präambel und Einführung vor § 1
Teil B/S. 5
vertrag zur betrieblichen Altersvorsorge für Mitarbeiter und PKA-Auszubildende in Apotheken abgeschlossen.
Die Arbeitgeber sind verpflichtet, die für ihren Betrieb maßgeblichen Tarifverträge an geeigneter Stelle auszulegen (§ 8 TVG). Ein Verstoß gegen diese
Verpflichtung hat jedoch keine Rechtsfolgen und löst insbesondere keine
Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers gegenüber seinen Mitarbeitern aus.4)
Er ist auch nicht verpflichtet, die Arbeitnehmer von sich aus auf für sie günstige Tarifänderungen hinzuweisen.5)
Der Hinweis auf die Einhaltung der Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) bietet keine eigene Anspruchsgrundlage für
etwaige Schadensersatzansprüche wegen Verstoßes gegen ein Benachteiligungsverbot aus dem AGG. Für derartige Ansprüche sind die Vorschriften
des AGG maßgebend.
4)
5)
BAG 23.01.2002 in NZA 2002, S. 800
LAG Hamm 10.09.1999 in MDR 2000, S. 463
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Kommentar § 1
Teil B/S. 1
§ 1 Geltungsbereich
1. Der Tarif gilt
1) räumlich
für die Länder der Bundesrepublik Deutschland,
2) fachlich
für alle Apotheken mit Ausnahme der Krankenhausapotheken,
3) persönlich für
a) Apotheker,
b) pharmazeutisch-technische Assistenten,
c) Apothekerassistenten,
d) Pharmazie-Ingenieure und Diplompharmazie-Ingenieure,
e) Apothekenassistenten,
f) pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte,
g) Apothekenhelfer,
h) Apothekenfacharbeiter,
i) Pharmazeutische Assistenten,
j) Personen, die sich in der Ausbildung zu einem der Berufe
unter a), b) und f) befinden.
2. Auf Filialleiter, Verwalter und Vertreter im Sinne des § 15 finden die
Bestimmungen der §§ 3, 7 und 8 zugunsten einzelvertraglicher
Regelungen keine Anwendung.
Übersicht
Rdn.
1
Geltungsbereich des BRTV
2
Anwendbarkeit des BRTV kraft Tarifbindung, arbeitsvertraglicher
Bezugnahme oder betrieblicher Übung
3
Verwalter, Vertreter, Filialleiter
4
Freie Mitarbeiter
5
„Einfühlungsverhältnis“
6
Anwendbarkeit anderer Tarifverträge
Fichtel/Mettang, Bundesrahmentarifvertrag
Stand: März 2015
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Teil B/S. 2
1
Kommentar § 1
Das Recht, Tarifverträge auszuhandeln und abzuschließen, folgt aus der
Tarifautonomie, die verfassungsrechtlich durch das Koalitionsgrundrecht des
Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes verbürgt ist. Das Recht, zur Wahrung und
Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und alle Berufe gewährleistet. Arbeitgeberverbände
und Gewerkschaften genießen als Tarifpartner verfassungsrechtlichen Betätigungs- und Bestandsschutz. Tarifverträge gehören zum Kernbereich koalitionsgemäßer Betätigung und haben bedeutende Schutz-, Ordnungs- und Friedensfunktion. Rechtsgrundlage bildet das Tarifvertragsgesetz (TVG).
Bei der Festlegung des Geltungsbereichs haben die Tarifvertragsparteien einen
umfangreichen Gestaltungsspielraum, dürfen jedoch nicht gegen Diskriminierungsverbote verstoßen.1) Mit dieser Maßgabe können sie frei darüber entscheiden, ob und für welche Berufsgruppen oder Tätigkeiten sie tarifliche
Regelungen treffen wollen und sind insoweit auch in der Bestimmung des Geltungsbereiches der Tarifverträge im Rahmen der Tarifzuständigkeit frei.
Die Tarifvertragsparteien – ADA auf Arbeitgeberseite und ADEXA Die Apothekengewerkschaft auf Arbeitnehmerseite (vgl. vor § 1) – haben durch Festlegung des Geltungsbereichs des Tarifs in räumlicher, betrieblich-fachlicher,
persönlicher und zeitlicher Hinsicht definiert, auf welche Arbeitsverhältnisse
der BRTV Anwendung finden kann:
a) räumlicher Geltungsbereich
Der BRTV gilt für alle Länder der Bundesrepublik Deutschland und regelt
damit im gesamten Bundesgebiet einheitliche Arbeitsbedingungen.2)
b) betrieblich-fachlicher Geltungsbereich
Der Tarifvertrag gilt grundsätzlich für alle in öffentlichen Apotheken
beschäftigten Berufsgruppen, soweit sie vom persönlichen Geltungsbereich
des Tarifvertrags umfasst sind. Er gilt nicht für Arbeitsverhältnisse in Krankenhausapotheken und auch nicht für andere Branchen (z.B. Industrie), in
denen entsprechende Berufsgruppen beschäftigt werden.
c) persönlicher Geltungsbereich
In § 1 Abs. 1 Nr. 3 BRTV sind abschließend die in den persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags einbezogenen Berufsgruppen aufgezählt.
Auch Teilzeit- und geringfügig Beschäftigte, Aushilfskräfte und befristet
Beschäftigte aus den dort genannten Berufsgruppen unterfallen dem persönlichen Geltungsbereich des BRTV, unabhängig vom Umfang ihrer Arbeits-
1)
2)
BAG 27.05.2004 in NZA 2004, S. 1399
Die jeweiligen Tariforganisationen Sachsen und Nordrhein sind aus dem
Arbeitgeberverband Deutscher Apotheken e. V. (ADA) ausgetreten.
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Fichtel/Mettang, Bundesrahmentarifvertrag
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00_DAV_Fichtel_2015.book Seite 3 Dienstag, 30. Juni 2015 12:08 12
Kommentar § 1
Teil B/S. 3
zeit. Der BRTV (ebenso wie der Gehaltstarif sowie der Tarifvertrag zur
betrieblichen Altersvorsorge für Mitarbeiter in Apotheken und PKA-Auszubildende) gilt jedoch nicht für andere Apothekenmitarbeiter, die in § 1 Abs. 1
Nr. 3 nicht aufgeführt sind, wie z.B. Boten, Fahrer, Reinigungskräfte, auch
nicht für mit vergleichbaren Arbeiten (einer PTA/PKA) in einer Apotheke
beschäftigte Drogisten, Arzthelferinnen oder ungelernte Kräfte. Auf Famuli
gem. § 3 Approbationsordnung für Apotheker ist der BRTV ebenfalls nicht
anzuwenden. 3)
d) zeitlicher Geltungsbereich
Der zeitliche Geltungsbereich bezieht sich auf die Dauer der Gültigkeit eines
Tarifvertrages. Alle Arbeitsverhältnisse, die bei Inkrafttreten des Tarifvertrages bereits bestehen oder vor seiner Beendigung geschlossen werden, sind in
den zeitlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages einbezogen. Der Tarifvertrag kann durch Kündigung oder einvernehmliche Aufhebung beendet werden. Befristete Tarifverträgen enden dagegen allein durch Zeitablauf.
Die Anwendbarkeit des BRTV – der nicht allgemeinverbindlich ist – im
jeweiligen Einzelfall (also im individuellen Arbeitsverhältnis) ist jedoch nur
dann gegeben, wenn eine der folgenden Voraussetzungen vorliegt:
2
a) Tarifbindung:
Nach § 3 Abs. 1 TVG ist bei beiderseitiger Verbandsmitgliedschaft eine Tarifbindung gegeben. Dies bedeutet, dass der BRTV anwendbar ist, wenn sowohl
der Apothekeninhaber (Arbeitgeber) als auch der jeweilige Apothekenmitarbeiter (Arbeitnehmer) Mitglieder derjenigen Organisationen sind, die den
Tarifvertrag miteinander abgeschlossen haben (Tarifvertragsparteien). Der
Mitarbeiter muss demnach Mitglied der ADEXA sein, der Apothekeninhaber
gleichzeitig Mitglied eines Landesapothekerverbands/-vereins bzw. einer
Tarifgemeinschaft, die ihrerseits Mitglied im Arbeitgeberverband Deutscher
Apotheker (ADA) als sog. Spitzenorganisation ist (vgl. vor § 1)4). Besteht also
eine gleichzeitige Mitgliedschaft des Apothekeninhabers und des Mitarbeiters
in ihrer jeweiligen Tariforganisation, wirkt der BRTV unmittelbar und zwingend auf das Arbeitsverhältnis (§ 4 TVG). Er hat eine sog. normative Wirkung.
Ein Verzicht auf tarifliche Rechte und Ansprüche ist hier grundsätzlich unzu-
3)
4)
Weber/Etzel/Kern: Arbeitsrecht Formular-Handbuch für Apotheker, A 2
Abschnitt 2.3
Mitglieder des ADA sind nicht die einzelnen Apothekeninhaber, sondern
die entsprechenden Landesapothekerverbände/-vereine bzw. Tarifgemeinschaften, denen die Apothekeninhaber als Mitglieder angehören,
was für die Tariffähigkeit des ADA ausreicht.
Fichtel/Mettang, Bundesrahmentarifvertrag
Stand: März 2015
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Teil B/S. 4
Kommentar § 1
lässig und unwirksam. Eine vom BRTV abweichende Regelung ist in diesem
Fall nur dann möglich, wenn sie durch den BRTV erlaubt ist oder wenn sie für
den Mitarbeiter günstiger ist als die tarifliche Regelung (z.B. ein übertarifliches Gehalt, ein höherer Urlaubsanspruch). Daraus folgt, dass für Mitarbeiter
eines Apothekenbetriebs zweierlei Recht gelten kann: Liegt auf Seiten des
Apothekeninhabers die Voraussetzung der Tarifgebundenheit vor, gehört
jedoch z.B. nur eine seiner beiden PKAs der ADEXA an, so besteht für deren
Arbeitsverhältnis Tarifgebundenheit, der BRTV kommt also unmittelbar und
zwingend zur Anwendung, im Falle ihrer Kollegin dagegen nicht – ein für die
betriebliche Praxis meist missliches Ergebnis (zu dem anders gelagerten Problem der sog. Tarifkonkurrenz s. unten Rdn. 6).
Die Tarifbindung ergreift das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt des (beiderseitigen) Beitritts zur jeweiligen Tariforganisation, also nicht rückwirkend.5) Demzufolge entstehen tarifliche Ansprüche im Jahr des Verbandsbeitritts grundsätzlich auch nur zeitanteilig (zum Anspruch auf Sonderzahlung in diesem
Fall vgl. § 18 Rdn. 1).
Da die Tarifgebundenheit an die beiderseitige Mitgliedschaft der Vertragspartner in der jeweiligen Tariforganisation anknüpft, müsste sie bei Austritt
einer Vertragspartei an sich wegfallen. Die Tarifbindung bleibt jedoch bestehen, bis der Tarifvertrag (z.B. durch Kündigung) endet (§ 3 Abs. 3 TVG). Der
Apothekeninhaber kann sich durch Austritt aus dem Landesapothekerverband/-verein bzw. seiner Tarifgemeinschaft also zunächst nicht von der Tarifbindung befreien und ist an den BRTV bis zu dessen Ende gebunden. Diese
gesetzliche „Nachbindung“ (im Unterschied zur „Nachwirkung“, vgl. unten)
soll verhindern, dass Arbeitgeber trotz bestehender Mitgliedschaft in einem
Arbeitgeberverband ungünstige tarifliche Regelungen umgehen, indem sie
kurzfristig aus dem Verband austreten.6)
Die Rechtsnormen eines Tarifvertrags wirken auch nach seinem Ablauf weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt worden sind (§ 4 Abs. 5
TVG). Das bedeutet, dass auch ein gekündigter Tarifvertrag nach Ablauf der
Kündigungsfrist weiterhin unmittelbar fortgilt, bis er durch einen neuen
Tarifvertrag, eine Betriebsvereinbarung oder durch einzelvertragliche (auch
ungünstigere) Abmachung bzw. Änderungskündigung ersetzt wird. Die sog.
„Nachwirkung“ ist zeitlich nicht beschränkt.7) Sie tritt auch dann ein, wenn
die Tarifbindung infolge eines Verbandsaustritts (und beendetem Tarifver-
5)
6)
7)
BAG 22.11.2000 in NZA 2001, S. 980
BAG 20.02.2008 in NZA 2008, S. 946
BAG 15.10.2003 in NZA 2004, S. 387
Stand: März 2015
Fichtel/Mettang, Bundesrahmentarifvertrag
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Kommentar § 1
Teil B/S. 5
trag) weggefallen ist.8) Die Nachwirkung erfasst jedoch nur solche Arbeitsverhältnisse, die bereits vor Ablauf des Tarifvertrages bestanden haben, nicht
auch solche, die erst später im Nachwirkungszeitraum begründet worden
sind.9)
b) arbeitsvertragliche Bezugnahme auf den Tarifvertrag:
Liegt keine beidseitige Tarifbindung vor, kann die Anwendung der tarifvertraglichen Regelungen in ihrer Gesamtheit oder auch nur in einzelnen
Bestimmungen einzelvertraglich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer
vereinbart werden (Bezugnahme- oder Verweisungsklausel). Auf diese Weise
kann das unerfreuliche Ergebnis unterschiedlicher Arbeitsbedingungen für
die einzelnen Mitarbeiter der Apotheke vermieden werden. Die tariflichen
Bestimmungen, die Inhalt des Arbeitsverhältnisses werden, haben in diesem
Fall keine normative (zwingende und unmittelbare) Wirkung, sondern wirken
als einzelvertragliche Regelungen zwischen den Arbeitsvertragsparteien. Im
Rahmen der arbeitsvertraglichen Bezugnahme können die tariflichen Regelungen damit beliebig ausgestaltet werden, es sind also auch Abweichungen
zu Ungunsten der Mitarbeiter möglich. Die vertragliche Bezugnahme muss
eindeutig und bestimmt sein.
Bei der Verweisung auf den gesamten Tarifvertrag ist zwischen statischer
Verweisung („es gilt der BRTV in seiner Fassung vom…“) und dynamischer
Verweisung („es gilt der BRTV in seiner jeweils geltenden Fassung“) zu
unterscheiden. Bei Tarifgebundenheit des Arbeitgebers waren nach früherer
Rechtsprechung dynamische Verweisungen (auf den jeweils geltenden Tarifvertrag) in aller Regel als sog. Gleichstellungsabrede auszulegen – deren
Zweck es war, nicht tarifgebundene Arbeitnehmer ebenso zu stellen wie die
tarifgebundenen – mit der Folge, dass bei einem Wegfall der Tarifgebundenheit auf Arbeitgeberseite die in den Arbeitsvertrag einbezogenen Tarifverträge nur noch statisch in der Fassung anzuwenden waren, die sie zum Zeitpunkt des Endes der Tarifgebundenheit hatten, und spätere Tarifvertragsänderungen sich nicht mehr auf das Arbeitsverhältnis auswirkten. Das BAG hat
diesbezüglich jedoch eine Änderung der Rechtsprechung vollzogen und festgelegt, eine solche Bezugnahmeklausel bei tarifgebundenen Arbeitgebern für
nach dem 01.01.2002 geschlossene Arbeitsverträge nicht mehr als Gleichstellungsabrede zu interpretieren, sondern (falls keine Anhaltspunkte für
einen abweichenden Vertragswillen bestehen) ihrem Wortlaut entsprechend
8)
9)
BAG 18.03.1992 in DB 1992, S. 1297
BAG 22.07.1998 in DB 1998, S. 1566
Fichtel/Mettang, Bundesrahmentarifvertrag
Stand: März 2015
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Teil B/S. 6
Kommentar § 1
als unbedingte zeitdynamische Verweisung.10) Um eine solche dauerhafte
dynamische Bindung an den Tarifvertrag bei Austritt aus dem Arbeitgeberverband zu vermeiden, muss eine eindeutige Regelung erfolgen. Beispiel:
„Im Übrigen gelten die Bestimmungen des BRTV in ihrer jeweils gültigen
Fassung. Im Falle der Beendigung der Tarifbindung des/der Apothekeninhabers/in wirken die tariflichen Regelungen einzelvertraglich mit dem Inhalt
fort, den sie bei Ende der Tarifbindung des/der Apothekeninhabers/in hatten.
Spätere Änderungen oder eine Ablösung des BRTV finden keine Anwendung
mehr auf das Arbeitsverhältnis.“11)
c) betriebliche Übung:
Tarifvertragliche Regelungen können auch aufgrund stillschweigender
Bezugnahme, z.B. durch betriebliche Übung, auf das Arbeitsverhältnis
Anwendung finden; dies kann sich auf den Tarifvertrag insgesamt erstrecken
oder auch nur auf Teile des Tarifvertrags.12) Unter einer betrieblichen Übung
ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen
solle eine Leistung auf Dauer eingeräumt werden. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist, wie der Mitarbeiter die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers verstehen musste und durfte.13) Ist der Arbeitgeber
tarifgebunden, dann ist die Gewährung tariflicher Leistungen im Zweifel so
zu verstehen, dass alle einschlägigen Tarifbestimmungen gelten sollen. Bei
einem nicht tarifgebundenen Arbeitgeber kann dies nicht ohne Weiteres angenommen werden. Ein Anspruch aus betrieblicher Übung auf Übernahme der
Tariflohnerhöhungen entsprechend der Tarifentwicklung besteht hier nur,
wenn es deutliche Anhaltspunkte im Verhalten des Arbeitgebers dafür gegeben hat, dass er auf Dauer die von den Tarifvertragsparteien ausgehandelten
Tariflohnerhöhungen übernehmen will, weil er mit seiner Nichtmitgliedschaft im Arbeitgeberverband deutlich gemacht hat, dass er sich nicht binden
und seine Entscheidungsfreiheit für die künftige Lohn- und Gehaltsentwicklung behalten will.14) Bei der Anwendbarkeit des Tarifvertrags kraft betrieblicher Übung ist immer problematisch und in jedem Einzelfall Beweisfrage, ob
und in welchem Umfang die Regelungen des Tarifvertrages tatsächlich „übli-
10)
11)
12)
13)
14)
BAG 18.04.2007 in NZA 2007, S. 965; BAG 22.10.2008 in BB 2008,
S. 2457
Bauer/Günther in NZA 2008, S. 6; Weber/Etzel//Kern: Arbeitsrecht
Formular-Handbuch für Apotheker, A 2 Abschnitt 3.2.2
Ständige Rechtspr., z.B. BAG 19.01.1999 in NZA 1999, S. 879
BAG 26.08.2009 in NZA 2010, S. 173
BAG 26.08.2009 in NZA 2010, S. 173; 19.10.2011 in NZA-RR 2012,
S. 344
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Kommentar § 1
Teil B/S. 7
cherweise“ angewandt werden. Diese Zweifel sollten es für Apothekeninhaber ebenso wie für die Mitarbeiter stets nahelegen, schriftliche vertragliche
Vereinbarungen zu treffen und es nicht auf die juristische Konstruktion der
„betrieblichen Übung“ ankommen zu lassen.
Auf Filialleiter, Verwalter und Vertreter im Sinne des § 15 BRTV finden die
Bestimmungen der §§ 3 (Arbeitszeit), 7 und 8 (Mehrarbeit, Nacht-, Sonnund Feiertagsarbeit und deren Vergütung) zugunsten einzelvertraglicher
Regelungen keine Anwendung.
3
a) Verwalter:
Unbeschadet ihrer eigenständigen apothekenrechtlichen Verantwortlichkeit
sind Verwalter in vollem Umfang und mit allen Konsequenzen Arbeitnehmer
und führen die Apotheke im Namen und für Rechnung der Erben bzw. des
Eigentümers.15) Der Verwalter kann zwar dem übrigen Personal gegenüber
als dessen Vorgesetzter Arbeitgeberfunktionen ausüben, wird dadurch aber
nicht selbst zum Arbeitgeber. Wird die Apotheke gemäß § 13 ApoG für die
Erben des verstorbenen Erlaubnisinhabers verwaltet, so sind diese die Arbeitgeber der Apothekenmitarbeiter.
b) Vertreter:
Hinsichtlich der Rechtsstellung der Vertreter (vgl. § 15) ist zu unterscheiden
zwischen ihren apothekenrechtlichen Rechten und Pflichten und ihrer typischerweise vorliegenden Eigenschaft als Arbeitnehmer im Verhältnis zum
Apothekeninhaber. Eine Ausgestaltung des Vertretungsverhältnisses als weisungsunabhängiges freies Mitarbeiter-Verhältnis (vgl. dazu Rdn. 4) ist nach
den Erfordernissen einer ordnungsgemäßen Leitung der Apotheke regelmäßig ausgeschlossen, da in einer solchen vertraglichen Gestaltung eine Umgehung der in § 1 ApoG normierten Erlaubnispflicht (persönliche Betriebserlaubnis, die nicht übertragen werden kann) liegen kann.16) Eine (nachträglich) durch den Rentenversicherungsträger festgestellte Arbeitnehmereigenschaft des Vertreters hat erhebliche steuer- und sozialversicherungsrechtliche
Folgen. Auch der BRTV geht von der Arbeitnehmereigenschaft des Vertreters
aus, indem er in § 1 Abs. 2 den Vertreter grundsätzlich in seinen Anwendungsbereich einbezieht mit der Ausnahme, dass die §§ 3, 7 und 8 BRTV
15)
16)
vgl. zur Rechtsstellung und Funktion des Verwalters Cyran/Rotta, Kommentar zur Apothekenbetriebsordnung, § 2 Rdn. 10 f.
LG Verden 08.10.2009 in DAZ 2010, S. 644
Fichtel/Mettang, Bundesrahmentarifvertrag
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Teil B/S. 8
Kommentar § 1
(Arbeitszeit sowie Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit und deren Vergütung) auf ihn keine Anwendung finden.17)
c) Filialleiter
Vorstehende Grundsätze gelten für Filialleiter (Verantwortliche i. S. d. § 2
Abs. 5 Nr. 2 ApoG) entsprechend. Deren Berufsbild besteht seit Einführung
des Instituts „Filialapotheke“ am 1. 1. 2004. Im Verhältnis zum Betreiber der
Filialapotheke (Inhaber) ist ihr Leiter (= Filialleiter) Arbeitnehmer. Deshalb
gelten für ihn die zwingenden Vorschriften des Arbeitsrechts und damit auch
der Apothekentarife – also Bundesrahmentarif (mit Ausnahme der §§ 3, 7
und 8), Gehaltstarif und Tarifvertrag zur betrieblichen Altersvorsorge –,
sofern im jeweiligen Einzelfall Tarifgebundenheit vorliegt (s. oben Rdn.
2).18) Gemäß §§ 2 Abs. 5 Nr. 2 und 7 Satz 2 ApoG hat der Filialleiter alle in
diesem Gesetz und in der Apothekenbetriebsordnung festgelegten Verpflichtungen der Apothekeninhaber zu erfüllen. Im Verhältnis zu den in der Apotheke tätigen Arbeitnehmern hat er Arbeitgeberfunktionen wie z.B. das
Direktionsrecht (vgl. § 2 Rdn.12) auszuüben. Der Inhaber kann sich allerdings im Filialleitervertrag die Entscheidungen in bestimmten Bereichen vorbehalten wie z.B. in Personalangelegenheiten, Werbung, Einkauf und Preisgestaltung. In diesem Rahmen kann dem Filialleiter Handlungsvollmacht
erteilt werden, um seine Berechtigung zur Abgabe rechtsgeschäftlicher
Erklärungen für die Filialapotheke bzw. deren Inhaber zu dokumentieren.19)
Der Umfang der Handlungsvollmacht kann vom Apothekeninhaber frei
bestimmt und beschränkt werden.
Der Filialleiter hat grundsätzlich in dem für die Leitung der Apotheke erforderlichen Umfang tätig zu sein. Eine „Teilzeittätigkeit“ des Filialleiters, also
eine Beschäftigung unterhalb der tariflichen Wochenarbeitszeit, sollte im
Vorfeld mit der zuständigen Aufsichtsbehörde abgeklärt werden. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit gem. § 3 BRTV (im Sinne einer Beschränkung) gilt für ihn ebenso wenig wie die Regelungen zur Mehrarbeit und deren
Vergütung gem. §§ 7 und 8 BRTV. Da der Filialleiter grundsätzlich kein „leitender Angestellter“ im arbeitsrechtlichen Sinne ist, sind jedoch die Grenzen
des Arbeitszeitgesetzes zu beachten, so dass eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden nicht überschritten werden darf (s. § 3 Rdn.
3). Vertragsklauseln, nach der anfallende bzw. erforderliche Überstunden mit
dem Gehalt abgegolten sind, genügen nicht dem Transparenzgebot (§ 307
17)
18)
19)
Weber/Etzel//Kern, a. a. O., B 6 Abschnitt 1.2; s. Textmuster 13 in Teil D
dazu i. e. Fichtel in DAZ 2004, S. 982, s. Textmuster 6 in Teil D
Weber/Etzel//Kern, a. a. O., B 6 Abschnitt 2.3.3, s. dazu Textmuster 7 in
Teil D
Stand: März 2015
Fichtel/Mettang, Bundesrahmentarifvertrag
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Kommentar § 1
Teil B/S. 9
Abs. 1 S. 2 BGB) und sind damit unwirksam (s. hierzu § 8 Rdn. 1).20) Die
Höchstzahl der abgegoltenen Überstunden und der Bemessungszeitraum
müssen genau festgelegt werden (Beispiel: „Mit dem Monatsgehalt sind zehn
Überstunden/Monat abgegolten“). Der Filialleiter hat sich am Notdienst entsprechend § 5 BRTV zu beteiligen. Er kann vertraglich verpflichtet werden,
keine Nebentätigkeiten ohne vorherige Einwilligung des Inhabers auszuüben,
diesen regelmäßig und umfassend über alle Vorgänge der Filialapotheke zu
informieren und ihm Einsicht in alle Unterlagen sowie Zugriff auf alle Daten
zu gewähren sowie über alle Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse Stillschweigen zu bewahren. Der Inhaber ist verpflichtet, dem Filialleiter das vertraglich vereinbarte Gehalt zu zahlen. Sind hierüber keine besonderen Vereinbarungen getroffen, so ist das sich aus dem Gehaltstarif jeweils ergebende
Entgelt für Approbierte zu zahlen. In der Regel wird es jedoch angemessen
und interessengerecht sein, mit dem Filialleiter eine übertarifliche Vergütungsregelung zu treffen. Diese kann außer einem zu vereinbarenden Festgehalt auch eine erfolgsabhängige, variable Komponente enthalten wie z.B.
eine Gewinn-, Rohertrags- oder Umsatzbeteiligung oder andere Bonussysteme (s. § 17 Rdn. 14).21) Soweit (ergänzend) der BRTV zur Anwendung
kommt steht dem Filialleiter auch die tarifliche Sonderzahlung nach § 18
BRTV zu, die bei zusätzlicher Gewährung einer der o. g. erfolgsabhängigen
variablen Vergütungsbestandteile ggf. vertraglich ausgeschlossen bzw. angerechnet werden kann. Hinsichtlich der weiteren Regelungsgegenstände des
BRTV wie Urlaub, Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall oder Beendigung
des Arbeitsverhältnisses gelten die Vorschriften des BRTV entsprechend.
Der Bundesrahmentarifvertrag ist – wie der Gehaltstarif und der Tarifvertrag
zur betrieblichen Altersvorsorge auch – nur auf Arbeitnehmer anzuwenden,
also nicht auf sogenannte freie Mitarbeiter. Deren Abgrenzung von Arbeitnehmern ist häufig schwierig. Abzustellen ist dabei insbesondere auf das
Merkmal der Weisungsgebundenheit, das die für Arbeitnehmer typische persönliche Abhängigkeit indiziert. Wesentliches Kriterium dafür ist die Eingliederung in die betriebliche Arbeitsorganisation. Im Bereich der öffentlichen
Apotheken ist für die Annahme eines freien Mitarbeiter-Verhältnisses deshalb regelmäßig Vorsicht geboten, soweit es sich um Tätigkeiten handelt, die
typischer- oder gar notwendigerweise im Betrieb selbst zu leisten sind. Freier
Mitarbeiter ist, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine
Arbeitszeit bestimmen kann.22) Abzustellen ist dabei nicht auf die vertraglich
20)
21)
22)
4
BAG 01.09.2010 in NZA 2011, S. 575
s. Textmuster 8 bis 10 in Teil D
Ständige Rechtsprechung, u. a. BAG 20.05.2009 in NZA 2010, S. 172
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Stand: März 2015
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Teil B/S. 10
Kommentar § 1
getroffene Bezeichnung, sondern auf die praktische Durchführung des
Vertrages.23) Auch bei einer Vertretungstätigkeit i. S. d. § 2 ApBetrO wird
regelmäßig ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis und keine
selbständige Tätigkeit im Rahmen eines freien Mitarbeiter-Verhältnisses vorliegen. Das LG Verden hielt in diesem Zusammenhang ein freies MitarbeiterVerhältnis (eines externen Vertreters) nach den Erfordernissen einer ordnungsgemäßen Leitung der Apotheke für ausgeschlossen und hat in einer
solchen vertraglichen Gestaltung eine Umgehung der in § 1 ApoG normierten Erlaubnispflicht (persönliche Betriebserlaubnis, die nicht übertragen werden kann) gesehen.24) Nach dem Landesberufsgericht für Heilberufe am
OLG München ergibt sich dagegen weder aus § 7 ApoG noch aus § 2 Abs. 57 ApBetrO, dass ein Vertreter nicht selbständig tätig werden darf; Adressat
dieser Vorschriften sei nur der Apothekeninhaber, so dass ein Vorgehen
gegenüber dem Vertreter deshalb nicht auf diese Vorschrift gestützt werden
kann.25) Ob und in welcher Weise sich der Erlaubnisinhaber (Apothekeninhaber) berufspflichtwidrig verhält, wenn er sich in einer von der Beschuldigten
angebotenen Weise vertreten lässt, führte das Gericht allerdings nicht weiter
aus.
Am ehesten kommt freie Mitarbeit z.B. für Buchhaltungs- und ähnliche
Arbeiten, die eine Eingliederung in die betriebliche Organisation und damit
eine Weisungsgebundenheit nicht unbedingt erfordern, in Betracht. Für den
Dienstleistenden kann der Status des freien Mitarbeiters beträchtlich nachteilig sein, weil arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Schutzbestimmungen nicht zur Anwendung kommen (z.B. Kündigungs- und Mutterschutz,
Urlaub, Renten-, Kranken-, Arbeitslosenversicherung). Für den Arbeitgeber
bietet diese Gestaltungsform ebenfalls erhebliche Risiken für den Fall, dass
diese Konstruktion im Einzelfall infolge der Art und Weise der tatsächlichen
Durchführung des Vertragsverhältnisses einer Nachprüfung nicht standhält,
so dass die Zusammenarbeit als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist
(Gewährung der Arbeitnehmerrechte, nachträgliche Abführung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen, Versagung des Vorsteuerabzugs).
Beiden Seiten ist daher regelmäßig anzuraten, sich über die Rechtsfolgen
eines freien Mitarbeiter-Verhältnisses und seiner möglichen Umdeutung als
Arbeitsverhältnis rechtzeitig vorher zu informieren.
23)
24)
25)
Ständige Rechtsprechung, u. a. BAG 24.06.1992 in NZA 1993, S. 174
LG Verden 08.10.2009 in DAZ 2010, S. 644
Landesberufsgericht für Heilberufe am OLG München 12.12.2012
LBG-Ap 002/12
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Kommentar § 1
Teil B/S. 11
Keine Anwendung findet der Tarif mangels Vorliegens eines Arbeitsverhältnisses auf Personen, die sich ohne Arbeitspflicht für kürzere Zeit in der Apotheke aufhalten zwecks Klärung, ob eine Zusammenarbeit im Rahmen eines
Arbeitsverhältnisses beiderseits in Betracht kommt (sog. „Einfühlungsverhältnis“). Hierbei handelt es sich um ein „ganz loses Rechtsverhältnis eigener
Art“, das weder Arbeits- noch Zahlungspflichten begründet. Deshalb kann
sich der Apothekeninhaber insoweit auch nicht auf sein Direktions- und Weisungsrecht (s. dazu § 2 Rdn. 12), sondern nur auf sein Hausrecht berufen.26)
5
In der Vergangenheit galt, dass bei mehreren Tarifverträgen innerhalb eines
Unternehmens grundsätzlich der speziellere Tarifvertrag zur Anwendung
kam. Folglich kam der Tarifvertrag zum Zuge, der dem Betrieb räumlich,
fachlich und persönlich am nächsten stand und deshalb den Erfordernissen
und Eigenarten des Betriebs und der darin tätigen Arbeitnehmer am besten
gerecht wurde. Diesen Grundsatz der Tarifeinheit hat das Bundesarbeitsgericht aufgegeben und erklärt, dass es keinen übergeordneten Grundsatz gebe,
dass für verschiedene Arbeitsverhältnisse derselben Art in einem Betrieb nur
einheitliche Tarifregelungen zur Anwendung kommen können.27) Für die
öffentliche Apotheke hat die Aufgabe des Grundsatzes der Tarifeinheit jedoch
keine unmittelbare Auswirkung. Zum einen haben die Apothekeninhaber
bzw. der ADA keine Tarifverträge mit mehreren Gewerkschaften geschlossen, zum anderen hat das BAG in einer Grundsatzentscheidung aus dem Jahr
1994 festgestellt, dass Apotheken nicht dem fachlichen Geltungsbereich der
Tarifverträge des Einzelhandels unterfallen, da sie aufgrund ihrer unmittelbar
dem öffentlichen Wohl dienenden Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln keine Unternehmen des Einzelhandels im Sinne dieser Tarifverträge
sind.28) Damit sind die zwischen ADA und ADEXA geschlossenen Tarifverträge die einzigen Tarifregelungen, die bei Vorliegen der im Einzelfall erforderlichen Tarifbindung auf Apotheken-Mitarbeiter zur Anwendung kommen
(können). Folglich wird auch das aktuell noch als Entwurf vorliegende
Gesetz zur Regelung der Tarifeinheit keine Auswirkungen auf die öffentlichen Apotheken haben.
26)
27)
28)
6
LAG Hamm 24.05.1989 in DB 1989, S. 1974
BAG 27.01.2010 und 23.06.2010 in NZA 2010, S. 654 ff und S. 778
BAG 14.09.1994 in DAZ 1995 Nr. 11 S. 71 ff. mit Anm. Fichtel
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Stand: März 2015
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Kommentar § 2
Teil B/S. 1
§ 2 Arbeitsvertrag
1. Der Arbeitsvertrag soll schriftlich geschlossen werden.
2. Im Arbeitsvertrag soll vereinbart werden, in welcher Haupt- und/
oder Filialapotheke der Mitarbeiter eingesetzt wird.
Übersicht
Rdn.
1 Anbahnung des Arbeitsverhältnisses / Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
2 Stellenausschreibung
3 Bewerbungsgespräch und Einstellungsfragebogen
4 Aufbewahrung und Rücksendung der Bewerbungsunterlagen
5 Vorstellungskosten
6 Umzugskosten
7 Einstellungsuntersuchung
8 Abschluss des Arbeitsvertrages
9 Nachweisgesetz, Vertragsniederschrift
10 Kündigung vor Dienstantritt
11 Vertragsstrafe
12 Direktions-/Weisungsrecht des Arbeitgebers
13 Betriebliche Übung, Freiwilligkeitsvorbehalt
14 Nebentätigkeit
15 Treue- und Fürsorgepflichten
16 Arbeitnehmerhaftung
17 Verträge mit Minderjährigen, Berufsausbildungsverträge
18 Personalakten
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Teil B/S. 2
Kommentar § 2
19 Mutterschutz
a) Geltungsbereich des Mutterschutzgesetzes
b) Mitteilungspflichten
c) Beschäftigungsverbote außerhalb der Mutterschutzfristen
d) Schutzfristen vor und nach der Entbindung
e) Einkommenssicherung (Mutterschutzlohn und Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld)
f) Auswirkungen des Mutterschutzes auf das Arbeitsverhältnis
g) Sonderkündigungsschutz
20 Elternzeit
a) Anspruchsberechtigte
b) Inanspruchnahme und Dauer der Elternzeit
c) Auswirkungen der Elternzeit auf das Arbeitsverhältnis
d) Sonderkündigungsschutz
e) Teilzeitarbeit während der Elternzeit
f) Vertretung am Arbeitsplatz
1
Bereits vor Abschluss des Arbeitsvertrages, in der Zeit der sog. Anbahnung
des Arbeitsverhältnisses, bestehen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer
Rechte und Pflichten. Besondere Bedeutung erlangt hier das am 18.08.2006
in Kraft getretene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Ziel des
Gesetzes ist, unmittelbare oder mittelbare Benachteiligungen aus Gründen
der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion
oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen (§ 1 AGG). Beschäftigte dürfen nicht
wegen eines oder mehrerer der genannten acht Gründe benachteiligt werden
(§ 7 AGG). Differenzierungen nach einem dieser (Diskriminierungs-) Merkmale sind nur in eng begrenzten Fällen und bei Vorliegen besonderer Rechtfertigungsgründe zulässig. Beschäftigte im Sinne des AGG (§ 6 Abs. 1 AGG)
sind nicht nur Arbeitnehmer und Auszubildende, der Benachteiligungsschutz
umfasst vielmehr auch die Bewerber. Im Einklang mit dem weiten persönlichen Anwendungsbereich des AGG erstreckt sich auch dessen sachliche Geltung von der Phase der Anbahnung des Arbeitsverhältnisses (also der Stellenausschreibung und Bewerberauswahl) über die Vertragsgestaltung bis hin zur
Beendigung des Arbeitsverhältnisses (§ 2 AGG).
Im Falle einer unerlaubten Ungleichbehandlung haben die Betroffenen
grundsätzlich ein Beschwerderecht (§ 13 AGG) und im Falle einer Belästigung bzw. sexuellen Belästigung auch ein Leistungsverweigerungsrecht
(§ 14 AGG). Zentrale Rechtsfolgen einer Verletzung des Benachteiligungs-
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Kommentar § 2
Teil B/S. 3
bzw. Diskriminierungsverbotes sind gem. § 15 AGG Schadensersatz für die
materiellen Schäden (Vermögensschäden) sowie angemessene Entschädigung in Geld für immaterielle Schäden (vergleichbar mit Schmerzensgeld).
Die Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche sind im Bewerbungsverfahren besonders relevant. Ein Schadensersatzanspruch entsteht nur, wenn
der Arbeitgeber die Pflichtverletzung zu vertreten hat (vorsätzlich oder fahrlässig) und ist der Höhe nach nicht beschränkt. Als zu ersetzende Vermögensschäden dürften hier unter anderem die Bewerbungskosten und die entgangene Vergütung bzw. das Differenzeinkommen zu sehen sein. Bei Letzterem
wird in der Literatur in Bezug auf die Dauer eine Beschränkung bis zum
nächsten möglichen Kündigungstermin diskutiert1), so dass der Schadensersatzanspruch der Höhe nach dem Arbeitsentgelt entsprechen würde, das der
abgelehnte Bewerber bis zum nächstmöglichen, hypothetischen Kündigungstermin erhalten hätte. Das LAG Berlin-Brandenburg hat dagegen im Falle
einer bei der Besetzung einer Führungsposition übergangenen Mitbewerberin
einen zeitlich unbegrenzten Schadensersatzanspruch in Höhe der Vergütungsdifferenz zwischen der tatsächlich erhaltenen und der Vergütung, die auf
der höherwertigen Stelle gezahlt wird, zuerkannt.2) Eine abschließende Klärung durch die Rechtsprechung hinsichtlich des Umfangs des Schadensersatzanspruchs steht noch aus. Der Entschädigungsanspruch für immaterielle
Schäden ist dagegen verschuldensunabhängig. Liegt die Benachteiligung in
der Nichteinstellung, ist die Entschädigung auf maximal drei Monatsgehälter
beschränkt, wenn die betreffende Person auch bei benachteiligungsfreier
Auswahl nicht eingestellt worden wäre. In allen anderen Fällen ist die Entschädigung der Höhe nach ebenfalls nicht beschränkt.
Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot in der Zeit
der Anbahnung des Arbeitsverhältnisses begründet jedoch keinen Anspruch
auf Einstellung bzw. Abschluss eines Arbeitsvertrages (§ 15 Abs. 6 AGG).
Der (abgelehnte) Bewerber muss die Indizien beweisen, die eine Benachteiligung wegen eines der oben genannten acht Merkmale vermuten lassen (z.B.
Vorlage einer Stellenanzeige, die nicht benachteiligungsfrei formuliert ist).
Gelingt ihm dies, trägt der Arbeitgeber die volle Beweislast dafür, dass kein
Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vorlag oder aber ein solcher
gerechtfertigt war (§ 22 AGG).
Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche müssen mit einer Frist von
zwei Monaten schriftlich gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht werden (§ 15 Abs. 4 AGG). Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung mit
1)
2)
Däubler/Bertzbach, AGG Handkommentar, 2. Auflage 2008, 15 Rn. 60ff.
LAG Berlin-Brandenburg 26.11.2008 in NZA 2009, S. 43
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Stand: März 2015
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Teil B/S. 4
Kommentar § 2
Zugang der Ablehnung, ansonsten mit Kenntniserlangung von der Benachteiligung. Aus diesem Grunde sollten Bewerbungsunterlagen, zumindest aber
Kopien der Unterlagen, sowie die schriftlichen Notizen des Arbeitgebers bis
zum Ablauf dieser Ausschlussfrist aufbewahrt werden. Wird der Anspruch
erfolglos geltend gemacht, muss die Klage auf Entschädigung und Schadensersatz innerhalb von 3 Monaten nach schriftlicher Geltendmachung eingereicht werden.
Den Anforderungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes muss demnach nicht nur während des Arbeitsverhältnisses und bei dessen Beendigung
entsprochen werden, sondern insbesondere auch in allen Phasen der Bewerberauswahl im Rahmen der Anbahnung des Arbeitsverhältnisses.
2
Stellenausschreibungen müssen benachteiligungsfrei erfolgen (§ 11 AGG).
Dies gilt sowohl für interne als auch für externe Ausschreibungen (z.B. in
Zeitungen oder im Internet) sowie für Stellenausschreibungen durch Dritte
(z.B. Agentur für Arbeit oder Personalberatungsunternehmen). Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Ordnungsmäßigkeit der Stellenausschreibung durch
Dritte zu überwachen, da ihm ein Verstoß Dritter gegen das Benachteiligungsverbot des AGG regelmäßig zuzurechnen ist.3)
Um bei der Stellenausschreibung nicht gegen das Verbot der Benachteiligung
aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts,
der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der
sexuellen Identität zu verstoßen, gilt Folgendes:
– Definition des genauen Anforderungsprofils, und Beschränkung der Stellenausschreibung auf Qualifikation und Soft Skills (Ausbildung, Zusatzqualifikation, EDV-Kenntnisse etc.; Kommunikationsvermögen, Teamfähigkeit etc.)
– Durchgängig geschlechtsneutrale Formulierungen, nicht nur in der Überschrift sondern auch im Text der Stellenanzeige (z.B. ein/e Apotheker/in
oder PTA m/w)
– Keine Vorgaben zum Alter und keine Verwendung von Attributen oder
Eigenschaften, die üblicherweise Personen einer bestimmten Altersgruppe
zugeschrieben werden (wie z.B. Mitarbeiter „im Alter zwischen 25 und 35
Jahren gesucht“,4) „junger, engagierter Mitarbeiter gesucht“5), „Wir bieten
die Möglichkeit, Ihre Ideen in ein junges, erfolgreiches Team einzubrin3)
4)
5)
BAG 05.02.2004 in NZA 2004, S. 504
BAG 23.08.2012 in NZA 2013, S. 37
BAG 19.08.2010 in NZA 2010, S. 1412
Stand: März 2015
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00_DAV_Fichtel_2015.book Seite 5 Dienstag, 30. Juni 2015 12:08 12
Kommentar § 2
Teil B/S. 5
gen“6), Arbeitnehmer „im ersten Berufs-/Tätigkeitsjahr“ gesucht7). Vorsicht ist bei der Angabe einer bestimmten Berufserfahrung in der Stellenanzeige geboten, da dies von der Rechtsprechung bislang noch nicht einheitlich beurteilt wird. Während eine Stellenausschreibung, in der ein
Bewerber mit „null bis zwei Jahren Berufserfahrung“ gesucht wurde, in
einem Fall nicht als Altersdiskriminierung gewertet wurde, weil Berufserfahrung nicht unbedingt entsprechend dem Lebensalter erworben wird,
wurde in einem ähnlich gelagerten Fall eine mögliche mittelbare Diskriminierung festgestellt8)).
– Die Vorgabe „flexibel und belastbar“ wurde von der Rechtsprechung als
Floskel ohne relevanten Aussagewert beurteilt und stellt damit kein Indiz
für eine Diskriminierung behinderter Bewerber dar.9)
– Keine ausdrückliche Anforderung von Bewerbungsunterlagen mit Lichtbild und Lebenslauf, denn hierdurch können Rückschlüsse auf eine (sichtbare) Behinderung, das Alter und evtl. die Rasse und ethnische Herkunft
gezogen werden.
– Die Vorgabe „sehr gute Deutschkenntnisse“ (wenn dieses Erfordernis
durch die Tätigkeit tatsächlich vorgegeben ist, wie etwa bei einer Tätigkeiten mit häufigem Kontakt zu deutschsprachigen Kunden) knüpft im
Gegensatz zum Erfordernis „Muttersprache Deutsch“ nicht an eine
bestimmte Herkunft an, da eine Sprache unabhängig von der ethnischen
Herkunft erworben werden kann und stellt damit keine Diskriminierung
wegen ethnischer Herkunft oder Rasse dar.10)
Aus diesen Gründen hat sich im Rahmen der Stellenausschreibung der Hinweis auf die Übersendung „aussagekräftiger Bewerbungsunterlagen“ durchgesetzt, denen dann üblicherweise Lebenslauf und Lichtbild auf freiwilliger
Basis beigefügt werden.
Alle Arbeitgeber sind des Weiteren zur Prüfung verpflichtet, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzt werden können und müssen
sich hierzu frühzeitig mit der Agentur für Arbeit in Verbindung setzen (§ 81
Abs. 1 SGB IX). Die Verletzung dieser Pflicht stellt ein Indiz für eine Diskriminierung wegen Behinderung dar, auf die sich ein schwerbehinderter
6)
7)
8)
9)
10)
LAG Hamburg 23.06.2010 in BB 2011, S. 1140
BAG 18.08.2009 in NZA 2010, S. 222
ArbG Köln 23.01.2013 3 Ca 3734/12 und LAG Köln 20.11.2013 5 Sa
317/13
LAG Nürnberg 19.02.2008 in NZA 2009, S. 148
LAG Nürnberg 05.10.2010 2 Sa 171/11
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Stand: März 2015
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Teil B/S. 6
Kommentar § 2
Bewerber (Grad der Behinderung von wenigstens 50 %) berufen kann.11)
Darüber hinaus müssen Arbeitgeber jeden Arbeitsplatz, den sie ausschreiben,
grundsätzlich auch immer als Teilzeitarbeitsplatz ausschreiben (§ 7 Abs.1
TzBfG). Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich der Arbeitsplatz hierfür nicht
eignet. Allerdings lässt § 7 TzBfG die Zuwiderhandlung sanktionslos.
3
Bewerbungsgespräch und Einstellungs- (oder Personal-) Fragebogen12) sind
wichtige Instrumente, um sich Klarheit darüber zu verschaffen, ob ein Vertragschluss sinnvoll erscheint. Da auch hier das AGG zur Anwendung
kommt, wird das Vorstellungsgespräch auf Arbeitgeberseite meist durch zwei
Personen geführt, damit ein Zeuge zur Verfügung steht. Die Fragen und Antworten sollten schriftlich dokumentiert und über die Ablehnungsgründe eine
kurze Notiz erstellt werden.
Aus der Abwägung des Arbeitgeberinteresses an einer möglichst umfassenden Information über den Bewerber und des Persönlichkeitsrechts des Bewerbers ergeben sich die Fragenrechte des Arbeitgebers und die allgemeinen
Auskunftspflichten des Arbeitnehmers im Bewerbungsgespräch und im Einstellungsfragebogen.
Ausgangspunkt für das Fragerecht des Arbeitgebers (sowohl im persönlichen
Bewerbungsgespräch als auch im Einstellungsfragebogen) ist das Bestehen
eines berechtigten, billigenswerten und schutzwürdigen Interesses an der
Beantwortung einer bestimmten Frage.13) Fragen, die darüber hinausgehen
und damit in das Persönlichkeitsrecht des Bewerbers eingreifen, ohne dass
hierfür sachliche Gründe bestehen, sind unzulässig.
Zulässige Fragen des Arbeitgebers:
– Beruflicher Werdegang
Fragen nach dem beruflichen Werdegang und der beruflichen Entwicklung
einschließlich der Schul- und Berufsausbildung sowie der besonderen
(arbeitsplatzbezogenen) Kenntnisse und Fähigkeiten
– Aufenthalts-/Arbeitserlaubnis
als rechtliche Voraussetzung zur Eingehung eines Arbeitsverhältnisses
11)
12)
13)
BAG 13.10.2011 in BB 2012, S. 1024
s. Textmuster 2 in Teil D
BAG 11.11.1993 in NZA 1994, S. 407
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Kommentar § 2
Teil B/S. 7
– Gesundheitszustand
Fragen nach dem Gesundheitszustand sind nur insoweit zulässig, als sie sich
auf derzeit bestehende akute Erkrankungen beziehen, die die Einsatzfähigkeit des Arbeitnehmers auf dem vorgesehenen Arbeitsplatz auf Dauer oder
in periodisch wiederkehrenden Abständen betreffen; Fragen nach ansteckenden Krankheiten, die zukünftige Kollegen oder Kunden gefährden können sind ebenso zulässig wie Fragen nach einer bewilligten Kur oder geplanten Operation zum Zeitpunkt des Dienstantritts bzw. in absehbarer Zeit.14)
– Bisherige Vergütung
soweit die Frage für die zu besetzende Stelle Aussagekraft hat oder der
Bewerber sie von sich aus als Mindestvergütung gefordert hat15)
– (Aktuelle) Gehaltspfändungen und -abtretungen
umstritten, wegen des zusätzlichen Arbeitsaufwandes für den Arbeitgeber
ist ein berechtigtes Interesse bei umfangreichen Pfändungen wohl gegeben
– Weitere bestehende Arbeitsverhältnisse
– Vorstrafen
wenn und soweit die Art des zu besetzenden Arbeitsplatzes dies erfordert, d.
h. bei objektiver Betrachtung berechtigt erscheinen lässt; auch die Frage
nach noch anhängigen Straf- oder Ermittlungsverfahren kann zulässig sein,
wenn solche Verfahren Zweifel an der persönlichen Eignung des Arbeitnehmers begründen.16) Kein berechtigtes Informationsinteresse des Arbeitgebers besteht grundsätzlich hinsichtlich eingestellter Ermittlungsverfahren oder Verurteilungen, die im Bundeszentralregister getilgt sind.17)
– Im Kalenderjahr bisher erhaltener Urlaub
Unzulässige Fragen des Arbeitgebers (nach Einführung des AGG noch erweitert):
– Alter/Geburtsdatum
wegen eventueller Altersdiskriminierung
– Schwangerschaft/Familienplanung
unzulässige Diskriminierung wegen des Geschlechts, selbst dann, wenn
der Beschäftigung der Frau von vornherein ein mutterschutzrechtliches
14)
15)
16)
17)
BAG 07.06.1984 in NZA 1985, S. 57
BAG 19.05.1983 in DB 1984, S. 298
BAG 06.09.2012 in NZA 2013, S. 1087
BAG 15.11.2012 in NZA 2013, S. 429; BAG 20.03.2014 in NZA 2014,
S. 1131
Fichtel/Mettang, Bundesrahmentarifvertrag
Stand: März 2015
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Teil B/S. 8
Kommentar § 2
Beschäftigungsverbot entgegensteht18) oder die Mitarbeiterin wegen ihrer
Schwangerschaft während eines wesentlichen Teils eines befristeten
Arbeitsverhältnis nicht arbeiten kann19)
– Familiäre Situation
evtl. Diskriminierung wegen sexueller Identität
– Schwerbehinderung/Schwerbehindertenstatus
Im bestehenden Arbeitsverhältnis ist die Frage allerdings nach 6 Monaten,
also nach Erwerb des Sonderkündigungsschutzes für behinderte Menschen, zulässig, insbesondere im Vorfeld von Kündigungen.20)
– Gewerkschaftszugehörigkeit/Mitgliedschaft in der ADEXA21)
– Religions- oder Parteizugehörigkeit
Eine selbständige Auskunftspflicht des Bewerbers besteht nur hinsichtlich
der Umstände, die ihm die Erfüllung seiner vorgesehenen arbeitsvertraglichen Leistungspflicht unmöglich machen oder für die Eignung für den in
Betracht kommenden Arbeitsplatz von ausschlaggebender Bedeutung
sind.22) Demzufolge sind Erkrankungen zu offenbaren, die den Arbeitnehmer
wegen der Ansteckungsgefahr oder der Schwere der Erkrankung an der
Erbringung der Arbeitsleistung dauerhaft hindern, eine bewilligte Kur oder
geplante Operation zum Zeitpunkt des voraussichtlichen Dienstantritts, ein
bestehendes einschlägiges Wettbewerbsverbot sowie ausnahmsweise Vorstrafen, wenn sich daraus die generelle Ungeeignetheit des Arbeitnehmers für die
Tätigkeit ergibt.
Der Bewerber ist nur verpflichtet zulässige Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten bzw. offenbarungspflichtige Umstände mitzuteilen. Antwortet der
Bewerber auf eine zulässige Frage wahrheitswidrig oder teilt er einen offenbarungspflichtigen Umstand nicht von sich aus mit, steht dem Arbeitgeber
grundsätzlich das Recht zur Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung zu, wenn die Täuschung für den Abschluss des Arbeitsvertra-
18)
19)
20)
21)
22)
BAG 06.02.2003 in NZA 2003, S. 848
EuGH 04.10.2001 in NZA 2001, S. 1243
BAG 16.02.2012 in NZA 2012, S. 555
BAG 28.03.2000 in NZA 2000, S. 1294
BAG 06.09.2012 in NZA 2013, S. 1087
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Kommentar § 2
Teil B/S. 9
ges ursächlich war und die Einstellung aufgrund dieser wahrheitswidrigen
Antwort bzw. dieses pflichtwidrigen Verschweigens erfolgte.23) Die Anfechtung hat die Nichtigkeit des Arbeitsvertrages zur Folge (vgl. im Einzelnen
§ 19 Rdn. 2). Eine wahrheitswidrige Antwort auf eine unzulässige Frage hat
für den Arbeitnehmer hingegen keine rechtlichen Konsequenzen.
Der Arbeitgeber hat grundsätzlich eine Obhuts- und Sorgfaltspflicht bezüglich der von dem Bewerber eingereichten Bewerbungsunterlagen. Soweit der
Apothekeninhaber zu einer Bewerbung aufgefordert hat (z.B. aufgrund einer
Stellenanzeige oder durch die Agentur für Arbeit), muss er dem Bewerber die
Unterlagen vollständig und auf seine Kosten zurücksenden, wenn das Bewerbungsverfahren erfolglos verlaufen ist. Ist ein Einstellungs- bzw. Personalfragebogen ausgefüllt worden, so muss dieser ebenso wie die sonstigen Daten
des Bewerbers inklusive das Bewerbungsschreiben vernichtet werden.24)
Zum Nachweis einer diskriminierungsfreien Auswahlentscheidung im Einstellungsverfahren sollte der Apothekeninhaber die Bewerbungsunterlagen
bis zum Ablauf der Frist von zwei Monaten nach Zugang des letzten Absageschreibens zurückhalten, da Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche
wegen einer eventuellen Benachteiligung innerhalb einer Zweimonatsfrist
geltend gemacht werden müssen (§ 15 Abs. 4 AGG, vgl. Rdn.1). Entsprechend lang sollte daher auch die Dokumentation des Bewerbungsgesprächs
aufbewahrt werden. Unverlangt eingesandte Initiativ-Bewerbungen muss der
Apothekeninhaber dagegen nur zurücksenden, wenn der Bewerber einen
adressierten und ausreichend frankierten Rückumschlag beigelegt hat. Die
Unterlagen können vernichtet werden, wenn sich der Bewerber innerhalb
einer angemessenen Frist nicht erneut gemeldet hat.
4
Nicht nur die Stellenausschreibung, auch das Absageschreiben muss AGGkonform sein. Absageschreiben sollten deshalb diskriminierungsfreie Formulierungen enthalten und subjektive Begründungen vermeiden. In der Praxis
haben sich, neben dem Dank für die Bewerbung und das gezeigte Interesse,
kurze Formulierungen wie „die Stelle wurde zwischenzeitlich bereits
besetzt“ oder „wir haben uns für einen anderen Bewerber entschieden“ oder
„Ihre Bewerbung konnte leider nicht berücksichtigt werden“ durchgesetzt.
Ein abgelehnter Stellenbewerber hat gegen den Arbeitgeber grundsätzlich
keinen Anspruch auf Auskunft, ob dieser einen anderen Bewerber eingestellt
hat und wenn ja, aufgrund welcher Kriterien diese Einstellung erfolgt ist. Von
diesem Grundsatz ist nur dann eine Ausnahme zu machen, wenn eine Aus23)
24)
BAG 07.07.2011 in NZA 2012, S. 34; BAG 06.09.2012 in NZA 2013,
S. 1087
BAG 06.06.1984 in BB 1984, S. 2130
Fichtel/Mettang, Bundesrahmentarifvertrag
Stand: März 2015
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Teil B/S. 10
Kommentar § 2
kunftsverweigerung durch den Arbeitgeber die Verwirklichung des Rechts
des abgelehnten Bewerbers auf Schutz vor einer nach dem AGG verbotenen
Benachteiligung zu beeinträchtigen droht.25)
5
Unabhängig davon, ob nach erfolgtem Bewerbungsgespräch ein Arbeitsvertrag geschlossen wird, sind Bewerbern grundsätzlich die Vorstellungskosten
zu erstatten. Dies gilt immer dann, wenn der Arbeitgeber den Bewerber zum
Vorstellungsgespräch aufgefordert hat, auch wenn die Einladung des Apothekeninhabers auf eine Initiativ-Bewerbung des Arbeitnehmers zurückgeht.26)
Der Anspruch besteht dagegen nicht, wenn der Bewerber den Apothekeninhaber von sich aus unaufgefordert aufsucht. Der Apothekeninhaber kann den
Anspruch ausschließen, indem er den Bewerber vorher ausdrücklich darauf
hinweist, dass etwaige Kosten nicht übernommen werden.27) Rechtlich zulässig ist auch eine Vereinbarung etwa dahin, dass der Apothekeninhaber sich
mit einem bestimmten Pauschalbetrag oder bis zu einer bestimmten Höchstsumme an den Kosten des Bewerbers beteiligt oder dass diese nur erstattet
werden, wenn das Vorstellungsgespräch zum Abschluss eines Arbeitsvertrages führt. Soweit im Einzelfall nichts anderes vereinbart ist, sind grundsätzlich die nachgewiesenen notwendigen und verkehrsüblichen Kosten zu erstatten. Dazu gehören neben den Fahrtkosten ggf. auch Verpflegungs- und Übernachtungskosten, regelmäßig aber nicht Flugkosten.28) Bei Anreise mit
öffentlichen Verkehrsmitteln sind die Kosten für die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel zweiter Klasse, bei Anreise im eigenen Pkw die Kosten
entsprechend der steuerlichen Pauschale für die Pkw-Nutzung zu erstatten.
Der dem Arbeitnehmer entstehende Zeitaufwand – etwaiger Dienstausfall
oder Urlaubstag – ist nicht auszugleichen.
6
Umzugskosten des Arbeitnehmers, die im Zusammenhang mit der Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses entstehen, muss der Arbeitgeber nur
ersetzen, wenn er die Kostenübernahme zugesagt hat.29) Zulässig ist dabei
eine Vereinbarung, die eine Erstattung der Umzugskosten – ganz oder teilweise – nur nach einer bestimmten Dauer des Arbeitsverhältnisses vorsieht.
Umgekehrt kann auch vertraglich festgelegt werden, dass der Mitarbeiter den
Erstattungsbetrag zurückzuzahlen hat, wenn er das Arbeitsverhältnis innerhalb einer bestimmten Frist wieder beendet. Solche Rückzahlungsklauseln
25)
26)
27)
28)
29)
BAG 25.04.2013 in NZA 2014, S. 224
BAG 29.06.1988 in NZA 1989, S. 468
s. Textmuster 1 in Teil D
Arbeitsgericht Hamburg 02.11.1994 in NZA 1995, S. 428
s. Textmuster 34 in Teil D
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Kommentar § 2
Teil B/S. 11
für die Erstattung gezahlter Umzugskosten sind zulässig, wenn sie nicht zu
einer unangemessenen Kündigungserschwerung für den Mitarbeiter führen.
Daher sind sie Beschränkungen hinsichtlich des Umfangs und der zeitlichen
Dauer unterworfen. Der Umfang der Rückzahlungskosten darf regelmäßig
ein Monatsgehalt nicht überschreiten und der Umzug muss zumindest auch
im Interesse des Arbeitnehmers liegen.30) Weiter darf die maximale Bindungsdauer nicht mehr als drei Jahre betragen.31)
Einstellungsuntersuchungen sind grundsätzlich nur zulässig, wenn der
Bewerber eingewilligt hat und es sich um die Ermittlung arbeitsplatzbezogener Daten handelt, wobei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt
werden muss. Dabei gelten keine anderen als die bereits im Rahmen des Fragerechts genannten Grundsätze. Wonach der Arbeitgeber selbst nicht unmittelbar fragen darf, darf er auch nicht über Dritte, z.B. Ärzte, Psychologen,
erforschen. Das Einverständnis des Erwerbers mit der Einstellungsuntersuchung berechtigt den Arzt nur, den Arbeitgeber über die Eignung/Tauglichkeit des Bewerbers für den angestrebten Arbeitsplatz zu unterrichten, nicht
jedoch über den kompletten Befund.
7
Durch den Arbeitsvertrag wird das Rechtsverhältnis begründet, das den
Arbeitnehmer zur Leistung von Arbeit im Dienst des Arbeitgebers gegen
Zahlung von Entgelt verpflichtet und als Arbeitsverhältnis bezeichnet wird.
Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste
eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in
persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist.32) Der Arbeitsvertrag wird nach
dem Grundsatz der Vertragsfreiheit durch Angebot und Annahme begründet.
Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind in ihrer Entscheidung frei, ob und mit
wem sie ein Vertragsverhältnis eingehen wollen (§ 105 GewO). Bei Vertragschluss muss zumindest Einigkeit über die Vertragsparteien, die Art und den
Beginn der Arbeitsleistung bestehen. Üblicherweise wird auch eine Einigung
über die weiteren zentralen Inhalte, wie z.B. Gehalt, Arbeitszeit, Probezeit,
Urlaub und Kündigungsfristen, erfolgen.33) Dies gilt für alle Arbeitsverträge,
also auch für Teilzeit-Arbeitverhältnisse, Verträge mit geringfügig Beschäftigten oder befristete Arbeitsverhältnisse.
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30)
31)
32)
33)
BAG 24.02.1975 in BB 1975, S. 702
BAG 23.02.1983 in DB 1983, S. 1210
BAG 20.08.2003 in NZA 2004, S. 39
s. Textmuster 4 ff. in Teil D
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