Untitled - Deutsches Archäologisches Institut
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Herausgegeben von der Zentrale des Deutschen Archäologischen Instituts • Berlin © 2007, Deutsches Archäologisches Institut, Zentrale, Podbielskiallee 69–71, D-14195 Berlin Gesamtverantwortlich Redaktion an der Wissenschaftlichen Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts in Berlin (www.dainst.org) Redaktion, Layout und Satz Dorothee Fillies, Berlin, nach Standard-Layout der Zeitschrift Archäologischer Anzeiger von F217 Sailer/Sohn, Berlin (www.F217.de) Grafik/Repro Satz · Design · Repro, Michael Großmann, Falkensee Druck B.o.s.s Druck und Medien GmbH, Goch (www.boss-druck.de) Umschlaggestaltung C. Gerlach, DAI Berlin Titelbilder Nach Projekt-Bildern der Zentrale, 7 Abteilungen und 3 Kommissionen des DAI Erscheint in der Zeitschrift Archäologischer Anzeiger 2007/2 und auf der Homepage des DAI (www.dainst.org) Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des DAI ist es auch nicht gestattet, diese Broschüre oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen oder unter Verwendung elektronischer Systeme zu verarbeiten und zu verbreiten. Deutsches Archäologisches Institut JAHRESBERICHT 2006 1 Zentrale 50 Abteilung Rom 74 Abteilung Athen 84 Römisch-Germanische Kommission 93 Abteilung Kairo 120 Abteilung Istanbul 138 Abteilung Madrid 161 Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik 170 Orient-Abteilung 207 Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 225 Eurasien-Abteilung 256 Personelle Gliederung Berlin Bonn Frankfurt München Rom Istanbul Madrid Athen Damaskus Kairo Jahresbericht 2006 des Deutschen Archäologischen Instituts Allgemeines Teheran Baghdad Sana’a Zentrale in Berlin Das Deutsche Archäologische Institut konnte während des Jahres 2006 seine wissenschaftliche Arbeit mit Erfolg fortsetzen. Über die Fülle der Unternehmungen und das vielfältige Spektrum der Forschungsaktivitäten der Zentrale, der Abteilungen und Kommissionen gibt der folgende Jahresbericht einen Überblick. Weitere Schwerpunkte der Arbeit des Instituts waren die Rationalisierung und Modernisierung der internen Organisation, der wissenschaftlichen Dienstleistungen und ein Ausbau der Öffentlichkeitsarbeit. Das Institut dankt der Bundesregierung und dem Bundestag für die Bewilligung der Haushaltsmittel. Im Besonderen sei dem Auswärtigen Amt für die wohlwollende Begleitung und Unterstützung der Institutsarbeit gedankt. Viele Projekte in den Gastländern wurden durch zahlreiche Institutionen der Wissenschaftsförderung unterstützt und häufig erst ermöglicht, unter denen die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), die Gerda Henkel Stiftung, die Fritz Thyssen Stiftung, die Max-Planck-Gesellschaft, die Volkswagenstiftung und die Gesellschaft der Freunde des Deutschen Archäologischen Instituts/ Theodor Wiegand Gesellschaft besonders hervorzuheben sind. Dank dafür gilt ihnen wie weiteren privaten Stiftungen, Kooperationspartnern und Förderern aus dem Bereich der Industrie, deren Unterstützung bei den entsprechenden Unternehmungen gewürdigt wird. In die Danksagung an dieser Stelle seien auch die Institutionen, Behörden und Wissenschaftler unserer Gastländer für die herausragende Unterstützung der Forschungsarbeit eingeschlossen. Ein besonderes Ereignis war die Verleihung einer Plakette an die Abteilung Istanbul durch den Kultur- und Tourismusminister der Türkei, Attila Koç, anläßlich der Eröffnungsfeier zur Einweihung des rekonstruierten Teilstücks der hethitischen Lehmziegel-Stadtmauer in Bo=azköy-Hattuša (s. Bericht der Abteilung). Von der erfolgreichen internationalen – bilateralen wie häufig auch multilateralen – Zusammenarbeit geben die weitgefächerten, hier kurz vorgestellten Projekte Zeugnis. Ausgrabungen und Forschungen Altaj (Mongolei) Das Altaj-Gebirge erstreckt sich über das Territorium von vier modernen Staaten: Rußland, Mongolei, Kazachstan und China. Aus vielen Teilen dieser Hochgebirgsregion sind skythenzeitliche Kurgane bekannt, die unter dem Oberbegriff »Pazyryk-Kultur« zusammengefaßt werden und überwiegend in eine späte Etappe der skythischen Periode gehören (5.–3. Jh. v. Chr.). Eine besondere Fundgruppe bilden die ›Eiskurgane‹, die entstanden, wenn sich die 2 Jahresbericht 2006 des DAI Grabkammer nach der Beisetzung mit Wasser füllte, gefror und wegen der speziellen Klimabedingungen im Hochgebirge nie wieder auftaute. In diesen Eislinsen haben sich nicht nur die Leichname der Toten selbst, sondern auch ihre Bekleidung und sämtliche Beigaben aus organischem Material – wie Teppiche, bunte Filzdecken, Holz- und Horngegenstände – hervorragend erhalten. Diese einmalige und sonst nirgends anzutreffende natürliche Konservierungsweise führt uns die Welt der skythenzeitlichen Reiternomaden Südsibiriens in einer kaum zu übertreffenden Lebensechtheit vor Augen. Die gefrorenen Grabhügel der Pazyryk-Kultur haben das Interesse der Gelehrten schon seit dem 19. Jh. auf sich gezogen, systematische Ausgrabungen fanden bislang jedoch nur im nördlichen Teil des Altaj statt. Eine erste wissenschaftliche Expedition führte der deutsche Sprachwissenschaftler und Archäologe F. W. Radloff in den 1860er Jahren durch. Er öffnete die ersten skythenzeitlichen Eiskurgane im Hochaltaj und wies damit der russischen Forschung den Weg in eine der faszinierendsten Fundregionen Sibiriens. Zwischen 1929 und 1955 setzten die russischen Archäologen M. P. Grjaznow und S. I. Rudenko diese Arbeiten fort und legten in den fürstlich ausgestatteten Grabhügeln von Pazyryk, Tuekta und Bašadar aufsehenerregende Funde frei, die heute in der Ermitage in St. Petersburg zu bewundern sind. Eine neue Phase in der Erforschung der Eiskurgane begann in den frühen 1990er Jahren, als V. I. Molodin und N.V. Polos’mak vom Institut für Archäologie und Ethnographie der Russischen Akademie der Wissenschaften in Novosibirsk auf dem Ukok-Hochplateau auf Kurgane stießen, in deren eisgefüllten Grabkammern sich die tätowierten Körper der Verstorbenen mitsamt ihrer Bekleidung und Beigabenausstattung erhalten hatten. Die einzigartigen archäologischen Denkmäler wurden erstmals mit modernen Methoden freigelegt und interdisziplinär ausgewertet. Fast 150 Jahre nach Radloff hat sich seit 2004 nun auch für die deutsche Archäologie wieder die Chance ergeben, im Altaj tätig zu werden und diese Forschungstradition aus dem 19. Jh. fortzuführen. Das Gemeinschaftsprojekt zwischen der Zentrale des DAI, dem Institut für Archäologie und Ethnographie der Sibirischen Abteilung der Russischen Akademie der Wissenschaften in Novosibirsk und dem Institut für Archäologie der Mongolischen Akademie der Wissenschaften in Ulan Bator widmet sich den Denkmälern der Pazyryk-Kultur an der südöstlichen Peripherie ihres Verbreitungsgebietes. Das Arbeitsgebiet liegt im äußersten Nordwesten des mongolischen Territoriums an der Grenze zu Rußland, Kazachstan und China. Es umfaßt die U-förmigen, breiten Hochgebirgstäler des Ojgor Gol und seiner Zuflüsse, deren Höhe ü NN bei etwa 2400–2600 m liegt. Eine erste Prospektion des Gebietes durch Wissenschaftler der drei Partnerinstitutionen im Sommer 2004 widmete sich der Lokalisierung, Beschreibung und photographischen Dokumentation der oberirdisch sichtbaren archäologischen Denkmäler. Im Juni 2005 begab sich eine zweite Expedition in das Arbeitsgebiet, um detaillierte topographische Pläne jener skythenzeitlichen Nekropolen anzufertigen, die für eine eingehendere archäologische Untersuchung vielversprechend erschienen. Gleichzeitig führte ein GeophysikerTeam der Russischen Akademie der Wissenschaften aus Novosibirsk Prospektionen an ausgewählten Grabhügeln durch. Diese Messungen, bei denen es sich um speziell modifizierte Verfahren auf der Grundlage von Geoelektrik und Bodenradar handelte, sollten ohne Bodeneingriffe erste Vorinformationen über das Vorhandensein von Eislinsen unter den Steinpackungen liefern. Im Ergebnis zeigten einige Kurgane tatsächlich Anomalien, die von den Geophysikern als Eisbildungen interpretiert wurden – eine Deutung, die wegen Zentrale in Berlin 3 der Neuartigkeit der Verfahren noch durch Ausgrabungen verifiziert werden mußte. Im Juni und Juli 2006 fand eine Grabungskampagne statt, bei der insgesamt vier Kurgane untersucht wurden. Die Ausgrabungen begannen mit dem größten Kurgan der Region, Ulan Daba 1, der an einer nach Westen Richtung Ukok-Plateau führenden Paßstraße lag. Die geophysikalischen Messungen an diesem Steinhügel von 18 m Durchmesser hatten in 2,50 m Tiefe eine deutliche Anomalie gezeigt, hinter der eine massive Eislinse vermutet wurde. Im Laufe der Grabungen zeigte sich aber überraschenderweise, daß der Steinhügel gar keine Grabgrube bedeckte, sondern ebenerdig auf der alten Oberfläche lag. Die einzige Bestattung bestand aus einer mit mächtigen Steinplatten errichteten Kiste in der Mitte des Kurgans, welche die schlecht erhaltenen Skelettreste eines erwachsenen Individuums enthielt. Mangels datierender Funde wie auch vergleichbarer Befunde kann die Frage nach der Zeitstellung dieses Objektes erst durch die 14C-Datierung geklärt werden. Im weiteren Verlauf der Grabung wurde unter dem Steinhügel zwar tatsächlich eine Eislinse angetroffen, dabei handelte es sich aber um eine natürliche Bildung im ungestörten anstehenden Boden. Das zweite Objekt, das ausgegraben wurde, war der Kurgan 2 des skythenzeitlichen Grabhügelkomplexes Olon Kurin Gol 6 im nach Norden führenden Tal des Olon Kurin-Flüßchens. Der Kurgan mit einem Durchmesser von 14 m wies im Zentrum eine trichterförmige Absenkung auf, wie sie entweder durch ein Einbrechen der Grabkammerdecke oder aber durch eine Beraubung entstehen kann. Die Ausgrabung zeigte bald, daß bei diesem Objekt der letztere Fall zutraf: Bereits in der Verfüllung der rechteckigen, unter der Steinabdeckung gelegenen Grabgrube zeichnete sich der von den Räubern gegrabene Schacht deutlich ab; die in 2 m Tiefe befindliche Holzkammer bot ein Bild der Verwüstung: Ihre Spaltbohlenabdeckung war zerschlagen, das Kammerinnere durchwühlt und selbst die Bodenbretter waren durcheinander geworfen worden. Die Skelettreste der Bestatteten, einer erwachsenen Frau, lagen wahllos verstreut, von den Beigaben waren nur mehr wenige Bruchstücke vorhanden (kleine Fragmente von Goldfolie, Reste von Holz- und Keramikgefäßen, Stoffetzen u. ä.), die allerdings zusammen mit einigen Eisbildungen die ehemals guten Erhaltungsbedingungen im Kammerinneren andeuteten. Eine Überraschung erwartete die Archäologen auf dem Kammergrund unter den verlagerten Bodenbrettern: Neben einem in Filz gehüllten mehrteiligen Kamm aus Holz und Knochen lagen die winzigen Skelettreste eines wahrscheinlich frühgeborenen Kindes, das hier offenbar mit seiner Mutter beerdigt wurde. Nördlich der Holzkammer befand sich der Kadaver eines Pferdes, das von den Grabräubern nicht beachtet worden war. Das Grab stammt aus der späten Phase der Pazyryk-Kultur (Anfang 3. Jh. v. Chr.). In der direkt benachbarten Denkmälergruppe Olon Kurin Gol 7 wurde der kleine Kurgan 2 mit nur 8 m Durchmesser untersucht. Die Ausgrabung ergab, daß dieser Steinhügel kein Grab enthielt, sondern wahrscheinlich als Gedenkstätte, Kenotaph oder Kultplatz gedient hatte, wie sie häufig in Verbindung mit Kurganketten anzutreffen sind. Unter der Steinaufschüttung, die sich im äußeren Aufbau nicht von derjenigen wirklicher Grabkurgane unterschied, kam die Deponierung eines Keramikgefäßes zum Vorschein, das an den Beginn der auf die Skythenzeit folgenden hunno-sarmatischen Periode datiert (2. Jh. v. Chr. bis 2. Jh. n. Chr.). Das vierte untersuchte Objekt war der Kurgan 1 der Hügelgruppe Olon Kurin Gol 10, die ca. 1 km vom Komplex Olon Kurin Gol 6/7 entfernt liegt. Während die anderen beiden Grabhügel der Kurganreihe geplündert waren, wies der mit 12 m Durchmesser größte Kurgan 1 keinerlei Spuren 4 Jahresbericht 2006 des DAI einer Beraubung auf. Nach dem Abtragen der Steinaufschüttung zeigte sich im Zentrum eine rechteckige Grabgrube (Abb. 1), die in 1,40 m Tiefe unter einer schwarzen Filzdecke eine völlig intakte hölzerne Grabkammer sowie zwei nordöstlich neben ihr liegende Pferde enthielt. Die Pferde, deren Körper gefroren und deshalb sehr gut erhalten waren, sind in voller Ausstattung mitsamt ihren Sätteln und dem reich mit zinnüberzogenen Holzschnitzereien verzierten Zaumzeug (Abb. 2) ins Grab gelegt worden. Die langrechteckige, in Blockbauweise aus mächtigen Lärchenbalken errichtete Grabkammer war vorzüglich erhalten und ließ noch sämtliche Bearbeitungs- und Werkzeugspuren erkennen. Unmittelbar unter der Kammerabdeckung, durch die in mehr als 2000 Jahren keinerlei Erdreich eingedrungen war, kam das Grab mit seiner gesamten Ausstattung zum Vorschein. Der Tote und das Inventar waren hervorragend erhalten, obwohl sie nicht innerhalb einer Eislinse, sondern auf ihr lagen (Abb. 3). Das gesamte Grab war über den Bodenbrettern mit einer grauen Filzdecke ausgelegt, die mit Holznägeln an den Wänden befestigt war. Auf ihr lag vor der südwestlichen Kammerwand der teilweise mumifizierte Tote, ein erwachsener Mann, in Rückenhockerposition mit dem Kopf im Südosten. Das Gesicht war zerstört, da der Leichnam von der unter ihm liegenden Eislinse gegen die Kammerdecke gedrückt worden war, am Hinterkopf fand sich ein blonder Haarschopf. Vom Gesäß abwärts hatte sich der Körper gut erhalten, während der Rumpf weitgehend skelettiert war – in diesem Bereich fanden sich allerdings Hautreste, die noch Spuren figürlicher Abb. 1 Altaj (Mongolei), Olon Kurin Gol 10. Kurgan 1, Blick auf die Verfüllung der Grabgrube nach dem Abtragen der Steinaufschüttung Abb. 2 Altaj (Mongolei), Olon Kurin Gol 10. Kurgan 1, holzgeschnitzter Riemenschmuck vom Pferdegeschirr mit Resten von dünner Zinnauflage Zentrale in Berlin 5 3 4 5 Altaj (Mongolei), Olon Kurin Gol 10. Kurgan 1 Abb. 3 Blick auf das Grab nach dem Entfernen der Balkenabdeckung Abb. 4 Der Pelzmantel des Verstorbenen vor Beginn der Restaurierung Abb. 5 Die knielange Wollhose des Verstorbenen vor Beginn der Restaurierung Tätowierungen zeigen. Der Tote war vollständig bekleidet beigesetzt worden: Er trug einen verzierten Pelzmantel aus Murmeltier-, Schafs- und Zobelfell (Abb. 4), darunter hatte er eine knielange Wollhose an (Abb. 5). Seine Beine steckten in hohen, mit roten Bändern geschmückten weißen Filzstiefeln. Auf dem Kopf trug der Bestattete eine hohe Filzhaube mit einer Verzierung aus verschiedenen holzgeschnitzten und mit Goldfolie überzogenen, teilweise rot bemalten Tierfiguren (Abb. 6). Zum Trachtschmuck gehörte ferner ein hölzerner Halsreif, der ursprünglich ebenfalls mit Goldfolie überzogen war und zwei einander zugewandte Wölfe mit aufgerissenen Mäulern und gefletschten Zähnen zeigt (Abb. 7). An der Taille des Toten kamen vier hölzerne Gürtelplatten mit geometrisch geschnitztem Rand zutage, deren Form bereits Typen der folgenden hunnischen Epoche vorwegzunehmen scheint; außerdem hatte der Mann einen hölzernen Kamm in einem Fellsäckchen bei sich sowie einen runden Bronzespiegel in einer Filztasche. Dem Krieger war eine vollständige und für die Skythenzeit im Altaj typische Waffenausstattung beigegeben worden. Unter dem Pelzmantel kamen ein eiserner Akinakes (Dolch) in einer Holzscheide und ein eiserner Streitpickel mit bemaltem Holzgriff zum Vorschein, beide waren am Gürtel befestigt gewesen. Hinter dem Toten an der südwestlichen Kammerwand lagen Köcher und Bogen (Abb. 8). Vom Köcher waren die hölzerne Längsleiste, etliche Holzpfeile und eine aus rotem und gelbem Filz genähte, mit Bommeln und bunten Schnüren verzierte Verschlußkappe erhalten. Durch diese Kappe hatte man den Bogen in den Köcher eingesteckt. Der ca. 1,20 m lange Kompositbogen war asymmetrisch geschwungen und bestand aus mehreren längsverleimten Holzleisten, die mit Lederstreifen umwickelt waren. Bei diesem sensationellen Fund handelt es sich um den ersten Bogen aus der Pazyryk-Kultur der Altaj-Region und einen der wenigen vollständig erhaltenen der Skythenzeit überhaupt. Die Grabkammer enthielt eine Reihe weiterer Beigaben: In der östlichen Ecke stand ein Set aus einem Horn-, einem Holz- und einem Keramikgefäß, daneben lag ein großes vierfüßiges Holztablett, auf dem sich Schwanzwirbel 6 Jahresbericht 2006 des DAI 6 7 Altaj (Mongolei), Olon Kurin Gol 10. Kurgan 1 Abb. 6 Holzgeschnitzte und ursprünglich mit Goldfolie überzogene Pferdefigur vom Kopfputz des Verstorbenen Abb. 7 Holzgeschnitzter Halsreif des Toten, ehemals mit Goldfolie überzogen Abb. 8 Der aus mehreren Holzleisten zusammengesetzte Kompositbogen kam vor der Südwestwand der Grabkammer zum Vorschein 8 eines Schafes oder einer Ziege, Fleisch- und Fettreste sowie ein eisernes Messer befanden. Nicht nur die Position der Gefäße zur Rechten des Kopfes, sondern auch die Kombination aus Horn-, Holz- und Keramikgefäß sowie Holztablett sind eine charakteristische Erscheinung in Bestattungen der Pazyryk-Kultur. Am 27. Juli 2006 besuchte der mongolische Staatspräsident die Ausgrabungen in Olon Kurin Gol 10, zwei Tage später folgte der deutsche Botschafter mit einer Delegation. Während der Ausgrabungen war ferner ein Team im Auftrag des ZDF anwesend, um in seiner Reihe »Schliemanns Erben« in allen Einzelheiten über den Sensationsfund zu berichten. Der Körper des Verstorbenen, dessen Grab an den Beginn des 3. Jhs. v. Chr. datiert, wird derzeit am Bereich Humanmedizin der Universität Göttingen anthropologisch untersucht, während die Fundstücke am Institut für Archäologie und Ethnographie in Novosibirsk konserviert und restauriert werden. Zu dem internationalen Wissenschaftlerteam, das sich mit der Bearbeitung der untersuchten Gräber und mit der Analyse sowie Konservierung der menschlichen Überreste und der übrigen Funde befaßt, zählen neben Anthropologen und Genetikern auch Dendrochronologen, Archäozoologen, Mikrobiologen, Botaniker, Chemiker, Glaziologen und Vertreter zahlreicher weiterer Fachrichtungen aus den primär am Projekt beteiligten und anderen Ländern. Kooperationspartner: Institut für Archäologie der Mongolischen Akademie der Wissenschaften in Ulan Bator (D. Ceveendorž); Institut für Archäo- Zentrale in Berlin 7 logie und Ethnographie der Sibirischen Abteilung der Russischen Akademie der Wissenschaften in Novosibirsk (V. I. Molodin); Institut für Geophysik der Sibirischen Abteilung der Russischen Akademie der Wissenschaften in Novosibirsk (M. I. Epov, geophysikalische Prospektion); Museum für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz • Leitung des Projekts: H. Parzinger, V. I. Molodin • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: A. Nagler, H. Piezonka, R. Wieland. Abb. 9 Taganrog (Russische Föderation), Synopse durch die Profile diverser Bohrlöcher mit einer Rekonstruktion der Abfolge von geologischen Schichten und Kulturschichten im Uferbereich Taganrog (Russische Föderation) Nachdem in der griechischen Siedlung von Taganrog unweit der Mündung des Don in das Asovsche Meer 2004 Grabungen angelaufen waren, wurde sehr schnell deutlich, daß die frühesten Siedlungsschichten im Uferbereich unter meterhohen Verschüttungen begraben liegen; ein weiterer Teil der antiken Siedlung verbirgt sich heutzutage unter dem Sandboden in der Bucht von Taganrog. Die Erforschung der Topographie und der Chronologie der Siedlung stellt deshalb besondere Anforderungen, die nur durch das Zusammenwirken von Archäologie und Naturwissenschaften (Geographie, Geophysik, Unterwasserarchäologie) bewältigt werden können. Die Forschungen in Taganrog sind eingebettet in die eingehendere Untersuchung der Besiedlungsgeschichte der westlich gelegenen Halbinsel am Myus Liman und des DonDeltas. Für die kommenden Jahre ist daher vorgesehen, in der Umgebung von Taganrog mit Hilfe moderner Prospektionsverfahren und Ausgrabungen der Frage nachzugehen, welche Formen der symbolischen Raummarkierung (Bestattungen, Siedlungen,Verkehrswege) nach dem Aufeinandertreffen einer nomadisierenden und einer seßhaften Lebensweise im Umland von Taganrog entwickelt worden sind. 8 Jahresbericht 2006 des DAI Abb. 10 Taganrog (Russische Föderation), Ost-West-Profil der 2006 geöffneten Schnitte mit deutlich sichtbarer Abfolge von Kulturschichten zwischen dem späten 7./1. Hälfte des 6. Jhs. v. Chr. und dem späten 4./1. Hälfte des 3. Jhs. v. Chr. 2006 konnte erstmalig die Bucht von Taganrog prospektiert werden. Sie ist von besonderem Interesse, weil aufgrund massiver Scherbenfunde im Uferbereich der Südküste von Taganrog davon auszugehen ist, daß sich dort noch Siedlungsreste erhalten haben. Die gefahrenen Teststreifen dienten zur Vorbereitung einer größer angelegten Prospektion des Instituts für Physik der Universität Kiel im Jahr 2007, mit deren Hilfe ein dreidimensionales georeferenziertes Bild möglicher Siedlungsreste in der Bucht von Taganrog gewonnen werden soll. Um zusätzliche Erkenntnisse über den Ursprungsort der beständig angeschwemmten antiken Keramik zu gewinnen, wurde eigens gekennzeichnete moderne Keramik an ausgewählten, mittels GPS markierten Punkten deponiert. Der Fundort dieser durch die Strömung bewegten Stücke läßt Rückschlüsse auf die Provenienz der antiken Keramik zu. In Zusammenarbeit mit dem Institut für Geographie der Universität Marburg durchgeführte geologische Bohrungen hatten zum Ziel, Aufschlüsse über die Küstenmorphologie in der Vergangenheit, die Meeresspiegelschwankungen des Asovschen Meeres, die zum teilweisen Verschütten der griechischen Siedlung geführt haben, und die Topographie der griechischen Siedlung zu erlangen (Abb. 9). Als Endergebnis soll eine Rekonstruktion des Landschaftsbildes in unterschiedlichen zeitlichen Horizonten erfolgen, um das Verständnis für die Wahl des Siedlungsplatzes zu befördern. Die Analyse von Sedimentproben, die derzeit 14C-AMS Datierungen unterzogen werden, verbunden mit Pollenanalysen und petrogylphischen Untersuchungen, dauert noch an. Mit Hilfe der Bohrungen konnte die Ausdehnung der Siedlungsbefunde im Küstenbereich in Antike und Mittelalter bestimmt werden. Archäologische Untersuchungen konzentrierten sich ebenfalls auf den südlichen Uferbereich Taganrogs. Ein Quadrat von ca. 30 m × 30 m sollte das Geländeprofil der im vergangenen Jahr angeschnittenen durchweg antiken Schichtungen erschließen (Abb. 10). Als wesentliches Ergebnis kann festgehalten werden, daß sich zwei neue Phasen der Siedlung aus dem 4. bis mittleren 3. Jh. v. Chr. verifizieren lassen. Zahlreiche Keramikfragmente vor allem von ostgriechischen Amphorentypen des 6.–4. Jh. v. Chr. konnten geborgen werden (Abb. 11. 12). Ein im vergangenen Jahr freigelegter Platz gehörte vermutlich nicht wie zunächst angenommen zu einem Haus, sondern stand möglicherweise in Verbindung mit der Nekropole der antiken Siedlung. In seiner unmittelbaren Nähe konnten verlagerte Menschenknochen in diesem Jahr dokumentiert werden. Die Grabungsergebnisse werden derzeit mit Bohrprofilen korreliert und fließen in eine Synopse als Grundlage für eine 3D-Rekonstruktion des Küstenbereiches in der Vergangenheit ein. Abb. 11. 12 Taganrog (Russische Föderation), Überrest einer griechischen Handelsamphora aus Thasos (5. Jh. v. Chr.) Zentrale in Berlin 9 Abb. 13 Umland von Taganrog (Russische Föderation), spätbronzezeitlicher Kurgan Die Umgebung von Taganrog und die Halbinsel am Myus Liman, die unmittelbar westlich an das Stadtgebiet von Taganrog anschließt, wurden im Rahmen eines Surveys mit Unterstützung des Katasteramtes Taganrog begangen. Insgesamt 60 archäologische Fundplätze – darunter Nekropolen, Siedlungsplätze und einzelne Kurgane (Abb. 13) – konnten beschrieben und mittels GPS in eine georeferenzierte Karte eingetragen werden. Ergänzt wurden diese Arbeiten durch die Dokumentation von Lesefunden, die Erfassung bisher publizierter Literatur und die Sichtung bereits vorhandener, aber noch nicht publizierter Funde aus ausgewählten Grabhügeln auf der Halbinsel im Museum von Taganrog. Bei dem Survey konnten drei Siedlungsplätze erstmalig identifiziert werden. Deutlich wurde, daß die Region bereits in der Bronzezeit besiedelt war. Das System aus Siedlungen, die möglicherweise von halbseßhaften Nomaden nur temporär genutzt worden sind, muß sich nach der Gründung von Taganrog spätestens im 5. Jh. v. Chr. geändert haben, wie zwei weitere Siedlungsplätze mit Oberflächenfunden an griechischer Keramik gezeigt haben. Die bisher gewonnenen digitalen Daten wurden in ein neu aufgebautes Datenbank- und GIS-System eingegeben, in das alle Projektpartner über das Internet Einsicht nehmen können. Kooperationspartner: Institut für Archäologie der Russischen Akademie der Wissenschaften (V. Kuznetsov); Don-Archäologische Gesellschaft Rostov am Don (A. Isakov, P. A. Larenok); Institut für Physik der Christian-AlbrechtsUniversität zu Kiel (Ch. Müller); Institut für Geographie der Philipps-Universität Marburg (D. Kelterbaum) • Leitung des Projekts: O. Dally • Mitarbeiter: T. Schunke, P. Grunwald, U. Kapp • Abbildungsnachweis: D. Kelterbaum (Abb. 9); T. Schunke (Abb. 10); P. Grunwald (Abb. 11); N. Ullrich (Abb. 12); U. Kapp (Abb. 13). Die antike Siedlungstopographie Triphyliens (Griechenland) Im Spätsommer 2006 startete das von der DFG im Rahmen des Schwerpunktprogramms »Die hellenistische Polis als Lebensform« geförderte Projekt zur Erforschung der antiken Siedlungstopographie Triphyliens. Triphylien liegt an der Westküste der Peloponnes und wird von den Landschaften Elis, Arkadien und Messenien umrahmt. Mehrere Poleis und Heiligtümer unterschiedlicher Größe und Bedeutung sind von der antiken Siedlungsstruktur erhalten und bieten eine gute Grundlage, um Fragen zur Siedlungsdichte sowie zur Form und Ausstattung der Städte zu untersuchen (Abb. 14). In der antiken Literatur über Triphylien ist im 4. und 3. Jh. v. Chr. 10 Jahresbericht 2006 des DAI ein entscheidender Wandel von abhängigen Perioikenstädten hin zu selbständigen Poleis zu belegen, der sich in einem neuen Selbstbewußtsein der Bürger und im Ausbau der Städte widerzuspiegeln scheint (Abb. 15). Nachdem die triphylischen Städte mehr als ein Jahrhundert in einem Perioikenverhältnis zur übermächtigen Polis Elis standen, konnten sie nach der Niederlage von Elis im elisch-spartanischen Krieg (402–400 v. Chr.) diese Abhängigkeit mit Hilfe der Spartaner abschütteln. Nicht nur ein wirtschaftlicher Aufschwung, der sich in zahlreichen Um- und Neubauten ausdrückt, war die Folge. Die Städte legten sich eine neue Identität unter mythistorischen, kulturellen und architektonischen Aspekten zu, um einem erneuten Anspruch und Zugriff des allmählich wieder erstarkenden Elis vorzubeugen. Nach 400 v. Chr. schlossen sich die nun unabhängigen Poleis zu einem Bund zusammen und führten ihre Herkunft auf Triphylos, den Sohn des Arkas, den Stammvater der Arkadier, zurück. Mit archäologischen und bauhistorischen Methoden sollen diese gesellschaftlichen Veränderungen nachgewiesen und deren raumbildende Konsequenzen innerhalb der Städte und des Städtebundes diskutiert werden. Die Untersuchungen begannen in der ersten Feldkampagne im Gebiet der antiken Stadt bei Skilloundia. Durch den Fund einer bronzenen Bürgerrechtsurkunde kann sie mit der aus der antiken Literatur bekannten Polis Makistos identifiziert werden. Nachdem im Stadtgebiet ein Meßnetz eingerichtet wurde, konnten alle oberirdisch sichtbaren Gebäudereste aufgenommen werden. Dazu gehören ein großer Peripteros, der Athena geweiht war, Terrassen- Abb. 14 Die antike Siedlungstopographie Triphyliens (Griechenland), Platiana. Unbenannte antike Stadt mit Befestigung und Theater auf einem schmalen Bergkamm bei Platiana Zentrale in Berlin 11 Abb. 15 Die antike Siedlungstopographie Triphyliens (Griechenland), Samikon. Stadtmauer der Polis Samikon mit Blick über die Küstenebene und das Ionische Meer Die antike Siedlungstopographie Triphyliens (Griechenland), Makistos Abb. 16 Mauern einer byzantinischen Kirche auf antiken Fundamenten, im Hintergrund die Akropolis von Makistos mit dem Athenatempel Abb. 17 Hellenistische Nekropole mit Grabbezirken und Steinplattengräbern außerhalb der antiken Siedlung 16 mauern, Brunnen, eine byzantinische Kircheruine auf antiken Fundamenten (Abb. 16) und zwei hellenistische Nekropolen (Abb. 17). Die Funde älterer Grabungen aus dem Stadtgebiet von Makistos, die im Magazin des Museums von Olympia lagern, wurden bearbeitet. In der Chora von Makistos ist bei der Gemarkung Babes eine antike ländliche Siedlung mit zwei kleinen Tempeln und Wohnbebauung untersucht worden. Die ersten Ergebnisse von geophysikalischen Probemessungen, die Aufschluß über die Ausdehnung und Struktur des Siedlungsgebietes geben sollen, müssen in der nächsten Kampagne vertieft werden. Kooperationspartner: Lehrstuhl für Baugeschichte der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus (K. Rheidt); 7. Ephorie des griechischen Antikendienstes (G. Hatzi, C. Liangouras); Lehrstuhl für Altlasten der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus (W. Spyra, Geophysik) • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: J. Heiden, C. Rohn • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: M. Abele (Baugeschichte), H. Birk (Geodäsie), S. Bocher (Archäologie) • Abbildungsnachweis: Platiana 1797-06, I. Geske (Abb. 14); Samikon 1751-06, J. Heiden (Abb. 15); Makistos 29-05, J. Heiden (Abb. 16); Makistos 1133-06, S. Bocher (Abb. 17). 17 12 Jahresbericht 2006 des DAI Meroë (Sudan) Feldarchäologische Arbeiten fanden im Jahr 2006 in Meroë im Areal der sog. Königlichen Bäder nicht statt, wohl aber konnten die Forschungen zum Ausstattungsprogramm dieses Gebäudekomplexes fortgesetzt werden. Das Augenmerk richtete sich dabei auf eine Gruppe von kleinformatigen Statuen aus Sandstein, die Musiker mit Syrinx (Abb. 18), Leier, Aulos, Harfe und möglicherweise auch mit einer Laute darstellen. Die Figuren stehen in situ am Rand des Wasserbeckens bzw. wurden bei den Ausgrabungen vor knapp einhundert Jahren im Wasserbecken verschüttet gefunden. Sie sind als rares Zeugnis für die Musikkultur der Meroiten in den Jahrhunderten um die Zeitenwende einzustufen. Für das Repertoire an verwendeten Instrumenten lassen sich im heimischen meroitischen Kulturraum nur wenige Parallelen nachweisen, während sie im zeitgleichen Milieu des griechisch-römischen Ägypten durchaus zu Hause sind. Dies gilt u. a. für die Panflöte (Abb. 18), die in Ägypten unter der Regentschaft der Ptolemäer in Verbindung mit dem Kult des Dionysos populär wurde. Auch die Kleidung der Musiker ist fremdländisch: So trägt der Panflötenspieler einen dreifach gestuften Rock, dessen einzelne Gewandsäume verschiedenfarbig, hellblau, gelb und rosa gefaßt sind, das Oberteil dazu ist ebenfalls rosa, um die Taille liegt ein hellblauer Gürtel. Ähnliche Kleidungsstücke sind aus dem levantinischen Raum bekannt. Man gewinnt den Eindruck, daß am meroitischen Königshof neue musikalische Klänge aus einer fremden luxuriösen Lebenswelt Einzug gehalten haben. Kooperationspartner: National Corporation for Antiquities and Museums, Khartoum • Leitung des Projekts: S. Wolf • Abbildungsnachweis: H.-U. Onasch (Abb. 18). Sarno-Becken (Italien) Im Herbst 2006 wurde ein interdisziplinäres Forschungsprojekt in Kampanien begonnen, das sich mit Fragen der kulturellen Entwicklung und den Siedlungsaktivitäten im Sarno-Becken in ihren wechselseitigen und räumlichen Bezügen zur Landschaft und Umwelt beschäftigt. Das Ziel der geoarchäologischen Untersuchung ist es, einen Beitrag zur Rekonstruktion der antiken Kulturlandschaften in dieser einerseits vom Überfluß an Ressourcen und andererseits durch Naturkatastrophen geprägten Mikroregion zu leisten. Die Ebene des Sarno in Kampanien (Abb. 19) stellt ein durch die Gebirgsketten des Apennin im Osten und Süden begrenztes und zum Golf von Neapel hin offenes, trapezförmiges Becken von rund 200 km2 Fläche dar, das der in der Antike schiffbare Fluß Sarno mit seinen verzweigten Zuläufen durchfließt und der Vesuv im Norden als symbolische Landmarke beherrscht. Das Gebiet zeichnet sich aufgrund der vulkanischen Bodenbildung durch extreme Fruchtbarkeit, großen Wasserreichtum und günstige Klimabedingungen aus und liegt darüber hinaus verkehrsgeographisch an der strategisch wichtigen Schnittstelle der Fernverbindung Kampaniens nach Süditalien, mit einem direkten Zugang zum tyrrhenischen Meer. Angesichts dieser besonders vorteilhaften naturräumlichen und geographischen Grundvoraussetzungen stellt sich eine Reihe von grundlegenden Fragen: Ob die Entwicklung der Kulturlandschaften im Sarno-Becken wegen dieser Besonderheiten spezielle Ausprägungen zeigt, die in dieser Form nicht in anderen Regionen anzutreffen sind; ob sich der Prozeß der kulturellen Besitznahme des Gebietes seit der Bronzezeit bis zur Katastrophe von 79 n. Chr. kontinuierlich vollzogen hat und welche negativen Auswirkungen dabei die destruktiven Dynamiken der Naturereignisse auf die Entwicklung hatten. Ein Hauptanliegen des Forschungsvorhabens ist es daher, die Aktivitäten der Menschen in der Antike Abb. 18 Meroë (Sudan), sog. Königliche Bäder. Sandstein-Statuette eines Musikers mit Syrinx Zentrale in Berlin 13 Sarno-Becken (Italien) Abb. 19 Reliefkarte, dominiert im Norden vom Vesuv, begrenzt im Osten und Süden von den Gebirgsausläufern des Apennin und nach Westen zum Golf von Neapel hin geöffnet Abb. 20 Modell des Siedlungshügels von Pompeji, das den Zugang zum tyrrhenischen Meer strategisch überwachen konnte im Sarno-Becken unter diesen ambivalenten Umweltbedingungen zu untersuchen und nach dem jeweiligen Siedlungsverhalten der sozialen Gemeinschaften in der landschaftlichen Mikroregion über verschiedene Epochen hin zu fragen. Im Vordergrund steht dabei die Frage, wie sich die verschiedenen Siedlungsaktivitäten (Städte, ländliche Ansiedlungen, Niederlassungen, Gehöfte, Villen, Nekropolen, Heiligtümer etc.) räumlich verteilen, in welchen Wechselbeziehungen sie zueinander stehen und welche Rolle dabei der Bezug zur Landschaft und zu den Ressourcen spielt. Pompeji (Abb. 20) mit seinem immensen Informationsgehalt an Daten und Fakten der historischen Zeit und die zahlreichen Gehöfte seines Umlandes sowie die in den letzten Jahren ausgegrabene mittelbronze- bis eisenzeitliche Flußniederlassung von Longola bei Poggiomarino (Abb. 21) bilden dabei Schwerpunkte im Rahmen der Untersuchung, an denen diese Fragen zunächst exemplarisch bearbeitet werden sollen. Die gewonnenen Erkenntnisse und Zwischenergebnisse sollen dann an den übrigen Siedlungen im Sarno-Becken nachvollzogen und überprüft werden. Das Projekt befindet sich in der Aufbauphase, in der zunächst eine Reihe von Abkommen mit institutionellen Partnern in Italien abgeschlossen wurden, die den gegenseitigen Austausch von Material und Daten sowie die Koopera- 14 Jahresbericht 2006 des DAI Abb. 21 Sarno-Becken (Italien), LongolaPoggiomarino. Virtueller Rekonstruktionsversuch einer eisenzeitlichen Hüttenkonstruktion tion bei GIS-Projekten regeln. Für die Bearbeitung der komplexen fach- und epochenübergreifenden geoarchäologischen Fragestellungen konnten neben Partnern an deutschen Universitäten auch Geo- und Altertumswissenschaftler italienischer Einrichtungen zur Mitarbeit gewonnen werden. Das nächstliegende Ziel der geowissenschaftlichen Bearbeitung ist die Rekonstruktion der Paläooberfläche der unter meterhohen Eruptionslagen liegenden Kulturhorizonte von 79 n. Chr. und früherer Perioden, die anhand der begonnenen Auswertung von Bohrkerndaten erfolgt. Aus Luftbildern von 1943/45 wird zur Zeit außerdem ein Höhenmodell entwickelt, das den Zustand der Landschaft vor der modernen Urbanisierung rekonstruieren läßt. Durch den Vergleich beider Höhenmodelle werden Ableitungen zur landschaftlichen Genese möglich sein, die wiederum für das Verständnis der Siedlungslagen aufschlußreich ist. Parallel zu den geowissenschaftlichen Arbeiten wurde mit der Sammlung archäologischer Daten begonnen, die sich zunächst auf die Klassifizierung der Siedlungsformen und die Rekonstruktion des Wegenetzes der Nah- und Fernverbindungen konzentrieren. Kooperationspartner: Soprintendenza Archeologica di Pompei; Autorità di Bacino del Sarno; Institut für Geoökologie der Universität Potsdam; Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf • Leitung des Projekts: F. Seiler • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: K.-U. Heußner, C. Hof, P. Kastenmeier, W. Linder, M. Märker, B. Stackebrandt, B. Tschochner • Abbildungsnachweis: Autorità di Bacino del Sarno (Abb. 19); Modell, F. Seiler (Abb. 20); Modell, C. Hof (Abb. 21). Rom (Italien), Palatin Die 2005 durch einen erneuten Auftrag der Soprintendenza Archeologica di Roma ermöglichte Neuaufnahme und erstmalige umfassende bauforscherische Analyse der sog. Domus Augustana wurde in Kooperation mit dem Seminar für Klassische Archäologie der Universität Würzburg (N. Sojc) mit einer Frühjahrs- und Herbstkampagne fortgesetzt. Es konnten der Grundriß des südlichen Teils des Hauptgeschosses, der Grundriß der südlich unterhalb der Exedra gelegenen Räume, die Ansicht der großen Exedra und ein Längsschnitt im M. 1 : 100 fertiggestellt werden. Es wurde ein Raumbuch begonnen, in dem alle relevanten Daten und Beobachtungen zu den einzelnen Räumen der Domus Augustana in Skizzen, Photographien und kurzen Beschreibungen festgehalten sind. Parallel zu den Bauaufnahmearbeiten ist Zentrale in Berlin 15 Abb. 22 Rom (Italien), Palatin. Bauaufnahmeplan des ›Versenkten Peristyls‹ der Domus Augustana mit den vorläufigen Überlegungen zu den Bauphasen, Stand 10/2006 (M. 1 : 800). Gelb = frühe Kaiserzeit, rot = flavisch 1 (frühflavisch), orange = flavisch 2 (domitianisch?), grün = Anfang 2. Jh. n. Chr. auch die Untersuchung der opus testaceum-Konstruktion der ›Domus Augustana‹ durch E. Bukowiecki von der Université di Aix-Marseille fortgeführt worden. In diese Forschungen integriert sind naturwissenschaftliche Analysen des Mörtels der Fundamente und des aufgehenden Mauerwerks von R. Kilian (Fraunhofer Institut für Bauphysik, Holzkirchen), um so weitere Anhaltspunkte für unterschiedliche Bauphasen zu erlangen. Ebenfalls fortgeführt wurden die Untersuchungen zur Bauskulptur des zweigeschossigen Peristyls von C. Voigts vom Lehrstuhl für Baugeschichte der Technischen Universität München. Die bereits 2005 erzielten Ergebnisse zur Phasenabfolge konnten dabei bestätigt und weiter verifiziert werden (Abb. 22). Die bisher unangefochtene Annahme, daß der Kernpalast auf eine einheitliche domitianische Neuplanung durch den Architekten Rabirius zurückgeht, ist danach nicht weiter aufrecht zu erhalten. Die Neudatierung des ›Versenkten Peristyls‹ mit seinen angrenzenden Banketträumen in frühflavische Zeit legt vielmehr die Vermutung nahe, daß Domitian entweder ein von seinen Vorgängern bereits festgelegtes Konzept übernommen hat und weiter ausbauen ließ oder die bereits fertiggestellten Bereiche in den Plan seines Neubaus integrieren mußte. Die spannende Frage, welche Bereiche wirklich auf eine domitianische Ausbauphase zurückzuführen sind, wird deshalb bei den weiteren Untersuchungen besonders der Hauptebene von zentraler Bedeutung sein. Hier zeichnet sich ebenfalls bereits ab, daß die Räume nicht einheitlich entstanden sind, sondern daß mindestens eine große Umbauphase zu verzeichnen ist. Auch die umfangreichen Umbauten der Räume am ›Versenkten Peristyl‹ – wie die Einrichtung weiterer Zierbrunnen, die Schließung zahlreicher 16 Jahresbericht 2006 des DAI Raumöffnungen und die Dekoration mit Scheinarchitekturen – stammen nicht aus der Regierungszeit Domitians. Nach Ausweis von Ziegelstempeln sind sie frühestens an den Beginn des 2. Jhs. n. Chr. zu datieren. Sie sind daher eher mit der seit längerem bekannten Neugestaltung der Portiken des zentralen Peristyls, deren Baudekor aus stilistischen Gründen in hadrianische Zeit datiert, in Verbindung zu setzen. Vollkommen überraschend ist die Erkenntnis, daß mit dieser umfassenden Umbauphase Anfang des 2. Jhs. n. Chr. auch erst eine architektonische Beziehung zwischen dem Circus Maximus und dem Kaiserpalast in Form eines aufwendigen Ausbaus der Fassade erfolgte. Zudem stellte sich heraus, daß die gerundete Fassade nicht eine reine Schaufassade war, sondern einen Trakt von Repräsentationsräumen über dem Circus beherbergte. Vor dem Neubau der Exedra besaß dieser Bereich des Palastes offensichtlich einen geraden Abschluß zum Circus Maximus, der – zumindest im Untergeschoß – keinerlei Öffnungen nach Süden hatte. Es kristallisiert sich immer mehr heraus, daß erst mit der großen Umgestaltungsphase Anfang des 2. Jhs. n. Chr. der Kaiserpalast sowohl in seiner Außenwirkung als auch inneren Raumdisposition die Ausprägung erfahren hat, die bisher allgemein dem domitianischen Bau zugeschrieben wurde. Die von der Fritz Thyssen Stiftung geförderte Entwicklung eines Bauwerk-Informationssystems für die ›Domus Severiana‹ und das Gartenstadion konnten weitgehend abgeschlossen werden. Basierend auf den rechnergestützten Meßdaten wurde ein 3D-CAD-Modell der Domus Severiana erstellt, in das die Erkenntnisse der Bauforschung zur Phasenabfolge bereits eingearbeitet sind. Die einzelnen Bauphasen können so dreidimensional überprüft und visualisiert werden. Darauf aufbauend wird unter Einsatz von internetbasierten Open-Source Programmen an der Universität Cottbus ein webbasiertes Bauwerksinformationssystem entwickelt, das über das Internet alle an dem Abb. 23 Rom (Italien), Palatin. Hypothetische 3D-Rekonstruktion der flavischen Phase der ›Domus Severiana‹ (Ansicht von Südosten). Grundlage für die dreidimensionalen Rekonstruktionsüberlegungen ist das 3D-Modell des Bestandes, das bereits nach Bauphasen differenziert dargestellt werden kann. Auf hohen Substruktionen erhoben sich Aussichtsräume mit einem vorgelagerten Wasserbecken. Die Ausdehnung der Räume nach Osten ist für diese Phase nicht sicher zu rekonstruieren Zentrale in Berlin 17 Abb. 24 Rom (Italien), Palatin. Hypothetische 3D-Rekonstruktion des Blickes von den Aussichtsräumen auf das Wasserbecken. Nicht gesichert ist, ob sich die das Wasserbecken begrenzende Portikus auch nach Süden und Osten hin mit einer Pfeileroder Säulenstellung öffnete und so den Blick auf den angrenzenden Circus Maximus freigab Projekt beteiligten Wissenschaftler ortsungebunden nutzen können. Das analoge Raumbuch wurde hierfür in eine Datenbank überführt und diese mit zusätzlichen digitalen Photo- und Planarchiven sowie Bauteil-, Ziegelstempel- und Bautechnikkatalogen und Literatur- und Archivhinweisen erweitert. Durch eine Verknüpfung mit dem 3D-Modell sind alle verfügbaren Informationen zu den einzelnen Räumen nicht nur durch gezielte Suchabfragen themenbezogen schnell miteinander zu verknüpfen, sondern auch relativ einfach dreidimensional am Modell zu kontrollieren. Das 3D-Modell bildet auch die Grundlage für die Rekonstruktionsüberlegungen zu den einzelnen Ausbauphasen, die so ebenfalls besser räumlich darstellbar und den jeweils neuesten Erkenntnissen anzupassen sind (Abb. 23. 24). Im Herbst 2006 wurde zudem aufbauend auf der Erforschung der Entwicklung der Kaiserpaläste von augusteischer bis maxentianischer Zeit das Palatinprojekt im Rahmen der Fragestellung des Forschungsclusters 3 »Politische Räume« des DAI erweitert. Es soll exemplarisch aufgezeigt werden, durch welche Transformationsprozesse aus aristokratischen Häusern nach der Einrichtung des Prinzipats ein hochkomplexes Palastgebilde entstehen konnte, das nicht nur für die Durchführung der Amtsgeschäfte und der Dienstpflichten sowie für das Leben am Hof geeignet war, sondern vor allem über Jahrhunderte hinweg als Sinnbild für die höchste Macht im Römischen Reich und die Vorherrschaft Roms in der antiken Welt stehen konnte. Die Deutung der Paläste als ein Bestandteil ›symbolischer Politik‹ und Ausdruck sozialer Distanz erfordert die Einbeziehung der Stadt Rom als Referenzpunkt dem gegenüber die Paläste erst ihr Profil gewannen. Im Vordergrund steht 18 Jahresbericht 2006 des DAI deshalb die Untersuchung der stadträumlichen Inszenierung der Paläste und der Interaktion zwischen Stadt und Palast als jeweilige Reaktion auf Veränderungen sowohl im Stadtraum als auch innerhalb der Palastanlagen. Ziel ist es, zusammen mit dem neuen, ab 2007 von der Gerda Henkel Stiftung geförderten Schwerpunkt »Palast und Stadt im severischen Rom«, an dem auch das Seminar für Klassische Archäologie der Universität Würzburg und das Seminar für Alte Geschichte der Universität Freiburg beteiligt sind, »Palast« im Sinne von Herrschaftsarchitektur, als ästhetisches, soziales und politisches Phänomen für den gesamten Zeitraum der römischen Kaiserzeit neu umfassend zu begreifen. Kooperationspartner: Lehrstuhl für Baugeschichte und Lehrstuhl für Vermessungskunde der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus; Seminar für Klassische Archäologie der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität Würzburg (N. Sojc); Seminar für Alte Geschichte der Albert-LudwigsUniversität Freiburg (A. Winterling) • Förderung: Soprintendenza Archeologica di Roma; Fritz Thyssen Stiftung (Bauwerksinformationsmodell); Gerda Henkel Stiftung (ab Frühjahr 2007, Forschungsprojekt: »Palast und Stadt im severischen Rom«) • Leitung des Projekts: U. Wulf-Rheidt (Bauforschung) • Mitarbeiter: J. Pflug, A. Müller • Abbildungsnachweis: DAI, Zentrale, Architekturreferat/Seminar für Klassische Archäologie der Universität Würzburg (Abb. 22); A. Müller nach Angaben von U. Wulf-Rheidt (Abb. 23. 24). Kırklareli-Aªa=ı Pınar (Türkei) Die 2005 wieder aufgenommenen Ausgrabungen in Kırklareli-Aªa=ı Pınar, Türkisch-Thrakien, einem früh- bis spätneolithischen Siedlungshügel der Stufen Karanovo I–IV, wurden 2006 großflächig fortgesetzt. Es handelt sich dabei um ein Gemeinschaftsprojekt der Universität Istanbul, der Zentrale des DAI sowie der Universität Halle-Wittenberg. Der Ausgrabungskampagne ging ein Survey im Einzugsgebiet des İnece Dere in der westlichen Umgebung von Kırklareli voraus, der unser Bild dieser Siedlungskammer in prähistorischer Zeit wesentlich erweiterte. So konnten hier verschiedene mit Aªa=ı Pınar zeitgleiche Fundplätze begangen werden. Von großer Bedeutung war auch das verstärkte Auffinden von Siedlungen der sog. Kocatepe-Gruppe, einer mit der Präcucteni-Kultur im westpontischen Raum verwandten lokalen Variante frühkupferzeitlicher Erscheinungen, deren keramisches Inventar in der Stratigraphie von Aªa=ı Pınar nicht mehr vertreten ist. Nachdem der Schwerpunkt des seit 1993 durchgeführten Projekts zuvor besonders dem Mittel- und Spätneolithikum (Karanovo III–IV) galt, rückte bereits mit der Kampagne 2005 verstärkt die Erforschung des frühen Neolithikums in den Vordergrund. Dieses wird in der sog. Nordostfläche von Aªa=ı Pınar durch bislang zwei Schichten (AP 6 und 7) vertreten. Neben der Freilegung der frühen Siedlung lag ein zweiter Fokus auf der Klärung der Stratigraphie im Norden des Tells (Abb. 25), einem Bereich, der bisher noch nicht untersucht wurde. Dem bislang ältesten Stratum kann ein Ost-West verlaufender, leicht geneigter Graben mit ungebrannter Lehmauskleidung von ca. 1 m Tiefe zugeordnet werden. Bereits 1996 entdeckt und 2005 wieder geöffnet, wurde er in diesem Jahr weiter untersucht und auch in den östlich anschließenden Schnitten freigelegt. Architekturreste der Schicht 7 waren bislang nicht zu lokalisieren; hier werden jedoch die kommenden Grabungskampagnen Klarheit bringen können, wie Sondagen nördlich des bisher untersuchten Areals andeuten. Zentrale in Berlin 19 Kırklareli-Aşağı Pınar (Türkei) Abb. 25 Blick auf den Tell von Norden mit den frühneolithischen Schichten Abb. 26 Versturz eines verbrannten frühneolithischen Lehmgebäudes mit fast quadratischem Grundriß und Anbau Abb. 27 Kırklareli-Aşağı Pınar (Türkei), Gefäße in originaler Fundlage aus dem frühneolithischen Lehmgebäude Die frühneolithische Schicht AP 6 kennzeichnet eine verbrannte, äußerst komplizierte Gebäudestruktur, die sich durch eine bemerkenswerte Fundund Befunderhaltung auszeichnet (Abb. 26). Nach der letztjährigen Erweiterung der Untersuchungsfläche wurde nun das Grabungsareal nach Westen und besonders nach Norden erheblich vergrößert. Vor allem hier stand die Bausubstanz bereits in sehr geringer Tiefe an. Obwohl von diesen Befundabschnitten derzeit nur der obere Bereich des Versturzes freigelegt und das Bodenniveau einzig an einigen Stellen erreicht werden konnte, ließen sich bereits jetzt partielle Wandverläufe und außerordentlich gut erhaltene Installationen, wie Ofen- bzw. Herdanlagen und Silos, sowie zahlreiche in situFunde (Keramikgefäße mit leicht gebrannten Tonverschlüssen, polierte Steinäxte, tönerne Wurfgeschosse, Mahlsteine etc.) dokumentieren (Abb. 27). Der bislang ergrabene Siedlungsplan ist bisher am besten mit dem von Ilıpınar VI am İzniksee in Nordwestanatolien zu vergleichen. Das zugehörige balkanisch geprägte Fundmaterial wirft in diesem Zusammenhang hochinteressante Fragestellungen auf. Der exzellente Zustand erlaubte zudem die Entnahme von botanischen Proben aus vollständigen Gefäßen. Parallel zur laufenden Grabung begann die Aufnahme und wissenschaftliche Bearbeitung des keramischen Fundmaterials der Schichten AP 5/6 bis 7. Der Horizont AP 5–6, der 20 Jahresbericht 2006 des DAI den Übergang vom Früh- zum Mittelneolithikum markiert, konnte in diesem Jahr nicht nur anhand des keramischen Fundmaterials genauer eingegrenzt werden, sondern es gelang auch, ein wahrscheinlich zugehöriges Laufniveau freizulegen. Während der Kampagne 2006 in Aªa=ı Pınar konnten wir demnach unser Bild von der frühneolithischen Siedlung wesentlich erweitern. Durch die Anlage neuer Schnitte wurde eine großflächige Freilegung der zugehörigen Architektur in den kommenden Grabungen vorbereitet. Von großer Bedeutung war dabei auch das Ergebnis, daß sich der frühneolithische Siedlungsplatz offensichtlich wesentlich weiter nach Norden ausdehnt, als es für die bislang untersuchten mittel- und spätneolithischen Schichten der Fall war. Kooperationspartner: Lehrstuhl für Prähistorische Archäologie der Universität Istanbul (M. Özdo=an); Institut für Prähistorische Archäologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg • Leitung des Projekts: H. Parzinger • Mitarbeiter: H. Schwarzberg. Milet (Türkei) Seit Sommer 2006 führen die Zentrale des DAI und die Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz in einem gemeinsamen Projekt neue Forschungen zu Architektur und Skulpturenausstattung der Faustina-Thermen in Milet durch. Das Interesse des Projekts »Stadt und Statue in der Spätantike« zielt auf die Situation der kleinasiatischen Städte in der Spätantike, für deren Verständnis eine Betrachtung der öffentlichen Räume und ihrer Ausstattung ihre Relevanz erhält. Die Faustina-Thermen in Milet (Abb. 28) zeichnen sich durch ihren besonderen Erhaltungsgrad und durch die zahlreich aufgefundenen Skulpturen, die alle Spuren späterer Bearbeitungen aufweisen, als ein ideales Objekt aus, um die Veränderungen in der Ausgestaltung öffentlicher Räume zu untersuchen. Im Juli/August 2006 führten M. Maischberger (Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz) und P. Schneider (DAI, Zentrale, Architekturreferat) eine erste Kampagne in Milet durch, um den sog. Musensaal – insbesondere auf die Aufstellungsbedin- Abb. 28 Milet (Türkei), Faustina-Thermen. Blick von Norden Zentrale in Berlin 21 Abb. 29 Milet (Türkei), Musensaal der Faustina-Thermen. Blick nach Nordwesten Abb. 30 Antikensammlung Berlin, Dionysos-Satyr-Gruppe. Deutlich ist zu erkennen, daß bei beiden Statuen in der Spätantike das Geschlecht sorgfältig entfernt wurde. Die Plinthe und der Rücken der Dionysos-Statue lassen aufgrund von Verwitterungsspuren darauf schließen, daß die Gruppe sehr lange gestanden haben muß gungen hin – bauforscherisch und archäologisch zu untersuchen und die noch vorhandenen Spuren von Ausstattungen zu dokumentieren (Abb. 29). Bereits in der ersten Kampagne wurde deutlich, daß sich die Baugeschichte der Faustina-Thermen in mehreren Phasen vollzogen hat. Aufgrund von gezielt angelegten Schnitten im Fundamentbereich ist davon auszugehen, daß der Musensaal mehrfach Veränderungen erfahren hat, die bis in die Spätantike hinein erfolgt sein dürften. Die in der früheren Forschung geäußerte Annahme, daß der Musensaal später an das Apodyterium/Ambulacrum angefügt und der Thermenbau damit insgesamt früher zu datieren sei, konnte eindeutig widerlegt werden. Mit den Skulpturen des Musensaals hatte sich in den 1990er Jahren bereits C. Schneider auseinandergesetzt. Insbesondere mit den späteren Bearbeitungsspuren und Veränderungen, die von C. Schneider nur am Rande behandelt worden waren, befaßten sich im Herbst 2006 erneut A. Scholl (Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz) und O. Dally (DAI, Zentrale), die die drei Statuen in der Berliner Antikensammlung und die 17 Statuen im Archäologischen Museum in Istanbul begutachteten. Alle Skulpturen aus dem Kontext der Faustina-Thermen wurden von I. Geske und D. Johannes photographisch dokumentiert. Bemerkenswert ist, daß aufgrund von Verwitterungsspuren der Schluß gezogen werden kann, daß einige Statuen auch noch zu einem Zeitpunkt gestanden haben müssen, als Teile der Thermengewölbe bereits eingestürzt waren. Diese Veränderungen, die z. T. aufgrund von Beobachtungen an den Statuen in eine bestimmte relative zeitliche Abfolge gebracht werden können, lassen darauf schließen, daß die Skulpturen über einen langen Zeitraum hinweg immer wieder an neue Sehgewohnheiten angepaßt worden sind (Abb. 30). Kooperationspartner: Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz (A. Scholl, M. Maischberger); Lehrstuhl für Informatik der Universität zu Köln (U. Lang, Th. van Reimersdahl) • Förderung: Gerda Henkel Stiftung • Leitung des Projekts: O. Dally • Mitarbeiter: P. Schneider (Bauforschung) • Abbildungsnachweis: P. Schneider (Abb. 28. 29); Antikensammlung Berlin, J. Laurentius (Abb. 30). 22 Jahresbericht 2006 des DAI Didyma (Türkei), Archaischer Apollontempel Die Bearbeitung des archaischen Apollontempels (›Tempel II‹) in Didyma ist ein Forschungsvorhaben im Rahmen der Schwerpunktsforschung »Das Heiligtum in Didyma von den Anfängen bis in spätarchaische Zeit« (2004–2008) unter der Grabungsleitung von A. Furtwängler von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Bis 2005 leiteten P. Schneider (Fachhochschule für Technik in Stuttgart) und U. Dirschedl (DAI, Zentrale) das Projekt gemeinsam; die Aufarbeitungskampagne 2006 führte U. Dirschedl alleine durch, zusammen mit einem Team von Architekturstudenten der Fachhochschule Stuttgart, der Mimar Sinan Universität in Istanbul und der Bergischen Universität Gesamthochschule Wuppertal. An der wissenschaftlichen Aufarbeitung des Tempels wirken auch V. Kästner (Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz) sowie A. Ohnesorg (Lehrstuhl für Baugeschichte der Technischen Universität München) mit, die jeweils die ionischen Volutenkapitelle sowie die Marmordachziegel des Tempels bearbeiten. Ziel des Vorhabens ist es, diesen Tempel, Stätte eines über die Grenzen Ioniens hinaus bedeutenden Orakelkultes, seiner Signifikanz für die ionische Baukunst entsprechend angemessen wissenschaftlich zu publizieren – ein lange überfälliges Desiderat. Zumal die Überreste des archaischen Apollontempels – die Fundamente im Hof des hellenistischen Tempels (Abb. 31) und die wenigen Architektur- und besonders qualitätvollen Skulpturfragmente (Abb. 32), die bei den gewaltigen Räumungsarbeiten unter der Leitung von T. Wiegand und H. Knackfuß zu Beginn des 20. Jhs. zutage gekommen waren, – im Rahmen der 1941 erschienenen aufwendigen Publikation des hellenistischen Tempels lediglich auf einigen Seiten kurz vorgestellt wurden. Auf dieser ver- Abb. 31 Didyma (Türkei), der Apollontempel in einer Ballonaufnahme. Im westlichen Hofbereich des hellenistischen Tempels sind die etwas kleiner dimensionierten Adytonfundamente des archaischen Tempels zu erkennen, die wiederum die Fundamente des hellenistischen Naiskos und dessen Vorgänger einrahmen Zentrale in Berlin 23 Abb. 32 Didyma (Türkei), Pergamonmuseum Berlin. Kopf und Oberkörper einer der Koren der sog. columnae caelatae (reliefierte Säulentrommeln) Abb. 33 Didyma (Türkei), archaischer Apollontempel. Säulentrommelfragment aus Mergel mit durch Grate getrennten Kanneluren gleichsweise spärlichen Materialgrundlage, lediglich ergänzt durch einzelne der im Pergamonmuseum magazinierten Bauglieder, versuchte G. Gruben in einem 1963 veröffentlichten umfangreichen Aufsatz erstmals eine zwangsläufig hypothetische Rekonstruktion von Grund- und Aufriß des Tempels. Unberücksichtigt blieb dabei die große Anzahl der von H. Knackfuß nur beiläufig erwähnten sog. Porosbauglieder des Tempels, wie z. B. rund 150 Säulentrommelfragmente (Abb. 33) aus der ›Alten Grabung‹, an deren Zugehörigkeit zum ›Tempel II‹ wegen der Abmessungen, Technik und Qualität der Ausführung kein Zweifel bestehen kann, sowie eine beträchtliche Anzahl weiterer in den letzten vier Jahrzehnten in Didyma entdeckter Architekturglieder, z. B. in den Fundamentrosten der Süd- und Nordperistasen des hellenistischen Tempels verbauter bzw. verfüllter, außerordentlich qualitätvoller Bauglieder aus Marmor und Mergel/Kalkstein – darunter auch zahlreiche Bruchstücke der Spiren und Tori der ionischen Säulenbasen. Die möglichst vollständige Materialaufnahme im Steinmagazin in Didyma sowie in den Magazinen des Pergamonmuseums ist Grundlage für die katalogmäßige, durch Zeichnungen und Photographien ergänzte Vorlage der Bauglieder und Bauskulptur sowie für ihre typologische, stilistische und chronologische Einordnung, für die Rekonstruktion und Interpretation der einzelnen Bauglieder und die Diskussion ihrer Zuordnung am Bauwerk sowie schließlich für die Diskussion der Grund- und Aufrißrekonstruktion des Tempels. In der Kampagne 2006 wurde die 2003 begonnene systematische Katalogisierung und zeichnerische Aufnahme der Architekturfragmente, z. B. Säulentrommel-, Säulenbasis-, Quader- und Kymafragmente (Abb. 34 a–c) aus Marmor und Kalkstein/Mergel, fortgesetzt – neben den unerläßlichen grabungsbegleitenden Dokumentationsarbeiten der in den alljährlichen Sondagen im Tempelareal freigelegten Architektur; von zahlreichen signifikanten Architekturfragmenten sind maßstäbliche Zeichnungen angefertigt worden (Abb. 35). Seit 2003 konnten Hunderte von Baugliedern identifiziert, zugewiesen und katalogmäßig erfaßt und vermessen, ihr Material, ihre Erhaltung, Form, technischen Details, Werkspuren und ggf. Farbreste beschrieben und dokumentiert werden. Da das Hauptaugenmerk der Untersuchung in den verschiedenen Kampagnen jeweils einzelnen Baugliedern galt, ergab sich aus diesem detaillierten Studium eine Reihe neuer Beobachtungen. Ein bemerkenswerter Neufund kam 2006 in einer Sondage auf der Nordseite des hellenistischen Tempelfundaments zutage: Ein bislang singuläres Fragment einer Säulentrommel aus Mergel mit dem Ausschnitt eines Wagenlenkers im Flachrelief, das in Machart, Material und Abmessungen den beiden in der alten Grabung entdeckten reliefierten Säulentrommelfragmenten mit Schiffsdarstellungen auffallend nahe steht, kann mit großer Wahrscheinlichkeit dem Tempel zugewiesen werden. Die zeichnerische Aufnahme der Bauskulptur in den Magazinen des Pergamonmuseums in Berlin hat U. Dirschedl bereits im Sommer 2005 begonnen. Das sog. Didymaion gilt schon seit seiner Auffindung zu Beginn des 20. Jhs. neben den beiden berühmten Dipteroi im Heraion in Samos sowie dem älteren Artemision in Ephesos als einer der bemerkenswertesten ionischen Tempel des 6. Jhs. in Kleinasien und wirkt in einzelnen konzeptionellen, typologischen und stilistischen Besonderheiten bis in die hellenistische Architektur nach. Da sich die Bauglieder des Tempels im Vergleich zu den anderen ionischen Tempeln in seltener Vollständigkeit erhalten haben, sind vielversprechende Ergebnisse für die Kenntnis der archaischen ionischen Baukunst zu erwarten. 24 Jahresbericht 2006 des DAI 34 b 34 a 34 c Didyma (Türkei), archaischer Apollontempel Abb. 34 a–c Ionisches Kymafragment A 1857 aus Mergel in einer maßstäblichen Zeichnung Abb. 35 Mitarbeiter (C. Einicke, N. Șen) des Teams bei der zeichnerischen Aufnahme von Architekturfragmenten 35 Kooperationspartner: Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz (V. Kästner); Lehrstuhl für Baugeschichte und Bauforschung der Technischen Universität München (A. Ohnesorg) • Leitung des Projekts: U. Dirschedl • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: F. Aydın, C. Einicke, M. Läpple, N. Şen • Abbildungsnachweis: K. Tuchelt (Abb. 31); H. R. Goette (Abb. 32); P. Grunwald (Abb. 33); U. Dirschedl (Abb. 34. 35). Die hellenistischen Stadtmauern von Pergamon (Türkei) Als Teil des neuen Forschungsprogramms der Pergamongrabung zur Urbanistik und zum Gesamtorganismus der hellenistischen Stadt befaßt sich das Unternehmen mit den zwei Mauerringen, durch welche die Stadt in hellenistischer Zeit neu befestigt bzw. beträchtlich vergrößert worden ist. Sie werden Philetairos (281–263 v. Chr.), dem Begründer der Attaliden-Dynastie und Eumenes II. (197–159 v. Chr.), in dessen Regierungszeit das Herrschaftsgebiet seine größte Ausdehnung erreichte, zugeschrieben. In weiten Strecken sind die Mauern heute nur noch bis zur Geländeoberkante erhalten, wodurch zumindest ihr Verlauf gesichert ist. Aufrecht stehen sie immer nur noch dort, wo sie als Hang- oder Wegestützmauer dienen konnten. Der am besten erhaltene Abschnitt der ›Eumenischen Befestigung‹ befindet sich an der Nordostseite der Akropolis (Abb. 36). Zentrale in Berlin 25 Abb. 36 Die hellenistischen Stadtmauern von Pergamon (Türkei), Nordostmauer der Akropolis Da die Kenntnis über die Entwicklung der antiken Wehrarchitektur in den vergangenen Jahrzehnten fortgeschritten ist, läßt sich der bauarchäologische Befund nicht mehr ohne weiteres mit der Zuweisung zu den beiden genannten Herrschern in Übereinstimmung bringen (s. W. Raeck, IstMitt 54, 2004, 23. 24), was genug Anlaß für eine Neuuntersuchung der pergamener Befestigungen gab. Nach der Freilegung der Stadtmauern, die unter W. Dörpfeld, C. Schuchhardt, H. Thiersch, W. Kolbe und A. Conze zwischen 1899 und 1901 sowie 1906 durchgeführt worden war, publizierte letzterer die Ergebnisse der Ausgrabungen 1913 in den AvP I 2 »Stadt und Landschaft«. In die Arbeit gingen auch die Untersuchungen von R. Bohn ein, die dieser bereits 1886 auf »sechs kostbaren Blättern« zusammenfassend dargestellt hatte, jedoch wegen seines frühen Todes nicht mehr veröffentlichen konnte. Seit dieser Zeit haben an verschiedenen Stellen immer wieder räumlich begrenzte, kleinere Untersuchungen und Restaurierungen an den Befestigungen stattgefunden. Ein wichtiger Arbeitsschritt ist es daher, die bisherigen punktuellen Forschungen zusammenzuführen und zu verdichten, um damit ein vollständigeres Bild von den hellenistischen Befestigungen zeichnen zu können, als das bisher möglich war. In der ersten Kampagne 2006 war es deshalb notwendig, einen neuen Lageplan der Mauern zu erstellen, da zwischen dem Plan, der 1913 in dem oben genannten AvP-Band publiziert worden ist, und der topographischen Karte, die B. Schlüter und K. Nohlen 1973 veröffentlicht haben (s. K. Nohlen – B. Schlüter, Topographische Karte von Pergamon 1 : 2500, Aufnahme der antiken Bauten durch die Pergamongrabung [Bonn 1973]), z. T. erhebliche Unterschiede in der Darstellung der Grundrisse der Tore und in der Lage der Mauern bestehen. Mit Hilfe eines Differential-GPS-Gerätes konnten die gesamten Mauern neu aufgenommen werden. Dabei ging es vor allem darum, Lage und Dicke der Kurtinen sowie die Grundrisse der Türme und Tore zu überprüfen. Schon früher war festgestellt worden, daß die einzelnen Kurtinen unterschiedliche Mauerdicken aufweisen (s. M. Klinkott, IstMitt 54, 2004, 147–159). Man vermutete, daß die Mauern am Fluß, wo das Gelände flacher wird, aus fortifikatorischen Gründen stärker gebaut worden sind. Bei der Neuaufnahme konnte festgestellt werden, daß die Mauer- 26 Jahresbericht 2006 des DAI Abb. 37 Die hellenistischen Stadtmauern von Pergamon (Türkei), ›Eumenisches Tor‹ zur Zeit der Ausgrabung mit W. Dörpfeld (rechts) dicke nahezu kontinuierlich von 1,85 m oben am Berg auf bis zu 2,75 m in den südlichen Bereichen am Fluß zunimmt. Der Lageplan dient zudem als Grundlage für die Entscheidung, wo detaillierte Untersuchungen anzusetzen sind. Grundlage hierfür bilden verformungsgetreue Bauaufnahmen in verschiedenen Maßstäben. In diesem Jahr wurden die Untersuchungen am Südtor, dem sog. Eumenischen Tor (Abb. 37), fortgesetzt und am ›Oberen Nordwesttor‹ (Abb. 38) begonnen. Dabei konnte festgestellt werden, daß nicht nur das ›Eumenische Tor‹ in mehreren Bauphasen errichtet wurde, sondern auch das ›Obere Nordwesttor‹ mindestens zwei Bauphasen aufweist. Wie die Bauphasen allerdings zu deuten sind, müssen die Untersuchungen der nächsten Kampagnen zeigen. Kooperationspartner: Geodätisches Institut der Universität Karlsruhe (J. Zimmermann) • Leitung des Projekts: J. Haberkorn (Bauforschung, Teilprojekt »Hellenistische Stadtmauern«), F. Pirson (DAI, Abteilung Istanbul, Leiter der Pergamongrabung) • Abbildungsnachweis: D-DAI-IST-PE94163-4, E. Steiner (Abb. 36); D-DAI-ATH-Perg288 (Abb. 37); D-DAI-ISTPE06 Architektur 4161, J. Haberkorn (Abb. 38). Abb. 38 Die hellenistischen Stadtmauern von Pergamon (Türkei), Tangentialmauer des ›Oberen Nordwesttores‹ Zentrale in Berlin 27 Abb. 39 Selinus (Türkei), Şekerhane Köşkü. Kaiserzeitlicher Bau mit Sockelmauerwerk aus Ufersedimentgestein und darüber liegenden Marmorblöcken der Cella und Vorhalle sowie der seldschukischen Verkleidung Abb. 40 Selinus (Türkei),Şekerhane Köşkü. Tonnenüberwölbter Raum im Sockelgeschoß mit ›doppelgeschossigen‹ Lichtschlitzen an der Rückwand Selinus (Türkei) Im Jahr 2006 ist die Erforschung eines kaiserzeitlichen, heute als Şekerhane Köşkü bezeichneten Gebäudekomplexes in der zu Westkilikien gehörenden antiken Stadt Selinus (Provinz Antalya) fortgeführt worden. Möglicherweise wurde die Anlage als Kenotaph für den – nach Cassius Dio – 117 n. Chr. in Selinus verstorbenen Kaiser Trajan errichtet. Im frühen 13. Jh. n. Chr. bauten die Seldschuken den Komplex zu einem Jagdschloß um und nutzten diesen von ihrer Sommer residenz in Alanya aus. Neben der Dokumentation und Aufschlüsselung der einzelnen Bauphasen ist das Ziel der Untersuchung dieses Gebäudekomplexes, Aussagen über seine ursprüngliche Gestalt zu treffen sowie seine Zweckbestimmung zur Erbauungszeit zu klären. Die Fortführung der im Jahr 2005 begonnenen Bauaufnahme erbrachte vertiefende Erkenntnisse zu Konzeption und Ausführung des Gebäudes, das in einem ausgedehnten, von marmorinkrustierten, teilweise zweischiffigen Säulenhallen umgebenen Hof steht. Das Sockelgeschoß des kaiserzeitlichen Baus umfaßt zwei tonnenüberwölbte Räume und wurde sorgfältig in abwechselnden Schichten aus stehenden und liegenden Quaderplatten errichtet, die aus dem lokal anzutreffenden Ufersedimentgestein bestehen. Die heutige Sockelverkleidung aus großen Blöcken unterschiedlichen Formats besteht z. T. auch aus diesem Gestein, z. T. aus hellem, mit farbigen Adern durchzogenem Marmor, der ebenfalls lokal ansteht. Es handelt sich hierbei nahezu ausschließlich um Spolien des römischen Gebäudes, die von den Seldschuken für ihren Umbau verwendet wurden, wobei die Marmorblöcke allem Anschein nach von einem tempelartigen Aufbau stammen, der aus einer Cella mit Säulenvorhalle bestand (Abb. 39). In die Front der mittelalterlichen Sockelverkleidung wurden typische Architekturelemente der Seldschuken integriert, wie ein von einer spitzbogigen Tonne überwölbter ¡wŒn sowie eine auf die Plattform des wohl abgeräumten Obergeschosses führende Treppe aus Kragsteinstufen. Zudem finden sich im neu geschaffenen Durchgang zu den Gewölberäumen und z. T. auch an der Fassade in rot und weiß gehaltene geometrische Wandmalereien. In römischer Zeit war der Sockel offenbar mit einem aus weißem Marmor gearbeiteten 28 Jahresbericht 2006 des DAI Selinus (Türkei), Şekerhane Köşkü 42 Abb. 41 Ansicht eines attischen Basisprofils mit Flechtband- und Anthemionverzierung Abb. 42 Architekturfragmente desselben Typs, die sich in ihrer Ausführungsqualität voneinander unterscheiden 41 großformatigen Figurenfries verkleidet, von dem sich Bruchstücke im Museum Alanya befinden. Die besondere Qualität in der Konzeption des kaiserzeitlichen Kerngebäudes mit seinem steil aufragenden Aufbau, die in der Ausführung nicht durchgehend erreicht werden konnte, wird u. a. auch in der heute noch begehbaren mehrläufigen Treppe zwischen Erdgeschoß und Cella sowie in der aufwendigen Belichtung des Treppenhauses und des Raumes unter der Cella deutlich. Vor allem die drei ›doppelgeschossigen‹ Lichtschlitze an seiner Rückwand zeigen ein hohes Maß an geometrischer Komplexität (Abb. 40). Neben der Arbeit in Selinus selbst wurden 2006 die zum Gebäudekomplex gehörenden Architekturfragmente in den Depots des Museums Alanya untersucht. Zum überwiegenden Teil handelt es sich um kleine und kleinste Bruchstücke der verschiedenen Bauglieder, die in ihrer Gesamtheit dennoch klare Rückschlüsse auf den Aufbau und die Dekoration des kaiserzeitlichen Baus zulassen. Deutlich fällt auch hier ein hoher Anspruch auf, der sich in außerordentlich qualitätvoll gearbeiteten Bauteilen widerspiegelt und der dem Gebäudekomplex in der ansonsten eher bescheiden anmutenden Architektur Westkilikiens eine herausragende Stellung zukommen ließ (Abb. 41). Neben den qualitätvollen Stücken finden sich aber auch zahlreiche Bauteile, die in unterschiedlichsten Qualitätsstufen gearbeitet sind und neben möglicherweise stadtrömischen auf lokale Handwerker hindeuten könnten (Abb. 42). Kooperationspartner: Museum Alanya (S.Türkmen); DAI, Abteilung Istanbul • Leitung des Projekts: A. Hoffmann, C. Winterstein • Mitarbeiter: C. Brünenberg • Abbildungsnachweis: C. Winterstein (Abb. 39–42). Romuliana-Gamzigrad (Serbien) Die seit Juli 2005 bestehende serbisch-deutsche Kooperation zur Erforschung des spätantiken Kaiserpalastes Felix Romuliana bei Gamzigrad in Ostserbien wurde im Sommer 2006 mit einer Kampagne fortgesetzt. Neben den von G. Sommer von Bülow (DAI, Römisch-Germanische Kommission) geleiteten archäologischen Arbeiten (s. auch hier S. 88–90) konnte die bauforscherische Dokumentation der Umfassungsmauer und der Innenbauten der Palastanlage weitgehend abgeschlossen werden. Es liegen nun von allen Innenbauten Bauaufnahmepläne der Grundrisse im M. 1 : 100 vor (Abb. 43). Diese wurden in einen AutoCAD-Plan der Gesamtanlage integriert, der neben den Umfassungsmauern auch die Umgebung des Palastes mit den Sondagen und die Grabanlagen auf dem ca. 1000 m östlich des Palastes gelegenen Hügel Magura umfaßt. Ziel ist es, aufbauend auf dem AutoCAD-Gesamtplan, ein generalisiertes 3D-Modell des Baubestandes zu erstellen, das die Grundlage für Zentrale in Berlin 29 Abb. 43 Romuliana-Gamzigrad (Serbien), spätantiker Kaiserpalast. Bauaufnahme des Grundrisses des ›Palastes 1‹, des ›Kleinen Tempels‹ und des ›Palastes 2‹ im Original im Maßstab 1 : 100. Im Südwesten werden die erhaltenen Mauern des ›Palastes 1‹ von zwei Basiliken überlagert. Im Osten ist deutlich zu erkennen, daß die Anlagen zwischen ›Palast 1‹ und dem ›Kleinen Tempel‹ einer späteren Phase angehören, da sie alle an die Mauern des Palastes 1 angesetzt sind (M. 1 : 1000) Abb. 44 Romuliana-Gamzigrad (Serbien), spätantiker Kaiserpalast. Blick von Südwesten auf die kleeblattförmigen Triklinienräume des ›Palastes 1‹ und den ›Kleinen Tempel‹. Deutlich ist zu erkennen, daß die Anlagen um den Peristylhof im Vordergrund in einer anderen Mauertechnik ausgeführt sind und einer späteren Ausbauphase angehören die Rekonstruktionsüberlegungen der einzelnen Bauphasen darstellt. Da die einzelnen Bauphasen des Palastes besonders für die Spätantike noch nicht abschließend geklärt sind, wurde mit der Erstellung einer Mauertypologie begonnen. Es zeigte sich dabei deutlich, daß die spätantiken Innenbauten nicht aus einer Phase stammen, sondern sich mindestens zwei, vermutlich sogar drei Bauphasen unterscheiden lassen (Abb. 44). Über die Module der verwendeten Ziegel, die Steinformate, die verwendeten Steinsorten und die Ausbildung der Ziegellagen lassen sich deutlich zwei Mauerarten unterscheiden, die mit den beiden Phasen der Umfassungsmauern in Verbindung gesetzt werden können. Dies legt die Vermutung nahe, daß auch die Innenbauten mindestens in zwei Phasen entstanden sind. Nach der vorläufigen Auswertung scheint die Hauptausbauphase des Palastes, die den ›Palast 1‹ mit den Repräsentationsräumen sowie den großen Tempel in der Südhälfte umfaßt, zeitgleich mit dem Neubau der zweiten Mauer zu sein. Da diese über ein Relief sehr genau 30 Jahresbericht 2006 des DAI Abb. 45 Romuliana-Gamzigrad (Serbien), spätantiker Kaiserpalast. In einem der Türme des Westtores sind dekorierte Bauteile des Palastes ausgestellt. Ein deutlicher Unterschied läßt sich an Dekor, Ausarbeitung und Qualität der Bauteile aus Marmor und der Bauteile aus dem einheimischen basaltähnlichen Andesit und Kalkstein feststellen, aus dem auch die Baudekoration der Umfassungsmauer gearbeitet ist in die Jahre 305–306 zu setzen ist, dürfte die Hauptausbauphase im Inneren des Palastes ebenfalls an den Anfang des 4. Jhs. n. Chr. zu datieren sein. In der Sommerkampagne 2006 konnte auch mit der Bearbeitung der Bauornamentik durch G. Breitner begonnen werden. Die Arbeiten bauen auf den Untersuchungen von M. Čanak Medić auf, die 1978 einen Katalog mit 66 dekorierten Baugliedern der Umfassungsmauer vorlegte. Die erste Sichtung ergab, daß die weitaus größte Zahl der dekorierten Bauglieder bislang unpubliziert ist. Es handelt sich dabei um ca. 350 Bauglieder bzw. Fragmente von Bauteilen. Dabei ließ sich eine überraschend hohe Anzahl von Baugliedern aus inselgriechischem und kleinasiatischem Marmor feststellen, die größtenteils von hoher Qualität sind (Abb. 45). Neben dem importierten Marmor fand hauptsächlich der einheimische basaltähnliche Andesit und Kalkstein Verwendung. Das Erscheinungsbild dieser Bauteile weicht deutlich von den Marmorgliedern ab, und es lassen sich hier Unterschiede in Qualität, Stil und Typus ausmachen. Die Arbeiten sollen in den nächsten zwei Jahren im Rahmen eines Forschungsstipendiums fortgesetzt werden. Zu untersuchen ist dabei, ob ein homogenes Formenrepertoire der Bauglieder eine einheitliche Produktion für einen Baukomplex oder eine Bauphase innerhalb des Palastkomplexes erkennen läßt. Gleichzeitig ist nach der Herkunft und zeitstilistischen Stellung der dekorierten Bauglieder aus Marmor zu fragen. Es soll geprüft werden, ob durch typologische Herleitung Werkstattgruppen festzustellen sind, die auf Einflüsse großstädtischer Produktionen (Thessaloniki, Rom) oder auf typologische Vorläufer anderer Regionen schließen lassen. Es gilt hierbei, ihre Abhängigkeiten zu externen Traditionen und den Grad der Nachbildung zu untersuchen bzw. eigenständige lokale Traditionen herauszuarbeiten, um so auch neue Datierungsansätze zu gewinnen. Felix Romuliana steht seit 2005 auf der Nominierungsliste als UNESCO Weltkulturerbe. Dem Schutz und der Präsentation der Anlage für ein breites Publikum kommt damit große Bedeutung zu. Die Mitarbeit an der Erarbei- Zentrale in Berlin 31 46 a 46 b Abb. 46 a–c Romuliana-Gamzigrad (Serbien), spätantiker Kaiserpalast. Als Ergebnis des deutsch-serbischen Workshops zu Schutzbauten für Felix Romuliana im Sommer 2006 sind erste Ideen für einen Schutzbau für den reich mit Mosaiken ausgestatteten ›Palast 1‹ entstanden. Grundgedanke der Architekturstudenten war es, die ursprüngliche Raumkonzeption des Palastes durch die Anordnung abstrahierter Kuben wieder erlebbar zu machen 46 c tung von Konzepten für ein Site-Management und für Schutzbauten bildet einen weiteren Bereich der deutsch-serbischen Kooperation. Neben den Vermessungs- und Bauaufnahmearbeiten fand 2006 ein Workshop mit serbischen und deutschen Architekturstudenten statt, der von D. Jäger (Lehrstuhl Bauen im Bestand der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus) geleitet wurde. Aufgabe war, in unterschiedlichen Arbeitsgruppen ein Gesamtkonzept für die Präsentation der Anlage, Schutzbauten für den reich mit Mosaiken ausgestatteten Palast 1 (Abb. 46 a–c) und die beiden Mausoleen auf Magura, einen Eingangspavillon im Bereich des Tetrapylons und ein bewegliches Café zu erarbeiten. Die Pläne und Modelle der Entwürfe der Studenten wurden am letzten Tag in einer kleinen Ausstellung präsentiert und sollen in einer Broschüre veröffentlicht werden. Kooperationspartner: DAI, Römisch-Germanische Kommission (G. Sommer von Bülow); Lehrstuhl für Vermessungskunde der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus; Archäologisches Institut der Akademie Belgrad; Institute for the Protection of Cultural Monuments of Serbia; Museum Zaječar • Leitung des Projekts: U. Wulf-Rheidt (Bauforschung), G. Sommer von Bülow (Archäologie) • Abbildungsnachweis: DAI, Zentrale, Architekturreferat (Abb. 43); P. Grunwald (Abb. 44. 45); U. Wulf-Rheidt (Abb. 46 a–c). 32 Jahresbericht 2006 des DAI Tayma (Saudi-Arabien) Die Oasenstadt Tayma liegt im Nordwesten der arabischen Halbinsel. Als Ausgangspunkt von Karawanen erscheint der Ort bereits in assyrischen Quellen des 8. Jhs. v. Chr. Reichlich Wasser hielt ein See bereit, der sich im Norden der landwirtschaftlichen Flächen erstreckte und noch bis zum Beginn des 2. Jts. n. Chr. bestand. Siedlungskern, landwirtschaftliche Flächen, in Teilen der See und weitere Areale waren von langen Mauerzügen umfaßt und so gegenüber der Wüste abgegrenzt (Abb. 47). Nabonid, der letzte babylonische König, wählte Tayma in der Mitte des 6. Jhs. v. Chr. für zehn Jahre zu seiner Residenz, die er auch entsprechend ausgebaut haben soll. Die antike Stätte wird seit 2004 von dem DFG-Projekt Tayma an der Orient-Abteilung auf breiter Basis untersucht (s. auch S. 175–177). Im Frühjahr 2005 widmete sich ein erster Survey der systematischen Betrachtung der Maueranlage, die seit Februar 2006 im Rahmen eines eigenständigen, von der Fritz Thyssen Stiftung geförderten Projekts des Lehrstuhls für Baugeschichte der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus und des Architekturreferats der Zentrale des DAI bauforscherisch untersucht wird. Ziel der Forschungen ist es, den Mauerverlauf und den konstruktiven Aufbau der einzelnen Abschnitte zu ermitteln und zu dokumentieren, strukturelle Fragen der Anlage – Durchgänge, Zugänge, Öffnungen, Anbauten – zu klären und Hinweise für die zeitliche Entwicklung des Mauersystems zu erlangen. Zu diesem Zweck wurde im März sowie von Mitte November bis Mitte Dezember 2006 jeweils eine Kampagne durchgeführt. In einem Aufmaßsurvey, bei dem signifikante Beobachtungen entlang der Mauerzüge notiert und in einem zweiten Schritt aufgemessen wurden, konnten auf diese Weise inzwischen zwei Drittel der insgesamt mehr als 15 km langen Mauern, die aufgrund der Sandverwehungen zumeist nur mit ihren Kronen zu sehen sind, erfasst werden (Abb. 48). Im Verlauf des Mauersurveys ergaben sich so erste konkrete Anhaltspunkte für die Existenz einer regelmäßigen Beturmung entlang der westlichen Mauerzüge. Auf dem Areal nordwestlich des alten Siedlungskerns jenseits des Wadis zeichnete sich anhand der sichtbaren Mauerreste eine eigenständige räumliche Struktur ab, die es im Kontext der Siedlungsstruktur noch zu un- Abb. 47 Tayma (Saudi-Arabien), Maueranlage der Oase Tayma (M. 1 : 50 000) Zentrale in Berlin 33 Abb. 48 Tayma (Saudi-Arabien), westlicher Arm der Maueranlage von Tayma. Blick nach Nordwesten Abb. 49 Tayma (Saudi-Arabien), Ausführung der Lehmmauer im Süden der Maueranlage mit kastenartigen Hohlräumen tersuchen gilt. Hinsichtlich der Verwendung von Lehmziegeln zeigte sich deutlich, daß dieses Material beschränkt auf den engeren Umkreis um den zentralen Siedlungskern zum Einsatz kam. Markant ist an einigen Mauerzügen der Aufbau aus gleichartigen Segmenten. Konstruktive Beobachtungen zu Fugen, Nischen und Öffnungen erlauben schließlich die Identifikation von bislang mindestens sechs unterschiedlichen Mauertypen, deren Verhältnis zueinander noch zu klären bleibt. Begrenzte Sondagen wurden in beiden Kampagnen durchgeführt und dienten dazu, unklare Situationen zu klären, typische Befunde exemplarisch herauszuarbeiten und Hinweise zur Datierung zu liefern. Ein Schwerpunkt lag in der zweiten Kampagne auf der Untersuchung der Lehmkonstruktionen und der dabei realisierten Lehmziegelverbände. Ein gemeinsames Merkmal und eine Besonderheit der unterschiedlichen Ziegelverbände an den taymanitischen Mauern ist die Aussparung von Hohlräumen, die in mehreren Varianten zu beobachten war (Abb. 49). Möglichkeit zur vergleichenden Betrachtung der in Tayma festgestellten konstruktiven Besonderheiten im Kontext anderer, benachbarter nordwestarabischer Oasensiedlungen boten eintägige Exkursionen, die mit Genehmigung der saudi-arabischen Antikenverwaltung im Frühjahr nach Khuraybah (al-Ula/Dedan) und im Herbst nach Siyani und nach Qurayyah (beide bei Tabuk) unternommen werden konnten. Kooperationspartner: Lehrstuhl für Baugeschichte der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus (K. Rheidt); DAI, Orient-Abteilung, DFG-Projekt Tayma (R. Eichmann, A. Hausleiter, Th. Götzelt) • Förderung: Fritz Thyssen Stiftung • Leitung des Projekts: P. Schneider • Mitarbeiter: A. Beuger (FU Berlin), A. Frei (BTU Cottbus), D. Keller (TH Karlsruhe) • Abbildungsnachweis: Saudi Geological Survey 10097-WSA-62, Zeichnung über Luftbild 1956, P. Schneider (Abb. 47); P. Schneider (Abb. 48); M. Cusin (Abb. 49). Lissos (Albanien) Im Sommer 2006 fanden erstmalig deutsch-albanische Ausgrabungen in Lezha im Norden Albaniens statt (Abb. 50). Das Projekt gilt der Erforschung des hellenistischen Lissos (ca. 323–80 v. Chr.) und wird von der DFG im Rahmen 34 Jahresbericht 2006 des DAI Abb. 50 Lissos (Albanien), Blick über den Fluß Drin auf den ›Skanderbeg-Park‹, der einen Teil des antiken Lissos einschließt. Im Zentrum liegt die durch einen Schutzbau überdachte Nikolauskirche, links davon die Grabungsbereiche A und C, rechts davon – bereits außerhalb der Stadtmauer – der Grabungsbereich B. Auf dem Berg im Vordergrund befand sich einst in einer Höhe von 160 m die Akropolis der antiken Stadt, die später von der venezianischosmanischen Festung überbaut wurde. Im Hintergrund ist der Berg sichtbar, dessen in einer Höhe von 410 m gelegene Festung Akrolissos das antike Lissos schützte des Schwerpunktprogramms 1209 (»Die hellenistische Polis als Lebensform. Urbane Strukturen und bürgerliche Identität zwischen Tradition und Wandel«) unter dem Titel »Lissos. Urbanistik und sozio-ökonomische Strukturen einer hellenistischen Polis in Illyrien« gefördert. Ob Lissos tatsächlich bereits 385/84 v. Chr. von Dionysios I. von Syrakus als eine seiner Adriakolonien gegründet wurde, wie Diodor (15, 13, 2; vgl. 15, 14, 2) berichtet, oder ob es sich um eine illyrische Gründung des 3. Jhs. v. Chr. handelt, ist in der Forschung noch umstritten. In hellenistischer Zeit war Lissos jedenfalls eine stark befestigte Stadt, deren Bedeutung sich aus ihrer Lage an zwei wichtigen Handelsstraßen sowie aufgrund ihres offenbar für Seeschiffe geeigneten Hafens ergab. Daß sich das durchgehend besiedelte Lissos/Lissus besonders gut für Forschungen zur hellenistischen Zeit eignet, liegt in der dramatischen Geschichte des modernen Lezha begründet. Nach dem schweren Erdbeben von 1979 wurden große Teile der auf dem antiken Territorium liegenden Stadt neu errichtet. Um die Nikolauskirche herum, in welcher der Nationalheld Skanderbeg im Jahr 1444 die albanische Liga gegründet hatte, entstand ein Archäologischer Park (Abb. 50), für den die mittelalterliche Bebauung weitgehend abgetragen wurde und der hervorragende Voraussetzungen für Ausgrabungen bietet. Die albanischen Forschungen in den 1970er und 1980er Jahren widmeten sich vor allem der Stadtmauer, der eindruckvollsten und interessantesten antiken Wehranlage von Albanien, die sich bis zu einer Höhe von 160 m den Berg hinaufzieht. Die Akropolis wurde später von der venezianisch-osmanischen Zitadelle überbaut. Die neuen Ausgrabungen in Lissos konzentrieren sich auf die Erforschung der urbanen Struktur der hellenistischen Stadt. Dafür ist ein neuer Gesamtplan der Stadt mit den heute noch erhaltenen Partien der Stadtmauer erstellt worden, der die alten Pläne von C. Praschniker und A. Schober (1919) sowie F. Prendi (1972) in mehreren wichtigen Details korrigiert. Geophysikalisch untersucht wurden durch die Fa. Eastern Atlas der als Parkgelände zugängliche Teil der Unterstadt sowie zwei Terrassen der Oberstadt. Der kompakte Lehmboden ließ Georadarmessungen nur bis zu einer Tiefe von etwa 1,30 m zu. Störungen durch das neuzeitliche und mittelalterliche Lezha verhindern daher, daß sich so ein vollständiges Bild der antiken Stadt ergibt. Einen Einblick in das Lissos des 1. Jhs. v. Chr. gestattete der Grabungsbereich A unmittelbar neben dem Skanderbeg-Denkmal. Hier wurde ein Zentrale in Berlin 35 51 53 52 Gebäude teilweise freigelegt, das bereits im 1. Jh. v. Chr. mit Scherben von Hunderten von Amphoren aufgeschüttet wurde (Abb. 51). Das Haus gründet stellenweise auf älteren Mauern, die nach ihrer Technik in die frühe Zeit der Stadtmauer zu gehören scheinen. Mehrere Phasen urbanen Wandels im Zentrum der Stadt zeichnen sich hier deutlich ab. Das bereits in den 1980er Jahren ausgegrabene ›Hafentor‹ der Stadtmauer (Grabungsbereich C) wurde erneut freigelegt. Sondagen ergaben, daß östlich davon sogar noch spätrömische Schichten anstehen. Im ›Apsidenbau‹, einem bis in die Spätantike genutzten Thermengebäude, in dem bereits unter albanischer Leitung Ausgrabungen durchgeführt worden waren, fanden lediglich kleinere Untersuchungen statt. In einem der Räume geborgene Keramik des 1. Jhs. v. Chr. weist auf eine deutlich frühere Nutzung dieses Baus hin und stellt die Frage nach der Zeitstellung dieses Baus, der in das ›Südtor‹ (Abb. 52) der Unterstadt eingreift, neu. Gegenstand besonderer Forschungen war die ca. 2200 m lange Stadtmauer mit ihren 14 Türmen und 10 Toren, deren zahlreiche Phasen durch eine zeichnerische Bauaufnahme und detaillierte Beschreibung dokumentiert wurden (Abb. 53. 54). Die Arbeiten innerhalb der antiken Stadt Lissos konnten durch multidisziplinäre Forschungen in ihrem Umland ergänzt werden: Im Küstenbereich wurden 19 Bohrungen durchgeführt, die erste wichtige Ergebnisse zum Ver- Lissos (Albanien) Abb. 51 Grabungsbereich A neben dem Skanderbeg-Denkmal Abb. 52 Das Südtor von Norden mit den Geodäten und Bauforschern bei der Arbeit Abb. 53 Die Akropolis von Lissos, in die venezianisch-osmanische Zitadelle wurden Teile der hellenistischen Stadtmauer mit ihrer polygonalen Werktechnik integriert Abb. 54 Ein Tor der Stadtmauer auf der Nordseite der Oberstadt mit Blick in die Ebene und das Küstengebirge 54 36 Jahresbericht 2006 des DAI lauf der antiken Küstenlinie, des Flusses Drin und vor allem zur Lage des Seehafens in der Antike erbrachten. Begleitet wurden diese Untersuchungen zudem von einem archäologischen Survey, bei dem zahlreiche Fundorte – darunter bronzezeitliche, ausschließlich aus Steinen errichtete Tumuli sowie eine hellenistische Stadtanlage – aufzunehmen waren, die bisher der Fachwelt kaum oder gar nicht bekannt sind. Diese Ergebnisse bilden die Grundlage für eine systematische Erfassung der archäologischen Denkmäler in der nordalbanischen Küstenebene. Kooperationspartner: Archäologisches Institut der Albanischen Akademie der Wissenschaften; Labor für Geodäsie der Technischen Fachhochschule Berlin; Geographisches Institut der Philips-Universität Marburg • Förderung: Lissos: DFG SPP 1209 • Leitung des Projekts: G. Hoxha, O. Dally, A. Oettel • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: B. Lahi, M. Fiedler, K. Kondo, G. Kosturi, H. Kühne, K. Mato, E. Seriani, B. Shkodra, W. Streblow, A. Tanka (Klassische Archäologie), R. Breuer (Prähistorische Archäologie), H. C. Haas, C. Birke (Bauforschung), U. Rübens, W. Lingemann, K. Schwarzkopp (Geodäsie), C. Meyer, C. Barlieb (Geophysik), H. Brückner, L. Uncu (Geographie) • Abbildungsnachweis: LI-06-3097, A. Oettel (Abb. 50); LI-06-1340, A. Oettel (Abb. 51); LI-06-0951, A. Oettel (Abb. 52); LI-062221, A. Oettel (Abb. 53); LI-06-2200, A. Oettel (Abb. 54). Naturwissenschaftliche Forschungen – Archäozoologie Im Jahr 2006 wurden Untersuchungen an Tierresten auf verschiedenen Ausgrabungen des DAI sowie anderer Institutionen im In- und Ausland durchgeführt. Sie betrafen u. a. Fundmaterialien folgender Orte/Projekte: Pietrele (Rumänien), Aruchlo (Georgien), Tall HujayrŒt al-GhuzlŒn und Tell Zera’a (Jordanien), Begash und Mukri (Kazachstan), Bandixon (Uzbekistan), Tayma (Saudi-Arabien) und Go O Chua (Vietnam). Über ein Projekt wird hier näher berichtet: Die Ausgrabungen auf dem kupferzeitlichen Fundplatz Tall HujayrŒt al-GhuzlŒn bei Aqaba am Roten Meer, einem Projekt der OrientAbteilung des DAI (s. auch hier S. 170 f.), haben ein umfangreiches Material von etwa 42 000 Tierresten geliefert. Dabei handelt es sich zum größten Teil um Knochen und Zähne von Säugetieren. Dazu kommen zahlreiche Schalen von Weichtieren (Muscheln, Schnecken) bzw. deren Fragmente sowie einige wenige Knochen von Vögeln. Insgesamt ließen sich an dem Material 43 Tierarten nachweisen. Unter den Funden der Säugetiere dominieren Reste von Schafen und Ziegen (Abb. 55). Im Gegensatz zu heutigen Verhältnissen Abb. 55 Naturwissenschaftliche Forschungen – Archäozoologie: Tall Hujayrāt al-Ghuzlān (Jordanien). Relative Häufigkeit der nahrungsrelevanten Säugetiere im Fundmaterial (nach dem Fundgewicht) Zentrale in Berlin 37 Abb. 56 Naturwissenschaftliche Forschungen – Archäozoologie: Tall Hujayrāt al-Ghuzlān (Jordanien). Hornzapfen einer Berggazelle – Dominanz der Ziegenhaltung – sind Schafe mengenmäßig häufiger als Ziegen. Nach den Angaben zum Alter und Geschlecht der Tiere kann vermutet werden, daß der Schwerpunkt der Ziegenhaltung auf der Milchgewinnung lag, während Schafe vor allem für die Fleischproduktion gezüchtet wurden. Zu den nachgewiesenen Haustieren gehört auch das Rind. Skelettrepräsentanz und Altersstruktur sprechen für eine Haltung am Ort bzw. in der nahen Umgebung. Ähnlich wie Schafe waren Rinder vor allem als Fleischerzeuger bedeutsam. Eine interessante Materialgruppe bilden Knochen- und Zahnreste von Equiden. Der größte Teil stammt von Eseln, wobei sowohl Wild- als auch Hausesel unter den Funden zu erwarten sind. Eine morphologische Trennung beider Formen ist nicht sicher durchzuführen. Allein der kulturgeschichtliche Gesamtkontext spricht für die Haltung von Hauseseln bzw. deren Nutzung am Ort. Zu dem Jagdwild gehörten vor allem Gazellen (Abb. 56), Kuhantilopen, Steinböcke und Hasen. Bezogen auf die Haustiere beträgt ihr Anteil knapp 10 %. Dies weist auf eine geringe Bedeutung der Jagd für die Nahrungsversorgung am Ort hin. Angesichts der Lage des Platzes nahe am Meer verwundert das völlige Fehlen von Fischknochen im Fundmaterial. Eine schlechte Erhaltung scheidet als Ursache aus. Möglicherweise bestand ein Tabu im Verzehr von Fisch für die hier siedelnden Menschen. Eine zahlenmäßig große Fundgruppe stellen Schalenreste von Schnecken und Muscheln dar. Zu den häufigsten Arten gehören Teufelskralle,Trapez-Bandschnecke und Riesenmuschel. Die großen Schalen dieser Tiere sind gezielt gesammelt und als Rohmaterial für die Herstellung von verschiedenen Schmuckgegenständen am Ort genutzt worden. Unter den Vogelknochen überraschen Nachweise von Arten wie Weißstorch, Bleßralle, Stockente, Tüpfelralle und Teichwasserläufer, die bezüglich ihres Lebensraumes an Feuchtland bzw. stehende Binnengewässer gebunden sind. Ihr Auftreten im Fundmaterial weist auf das zumindest periodische Vorhandensein entsprechender Biotope in der Nähe der Siedlung Tall HujayrŒt al-GhuzlŒn hin. Leitung der Projekte: N. Benecke • Abbildungsnachweis: I. Wagner (Abb. 56). Naturwissenschaftliche Forschungen – 14C-Labor Im Berliner 14C-Labor zur Altersbestimmung wird eine konventionelle Datierung mit Zählrohren vom Houtermans-Oeschger-Typ sowie mit den FlüssigSzintillationszählern Quantulus und ICELS durchgeführt. Die Datierungsgenauigkeit konnte auch im Berichtszeitraum gewährleistet werden. Die 14C-Altersbestimmungen wurden mit hohem Aufwand in der Probenchemie und der kernphysikalischen Meßtechnik weitergeführt. Probleme in der Probenchemie konnten lokalisiert und beseitigt werden. Präzisionsdatierungen wurden durch Sicherung der Langzeitstabilität der 14C-Apparatur und durch aufwendige Analysen zur Fehlererkennung möglich gemacht. Die Datierungsergebnisse des Berliner 14C-Labors haben die zeitliche Einordnung zahlreicher Fundplätze ermöglicht und einen Beitrag beim Aufbau von Chronologiesystemen in vielen Ländern geleistet. Im Berichtszeitraum wurden Datierungen für Projekte in den Ländern Afghanistan, Armenien, Bolivien, Deutschland, Georgien, Iran, Jemen, Jordanien, Pakistan, Rumänien, Rußland, Sri Lanka, Syrien, Türkei, Ukraine und Uzbekistan durchgeführt. Der Analyse von Datenserien kommt eine immer größere Bedeutung zu. Die umfangreiche Datenbank des Berliner 14C-Labors ermöglicht eine schnelle Einordnung der Datierungsergebnisse in die vorhandene Datenbasis. Die Datierungsergebnisse sind aber nur Wahrscheinlichkeitsverteilungen ent- 38 Jahresbericht 2006 des DAI lang der realen Zeitachse. Sie müssen interpretiert werden, um zu schlüssigen Aussagen zu gelangen. Dabei können Modellrechnungen hilfreich sein, die archäologische Informationen mit den Wahrscheinlichkeitsverteilungen entlang der realen Zeitachse verknüpfen. Im Ergebnis gelangt man zu präziseren zeitlichen Aussagen. Zwei Beispiele sollen die Datierungsarbeit demonstrieren. Zahlreiche Datierungen von Materialien aus der Siedlung Sohr Damb/Nal (Pakistan), die von der Eurasien-Abteilung des DAI ausgegraben wird (s. auch S. 245–248), zeigen eine Besiedlung vom Ende des 4. Jts. bis in die 2. Hälfte des 3. Jts. v. Chr. Die vier archäologisch ermittelten Perioden konnten datiert werden. Für die Übergänge zwischen diesen waren durch die umfangreiche Datenbasis und durch zusätzliche Modellrechnungen präzise Zeitangaben zu finden. Zahlreiche Datierungen ermöglichten auch die zeitliche Einordnung einer Siedlung, die nahe dem heutigen Tissamaharama in Sri Lanka von der Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen ausgegraben wird (s. auch S. 217–219). Fünf Siedlungsphasen zwischen dem 4. Jh. v. Chr. und dem 5. Jh. n. Chr. wurden bisher datiert. In einem Projekt zur Verbesserung der Flüssig-Szintillationszähltechnik mit P. Theodorsson (Science Institute, University of Iceland) wird an einer neuen Generation von LSC-Spektrometern gearbeitet. Wir konnten unsere Erfahrungen in der LSC-Probenchemie und der Meßtechnik einbringen. Im Rahmen dieses Projekts wurde die Leistungsfähigkeit des neu entwickelten Gerätes getestet. Die erreichte Meßgenauigkeit machte es möglich, das Gerät für Datierungsaufgaben im Berliner 14C-Labor zu nutzen. Das Gerät ergänzt die vorhandene LSC-Meßtechnik in hervorragender Weise und eröffnet neue Möglichkeiten für 14C-Datierungen. Leitung des Labors: J. Görsdorf. Naturwissenschaftliche Forschungen – Dendrochronologie Das Jahr 2006 lieferte eine Fülle von neuen Hölzern aus allen möglichen Komplexen. Das Spektrum reichte dabei von der erfolgreichen Datierung der durch H. Parzinger neu ausgegrabenen Kurgane von Olon Kurin Gol (Mongolei, s. auch S. 1–7) über diverse mittelalterliche Holzfunde aus den Landesämtern bis zum Ausbau der eigenen lokalen Eichenchronologie in das 8. Jt v. Chr. Das Schwergewicht der dendrochronologischen Arbeit lag im Jahr 2006 auf der Bearbeitung der Hölzer des spätbronze-/früheisenzeitlichen Komplexes von Poggiomarino (Italien). Die Grabung wird unter lokaler Leitung von C. A. Livadie im Auftrag der Soprintendenza Archeologica di Pompei durchgeführt. Durch die sehr gute Erhaltung der Hölzer in der Feuchtbodensiedlung am Sarno liegen hier ausgezeichnete Bedingungen für den Aufbau einer Eichenchronologie für Mittelitalien vor. Insgesamt wurden mehr als 3000 Holzproben geborgen, wovon gegenwärtig mehr als 1200 bearbeitet sind. Es zeichnet sich deutlich ab, daß unter den mediterranen Bedingungen grundsätzlich auch mit Eichenhölzern lange Chronologien aus archäologischem Holz aufgebaut werden können. Die Schwierigkeiten liegen zum einen in der größeren Anzahl unterschiedlicher Eichenarten, wovon z. B. Ilex als immergrüne Eiche wegen überwiegend fehlender Jahrringausbildung völlig ungeeignet ist. Zum anderen wachsen die Bäume unter dem günstigen Klima auf feuchten Standorten ausgesprochen gut und schnell. Das führt zu sehr breiten Jahrringen, die wiederum wenig Wetterinformation und wenig Fälle für die statistischen Vergleiche beinhalten. Der Datierungserfolg hängt daher sehr stark von der Anzahl der verfügbaren Jahrringe ab. Zentrale in Berlin 39 Abb. 57 Naturwissenschaftliche Forschungen – Dendrochronologie: Poggiomarino (Italien). Datierungserfolg in Abhängigkeit von der Jahrringanzahl Bei mehr als etwa 50 Jahrringen lassen sich – durchaus mit mitteleuropäischen Verhältnissen vergleichbar – etwa zwei Drittel der Proben erfolgreich synchronisieren (Abb. 57). Die bisher untersuchten Proben können zu einer 742 Jahre umfassenden Chronologie zusammengeführt werden. Dazu kommen noch einige im Moment nicht sicher zu datierende Mittelwertreihen, die spezielle Einflüsse, z. B. durch Ausbrüche des Vesuvs, oder andere lokale Effekte zeigen. Die Datierung der Chronologie gelang mit Hilfe der Chronologie Nordostfrankreichs des Kollegen W. Tegel (Labor Hemmenhofen), der auch die Vergleiche mit weiteren, bei uns nicht verfügbaren Chronologien aus seinem Arbeitsgebiet ermöglichte (Tab. 1). DC-Labcode Referenz Tab. 1 Statistischer Vergleich der Reihe Poggm3 mit verschiedenen anderen Chronologien. GL % Gleichläufigkeit, WJ % Gleichläufigkeit auf Weiserjahren, t-Holl t-Test nach Hollstein, t-BP t-Test nach Baillie/Pilcher Überlappung GL WJ t-Holl. t-BP Poggm3 Nord-Ostfrankreich 742 63,6 69,5 10,10 11,20 Poggm3 Süddeutschland 742 57,7 61,4 5,10 5,80 Poggm3 Rhein 742 58,4 58,6 4,90 4,90 Poggm3 Bodensee 337 57,4 58,8 4,10 5,00 Poggm3 Main 742 54,8 58,9 3,60 4,60 Poggm3 Zürich 446 55,9 66,7 3,00 2,40 Poggm3 Oberschwaben 386 55,4 71,4 2,90 3,70 Poggm3 Neuchatel 602 54,4 73,7 2,90 3,00 Poggm3 Ostdeutschland 742 54,0 57,0 2,90 2,60 Poggm3 Auvernier 397 55,5 73,7 2,10 2,30 Es zeigt sich, daß eine sehr große Ähnlichkeit zum Gebiet westlich der Alpen besteht, während in den Alpen selbst und nördlich davon die Verhältnisse doch stärker abweichen. Das läßt sich mit dem vorherrschenden Durchzug der Wetterlagen von West nach Ost gut erklären. Die Alpen teilen den Wetterstrom und im Stauraum der Alpen selber bilden sich lokale Situationen aus. 40 Jahresbericht 2006 des DAI Mit der dendrochronologischen Datierung dieser Reihe auf 1485 v. Chr. bis 742 v. Chr. gelingt für diesen Raum und diese Zeit erstmalig der Einstieg in die Absolutchronologie. Bisher ließ sich keine dendrochronologische Reihe für diese Zeit mit dem gut ausgebauten Chronologiesystem nördlich der Alpen fest verknüpfen. Alle anderen prähistorischen Chronologien sind bisher nur über Wiggle-Matching, also 14C-Daten, eingeordnet. Die Chronologie von Poggiomarino ist der erste sichere Vorstoß in diesen Raum. Paradoxerweise sind jetzt die älteren Befunde aus Poggiomarino genauer zu datieren als die vergleichsweise jüngeren berühmten Befunde des benachbarten Pompeji. Die Datierung der Holzfunde aus Poggiomarino ist im Moment der vordergründige Effekt. Langfristig ist natürlich der Ausbau dieser Reihe durch Einbeziehung weiterer Hölzer angestrebt und bildet einen Teil des komplexen geoarchäologischen Projekts zur Rekonstruktion der antiken Kulturlandschaften des Sarno-Beckens unter Leitung von F. Seiler (s. auch hier S. 12–14). Die relativ hoch belegte Reihe bildet einen herausragenden Grundstock für paläoklimatische Untersuchungen und für alle Fragestellungen zum Umgang mit Holz und Wald in dieser Zeit. Darüber hinaus zeigen erste Versuche auch die Aussicht, diese Reihe als Grundlage für die Verknüpfung der Chronologiesysteme mit dem Projekt zum Aufbau der Dendrochronologie in Albanien zu verwenden. Damit erlangt diese Chronologie eine Schlüsselposition zur Chronologie der Bronzezeit im mediterranen Raum und eröffnet Perspektiven zu neuen Forschungen. Leitung des Labors: K.-U. Heußner. Naturwissenschaftliche Forschungen – Archäobotanik Auf mehreren Grabungen des DAI wurden 2006 botanische Proben genommen und direkt auf der Grabung sowie im Labor für Archäobotanik des DAI aufgearbeitet. Archäobotanische Ergebnisse der deutsch-bulgarischen Grabung (DAI, Römisch-Germanische Kommission in Kooperation mit dem Archäologischen Institut der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften in Sofia und dem Historischen Regionalmuseum Ruse) der spätantiken Festung Iatrus-Krivina (Bulgarien) sollen hier näher vorgestellt werden. Das römische Limeskastell Iatrus liegt am unteren Jantra, einem Nebenfluß der Donau, der heutzutage in etwa 1,5 km Entfernung vom Kastell in die Donau mündet. Sämtliche Bausubstanz des Kastellareals ist in der Spätantike völlig vernichtet worden, was zum Vorhandensein von mehreren dicken Zerstörungshorizonten mit teils sehr guter Erhaltung des botanischen Materials geführt hat. Um 600 n. Chr. wurde das Kastell endgültig aufgegeben. Außer Räumen mit wenig und unspezifischem Fundmaterial, die als mögliche Wohnräume gedeutet werden, gab es hier Speicher- und/oder Wirtschaftsräume mit Gruben, Mulden, Vorratsgefäßen, Bretterverschlägen/Getreidekisten aus Buchenholz, Körben aus Weiden- und Haselruten, Mahlsteinen, etc. Die ehemals hier sortenrein gelagerten Vorräte vermischten sich bei der Zerstörung des Kastells. Bei den – für die Ernährung in Form von Brot, Brei, usw. – so wichtigen Getreidearten konnte der anspruchslose Roggen mit dem größten Anteil nachgewiesen werden. Roggen wurde in Europa erst in der vorrömischen Eisenzeit gezielt als Kulturpflanze angebaut, stieg jedoch schon in der römischen Kaiserzeit und Völkerwanderungszeit in vielen Gebieten zum Hauptgetreide auf. Die Ursachen werden in der Ausweitung der kultivierten Ackerflächen auch auf weniger gute Böden gesehen, um den Nahrungsbedarf einer stetig wachsenden Bevölkerungszahl zu decken. In abnehmender Rangfolge folgen in Iatrus Rispenhirse, mehrzeilige Spelzgerste, Kompaktweizen, Nacktweizen und Hafer. Bei den Hülsenfrüchten überwiegen Kleine Zentrale in Berlin 41 Getreide / Hülsenfrüchte total (Gewichtsprozent) Ackerbohne 8,8% Linsenwicke 4,7% Nacktweizen 1,2% Kompaktweizen 2,6% Spelzgerste 24,5 % Rispenhirse 12,2% Abb. 58 Naturwissenschaftliche Forschungen – Archäobotanik: Iatrus-Krivina (Bulgarien). Gewichtsprozentanteile der Getreidearten und Hülsenfrüchte Abb. 59 Naturwissenschaftliche Forschungen – Archäobotanik: Iatrus-Krivina (Bulgarien). Verkohlte Samen der Gartenkresse Roggen 45,9% Ackerbohne und Linsenwicke; erst viel später folgen Linse und Saatplatterbse. Das Verhältnis der nachgewiesenen Hülsenfrüchte zum Getreide liegt vom Gewicht her bei ca. 1 : 6,40 (Abb. 58). Es gibt nur einzelne Nachweise für Faser- und Ölpflanzen, wie Lein und Schlafmohn. Es scheint, daß diese Pflanzen in Iatrus kaum eine Rolle gespielt haben. Auffallend sind die Hinweise auf eine gut entwickelte Gartenkultur: Vielfach nachgewiesen sind Weinrebe und Walnuß, aber auch Pfirsich, Mandel und Süßkirsche. Apfel/Birne, Walderdbeere und die verschiedenen Brombeerarten könnten auch in der Gegend von Iatrus gesammelt worden sein; Kultur- und Wildformen lassen sich auf dieser Materialbasis nicht trennen. In den Proben finden sich viele Nachweise von Pflanzen, die – kultiviert oder gesammelt – als Gemüse, Küchen- oder Heilkräuter benutzt worden sein könnten, wie z. B. Gartenkresse (Abb. 59), Gezähnter Feldsalat, verschiedene Kohlarten, Weißer und Unechter Gänsefuß, Gemüse-Portulak, Wilde Malve, Mangold, Koriander, Schwarzer Nachtschatten oder Spitzwegerich. Interessant ist der frühe Fund von verkohlten Hopfenfrüchten; daß Hopfen schon als Bierwürze eingesetzt wurde, ist möglich, es gibt jedoch dafür noch keinen Beleg. Zur Frage, was in Iatrus selbst angebaut bzw. gesammelt und wieviel importiert wurde, kann festgestellt werden, daß die nachgewiesenen Ackerunkräuter und sonstigen Pflanzenarten den hiesigen Bodenverhältnissen entsprechen und sehr wohl in der Gegend um Iatrus ihren Standort gehabt haben können. Es sollte aber in Betracht gezogen werden, daß die Donau-Ebene ein relativ großes Gebiet mit den gleichen Standortbedingungen umfaßt. Die Nähe zum Transportweg Donau bedeutet letztendlich, daß bei Bedarf relativ leicht die benötigten Mengen an Getreide, Hülsenfrüchten sowie Holz nach Iatrus verschifft werden konnten, wie dies für Tannen- und Buchenholz sicherlich der Fall war. Alle anderen Holzarten, wie das am meisten als Bauholz eingesetzte Eichenholz, aber auch Hölzer wie Ahorn, Linde, Ulme, Hainbuche, Esche 42 Jahresbericht 2006 des DAI und Pappel könnten in den Auen oder dem Hügelland um Iatrus herum geschlagen worden sein. Mit Sicherheit als Import aus dem mediterranen Raum sind einzelne Funde von Olivenkernen und eine Konstruktion aus Feigenholz zu bezeichnen. Auch Olivenöl und wahrscheinlich ebenso Wein werden aus diesem Raum nach Iatrus transportiert worden sein. Insgesamt waren im spätantiken Iatrus über 1,3 Mio. Großreste des sehr gut erhaltenen botanischen Materials zu bestimmen und mehr als 30 unterschiedliche Kultur- und Sammelpflanzen nachzuweisen. Das gab uns die einmalige Gelegenheit, ein realitätsnahes Bild von der Bedeutung der unterschiedlichen Nutzpflanzen für den Speiseplan der Bewohner des Kastell Iatrus zu zeichnen. Leitung des Labors: R. Neef. Bibliotheken und Archive des DAI Die Bibliotheken des DAI haben einen Gesamtbestand von ca. 850 000 Bänden, verteilt auf 11 Standorte. Bisher arbeiten neun Bibliotheken im Bibliotheksverbund ZENON des DAI (s. im Internet unter: opac.dainst.org), die Bibliothek der Abteilung Kairo nahm im Sommer 2006 ihre Arbeit im Verbund auf. Mittelfristiges Ziel ist die retrospektive Eingabe und der gemeinsame Nachweis aller noch nicht elektronisch erfaßten Bestände des DAI. Im Jahr 2006 konnten ca. 400 000 Datensätze der »Archäologischen Bibliographie« in ZENON eingespielt werden, nachdem in den vorhergehenden Jahren schon die »Bibliographie zur Archäologie der Iberischen Halbinsel« sowie die »Bibliographie zur Archäologie Eurasiens« integriert worden waren. Seit Frühjahr 2006 nehmen die Abteilungen Athen und Istanbul aktiv an der Bibliographie teil. Über die Römisch-Germanische Kommission des DAI ist weiterhin die »Bibliographie zur Vor- und Frühgeschichte Europas« abrufbar (Informationen im Internet unter: http://www.dainst.org/index. php?id=3503), die in Kooperation mit anderen deutschen und osteuropäischen Institutionen entsteht. Seit 2006 ist das DAI Kooperationspartner bei dem Projekt für das Informationsportal Virtuelle Fachbibliothek Altertumswissenschaften »Propylaeum«, unter der Federführung der Bayerischen Staatsbibliothek München und der Universitätsbibliothek Heidelberg mit den jeweiligen altertumswissenschaftlichen Sondersammelgebieten. Erstmalig haben die Bibliotheken der Berliner Abteilungen die Aufgabe übernommen, innerhalb von drei Jahren zwei »Fachangestellte für Medienund Informationsdienste« auszubilden. Zum 1. Juli 2006 nahm M. Linder ihre Tätigkeit als Bibliotheksdirektorin auf, im Oktober fand ein Treffen von Bibliotheksleiterinnen und -leitern sowie Bibliothekarinnen und Bibliothekaren aller Bibliotheken des DAI in Berlin statt. Die Arbeitsschwerpunkte für die Jahre 2007/2008 sind u. a. die gemeinsamen Recherchen über alle Bestände des Instituts, die Ausweitung des Angebots an elektronischen Publikationen, die Kooperation mit weiteren internationalen Institutionen sowie die Einbindung in Fachportale. Für die vielfältigen und reichhaltigen Nachlaß- und Autographen-Archive des DAI wurde begonnen, eine Gesamtübersicht zu erstellen sowie die technischen Möglichkeiten der Erschließung auszuloten. Hinsichtlich der durch Forschungscluster 5 »Geschichte des Deutschen Archäologischen Instituts im 20. Jahrhundert« des DAI angestoßenen Forschungen ist der Bedarf sowohl für einen verbesserten Nachweis als auch für die Bestandserhaltung der Materialien deutlich geworden. Dies soll in den kommenden Jahren systematisch realisiert werden. Bibliotheksdirektorin: M. Linder. Zentrale in Berlin 43 Wissenschaftliche Veranstaltungen Hauskolloquien der Wissenschaftlichen Abteilung 8. Februar Der Oxus-Tempel – Ein Heiligtum im Osten der hellenistischen Welt: Gunvor Lindström (Berlin), Der Oxus-Tempel – Die Weihgaben und Votive; Anjelina Drujinina (Berlin), Neue Ausgrabungen im Tempelbereich 15. Februar Peter Baumeister (Berlin) – Dorothea Roos (Berlin), Die Keloşk Kale. Zur baugeschichtlichen Untersuchung eines spätantiken Gebäudekomplexes im türkischen Euphratbogenxxx22. März Valentina Mordvintseva (Simferopol), Der sarmatische Tierstilxxx5. April Zisis Bonias (Kavala), Argilos. Eine griechische Kolonie in Thrakienxxx3. Mai Lorenz Rahmsdorf (Mainz), Zur Ausbreitung vorderasiatischer Innovationen in die frühbronzezeitliche Ägäisxxx17. Mai Mathias Döring (Adenstedt), Wasserversorgung in den phlegräischen Feldernxxx26. Juli Rachel Kousser (New York), Destroying the Power of Images in Roman Germany. Vortragsreihe »Bauforschung im Wiegandhaus« 12. Januar Albert Distelrath (Köln), Herakleia am Latmos. Wohnen in der Ruinexxx16. Februar Jens Birnbaum (Berlin), Didyma. Der Apollontempel und die Timaios-Tonleiterxxx2. März (in Zusammenarbeit mit dem Italienischen Kulturinstitut) Heinz Jürgen Beste (Rom), Agrigent – Neue Forschungen; Maria Grazia Nini (Rom) – Paolo Saracini (Rom), Agrigent – Virtuelle Rekonstruktionxxx6. Juli Andrea Schmölder-Veit (München), Zum Wohl der Stadt. Die öffentliche und private Wasserversorgung in der Republik und der frühen Kaiserzeitxxx20. Juli Hans Rupprecht Goette (Berlin), Choregische Weihgeschenke in Athen. Zeugnisse architektonischer Innovation und demokratischer Selbstdarstellung. Naturwissenschaftliche Forschungen an der Zentrale 29. Mai Stefanie Jacomet (Basel) – Jörg Schibler (Basel), Zum Potential archäonaturwissenschaftlicher Forschungen am Beispiel der neolithischen Seeufersiedlung Arbon Bleiche 3 (Thurgau)xxx19. Oktober Angela Kreuz (Wiesbaden), Bandkeramische Landwirtschaft – Tradition oder Innovation? Archäobotanische Ergebnisse zum Frühneolithikum aus West- und Südosteuropa im Vergleich. Berichte der Wissenschaftlichen Abteilung 13. Januar Hans-Rupprecht Goette, Die antiken Skulpturen im ChryslerMuseum von Norfolk (Virginia). Kolloquien 24. Februar Kolloquium »Neue Forschungen zur Archäologie des nördlichen Schwarzmeerraumes«. – Es sprachen: Alla Buyskihk (Kiev), New Data about the Initial Period of Greek Colonisation in the North-Western Part of the Black Sea; Jochen Fornasier (Berlin), Der Kimmerische Bosporos in archaischer Zeit – Zwischen Kolonisation und Konsolidierung?; Ortwin Dally (Berlin), Der Beginn der griechischen Kolonisation im nördlichen Schwarzmeerraum – Deutsch-russische Ausgrabungen in Taganrog; Yuri Zaytsev (Simferopol), Votivschätze im nördlichen Schwarzmeergebiet (3.–1. Jh. v. Chr.). Chronologie und kulturelle Zuschreibung; Valentina Mordvintseva (Simferopol), Die Sarmaten und die Phaleren des graphischen Stils im nördlichen Schwarzmeergebiet (3.–1. Jh. v. Chr.). Fragen kultureller Zuschreibung; Krysztof Domzalski (Warschau), Terra Sigillata and Red Slip Pottery in the 44 Jahresbericht 2006 des DAI Black Sea Region: Similarities and Differences in Production and Distribution Patterns; Ellen Kühnelt (Berlin), Die Römer auf der Krim. Beobachtungen am Rande; Denis Zhuravlev (Moskau), Roman Lamps in the Northern Pontic Area: Distribution, Imports and Local Production; Vladimir Vlasov, Handmade Pottery of Alma Kermen and the Germanic Elements in Krim’s Culture of the Roman Period; Viktor Mytz, The ›Bergkrim‹ in Late Roman Times. 31. März/1. April Kolloquium »Aizanoi« (in Zusammenarbeit mit der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus). – Es sprachen: Ortwin Dally (Berlin), Begrüßung; Klaus Rheidt (Cottbus), Einführung; Ina Lochner (Köln), Der Siedlungshügel in Aizanoi. Neue Forschungen auf dem Tempelplateau; Dietrich Berges (Hamburg), Hellenistische Tonsiegel aus Aizanoi; Gülşen Dikbaş, Zusammentreffen zweier Keramikgattungen – das Verhältnis zwischen der Grauen Keramik und der roten Glanztonkeramik von Aizanoi; Hans Christoph von Mosch (München), Der Zeus von Aizanoi; Thekla Schulz (Regensburg), Die Gebälk- und Dachkonstruktion des Zeustempels; Kai Jes (Köln), Fest datiert? – Zur Bauornamentik des Zeusheiligtums von Aizanoi; Richard Posamentir (Istanbul) – Michael Wörrle (München), Die Weihinschrift des Zeustempels; Corinna Rohn (Cottbus), Das Theaterstadion; Philip Brize (Regensburg), Skulpturenfragmente aus den Theatersondagen; Friederike Naumann (Köln), Die Thermenanlagen – zeitliche und typologische Einordnung; Michael Wörrle (München); Güler Ateş (Heidelberg), Der Kultplatz in Ilicikören – Neue Forschungen zur Ikonographie der Kybele in der Ainaitis; Philipp Niewöhner (Heidelberg), Aizanoi, Anatolien und der Nahe Osten. Siedlungsentwicklung, Demographie und Klima in Frühchristlicher Zeit; Stefan Blum (St. Georgen), Çavdarhisar – die neuzeitliche Bebauung im Ruinengebiet; Klaus Rheidt (Cottbus), Zur Stadtentwicklung von Aizanoi. 28. bis 30. April Kolloquium »Austausch & Inspiration. Kulturkontakt als Impuls architektonischer Innovation« (Abb. 60). – Es sprachen: Rolf-Dieter Schnelle (Berlin) – Hermann Parzinger (Berlin), Begrüßung; Felix Pirson (Istanbul), Einführung; Wolfram Martini (Gießen), Kykladen oder Zypern? Zur Herkunft des ›kykladischen Mauerwerks‹ in Perge in Pamphylien; Aenne Ohnesorg (München), Der Kroisos-Tempel in Ephesos im Spannungsfeld zwischen Ost und West; Martin Bachmann (Istanbul), Machtdemonstration und Kulturimpuls. Die Festung auf dem Karasis; Frank Kolb (Tübingen), Akkulturation und epichorische Tradition in der lykischen Architektur; Zeynep Kuban (Istanbul), Griechische und persische Moden an lykischen Gräbern; Paul Zanker (Rom), Die Nekropole von Ghirza/Libyen; Stefan Freyberger (Rom), Die Karawanenstation Petra als Kreuzungspunkt von Kulturen des hellenisierten Ostens; Ehud Netzer (Jerusalem), Mixture of Cultures in Nabatean Architecture; Gertrud Platz (Berlin) – Ortwin Dally (Berlin), Grußworte; Helmut Kyrieleis (Berlin), Der Orient und die frühgriechische Kunst; Gunnar Brands (Halle), Persien und Byzanz. Anmerkungen zur Geschichte einer Irritation; Felix Arnold (Madrid), Der Kaiserpalast in Konstantinopel als Vorbild für die Palaststadt des Kalifen von Córdoba. Kulturaustausch zwischen christlicher und islamischer Welt; Stephan Westphalen (Göttingen), Die Dominikanerkirche der Genuesen von Pera und die Spuren ihrer Ausmalung. Mittelalterliche Kulturkontakte zwischen Orient und Okzident im Konstantinopel des 14. Jhs.; Marianne Bergmann (Göttingen), Kulturkontakt und Innovation am Beispiel der ›tempietti‹ in den fauces der Casa del Fauno in Pompeji; Orhan Bingöl (Ankara), Innovationen und Impulse durch und von Hermogenes; Wolfgang Radt (Berlin), Ein Blattkapitell in Istanbul und andere Kapitelle aus dem Jemen. Einheimische Tradition und mediterrane Einflüsse im antiken Südarabien; Inge Nielsen (Hamburg), Das kultische Abb. 60 Ministerialdirigent Schnelle anläßlich des Kolloquiums »Austausch & Inspiration« Zentrale in Berlin 45 Theater. Ein Beispiel architektonischer Innovation im Orient; Corinna Rohn (Cottbus), Olympisches in Aizanoi. Griechische Kultur in den anatolischen Bergen; Peter I. Schneider (Berlin), Nach Timur. al-Adil-Sulaiman und sein neues Hasankeyf; Dorothée Sack (Berlin), Ein Bau im Einflußbereich von Orient und Okzident. Bauforschung an der Unterkirche der Capella Palatina in Palermo; Stefan Weber (Beirut), Ein Strauß bunter Blumen. Die Hauptstadt Istanbul im Baudekor des osmanischen Damaskus; Andreas Schachner (Istanbul), Direkter Einfluß oder allgemeine Inspiration? Zur Entwicklung repräsentativer Architekturformen im östlichen Mittelmeerraum im ausgehenden 3. und frühen 2. Jt. v. Chr.; Mustafa Sayar (Istanbul), Die Tarkondimotiden. Ein späthellenistisches Kleinkönigreich im Ebenen Kilikien; Richard Posamentir (Istanbul), Anazarbos. Eine vergessene Grenzstadt zwischen Ost und West; Henner von Hesberg (Köln), Einheimische Bauherren und römische Architekturkonzepte im Westen des römischen Reiches; Siegmar von Schnurbein (Frankfurt a. M.), Kulturkontakte über den Limes in Germanien; Corinna Brückener (München) – Ulrich Mania (Halle), Hadrians Ägyptenreise und die Rote Halle in Pergamon; Ulrike Wulf-Rheidt (Berlin), Zusammenfassung und Abschlußdiskussion; Hermann Parzinger (Berlin) – Adolf Hoffmann (Istanbul), Abschlußworte. Workshops 26./27. Januar GIS-Workshop (in Zusammenarbeit mit dem Interdisziplinären Zentrum Alte Welt der Freien Universität Berlin). – Es sprachen: Ortwin Dally (Berlin), Eröffnung; Andreas Zimmermann (Köln), Konzepte einer Landschaftsarchäologie; Knut Rassmann (Frankfurt a. M.), Die Vorzüge und Nachteile von AutoCAD und Geoinformationssystemen beim Einsatz auf Ausgrabungen. Erfahrungen bei der Integration beider Programme in ein System der Grabungsverwaltung und -auswertung; Katja Heine (Cottbus), Trends und Entwicklungen im GIS; Hartmut Kühne (Berlin), Methodische Vorstufen zur Anwendung eines GIS-Systems; Markus Reindel (Bonn) – Karsten Lambers (Bonn) – Martin Sauerbier (Zürich), Das Peru-Projekt; Reinhard Senff (Athen), Von Milet nach Olympia; Felix Pirson (Istanbul), Von Pompeji nach Pergamon; Thomas Götzelt (Bonn), Erfahrungsbericht zur Verwendung des Manifold-GIS im Tayma-Projekt; Axel Posluschny (Frank furt a. M.), Über die Datenverwaltung hinaus: Räumliche Analysen von Fundstellenverteilungen als Grundlage von Mensch-Umwelt-Untersuchungen. Fallbeispiel: Fürstensitze; Knut Rassmann (Frankfurt a. M.), Raumbezogene Datenanalyse aus kulturgeographischer Perspektive. Fallbeispiele aus der Arbeit mit Metallanalysen; Nils Müller-Scheeßel (Frankfurt a. M.), Der Einsatz von Datenbanken und Geoinformationssystemen bei Ausgrabungen. Fallbeispiel: Die Aufbereitung, Verwaltung und Auswertung von Daten der neolithischen Siedlung bei Okolište (Zentralbosnien); Christiane Brasse (Cottbus) – Frank Henze (Cottbus), Hybrides Bauwerkinformationssystem für das Palatin- und das Baalbek-Projekt; Iman Kulitz (Wien), Virtuelle Archäologie am Beispiel Elephantine (Ägypten); Ullrich Lang (Köln) – Thomas van Reimersdahl (Köln) – Reinhard Förtsch (Köln), Virtuelle Realität am RRZK: Begehbare rechnergenerierte Welten am Beispiel der Cryptoporticus der Domitiansvilla von Castel Gandolfo; Florian Willems (Köln), Die dynamische Verbindung von 3D-Modell und Datenbank am Beispiel des Basilica Aemilia-Projekts des DAI, Abteilung Rom; Benjamin Ducke (Kiel), Open Source GIS-Programme. 27./28. Oktober Workshop »Archäologiegeschichte im 20. Jahrhundert« zu Forschungscluster 5 »Geschichte des Deutschen Archäologischen Instituts im 20. Jahrhundert« des DAI. – Es sprachen: Hermann Parzinger (Berlin), Begrü- 46 Jahresbericht 2006 des DAI ßung; Gunnar Brands (Halle/Saale), Einleitung; Rüdiger vom Bruch (Berlin), Einführung; »Das DAI 1900–1945«: a) Die Präsidenten: Esther Sophia Sünderhauf (Rom), Gerhart Rodenwaldt; Stefan Altekamp (Berlin), Theodor Wiegand; Martin Maischberger (Berlin), Martin Schede; Diskussion; b) Die Auslandsabteilungen: Sylvia Diebner (Rom), Abteilung Rom: Ludwig Curtius; Thomas Fröhlich (Rom), Abteilung Rom: Armin von Gerkan; Diskussion; Hubertus Manderscheid (Rom), Abteilung Rom und Vatikan: Hermine Speier; Michael Krumme (Athen), Abteilung Athen: Walther Wrede; Diskussion; c) RGK und Beziehungen zur Prähistorie: Timo Saalmann (Jena), Wilhelm Unverzagt; »Die deutschen Universitäten und ihr Verhältnis zum DAI«: Mathias Hofter (Berlin), Ernst Buschor, Ludwig-Maximilians-Universität München; Diskussion; »Emigration«: Frederick Jagust (Berlin), Paul Jacobsthal; Diskussion; »Internationale Beziehungen«: Gudrun Wlach (Wien), Österreich: Camillo Praschniker und das ÖAI; Abschlußdiskussion; Interner Teil »Lebensbilder« mit vertiefenden Panels: Martin Miller (Stuttgart), Otto Wilhelm von Vacano; Rachele Dubbini (Rom/Heidelberg), Giulio Emanuele Rizzo; Jorgen Mejer (Kopenhagen), Frederic Poulsen; Alain Schnapp (Paris), Henri Stern; Aubrey Pomerance (Berlin), Otto Rubensohn; Stefan Lehmann (Halle/Saale): Hans Schleif; Katharina Lorenz (Nottingham), Otto Brendel. 15. November Workshop zu Forschungscluster 1 »Von der Seßhaftigkeit zur komplexen Gesellschaft: Siedlung, Wirtschaft, Umwelt« des DAI. – Es sprachen: Hermann Parzinger (Berlin), Einführung; »Vorderer Orient und Transkaukasien«: Klaus Schmidt (Berlin), Göbekli Tepe; Karin Bartl (Damaskus), Orontes-Tal; Nicholas J. Conard (Tübingen), Syrien, Iran; Svend Hansen (Berlin), Aruchlo; »Südosteuropa«: Hermann Parzinger (Berlin), Heiner Schwarzberg (Halle), Kırklareli; Knut Rassmann (Frankfurt a. M.), Johannes Müller (Kiel), Okolište; Martin Furholt (Kiel), Agrarische Lebensweise in Südosteuropa; Wolfram Schier (Berlin), Südosteuropa; »Nordeuropa«: Friedrich Lüth (Frankfurt a. M.), SINCOS; Henny Piezonka (Berlin), Nordosteuropäische Waldzone; »Nord- und Zentralafrika«: Josef Eiwanger (Bonn), Marokkanisches Küstengebiet; Peter Breunig (Frankfurt a. M.), Zentralafrika; »Südamerika«: Markus Reindel (Bonn), Andentranssekt; Burkhard Vogt (Bonn), Südperu; Heiko Prümers (Bonn), Bolivianisches Tiefland; Henning Bischof (Mannheim), Südamerika; »Naturwissenschaften«: Norbert Benecke (Berlin), Viehzucht; Reinder Neef (Berlin), Ackerbau; Abschlußdiskussion. 1./2. Dezember Workshop »Politische Ziele und Deutungen archäologischer Grabungen im späten 19./frühen 20. Jahrhundert im europäischen Vergleich« zu Forschungscluster 5 »Geschichte des Deutschen Archäologischen Instituts im 20. Jahrhundert« des DAI. – Es sprachen: Hermann Parzinger (Berlin), Begrüßung; Christian Jansen (Bochum), Einführung; Ingo Wiwjorra (Wolfenbüttel), »Germanen« oder…? Die Rezeption historiographischer Deutungskonflikte in der mitteleuropäischen Archäologie des 19. Jhs.; Marga Díaz-Andreu (Durham), Colonising Spain’s Past: French, German and British Archaeologists in Spain; Hubert Fehr (München), Politische Hintergründe des Projekts »Germanische Denkmäler der Völkerwanderungszeit«; Martijn Eickhoff (Nijmegen), »Ausgrabungen voller Glanz«: niederländische Archäologen und ihre Aktivitäten in der klassischen und kolonialen Welt (1900–1950); Can Bilsel (San Diego), The Archaic and the Modern: the Turkish History Thesis of the 1930’s and its Afterlife; Suzanne Marchand (Baton Rouge), Transformations along the Twentieth-Century Silk Road: Sven Hedin between ›Open Door‹ and Post-Colonial Field Science (1900–1937); Oliver Gilkes (Norwich), The Fifth Shore: Personality and Politics in Fascist Archaeology; Dietrich Hakelberg (Freiburg), Zwischen Reaktion und Mo- Zentrale in Berlin 47 derne. Für eine Wissenschaftsgeschichte der Archäologie vor 1933; Abschlußdiskussion.xxx17. November Workshop »Neue Forschungen zur Archäologie des nördlichen Schwarzmeerraumes« (in Zusammenarbeit mit dem Interdisziplinären Zentrum Alte Welt der Freien Universität Berlin). – Es sprachen: Ortwin Dally (Berlin), Einleitung; Udo Schlotzhauer (Berlin) – Denis Zhuravlev (Kiev), New Archaeological and Geo-archaeological Investigations in the Northern Part of the Tamanpaeninsula; Valentyna Krapivina (Kiev), Olbia in the 3rd and 4th Century A. D. – A Report of the New Excavations; Sergey Buyskykh (Kiev), Die griechische Kolonialchora im unteren BugGebiet; Nadjeschda Gavryluk (Kiev), The Hillforts in the Region of the Lower Dnijepr from the 2nd Century B. C. to the 2nd Century A. D.; Vassif Gaibov (Moskau) – Vladimir Kuznetsov (Moskau), Phanagoria: Forschungen in den Jahren zwischen 2003 und 2006; Sergei Monakhov (Saratov), Die keramischen Komplexe von Phanagoria; Gennady Garbuzov (Rostov am Don), Die archäologischen Untersuchungen der ländlichen Siedlungen innerhalb der Chora von Phanagoria; Tadeusz Sarnowski (Warschau), The Romans in the Crimea. Results of Recent Polish-Ukrainian Excavations in the Territory of Chersonesos Tauricae; Abschlußdiskussion; Friederike Fless (Berlin), Schlußworte. Öffentlichkeitsarbeit Abb. 61 Workshop für Kinder und Erwachsene. Spielen wie in der Antike: Geschicklichkeits- und Würfelspiele mit Knöchelchen 13. Mai Lange Nacht der Wissenschaften »Auf den Spuren der Ewigkeit – Rund um die Welt. Entdecken Sie die modernen Werte der klassischen Kulturen.« Posterausstellung: Präsentation einer Auswahl laufender Projekte des DAI. – Filmvorführungen: »Aus der Geschichte der Menschheit« (von HansJoachim Hossfeld, 1962); »Hittite Sun« (1959). – Führungen durch das Wiegandhaus. – Archäologie für Kinder, Workshop für Kinder und Erwachsene: Gefunden, gegraben, geborgen – Eine Schatzsuche; Urgeschichtliche Keramik selbst gemacht; Entziffern alter Dokumente aus dem Archiv des DAI; Leseund Schreibkurs für die in alten Dokumenten gebrauchten Schriften Sütterlin und Fraktura; Spielen wie in der Antike: Geschicklichkeits- und Würfelspiele mit Knöchelchen (Abb. 61); Nachbauen antiker Musikinstrumente: Rasseln, Schwirrhölzer, Panflöten (mit den Musikern der Gruppe »Musica Romana«). – Multimediapräsentationen: Baalbek (CD Rom); Interaktive automatisch ablaufende Überflüge über die Bodenzeichnungen der Paracas- und NascaKultur von Peru. – Posterpräsentation:Vom Foto zum Plan – Photogrammetrie in der Archäologie. – Naturwissenschaften und Archäologie: Gruppenführungen zu den naturwissenschaftlichen Laboren des DAI; Präsentationen: Archäozoologie, Tierknochen erzählen Geschichte; Dendrochronologie, Holz als Kalender. – Archäologie-Quiz. – Benefiz-Tombola. – Büchertisch mit Publikationen der Archäologie. – Musik: Musik der Antike wird lebendig in Tanz und Gesang (Gruppe »Musica Romana«). – Podiumsdiskussion: Archäologie im Spannungsfeld internationaler Politik. – Es nahmen teil: Clemens Wergin (Berlin), Margarete van Ess (Berlin), Ricardo Eichmann (Berlin), Günter Dreyer (Kairo), Ulrike Wulf-Rheidt (Berlin), Burkhard Vogt (Bonn). – Vorträge: Dirce Marzoli (Madrid) – Josef Eiwanger (Bonn), Auf nach Süden – Die Phönizier am afrikanischen Atlantik; Siegmar von Schnurbein (Frankfurt a. M.), Der gescheiterte Plan des Kaisers Augustus – Die Römer bauten bei Wetzlar am Rhein zu Beginn der Zeitrechnung eine regelrechte Stadt; Günter Dreyer (Kairo),Von der Grabgrube zur Pyramide – Die Entwicklung der frühen ägyptischen Königsgräber; Burkhard Vogt (Bonn), Dammbrüche 48 Jahresbericht 2006 des DAI und andere Katastrophen – Der Große Damm von Marib, Jemen; WolfDietrich Niemeier (Athen), Der Jüngling vom Heiligen Tor – Ein spektakulärer Fund im Herzen von Athen; Ingo Motzenbäcker (Berlin), Zwischen Okzident und Orient – Archäologie im Brückenland Kaukasien; Christof Schuler (München), Bürste, Stein, Papier: Epigraphische Feldforschungen in der Türkei; Felix Pirson (Istanbul), Pergamon: Stadt der Bürger – Residenz der Herrscher; Mayke Wagner (Berlin), China: Alte (Seiden)Straßen zwischen Kunlun Shan und Altaj; Daniel Polz (Kairo), Geplant für die Ewigkeit – Die Särge des Imeni und der Geheset in Luxor; Svend Hansen (Berlin), Pietrele. Eine Siedlung des 5. Jts. v. Chr. an der unteren Donau; Hermann Parzinger (Berlin), Das Gold von Tuva. Veröffentlichungen Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts 120, 2005 Archäologischer Anzeiger 2005/1 und 2005/2 33. Ergänzungsheft zum Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: M. Meyer, Die Personifikation der Stadt Antiocheia. Ein neues Bild für eine neue Gottheit Archäologische Forschungen 22: F. Rumscheid, Die figürlichen Terrakotten von Priene. Fundkontexte, Ikonographie und Funktion in Wohnhäusern und Heiligtümern im Licht antiker Parallelbefunde Bo=azköy-Berichte 8: J. Seeher (Hrsg.), Ergebnisse der Grabungen an den Ostteichen und am mittleren Büyükkale-Nordwesthang in den Jahren 1996– 2000. Mit Beiträgen von J. Seeher, S. Herbordt, H. Genz, A. Baykal-Seeher Didyma III 3: H. R. Baldus, Fundmünzen aus den Jahren 1962–1998 Die antiken Sarkophagreliefs I 3: C. Reinsberg, Die Sarkophage mit Darstellungen aus dem Menschenleben Die römischen Skulpturen von Caesarea Mauretaniae 3: Ch. Landwehr, Idealplastik. Bacchus und Gefolge, Masken, Fabelwesen, Tiere, Bukranien, nicht benennbare Figuren Kerameikos 17, 1. 2: U. Knigge, Der Bau Z Milesische Forschungen 4: A. Herda, Der Apollon-Delphinios-Kult in Milet und die Neujahrsprozession nach Didyma. Ein neuer Kommentar der sog. Molpoi-Satzung Milet VI 3: N. Ehrhardt – W. Günther – P. Herrmann, Inschriften von Milet Olympische Forschungen 31: H. Kyrieleis, Anfänge und Frühzeit des Heiligtums von Olympia. Die Ausgrabungen am Pelopion 1987–1996. Mit Beiträgen von B. Eder und N. Benecke Sarkophag-Studien 4: T. Korkut, Die Girlanden-Ostotheken aus Kalkstein in Pamphylien und Kilikien. Untersuchungen zu Typologie, Ikonographie und Chronologie Simitthus III: Michael Mackensen, Militärlager oder Marmorwerkstätten. Neue Untersuchungen im Ostbereich des Arbeits- und Steinbruchlagers von Simitthus/Chemtou. Mit Beiträgen von H. R. Baldus Stipendien Das Reisestipendium wurde an Francis Breyer verliehen, das Wülfing-Stipendium erhielt Holger Schwarzer. Zentrale in Berlin 49 Je ein Fortbildungsstipendium wurde Soi Agelidis, Claudia Beuger, Dirk Brandherm, Georg Breitner, Martin Furholt, Christoph Gerber, Renate Hekkendorf, Jörg Holzkämper, Oliver Hülden, Claudia Lacher, Daniel Lohmann, Juren Meister, Sonja Magnavita, Timm Radt, Verena Stappmanns und Mike Teufer zugesprochen. Je ein Auslandsstipendium des Instituts wurde an Reinhard Jung, Constanze von Rüden, Ulf-Dietrich Schoop sowie Nicole Röring verliehen. Mitglieder des Instituts Das Institut betrauert den Tod seiner Mitglieder Pilar Acosta Martínez (Sevilla), Pierre Amandry (Paris), Sedat Alp (Ankara), Antonio Beltrán Martínez (Zaragoza), Ernst Berger-Doer (Riehen), Herbert Bloch (Belmont), Gudrun Corvinus (Pune), Xavier Dupré i Raventós (Rom), Christian Ewert (Madrid), Eugen Ewig (Bonn), Gerhard Fecht (Berlin), Philipp Filtzinger (Neckartailfingen), Alexander Fol (Sofia), Gino Vinicio Gentili, Bologna, Klaus Günther (Bielefeld), Zdravko Marić (Sarajevo), Liliana Mercando (Turin), Reinhold Merkelbach (Köln), Pere de Palol Salellas (Barcelona), Eduardo Ripoll Perelló (Barcelona), Ann Perkins (New Haven), Vadim Aleksandrovic Ranov (Dushanbe), Eckehart Schubert (Olpe), Günter Smolla (Königsstein/Taunus), August Strobel (Neuendettelsau), Michel Vanderhoeven, (Tongeren). Das Institut wählte zu Ordentlichen Mitgliedern Jan Bemmann (Bonn), Peter Kaulicke (Lima) und Stefan Rebenich. Zu Korrespondierenden Mitgliedern wurden gewählt Alexander Aibabin (Simferopol), Said al-Said (Riyadh), Claudia Antonetti (Venedig), Jan Assendorp (Lüneburg), Jozef Bátora (Nitra), Franz Alto Bauer (München), Matthias Becker (Halle), Wojciech Brzezinski (Warschau), Dimitris Bosnakis (Athen), Georgia Chatzi (Olympia), Bruno Chaume (Courban), Filippo Delpino (Rom), Senarath Dissayanake (Colombo), Claude Domergue (Toulouse), Yahya el-Masri (Kairo), Wafaa el-Saddik (Kairo), Yaşar Ersoy (Izmir), Thomas Fröhlich (Rom), Irina Gambaschidze (Tbilissi), Alexander Gertsen (Simferopol), Andrej Gotlib (Abakan), Caterina Greco (Trapani), Sönke Hartz (Schleswig), Jana Horvath (Ljubljana), Janka Istenic (Ljubljana), Klaus Junker (Mainz), Eleni Korka (Athen), Luigi Malnati (Bologna), Ivan Marčenko (Krasnodar), Jianjun Mei (Beijing), Abdal-Razzaq Moaz (Damaskus), Helmut Müller (München), Friederike Naumann-Steckner (Köln), Johannes Nollé (München), Enriqueta Pons i Brun (Girona), Dieter Quast (Mainz), Salvador Quero Castro (Madrid), Christopher Ratté (New York), Charles Brian Rose (Philadelphia), Frank Rumscheid (Berlin), Thomas Saile (Göttingen), Eduardo Salas Vázquez (Madrid), Klaus Schmidt (Berlin), Stephan F. Schröder (Madrid), Francesca Spatafora (Palermo), Viktor A. Trifonov (St. Petersburg), Andrea Vaday (Budapest), Christina Vlassopoulou (Athen), David Wigg-Wolf (Frankfurt a. M.), Donny George Youkhanna (Baghdad), Christopher Young (Oxford), Bernhard Zimmermann (Freiburg). 50 Jahresbericht 2006 des DAI Ausgrabungen und Forschungen Rom, Basilica Aemilia Aula, Marmorfußboden: Die Untersuchungen im Berichtsjahr galten der Gestaltung der Basilica Aemilia in ihrem Inneren und der nach Süden zum Forumsplatz ausgerichteten Außenfassade. Der Fußboden im Inneren der Basilica war vollständig mit Platten aus farbigem Marmor bedeckt (Abb. 1). Sämtliche Platten wurden gesäubert, geodätisch vermessen und photographisch sowie teilweise auch mit Zeichnungen dokumentiert. Aus den Spuren des Bodens lassen sich Aussagen über die Ausstattung der Basilica ableiten. In den Zwischenräumen zwischen den Säulen und auch in den Seitenschiffen zeichnen sich auf den Platten zahlreiche Verfärbungen von verbrannten Objekten und einige in den Marmor geschmolzene Metallreste ab (Abb. 2). Die flächigen Schwarzfärbungen des Bodens entstanden wohl beim Brand einer größeren Menge von Holz, das vermutlich von herabgestürzten Decken- und Dachbalken stammt. Um die verbrannten Münzen und Metallgegenstände, deren Konturen auf Türangeln, Nägel und Beschläge mit Nagellöchern schließen lassen, breiten sich Korrosionsverfärbungen aus. Nach diesen Spuren zu urteilen, standen zwischen den Säulen verschließbare Geschäftsstände aus Holz mit Metallbeschlägen, wie sie auch auf Reliefs dargestellt sind. In diesen verwahrten die Bankiers ihre Münzen und wohl auch kostbare Objekte aus Silber, die sie den Besuchern in der Basilica zum Kauf feilboten. Es hat den Anschein, daß der Platz zwischen den Säulen und in den Seitenschiffen vollkommen den Bank- und Geldgeschäften vorbehalten war. Im Boden sind keine Spuren von Dübellöchern und Fundamenten vorhanden, die einen Verweis auf größere Einbauten geben könnten. Aufgrund der nun nachweisbaren Abteilung Rom Rom, Basilica Aemilia Abb. 1 Aula, Fußboden aus bunten Marmorplatten Abb. 2 Aula, Marmorfußboden mit Spuren von geschmolzenem Eisen und verbranntem Holz 2 1 Abteilung Rom 51 Abb. 3 Rom, Basilica Aemilia. Aula, Südfassade (M. 1 : 250) Möblierung der Aula und ihrer konkreter faßbaren Funktion wird vielleicht besser verständlich, warum die Basilica auch aus Sicherheitsgründen unbedingt als gänzlich geschlossenes Gebäude und nicht als frei zugängliche Wandelhalle zu verstehen ist. Das Fehlen von Spuren für innere Einbauten läßt darauf schließen, daß es in der Aula der Basilica Aemilia kein fest installiertes Tribunal gab. Dennoch könnten durchaus Tribunale stattgefunden haben, wobei dann der für die Richter und Beamten bestimmte Platz durch ephemere Schranken vom übrigen Raum abgegrenzt worden wäre. Zu denken ist vor allem an die Finanztribunale und andere abgegrenzte Geschäftsbereiche, die vorzüglich in das Ambiente eines luxuriösen Bankgebäudes passen. Es fanden sich auf dem Fußboden auch keine bearbeiteten Flächen und Anrißlinien, die eine Aufstellung monumentaler Statuen befürworten könnten. Dabei stellt sich die Frage nach der Aufstellung der ›Partherstatuen‹, die orientalische Gegner Roms darstellten. Eine Plazierung der über 3 m hohen Figuren im Inneren der Basilica wäre nach den neuesten Rekonstruktionsergebnissen nur auf der Verkröpfung der ersten Gebälksordnung möglich gewesen. In diesem Aufstellungskontext hätten sie aber isoliert vor der Umgangsbrüstung des Obergeschosses gestanden. Zudem würden sie auf keinen Fall einen Brand in der Aula überdauert haben, der die Tragfähigkeit des Steins herabgesetzt hätte. Ihre Anbringung am Südrand der über den Läden und Säulenhallen liegenden Aussichtsterrasse der Basilica Aemilia wäre nach statischen und inhaltlichen Gesichtspunkten am ehesten denkbar. Südlicher Außenbau der Basilica: Die Untersuchungen galten auch dem nach Süden zum Forumsplatz hin ausgerichteten Außenbau der Basilica Aemilia, dessen Aufbau weitgehend rekonstruiert werden konnte (Abb. 3). Über den Läden und den Säulenhallen verlief eine monumentale Plattform als Aus- 52 Jahresbericht 2006 des DAI sichtsterrasse. Auf dieser ragte vor der Südwand eine Loggia empor. Zu ihr gehörten nach den bisherigen Erkenntnissen die bekannten Rankenpfeiler, die durch eine Brüstung miteinander verbunden waren. Die so entstandene, nach Süden offene und von einem Pultdach überdeckte Loggia war durch Türen in der Rückwand vom Obergeschoß der Basilica, aber auch über die seitlichen Treppenhäuser und die Terrasse selbst erreichbar. Während der Innenraum der Basilica Aemilia vorwiegend dem Geldwesen vorbehalten war, übernahm der Außenbau die völlig divergierende Funktion einer Zuschauertribüne und eines Monuments mit politischer Konnotation. In dieser Konstellation sind die ›Partherstatuen‹ aus logischen Gründen dem äußeren Funktionsbereich zuzuordnen, dessen Bildwerke sich der Heiligen Straße als der Hauptachse des Platzes zuwendeten. Als Brüstungsfiguren, die in erhöhter Position den Abschnitt der Heiligen Straße im zentralen Forumsbereich säumten, vervollständigten die ›Partherstatuen‹ den propagandistischen Architekturrahmen, den Augustus für den zentralen Forumsplatz schuf. Wie der Partherbogen über der Heiligen Straße nördlich des Tempels des Divus Iulius, so sind auch sie als Verweis auf die diplomatischen Erfolge des Princeps zu verstehen. Bei dieser Terrasse könnte es sich um eine der in zahlreichen schriftlichen Zeugnissen überlieferten maeniana (Aussichtsloggien) über den Läden handeln, welche die Langseiten des zentralen Forumsplatzes flankierten. Von diesen aus konnten die in diesem Bereich stattfindenden Gerichtsverhandlungen, religiösen Feiern und Gladiatorenspiele gesehen werden. Dank dieser Einrichtung waren die Basilica Aemilia und aller Wahrscheinlichkeit nach auch die Basilica Iulia auf dem Forum Romanum eng mit dem politischen und gesellschaftlichen Tagesgeschehen auf dem zentralen Forumsplatz verknüpft. Durch die Verbindung mit anderen politischen Räumen sind die beiden Basilicae jeweils nicht nur als ein auf sich bezogenes Gebäude, sondern auch als ein Interaktionsfeld zwischen verschiedenen politischen Bereichen definiert. Kooperationspartner: Soprintendenza Autonoma per i Beni Archeologici di Roma (A. Bottini, I. Iacopi); Archäologisches Seminar der Universität zu Köln (H. von Hesberg); Forschungsarchiv Antike Plastik der Universität zu Köln (R. Förtsch); Archäologisches Institut der Ludwig-MaximiliansUniversität München (R. Schneider); Institut für Geodäsie der Technischen Universität München (K. Schnädelbach, T. Wunderlich); Institut für Historisch-Kulturwissenschaftliche Informationsverarbeitung an der Universität zu Köln (M. Thaller) • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: K. S. Freyberger • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: I. D’Angelo, A. Darwisch, C. Ertel, J. Lipps, K. Tacke, F. Willems • Abbildungsnachweis: K. S. Freyberger (Abb. 1. 2); H. Behrens (Abb. 3). Rom, Columbarium des C. Scribonius Menophilus Zur weiteren Untersuchung der Malereien des Columbariums, einer unterirdischen Grabkammer mit vielen Bestattungsplätzen, die im Jahr 1984 vor der Villa Doria Pamphilj in Rom entdeckt wurde, wurden in diesem sowie im benachbarten ›Großen Columbarium‹ Putz- und Farbproben entnommen, die unter Einsatz der Raman-Mikroskopie analysiert worden sind. Die naturwissenschaftliche Untersuchung bestätigte den zuvor bereits durch den Stil- und Motivvergleich gewonnenen Eindruck der engen Verwandtschaft der beiden Dekorationen und erbrachte als erstes überraschendes Ergebnis den sicheren Nachweis von Lapislazuli in den blauen Farbproben. Die Fortsetzung der stilistischen und ikonographischen Untersuchung vor allem der Landschaftsbilder (Abb. 4), der Architekturdarstellungen (Abb. 5) und der verschiedenen figürlichen Elemente ergab eine Absicherung der kunstgeschichtlichen Einordnung Abteilung Rom 53 4 5 6 7 Rom, Columbarium des C. Scribonius Menophilus Abb. 4 Architekturlandschaft Abb. 5 Treppenhaus D: Ädikula Abb. 6 Hauptraum A: Bokchoris (?) Abb. 7 Raum A: Opferkorb und Kultmal der Malereien in die frühaugusteische Zeit. Enge Parallelen finden sich, außer im ›Großen Columbarium‹, vor allem in den Malereien der Villa Romana della Farnesina, des Augustushauses auf dem Palatin und in verschiedenen pompejanischen Wänden des sog. frühen Dritten Stils. Ein leider nur in wenigen Abschnitten erhaltener Figurenfries (Abb. 6) zwischen der 5. und 6. Nischenreihe des Hauptraumes A konnte sicher als bisher einzige bekannte ikonographische Parallele des Frieses des ›Schwarzen Trikliniums‹ (Gelageraum) der Villa Romana della Farnesina erkannt werden, in welchem der Interpretation Emanuel Löwys zufolge wahrscheinlich berühmte Urteilssprüche des Bokchoris dargestellt sind. Die Szenen des Columbariums sind in ihrer Qualität deutlich bescheidener als jene der Villa und verzichten auf einige Figuren und Elemente, die zum Verständnis des Geschehens nicht unbedingt erforderlich sind. An der grundsätzlich übereinstimmenden Bildaussage ändert dies aber nichts. Unter den gemalten Gegenständen und Attributen des Grabbaus überwiegen jene aus dem dionysischen Bereich. Besonders bemerkenswert sind die Darstellungen mehrerer Masken und das gleich zweimalige Vorkommen eines Opferkorbes (Abb. 7), des vielleicht wichtigsten Attributes der dionysischen Mysterien. Die Klassifizierung des epigraphischen Materials des Baus wurde weiter vorangetrieben und erlaubt inzwischen eine recht präzise Bestimmung der sozialen Zusammensetzung der hier Bestatteten, unter denen Sklaven und Freigelassene überwiegen. Kooperationspartner: Soprintendenza Autonoma per i Beni Archeologici di Roma (F. Catalli, Architektur, Topographie); Università di Siena (M. G. Granino Cecere, Epigraphik); Università di Modena e Reggio Emilia (P. Baraldi, Farb- und Putzanalysen) • Leitung des Projekts: F. Catalli, M. G. Granino Cecere, Th. Fröhlich (Wandmalerei) • Abbildungsnachweis: K. Anger (Abb. 4. 6); Th. Fröhlich (Abb. 5. 7). 54 Jahresbericht 2006 des DAI Rom, Palatin, Kaiserpalast, Gartenstadion Im Rahmen der Dissertation zur Bauornamentik des Gartenstadions des flavischen Kaiserpalastes auf dem Palatin wurden im Jahr 2006 die Dokumentation der in situ befindlichen Bauglieder sowie die Katalogarbeit abgeschlossen. Die im Archiv der Soprintendenza Archeologica di Roma (Lapidario Forense) aufbewahrten Unterlagen zu den Bauteilen des Stadions wurden gesichtet und ausgewertet. Die Zusammenarbeit vor Ort mit A. Riedel (Brandenburgische Technische Universität Cottbus), die die Bauaufnahme des Gartenstadions unter architektonisch-technischen Gesichtspunkten vornimmt, wurde auch in diesem Jahr erfolgreich vorangetrieben. Die Grundlagen für die Auswertung sind die Datierung der Bauteile, ihre Zuordnung zu einzelnen Dekorationssystemen und die Rekonstruktion des Baus. Im Fokus der weiteren Betrachtung stehen vornehmlich die Auswahl der Baumaterialien und des Dekors, die Qualität der Ausführung, die Disposition und Hierarchie der Dekorationsformen sowie die Bedeutung der Integration dieses Bautypus in die Palastarchitektur (Abb. 8). Ziel ist es, auf der Grundlage der wieder gewonnenen Marmordekoration des Gartenstadions die spezifischen Qualitäten des architektonischen Ausstattungsluxus im kaiserlichen Stadtpalast zu untersuchen: einerseits hinsichtlich seiner Aussagekraft als Mittel kaiserlicher Repräsentation, andererseits als Ausdruck kaiserlicher Luxusvorstellungen im Kontext vergleichbarer herrschaftlicher Bautätigkeit. Kooperationspartner: Soprintendenza Autonoma per i Beni Archeologici di Roma (A. Bottini, I. Iacopi, M. A. Tomei) • Projektbearbeiterin: K. Iara • Abbildungsnachweis: K. Iara (Abb. 8). Rom, Palatin, Palastvestibül Bei den Untersuchungen zur Rekonstruktion des frühbyzantinischen Palastvestibüls am Nordwestfuß des Palatin ging es zunächst um eine Annäherung an die spätantike Gestalt des Baus, d. h. im wesentlichen um eine Zuordnung und Interpretation der noch in situ befindlichen strukturellen und dekorativen Elemente und ihre Abgrenzung von Einbauten, die erst im Kontext der Kirche S. Maria Antiqua entstanden. Es konnte zunächst festgestellt werden, daß zur spätantiken Neuausstattung der Exedra am Südende des Peristyls offenbar eine Wanddekoration in vier Zonen gehörte, von der Reste gefunden wurden. Über einem profilierten Sockel aus grauem Marmor befand sich eine Verkleidung aus Marmorplatten, die nach oben durch ein Stuckprofil mit vegetabilem, ursprünglich farbig gefaßtem Schmuck begrenzt wurde. Dieser Fries wurde erst bei der Ausmalung der Kirche verputzt und mit Fresko überzogen. Darüber befand sich eine weitere Marmorverkleidung, offenbar eine ältere Malerei überdeckend, von der noch Teile zu sehen sind, die bis unter den Stuckfries reichen (der Status dieser Malerei ist noch nicht geklärt). Über dieser Zone ließ die noch sichtbare Vorbereitung des Untergrundes auf eine Verkleidung mit Marmororthostaten schließen. Diese Dekoration erstreckte sich auf beide Seitenwände der Exedra, geringe Reste an der Stirnseite (Süden) der Exedra deuten auf eine einheitliche Gestaltung. Eine entsprechende Marmorverkleidung in drei Zonen konnte auch für den südöstlichen Nebenraum (heute Theodotuskapelle) rekonstruiert werden. Die Marmorverkleidung, deren Spuren im Mauerwerk auch hier noch zu sehen sind, wurde dort später allerdings offenbar teilweise in die Dekoration der Kapelle integriert: Die in der unteren Zone nach 738 n. Chr. angebrachte Freskoschicht schließt oben an den erhaltenen Sims der Marmorplatten direkt an, setzt diese also voraus. Als Fazit dieser ersten Untersuchungen kann festgehalten werden, daß hier vor der Installation der Abb. 8 Rom, Palatin, Kaiserpalast, Gartenstadion. Korinthisches Kapitell Abteilung Rom 55 Kirche (um 600 n. Chr.) eine ungewöhnlich hohe Marmorinkrustation in vier Registern übereinander angebracht war, was den Bau entschieden nobilitierte und Parallelen am ehesten in der Hagia Sophia oder auch in Agios Demetrios, Thessaloniki, hat. Die These einer Neuausstattung des großen Vestibüls zum Palatin durch die auf dem Palatin residierende byzantinische Besatzung scheint hierdurch gestützt. Kooperationspartner: Soprintendenza Autonoma per i Beni Archeologici di Roma (A. Bottini, I. Iacopi) • Leitung des Projekts: D. Knipp. Römische Steinsarkophage im Kontext, Stadtrom und Umgebung Das seit November 2006 an der Abteilung Rom des DAI fortgeführte Promotionsvorhaben widmet sich den Aufstellungs- und Nutzungskontexten römischer Steinsarkophage in Rom und Umgebung von der Republik (5./4. Jh. v. Chr.) bis in die Kaiserzeit (3. Jh. n. Chr.). Die Bearbeitung der bisher kaum zusammenfassend behandelten republikanischen Sarkophage aus Stadtrom und den Latinerstädten der Umgebung, insgesamt über 500 publizierte, größtenteils aus Palestrina stammende Exemplare, ist bereits abgeschlossen. Auffällig ist die Homogenität der Sarkophagtypen, ihrer Aufstellung – überwiegend in Bodengräbern, in fossae – und des Grabinventars an den verschiedenen Fundorten Rom, Tivoli, Palestrina, Lanuvio, Lavinium, Fidenae und »La Rustica«. Allein schon aus Gründen der Fundbedingungen und -dokumentation liegt der Schwerpunkt der Untersuchungen jedoch auf der Kaiserzeit. Hierzu konnten bereits weit über 200 Sarkophage aufgenommen werden, die an ihrem ursprünglichen Fundort erhalten oder deren Fundumstände hinreichend dokumentiert sind. Der Katalog ist somit weitgehend fertiggestellt. Anhand dieser Fundkontexte sollen die Einbindung der Sarkophage in den Grabbau und dessen Innenausstattung, eventuell vorhandene Bau- und Sarkophaginschriften, Grabkult und Beigabensitten behandelt werden. Mittels chronologischer Analysen gilt es abschließend, die Entwicklung der Aufstellungs- und Nutzungsgewohnheiten in Hinblick auf diese Fragestellungen aufzuzeigen. Projektbearbeiterin: K. Meinecke. Die Städte Latiums Die Forschungsperspektive des Projekts richtet sich in einem ersten Zugang insbesondere auf die Bedeutung der Stadtmauern für die Verteidigung und für die Selbstdarstellung der städtischen Gemeinden. Betrachtet man die Befestigungsanlagen vor dem historischen Hintergrund des Latinerbundes, so stellt sich die Frage, welche Rolle die monumentalen Mauern, Tore und Türme innerhalb der regionalen Kommunikation von Stadt zu Stadt übernommen haben. Im Jahr 2006 wurde als ein Untersuchungsschwerpunkt die Stadt Gabii im latinischen Kernland ausgewählt. Aufgrund der günstigen Überlieferungsbedingungen können hier aller Voraussicht nach Aussagen zur Datierung der Stadtmauer und zur innerstädtischen Bebauung gewonnen werden. Neben Literaturrecherchen wurde bereits eine fachgerechte Bauaufnahme eines Abschnitts der Stadtmauer aus Quadermauerwerk durchgeführt, die eine Reihe neuer Erkenntnisse erbracht hat. Die einschalige Mauer aus Tuffstein gehört zur nördlichen Stadtbefestigung Gabiis (Abb. 9). Für ihren Bau wurde der hier anstehende Fels abgearbeitet und zur Fundamentierung sauber geglättet. Die Quadermauer im Läuferverband, vermutlich mit einer Hinterfüllung aus größeren Steinen, ist als Stützmauer ausgebildet und in ihrer Konstruktion von bemerkenswert hoher Qualität. In einer zweiten Phase wurde eine weitere Quadermauer, wahrscheinlich 56 Jahresbericht 2006 des DAI Abb. 9 Die Städte Latiums, Gabii. Ansicht der aus Quadern gefügten Stadtmauer von Norden zur Verstärkung der ersten, auf höherem Niveau davorgesetzt und an deren Mauerfuß ein kleiner Erdwall angeschüttet. Damit handelt es sich hier sicher um eine Maßnahme zur Erhöhung der fortifikatorischen Eigenschaften der Stadtmauer, die in einer weiteren, dritten Phase durch das Anlegen eines Wallgrabens noch unterstützt wurde. Die Bauweise beider Mauern sowie die Zurichtung der Steine (Fasen und Spiegel) legen eine Erbauung in frührepublikanischer Zeit nahe. Im Tuffsteinplateau vor der Mauer wurde als dritte Verbesserungsmaßnahme ein Graben eingetieft; zugehörig ist wohl eine kleine Treppe. Das Eintiefen eines solchen Grabens parallel zur Befestigungsmauer kann als Reaktion auf die Entwicklung neuer Belagerungstechniken verstanden werden. Damit ist sehr wahrscheinlich, daß Gabii auch nach seiner Eingliederung in den römischen Herrschaftsbereich, die den historischen Quellen zufolge im 6. Jh. v. Chr. stattfand, weiter ein gemeinschaftliches Projekt wie eine Stadtmauer, die dem Schutz und der Repräsentation der Stadt diente, realisieren konnte. Kooperationspartner: Soprintendenza di Roma (S. Musco); Soprintendenza di Lazio (S. Gatti, G. Ghini) • Leitung des Projekts: S. Helas • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: A. Werner (Bauaufnahme), G. Zuchtriegel • Abbildungsnachweis: DAI, Abteilung Rom, D. Gauss (Abb. 9). Castel Gandolfo,Villa des Domitian Die Dokumentation und Rekonstruktion des Theaters und der Kryptoportikus (langer geschlossener Gang) innerhalb der Villa des Domitian in Castel Gandolfo sind weitgehend abgeschlossen und werden für eine virtuelle Rekonstruktion der Reste ausgewertet (Abb. 10. 11). Als weiterer Bereich steht die mittlere Terrasse für eine Untersuchung an. Dieser Teil ist so gut wie Abb. 10 Castel Gandolfo, Villa des Domitian. Rekonstruktionsvorschlag des Bühnengebäudes (M. 1 : 1000) Abteilung Rom 57 Abb. 11 Castel Gandolfo, Villa des Domitian. Rekonstruktionsvorschlag des Inneren der Kryptoportikus unbekannt. Lediglich eine Serie von großen Exedren, die an die Ausstattung öffentlicher Hallen erinnern, ist heute noch zu sehen. Hinzu kommt eine Apsis, die sich stark überwachsen deutlich im Gelände abzeichnet. Andererseits geben sich mehrere Treppenhäuser zu erkennen, die eine relativ kleinteilige Architektur miteinander verbunden haben. Die mangelnde Dokumentation der Reste und die Unzugänglichkeit des Terrains erlaubten bisher nur allgemeine Vermutungen über die Eigenart dieses Bereiches. Deshalb wurden die vorhandenen Mauerzüge, soweit sie sich im Gelände ausmachen lassen, photogrammetrisch dokumentiert bzw. mit geodätischen Methoden eingemessen. Für die übrigen Bereiche wird eine Prospektion mit geophysikalischen Methoden angestrebt, wofür ebenfalls 2006 schon erfolgreich Probemessungen durchgeführt wurden. Auf diese Weise wird es möglich sein, den Charakter der Anlagen im nördlichen Kernbereich der Villa besser zu bestimmen. Denn über die Kombination der Daten aus der photogrammetrischen Bauaufnahme und der Bodenprospektion sollte sich die Form der Portikus in diesem Bereich in wesentlichen Bestandteilen klären lassen. Gleiches gilt für die Apsidenkonstruktion, deren Bezug zur Kryptoportikus dabei deutlich werden müßte. Denn die Achse dieser Apsis liegt in Höhe des Abschlusses des Gangs, der Apsidensaal könnte also gleichsam den Zielpunkt innerhalb dieser Raumfolge gebildet 58 Jahresbericht 2006 des DAI haben.Wenn es sich derart verhielte, ergäbe sich möglicherweise eine ähnliche Konstellation wie auf dem Palatin, mit einer Abfolge großräumiger Anlagen auf der einen Seite (sog. Domus Flavia) und einer Serie kleinteiliger Räume, die um große Peristyle gelegt sind, auf der anderen (sog. Domus Augustana). Zusätzlich können einzelne, im genannten Terrain der Villa in Castel Gandolfo früher durchgeführte, aber niemals ausgewertete Grabungen zusätzliche Einblicke in die Ausstattung der einzelnen Bauten gewähren. Es lassen sich schon jetzt von ihrer Ausstattung her Versorgungsgänge von repräsentativen Trakten unterscheiden. Möglicherweise haben wir Konstellationen vor uns, wie sie später in anderer Weise aus der Villa des Hadrian in Tivoli bekannt sind. Kooperationspartner: Direzione delle Ville Pontificie (S. Petrillo); Lehrstuhl für Informatik der Universität zu Köln (U. Lang, Th. van Reimersdahl); Universität Karlsruhe (K. Ringler); Geophysikalisches Institut der ChristianAlbrechts-Universität zu Kiel (H. Stümpel) • Leitung des Projekts: H. von Hesberg • Abbildungsnachweis: Virtuelle Rekonstruktion, K. Ringler (Abb. 10. 11). Die Siedlung von Castellina Vecchia Ziel des jüngst begonnenen Projekts ist die Erforschung einer etruskischen Siedlung in ihrem räumlichen Umfeld während des 1. Jts. v. Chr. Die Wüstung Castellina Vecchia liegt auf einem Höhenzug im Norden von Siena, der sich nordsüdlich zwischen den Flußtälern der Elsa einerseits und des Arbia bzw. des Ombrone andererseits erstreckt. Die Fundstelle ist mitsamt ihrem näheren Umfeld ein unverbautes und im jüngsten Bebauungsplan der heutigen Gemeinde Castellina in Chianti als denkmalgeschützt ausgewiesenes antikes Habitat, das nur in den 1970er Jahren einmal oberflächlich untersucht wurde. Soweit es heute im Gelände erkennbar ist, hat es die Größe von etwa einem halben Hektar. Damit gleicht es als befestigter Hügel, der vermutlich bereits seit archaischer Zeit bewohnt war, einem großen Gehöft oder Herrensitz. Es gibt jedoch Hinweise, daß die Bevölkerung schon früh einen deutlich größeren Umfang hatte und die Fundstelle vermutungsweise als Akropolis angesprochen werden kann, die zumindest phasenweise den Kern einer größeren Ansiedlung bildete. Im Hinblick auf die Frühzeit soll der ländliche Raum von Castellina durch den Bezug auf den Herrensitz als im praktischen und in Beziehung auf das nahegelegene Fürstengrab von Monte Calvario als im ideellen Sinne strukturiert verstanden werden. Es stellt sich also die Frage nach den Formen räumlicher Sichtbarkeit und Sichtbarmachung der Territorialherrschaft im engen geographischen Gebiet. Daß eine solche Evidenz beabsichtigt war, beweist der große Grabhügel, das einzige, weithin sichtbare Monumentalgrab im größeren Umkreis, mit Dimensionen, die denen des Habitats gleichkommen. An einem festen, augenfälligen Punkt in entschiedener Distanz zum Siedlungskern selbst wird somit die Überlegenheit eines lokalen Fürstengeschlechts anschaulich demonstriert, wodurch mithin die Dominanz über das Territorium vor Augen geführt wird. Für spätere Epochen steht vor allem die Rolle von Castellina im Rahmen von Verbindungen und Grenzziehungen im Vordergrund. Für das 4. und 3. Jh. kann im Hochchianti ein System befestigter Höhensiedlungen, sog. Oppida (Cetamura, Poggio La Croce), angenommen werden, das vermutlich von der raumgreifenden übergeordneten Instanz des im Wachsen begriffenen Stadtstaates Faesulae (Fiesole) organisiert wurde. Für diese Periode ist von der Zielsetzung der Erschließung landwirtschaftlicher Ressourcen im Chiantigebiet Abteilung Rom 59 seitens Fiesoles auszugehen, die sich in Konkurrenz zu Volterra vollzog. Es wird dabei angenommen, daß Castellina in dieser Phase die Rolle eines Vorpostens im Rahmen der Territorialordnung von Fiesole spielte. Von zentraler Bedeutung für die Chronologie und die Entwicklungsgeschichte der Siedlung ist eine Untersuchung der Befestigungsanlage. Zu erforschen ist, ob das Habitat die Gestalt verstreuter Einzelgehöfte hatte oder ob es eine geschlossene räumliche Form besaß bzw. wann eine solche entstand und welche Formen der räumlichen Organisation zur Anwendung kamen. Die seit 2006 in Arbeit befindliche Aufarbeitung von Archivmaterial, Altfunden, historischer kartographischer Dokumentation und historischen Quellen soll die Voraussetzung für die Untersuchungen im Gelände bilden. Dabei ist vor allem der Frage nach der genauen Lokalisierung des mittelalterlichen Salingolpe nachzugehen, das gegebenenfalls die Befunde der antiken Wüstung gestört haben könnte. Geplant ist, nach einer topographischen Aufnahme die Ausdehnung des Habitats und sein unmittelbares Umfeld sowie die Frage nach einem hypothetischen zweiten Mauerring mittels Surveys zu untersuchen, ferner die erhaltenen Reste der rechteckigen Ummauerung des Hügels zu analysieren. Die Ergebnisse werden in einer georeferenzierten Datenbank zusammengeführt. Kooperationspartner: Soprintendenza Archeologica della Toscana; Museo Archeologico del Chianti Senese (Castellina in Chianti, http://www.museoarcheologicodelchianti.it) • Leitung des Projekts: O. Dräger. Zur Bucchero-Pesante-Keramik von Chiusi Für das auf zwei Jahre angelegte Projekt wurde eine Studie vorbereitet, die primär auf der Grundlage zeichnerischer Dokumentation die Produktion eines der wichtigsten Zentren für die Herstellung des etruskischen Bucchero aufarbeiten soll, nämlich von Chiusi. Erste Resultate der Arbeiten sind acht zum Druck eingereichte Beiträge für den Sammelband »Materiali dimenticati, memorie recuperate. Acquisizioni, ritrovamenti e restauri nel Museo Archeologico Nazionale di Chiusi«. Bearbeiter: O. Dräger. Italische Kulturen des 7. bis 3. Jhs. v. Chr. in Süditalien und Sizilien Eine Ausstellung zu »Alta Terra di Lavoro. Nuove scoperte da Teano e Presenzano« im Museo Archeologico Nazionale di Napoli und anschließend auch in den Räumen des Instituts widmete sich dem Thema der italischen Kulturen in Nordkampanien, ebenfalls ein Studientag zu »Teanum Sidicinum« und schließlich der Studientag zu »Verso la città. Forme insediative in Lucania e nel mondo italico fra IV e III secolo a. C.« in Venosa, an denen jeweils Vertreter des Instituts teilnahmen. Das gilt auch für den Kongreß »Crisi e trasformazioni nelle società dell’Italia meridionale dal IV al III secolo a. C.«, der in der Abteilung Rom des DAI stattfand und an dem italienische, deutsche, französische, amerikanische und schweizerische Forscher teilnahmen. Im Rahmen des Schwerpunktprogramms nahm M. Köder die Arbeit zu seiner Dissertation über das Thema »Griechen und Italiker in Kampanien. Siedlungsarchäologische Untersuchungen (8.–5. Jh. v. Chr.)« auf. Die Stipendiatin M. Sclafani widmete sich einer Untersuchung zu »Dei ed eroi greci nei siti indigeni della valle del Belice«, wozu sie auch Recherchen vor Ort durchführte. Die Stipendiatin N. Burckhardt führte ihre Dissertation über Nekropolen süditalischer Städte weiter. A. Thomsen war auf mehreren Kampagnen in Sizilien tätig. Mit den Mitarbeitern des Schwerpunktprogramms 60 Jahresbericht 2006 des DAI unternahm er eine Exkursion zu Siedlungsstellen und Grabungen im Tal des Belice in Sizilien sowie mehrere kleinere Tagesexkursionen. Kooperationspartner: Soprintendenza per i Beni Archeologici delle Province di Napoli e Caserta • Förderung: Gerda Henkel Stiftung • Leitung des Projekts: H. von Hesberg, D. Mertens, R. Neudecker • Mitarbeiter: H. J. Beste, A. Thomsen. Selinunt Durch die Grabungen der Abteilung Rom des DAI in enger Zusammenarbeit mit der Soprintendenz Trapani in der großen griechischen Kolonialstadt Selinunt in Südwestsizilien wurde weiterhin das politische Zentrum der Stadt, die Agora, erforscht. Nach der intensiven Flächengrabung in dem Wohnblock am Ostrand des Platzes, die bereits grundlegende Informationen über wesentliche Funktionen des Platzes und seinen Wandel durch die Geschichte gegeben hatte, geht es seit 2005 darum, den ausgedehnten Platz selbst sowie seine Randbebauung im Westen und Norden zu untersuchen. Die langen, teils intermittierend angelegten Ost-West- und Nord-SüdSchnitte (Abb. 12) lassen im Großen eine ungefähre Teilung der ausgedehnten, ca. 3 ha großen Fläche in eine westliche und östliche Hälfte erkennen, die auf- Abb. 12 Selinunt, Agora. Plan mit Angabe der Grabungsschnitte (M. 1 : 2500) Abteilung Rom 61 13 14 Selinunt Abb. 13 Agora, Ansicht der Reste der Weststoa von Westen Abb. 14 Ansicht der Kammern und des Stoafundaments in der Nordostecke der Agora von Westen fällige Unterschiede aufweisen: Während die Westhälfte des im Ganzen leicht muldenförmigen Platzes an der Oberfläche geebnet ist, also Felsüberstände abgearbeitet und Löcher sowie Falten der karstig verwitterten Oberfläche aufgefüllt wurden, ist die Osthälfte durch bemerkenswerte Unregelmäßigkeiten in der in natürlichem Zustand belassenen Oberfläche gekennzeichnet. Die Entdeckung des mutmaßlichen Heroengrabes auf der westlichsten Erhebung dieser Felsformation hat bereits 2004 die Vermutung nahegelegt, daß diese Gegebenheiten wohl am ehesten im Zusammenhang mit einer besonderen Reserviertheit dieses zentralen Gebietes der Agora – und damit der Stadt im Ganzen – gesehen werden können. Dies zumal, da im selben Kontext auch die 1975 bereits von A. Rallo ausgegrabene, bisher aber noch nicht vorgelegte ›necropoli arcaica‹, also eine mutmaßliche Gräberstätte, gesehen werden muß, die sich ca. 30 m südöstlich des Grabes eines prominenten Bürgers fand. Daher wurden auch 2006 die Sondagen im Bereich zwischen beiden Anlagen sowie dem ganzen nordöstlichen Platzareal fortgesetzt. Dabei kamen allerdings in den bislang angegrabenen oberen Schichten nur Reste der Bebauung punischer Zeit zutage, die offenbar einen großen, ca. 20 m breiten Streifen vor dem Wohnblock am Ostrand des Platzes einnahm. Die Grabung in diesen Flächen ist also fortzusetzen. Klarer wurde das Bild im Jahr 2006 durch die Schnitte, die den West- und Nordrand des Platzes erreichten. Im Westen wurden die Fundamente sowie Fundamentgräben eines die Hauptstraße NO begleitenden und gewiß zum Platz geöffneten Baus aufgedeckt, der ca. 5 Meter tief war und bislang über 40 m Länge verfolgt werden konnte: also gewiß eine Stoa. Deren nördliche Flanke ist etwa 28 m südlich der Kreuzung der Hauptstraße mit der Querstraße NA ergraben worden, während das Südende des Baus noch unklar ist. Möglicherweise wird es auch unter den die Südwestecke des Platzes einnehmenden – und vorerst nicht zu entfernenden – Dünen in absehbarer Zeit nicht feststellbar sein. Unmittelbar nördlich an die Stoa anschließend liegt die Südflanke eines Nachbarbaus von noch unbekannter Art und Bestimmung, der im Jahr 2007 erforscht werden soll. Beide Anlagen sind nach der archäologischen Schichtenfolge und den Charakteristika ihrer Steinbearbeitung in die Zeit gegen oder sogar vor die Mitte des 6. Jhs. v. Chr. zu datieren (Abb. 13). 62 Jahresbericht 2006 des DAI Im Norden wurde eine bereits im Jahr 1996 angegrabene Situation im Winkel zwischen Straße NA und Straße N5-E wieder aufgenommen, wo bereits in den anstehenden abgearbeiteten Fels geschmiegte Kammern sichtbar geworden waren. Sie erwiesen sich jetzt als Reste von in ihrem unteren Teil gut erhaltenen Räumen einer wohl gewerblichen Zwecken dienenden Raumfolge punischer Zeit, welche sich auf einen mit Kieseln sorgfältig gepflastertenVorraum öffnete. Bei der stratigraphischen Grabung kam schließlich ein Quaderfundament der griechischen Periode, das bisher noch nicht genauer zu datieren ist, zutage, welches vorerst ebenfalls am ehesten an eine Stoa denken läßt (Abb. 14). Die Fortsetzung der Grabung 2007 wird auch darüber gewiß weitere Auskunft geben. Dagegen kam die Grabung weiter westlich am Nordrand des Platzes, im Schnitt Y 2006, vorerst zum Abschluß, nachdem sich erwiesen hatte, daß an dieser Stelle kein eigener Bau den Platzrand einnahm. Vielmehr muß die durch großformatige Quaderbauweise ausgezeichnete Errichtung der Hauseinheiten am Nordrand der Straße NA den optischen Abschluß des Platzes dargestellt haben. Die 2005 entdeckte Ziegellage in dem anschließenden großen Raum erwies sich zwar wie erwartet als Sturzlage des Daches des 5. Jhs. v. Chr., versiegelte aber einen Raum, der vor dem Einsturz des Daches all seiner Einrichtung beraubt worden war: wohl ein weiteres Zeugnis der Verheerungen des Karthagersturmes von 409 v. Chr. Gleichzeitig wurde die Fundbearbeitung im Zuge der Vorbereitung der Publikation des ersten Grabungsabschnitts auf der Agora »Selinus III, 1: Die Bebauung am Ostrand der Agora« fortgesetzt und steht damit vor dem Abschluß. Im Rahmen der Druckvorbereitung des Bandes »Selinus II: Die punische Wohnstadt« von S. Helas wurde noch die singuläre Ladenstoa durch J. Schumann rekonstruiert (Abb. 15). Kooperationspartner: Soprintendenza ai Beni Culturali e Ambientali di Trapani • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: D. Mertens • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: A. Achilles, L. Degen, Ch. Dehl-von Kaenel, N. Ebinger, W. Filser, N. Hoesch, M. Jonasch, M. Krämer, D. Schmehle, M. Schützenberger, J. Schumann, A. Schwarz, A. Seifert, A.Thomsen, M. Zatti • Abbil- Abb. 15 Selinunt, die punische Ladenstoa. Schnitt durch eine rekonstruierte Ladeneinheit (M. 1 : 100) Abteilung Rom 63 dungsnachweis: D. Mertens, A. Thomsen (Abb. 12); A. Thomsen (Abb. 13); D. Schmehle (Abb. 14); J. Schumann (Abb. 15). Abb. 16 Zentralisierungsprozesse im Hinterland von Selinunt, Castello della Pietra und Pizzo Don Pietro von Süden. Im Vordergrund der Belice Zentralisierungsprozesse im Hinterland von Selinunt Im Jahr 2006 konnte im Rahmen des von der Gerda Henkel Stiftung geförderten Projekts »Italische Kulturen des 7. bis 3. Jhs. v. Chr. in Süditalien und Sizilien« ein erster, auf zwei Kampagnen verteilter Survey durchgeführt werden. Gegenstand des Projekts ist die Entwicklung indigener Siedlungen im Spannungsfeld der griechischen Kolonisation und darüber hinaus, bis hin zur römischen Expansion. Die hierbei angestrebte phänomenologische Studie soll durch gezielte Feldforschungen vertieft werden, in denen exemplarisch Fragen der Siedlungsgenese sowie nach den Ursachen und Folgen von Zentralisierungsprozessen nachzugehen ist. Die erste dieser Fallstudien betrifft die im Hinterland von Selinunt gelegenen Lokalitäten Pizzo Don Pietro und Castello della Pietra, deren oberirdisch sichtbare Baureste mitsamt der Topographie geodätisch aufgemessen und gezeichnet wurden (Abb. 16). Es handelt sich um eine etwa 10 km nördlich der Belice-Mündung unmittelbar westlich des Flusses gelegene indigene Höhensiedlung mit hohem natürlichen Defensivpotential. Sie besteht aus zwei Teilen, nämlich dem dreieckigen, im Osten, Westen und Süden von steilen Felsabbrüchen begrenzten Felsplateau Pizzo Don Pietro, an das sich im Süden das Castello della Pietra, ein Tafelberg mit allseitig senkrecht abfallenden Felswänden anschließt. Verbunden sind beide Felshügel durch einen schmalen Geländesattel, dessen Osthang wohl ebenfalls besiedelt war. Ihre größte Ausdehnung erreichte die Siedlung offenbar in der späten Eisenzeit (ca. 6 ha), während sich die spät- und nacharchaische Besiedlung vor allem auf Castello della Pietra beschränkt zu haben scheint, eine Entwicklung, die mit der Gründung von Selinunt in Zusammenhang stehen dürfte. 64 Jahresbericht 2006 des DAI Außer an der Keramik ist die indigene Siedlungsphase auch an verschiedenen Felsabarbeitungen und vor allem an den zahlreichen, in den felsigen Boden getriebenen Pfostenlöchern erkennbar, die sich stellenweise zu teils rechteckigen, teils kurvigen Hüttengrundrissen ergänzen lassen. Hervorzuheben sind insbesondere mehrere fast kreisrunde Hütten, deren Umrisse durch in den Fels gegrabene Rinnen definiert sind (Abb. 17). Ein Hinweis auf differenziertes Wohnen und eine daraus abzuleitende hierarchische Gesellschaftsordnung scheint sich auf der Nordspitze von Castello della Pietra gefunden zu haben, die durch einen künstlich verbreiterten Felsgraben als Akropolis vom Rest der Siedlung abgetrennt ist. Hier befinden sich die großzügiger dimensionierten Reste eines teilweise in den Fels gehauenen und von Pfostenlöchern umgebenen, mindestens zweiräumigen Rechteckbaus, bei dem es sich durchaus um eine Residenz handeln könnte. Diese Geländeprospektion stellt den ersten Versuch der Gesamtaufnahme einer indigenen Siedlung in dieser Region dar, seine Auswertung verspricht daher wichtige Erkenntnisse über deren Aufbau und Struktur. Auch kann er als Ausgangspunkt für die Untersuchung der Frage dienen, welche Folgen eine Koloniegründung für die Einheimischen in deren unmittelbarem Hinterland gehabt haben könnte. Kooperationspartner: Soprintendenza ai Beni Culturali e Ambientali di Trapani; Fachhochschule Karlsruhe • Förderung: Gerda Henkel Stiftung • Leitung des Projekts: A. Thomsen • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: A. Achilles, I. Honikel, D. Koch, F. Lentini, A. Rieger, M. Schützenberger • Abbildungsnachweis: A. Thomsen (Abb. 16. 17). Metapont Die von achäischen Siedlern aus der Peloponnes angelegte großräumige Kolonie Metapont in Unteritalien war in den 1970er und 1980er Jahren der Schwerpunkt der Bemühungen der Abteilung Rom des DAI, in Zusammenarbeit mit den lokalen Stellen, Grundzüge der griechischen Kolonisation in Unteritalien zu erarbeiten und besonders die architektonische und urbanistische Gestalt dieser Städte kennenzulernen. Dabei standen das Stadtheiligtum und die Agora im Mittelpunkt, und man darf heute sagen, daß diese Zentren des kultischen und zivilen Lebens in Metapont mittlerweile die vollständigsten und anschaulichsten Beispiele ihrer Art unter den Städten des festländischen Unteritalien darstellen. Die gleichzeitig von der Soprintendenz eingeleiteten Untersuchungen zur gesamten Stadtstruktur haben nun in den letzten beiden Jahren durch den Einsatz des DAI eine neue Dimension erhalten. Nach der positiven Erfahrung in Selinunt ist auch in Metapont eine flächendeckende geomagnetische Prospektion eingeleitet worden. Dabei sind die schon durch die überaus günstigen topographischen Grundgegebenheiten erweckten Erwartungen noch übertroffen worden. Im Stadtzentrum ist nicht nur das ganze Straßenraster sichtbar, sondern es sind auch einzelne Hausstellen bis hin in einzelne Räume sowie das für die in der Schwemmlandebene angelegte Stadt lebenswichtige Kanalsystem zu erkennen. Im Osten ist die Situation an der Küste geklärt worden, und im Süden bestätigte sich unsere Vermutung, daß eine auffällige Einbuchtung in der Kontur des Stadtrandes, welche schon aus Luftphotos ersichtlich war, von einer Überflutung – und folglich Zerstörung – durch den mäandrierenden Basento-Fluß herrührt. Die bedeutendsten Erkenntnisse aus der Kampagne des Jahres 2006 betreffen neben den Erweiterungen der Kartierung nach Westen und Süden vor allem den Bereich um die Agora (Abb. 18). Ihre Nordgrenze und ein daran anschließendes Stadtareal, aber auch Hinweise auf eine Abb. 17 Zentralisierungsprozesse im Hinterland von Selinunt, Pizzo Don Pietro. Rundhütte mit Pfostenlöchern (genordet) Abteilung Rom 65 Abb. 18 Metapont, der regelmäßige Stadtplan in der geomagnetischen Prospektion. Stand 2006 (M. 1 : 10 000) leicht unregelmäßige, wohl späte Überbauung des nordöstlichen Gebietes der einst mit ca. 7 ha überaus ausgedehnten Agora sind von besonderem Interesse. Abschließend muß noch die Frage nach den nördlichen Stadtbereichen jenseits des Stadtheiligtums geklärt werden. Im Rahmen des angestrebten Strukturvergleiches zwischen einem unteritalischen und einem sizilischen (Selinunt) Musterbeispiel – zwei Städte von vergleichbarer Größe, aber sehr unterschiedlicher Geschichte und Bevölkerungszusammensetzung – könnte das damit erreichte Bild vorläufig ausreichen. Gleichzeitig gibt es aber wie in Selinunt alle Mittel an die Hand, um nun ganz gezielte Grabungen zu einzelnen Themen anzulegen. Dies ist in Metapont deswegen besonders wichtig, weil hier die Wohnbesiedlung noch so gut wie unbekannt ist. Es war seit langem ein Ziel, auch in der Wohnstadt zu graben: Jetzt wird dafür die bestmögliche Voruntersuchung angestellt. Auch hier lassen sich auf den ersten Blick dichter besiedelte Stadtareale von weniger intensiv genutzten unterscheiden. Die Kriterien für ihre Lage innerhalb der Stadt sind aber nicht so eindeutig wie in Selinunt. Denn es scheint auch in vermeintlich zentralen Lagen recht wenig intensiv genutzte Flächen zu geben. Ehe man sich 66 Jahresbericht 2006 des DAI darüber aber ein Urteil bildet und eine konkrete Grabungsstrategie entwickelt, muß auf jeden Fall die Prospektion abgeschlossen werden. Kooperationspartner: Soprintendenza per i Beni Archeologici della Basilicata (A. De Siena); Geophysikalisches Institut der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (H. Stümpel) • Leitung des Projekts: D. Mertens, A. De Siena • Mitarbeiter: H. Stümpel • Abbildungsnachweis: H. Stümpel (Abb. 18). Agrigent Eine ganze Reihe von Projekten der Abteilung Rom des DAI ist in enger Kooperation mit den italienischen Soprintendenzen entstanden. Die bauhistorische Untersuchung des Tempels B, dem ›Olympieion‹ in Agrigent, und des Amphitheaters in Catania gehört zu solchen Projekten. Dem vom Parco Archeologico e Paesaggistico della Valle dei Templi di Agrigento bereits 2005 geäußerten Wunsch nach einer Beteiligung des Instituts an den vorbereitenden Untersuchungen für die Restaurierung von Tempel B konnte in diesem Jahr nachgekommen werden (Abb. 19). Dabei ist es das Anliegen beider Institutionen, das Monument vor der dringend notwendigen Restaurierung zunächst archäologisch und bauhistorisch zu untersuchen. In einer diesjährigen Bauaufnahmekampagne wurde ein steingerechter Grundriß des Tempels im M. 1 : 100 aufgenommen. Im Zuge dieser Arbeit begann man auch mit der Katalogisierung der Bauglieder (Abb. 20–22). Die Ruine des größten dorischen Tempels (Diodor 13, 81) gestattet trotz der starken Zerstörung – in der Mitte des 18. Jhs. wurden seine Quader für den Bau der Mole des Hafens von Porto Empedocle verwendet – noch weitergehende Aussagen über seinen ursprünglichen Zustand zu entlocken. Handelt es Abb. 19 Agrigent, links: Tempel B (›Olympieion‹), rechts: Tempel des Herakles Abteilung Rom 67 Abb. 20 Agrigent, Tempel B. Kapitell der Südostecke 22 21 Agrigent, Tempel B Abb. 21 Schnitt Ostseite, Säule, Grundriß und Abb. 22 Geison sich doch um ein Bauwerk (480 v. Chr. begonnen), das nicht nur hinsichtlich seiner Ausmaße (ca. 113,45 m × 56,30 m), sondern auch aufgrund von Besonderheiten in seiner Gestaltung (Halbsäulen und Atlanten) einzigartig ist. Trotz zahlreicher Rekonstruktionsvorschläge für den Standort der Atlanten – bislang wurden acht vorgelegt – ist ihre Einbindung als konstruktives Element zwischen den Halbsäulen der Außenfassade nach wie vor ungeklärt. Gleiches gilt für die Höhe und den Durchmesser der Halbsäulen. Anhand einer auf der Südseite des Tempels neu entdeckten Sturzlage vom Gebälk war es möglich, die noch immer gültige Rekonstruktion (1908) des Gebälkaufbaus von R. Koldewey und O. Puchstein dahingehend zu vervollständigen, daß nun die zur Ringhalle ausgerichteten Quader des Gebälks bekannt sind. Ferner 68 Jahresbericht 2006 des DAI konnte sichergestellt werden, daß die zwei in der südlichen Cellawand verbauten Zisternenbecken nicht zum Originalplan des Tempels gehören und damit nicht der Entwässerung eines hypäthralen Daches dienten. Ob es sich bei der von A. Prado eingezeichneten Aussparung im vierten Pfeiler der nördlichen Cellawand auch um eine Zisterne handelt, soll im kommenden Jahr mittels einer Sondage geklärt werden. Kooperationspartner: Parco Archeologico e Paesaggistico della Valle dei Templi di Agrigento • Förderung: Parco Archeologico e Paesaggistico della Valle dei Templi di Agrigento • Leitung des Projekts: H.-J. Beste • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: Ch. Eichinger, H. Türk • Abbildungsnachweis: DAI, Abteilung Rom, H. Schläger 1968 (Abb. 19); DAI, Abteilung Rom, H.-J. Beste (Abb. 20–22). Catania, Amphitheater Das Amphitheater von Catania, das in den Jahren 1902 bis 1925 nur auf einer kleinen Fläche im Stadtgebiet freigelegt und anschließend umfassend restauriert wurde, ist – wie auch viele andere römische Monumente auf Sizilien – bis auf wenige Betrachtungen allgemeiner Natur unerforscht. Ausgehend von der neuen Bauaufnahme durch den Bauforscher F. Becker konnte erstmals Abb. 23 Catania, Amphitheater in der modernen Bebauung (M. 1 : 1000) Abteilung Rom 69 die Ausdehnung und Form der gesamten Anlage sowie ihre Lage im Verhältnis zu der aus dem 17. Jh. stammenden Überbebauung geklärt werden (Abb. 23). Auf der Grundlage dieser neuen Daten kann nun Fragen zur Urbanistik der antiken Stadt, zur Wahl des Standortes für das Bauwerk und zu seiner inneren Erschließung nachgegangen werden. Ferner dient die neu geschaffene Dokumentation als Grundlage für die Erstellung eines Arbeits- und Restaurierungsprogramms. Die parallel zur Bauaufnahme vorgenommene Untersuchung ergab, daß die Mauerzüge, welche das Zuschauerrund, die cavea, tragen, in zwei verschiedenen Techniken ausgeführt sind, nämlich in opus africanum und einem grob ausgeführten opus quadratum. Da auch die Mauer, welche die gesamte Anlage des Amphitheaters zur Stadt hin abgrenzt, aus opus africanum besteht, diese Mauertechnik aber nur im Inneren der Anlage Verwendung fand, ist zu klären, ob der Wechsel der Mauerwerkstechnik durch eine lange Bauzeit bedingt ist, oder ob es sich um eine spätere Erweiterung der gesamten Anlage handelt. Kooperationspartner: Soprintendenza Archeologica di Catania • Förderung: Soprintendenza Archeologica di Catania • Leitung des Projekts: H.-J. Beste • Mitarbeiter: F. Becker • Abbildungsnachweis: F. Becker (Abb. 23). Totenbrauchtum italischer Kulturen Süditaliens und Siziliens Im Rahmen eines Auslandsstipendiums wird seit dem 1. November 2006 das Totenbrauchtum italischer Kulturen Süditaliens und Siziliens unter dem Einfluß griechischer Kolonien erforscht. Es handelt sich um eine thanatoarchäologische Untersuchung zur Konstituierung von Identitäten anhand exemplarisch ausgewählter Nekropolen. In einer Pilotstudie werden zunächst Fundplätze des 8. bis 5. Jhs. v. Chr. in Südostsizilien behandelt. Ziel ist es, komplementär zur Analyse der Siedlungen vorrangig anhand der Grabbefunde ein kulturgeschichtliches Entwicklungsmodell für das Untersuchungsgebiet zu erarbeiten und die Veränderungen der sich im Totenritual manifestierenden kulturellen und sozialen Identitäten der indigenen Bestattungsgemeinschaften vor dem Hintergrund des Kontaktes mit Fremden nachzuvollziehen. Es sollen die Möglichkeiten und Grenzen, politische Räume am archäologischen Befund zu analysieren, aufgezeigt werden. Die theoretischen Grundlagen hierfür wurden durch eine Auseinandersetzung mit dem Problem der ethnischen Deutung und verschiedenen Akkulturationskonzepten geschaffen. Projektbearbeiterin: K. P. Hofmann. Armin von Gerkan, Rezeptionsgeschichte Im Rahmen eines von G. Brands und M. Maischberger ins Leben gerufenen Buchprojekts zu Lebensbildern deutscher und italienischer Archäologen des 20. Jhs. und in Verbindung mit dem Forschungscluster 5 »Geschichte des Deutschen Archäologischen Instituts im 20. Jahrhundert« des DAI wurde mit Archiv- und Bibliotheksstudien zu Armin von Gerkan begonnen, der von 1924 bis 1937 als Zweiter und von 1938 bis 1945 als Erster Sekretär der Zweigstelle Rom des DAI tätig war. Ziel ist es, das Wirken von Gerkans als Wissenschaftler und leitender Wissenschaftsfunktionär im historischen Kontext und in seinem Bezug zur allgemeinen Entwicklung der Altertumswissenschaften darzustellen. Bearbeiter: Th. Fröhlich. Rom, Colle Oppio, Antikenrezeption Ausgangspunkt für diese Untersuchung war eine im Photoarchiv befindliche, aus dem Jahr 1939 stammende Luftaufnahme des Parco del Colle Oppio 70 Jahresbericht 2006 des DAI (s. AA 2006/2, 150 Abb. 5). In ihr sind südlich der Trajansthermen gelegene Strukturen sichtbar, die durch Grünbepflanzung an der Oberfläche gekennzeichnet sind. Auf den ersten Blick scheint sich unter der Bepflanzung ein antiker Baubestand mit einer Nischenreihe, einem theaterförmigen Halbrund und einer Art Zisterne abzuzeichnen. Nach Prüfung der topographischen Zeugnisse, Recherche zur Entstehung der Gartenanlagen auf dem Oppius und Autopsie ergab sich allerdings, daß in diesem Hügelbereich keinerlei antike Bausubstanzen existieren und es sich um Aufschüttungsniveaus aus der Mitte der 20er Jahre des 20. Jhs. handelt. Diese Art der Gartengestaltung des Architekten R. de Vico aus dem Jahr 1928 darf jedoch nicht als Vortäuschung von auf dem Hügel effektiv nicht vorhandenem antiken Bestand gewertet werden. Aus den verschiedenen Planungsstufen läßt sich ablesen, daß der letztendlichen Ausführung durch R. de Vico Ideen von G. Boni aus den Jahren der Jahrhundertwende zugrunde liegen. Das historistische Gartenkonzept, in dem die Erholung der Bürger im Vordergrund stand, wurde 1928 mit Symbolen des Regimes bestückt, die versuchten, die Geschichte des Platzes und ihrer Protagonisten – in diesem Falle die Kaiser Nero und Trajan – mit der Geschichtssicht der zeitgenössischen Gouverneursregierung von Rom in Einklang zu bringen: So sind die Pfeiler des zum Kolosseum hin gelegenen Parkeingangs mit Köpfen geschmückt, die dem Porträt des Kaisers Nero nachempfunden sind und denen das aus dem Rutenbündel der Antike abgeleitete Symbol des Faschismus beigegeben ist (Abb. 24). Laufbrunnen und steinerne, barock wirkende Fruchtkörbe tragen ebenfalls politische Zeichen. Direkt an den Park von R. de Vico im Norden anschließend wurde 1936 der vom städtischen Soprintendenten, A. Muñoz, entworfene Parco di Traiano eingeweiht. Bei Anlegung dieser ausgedehnten Grünzone standen nun ganz andere Aspekte im Vordergrund: Zum einen der zivilisatorische Anspruch des Regimes, aus dem im Herzen der Stadt gelegenen, ungepflegten Grundstück, das man den alten Besitzern (Familie Brancaccio) abgekauft hatte, eine großzügige Parkanlage zu schaffen; zum anderen der Wunsch der Stadtregierung, sich als moderne Hauptstadt mit breiten, zügig mit dem Automobil zu befahrenden Straßen darzustellen. Angeblich verkehrstechnisch bedingte Wünsche ließen den diesen Park durchschneidenden Viale del Monte Oppio entstehen. Die im Gelände hochaufragenden Ruinen der Trajansthermen wurden auf diese Weise zusammen mit dem Blick auf Kolosseum, Konstantinsbogen und Palatin zur Kulisse, vor der das Regime die eigenen Rituale zelebrierte. Für das Problem des Umgangs mit Antiken während des Faschismus bilden die Nutzungskonzepte des Oppius ein aussagekräftiges Beispiel. Kooperationspartner: Soprintendenza Archeologica di Roma (Servizio Giardini); Archivio Centrale dello Stato • Leitung des Projekts: S. Diebner • Abbildungsnachweis: DAI-Rom-Dig 2007.0294 (Abb. 24). Gadara/Umm Qais (Jordanien), Bogenmonument extra muros In Ergänzung zur Dissertationsarbeit »Das Bogenmonument extra muros in Gadara« von C. Bührig lieferte K. Freyberger einen Beitrag zur Datierung des Torbaus auf der Basis einer formanalytischen Auswertung der Bauornamentik. Aus dem typologischen und stilistischen Befund ließ sich eine Datierung des Bogenmonuments in das 2. Jahrzehnt des 3. Jhs. n. Chr. ableiten. Für das Formenrepertoire und die plastische Wiedergabe der Dekorelemente lassen sich als beste Vergleichsbeispiele die Ornamentik severischer Bauten in Nordjordanien wie das ›Podienmonument‹ in Gadara und das nördliche Tetrapylon in Gerasa anführen. Bearbeiter: K. S. Freyberger. Abb. 24 Rom, Colle Oppio. Parkeingang mit reliefierten Pfeilern Abteilung Rom 71 Byblos (Libanon),Theater Die Untersuchung des Theaters in Byblos von K. S. Freyberger war auf die Bauornamentik sowie die Funktion und Bedeutung des Gebäudes gerichtet. Wie die Forschungen von C. Ertel ergaben, wurde das Theater im Zuge einer monumentalen Neugestaltung der Kultstätte auf dem Tell von Byblos in augusteischer Zeit errichtet. Dadurch läßt sich das Theater als zentrale Schaltstelle verstehen, mit der die traditionellen, auf dem Tell praktizierten Kulte in römischer Zeit eine grundlegend neue Ausrichtung erhielten. Dabei wurde neben der traditionellen Verehrung der lokalen Götter auch dem Kaiserhaus gehuldigt. Die von hellenistischen und zugleich stadtrömischen Vorbildern beeinflußte Bauornamentik legt ebenso wie die Gestaltung des Fußbodenmosaiks in der orchestra eine Datierung des sakralen Theaters in die letzten beiden Jahrzehnte des 1. Jhs. v. Chr. nahe. Die Gestaltung der Bühnenanlage folgt dabei vor allem in der Art des pulpitum den Entwicklungen der augusteischen Zeit im Westen des Reiches. Bearbeiter: C. Ertel, K. S. Freyberger, H. von Hesberg. Italo Gismondi als Bauforscher Die Soprintendenz Roma (F. Filippi) plant eine Ausstellung zum Leben und Werk Italo Gismondis, der zu den überragenden Persönlichkeiten innerhalb der Erforschung antiker Architektur in Italien und im Mittelmeerraum allgemein gehört. Der Schwerpunkt seiner Aktivitäten fällt in die Zeit zwischen den Weltkriegen, er arbeitete aber bis in die 1960er Jahre. Im Zusammenhang des Projekts soll sein Werk unter methodischen und zeithistorischen Aspekten anhand einzelner Monumente kritisch gewürdigt werden, besonders seine Art der Aufnahme und der Rekonstruktion. Teilnehmer des Projekts von deutscher Seite: H.-J. Beste, H. von Hesberg, V. Kockel, U. Wulf-Rheidt. Corpus Vasorum Antiquorum, Erlangen Band 2 Die Bearbeitung des zweiten Korpusbandes über die Vasen der FriedrichAlexander-Universität Erlangen-Nürnberg von O. Dräger wurde abgeschlossen und das Manuskript zum Druck eingereicht. Der frühere Band zu dieser Sammlung von seiner Hand liegt vor. In dem Buch werden insgesamt 165 Gefäße und Fragmente vornehmlich attisch und etruskisch schwarzfiguriger Bemalungstechnik sowie attisch rotfigurige Lekythen und ferner etruskische und andere Vasen besprochen. Die Vorlage geschieht primär in Gestalt umfangreicher und detaillierter Beschreibungen und photographischer Dokumentation, ergänzt durch Schnitte sowie Umzeichnungen. Die Analyse wird in der bekannten Form des Corpus Vasorum Antiquorum präsentiert. Projektträger: Bayerische Akademie der Wissenschaften München • Projektbearbeiter: O. Dräger. Wissenschaftliche Veranstaltungen Vorträge 12. Januar Emilio Marin (Rom), Le mura di Naronaxxx23. Februar Henning Fahlbusch (Lübeck) – Christoph Ohlig (Lübeck), Die Wasserkultur der Villa Hadrianaxxx2. März Claudio Mocchegiani Carpano (Rom) – Stefania Fogagnolo (Rom), Templum Pacis: Nuove acquisizioni dallo scavo dell’aula di cultoxxx16. März Bettina Rommel (Berlin) – Gregor Vogt-Spira (Greifswald), Eine visuelle Topographie des alten Europa: Jakob Philipp Hackert »Zehn 72 Jahresbericht 2006 des DAI Aussichten von dem Landhause des Horaz«xxx23. März Eugenio La Rocca (Rom) – Chrystina Haeuber (Regensburg), Il GIS »Forma Romae« – Das »AIS ROMA«: Neue Forschungen zur Topographie des antiken Romxxx6. April Christine Ertel (Rom) – Klaus S. Freyberger (Rom), Neue Forschungen zur Basilica Aemilia in Rom. Bauphasen und Rekonstruktionxxx19. April (Palilienadunanz) Fausto Zevi (Rom), Pompei prima e dopo l’eruzionexxx25. Mai Paola Santoro (Rom) – Enrico Benelli (Rom), Nuove scoperte nella necropoli di Colle del Forno (Montelibretti, RM)xxx8. Juni Francesco D’Andria (Lecce) – Paul Kessener (Nijmegen) – Tullia Ritti (Neapel), »Stridentesque trahens per levia marmora serras«, il più antico schema di una sega idraulica per pietra, rappresentato su un sarcofago da Hierapolis di Frigixxx26. Juni Eröffnungsvortrag des Internationalen Kongresses »Crisi e trasformazioni nelle società dell’Italia meridionale dal IV al III secolo a. C.«, Pier Giovanni Guzzo (Pompei), Fra i Brettiixxx14. Dezember (Winkelmannadunanz) Andreas Kablitz (Köln), Petrarca e l’antichità: L’adorazione dei classici e il significato del concetto di novità (wegen der Bauarbeiten im Institut fand die Adunanz im Auditorium der Ara Pacis statt). Kolloquien und Symposien 19. Januar Studientag »Winckelmann a Roma. L’esperienza dell’antico« anläßlich der kompletten Ausgabe von Johann Joachim Winckelmanns »Ville e Palazzi a Roma. Il primo incontro di Winckelmann con le collezioni romane« (Joselita Raspi Serra) (in Zusammenarbeit mit dem Istituto Italiano di Studi Germanici und dem Istituto Italiano di Studi Filosofici). – Es nahmen teil: Paolo Chiarini, Dieter Mertens, Norbert Miller, Joselita Raspi Serra, Maria Fancelli, Filippo Coarelli, Michele Cometa, Wolf-Dieter Heilmeyer, Adolf Heinrich Borbein, Thomas Fröhlich, Antonio Giuliano, Adriano La Regina. 26. Januar Studientag »Un ripostiglio monetale di età romana imperiale dal territorio di Fidenae. Analisi archeologica e tecnica di restauro«. – Es nahmen teil: Dieter Mertens, Angelo Bottini, Francesco di Gennaro, Pietro Barbina, Francesca Ceci, Marina Angelini, Olimpia Colacicchi, Ida Anna Rapinesi, Marco Ferretti, Luigi Campanella, Susanne Plattner.xxx2. Februar Symposion »Intrecci culturali con Asia nel periodo arcaico« anläßlich des 75. Geburtstags von Walter Burkert (in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Institut). – Es nahmen teil: Christoph Riedweg, Dieter Mertens, Antonio Panaino, Ivo Hajnal, Walter Burkert, Giovanni Casadio, M. Laura Gemelli Marciano, Gherardo Gnoli, Giovanni Pugliese Carratelli.xxx4. Mai Studientag »Venere e il porto di Pompei: Una giornata di studi« (in Zusammenarbeit mit der Scuola di Specializzazione in Archeologia di Matera). – Es nahmen teil: Alison Carnell, Fulvio Coletti, Emmanuele Curti, Girolamo F. De Simone, Girolamo Fiorentino, Pier Giovanni Guzzo, Paola Iannuzziello, Antonella Lepone, Giampiero Marinò, Claudio Mazzoli, Claudia Melish, Dieter Mertens, Marcello Mogetta, Marcella Nicodemo, Chiara Prascina, Jamie Sewell, Giulia Sterpa, Neelson Witte, Markus Wolf.xxx18. Mai Studientag »Teanum Sidicinum« zu Ehren von Werner Johannowsky. – Es nahmen teil: Alfredo Balasco, Heinz-Jürgen Beste, Renata Cantilena, Virginia D’Avino, Gabriella Gasperetti, Sophie Hay, Werner Johannowsky, Simon Keay, Dieter Mertens, Maria Luisa Nava, Richard Neudecker, Pier Paolo Petrone, Paolo Poccetti, Francesco Sirano, Giuliana Tocco, Fausto Zevi.xxx26. bis 28. Juni Internationaler Kongreß »Crisi e trasformazioni nelle società dell’Italia meridionale dal IV al III secolo a. C.« anläßlich des 65. Geburtstags von Dieter Mertens (Organisation: Richard Neudecker). – Es nahmen teil: Carmine Ampolo, Malcolm Bell, Francesco D’Andria, Antonio De Siena, Maurizio Giangiulio, Liliana Giardino, Michel Abteilung Rom 73 Gras, Emanuele Greco, Piero Guzzo, Sophie Helas, Hans Peter Isler, Enzo Lippolis, Massimo Osanna, Angela Pontrandolfo, John Scheid, Andreas Thomsen, Stefano Vassallo, Giuliano Volpe. Buchvorstellungen 9. Februar Vorstellung des Buches von Attilio Mastrocinque, Sylloge Gemmarum Gnosticarum I (Rom 2003). – Es nahmen teil: Silvana De Caro Balbi, Gemma Sena Chiesa, Attilio Mastrocinque.xxx16. Februar Vorstellung des Bandes Supplementa Italica – Imagines. Latium vetus I. Latium vetus praeter Ostiam (Rom 2005). – Es nahmen teil: Silvio Panciera, Werner Eck, Daniele Manacorda, Carlo Tedeschi. Öffentlichkeitsarbeit Die öffentlichen Führungen in Rom und Umgebung erfolgten vom 4. Februar bis 27. Mai. Der traditionelle Pompejikurs für Gymnasiallehrer wurde dieses Jahr durch den Romkurs ersetzt, der vom 5. bis 11. November stattfand. Daran beteiligten sich alle wissenschaftlichen Referenten der Abteilung. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen stellten ihre aktuellen Forschungsprojekte Kollegen aus dem Aus- und Inland vor. Darüber hinaus wurden zu verschiedenen Projekten und aktuellen Entwicklungen der Archäologie in Italien verschiedene Interviews gegeben und Informationsmaterial an die Medien weiter gereicht. Ausstellung 18. Mai bis 15. Juli Alta Terra di Lavoro. Nuove scoperte da Teano e Presenzano (Organisation: Francesco Sirano, Richard Neudecker) Veröffentlichungen Römische Mitteilungen 112, 2005/2006 Palilia 15: N. Mekacher, Die vestalischen Jungfrauen in der römischen Kaiserzeit Palilia 17: M. Vonderstein, Der Zeuskult bei den Westgriechen Sonstiges Das Institut ist wegen Sanierungsarbeiten einschließlich der Gästeräume seit dem 9. September für den Publikumsverkehr geschlossen. 74 Jahresbericht 2006 des DAI Ausgrabungen und Forschungen Abteilung Athen Athen, Kerameikos Gegenstand der Untersuchungen am Südwestrand der Kerameikosstraße vor dem Dipylon waren die durch Xenophon (Hellenika 2, 4, 33) bezeugten und von A. Brueckner wiedergefundenen Lakedaimoniergräber, die im Jahr 403 v. Chr. während des athenischen Bürgerkrieges am südwestlichen Straßenrand angelegt worden sind (Abb. 1). Ziele der Kampagne waren u. a. die Untersuchung der früheren Bebauung unter den Lakedaimoniergräbern, die im Mai 403 v. Chr. dieser Anlage weichen mußte, sowie die Gewinnung ergänzender Befunde zu den Gräbern und dem Opfer am Grab. Festgestellt wurde zum einen, daß sich unter den Lakedaimoniergräbern im Südosten Teile einer Badeanlage des 5. Jhs. befinden, nach Südwesten hin jedoch Reste einer ausgedehnten Töpferei. Zwei Töpferöfen (Abb. 2), die Reste von Schlämmbecken mit Kieselestrich sowie eine Fülle von Töpferschutt (Tonklumpen mit den Fingerabdrücken der Töpfer, Fehlbrände und Brennstützen) aus diesem Areal geben Aufschluß über Art und Umfang der Produktion dieser Werkstätten (Abb. 3). Diese Töpfereien setzten auch nach der Einrichtung der Gräber ihren Betrieb fort. Aufgegeben wurden lediglich die Teile, die direkt unter dem Staatsgrab zu liegen kamen. Die Töpfer arbeiteten hier bis in die späthellenistische Zeit. In einem von früheren Grabungen unberührten Teil einer späthellenistischen Töpferanlage, die direkt an die nördliche Erweiterung der Lakedaimo- Abb. 1 Athen, Kerameikos. Die Kerameikosstraße von Nordwesten. Rechts am südwestlichen Straßenrand die Grabanlage der Lakedaimonier (403 v. Chr.) Abteilung Athen 75 2 niergräber ansetzt, konnten weitere Scherben von rotfiguriger Keramik geborgen werden, die zu dem Opfer am Grab der Spartaner gehörten und im Jahr 403 v. Chr. ausschließlich für diesen Zweck als Sonderbestellung in einer Athener Töpferei produziert worden sind. Die neuen Scherben passen z. T. an Fragmente aus den Grabungen der 1930er Jahre an. Überraschend war die Auffindung eines Grubenofens. Der Ofen besteht aus einer runden, oben 1,60 m weiten Grube von 0,40 m Tiefe, die mit Lehm ausgekleidet war (Abb. 4). Der flache Boden der Grube und die Wände sind verbrannt und rauchgeschwärzt, der Lehm durch das Feuer verfestigt. Im Inneren fand sich ein angebrannter Marmorstein, der zum Zweck der besseren Durchlüftung auf den Boden des Ofens gelegt war. Der Ofen wurde am Ende des 5. Jhs. v. Chr. einheitlich aufgefüllt, wie die Keramik (darunter Kochgeschirr) aus der Verfüllungsschicht zeigt. Die rote Erde der Verfüllung wurde auch in der Fläche über und rund um den Ofen ausgebreitet. Aus Zeitgründen konnte nicht geklärt werden, ob und in welchem baulichen Zusammenhang der Ofen stand. Da der Ofen für ›private‹ Nutzung zu groß ist und am Ende des 5. Jhs. verfüllt wurde, gleichzeitig aber in direkter Nähe zum Grabbau der Lakedaimonier liegt und nicht lange benutzt worden zu sein scheint, wäre entweder an eine Verwendung in Zusammenhang mit dem Opfer am Grab oder an eine Nutzung in Zusammenhang mit den Töpfereien zu denken. 3 Athen, Kerameikos Abb. 2 Reste eines Töpferofens des 4. Jhs. v. Chr. an der Rückseite der Lakedaimoniergräber Abb. 3 Tonbatzen mit Fingerabdrücken der Töpfer, Produktionsabfall aus den Töpfereien am Südwestrand der Kerameikosstraße Abb. 4 Grubenofen bei den Lakedaimoniergräbern 4 Leitung des Projekts: W.-D. Niemeier • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: J. Stroszeck (Lakedaimoniergräber), K. Heyken, H. Schneider (Vermessung), J. Papagrigoriou (Restaurierung) • Abbildungsnachweis: DAI Athen, Kerameikosgrabung Nr. 06-0-23, J. Stroszeck (Abb. 1); DAI Athen, Kerameikosgrabung Nr. 06-2-46, J. Stroszeck (Abb. 2); DAI Athen, Kerameikosgrabung Nr. 06-127-4, J. Stroszeck (Abb. 3); DAI Athen, Kerameikosgrabung Nr. 06-3-102, J. Stroszeck (Abb. 4). 76 Jahresbericht 2006 des DAI Kalapodi Im Heiligtum von Kalapodi in der antiken Phokis, bei dem es sich aller Wahrscheinlichkeit nach nicht – wie bisher angenommen – um das Heiligtum der Artemis Elaphebolos von Hyampolis, sondern um das Orakelheiligtum des Apollon von Abai handelt (s. die Diskussion in ARepLond 53, 2006/2007), wurden die 2004 im Bereich des Südtempels wieder aufgenommenen Grabungen fortgesetzt. Von dem um 570/60 v. Chr. erbauten und 480 v. Chr. durch die Perser zerstörten hocharchaischen Südtempel konnten die noch fehlenden Teile des stark verbrannten Stylobats im Norden und Westen freigelegt werden. Überraschenderweise wurde im Westen des Tempels eine zweite Steinrampe angetroffen, die – etwas schmaler – der im Osten exakt in der Mittelachse des Tempels gegenüberliegt. Die Perserzerstörungsschicht, die 2004 und 2005 im Nordpteron zwischen den Säulen 5 und 8 von Osten gefunden worden war (s. AA 2005/2, 166 f.; AA 2006/2, 166–168) setzte sich in der Nordhälfte der westlichen Vorhalle fort. Unter dem Versturz von Dachziegeln, verkohlten Balken der Dachkonstruktion und verbrannten Lehmziegeln kamen die Eisenteile von vier weiteren Streitwagenrädern zutage, wobei es sich um Naben, Verbindungsstücke für die Speichen und teilweise stark verbogene Segmente von Radreifen handelte (Abb. 5). Abb. 5 Kalapodi, Eisenteile von Streitwagenrädern in situ im Westpteron des 480 v. Chr. von den Persern zerstörten Südtempels Wie die letzte Phase des spätgeometrischen bis früharchaischen Südtempels, so wurde auch die zweite Phase durch ein Erdbeben zerstört, bei dem die innen weiß stuckierte südliche Langmauer aus Lehmziegeln auf einem Steinsockel auf eine große Eschara (Aschengrube) im Tempel stürzte. Eine unerwartete, sehr aufregende Entdeckung stellte dar, daß der Stuck zumindest partiell bemalt war. Es konnten Teile einer Wandmalerei geborgen werden, die eine Kampfszene zeigte: Auf einem größeren Fragment (Abb. 6) ist der Teil eines Helmes mit Helmbusch zu erkennen, hinter ihm zwei erhobene Arme, die Lanzen in den Händen halten. Der eine Arm gehört zu dem Krieger mit dem Helm, der zweite zu einem hinter ihm befindlichen weiteren Krieger. Wir haben hier also den Ausschnitt aus einer Phalanx vor uns, wie sie einer der Friese der etwa gleichzeitigen, um 640 v. Chr. zu datierenden protokorinthischen Chigi-Kanne (E. Simon, Die griechischen Vasen [München 1976] Taf. 25.VII) zeigt. Wie dort war auch auf der Wandmalerei in Kalapodi eine gegnerische Phalanx dargestellt, von welcher der Helm mit Helmbusch und die eine Lanze führende Hand eines in entgegengesetzter Richtung agierenden Kriegers identifiziert werden konnte. 2006 wurde am Ende der Abteilung Athen 77 Abb. 6 Kalapodi, Wandmalereifragment mit der Darstellung von Kriegern aus dem Südtempel des mittleren 7. Jhs. v. Chr. Abb. 7 Kalapodi, Fragment eines Kraters mit Kriegerdarstellung aus der Zeit SH IIIC Mitte (ca. 1130–1070 v. Chr.) Kampagne nur ein kleiner Teil des Fundkontextes der Wandmalereifragmente ausgegraben. So besteht die Hoffnung, daß 2007 noch mehr Fragmente dieser Komposition zutage kommen werden. Diese ist von großer Bedeutung für die Geschichte der griechischen Wandmalerei, die – nachdem sie mit dem Ende der mykenischen Kultur in Vergessenheit geraten war – anscheinend ab dem mittleren 7. Jh. v. Chr. wieder auftrat. Bisher bildeten nur die schlecht erhaltenen Wandmalereifragmente aus dem archaischen Poseidontempel in Isthmia, deren Darstellungsmotive kaum zu identifizieren sind, die einzigen Zeugnisse hierfür (s. O. Broneer, Temple of Poseidon, Isthmia I [Princeton 1971] 33–34 Taf. A–C). Die Fragmente aus Kalapodi bereichern nun entscheidend das Bild und bestätigen den Einfluß der großformatigeren Malerei auf die Vasenmalerei, für den sich H. Payne (Necrocorinthia: A Study of Corinthian Art in the Archaic Period [Oxford 1931] 94–97), M. Robertson (Greek Painting. The Great Centuries of Painting [Genf 1959] 43–47) und G. P. Schaus (The Beginning of Greek Polychrome Painting, JHS 108, 1988, 107–117) ausgesprochen haben. Neben der Nordostecke des Südtempels kamen in der jüngsten mykenischen Schicht Fragmente von mehreren Krateren der Phase SH IIIC Mitte (ca. 1130–1070 v. Chr.) mit interessanten Krieger- und Kampfdarstellungen zutage (Abb. 7). Zusammen mit anderem Tongeschirr bilden sie Indizien für die Abhaltung von rituellen Mahlen im Heiligtum. Einen Hinweis auf Kult geben die Fragmente von Terrakotta-Stierfigurinen mit auf der Drehscheibe geformten Körpern, wie wir sie aus einer Reihe von spätmykenischen Heiligtümern kennen. Die Kraterfragmente zeigen Verbindungen zu der Koine an den Küsten des euböischen Golfes an, in der sich die nach dem Untergang der Paläste neu herausbildenden aristokratischen Eliten, die sich auf die Führungsschicht der mykenischen Palastzeit beriefen und deren Bräuche und Symbolik fortsetzten, durch solche ›Prunkvasen‹ (S. Deger-Jalkotzy) präsentierten (s. J. P. Crielaard, Basileis at Sea: Elites and External Contacts in the Euboian Gulf Region from the End of the Bronze Age to the Beginning of the Iron Age, in: S. Deger-Jalkotzy – I. S. Lemos (Hrsg.), Ancient Greece. From the Mycenaean Palaces to the Age of Homer [Edinburgh 2006] 282– 284 Abb. 14. 4). Das Heiligtum von Kalapodi war im 12. Jh. v. Chr. anscheinend ein Ort, an dem sich Mitglieder dieser Elite zu gemeinsamen rituellen Mahlen und Opferhandlungen trafen. Bisher galt die Aussage der älteren Ausgräber, daß das Heiligtum erst nach dem Untergang der mykenischen Residenzen in der Phase SH IIIC Früh 78 Jahresbericht 2006 des DAI (ca. 1190–1130 v. Chr.) gegründet wurde. In dem Tiefschnitt, der 2004 im von dem westlichen Fundament des römischen Tempels abgeschnittenen Ostteil des Südtempels begonnen wurde (s. AA 2005/2, 167; AA 2006/2, 167) kamen in einer Schicht unter dem SH IIIC-Stratum Fragmente von SH IIIA2und SH IIIB-Keramik (14.–13. Jh. v. Chr.) zutage, die den bereits früher ausgesprochenen Verdacht (s. AA 2005/2, 167) bestätigen, daß das Heiligtum älter als das 12. Jh. v. Chr. ist. Möglicherweise reicht es sogar bis in die mittelhelladische Periode (20.–18. Jh. v. Chr.) zurück. Zuunterst wurden im Tiefschnitt Fragmente grauminyscher Keramik gefunden, außerdem ein importiertes minoisches Siegel der kretischen Altpalastzeit, ein vierseitiges Prisma aus dunkelgrünem Serpentin des sog. Mallia-Werkstatt-Komplexes (Abb. 8; s. P. Yule, Early Cretan Seals: A Study of Chronology, Marburger Studien zur Vor- und Frühgeschichte 4 [Mainz 1980] 65. 143–144. 212–213). Der Fund altpalastzeitlicher kretischer sog. Kamares-Keramik, die in Thessalien in Volos und auf der Pevkakia-Magula sowie 2006 auch in der opuntischen Lokris im nicht weit von Kalapodi entfernten Hafenort Mitrou zutage kam, bezeugt einen minoischen Seehandelsweg der Altpalastzeit zwischen Euböa und dem mittelgriechischen Festland nach Thessalien (s. W.-D. Niemeier, Creta, Egeo e Mediterraneo agli inizi di bronzo tardo, in: M. Marazzi – S. Tusa – L.Vagnetti [Hrsg.], Traffici micenei nel Mediterraneo: problemi storici e documentazione archeologica, Magna Graecia 3 [Taranto1986] 246–247 Abb. 3).Von einem der Hafenorte wie Mitrou oder Livanates (Kynos) könnte das Siegel damals nach Kalapodi gelangt sein. Kooperationspartner: 14. Ephorie des griechischen Antikendienstes, Lamia • Förderung: Gerda Henkel Stiftung • Leitung des Projekts: W.-D. Niemeier • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: R. Felsch, A. Felsch-Klotz, N. Hellner, I. Kaiser, B. Niemeier, O. Pilz, S. Prignitz, L. Rizzotto, Ch. Vaporakis • Abbildungsnachweis: W.-D. Niemeier (Abb. 5. 7–8); B. Niemeier (Ergänzung), W.-D. Niemeier (Abb. 6). Kleonai Die antike Polis Kleonai liegt etwa 25 km südlich von Korinth auf der Peloponnes. Hier werden seit 2000 regelmäßig Feldstudien durchgeführt, die zunächst den vor der Stadt gelegenen Herakles-Tempel zum Ziel hatten. Nach Abschluß der Arbeiten am Herakles-Tempel wurde seit 2002 die ›Untere Akropolis‹, ein Bergrücken mit beeindruckender Fernsicht östlich unterhalb der Akropolis (Abb. 9), untersucht. Hier konnte im Süden des Areals ein Heiligtum (S1, früher: ›Athena-Tempel‹) freigelegt werden, das seit dem 7. Jh. v. Chr. nachzuweisen ist. In der 1. Hälfte des 6. Jhs. v. Chr. wurde das Heiligtum ausgestaltet und eine ungewöhnlich massive Pflasterung von etwa 15 m × 15 m an den Hang angesetzt (Abb. 10). Sie diente vermutlich als Platz für einen Chor oder Musiker, welche die Kulthandlung begleiteten, und hat bislang kaum architekturgeschichtliche Vergleiche. Letzteres gilt auch für eine frühbyzantinische Basilika, die sich durch eine besondere Gestaltung ihres östlichen Abschlusses auszeichnet. Aufgrund der Kreuzung aus einer Dreikonchen-Kirche und einer Kirche mit abgesetzten Pastophorien stellt sie einen kaum bekannten Typus frühbyzantinischer dreischiffiger Basiliken dar. Sie wurde als erste von mehreren Kirchenphasen im 7. Jh. n. Chr. über dem archaischen Heiligtum errichtet. 2006 konnten die Grabungsarbeiten hier abgeschlossen werden. Den nördlichen Abschluß der ›Unteren Akropolis‹ bildet eine natürliche, ebene Hangstufe. Jenseits dieser Hangstufe ist das Gelände stark geneigt und ohne aufwendige Terrassierung kaum zur Bebauung geeignet. 2006 konnten Abb. 8 Kalapodi, importiertes minoisches Siegel (vierseitiges Prisma aus Serpentin) der Altpalastzeit Abteilung Athen 79 Abb. 9 Kleonai, vereinfachter Stadtplan mit Lage der ›Unteren Akropolis‹, des Heiligtums (S1) und des Terrassenbaus (S2) (M. 1 : 10 000) Abb. 10 Kleonai, Heiligtum auf der ›Unteren Akropolis‹ (S1). Blick von Osten auf das Heiligtum, im Vordergrund die Terrassierung des 6. Jhs. v. Chr. 80 Jahresbericht 2006 des DAI hier die Befunde (S2, sog. Terrassenbau) untersucht werden. Dabei gelang es, ein hellenistisches Propylon freizulegen (Abb. 11). Säulenstandspuren ermöglichen die Rekonstruktion als kleinen, ca. 5 m × 5 m im Stylobat messenden, tetrastylen und prostylen Bau ionischer Ordnung, doch blieben leider keine Bauglieder erhalten. An das Propylon schließt eine zweilagige Quadermauer in Nord-Süd-Richtung an. Wahrscheinlich bildete diese den Sockel einer kleinen Halle mit einer Rückwand aus Lehmziegeln und einer hölzernen Stützenreihe. Östlich vor der natürlichen Hangstufe lag bereits vor der Feldkampagne eine niedrig erhaltene Stützmauer offen. Bei der Untersuchung des Durchlasses eines vermeintlichen Drainagekanals dieser Terrassenmauer wurde ein massiv ausgebauter Quellzugang aufgedeckt (Abb. 12). Mauer und Quellzugang gehören ebenfalls in den Hellenismus. Ergänzend wurde im Frühjahr 2006 eine geophysikalische Meßkampagne durchgeführt. Durch die Prospektion der ›Unteren Akropolis‹ konnten einerseits die für die lokalen Bodenverhältnisse geeigneten Meßverfahren erprobt werden, andererseits die Ergebnisse aufgrund der Grabungen in übergreifenden Flächen verifiziert werden. Die Bebauung der ›Unteren Akropolis‹ und ihre urbanistische Einbindung wurden auf diese Weise weitgehend geklärt. Es ist vorgesehen, die weitere archäologische Erforschung der peloponnesischen Kleinstadt, die zuvor nur durch ihre Nähe zum Zeus-Heiligtum von Nemea und durch den nemeischen Löwen bekannt war, mit geophysikalischen Meßkampagnen vorzubereiten. Im Fokus des Interesses stehen insbesondere die Agora, aber auch die Akropolis, die wahrscheinlich eine größere mykenische Siedlung trägt. Kooperationspartner: 37. Ephorie des griechischen Antikendienstes, Korinth (A. Mantis) • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: T. Mattern (Marburg) • Mitarbeiter: J. Marchand (Wright University, Ohio) • Abbildungsnachweis: T. Mattern (Abb. 9–12). Olympia Die unter der Leitung von W. Königs stehende Bauaufnahme des Zeus-Tempels führte im Juni und Juli weiterhin A. Hennemeyer durch. Auch die Untersuchung anderer Bauten wurde fortgesetzt, so diejenige des Metroon durch W. Osthues und die der Südwesthermen durch A. Haseley. K. Herrmann bereitete den nächsten Abschnitt der Restaurierungen des Zeus-Tempels vor. S. Bocher nahm weitere 2185 Objekte in die Datenbank der Bronzefunde auf. Aus Mitteln des Forschungsclusters 4 »Heiligtümer: Gestalt und Ritual, Kontinuität und Veränderung« des DAI begann J. Schumann mit einem GIS des antiken Heiligtums, für das zunächst alle Basen von Einzeldenkmälern genau kartiert und in einer Text- und Bilddatenbank erfaßt wurden. Kooperationspartner: 7. Ephorie des griechischen Antikendienstes, Olympia • Förderung: Fritz Thyssen Stiftung • Leitung des Projekts: R. Senff • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: K. Herrmann (Restaurierungsprojekte), S. Bocher (Digitalisierung der Bronzefunde), J. Schumann (GIS). Tiryns Ausgrabung: Im August und September 2006 wurden die seit 1974 unterbrochenen archäologischen Untersuchungen in Tiryns-Stadt-West wieder aufgenommen. Die auf drei Kampagnen angelegte Ausgrabung wird mit dem Ziel durchgeführt, die Grundlage zur Interpretation der Befunde und Stratigraphie der Ausgrabung der Jahre 1969–1974 in diesem Areal zu verbessern und einen Beitrag zur Aufklärung der langfristigen Besiedlungsgeschichte von Tiryns zu leisten. Gegraben wurde in den Quadranten L51 und 52. 11 12 Kleonai Abb. 11 Hellenistisches Propylon im Bereich des sog. Terrassenbaus (S2) mit südlich ansetzender Mauer, Blick von Süden Abb. 12 Quellzugang an der östlichen Terrassenmauer des sog. Terrassenbaus (S2), Blick von Osten Abteilung Athen 81 Abb. 13 Tiryns, Stadt-West. Deckplatten eines großen Grabes der frühen Eisenzeit Kurz vor Ende der Ausgrabung wurden an einigen Stellen des Quadranten L52 ungestörte Ablagerungen der mykenischen Zeit erreicht. Die chronologische Analyse der Keramik zeigt, daß die jüngsten ungestörten mykenischen Sedimente nicht später als SH IIIB1 sind. Dabei ist der Anteil von SH IIIAzeitlicher sowie frühmykenischer, mittelhelladischer und sogar frühhelladischer Keramik so hoch, daß eine lange Schichtenfolge des 2. und 3. Jts. v. Chr. an dieser Stelle zu erwarten ist. Funde von keramischen Fehlbränden und eines Fragments der Lochtenne eines Töpferofens lassen auf eine mykenische Töpferei in der näheren Umgebung schließen. Infolge einer ausgedehnten späteren Störung haben sich im größten Teil der Fläche L52 keine Hausreste oder Laufflächen der submykenischen, protogeometrischen oder geometrischen Zeit erhalten. Als einziger Befund, der mit der früheisenzeitlichen Besiedlung in Zusammenhang stehen dürfte, ist ein aus kleinen, plattenartigen Steinen und großen Gefäßfragmenten bestehendes Pflaster zu nennen, das in einem kleinen Ausschnitt in den südöstlichsten Winkel der Fläche hineinreichte. In der letzten Woche der Ausgrabung kamen vor dem Ostprofil der Fläche L52 zwei Deckplatten eines großen Grabes der frühen Eisenzeit zum Vorschein (Abb. 13). In der Erde unmittelbar oberhalb einer Steinlage, welche die östliche Deckplatte überlagerte, fand sich der Rest einer Schädelkalotte. Um eine möglichst sorgfältige Untersuchung des Grabes zu gewährleisten, wurde beschlossen, es erst in der folgenden Kampagne weiter freizulegen. Für den Zeitraum zwischen dem Ende der geometrischen Zeit und dem Beginn der byzantinischen Zeit kann nur ein Befund namhaft gemacht werden (Abb. 14). Es handelt sich um ein in L52 freigelegtes gebogenes Mauerfragment, das zu einem Gebäude ovaler Form gehört zu haben scheint und anhand von Dachziegelfragmenten, die zwischen den Steinen der Mauern steckten, in die klassische oder hellenistische Zeit datiert werden kann. An der Außenseite des Mauerzugs gibt es an zwei Stellen annähernd gleich große rundliche Aussparungen, in denen Pfosten gestanden haben dürften. Abb. 14 Tiryns, Stadt-West. Gebogenes Mauerfragment eines Gebäudes wahrscheinlich ovaler Form der klassischen oder hellenistischen Zeit Mykenische Kanalisation: Im Oktober und November 2006 setzten M. von Aufschnaiter und B. Tobias die Erforschung der Kanalisation der Oberburg (OB) und Unterburg (UB) fort. Im Vordergrund stand die tachymetrische Einbindung der Kanäle in das Gesamtbild der Burg. Im Zuge dieser Aufnahme konnten zum einen ein weiterer Schacht zum Kanal OB 9 entdeckt, zum anderen zwei bereits von W. Schnuchel gesichtete Kanäle an der Außenseite 82 Jahresbericht 2006 des DAI der östlichen Unterburg-Mauer identifiziert werden (UB 7 und UB 8). Außerdem wurde der letzte stehen gelassene Rest des Kanals OB 12 lokalisiert. Der zweite Schwerpunkt dieser Kampagne lag auf der Säuberung und Dokumentation des Profils der bis zur Decke anstehenden Verfüllung von Kanal OB 8. Fresken: In Zusammenarbeit mit der 4. Ephorie wurde mit der Restaurierung und wissenschaftlichen Erschließung eines großen Bestandes an Fresken begonnen, der zwischen 1999 und 2001 bei Ausgrabungen des griechischen Antikendienstes an der Westtreppe zutage kam. Die Neufunde gehören zu dem gleichen Freskenkomplex, dem die berühmten, 1910 gefundenen Fresken (z. B. Fries der großen Frauenprozession, Jagdfries, Hirschfries) angehören. Die Bearbeitung der Neufunde erfolgt im Rahmen des durch Sondermittel des DAI geförderten Forschungsclusters 3 »Politische Räume« des DAI in dem Projekt »Bildräume und Raumbilder. Mykenische Paläste als performativer Raum«. Kooperationspartner: 4. Ephorie des griechischen Antikendienstes (A. Papadimitriou) • Förderung: Institute for Aegean Prehistory • Leitung des Projekts: J. Maran • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: U. Thaler (Assistent und Mitarbeiter im Fresken-Projekt), C. Casselmann (Vermessung), S. Matskevich, M. Kostoula (Zeichnung), D. Ben-Shlomo, J. Evrenpoulos, V. Hachtmann, E. Kardamaki, M. Siennicka, I. Vahlhaus, S. Velijianni, S. Wirghova (Ausgrabung), M. von Aufschnaiter, B.Tobias (Erforschung der Kanalisation) • Abbildungsnachweis: Archiv der Tirynsgrabung, J. Maran (Abb. 13–14). Wissenschaftliche Veranstaltungen Vorträge 18. Januar Alexander Gavrilov (Simferopol), La Théodosie et sa chora pendant l’antiquitéxxx23. Januar Melissa Vetters (Athen und Heidelberg), Mykenische Terrakotta-Figurinen aus Tiryns. Fallstudien zu Form und Funktionxxx1. März Michael Krumme (Athen), Archäologe und Parteisoldat: Walther Wrede, Direktor des DAI Athen 1937–1944 (Aigeiros)xxx15. März Anno Hein (Athen), Scientific Approaches to Analytical Studies of Ancient Ceramics: An Overview (Aigeiros)xxx21. März Martha Weber (Freiburg), Der Artemistempel auf Korkyraxxx10. April Volker Grieb (Hamburg), Vom Alexandermosaik zum Alexanderroman – Eine archäologische Analyse und historische Betrachtung des Schlachtenmosaiks aus der Casa del Fauno in Pompejixxx11. April Kostas Kalogeropoulos (Athen), Votive und Kultpraxis der früharchaischen Zeit in Attikaxxx19. April Ulrich Thaler (Heidelberg und Athen), Pylian Perspectives and a Look Further East: Considerations of Mycenaean Palatial Architecture and Society (Aigeiros)xxx4. Mai Orhan Bingöl (Ankara), Die neuesten Forschungen zu Magnesia am Mäanderxxx8. Mai Richard Posamentir (Istanbul), Die Griechen am Schwarzen Meerxxx10. Mai Vicky Barlou (Marburg), Parische Kouroi (Aigeiros)xxx17. Mai Silke Müth (Berlin) – Jürgen Giese (Berlin) – Ute Schwertheim (Berlin), Die Stadtmauer von Messene – Fortifikationskunst und städtische Repräsentationxxx22. Mai Dimitris Grigoropoulos (Athen), Neue Forschungen zur Urbanistik und Hausorganisation im römischen Piräus: Das Beispiel der Bauinsula »Dikastiko Megaro«xxx30. Oktober M. Stern (Hilversum), Glas für die Götter. Glas im Athen des 5. und 4. Jhs. v. Chr.xxx31. Oktober Helga Bumke (Bonn), Ägyptische Götter bei Hera. Überlegungen zu den Bronzen ägyptischer Götter aus dem Heraion von Samosxxx15. November Ph. Koutsoukou (Athen), Abteilung Athen 83 Aspekte der deutschen Kulturpolitik in Griechenland in der Zeit 1933–1944 (Aigeiros)xxx12. November H. Schörner (Jena), Griechische intraurbane Bestattungen. Untersuchungen zu einem identitätsbildenden Phänomen (Aigeiros)xxx23. November Peter Baumeister (Berlin), Die Keloşk Kale. Zur baugeschichtlichen Untersuchung eines spätantiken Gebäudekomplexes im türkischen Euphratbogenxxx28. November M. Spathi (Athen), Die Koroplastik Äginasxxx6. Dezember A. Lyrintzis (Athen/Herakleion), Water Supply in Bronze Age Crete: A Reconstructive Approachxxx13. Dezember N. Todorova (Sofia), Late Chalcolithic Pottery from Southern Bulgaria. Balkan and Aegean Analogies. Am 19. Mai wurde der diesjährige Sommerfestvortrag von Wolf-Dietrich Niemeier (Athen) zu »Hellas und Hatti: Die Beziehungen zwischen Mykenern und Hethitern nach den neuesten Forschungen« gehalten. Anschließend wurde auf der Institutsterrasse zu einem Empfang geladen. Am 8. Dezember fand die Winckelmannfeier statt. Nach dem ausführlichen Jahresbericht des Ersten Direktors hielt Felix Pirson (Istanbul) den Festvortrag über »Pergamon: Stadt der Bürger – Residenz der Herrscher. Neue Forschungen des Deutschen Archäologischen Instituts«. Anschließend wurde im Institutsgebäude zu einem Empfang geladen. Kolloquien 27. bis 29. Januar Internationales Kolloquium »Kreta in der geometrischen und archaischen Zeit« (Organisation: Wolf-Dietrich Niemeier, Ivonne Kaiser, Oliver Pilz). – Es sprachen: Eduardo Federico (Neapel), Poleogenesi e memoria del Minoico a Creta. Due invenzioni del passato a confronto; Nicola Cucuzza (Genua), Minoan Ruins in Archaic Crete; Vincenzo La Rosa (Catania), Una nuova strada protogeometrica nell’abitato di Festòs; Margaret S. Mook (Ames) – D. Haggis (Chapel Hill), Excavations of an Archaic City at Azoria in Eastern Crete; Antonella Pautasso (Catania), New Researches in the Area of the Temple A (Priniàs); Saro Wallace (Cardiff), Citadel and Citystate: Studying Complexity in Geometric-Archaic Communities Using Settlement Pattern and Ceramic Dating Evidence; Metaxia Tsipopoulou (Agios Nikolaos), Eteocretan Geometric Revisited: The Pottery from the Geometric Burial Cave at Kephala, Pisokephalo, Siteia; Maria Englezou (Herakleion) – Giorgos Rethemiotakis (Herakleion), Το γεωμετρικ νεκροταφεο στην αρχαα λτυνα; Giacomo Biondi (Catania), La necropoli di Aphrati-Arkades dopo il tardo Orientalizzante; Katerina Tzanakakis (Chania), Αγα Ρουμλη (Τρρα) 1970: οι πρωιμ τερες ταφς; Angelos Chaniotis (Heidelberg), Memories from Early Crete: From Individual Portraits to Stereotypes; Angeliki Lebessi (Athen), Πλινο ανθρωπ μορφο ειδ!λιο απ το ιερ της Σ#μης (Κρτη). Μα τυπολογικ και ερμηνευτικ προσγγιση; Polymnia Muhly (Athen), Attic Influence on Cretan Zoomorphic Terracottas of the Geometric Period; Vasiliki Zografaki (Agios Nikolaos), Πλακδια και ειδ!λια απ το γεωμετρικ -αρχαϊκ αποθτη Σητεας; Antonis Kotsonas (Athen), Orientalizing Wares in Iron Age Crete; Emanuela Santaniello (Neapel), Gortyn between the late Xth and the VIth Century B. C.: Local Pottery, Imports and Imitations; Dario Palermo (Catania), Un elmo di bronzo cretese dalla Sicilia; Matteo D’Acunto (Neapel), The Fortetsa Bronze Belt and the First Orientalizing Bronzes in Geometric Crete; Daniela Lefèvre-Novaro (Straßburg), L’organisation territoriale de la Messara occidentale de la fin du monde mycénien à la naissance des poleis; Giovanni Marginesu (Rom), Gortina ed il piano urbano cittadino alla luce delle epigrafi; Francesco Guizzi (Rom), Synoikismoi in Archaic Crete; Präsentation von Metaxias Tsipopoulous neuem 84 Jahresbericht 2006 des DAI Buch: Η ανατολικ κρτη στην πρ!ϊμη εποχ του σιδρου durch Nicolas Coldstream (London); Nicolas Coldstream (London), Geometric and Archaic Crete: a Hunt for the Elusive Polis; Milena Melfi (Oxford), The Lithos and the Sea: Some Observations on the Cult of the Greek Sanctuary at Kommos; Matthew Haysom (Athen), Archaic and Classical Cretan Religion as Polis Religion; Oliver Pilz (Jena und Athen), Die Kulte von Praisos in geometrischer und archaischer Zeit; Eva Simantoni-Bournia (Athen), Μιν!ταυρος. Ο εγκλιματισμ ς εν ς κρητικο# υβριδου στις Κυκλδες; Katja Sporn (Köln), Kretische Mythen – Mythen über Kreta. Zur Entstehung von Mythenbildern mit kretischer Thematik; James Whitley (Athen), The Cretan Orientalizing: A Comparative Perspective; Alan Johnston (London), Cretan Writing in the Greek World; Anastasia Christophilopoulou (Cambridge und Athen), Does the Cretan House Stand Alone? Households in Geometric Crete Viewed in the Context of Domestic Architecture in the Cyclades and the Eastern Aegean; Mieke Prent (Amsterdam und Athen), Orientalizing Imagery in Crete: The Example of Gortyn; Eleonora Pappalardo (Catania), The Role of Crete in the IX-VIII Century Mediterranean: A Near Eastern Perspective; Giannis Sakellarakis (Athen), Concerning the Throne of Zeus in the Idaean Cave; Nikos Stampolidis (Rethymnon und Athen), Ελε#θερνα: quaestiones ›daedalicae‹. Öffentlichkeitsarbeit J. Stroszeck wirkte bei der Ausstellung: »Der heilige Mammas – Beschützer der Hirten und Herden« mit, die am Deutschen Hirtenmuseum, Hersbruck im März und Juni 2006 stattfand. M. Krumme gestaltete im Rahmen des vom Pnevmatiko Kentro Dimou Levkadion veranstalteten Internationalen Wilhelm-Dörpfeld-Kongresses vom 6. bis 9. August eine Photoausstellung über Grabungstätigkeit und Reisen W. Dörpfelds, die im August und September 2006 im Kulturzentrum der Stadt Leukas gezeigt wurde. Ein ausführlicher Tätigkeitsbericht für 2006 wird im Bericht der RömischGermanischen Kommission Band 87, 2006, veröffentlicht. Ausgrabungen und Forschungen Okolište (Bosnien-Herzegowina) Die Forschungen auf dem befestigten neolithischen Siedlungsplatz von Okolište wurden mit Ausgrabungen auf zwei Grabungsflächen fortgesetzt. Im Norden des Siedlungshügels galt das Interesse dem Graben- und Befestigungssystem und im Besonderen der Datierung der verschiedenen Gräben. Weitere Ausgrabungen konzentrierten sich auf einen Hausbefund im Nordwesten der Siedlung, der sich bei der geomagnetischen Prospektion sehr deutlich abgezeichnet hatte. Die geophysikalische Prospektion wurde auf bislang nicht zu- Römisch-Germanische Kommission, Frankfurt am Main Römisch-Germanische Kommission 85 Abb. 1 Okolište (Bosnien-Herzegowina), vollständig erhaltenes Skelett eines erwachsenen Mannes aus der jüngsten Grabenphase Abb. 2 Okolište (Bosnien-Herzegowina), menschliche Figur. Wohl Handhabe eines Keramikgefäßes (M. 1 : 2) gänglichen Flächen fortgeführt. Der Verbesserung der topographischen Aufnahme diente der Einsatz eines differentialen GPS. Mit hoher Genauigkeit (± 2 cm) wurden hiermit Meßdaten für die Vervollständigung des digitalen Geländemodells erhoben. Ausgrabungen im Grabenbereich: Nach dem Abtrag von 40–50 cm Mutterboden durch einen Bagger und dem Erstellen eines Planums zeigten sich an wenigen Stellen erste Hinweise auf die Gräben und den Wall. Nach einer abermaligen geophysikalischen Prospektion waren die Strukturen des Grabens so präzise zu erfassen, daß die Grabungsfläche verkleinert werden konnte. Die Kombination von Geomagnetikplan und Grabungsbefunden im Planum ermöglichte die Präzisierung der Vorgehensweise. Es wurden nun in sechs kleinen Flächen von ca. 6 m2 die Schlüsselbefunde geschnitten. Demnach sind die äußeren Doppelgräben älter als die inneren. Somit ist mit einer Verkleinerung der Siedlungsfläche von 7 ha auf 1,200 ha zu rechnen. Nach den Radiokarbondaten aus den im Jahr 2004 untersuchten Grabungsflächen vollzog sich dieser Vorgang um 5000 v. Chr. Bei der Untersuchung der jüngeren Gräben kamen vollständige menschliche Skelette und Deponierungen von Skelett-Teilen zum Vorschein (Abb. 1). Dabei handelt es sich um die ersten anthropologischen Befunde für die Butmir-Kultur. Im Grabenbereich konnte ein reiches Fundspektrum geborgen werden. Neben dem Standardrepertoire an Keramik und Steinartefakten ist der gute Erhaltungszustand der Menschen- und Tierknochen zu erwähnen. Ausgrabungen im Hausbereich: Die Ausgrabungen des geomagnetisch prospektierten Hausbefundes im nordwestlichen Siedlungsareal erfolgten zunächst in sechs Schnitten. Nach Abgraben einer Deckschicht von 30 cm wurde in künstlichen Abträgen von 10 cm bei gleichzeitiger Differenzierung nach natürlichen Schichten tiefer gegangen. Die Hausreste bestanden nur im Nordostbereich aus verziegeltem Lehmversturz, der nach Südwesten hin abnahm. Nahezu die Hälfte des Hausbefundes war unverbrannt. Der Fußboden des Hauses war sehr gut sichtbar. Die Wände im Nordosten waren verstürzt und an keiner Stelle in Originallage erhalten. Wiederum zeigte sich, daß die geomagnetischen Messungen die verschiedenen Zustände von verziegeltem und nichtverbranntem Lehm genau abbilden. Das keramische Fundmaterial (Abb. 2) korrespondiert mit den bisher jüngsten Funden von Okolište und kann Butmir III (um 4500 v. Chr.) zugewiesen 86 Jahresbericht 2006 des DAI werden. Die Ergebnisse der Kampagnen 2005 und 2006 erlauben somit den Schluß, daß sich die geomagnetisch ermittelten Hausgrundrisse nicht einem einzigen Zeitraum, sondern verschiedenen Siedlungsphasen zuordnen lassen. Die naturwissenschaftliche Datierung und weitere Grabungen werden dies noch präzisieren. Die 2005 untersuchten Hausbefunde aus dem zentralen Bereich der Siedlung lassen sich nach Butmir II datieren und sind etwa 300 Jahre älter als der jetzt untersuchte Butmir-III-Hausbefund aus dem Nordosten der Siedlung. Kooperationspartner: Landesmuseum Sarajewo (Z. Kujundžić-Vejzagić); Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (J. Müller); Kreismuseum Visoko • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: K. Rassmann • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: N. Müller-Scheeßel, R. Hofmann (DFG), B. Ramminger (RGK), D. Kučan (Niedersächsisches Institut für historische Küstenforschung, Wilhelmshaven, Paläobotanik), W. Dörfler, H. Kroll (Christian-AlbrechtsUniversität zu Kiel, Paläobotanik), N. Benecke (DAI, Zentrale, Naturwissenschaftliches Referat, Archäozoologie), Studierende der Universitäten Berlin, Brünn, Kiel, Posen, Sarajewo und Sheffield • Abbildungsnachweis: DAI, RGK (Abb. 1. 2). Rybnik (Slowakei) Auf der befestigten frühbronzezeitlichen Siedlung von Rybnik wurden die im Jahr 2004 begonnenen Untersuchungen fortgesetzt und durch eine Sondagegrabung auf der ca. 20 km entfernten frühbronzezeitlichen Siedlung von Madarovce-Santovka und Prospektionen im näheren Umfeld der Siedlung sowie auf anderen Fundstellen im Tal von Gran und Eipel ergänzt. Die Ausgrabungen auf der etwa 85 m × 50 m große Siedlung von Rybnik erfolgten vor allem innerhalb der 2004 geöffneten Flächen. Eine Erweiterung der Grabungsflächen wurde im südlichen Wallsektor vorgenommen. Die Arbeiten am Nord-Süd-Suchschnitt und am nördlichen Wall wurden abgeschlossen (Abb. 3). Im Areal eines Suchschnitts wurde eine frühbronzezeitliche Siedlungsgrube ausgegraben, die bis in eine Tiefe von 2,30 m reichte. Dieser Befund zeigt, daß auch im zentralen Teil der Siedlung, wo durch Erosion die oberflächennahen Siedlungsschichten größtenteils zerstört wurden, noch Rybnik (Slowakei) Abb. 3 Steinfundament der frühbronzezeitlichen Wallanlage Abb. 4 Frühbronzezeitliche Scheibenkopfnadel (M. 1 : 2) 3 4 Römisch-Germanische Kommission 87 frühbronzezeitliche Siedlungsgruben erhalten sein könnten. In Wallnähe und im südlichen Teil der Siedlung aufgedeckte Flächen mit Pfostenstandspuren waren zwar für eine genauere funktionale Ansprache zu klein; die Befunde machen aber deutlich, daß sich im wallnahen Areal auf einem schmalen Streifen von jeweils 10 m Breite Reste der frühbronzezeitlichen Innenbebauung erhalten haben. Das Fundmaterial bestand wie in den Kampagnen 2004 und 2005 vor allem aus Keramik der Madarovce-, der späten Hatvan-, der Otomani-Füzesabony und der Nordpannonischen Kultur. Bemerkenswert sind eine Scheibenkopfnadel (Abb. 4) und Fragmente von Spiralschmuck. Auf dem eponymen Fundplatz von Madarovce, heute Santovka, fand eine kleine Sondagegrabung statt. Die frühbronzezeitliche Siedlung liegt inmitten des Ortes und ist durch die moderne Bebauung größtenteils zerstört. Die begrenzte Untersuchung erbrachte den Nachweis, daß kleinere Areale der frühbronzezeitlichen Siedlung von der modernen Bebauung unberührt sind.Trotz der kleinen Grabungsfläche trat ein reiches keramisches Fundmaterial zutage, daneben Knochen- und Geweihartefakte, darunter eine Geweihtrense und eine spiralverzierte Knochenröhre. Kooperationspartner: Archäologisches Institut der Slowakischen Akademie der Wissenschaften (J. Batora); Otto-Friedrich-Universität Bamberg (F. Falkenstein) • Leitung des Projekts: K. Rassmann • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: N. Benecke (DAI, Zentrale, Naturwissenschaftliches Referat, Archäozoologie), H. Kroll (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel), W. Schulz, H. Manteuffel (Universität zu Köln), Studierende der Universitäten Bratislava, Brünn und Trnava • Abbildungsnachweis: DAI, RGK (Abb. 3. 4). Lahnau-Waldgirmes Die diesjährigen Arbeiten in der unter Augustus gegründeten und bereits im 9. Jh. n. Chr. wieder aufgegebenen Stadt bei Lahnau-Waldgirmes widmeten sich der Untersuchung von etwa 4400 m2 im Westen der Siedlung. Die Bebauung bestand aus zwei Atriumhäusern (18 und 19) im Süden der Grabungsfläche sowie einem weiteren, nur sehr schlecht erhaltenen Gebäude (20) unmittelbar südlich des Ost-West verlaufenden Wassergrabens. Nördlich des Wassergrabens wurden in einem mindestens 1400 m2 großen Areal regelmäßige Reihen von Einzelpfosten erfaßt. In den Monaten Juli und August konzentrierten sich die Arbeiten auf die Klärung des Grundrisses von Gebäude 20 sowie auf die Bebauung aus Einzelpfosten nördlich des Wassergrabens (Gebäude 21). Dort konnte durch die Kartierung der tiefer erhaltenen Standspuren ein Kernbau von 12 m Breite und mindestens 36 m Länge herausgelöst werden, dessen Ausdehnung nach Norden noch offen ist. Die Dimensionen des Bauwerks weisen enge Übereinstimmung mit den Mannschaftsteilen der Truppenunterkünfte in Dangstetten, Oberaden und Rödgen auf. Das südlich des Wassergrabens gelegene Gebäude 20 war auf einer Grundfläche von etwa 12 m × 9 m errichtet worden und wies in der nördlichen Hälfte drei, in der südlichen Hälfte zwei Räume auf. Die Baufluchten des Gebäudes stimmten mit den Fluchten der Mannschaftsbaracke nördlich der Straße überein, seine Größe entsprach den Kopfbauten der Offiziersunterkünfte in Dangstetten, Oberaden und Rödgen. Vermutlich handelt es sich bei den Bauten 20 und 21 um eine Mannschaftsbaracke mit abgesetztem Kopfteil südlich der Straße. Der Kopfbau wurde unverbrannt abgebrochen, während der Mannschaftsteil bis zum Brand der gesamten Anlage stehen blieb. Nach Abbruch des Kopfbaus blieb das Areal jedoch durch einen Zaun oder eine Palisade von den weiter im Süden gelegenen Teilen der Siedlung (Gebäude 18 und 19) abgetrennt. 88 Jahresbericht 2006 des DAI Abb. 5 Lahnau-Waldgirmes, vollständig erhaltene silberne sog. Augenfibel. Der Bügel ist in der Mitte mit einem doppelten Punzenband verziert. Mit einem Gewicht von 12 g entspricht die Fibel einem Gegenwert von drei römischen Denaren (L 4,30 cm) Die frühe Form der Truppenunterkunft spricht für einen Bau ganz zu Beginn der Besiedlung von Waldgirmes, wobei das unterschiedliche Schicksal von Offiziers- und Mannschaftsteil sowie das weitgehende Fehlen von Gruben im Mannschaftsteil eine Nutzung des Baukomplexes als Truppenunterkunft während der gesamten Besiedlungsdauer unwahrscheinlich machen.Vermutlich gehört er in die Gründungsphase, in welcher Straßen und Umwehrung von Truppen angelegt wurden. Aus dem zwischen Mannschaftsbaracke und Kopfbau gelegenen Straßengraben konnte eine silberne germanische ›Augenfibel‹ geborgen werden (Abb. 5), eine Form, die vornehmlich zwischen Elbe und Weichsel sowie vor allem im böhmischen Raum verbreitet ist. Kooperationspartner: Landesamt für Denkmalpflege Hessen (Th. Keller, A. Kreuz); Akademie der Wissenschaften und Literatur Mainz (D. Wigg-Wolf); Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a. M. (G. Brey, U. Ehmig, A. Stobbe, H. Thiemeyer); Freie Universität Berlin (G. Schneider); Justus-Liebig-Universität Gießen (H.-R. Wegener); Universität Hamburg (Chr. Schäfer); Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (H.-R. Bork); D. Baatz (Darmstadt) • Förderung: DFG; Land Hessen; Landesamt für Denkmalpflege Hessen • Leitung des Projekts: G. Rasbach • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: A. Becker, A. Popa, Th. Westphal, N. Benecke (DAI Zentrale, Naturwissenschaftliches Referat, Archäozoologie) und Studierende der Universitäten Amsterdam, Freiburg und Marburg • Abbildungsnachweis: DAI, RGK (Abb. 5). Romuliana-Gamzigrad (Serbien) Im Rahmen der Arbeiten im spätantiken Kaiserpalast Felix Romuliana bei Gamzigrad in Ostserbien konnte die Bauaufnahme der Palastinnenbauten im wesentlichen abgeschlossen werden. Es wurden Vorarbeiten für ein GeländeComputermodell geleistet und zur Vervollständigung des Gesamtplanes weitere Messungen an der Umfassungsmauer vorgenommen (s. auch hier S. 28–31, Leitung der bauforscherischen Arbeiten: U. Wulf-Rheidt, DAI, Zentrale, Architekturreferat). Außerdem wurde ein Geoinformationssystem eingerichtet, in das sämtliche vorhandene Daten der Vermessung, der archäologischen, geophysikalischen und bauforscherischen Arbeiten eingearbeitet wurden. Außerhalb des Palastes wurde eine im geomagnetischen Meßbild deutlich erkennbare Struktur, die sich etwa 20 m südlich des im Vorjahr untersuchten Grabbaus befindet, in einer Schnittfläche von etwa 12 m × 10 m freigelegt. Dabei zeigte sich bereits 20–30 cm unter der Oberfläche das ca. 10 m × 8 m Römisch-Germanische Kommission 89 Abb. 6 Romuliana-Gamzigrad (Serbien), Schnitt 06/1. Übersicht über das BruchsteinMörtel-Fundament. Blick von Süden große Bruchstein-Mörtel-Fundament von vermutlich drei Räumen (Abb. 6). Seine Ausrichtung entspricht der des im Vorjahr untersuchten Grabbaus. Das aufgehende Mauerwerk ist durch die landwirtschaftliche Nutzung weitestgehend beseitigt worden. Von der nordöstlichen Außenmauer ist nur ein kurzer Abschnitt an der Nordecke erhalten. An der südwestlichen Außenseite befand sich nahe der Südecke ein etwa 2 m × 3 m großer Ausschnitt einer Plattform aus großen, in Kalkmörtel verlegten Ziegelplatten in mindestens drei Lagen übereinander, die offenbar durch die Südwestmauer des ›Objekts‹ unterbrochen worden war. Das Fußbodenniveau der zwei nebeneinander liegenden Räume und der südöstlich vorgelagerten Querhalle ist ebenfalls nicht mehr erhalten, so daß auch keine Anhaltspunkte für dessen Aussehen und seine Funktion vorhanden sind. Im Nordwestteil des ›Objekts‹ zeigte sich eine ehemals vom Fußboden überdeckte Steinschuttschicht, welche stratigraphisch mit einem aus Bruchsteinen und Ziegelplatten bzw. Ziegelfragmenten zusammengefügten Kanal in Verbindung steht. Die in den Kanal verstürzten Ziegelplatten von dessen Abdeckung waren in Kalkmörtel verlegt, während seine Seitenwände und der Boden aus Steinen und Ziegeln in Lehmbindung bestanden. Unter der Steinschuttschicht im Nordwestteil sowie unter dessen Nordwestmauer kamen zwei Körpergräber mit unterschiedlicher Ausrichtung zutage. Ein weiteres Körpergrab (Kind) lag nördlich des Kanals. Das Skelett war West-Ost ausgerichtet und die Grabgrube mit Ziegelplatten und Bruchsteinen ausgekleidet; von einer Abdeckung fanden sich keine Spuren. Das Grab war mit Stein- und Ziegelschutt bedeckt, welcher wahrscheinlich vom benachbarten Kanal stammt. Vor der gestörten Nordostmauer und zugleich etwa 25 cm tiefer liegend als die Mauerunterkante fand sich ein aus Ziegelplatten gefügtes Grab. Einige Ziegelplatten der ehemaligen Abdeckung lagen auf dem vermutlich männlichen Skelett. Ungefähr 60 cm über diesem Grab kamen Reste eines weiteren Ziegelgrabes zutage. Beide Gräber sind stratigraphisch jünger als die Mauern. Insgesamt ließen sich also im Bereich des Bauwerks drei bis vier Nutzungsphasen ausmachen. Verstreute Münzfunde machen hier eine Siedlungstätigkeit vom letzten Viertel des 3. bis zur 2. Hälfte des 6. Jh. n. Chr. wahrscheinlich, gründliche Analysen der Funde und der Befunde stehen jedoch noch aus. Zur weiteren Untersuchung des Grabens vor der Südseite der Palastumfassung wurde östlich des Südwesteckturmes eine etwa 8 m lange und 2 m breite Sondage über der im geomagnetischen Meßbild erkannten Anomalie 90 Jahresbericht 2006 des DAI angelegt. Die Befunde bestätigen und präzisieren die Ergebnisse der in den Vorjahren angelegten Schnitte zur Untersuchung dieses Grabens. Durch zwei nach Süden anschließende Schnitte wurde eine stratigraphische Verbindung zwischen dem Graben und der Umfassungsmauer hergestellt, die genaue zeitliche Einordnung des Grabens muß noch erarbeitet werden. Im Rahmen eines Workshops entwickelten 14 Architekturstudenten aus Cottbus und Belgrad Ideen und Konzepte zur touristischen Präsentation der Gesamtanlage und zu Schutzbauten für die Gräber und Tumuli auf der Magura-Höhe. In einer Abschlußveranstaltung wurden die entstandenen Modelle in einem produktiven Austausch zwischen Architekten und Archäologen diskutiert. Bei einer geophysikalischen Prospektion in der Umgebung des Palastes zeigten sich dicht vor dem Westabschnitt der Nordmauer unregelmäßige Gebäudestrukturen, die wahrscheinlich dem auf einem Plan von 1978 vermerkten ›Wirtschaftsgebäude‹ entsprechen. Weiter nördlich wurden zusätzliche Mauerstrukturen sowie eine kreisrunde Anlage aus 16 regelmäßigen Einzelstrukturen mit einem Durchmesser von etwa 35 m sichtbar. Auf bereits geomagnetisch prospektierten Flächen, u. a. auf einer ca. 14 000 m2 großen Fläche vor der Südmauer des Palastes, wurden zudem vertiefende elektromagnetische Messungen durchgeführt. Kooperationspartner: DAI, Zentrale, Architekturreferat (U. Wulf-Rheidt); Lehrstuhl für Archäologie an der Universität Belgrad (Z. Mikić, M. Vujović, M. Milinković); Archäologisches Institut der Akademie Belgrad (S. Petković); Museum Zajear (M. Živić) • Leitung des Projekts: G. Sommer von Bülow (Archäologie), U. Wulf-Rheidt (Bauforschung) • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: M. Grötzschel (Vermessung, FHT Dresden), G. Breitner (Bearbeitung der Bauornamentik), P. Grunwald, Studierende der Universitäten Rostock, Cottbus und Belgrad • Abbildungsnachweis: DAI, RGK (Abb. 6). Langobardische Grabfunde in Szólád (Ungarn) Etwa in der Mitte des südlichen Balatonufers zieht sich ein kleines Tal nach Süden. Am Ende seiner auch heute noch sumpfigen Ausdehnung – unweit des Ortes Szólád – liegt an einem nach Süden geneigten Hang ein Gräberfeld des 6. Jhs. n. Chr. Die Fläche des Jahres 2005 wurde im Süden und Osten sowie Norden bis an die Straße erweitert. Dabei konnten weitere 13 frühmittelalterliche Gräber aufgedeckt werden, ferner zahlreiche prähistorische Grubenkomplexe sowie zwei awarenzeitliche Öfen. Ein Suchschnitt nördlich der Straße erbrachte keine langobardenzeitlichen Befunde, sondern ebenfalls prähistorische Gruben und awarenzeitliche Öfen. Die Fläche wurde nicht weiter untersucht, sondern wieder zugedeckt. Bei den in diesem Jahr entdeckten Gräbern handelt es sich um langobardenzeitliche Bestattungen von sieben Männern und zwei Knaben sowie von vier Frauen. Fünf der Gräber waren bereits in frühmittelalterlicher Zeit wieder geöffnet worden, ein Grab war durch Tieraktivitäten sehr stark in Mitleidenschaft gezogen. Bei der diesjährigen Kampagne entnahm eine Studentin der Anthropologie von der Universität Mainz Proben für die molekulargenetischen Analysen. Wie auch im letzten Jahr zeichneten sich die Befunde ganz hervorragend im hellen Lößboden ab. Dabei konnten erneut zahlreiche Beobachtungen zu Grabbau und Bestattungssitte gemacht werden; bei einigen Gräbern zeigte sich über dem unteren schmalen Schacht eine Balkenabdeckung. Diese war im Falle von Grab 24 bereits durch die Wiederöffnung des Grabes aufgerissen worden. Römisch-Germanische Kommission 91 8 Szólád (Ungarn), langobardenzeitliches Gräberfeld Abb. 7 Grab 20, adulter Mann mit Spatha. Entzerrtes Foto von Planum 6 (M. 1 : 20) Abb. 8 Frauengrab 21, vergoldete Silberfibeln in S-Form mit Almandineinlage (M. 1 : 1) Abb. 9 Frauengrab 21, einglättverzierte Kanne (H 23 cm) 7 9 Für die Dokumentation wurde erstmals mit sehr gutem Erfolg die Möglichkeit des maßstabgetreuen Entzerrens von digitalen Photos erprobt (Abb. 7). Unter den Funden sind drei Spathen zu nennen, die im Block geborgen wurden. Ferner ist die Bestattung einer Frau mit Vierfibeltracht und reichem Gehänge zu erwähnen (Abb. 8. 9) sowie die einer weiteren Frau, die vielleicht zur ortsansässigen romanischen Bevölkerung gehörte. Kooperationspartner: Ungarische Akademie der Wissenschaften • Leitung des Projekts auf ungarischer Seite: T. Vida • Leitung des Projekts auf deutscher Seite: U. von Freeden • Abbildungsnachweis: DAI, RGK (7–9). Wiskiauten, Siedlungsarchäologische Forschungen zur Wikingerzeit im Kaliningrader Gebiet (Russische Föderation) Etwa 2 km südlich der Ostsee bei Selenogradsk (ehemals Cranz) befindet sich am südlichen Ufer der Kurischen Nehrung ein kleiner Wald, die sog. Kaup, der um die 500 Hügelgräber und eine nicht bekannte Anzahl an Flachgräbern des 9.–11. Jhs. verbirgt. Im Vordergrund der diesjährigen Forschungen stand auf der Suche nach wikingerzeitlichen Siedlungsspuren in der Umgebung des Gräberfeldes ein Befund, der bereits im Jahr 2005 partiell untersucht wurde. Mittlerweile steht nun fest, daß es sich nicht – wie bisher vermutet – um ein Grubenhaus, sondern um einen aus größeren Feldsteinen gemauerten Brunnen handelt, der nach Nutzungsende mit Siedlungsresten verfüllt wurde. Die Tiefe kann bislang auf 3 m geschätzt werden. Die endgültige Ausgrabung mußte auf das kommende Jahr verschoben werden. Dieser Befund ist in der archäologischen Forschung des Kaliningrader Gebietes bisher einzigartig. Es ist zu hoffen, daß über erhaltene organische Materialien oder Funde wie Münzen die Datierung des Brunnens erfolgen kann. Er ist als ein deutlicher 92 Jahresbericht 2006 des DAI Hinweis auf Siedlungsaktivitäten unmittelbar südlich des bekannten Gräberfeldes anzusehen. In einer zweiten Grabungsfläche nördlich des Gräberfeldes wurde eine in den Geomagnetikbildern als Hausgrundriß interpretierte Struktur durch einen 10 m × 10 m großen Grabungsschnitt überprüft. Tatsächlich konnten 60 Reste von Holzpfosten als dunkle Verfärbungen im Boden dokumentiert werden. Die zahlreichen Funde aus den Pfostenstandspuren und aus den darüberliegenden – allerdings durch Pflugtätigkeit gestörten – Schichten legen eine Datierung dieser Strukturen ins 11. oder frühe 12. Jh. n. Chr. nahe. Als besondere Einzelfunde wurden eine Fibel des sog. kurischen Typs, eine byzantinische Silbermünze, eine Gagatperle, ein Bronzegewicht, ein Knochengerät und mehrere skandinavische Schiffsniete sowie Keramik und Knochen geborgen. Alle diese Funde belegen, daß nach der Aufgabe der zu postulierenden wikingerzeitlichen Siedlung, die auch durch die aktuellen Forschungen noch nicht genauer lokalisiert werden konnte, eine einheimische Siedlung der Prussen existiert hat, die zeitlich direkt an die skandinavische Siedlungsperiode anschloß. Es deutet sich damit an, daß vom 8. bis zum 12. Jh. in Wiskiauten eine Siedlung existierte, die im 9. und 10. Jh. unter skandinavischer Beteiligung bestanden hat. Von diesen skandinavischen Siedlern zeugen weiterhin die Gräber im Bestattungsplatz. Die Existenz eines Gräberfeldes der einheimischen Prussen direkt neben der Wikingergrabstätte läßt auf eine polyethnische Siedlungsgemeinschaft schließen. Die sicherlich größtenteils friedliche Koexistenz läuft am Ende der Wikingerzeit in der Mitte des 11. Jhs. aus, die Funktion als internationaler Handelsplatz mit weitreichenden Fernkontakten bleibt der Siedlung aber erhalten. Diese Fernkontakte werden durch die Silbermünze aus Byzanz und die Gagatperle, aber auch durch aus Skandinavien importierte Wetzsteine verdeutlicht. Kooperationspartner: Archäologisches Landesmuseum Schleswig; Stiftung Schleswig-Holsteinischer Landesmuseen Schloß Gottorf; Baltische Expedition des Archäologischen Instituts der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau • Leitung des Projekts: T. Ibsen (Schleswig) • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: Studierende der Universitäten Kiel und Kaliningrad. Sitzungen und wissenschaftliche Veranstaltungen Die Jahressitzung fand unter Vorsitz von Herrn von Schnurbein vom 23. bis 24. Februar in der Römisch-Germanischen Kommission statt. Dabei wurden 14 Gelehrte zu Korrespondierenden Mitgliedern des Deutschen Archäologischen Instituts gewählt. Zum Nachfolger von Siegmar von Schnurbein wurde Friedrich Lüth gewählt. Es fanden 13 Vortragsveranstaltungen statt. Die Kommission war ferner Gastgeber für mehrere Kolloquien und Arbeitsgespräche. Veröffentlichungen Germania. Anzeiger der Römisch-Germanischen Kommission 83, 2005, 2. Halbband Germania. Anzeiger der Römisch-Germanischen Kommission 84, 2006, 1. Halbband Bericht der Römisch-Germanischen Kommission 86, 2005 Abteilung Kairo 93 Römisch-Germanische Forschungen 63: D. Krausse, Eisenzeitlicher Kulturwandel und Romanisierung im Mosel-Eifel-Raum. Die keltisch-römische Siedlung von Wallendorf und ihr archäologisches Umfeld Germanische Denkmäler der Völkerwanderungszeit, Serie B, 20: R. Pirling – M. Siepen, Das römisch-fränkische Gräberfeld von Krefeld-Gellep. Der Fundstoff aus den römischen Gräbern (Grabungen 1934–2002) Corpus der römischen Funde im europäischen Barbaricum, Deutschland 6: Land Sachsen-Anhalt Internet-Zeitschrift http://www.spuren-der-jahrtausende.de 4/2006: G. Rasbach, Die ›Trabantenstadt‹. Ausgrabungen in Lahnau-Waldgirmes Stipendien Auf der Jahressitzung 2006 wurde Eva Rosenstock und Philipp von Rummel das Reisestipendium zuerkannt. Abteilung Kairo Abb. 1 Elephantine, südöstliches Stadtgebiet. Bestattung der späten 1./frühen 2. Dyn. (um 2800 v. Chr.) Ausgrabungen und Forschungen Elephantine Die erste Siedlung auf Elephantine nahm nur geringen Raum ein, zu wenig war den starken Flutschwankungen zu trauen. Wie ein im vergangenen Jahr freigelegter Befund beweist, konnte die Nilflut im späteren 4. Jt. v. Chr. bis auf eine Höhe von 99 m ü NN ansteigen und damit 14 m über dem derzeitigen Winterhöchststand liegen. Die besiedelbare Fläche während des Sommers reduzierte sich somit auf kleinere Gebiete. Dies änderte sich im frühen 3. Jt. v. Chr. und es ist dem Bau der Stadtmauer um 2800/2700 v. Chr. zu verdanken, daß einige Grabbefunde dieser frühen Zeit versiegelt und ungestört erhalten blieben. Aus der Zeit der späten 1./frühen 2. Dynastie (um 2800 v. Chr.) ist in einem Strudelloch eine in Leinenbahnen gehüllte Frau in einem aus zusammengebundenen Papyrusstengeln bestehenden Sarg bestattet worden (Abb. 1). An den Hand- und Fußgelenken sowie am Hals trug sie Knochenperlenketten. Als Beigaben besaß sie einen hölzernen Schminklöffel sowie ein kugeliges Keramikgefäß. Ein ähnliches Gefäß hatte die zweite, kurz darauf eingebrachte Bestattung eines Mannes als Beigabe, die auf eine Matte gebettet war. Diese Zweitbestattung hatte als Besonderheit einen Haufen von Getreide als Kopfunterlage – eine naheliegende, aber in dieser Form in Ägypten bisher selten belegte Form der Speisebeigabe. Abschließende Nachuntersuchungen fanden in der Stadt des späten Alten Reiches statt (2200–2150 v. Chr.). Das Pflaster des römischen Chnumtempelvorhofes ist unmittelbar auf den Schichten dieser Bebauung gegründet (Abb. 2). Auffallend ist das durchgehend sehr starke Mauerwerk. Die Funde dieser Räume erlauben keinerlei funktionale Zuweisung. Insgesamt paßt sich diese neue Raumgruppe jedoch gut in das Bild der flächigen Parzellenbebauung des späten Alten Reiches und der frühen 1. Zwischenzeit (Abb. 3) ein, 94 Jahresbericht 2006 des DAI in dem sich Wirtschaftsbereiche, Speicher- und Vorratsanlagen sowie äußerst sorgfältig errichtete Räume ohne jegliche Bodenbefunde abwechseln. Weiterhin fehlen Parzellen, die man – vergleichbar mit späteren Epochen auf der Insel – als abgeschlossene Wohnhauseinheiten ansprechen könnte. Die Anlage dieser Architektur ist flächendeckend, übergreifend und somit wohl als staatlich geplant anzusprechen. Die Inventare hingegen zeigen eine Vielzahl von Nutzungen des privaten Wohnbereiches. An verschiedenen weiteren Plätzen führte das Schweizerische Institut Untersuchungen durch, so z. B. in den Siedlungsschichten des Neuen Reiches sowie zur Baugeschichte des Chnumtempels und in den Schichten seiner Zerstörung und anschließenden Nachnutzung in frühchristlicher Zeit im 5. Jh. n. Chr. Aus dem Fundament der ptolemäischen Vorhalle wurde hierbei eine Anzahl von Blöcken mit bemerkenswert gut erhaltener polychromer Bemalung geborgen. Sie stammen überwiegend aus dem Tempelhaus Thutmosis III. (um 1450 v. Chr.), aber auch von seinen Nachfolgern sind verschiedene Bau- und Dekorationsaktivitäten nachzuweisen (Abb. 4). Im Rahmen der Aufarbeitung des Fundmaterials früherer Kampagnen wurde die Arbeit an der epigraphischen und architekturgeschichtlichen Aufnahme am Satettempel des Mittleren Reiches und am griechisch-römischen Chnumtempel, den Kleinfunden und der Lithik des 3.–2. Jts. v. Chr., den Siegelfunden des Alten Reiches, der nubischen Keramik des 3. Jts. v. Chr., der römischen und spätantiken Keramik, der griechischen Ostraka, Lederfunde, Münzen, Textilien, Botanik und an den Tier- und Menschenknochen sowie dem Glas fortgesetzt. Kooperationspartner: Schweizerisches Institut für Ägyptische Bauforschung und Altertumskunde • Leitung des Projekts: G. Dreyer; D. Raue (DAI, Abteilung Kairo), C. von Pilgrim (Schweizerisches Institut, Leitung vor Ort) • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: F. Arnold, J. Auenmüller, A. Bloe- Abb. 2 Elephantine, Gebäudekomplex des späten Alten Reiches und der 1. Zwischenzeit (um 2150 v. Chr.). Raumgruppe unter dem Ostrand des Chnumtempelvorhofes Abb. 3 Elephantine, Gebäudekomplex des späten Alten Reiches und der 1. Zwischenzeit. Vorläufiger Gesamtplan (M. 1 : 400) Abteilung Kairo 95 Abb. 4 Elephantine, Chnumtempel. Bauteile des Neuen Reiches (um 1450–1250 v. Chr.) baum, R. Colman, R. Cortopassi, E. Delange, A. von den Driesch, E. Endenburg, E.-M. Engel, P. Ferschin, J. Gresky, Th. Hikade, M. Hoffmann, H. Jaritz, A. Jonas, J. Jones, D. Keller, Ch. Kitagawa, P. Kopp, A. Kozak, E. LaskowskaKusztal, M. Lehmann, P. Matejowski, I. Milosavljevic, R. Neef, H.-Chr. Noeske, A. Paasch, J. Peters, B. von Pilgrim,V. Podsiadlowski, M. u. E. Rodziewicz, N. Roumelis, M. Schultz, A.Veldmeijer, C.Vormelker, M. Weber, P. Windszus. Felsinschriften der Region von Assuan Die Arbeit zur archäologischen, epigraphischen und topographischen Erfassung der durch die moderne Stadtbebauung aufs äußerste gefährdeten pharaonischen Felsinschriften im Assuaner Gebiet konzentrierte sich auf einen Platz südlich des modernen Stadtkerns Assuans, parallel zur modernen Straße nach Philae. Diesen Ort zeichnen nicht nur Zahl und Dichte der Inschriften, sondern vor allem eine ungewöhnlich lange Nutzungskontinuität durch das Mittlere und Neue Reich hindurch (ca. 1950–1070 v. Chr.) aus. Die epigraphische Arbeit hier bietet zahlreiche Herausforderungen. Nur schwach in den grobkörnigen Granit eingeklopft sind die Inschriften schwer zu erkennen und wo im Laufe der Zeit mehrere – bis zu vier – Texte übereinander angebracht wurden, ist es eine lohnende Aufgabe, den Befund möglichst vollständig wiederzugewinnen. Nach dem Abschluß der epigraphischarchäologischen Dokumentation ist mit nunmehr 77 Einzeltexten gegenüber dem Dutzend bislang von dieser Stelle bekannter Inschriften ein substantieller Zugewinn zu verzeichnen. Rund zwei Drittel der Inschriften stammen aus dem Mittleren Reich. Neben kurzen Texten mit Namen, Titulatur und formelhaften Opfergebeten stehen etliche große Familientableaus und repräsentative Felsreliefs hoher Funktionäre, die durch Königsnamen datiert sind. Prosopographisch handelt es sich durchweg um Militärs (Abb. 5), ein Hinweis auf die Kontrolle des Grenzgebietes, von dem auch Kampagnen nach Nubien ausgingen. Auch in das Neue Reich (ca. 1550–1070 v. Chr.) datieren zahlreiche Inschriften. Hier repräsentieren Felsreliefs der Vizekönige die Spitze der regionalen Administration. Daneben ist das Personal der Steinbrüche sowie der Tempelverwaltung belegt (Abb. 6). 96 Jahresbericht 2006 des DAI Region von Assuan Abb. 5 Felsinschrift eines Offiziers aus dem Mittleren Reich, wie ein Verstorbener ist er vor einem Opfertisch sitzend dargestellt Abb. 6 Felsinschrift des Priesters Bekenchons anbetend vor der Triade des Karnaktempels: Amun, Mut und Chons Entscheidend zum Verständnis der Inschriften ist insbesondere die früher vernachlässigte Analyse der topographischen Situation. Eine ausgedehnte, archäologisch-epigraphische Geländebegehung ergab, daß die Inschriften einen Weg säumen, der die kürzeste und bequemste Verbindung zwischen der Uferregion der Assuaner Bucht und der weiten Geländesenke der Steinbrüche und der Umgehungsstraße des Katarakts bildete und damit eine zentrale Rolle im Wegenetz der Region einnahm. Die prominente Sichtbarkeit der Inschriften zu Seiten dieser viel begangenen Straße machte den Ort zu einer privilegierten Stelle der öffentlichen Repräsentation. Hinsichtlich der Entstehung eines öffentlichen Raumes im Alten Ägypten zeigen die Texte, wie persönliche Statusdarstellung stets in eine Matrix ritueller Formen eingebettet war. Ihr religiöses Bezugssystem verschob sich jedoch vom Mittleren Reich, als noch ganz aus ikonographischen und textuellen Formaten des Totenkults geschöpft wurde, zum Neuen Reich hin zu Darstellungsformen aus dem Kult der Götter, insbesondere des Assuaner Raumes. Abteilung Kairo 97 Die landschaftsarchäologische Rekonstruktion des Raumes in Verknüpfung mit dem epigraphischen Befund bildet damit auch in Zukunft eine erstrangige Perspektive des Projekts. Kooperationspartner: Freie Universität Berlin (Projektträger) • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: S. J. Seidlmayer (Ägyptologisches Seminar der Freien Universität Berlin) • Mitarbeiter: M. Lehmann • Abbildungsnachweis: S. J. Seidlmayer (Abb. 5. 6). Abb. 7 Theben-West, Nekropole von Dra‘ Abu el-Naga. Blick über das Grabungsareal H. Durch Verlegung einer modernen Mauer konnte ein größeres Grabungsareal östlich der Reste der Pyramide des Königs Nub-Cheper-Re Intef hinzugewonnen werden, mit dessen terrassenförmiger Ausgrabung im Herbst 2005 begonnen wurde (im Vordergrund). Die Ruine der Pyramide ist oberhalb der Holzdachkonstruktion in der rechten Bildmitte sichtbar Theben-West, Nekropole von Dra‘ Abu el-Naga Die Grabungskampagne 2005/2006 in Dra‘ Abu el-Naga verfolgte zunächst das Ziel, innerhalb des seit 2001 untersuchten Areals H eine im Januar 2005 für die Ausgrabung vorbereitete Fläche östlich der Pyramide des Nub-CheperRe Intef (Ende 17. Dynastie, ca. 1570 v. Chr.) auszugraben. Nach einer detaillierten geodätischen Aufnahme dieser neuen Fläche wurde mit einer terrassenförmigen Ausgrabung derselben begonnen (Abb. 7). Die geodätische Aufnahme des gesamten Areals stellt die Basis für eine photorealistische Animation und teilweise Rekonstruktion des Grabungsgeländes nebst der unterirdischen Grabanlagen dar, die derzeit in Vorbereitung ist. Die diesjährige Grabung ergab dabei erwartungsgemäß keine substantiellen Ergebnisse: Die alte Felsoberfläche ist hier von einer bis zu 4 m mächtigen Schicht aus Nekropolenschutt bedeckt, der an keiner Stelle vollständig abgegraben werden konnte. Außerdem wurde die Ausgrabung einiger im Jahr 2003 entdeckter Schachtgräber im Südwesten der Pyramide des Nub-Cheper-Re Intef fortgesetzt. 98 Jahresbericht 2006 des DAI Die Anlagen K03.1, K03.3 und K03.6 liegen inmitten des Gräberfeldes, das schon seit längerem bearbeitet wird und in dem u. a. das nahezu vollständig erhaltene Sargensemble des Imeni und der Geheset geborgen werden konnte (s. AA 2006/2, 190 f.). Während eine der Anlagen (K03.1) nach Ausweis des stark gestörten Inventars sicher zur jüngeren Belegungsphase dieses Friedhofsabschnitts zu zählen ist (d. h. an die Wende von der 17. zur 18. Dynastie, um 1550 v. Chr.), datieren die beiden anderen in die 1. Hälfte der 13. Dynastie (ca. 1700 v. Chr.). Bemerkenswert ist die interne Belegungsgeschichte der Anlage K03.3: Sie war nach der in ihr aufgefundenen Keramik ursprünglich in der früheren 13. Dynastie angelegt, dann aber am Ende der 17., in der 18. und schließlich in der 20./21. Dynastie wiederbenutzt worden. Dabei wurden offensichtlich die während der späteren Benutzungsphasen vorgefundenen älteren Bestattungen und deren Ausstattung nicht entfernt, sondern lediglich zur Seite geräumt. Parallel zu den Ausgrabungen wurden verschiedene Untersuchungen in Zusammenhang mit dem Sargensemble des Imeni und der Geheset durchgeführt: A. Loprieno konnte die umfangreichen Inschriften der Särge untersuchen (Abb. 8). Die in den Inschriften des Imeni-Sarges wiedergegebenen Sargtexte enthalten demnach einige Sprüche, die bislang nicht bekannt waren, so daß bei der Zusammenstellung derselben von einer örtlichen thebanischen Redaktion ausgegangen werden muß. R. Neef und V. Podsiadlowski führten botanische Analysen der bei den Särgen des Imeni und der Geheset benutzten Holzarten durch. Dabei ergab sich, daß alle größeren für die Herstellung des Sarges des Imeni verwendeten Teile aus Sykomorenholz bestehen. Für den Sarg der Geheset kam fast ausschließlich das Holz des Christdorns zur Anwendung – grundsätzlich wurden also heimische, keine Importhölzer für die Herstellung der Särge benutzt. Während der Ausgrabung der Grabanlage K03.4, aus welcher die Särge stammen, fanden sich zahlreiche Knochen und ein Schädel in unmittelbarer Nähe des Sarges. Bereits bei der Bergung der Knochen wurde davon ausgegangen, daß es sich dabei um die Reste der Leiche der Geheset handeln könnte, die von Grabräubern aus dem Sarg entfernt und auf der Suche nach wertvollen Amuletten vor Ort zerstört worden war. Die nun erfolgte anthropologische Untersuchung bestätigte die Vermutung vollauf, das Skelett konnte mit Ausnahme einiger Langknochen rekonstituiert werden. Demnach war die Frau bei ihrem Tod zwischen 50 und 60 Jahre alt, etwa 1,5 m groß und afrikanischer, vermutlich sudanesischer Herkunft (Abb. 9). Leitung des Projekts: D. Polz • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: A. Kilian, E. Kruck, A. Loprieno, J. Lücke, S. Michels, U. Rummel, A. Seiler, S. Voß, P. Collet, E. Hower-Tilmann, A. Nerlich, A. Zink, M. Maschke, R. Neef, V. Podsiadlowski, E. Peintner, P. Windszus • Abbildungsnachweis: DAI-KAI (Abb. 7–9). Theben-West, spätantike-koptische Klosteranlage Deir el-Bachit von Dra‘ Abu el-Naga Im Herbst 2005 fand in Deir el-Bachit, der größten bislang bekannten spätantik-koptischen Klosteranlage auf der Westseite Thebens in Oberägypten, eine Kampagne zur exemplarischen Untersuchung einer im Frühjahr 2005 gefundenen koptischen Mönchsmumie statt. Außer einem Lendenschurz und einem dünnen Totenhemd war der Leichnam in vier grobe Leinentücher eingeschlagen, die zum Schluß sehr kunstvoll mit rot-weißen Bändern verschnürt wurden. Die pathologische Untersuchung vor Ort ergab, daß der Mönch im Alter zwischen 40 und 60 Jahren verstorben ist und daß er unter einer Skoliose und mehreren Zahnabszessen gelitten hat. 8 9 Theben-West, Nekropole von Dra‘ Abu el-Naga Abb. 8 Sarg des Imeni, die beiden Hieroglyphen sind Teil einer Inschriftkolumne auf der Innenseite des Sargdeckels und geben die en face Darstellung eines Gesichts und die Abbildung eines Herzens wieder Abb. 9 Schädel der Geheset, das durch Grabräuber stark zerstörte Skelett der Geheset konnte fast komplett rekonstituiert werden. Auch der Schädel ließ sich nahezu vollständig zusammensetzen. Die Aufnahme läßt das ungewöhnlich gut erhaltene Gebiß der Geheset erkennen – die fehlenden Zähne sind das Ergebnis der Zerstörungen durch die Grabräuber Abteilung Kairo 99 Abb. 10 Theben-West, spätantike-koptische Klosteranlage Deir el-Bachit von Dra‘ Abu el-Naga. Tonnengewölbte Speicherbauten Abb. 11 Theben-West, spätantike-koptische Klosteranlage Deir el-Bachit von Dra‘ Abu el-Naga. Nekropole, Mumie eines koptischen Mönches Im Frühjahr 2006 folgte eine knapp vier Monate dauernde Ausgrabungskampagne in Deir el-Bachit. Im Anschluß an die 2005 ergrabenen Areale wurde die Grabung auf den südlichen Terrassen der Klosteranlage fortgesetzt. Kleinere Sondagen unter den Fußböden der in den Vorjahren bereits ausgegrabenen Räume ergänzten die Grabungstätigkeit dieses Jahres. Auf den südlichen Terrassen sind zwei Schnitte angelegt worden. Ausgegraben wurde ein großer Raum, in dem sich zwei Webstuhlgruben und aneinandergereihte Vorratsbehälter aus Lehm befanden. In einer späteren Phase wurden kleinere Einbauten vorgenommen, die wohl im Zusammenhang mit einer Lederwerkstatt stehen, da sich hier zahlreiche Lederabfälle fanden. In dieser späten Phase wurden für die Einbauten außerdem mit pharaonischen Inschriften dekorierte Blöcke als Spolien wiederverwendet. Daneben ist unter dem Plattenboden im östlichen Umgang des sog. Zentralgebäudes die wohl älteste Phase des Klosters ergraben worden: Hier fanden sich zwei in Ost-West-Richtung angelegte, innen sorgfältig mit Lehmschlamm verputzte Tonnengewölbe, die als Speicherbauten anzusprechen sind (Abb. 10). Sie wurden in einer späteren Phase zugeschüttet und mit dem Plattenboden des Umgangs überdeckt. Die bereits im Frühjahr begonnene Grabung in der zugehörigen Nekropole des Klosters konnte fortgesetzt werden. Hier sind weitere in Nord-SüdRichtung angelegte Grabreihen aufgedeckt worden, die durch schmale Wege voneinander getrennt werden. In den rechteckigen und von Lehmmauern eingefaßten Grabgruben kamen weitere intakte Mumien von Mönchen zutage (Abb. 11). Neben den Grabungsarbeiten fanden in diesem Jahr erstmals auch im Magazin Untersuchungen der bisher gefundenen koptischen Ostraka und Papyri statt. Außerdem erfolgten die Restaurierung einiger herausragender Objekte sowie die Konservierung mehrerer koptischer Stoffe. Kooperationspartner: Ludwig-Maximilians-Universität München • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: G. Burkard, I. Eichner • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: T. Beckh, R. Fey, G. Herdt, S. Hodak, C. Holler, C. Jones, E. Petersmark, S. Richter, J. Sigl, A. Zink • Abbildungsnachweis: Ludwig-Maximilian-Universität München (Abb. 10. 11). 100 Jahresbericht 2006 des DAI Theben-West, Memnon Kolosse und Totentempel Amenophis’ III. Die Arbeiten der »Mission International des Colosses de Memnon et Conservation du Temple d’Amenhotep III« wurden mit Unterstützung des DAI im Frühjahr 2006 mit einer 8. Kampagne am Totentempel Amenophis’ III. weitergeführt. Neben den Grabungsarbeiten konnten die Dokumentation, die Studien der älteren Befunde und die Konservierung der Statuen und Funde fortgesetzt werden. Parallel dazu begann die erste Phase des »Dewatering Projects« im Bereich des Peristylhofes und der Hypostylen Halle (Abb. 12). Damit wurde am Ende der Kampagne der Grundwasserspiegel erfolgreich um 3,50 m abgesenkt. Daran schloß sich eine Kampagne der Geländekonservierung an, in der die Gräben im Grabungsbereich unter Beachtung der originalen Bodenverhältnisse wieder geschlossen und die Oberfläche geschützt wurde. Um Peristyl und Hypostyl kamen in den Entwässerungsgräben wie auch in den Planquadraten der Ausgrabung im Bereich der Außenmauern 41 Statuen der Göttin Sachmet zutage, allein 17 fanden sich im Zerstörungsgraben der Außenmauer in einem Planquadrat der Nordhälfte der Ostportikus des Peristyls (Abb. 13). Der Entwässerungsgraben im Süden des Peristyls mußte geändert werden, um Fundamentblöcke aus Kalkstein zu erhalten, die nicht versetzbar waren. Dabei mußte der Graben eine Bankette schneiden, die vor ca. 10 Jahren vom Antikendienst angelegt worden war. Direkt darunter fand sich ein herrlicher monumentaler Kopf Amenophis’ III. aus rotem Assuangranit, der schönste und besterhaltene seiner Art (Abb. 14). Teile des Torsos dieser kolossalen Sta- Abb. 12 Theben-West, Memnon-Kolosse und Totentempel Amenophis’ III. Entwässerungsarbeiten am Totentempel Abteilung Kairo 101 14 Theben-West, Memnon-Kolosse und Totentempel Amenophis’ III. Abb. 13 Sachmetstatuen im Grundwasserbereich Abb. 14 Kopf einer Monumentalstatue Amenophis’ III. 13 tue, die früher von Steinräubern zerschlagen worden war, sind erhalten und werden zusammengesetzt. Ein kleinerer Königskopf von einer stärker beschädigten lebensgroßen Statue fand sich in dem Abwassergraben nördlich des Peristyls. Beim graduellen Absenken des Wassers, konnten die Planquadrate im Peristyl Nord und Ost tiefer ausgegraben werden als bisher. Im Norden kamen große Architekturteile zutage, u. a. Architravblöcke, Fragmente von Säulen und erstmals die Fundamente der starken Außenmauern. Am 2. Pylon wurde die Freilegung des nördlichen Turmes fortgesetzt. Der 450 t schwere Torso des nördlichen Kolosses vor diesem Pylon, der im letzten Jahr mittels Luftkissen um 3,12 m angehoben worden war, wurde nochmals behandelt und dann ebenfalls mit Luftkissen auf Stahl- und Holzschienen 11,50 m weit nach Nordosten bewegt. Die Fragmente des Kolosses und seiner Basis mit einzigartigen Darstellungen von Fremdvölkern konnten teilweise zusammengefügt und untersucht werden. An den Memnon-Kolossen wurde die Untersuchung der Polychromie durch eine Spezialistin vollendet. Am nördlichen Koloß ist eine Detailanalyse der Steinschichten durchgeführt worden, verbunden mit einer Analyse der Art und Herkunft der Steine. Auf der Nordseite wurde als Fortsetzung der Untersuchung der mächtigen Fundamentblöcke der letzten Jahre ein weiterer kleiner Schnitt angelegt. Kooperationspartner: Supreme Council of Antiquities • Förderung: Association des Amis des Colosses de Memnon; Förderverein Memnon; American Research Center in Egypt; World Monuments Fund®Robert W. Wilson 102 Jahresbericht 2006 des DAI Challenge to Conserve Our Heritage und Mr. Jack A. Josephson, supporter of the World Monuments Fund • Leitung des Projekts: H. Sourouzian • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: A. Abdelghaffar, F. Adrom, S. Bakhyt Abdel Hafez, A. u. O. Chéné, J. Dorner, M. El-Dorry, M. El-Essawy, Th. Gayer-Anderson, M. Haase, N. Hampikian, A. Hasan, T. Hasan Ibrahim, E. Kamimura, M. Khaled, U. Köhle, U. Lewenton, M. Lopez, B. Madden, J. Meier, Ch. Mende, I. Noureddine, C. Perzlmeier, M. Seco Alvarez, A. Schlüter, R. Stadelmann • Abbildungsnachweis: H. Sourouzian (Abb. 12–14). Abydos, Umm el-Qaab Im prädynastischen Friedhofsabschnitt U wurden neun Bestattungen geborgen, die bei der Freilegung der Gräber für anthropologische Untersuchungen zunächst am Ort belassen worden waren. Sie können sämtlich der Stufe Naqada I zugeordnet werden. Neben einem Kind waren sieben männliche und ein weibliches Individuum zu bestimmen. Auffälligerweise zeigen drei der männlichen Bestattungen an den Unterarmen (verheilte) Verletzungen, die sie sich bei der Abwehr eines Schlages durch erhobene Arme zugezogen haben dürften. Diese drei Fälle sind die bisher einzigen Beispiele für derartige Verletzungen im Friedhof U. Vom Grab des Königs Djer (1. Dynastie, um 2950 v. Chr.), das seit dem Mittleren Reich als Begräbnisstätte des Totengottes Osiris galt, wurden die Mauerkronen der Königskammer bis ca. 60 cm Tiefe freigelegt, wodurch auch die Oberkanten einiger der inneren Zungenmauern sichtbar wurden, die auf der Ost-, Nord- und Westseite an einen zentralen Holzschrein führten (Abb. 15). Die Größe der Königskammer beträgt ca. 17 m × 18 m, die Ausmauerung ist etwa 2,60 m stark. Die durchweg rot verbrannten Seitenwände sind zwar nach innen etwas ausgebrochen, am Außenrand sind aber allseitig noch Abschnitte vom Deckenverputz vorhanden. Er liegt nur wenig tiefer als das umgebende Wüstenniveau. Anders als im Grab des Nachfolgers Wadj gab es also keinen in der Grabgrube versteckten Tumulus. Von der Abdeckung sind vor allem auf der Südwand noch einige Balkenlöcher (z. T. mit verkohlten Holzresten) erhalten. Die Nord-Süd im Abstand von 15–20 cm verlegten Balken hatten Durchmesser von 12–24 cm. Darüber befanden sich Schilfmatten und zwei Ziegellagen als Deckschicht. Abb. 15 Abydos, Königsfriedhof Umm elQaab. Grab des Königs Djer, Königskammer Abteilung Kairo 103 16 17 Abydos, Königsfriedhof Umm el-Qaab Abb. 16 Spielstein aus dem Grab des Königs Djer, Elfenbein Aus der Grabfüllung und den mit Material aus dem Friedhof B vermischten Schutthalden wurden neben großen Mengen an Keramik, zahlreichen Siegelabrollungen, Pfeilspitzen, Elfenbeinfragmenten (Abb. 16) und zwei beschrifteten Anhängetäfelchen auch verschiedene in Zusammenhang mit dem Osiriskult stehende Objekte geborgen, u. a.Teile eines Hörneraltars, Scherben von beschrifteten Gefäßen und Votivgaben. Besonders interessant sind einige Fragmente aus kristallinem Kalkstein, die wahrscheinlich von der Wanne und dem Deckel eines sehr großen Sarkophages stammen. Auf einem Stück ist noch eine ausgehackte Kartusche erhalten, in der das Re-Zeichen – wie bei den Inschriften des von E. Amélineau in der Königskammer gefundenen Osirisbettes – ausgespart wurde (Abb. 17). Weitere Fragmente aus dem gleichen Material erwähnen sowohl E. Amélineau wie F. Petrie. Es liegt nahe, daß sie alle von einem zu der Osirisstatue gehörenden Sarkophag stammen. Am Grab des Königs Semerchet (1. Dynastie, um 2850 v. Chr.) wurde der Rampenzugang zur Königskammer untersucht und die Umgebung des Grabes im Osten und Süden gereinigt. Die etwa 4 m breite Rampe setzt ca. 10 m östlich des Grabes an. Bis zur Grabaußenmauer hat sie ein Gefälle von ca. 12º, setzt sich dann aber in unregelmäßigen Abstufungen sehr steil bis in den Eingang der Königskammer fort (Abb. 18). Im Vergleich mit den anderen Gräbern der 1. Dynastie, die seit Dewen alle eine Ziegeltreppe aufweisen, ist dieser auffällige Befund wahrscheinlich damit zu erklären, daß eine solche Treppe erst zuletzt, nach der Ausstattung der Grabkammer mit dem großen Holzschrein, hätte eingebaut werden sollen. Wie auch die Ausführung der z. T. unverputzten Nebengräber zeigt, standen die Bauarbeiten aber unter so großem Zeitdruck, daß es nicht mehr dazu kam. Besonders auf dem oberen Rampenabschnitt fanden sich mehrere, zumeist vollständige Tongefäße zusammen mit Matten- und Holzresten sowie Korbabdrücken. Wie ähnliche Deponierungen beim Grab des Dewen sind sie vermutlich mit der Freilegung und Restaurierung der Grabanlagen im Mittleren Reich in Zusammenhang zu bringen. Förderung: DFG • Leitung des Projekts: G. Dreyer • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: F. Barthel, C. Benavente, J. Bock, A. u. U. Effland, E.-M. Engel, Abb. 17 Sarkophagfragment mit ausgehacktem Königsnamen, von dem nur das Re-Zeichen (Sonne) ausgespart ist Abb. 18 Rampenzugang zur Königskammer des Königs Semerchet 18 104 Jahresbericht 2006 des DAI A. Fahmy, R. Hartmann, U. Hartung, Ch. Hochstrasser-Petit, A. Hohlbein, J. Jones, Ch. Kitawaga, I. Köhler, K. Köster, C. Lacher, E.-S. Lincke, V. Müller, D. Schulz, A. von den Driesch, P. Windszus, A. Zink • Abbildungsnachweis: DAI-KAI (Abb. 15–18). Dahschur, Taltempel und andere Anlagen um die Knickpyramide Die Arbeiten in Dahschur konzentrierten sich im Herbst 2005 zum einen auf die abschließende Aufmessung aller Mauern und verstürzten Blöcke des Taltempels, zum anderen auf die Freilegung und Vermessung der Ziegelmauern des Temenos und der durch diesen eingeschlossenen Wohnbauten. Die Außen- und Innenfassaden des Tempels wurden anschließend nochmals digital photogrammetrisch zur Erstellung eines dreidimensionalen Planes aufgenommen. Im offenen Festhof konnten auch die tonnenschweren Umrahmungsblöcke der Pfeiler dreidimensional aufgenommen und so angeordnet werden, daß sie in der nächsten Kampagne an ihren ursprünglichen Plätzen einzufügen sind. Mit Zustimmung der Antikenverwaltung durfte die entstellende moderne Mauer im Magazintrakt entfernt werden. Im südlichen Tempelteil wurde das Vestibül mit den beiden Ausgängen nach Westen zum Pyramidenaufweg und nach Osten zu dem zum Tal führenden Ziegelaufweg gereinigt und aufgemessen. Der Talaufweg ließ sich in zwei entfernteren Schnitten verfolgen. Vor der Südwand des Tempels wurden die beiden Stelen wieder aufgerichtet. Sie stehen jeweils in einem aufwendigen Rahmen von vier gewaltigen, monolithen Kalksteinblöcken (Abb. 19). Bau-Graffiti auf der Innenseite dieser Rahmenblöcke belegen ein Datum nach dem 30. Regierungsjahr des Snofru und dem Baubeginn der Nördlichen Pyramide. Die Spitze der westlichen Stele ist komplett abgeschlagen; vielleicht finden sich die Fragmente unter den Dekorationselementen, die A. Fakhry 1956 in ein Magazin nach Giza transportieren ließ. Auf den Stumpf der östlichen Stele wurden zwei größere Fragmente aufgesetzt, die in den vergangenen Kampagnen gefunden worden waren. Abb. 19 Dahschur, Taltempel der Knickpyramide Abteilung Kairo 105 Auf der Nordseite des Tempels wurde eine großräumige Wohnanlage mit dicken, weiß verputzten Mauern und Säulenbasen freigelegt; vermutlich handelt es sich um eine königliche Tempelsakristei. Von dort aus zieht ein breiter, etwa 50 cm tief aufgemauerter Ziegelaufweg nach Norden; er hatte ursprünglich eine Seitenbegrenzung aus Stein, die ausgeraubt ist. Etwa 200 m nördlich kam eine typische Arbeitersiedlung zutage; der Aufweg zieht sich aber weiter in Richtung der Nördlichen Pyramide hin. Leitung des Projekts: R. Stadelmann • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: M. Lopez, C. Perzlmeier, M. Seco Alvarez • Abbildungsnachweis: DAI-KAI (Abb. 19). Dahschur, Residenznekropole des Alten Reiches Im Tal nördlich der Pyramide Amenemhets II. und östlich der Roten Pyramide konnte die 2002 begonnene Ausgrabung eines Friedhofes der fortgeschrittenen 4. und 5. Dynastie fortgesetzt werden. Insgesamt wurden in einem 45 m × 30 m großen Gebiet sieben mittelgroße und große Mastabas (arab. Bank) freigelegt (Abb. 20). Der Schwerpunkt der diesjährigen Kampagne lag auf der Ausgrabung der Grabschächte (Abb. 21). Um ein zusammenhängendes Bild von der Belegung eines Grabes zu bekommen, wurde entschieden, die Schächte zweier großer Gräber vollständig auszugraben. Ein neun Meter tiefer, unberührter Hauptschacht führte zu einer im Süden gelegenen Grabkammer. Die ehemals in einem Holzsarg untergebrachte männliche Bestattung war durch die Bodenfeuchtigkeit in schlechtem Zustand. Beigegeben wurden dem Begräbnis ein Teller und 15 Miniaturtellerchen aus Keramik (Abb. 22). Eine Nebenbestattung in demselben Grab war ebenfalls ungestört. Sie fand sich aber wesentlich besser erhalten, weil sie nur 3 m in den Boden abgetieft worden war. Die in Tücher gehüllte weibliche Bestattung lag kontrahiert in einer hölzernen Sargkiste (Abb. 23). Die Bestattung enthielt keine Beigaben und demonstriert damit die unterschiedliche Ausstattung von Haupt- und Nebenbestattungen. Neben dem Studium der Grabsitte sind die regelmäßig auf den Schachtböden angetroffenen Keramik- und Aschefunde von großem Interesse. Sie können als Relikte von in den Schächten und beim Bestattungsfest durchgeführten Ritualen interpretiert werden. Große Bedeutung hat auch eine neu entdeckte Statuettenbasis eines »königlichen WabPriesters« namens Kai-cher-Ptah, denn der Priestertitel bestätigt die These, daß es sich bei den Besitzern der Gräber um die Bewohner der nördlichen Abb. 20 Dahschur, Residenznekropole des Alten Reiches. Plan der im Talfriedhof freigelegten Gräber (M. 1 : 500) 106 Jahresbericht 2006 des DAI 22 21 Pyramidenstadt des Snofru handelt. Die dort ansässigen Priester hielten den Kult an der Roten Pyramide des Snofru über 400 Jahre aufrecht. Im Wadifriedhof wurde von H. Becker (Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege) eine geomagnetische Prospektion durchgeführt. Das erstellte Magnetogramm umfaßt ein Gebiet von ca. 400 m (Nord-Süd) × 300 m und zeigt eine dichte Bebauung des Tales mit mittelgroßen und großen Lehmziegelmastabas. Die Kombination aus geomagnetischer Prospektion und Geländebegehung zeigt insgesamt eine Belegung des Friedhofes von der Mitte der 4. bis zur 6. Dynastie (2600–2200 v. Chr.) und ein räumliches Wachstum sowohl von Westen nach Osten wie vom Zentrum des Wadis nach Süden. Bei einer Geländebegehung in Dahschur-Nord und Dahschur-Süd wurden zahlreiche bisher unbekannte unfertige Pyramidenanlagen und Elitegräber identifiziert und kartiert. Durch die Oberflächenkeramik können die Monumente eindeutig als Anlagen der 13. Dynastie (um 1800 v. Chr.) angesprochen werden. Von besonderem Interesse sind bisher unbekannte Pyramidenausschachtungen in der Umgebung der Pyramide des Chendjer in Dahschur-Nord/Saqqara-Süd. Südwestlich der ›Unvollendeten Pyramide‹ liegt ein ausgedehnter Friedhof mit Mastabagräbern der 13. Dynastie. In der Literatur unerwähnt blieben bisher auch zahlreiche Elitegräber der 13. Dynastie, die sich exponiert auf Hügelkuppen im Gebiet zwischen der Pyramide des Imeni-Qemau in Dahschur-Süd und Mazghuna befinden. Kooperationspartner: Freie Universität Berlin (Projektträger) • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: S. J. Seidlmayer, N. Alexanian (Grabungsleitung) • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: M. Beer, D. Blaschta, R. Bußmann, R. Döhl, J. Goischke, M. Lehmann, E. Messmer, R. Schiestl, M. Schmidt • Abbildungsnachweis: Freie Universität Berlin (Abb. 20–23). Saqqara Am Grab des Ninetjer, des 3. Königs der 2. Dynastie (um 2700 v. Chr.), konzentrierte sich die Grabungstätigkeit im Frühjahr 2006 auf die Suche nach Resten eines tumulusartigen Oberbaus, der aufgrund der Befunde an Königsgräbern der 1. und 2. Dynastie in Abydos und der ersten Baustufen des Djoserkomplexes auch hier vorhanden gewesen sein muß. 23 Dahschur, Residenznekropole des Alten Reiches Abb. 21 Blick auf die Lehmziegelmastabas und Grabschächte Abb. 22 Beigaben einer Hauptbestattung aus dem Talfriedhof Abb. 23 Unversehrte Nebenbestattung einer Frau Abteilung Kairo 107 Abb. 24 Saqqara, Grab des Königs Ninetjer. 2. Dynastie (um 2700 v. Chr.). Lage des Grabes am Unas-Aufweg Zunächst wurde ein bereits von P. Munro teilweise aufgedeckter Mauerzug aus kleinen Kalksteinbrocken auf der Kante eines bis zu 1 m hohen gebel (Fels)-Abstichs wieder freigelegt. Abstich und Steinsetzung verlaufen in ca. 17–18 m Abstand etwa parallel zur Südmauer des Unas-Aufweges und reichen nach Westen bis dicht an den Totentempel des Unas (Abb. 24). Im Osten knickt der Abstich etwa 2,50 m vor der Einfassung der Schiffsgruben des Unas nach Süden ab und verläuft dann dicht hinter den Schiffsgruben wieder nach Osten. Damit ist eindeutig, daß Abstich und Steinsetzung erst in Zusammenhang mit den Baumaßnahmen des Unas erfolgten, um das Gelände gegen höher anstehende Formationen im Süden abzugrenzen. Da es in der Abstichkante keine Lücken von der Freistellung eines Felskerns für den Ninetjer-Oberbau gibt, kann der Oberbau nur auf höherem Niveau auf den leicht nach Süden ansteigenden gebel gegründet gewesen sein. Um festzustellen, ob davon noch Spuren vorhanden sind, wurde im Bereich der unterirdischen Grabkammer, ein ca. 25 m langer Schnitt in Ost-West-Richtung angelegt, in dem ca. 3,50 m unter der Oberkante anstehender Schichtung der gewachsene gebel erreicht wurde. Unmittelbar darauf kamen jedoch Abschnitte einer ca. 2,50 m breiten Mauer aus großformatigen Ziegeln mit Stempeln des Haremhab (späte 18. Dynastie) zutage. Innerhalb des Schnitts ließ sich diese etwa Ost-West orientierte Mauer über 23 m verfolgen und am Westende des Schnitts war anhand der gerade noch erhaltenen inneren Südostecke zu erkennen, daß es sich dabei wohl um eine Umfassungsmauer handelt, die einen weiter südlich anzunehmenden größeren Baukomplex eingegrenzt haben dürfte. Spätestens bei der Errichtung dieser Umfassungsmauer sind wahrscheinlich alle bis dahin eventuell noch vorhandenen Spuren des Ninetjer-Oberbaus vollständig abgetragen worden. Die Mauer des Haremhab scheint aber keinen langen Bestand gehabt zu haben. Eingetieft in ihren Ziegelversturz fanden sich zwei Bestattungen in Holzsärgen, die wahrscheinlich in die 19./20. Dynastie zu datieren sind. 108 Jahresbericht 2006 des DAI 25 Einer der Särge war mit reichen Beigaben ausgestattet, u. a. mit zwei verzierten Schminklöffeln (Abb. 25) und einem Schminknapf in Fischform aus Holz, einer Perücke, zwei Alabastergefäßen und mehreren Tongefäßen. Oberhalb der Bestattungen folgt eine Lage Flugsand und dann eine dikke taffl (Tonschiefer)-Packung, auf der einige Kalksteinplatten eines Pflasters aufliegen, das wohl einer ramessidischen Grabanlage zuzuweisen ist, zu der vermutlich auch ein am Ostende des Schnitts befindlicher Schacht aus gut behauenen Kalksteinblöcken gehörte. Von dieser Grabanlage könnte zudem das im Schnitt verworfen aufgefundene Unterteil einer Sitzstatue eines Mannes und seiner Frau stammen. Im Grab wurde u. a. eine vermutlich in die 3. Zwischenzeit zu datierende Bestattung in einer sekundär ausgehauenen Grube vor Kammer I 300 untersucht. Dabei stellte sich heraus, daß sie drei eng verschachtelte Holzsärge enthielt, von denen der äußere aber an Kopf- und Fußende durch grobes Abhacken gekürzt worden ist (Abb. 26). Offenbar hatte sich erst beim Einbringen gezeigt, daß die Grube nicht lang genug war. Der äußere, stärker beschädigte Sarg, ist aus Palmholz gefertigt, die beiden anderen aus Sykomorenholz (Abb. 27). Wie Aufschriften auf den inneren Särgen zeigen, gehörten sie einem Priester namens Nes-Imen-(m)-Ipet. Kooperationspartner: P. Munro (Freie Universität Berlin/Technische Universität Hannover) • Leitung des Projekts: G. Dreyer • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: C. Lacher, M. Hartwig, D. Raue, S. Boos, E. Peintner, A. Quast, A. Rifaat Isa, M. Ali Ibrahim, P. Windszus • Abbildungsnachweis: DAI-KAI (Abb. 24–27). Matariya/Heliopolis Heliopolis bildet einen der zentralen Orte der pharaonischen Kultur, jedoch ist aufgrund der Landeigentumsverhältnisse im Haupttemenos das Innere des größten Tempelbezirks Altägyptens (1100 m × 450 m) bisher weitgehend unerforscht. An der Oberfläche ist, abgesehen vom Obelisken Sesostris’ I. (um 1950 v. Chr.), kaum etwas zu sehen. Auf Einladung des für das Stadtgebiet zuständigen Departments des ägyptischen Antikendienstes begannen die Arbeiten im nordwestlichen Teil des Tempelbezirks (Abb. 28). Von diesem Tempelteil war bislang lediglich durch Beschreibungen des 19. Jhs. bekannt, daß dort Sphingenfragmente von gewaltiger Größe gesehen worden waren. Parallel zur Grabung wurden Bohrungen im Grabungsareal durchgeführt. Sie erbrachten überraschende Einsichten in die wegen des hohen Grundwasserspiegels nicht mehr erreichbaren Schichten. Unter Schichten des Alten und 26 27 Saqqara, Grab des Königs Ninetjer. 2. Dynastie (um 2700 v. Chr.) Abb. 25 Schminklöffel, Beigabe aus einem Sarg des Neuen Reiches Abb. 26 Bestattung der 3. Zwischenzeit in einer Grube im Grab des Ninetjer Abb. 27 Mumienmaske vom inneren Sarg des Nes-Imen-(m)-Ipet aus der 3. Zwischenzeit Abteilung Kairo 109 Abb. 28 Matariya/Heliopolis, Tempelruine im nordwestlichen Temenosbereich 29 30 Matariya/Heliopolis Abb. 29 Kopf einer Statue Sesostris’ I. (um 1950 v. Chr.) Abb. 30 Sitzbildnis Ramses’ II. (um 1250 v. Chr.) Mittleren Reiches sowie einer Bauschicht der Hyksoszeit (um 1650 v. Chr.) liegt ein Landschaftsausschnitt des 4. und wohl auch noch früheren 3. Jts. mit einem Seen- oder Sumpfverlauf innerhalb des späteren Haupttempels von Heliopolis vor. Es sollte zukünftig weiter verfolgt werden, ob die Schöpfungslegende von Heliopolis mit dem Bestandteil des Urhügels möglicherweise durch topographische Besonderheiten des 4. Jts. v. Chr. inspiriert wurde. Zahlreiche Bauteilfragmente aus Kalkstein bilden über diesen Straten eine dichte Deckschicht. Mehrere Stücke weisen Reliefreste des Echnaton und der Nofretete (um 1350 v. Chr.) auf und illustrieren, wie der Sonnentempel von Heliopolis als einziger der alten Göttertempel Ägyptens auch in der Amarnazeit seinen Bestand hatte. Diese Blöcke gelangten als Baumaterial in das folgende Großprojekt, das Ramses II. (um 1250 v. Chr.) in diesem Teil des Temenos realisierte. Über den Hauptkult in diesem Tempel lassen sich keine bestimmten Aussagen machen. Möglicherweise spielte in ihm Isis, die auf einem Architrav genannt wird, eine besondere Rolle. Im Bereich der Ausgrabung deuten die zahlreichen Belege monumentaler Königsplastik von zwei- bis vierfacher Lebensgröße auf einen Festhof hin. Bei diesen Kolossalstatuen aus Rosengranit handelt es sich offenbar um eine Wiederaufstellung in jüngerem Kontext, denn stilistisch können die Königsköpfe in die Zeit Sesostris’ I. (um 1950 v. Chr.) datiert werden. (Abb. 29). Diese statuarische Monumental-Ausstattung wurde durch zumindest eine weitere Statuenaufstellung Ramses’ II. ergänzt (Abb. 30). Es handelt sich um ein Sitzbild in Lebensgröße aus gelbbraunem Quarzit des nahe gelegenen Gebel Ahmar. Die folgende archäologische Fundlücke zwischen 250 v. Chr. und dem 5. Jh. n. Chr. deckt sich mit den Beschreibungen von Strabon über die Vernachlässigung des Bezirks in augusteischer Zeit. Der Tempel war zu sehr an die Existenz der pharaonisch-ägyptischen Kultur gebunden, als daß er die Verlagerung des Machtzentrums nach Alexandria mit dem spirituellen Zentrum in Memphis hätte überleben können. Aus dem Gelände wurden bald zahlreiche Obelisken und Statuen nach Alexandria und Rom abtransportiert. 110 Jahresbericht 2006 des DAI Kooperationspartner: Supreme Council of Antiquities • Förderung: Berthold Leibinger Stiftung; Gerda Henkel Stiftung • Leitung des Projekts: M. Abd el-Gelil, R. Suleiman, G. Faris, D. Raue • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: H. Badia Hosni, K. Karam Malek, T. Ahmed Mohammed, E. Mohammed Ali Rifai, W. Abd el-Aziz Mohammed, A. Mahmud el-Asab, U. Ahmed Mohammed, D. Salah Abd el-Daim, F. Ahmed Fuad, N. Es-Syayed Saafein, E. Fahmy El-Sayed Ahmed. I. Khalil Abd el-Radi, H. Ismail Sedqi, E. Cocke, P. Collet, R. Schiestl, D. Swiech, P. Windszus • Abbildungsnachweis: DAI-KAI (Abb. 28–30). Buto, Tell el-Fara‘in Schwerpunkte der diesjährigen Grabung waren die Fortsetzung der Untersuchungen am frühdynastischen Gebäudekomplex der 1. und 2. Dynastie (frühes 3. Jt. v. Chr.) und an der im Vorjahr begonnenen neuen Grabungsstelle im Nordwesten des Siedlungshügels. In dem Gebäudekomplex konzentrierten sich die Arbeiten auf den Eingangsbereich und den Magazintrakt. Hinter dem im Vorjahr festgestellten breiten Tordurchgang schließt sich ein größerer Raum an, von dem aus verschiedene Bereiche zugänglich sind. Seine Türdurchgänge waren durch besondere Laibungen – wohl Kalksteinblöcke oder Holzsäulen – hervorgehoben, allerdings waren nur noch deren Unterlagen bzw. Fixierungen erhalten (Abb. 31). Ein derartiger Befund ist anderswo im Gebäude bisher noch nicht festgestellt worden und unterstreicht den repräsentativen Charakter des Raumes. In einem Nachbarraum kam entlang der Wände eine Steinsetzung aus kleineren Kalksteinblöcken zutage, deren Funktion jedoch noch nicht geklärt ist. Im Magazintrakt ergaben die nur spärlich erhaltenen Raumfüllungen keine Hinweise auf die Waren, die hier einst gelagert waren. Die Zerstörung des Magazins durch ein heftiges Feuer wird durch die verziegelten Außenseiten der Mauern und größere Mengen rot gebrannten Lehmziegelbruchs, Asche und Holzkohle eindrücklich illustriert. Der Brand war vermutlich auch die Ursache für die Aufgabe des Gebäudes in der Mitte der 2. Dynastie. Die Magazinmauern sind unmittelbar auf Resten kleiner, nachlässig gebauter Räume errichtet (Abb. 32). Zahlreiche Keramik, u. a. Kochtöpfe, und Fragmente von Flint- und Sandsteinbohrern zur Herstellung von Steingefäßen lassen vermu- 31 32 Buto, Tell el-Fara‘in Abb. 31 Gebäudekomplex der 1./2. Dynastie, Mauerzüge südlich des Eingangsbereiches mit Kalksteinplatten als Sockel für Türlaibungen Abb. 32 Kleinräumiger Wohn- und Werkstattbereich im Osten des frühdynastischen Gebäudekomplexes Abteilung Kairo 111 33 Buto, Tell el-Fara‘in Abb. 33 Mehrfachbestattung des 1. Jhs. v. Chr. in einer einfachen Erdgrube Abb. 34 Teil einer Atef-Krone aus Bronze (M. 1 : 2) Abb. 35 Bronzener Götterbart einer hölzernen Statue (M. 1 : 2) 34 35 ten, daß es sich um einen Wohn- und Werkstattbereich handelt, der hier zunächst gleichzeitig, wohl außerhalb des eigentlichen Gebäudekomplexes bestand und später, aber noch während der 1. oder frühen 2. Dynastie, überbaut wurde. In einigen Bereichen der Grabung zeigte sich bereits die aus größeren, gehöftartigen Einheiten mit zahlreichen Rundspeichern bestehende Vorgängerbebauung aus der frühen 1. Dynastie. Der zweite Schwerpunkt der Arbeiten war die erstmals durch die DFG unterstützte Fortsetzung der Grabungen im nordwestlichen Bereich Butos, wo Bohrungen und Magnetometermessungen ungewöhnliche Befunde geliefert hatten. Durch eine Vergrößerung der Grabungsfläche sollten die im Vorjahr freigelegten spätzeitlichen Baureste weiter untersucht werden. Dieses Vorhaben gelang nur bedingt, da in der Erweiterung der Fläche zahlreiche Gräber aus dem 1. Jh. v. Chr. zutage kamen und den geplanten zügigen Mauerabbau verhinderten. Die in der Mehrzahl schlecht erhaltenen, zumeist beigabenlosen Bestattungen waren entweder einzeln oder zu mehreren in einfachen Erdgruben oder in Keramiksarkophagen beigesetzt (Abb. 33). In mehreren Fällen konnten spärliche Reste von farbigen Kartonagen festgestellt werden, die jedoch zu schlecht erhalten waren, um ein Dekorationsschema erkennen zu lassen. Die Gräber dürften zum nördlichsten Bereich eines großen spätptolemäisch-frührömischen Friedhofes gehören, der den gesamten nordwestlichen Teil Butos einnimmt. Während die Klärung der architektonischen Befunde damit auf die nächste Kampagne verschoben werden mußte, konnte die Reinigung und Konservierung zahlreicher Funde aus dem Vorjahr abgeschlossen werden. Zu erwähnen sind vor allem Bronzeobjekte, die zu hölzernen Götterstatuen verschiedener Größe gehört haben dürften und die die besondere Bedeutung dieses Platzes unterstreichen (Abb. 34. 35). Kooperationspartner: Universität Poitiers (P. Ballet) • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: U. Hartung • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: V. Audé, R. Bernard, J. Bourriau, P. French, N. Dieudonné-Glad, D. Dixneuf, Ph. Fluzin, Th. Fournet, R. Hartmann, P. Kopp, S. Krause, A. Le Bian, G. Le-cuyot, G. Marouard, B. Redon, A. Schmitt, A. Sturm, P. Windszus, T. de Wit • Abbildungsnachweis: DAI-KAI (Abb. 31–35). 112 Jahresbericht 2006 des DAI Abu Mina Die Grabung im frühchristlichen Wallfahrtsort Abu Mina war vor allem solchen Objekten gewidmet, deren Freilegung schon im Vorjahr begonnen worden war. So konnte der Nordabschluß des Doppelbades weiter geklärt werden (Abb. 36. 37). Die These von einer nordsüdlich verlaufenden Säulenreihe im Nordwesten mußte aufgegeben werden. Die ursprünglich allein sichtbare, zunächst als Ante einer Kolonnade angesehene Mauervorlage erwies sich als die vortretende Laibung einer Tür, an die Stelle der Säulenreihe trat eine durchgehende Wand. Die Vorstellung von einzelnen Bauphasen wurde präzisiert. Offensichtlich erfolgte der Ausbau des Nordendes des Doppelbades im Zusammenhang mit dem Bau der zum Zentrum der Menasstadt führenden Pilgerstraße. Darüber hinaus ist die große Latrine F4 mit ihren Nachbarräumen der nördlichen Abteilung des Bades erst in der letzten Ausbauphase des Doppelbades hinzugekommen. Wo sich zuvor die Latrine dieser Abteilung befand, ist unbekannt. Eine endgültige Klärung der übrigen Zusammenhänge wird jedoch erst herbeigeführt werden können, wenn es gelingt, den von C. M. Kaufmann zu Beginn des 20. Jhs. aufgeschütteten Erdhügel am Nordende des Doppelbades vollends abzutragen. Gleichzeitig ist von dieser Aktion auch eine Klärung der Verbindung mit der auf der Nordseite des Hügels folgenden Straßenbebauung zu erwarten. Im Bereich des großen Xenodochiums wurden die mittelalterlichen Einbauten weiter untersucht, wobei auch einige noch bestehende Fragen zur Gestalt des frühchristlichen Xenodochiums weiter zu klären waren. Im Gegensatz zu dem großen, zweiteiligen und nur eingeschossigen Peristylbau, der als Armenherberge (hospitium pauperum) angesehen wird, handelt es sich bei dem großen Xenodochium um ein mehrgeschossiges Gebäude. In der Erdgeschoßzone scheinen sich vor allem die offiziellen Räume befunden zu ha- Abb. 36 Abu Mina, Nordende des Doppelbades. Gesamtplan mit Ergänzung der noch überdeckten Räume und den Läden auf der Ostseite (M. 1 : 200) Abteilung Kairo 113 Abb. 37 Abu Mina, Nordende des Doppelbades, Blick von Westen auf die Läden C5 und C6 ben. Bemerkenswert ist ein großer, dreischiffiger Saal auf der Südseite des Peristylhofes, der auch unmittelbar von Außen betreten werden konnte. Die eigentlichen Gästeräume waren dagegen erst in den Obergeschossen untergebracht, wohinauf eine großzügig angelegte zweiläufige Treppe auf der Westseite führte. Durch Zufall wurde bei den Freilegungsarbeiten im Peristylhof des großen Xenodochiums der Schacht eines weiteren Hypogäums (Grab mit unterirdischen Bestattungsräumen) angeschnitten, so daß inzwischen die Lage von drei Hypogäen im Zentrum von Abu Mina bekannt ist. Das Hypogäum, in das später das Menasgrab eingefügt wurde, bestand also nicht allein, sondern gehörte zu einer größeren Nekropole. Wegen des infolge des Bewässerungsprogramms in der Nachbarschaft inzwischen hoch angestiegenen Grundwasserspiegels ist jedoch vorläufig nicht daran zu denken, die Grundrißgestalt dieser neu gefundenen unterirdischen Hypogäumsbereiche zu vermessen. Es besteht sogar die Gefahr, daß diese unterirdischen, nur aus der seit Jahrtausenden gehärteten Lehmerde herausgearbeiteten Hohlräume in naher Zukunft einstürzen werden. Weitere Arbeiten betrafen die Klärung der Magazinräume hinter der Ladenzeile gegenüber dem Nordbad. Sie waren jenseits eines gepflasterten Gangs angeordnet, aber offenbar nicht für alle Läden gleichermaßen zugänglich. Leitung des Projekts: P. Grossmann • Mitarbeiter: J. Ko°ciuk, H.-Ch. Noeske, A. Rehkopp • Abbildungsnachweis: DAI-KAI (Abb. 36. 37). Oase Siwa, Ammoneion Die Auffindung einer Krypta mit Sargkammer und Sarkophagen aus Alabaster war das herausragende Ergebnis der am Tempel von Umm UbaydŒ durchgeführten Grabungen (Abb. 38. 39). Die unterirdische Anlage, 3,64 m unter den komplett dem Steinraub zum Opfer gefallenen hinteren Räumlichkeiten des von Nektanebos II. (30. Dynastie) für den Ammonier-König Wenamun errichteten Tempels, maß ca. 7,85 m × 10,75 m (15 × 20,50 Ellen) und bestand mutmaßlich aus einem Vorraum mit anschließender, aus bemalten AlabasterMonolithen gefügten Sargkammer, die – den erhaltenen Sarkophagfragmenten nach zu urteilen – wenigstens zwei Bestattungen barg. Das Bruchstück 114 Jahresbericht 2006 des DAI Abb. 38 Oase Siwa, Plan des Tempels von Umm Ubaydā eines Sarkophagdeckels zeigt reliefierten Hieroglyphentext. Gründungsgruben markieren die Ecken dieser Gruft, die ohne Zweifel für die Bestattung der Familie Wenamuns angelegt wurde, dessen Grab im Tempel(bereich) aufgrund eines auf seinen Namen lautenden Mundöffnungsritual-Textes schon seit längerem vermutet werden durfte. Sondagen im Nordosten, Südosten und Südwesten ergaben die Ausdehnung der Plattform aus großen Steinblöcken, die der (inneren?) Umfassungsmauer des Tempels im Osten und mutmaßlich auch auf der Südseite vorgelagert ist. Alle auf dem Niveau des Oasenbodens errichteten Bauten im Bereich des dromos und von Umm UbaydŒ weisen eine solche Fundamentierung auf, vermutlich weil sie (damals wie heute) im Drainagegebiet der Agh´rm¥Quelle sowie anderer Quellen im Umkreis des Ammoneion lagen. Auch der Tempel von Umm UbaydŒ verfügte über seine eigene Quelle nahebei – die berühmte »Sonnenquelle« (Curtius Rufus 4, 7, 22: »in medio habet fontem«; Diodor 17, 50, 4: »totou de pl·sion hyparxei kr·n·«), deren ›Auffangbecken‹ in einem an die östliche Plattform angrenzenden Brunnenhaus vermutet wer- Abteilung Kairo 115 Abb. 39 Oase Siwa, als Steinbruch genutzter Architekturversturz im Bereich der Krypta unter dem Sanktuar des Umm Ubaydā-Tempels. Darunter zahlreiche Bruchstücke einer aus lokalem Alabaster gefertigten Sargkammer sowie mehrerer Sarkophage den darf. Die Plattform mag daher eine doppelte Funktion als Besucher- und Kultterrasse (›Ambulatorium‹) des Götterbildes besessen haben. Auf der Akropolis von Agh´rm¥ erbrachte die Freilegung des westlich an den Palast angrenzenden Areals (30 m × 10 m) bis auf Felsniveau nur Bebauungsreste aus moderner Zeit sowie Spuren eines flächig abgetragenen (und daher vielleicht zur späteren Nutzung als ›Platz‹ [Hof] vorgesehenen) Steinbruchs. Nordöstlich des Orakeltempels wurde großflächig (20 m × 20 m) mit der Freilegung der dort z. T. 2,50 m über dem Fels anstehenden Schuttberge und Häuserreste des modernen Dorfes begonnen, und der Bereich nach erfolgter Dokumentation für touristische Zwecke abgesichert und hergerichtet. Das Gebiet war ursprünglich vielleicht Teil der nach Aussage antiker Quellen im Tempelbezirk gelegenen Quartiere für die als »Sängerinnen des Amun« fungierenden weiblichen Angehörigen des Herrscherhauses (des sog. Frauenhofes, gynaikonitis aul·) sowie der (vornehmlich Priesterämter bekleidenden?) Königsverwandten, doch fanden sich auch hier nur noch Spuren in die Fläche gehender Steinbruchtätigkeit. Im dromos-Bereich wurde östlich der über den Hauptentwässerungskanal (Masraf Agh´rm¥) führenden Brücke auf der Südseite des Kanals auf einer Fläche von 20 m × 10 m eine antike Fundamentierung aus großen Steinblöcken freigelegt, die mit einer bis zu 1,30 m dicken Schicht aufgeschütteten Garten-Erdreiches bedeckt war. Bislang keinem Baukontext zuordenbar, scheint sie sich auf der Nordseite des Kanals fortgesetzt zu haben. Eine vergleichbare Steinsetzung findet sich 90 m westlich davon. Leitung des Projekts: K. P. Kuhlmann • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: B. Böhm, C. Defernez, A.-C. Escher, B. Fleischmann, K. Lakomy, I. Milosavljevic, A. al-Tayyib • Abbildungsnachweis: DAI-KAI (Abb. 38. 39). Westwüste, Fundstelle Chufu 01/01 Im Frühjahr 2006 wurden in einer Gemeinschaftsunternehmung der Abteilung Kairo des DAI und der Forschungsstelle Afrika des Instituts für Ur- und Frühgeschichte der Universität zu Köln die Untersuchungen an der – nach Inschriftenfunden aus der 4. Dynastie – Chufu 01/01 genannten Fundstelle 116 Jahresbericht 2006 des DAI südwestlich von Mut (Oase Dachla) fortgesetzt (Abb. 40). Zunächst wurde der 2002 angelegte und zwischenzeitlich zerstörte Schnitt (Fläche 1) ausgeräumt und das entnommene Sediment gesichtet. Zur Vorbereitung der neuen Grabungsflächen sind die großen Felsblöcke auf Gravierungen und eventuelle Zusammen- bzw. Anpassungen an die Felswand hin untersucht und anschließend zur Seite geräumt worden. Bei der Grabung war sukzessive so vorzugehen, daß die Erstellung eines vollständigen Längsprofils in der Mitte des südlichen Terrassenabschnitts gewährleistet ist. Während die bereits in Schnitt Fläche 1 dokumentierte Schichtabfolge aus fundsterilem Verwitterungsschutt, zwei darüber liegenden Laufhorizonten und einer darauf aufliegenden bis ca. 20 cm starken Schuttschicht auch in der neu bearbeiteten Teilfläche bestätigt werden konnte, ließ sich in deren Südteil eine stark mit Tierdung, Tierhaaren und Pflanzenfasern durchsetzte, bis ca. 10 cm starke Schicht beobachten, die auf den Laufhorizonten auflag und von der abschließenden Schuttschicht überdeckt wurde. Unter den festgestellten Befunden ist die bereits in Schnitt Fläche 1 angeschnittene schachtartige Grube besonders mächtig. Bei der vollständigen Entnahme der Verfüllung konnten noch weitere geröstete Heuschrecken geborgen werden (Abb. 41). Weiter wurden mehrere in den grauen Laufhorizont eingetiefte, bis ca. 13 cm breite Pfostenlöcher beobachtet, deren Anordnung bislang allerdings keine Regelhaftigkeit erkennen läßt. Ob diese mit den in der Felswand vorhandenen Ösen korrespondieren, ist bis dato nicht zu erkennen. Parallel zur Grabung war die Dokumentation der bereits bekannten Felsbildstellen fortzuführen. Neben der bereits 2002 durchgeführten photographischen Dokumentation wurde mit einer zeichnerischen Aufnahme begonnen. Dabei konnte ein gutes Drittel der Felsbildstellen auf Folie kopiert und Abb. 40 Westwüste, Fundstelle Chufu 01/01 südwestlich von Mut (Oase Dachla) Abb. 41 Westwüste, Fundstelle Chufu 01/01. Teile gerösteter Heuschrecken – Speisereste vom Cheops-Berg Abteilung Kairo 117 mit exakten metrischen Daten erfaßt werden. Durch wiederholte Prospektion und Neufunde, unter anderem auf Felsbrocken aus der Grabung, stieg die Zahl der bekannten Felsbildstellen auf 126. Bezüglich Größe, Art und Anzahl der Motive sowie der verwendeten Technologie variieren diese sehr stark. Die Felsbilder sind sicher verschiedenen Zeitstufen des Alten Reiches und der Vorgeschichte zuzuordnen, wobei auch deutliche Überlagerungen vorhanden sind. Im näheren Umfeld des Fundplatzes wurden im Bereich eines natürlichen Outcrops mehrere nischenartige Steinsetzungen (eine große und sieben kleinere Abteilungen) ausgegraben. Diese waren jedoch bis auf ein Steinartefakt weitgehend fundleer. Der Fund einer großen flächenretuschierten Blattspitze in einem der Steinkreise auf der Rückseite des Berges läßt eine Datierung der Konstruktion in die neolithische Feuchtphase vermuten. Anhand einer Holzkohlenprobe aus einer Feuerstelle in gleicher Fundschicht wird die Klärung der genauen Zeitstellung über AMS-Datierung möglich sein. Das Fundmaterial aus der Terrassengrabung beinhaltet neben größeren Mengen an Keramik und Steinartefakten auch sehr große Mengen an archäobotanischem und archäozoologischem Material. Besonders erwähnenswert sind unter den Funden 13 Clayton-Disks und ein zugehöriger Clayton-Ring, zahlreiche Siegel und Siegelfragmente (z. T. mit Schnur- und Stoffabdrükken), ein weißliches, grob gewebtes Stoffragment, das mit den Abdrücken auf den Siegeln zu korrespondieren scheint, Haifischzähne (z. T. mit Gebrauchretusche), ein größeres Stück Leder mit randseitigen (Naht)-Löchern sowie die abgebrochene Spitze eines Kupfermeißels. Aus dem näheren Umfeld des Platzes stammen u. a. ein Keulenkopf aus Travertin oder Alabaster und zahlreiche flächenretuschierte Pfeilspitzen. Leitung des Projekts: K. P. Kuhlmann • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: G. Wagner, K. Heller, P. Schönfeld, H. Riemer, F. Bartz, A.-L. Fischer, I. Kretschmer, J. Ruland • Abbildungsnachweis: DAI-KAI (Abb. 40. 41). Pharan/Sinai Die Grabungen in Pharan waren auf ein größeres Wohnhaus im Stadtgebiet konzentriert sowie auf einige Bereiche der sog. Bischofskirche und der kleinen Kirche auf der sog. Akropolis. Das untersuchte Wohnhaus liegt am südlichen Hang des oberen Stadtgebietes. Es handelt sich um ein über einem hohen Bruchsteinsockel errichtetes, mehrgeschossiges Lehmziegelgebäude, das stellenweise bis in das erste Obergeschoß erhalten ist (Abb. 42). Der Eingang ist auf der Ostseite zu ergänzen und führte in einen größeren Eingangsraum, an den in der Südwestecke die Treppe anschloß. Auf der Nordseite liegt der Zugang zu den übrigen Räumen, deren erster zu einem unbestimmten jüngeren Zeitpunkt noch einmal unterteilt wurde. Im Obergeschoß sind die inneren Trennwände von geringerer Wandstärke, wobei sie nicht mittig auf den unteren Wänden sitzen, sondern auf einer Seite die Wandflucht der unteren Wände übernehmen. Für die Zwischendecken wurden Palmstämme verwendet (Abb. 43). Bei der Treppe handelt es sich um eine mehrläufige, um einen mittleren Pfeiler herumgeführte Treppe. Ihre Stufen bestehen aus unbearbeiteten, aber sorgfältig ausgesuchten großen Granitplatten. Im Bereich des oberen Rücklaufs fehlen die Stufen. Statt dessen fand sich dort ein unter dem Boden freigehaltener Hohlraum, der aufgrund seiner ungewöhnlichen Lage als Geheimfach anzusehen ist. Die Untersuchungen im Bereich der ›Bischofskirche‹ erstreckten sich auf deren östliche Außenwand, die im Vergleich zu den übrigen Außenwänden 118 Jahresbericht 2006 des DAI 42 eine um rund 45 % geringere Stärke aufweist. Ein Grund für diesen Wechsel konnte nicht gefunden werden, es sei denn, daß er durch Unachtsamkeit beim Bau entstand. Zur Behebung dieses Fehlers hatte man auf der östlichen Außenseite der Kirche nachträglich mehrere z. T. sehr starke Stützwände errichtet. Es zeigte sich jedoch, daß die originale schmale Ostwand der Kirche eine bessere Standfestigkeit als die äußeren Stützvorlagen besaß. Während erstere noch einwandfrei senkrecht steht, neigen sich die Stützwände nach außen, so daß zwischen beiden ein sich nach oben zunehmend verbreiternder Spalt entstand (Abb. 44). Im Bereich der Kirche auf der ›Akropolis‹ von Pharan wurden die bisher nicht freigelegten Südräume ausgegraben. Da sie der Abbruchkante des Fel- 43 44 Pharan/Sinai Abb. 42 Grundriß des Hauses am Südhang der Oberstadt (M. 1 : 125) Abb. 43 Haus am Südhang der Oberstadt. Allgemeine Übersicht von Nordosten Abb. 44 Ostwand der Bischofskirche mit sich abspaltenden äußeren Stützwänden Abteilung Kairo 119 sens folgen, haben sie einen teilweise bizarren Grundriß. Andererseits geht die gemeinsame Außenwand auf ältere Ursprünge zurück und dürfte zunächst auch wohl nur eine Art Umfassungsmauer für einen unüberdeckten Hof gewesen sein. Vermutlich erst mit dem Bau der kleinen Kirche wurden Zwischenwände eingezogen und als Räume nutzbar gemacht. Es entstanden zwei Räume, die beide separat aus dem südlichen Seitenschiff der Kirche zu betreten waren. In funktioneller Hinsicht könnten sie den Seitenräumen vieler palästinischer Kirchen entsprochen haben. Kooperationspartner: St. Katharinen Kloster im Sinai • Leitung des Projekts: P. Grossmann • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: E. Grossmann, E. Mahmoud Abdel Latif (Inspektor, Süd Sinai) • Abbildungsnachweis: DAIKAI (Abb. 42–44). Wissenschaftliche Veranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit Abb. 45 Minister Steinmeier am DAI-Stand auf der Internationalen Buchmesse in Kairo Auf der 38. Internationalen Buchmesse Kairo vom 17. Januar bis 2. Februar, bei der Deutschland Ehrengast war, hatte das Institut einen eigenen Messestand mit Publikationen und Informationsmaterial, der täglich von zwei Mitarbeitern betreut wurde. Den Stand besuchte am 19. Januar auch der deutsche Außenminister, Frank-Walter Steinmeier, bei seinem Eröffnungsrundgang (Abb. 45). Am 25. Januar fand eine Paneldiskussion mit dem Titel »Begegnung mit der Vergangenheit« statt. Teilnehmer waren A. Radwan (Kairo), F. Junge (Göttingen) und G. Dreyer sowie D. Raue, der das Gespräch moderierte. An den Veranstaltungen der »Langen Nacht der Wissenschaften« am 13. Mai in der Zentrale des DAI beteiligte sich die Abteilung mit Vorträgen von G. Dreyer und D. Polz über die Unternehmungen in Abydos, Saqqara und Dra‘ Abu el-Naga. Am 19. September fand der Herbstempfang für Kollegen, Journalisten und Freunde des Instituts statt. Der Winckelmanntag wurde am 18. Dezember mit einem Vortrag von Hans J. Nissen (Berlin), »The Origins of the Ancient Mesopotamian Writing System« und daran anschließendem Empfang begangen. Auf den Grabungen des Instituts, im Ägyptischen Museum Kairo und verschiedenen antiken Stätten wurden zahlreiche Gruppen, Sponsoren und Einzelbesucher geführt, u. a. vom 19. bis 20. Januar Prinzessin Jawaher bint Majid Ibn Abdul Aziz (Elephantine), am 6. März Bundesminister a. D. Otto Schily (Giza), am 23. März HRH Prince Charles und der Gouverneur der Provinz Matr´h (Siwa) sowie am 8. Juni Bundesforschungsministerin Annette Schavan (Giza). G. Dreyer, U. Fauerbach, D. Polz, D. Raue gaben Rundfunk und Presse mehrere Interviews und betreuten verschiedene internationale Fernsehteams. Veröffentlichungen Mitteilungen des DAI Kairo 61, 2005 Archäologische Veröffentlichungen des DAI Kairo 118: P. Kopp, Elephantine XXXII: Die Siedlung der Naqada-Zeit Archäologische Veröffentlichungen des DAI Kairo 120: C. Ubertini, Elephantine XXXIV: Restitution architecturale á partir des blocs et fragments épars d’époque ptolémaique et romaine 120 Jahresbericht 2006 des DAI In Bo=azköy-Hattuša wurde am 27. Juli das rekonstruierte Teilstück der hethitischen Lehmziegel-Stadtmauer im Beisein von Kultur- und Tourismusminister Herrn Atilla Koç und des deutschen Botschafters Eckart Cuntz offiziell der Öffentlichkeit übergeben. Minister Koç würdigte in seiner Rede die Bedeutung solcher Projekte und dankte der Abteilung Istanbul des DAI mit der Überreichung einer Plakette. In Didyma wurde am 16. September mit einer Feier der einhundertjährige Geburtstag der Grabung begangen und an die Leistungen von Th. Wiegand und H. Knackfuß erinnert, denen es in kurzer Zeit gelang, einen der größten Tempel der griechischen Welt freizulegen und richtungsweisend, für die damalige Zeit, zu restaurieren. Abteilung Istanbul Ausgrabungen und Forschungen Göbekli Tepe Die Arbeiten der zwölften Kampagne 2006 zielten wie in den Vorjahren auf eine Vergrößerung des Grabungsgebietes, um die monumentalen Kreisanlagen des 10. und 9. Jts. v. Chr. vollständig erfassen zu können. Wie erwartet traten auch in den neuen Arealen Baubefunde der Schicht II zutage, für die rechteckige Räume und vergleichsweise kleine, durchschnittlich nur 1,50 m hohe und undekorierte Pfeilersetzungen charakteristisch sind. In einem der neu geöffneten Areale wurde allerdings ein in dieser Art bisher unbekannter Befund angetroffen. Es handelte sich um eine Reihe von großen, dicken, waagerecht gelagerten Steinplatten, die als Abdeckung einer lang gestreckten ovalen Ummauerung dienten (Abb. 1). Die beiden mittleren Platten ließen jeweils auf der Oberseite bogenförmige Flachreliefs erkennen. Da es sich möglicherweise um eine Grabanlage handelt, wurden die Deckplatten entfernt und die lockere, strukturlose Erdfüllung entnommen. Ein Boden war nicht zu erreichen, denn die umgrenzenden Mauern traten wie bei einem Kraggewölbe zurück. Da das Mauerwerk einen sehr instabilen Eindruck machte, wurden die Grabungen in 2 m Tiefe aus Sicherheitsgründen bis zur Einrichtung einer Abstützung gestoppt. Abb. 1 Göbekli Tepe, Areal westlich von Anlage D. Mit großen Kalkplatten überdeckte ovale Struktur Abteilung Istanbul 121 Göbekli Tepe Abb. 2 Pfeiler 43 in Anlage D, Reliefs auf der westlichen, rechten Pfeilerseite 3 Abb. 3 Hochrelief eines Raubtieres auf der Bauchseite von Pfeiler 27 in Anlage C 2 Neben den Arealerweiterungen wurden die Grabungen auch in Anlage C und D fortgeführt. Zwei wichtige Befunde sollen hier herausgegriffen werden. Bei Pfeiler 43 in Anlage D ist jetzt die Westseite auf einer Höhe von 2,90 m sichtbar. Es erschien eine Vielzahl von fast teppichmusterartig angeordneten Reliefbildern (Abb. 2). Das Geschehen beherrscht augenscheinlich ein großer Geier. Der vom Betrachter aus linke Flügel ist erhoben, der rechte weist nach vorne. Es scheint, als gelte die Geste des Vogels einer Kugel oder Scheibe, die sich über der rechten Flügelspitze befindet. Rechts vor dem Geier erscheint ein zweiter, ibisartiger Vogel. Es folgen eine Schlange und zwei H-förmige Symbole und darunter ein weiterer Vogel. Darüber gibt es ein Wechselspiel von bandförmig angeordneten Winkeln, Quadraten und großen, merkwürdig kastenförmigen Objekten mit halbkreisförmigen, henkelartigen Aufsätzen, vor die jeweils ein sehr klein dargestelltes Tier gesetzt ist. Darunter, auf dem Schaft des T-förmigen Pfeilers, erscheinen ein riesiger Skorpion, eine Schlange, ein Fuchs und Kopf sowie Hals eines weiteren Vogels, dessen Körper von der Steinbank, die an dieser Stelle das vorläufige Ende der Grabung erzwungen hatte, überdeckt wird. Rechts neben dem Vogel erscheint ein merkwürdiges Motiv. Infolge der hier beginnenden Beschädigung der rechten inneren Pfeilerkante ist es leider nicht vollständig erhalten, doch scheint es sich um eine kopflose, mit erigiertem Penis dargestellte Person zu handeln. Neben Pfeiler 43 erbrachte auch der Pfeiler 27, der im westlichen Kreissegment der Anlage C steht und schon vor Jahren bekannt, aber angesichts fehlender Reliefs bisher wenig beachtet wurde, eine Überraschung. Auf der Bauchseite des Pfeilers erschien die Skulptur eines zähnefletschenden Raubtiers (Abb. 3). Das Tier ist kopfüber am Pfeiler plaziert. Auf einen kräftigen Schwanz folgt ein massiger Körper, die Beine scheinen sprungbereit angezogen. Im halb geöffneten Maul wird ein kräftiges Raubtiergebiß sichtbar. Das Besondere des Neufundes: Tier und Pfeiler sind aus einem Stück geschaffen, gleichsam aus einem Guß, ein wahres handwerkliches Kunststück. Es handelt sich bei dem Raubtier eigentlich nicht um eine Skulptur, sondern um ein frei in den Raum ragendes, vollplastisch skulptiertes Hochrelief. 122 Jahresbericht 2006 des DAI Kooperationspartner: Museum in Ûanlıurfa • Förderung: DFG; ArchaeNova e.V. Heidelberg • Leitung des Projekts: K. Schmidt • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: C. Hübner, F. Jarecki, Ç. Köksal-Schmidt, A. Murgan, R. Neef, J. Peters, J. Schlichting, K. Thömel, A. von den Driesch • Abbildungsnachweis: K. Schmidt (Abb. 1–3). Boğazköy-Hattuša Die langjährigen Forschungen in der hethitischen Hauptstadt Hattuša haben ein lebendiges Bild vieler Aspekte einer Metropole der Bronzezeit erarbeitet. Der übergeordnete urbanistische Zusammenhang der Stadt und ihr Funktionieren sind jedoch bisher weitgehend unerforscht. Die laufenden Arbeiten bemühen sich durch eine Kombination verschiedener Methoden – Ausgrabungen, Begehungen und geophysikalische Prospektionen – um ein besseres Verständnis dieser Mechanismen. Der Schwerpunkt der Arbeiten lag wie in den letzten Jahren in der westlichen Oberstadt. Das langfristige Ziel, die übergeordnete Struktur und Funktion dieses Stadtbereiches zu untersuchen, wurde mittels Ausgrabungen (Abb. 4) und geophysikalischen Prospektionen sowie Untersuchungen an Yenicekale fortgesetzt. Durch die Erweiterung der Grabungsflächen nach Osten in Richtung des Felsens von Sarıkale wurden zwei nebeneinander angelegte Gebäude des 14. Jhs. v. Chr. freigelegt. Zahlreiche Umbauten verraten ihre lange Nutzung und wechselvolle Geschichte. Mehrere rundplastische Fundstücke von besonderer kulturgeschichtlicher Bedeutung, darunter der Kopf einer männlichen Figurine, möglicherweise eines Königs, und ein weiterer eines Löwen, wurden hier jedoch ohne Bezug zu einem der Gebäude in dem darüber liegenden Erosionsschutt gefunden (s. AA 2007/1 Abb. 4. 5). Hinter diesen Bauten liegt ein nach Osten bis zum Felsen von Sarıkale hin durch mehrere parallel angelegte Mauern terrassierter Hang. Diese planmäßige Gestaltung des Terrains und zahlreiche sorgfältig behauene Steine, die in einem bereits ausgegrabenen Bereich gefunden wurden, lassen auf die Existenz größerer Gebäude auf einer Terrasse unterhalb von Sarıkale hoffen. In einer etwa 150 m südlich neu angelegten Fläche am Übergang vom Tal vor Sarıkale zum zentralen Tempelviertel in der Oberstadt wurde ein gut erhaltenes Gebäude mit verbrannten Lehmziegelmauern teilweise ausgegraben (Abb. 5). Ein einmaliger Fund aus dem Brandschutt des Gebäudes ist eine Tontafel, die syrische und hethitische Praktiken der Verwaltung und Siegelung Abb. 4 Boğazköy-Hattuša, die beiden Grabungsstellen im Tal vor Sarıkale Abteilung Istanbul 123 5 Boğazköy-Hattuša Abb. 5 Gebäude mit verbrannten Lehmziegelmauern am Tal-Übergang zum zentralen Tempelviertel in der Oberstadt Abb. 6 Geo-Radarmessungen am Löwentor Abb. 7 Boğazköy-Hattuša, bei der von der Sponsorfirma JT International ausgerichteten Eröffnungsfeier wurde die rekonstruierte Lehmziegel-Stadtmauer effektvoll angestrahlt 6 verbindet. Die Funde deuten auf eine Entstehung ebenfalls im 14. Jh. v. Chr. Die zeitliche Parallelität der im Tal vor Sarıkale festgestellten Bebauung ist ein weiterer Beleg für die großflächige planvolle Gestaltung und Nutzung der westlichen Oberstadt in diesem Zeitraum. In dem neuen Grabungsareal wurden auch Gebäude der jüngeren Großreichszeit angetroffen, ohne daß beim derzeitigen Stand der Arbeiten eine genaue Einordnung möglich wäre. Schließlich belegen byzantinische Einbauten eine Nachnutzung dieses Areals. Die in diesem Jahr umfangreich durchgeführten geophysikalischen Prospektionen zeigen (Abb. 6), daß trotz gewisser Schwierigkeiten, die auf die Geologie von Bo=azköy zurückzuführen sind, in weiten Bereichen mit Hinweisen auf Bebauung zu rechnen ist. So konnten unter anderem auf Taanıkkaya zwei zentral angeordnete große Gebäude festgestellt werden, die durch eine Mauer auf der Außenkante des Plateaus abgegrenzt sind. Weiter im Süden wurde die hier verbrannte Stadtmauer in ihrem Verlauf geklärt. Besonders interessant ist, daß im Norden außerhalb der Stadtmauer im Bereich bereits früher festgestellter Scherbenstreuungen freistehende, wahrscheinlich verbrannte Bauten, möglicherweise Gehöfte, nachzuweisen sind. An dem zwischen 2003 und 2005 rekonstruierten Abschnitt der hethitischen Lehmziegel-Stadtmauer wurden abschließende Arbeiten durchgeführt und der Bau dann offiziell eingeweiht (Abb. 7). 124 Jahresbericht 2006 des DAI Kooperationspartner: Generaldirektion für Kulturdenkmäler und Museen des Kultur- und Tourismusministeriums der Republik Türkei; Akademie der Wissenschaften und Literatur Mainz, Kommission für den Alten Orient; Institut für Altorientalistik der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität Würzburg; Institut für Vorderasiatische Archäologie der Ludwig-Maximilians-Universität München; Institut für Geowissenschaften der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel • Förderung: Japan Tobacco International-Türkiye (Arbeiten im Gelände); Real-Türkiye (Stiftung eines Containers als Arbeitsraum) • Leitung des Projekts: A. Schachner • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: G. Wilhelm (Bearbeitung der Keilschrifttafeln), S. Herbordt (Bearbeitung der Siegel- und Bullaefunde); für eine vollständige Liste der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen s. auch den Vorbericht im AA 2007/1, 67 ff. • Abbildungsnachweis: Archiv der Boğazköy-Expedition (Abb. 4–7). Milet Die Arbeiten des Jahres 2006 in Milet gliederten sich wie in den vergangenen Jahren in eine Frühjahrs- und Sommerkampagne. In der Frühjahrskampagne lag der Schwerpunkt auf der Fortsetzung der Bearbeitung und Restaurierung der reichen Funde aus der vorangegangenen Sommerkampagne und umfangreichen Zeichenarbeiten im Zusammenhang mit den neuen sowie unerwarteten Funden figürlicher milesischer Vasenmalerei des 6. Jhs. v. Chr. aus dem Jahr 2005. Im Zentrum der Sommerkampagne 2006 standen erneut die Grabungsarbeiten im archaischen Aphroditeheiligtum auf dem Zeytintepe. Hier ergaben die Sondagen im Westen des ursprünglichen Tempels wiederum das Bild einer Terrassenauffüllung aus Heiligtumsschutt, nachdem an dieser Stelle vorher die Fundamentblöcke für den spätarchaischen Tempel gebrochen worden waren. Wie in den vergangenen Jahren setzte sich die Fundausbeute aus viel und z. T. äußerst qualitätvoller Keramik – bei der besonders der Anteil an attischer Importkeramik auffällt –, aus Bronzen, Terrakotten und sonstigen Kleinfunden aller Art zusammen. Herausragend war der Depotfund von über 150 vollständig erhaltenen Terrakottafiguren des 6. Jhs. v. Chr. (Abb. 8). Sie waren alle zusammen an einer Stelle geschützt niedergelegt, also geradezu mit Sorgfalt bestattet worden. Der Fund erweitert das Typenspektrum der archaischen milesischen Koroplastik und ergibt vor allem ein vollständig neues Bild von der Polychromie dieser archaischen Figuren. Unter den Bronzefunden ist eine große Omphalosschale hervorzuheben (Abb. 9), deren Weihinschrift Aphrodite nicht nur nennt, sondern sie auch ausdrücklich und ausgeschrieben als diejenige von Oikus bezeichnet. Auf der Ostterrasse des Kalabaktepe wurden unter der Projektleitung von M. Kerschner die Ausgrabungen in dem 1995 entdeckten Heiligtum der Artemis Khitone wieder aufgenommen. Nach den Quellen handelt es sich hierbei um eines der ältesten milesischen Heiligtümer, das bis auf Neleus, den Gründerheros der Stadt, zurückgehen soll. Erste Ergebnisse sprechen dafür, daß der nach 494 v. Chr. abgebrochene Kult im Hellenismus wieder aufgenommen worden war. Entdeckt wurden Heiligtumsdeposite der spätgeometrischen Zeit und des 7. Jhs. v. Chr. Aus einem Nachbarareal mit einem großen, aus Kalksteinquadern aufgebauten Brunnen kamen zwei unfertige Statuen kleiner archaischer Mantelkuroi hervor. Unter der Projektleitung von Ph. Niewöhner wurde mit der Ausgrabung der im Jahre 2003 im Rahmen der geophysikalischen Prospektion des Stadtgeländes von Milet entdeckten Basilica an der Nordseite des Kalabaktepe be- Abteilung Istanbul 125 8 9 Milet, Aphroditeheiligtum Abb. 8 Depotfund von über 150 vollständig erhaltenen Terrakottafiguren des 6. Jhs. v. Chr. Abb. 9 Omphalosschale aus Bronze mit einer Weihinschrift für die Aphrodite von Oikus gonnen. Durch einige gezielte Sondagen konnte der Plan des Baus als der einer Transeptbasilica bestimmt und die Datierung in das fortgeschrittene 5. Jh. gesichert werden. Die Einzelergebnisse dieser Grabungsarbeiten sind auf der Internetseite der Abteilung Istanbul des DAI nachzulesen und befinden sich bereits an anderer Stelle im Druck. Im Sommer 2006 wurden neue Forschungen zu den Faustina-Thermen von Milet aufgenommen. Ziel des von der Zentrale des DAI, von der Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz und vom Lehrstuhl für Informatik der Universität zu Köln initiierten Projekts ist es, die These einer einheitlichen Entstehung der Gesamtanlage (F. Krischen) kritisch zu überprüfen (s. auch S. 20 f.). Das Projekt geht weiterhin davon aus, den Umgang der Spätantike mit Architektur und Skulptur der Kaiserzeit nicht als bloßen Epilog, als Symptom eines Verfalls verstehen zu wollen, sondern als historisches Faktum, das in all seinen verschiedenen Facetten zu erforschen und möglichst detailliert zu beschreiben ist. Erste Ergebnisse sind nach Auswertung der verschiedenen während der Kampagne angelegten Sondagen zu erwarten. Im Delphinion setzte A. Herda sein Projekt zur Erforschung der archaischen Phase dieser Kultstätte fort. Der zentrale Bereich des Delphinion-Innenhofes mit dem Apollon-Delphinios-Altar, dem umgebenden Pflaster und dem Ringfundament des sog. Rundbaus wurden vollständig gereinigt. Eine Bauaufnahme des Altarfundaments zeigte, daß das sichtbare Fundament des Altars nicht in die Zeit des Wiederaufbaus der Stadt nach 479 v. Chr. gehört, sondern zusammen mit dem Pflaster um den Rundbau wohl erst in hellenistischer Zeit errichtet wurde. Im Hofpflaster um den Altar, das vermutlich erst in späthellenistischer Zeit verlegt worden ist, waren zahlreiche Spolien mit bisher nicht bekannten Resten von Inschriften zu finden. Im Rahmen der Ruinenpflege wurde die gepflasterte Straße an der Ostund der Nordseite des Delphinions von Bewuchs und Wurzel gereinigt sowie durch eine teilweise Neuverlegung der Platten für die Besucher begehbar gemacht. Damit ist jetzt ein gesicherter Rundweg um die Ostseite der im Winter überschwemmten zentralen Ruine geschaffen. Das interdisziplinäre Programm der Miletgrabung umfaßte geoarchäologische Bohrungen rund um das Delphinion (A. Herda und Arbeitsgruppe der 126 Jahresbericht 2006 des DAI Universität Marburg), anthropologische Untersuchungen an Skelettresten der Basilicagrabung, des Zeytintepe und aus den Brunnengrabungen am Athenatempel von 1995 (M. Kunter) sowie abschließende archäozoologische Untersuchungen an dem Material aus den Grabungen von B. und W.-D. Niemeier am Athenatempel (H. Manhart, N. Pöllath). In der diesjährigen Geophysikkampagne gelang es H. Stümpel und seiner Gruppe, eine zweite Gräberstraße neben der Heiligen Straße zu entdecken. Diese Straße zweigt noch vor dem Kazartepe westlich von der Heiligen Straße ab und läuft in einem Bogen auf den Kalabaktepe zu, wo sie vermutlich an einem Stadttor des südöstlichen Befestigungsringes von Milet endete. Förderung: DFG; Ruhr-Universität Bochum • Leitung des Projekts: V. von Graeve • Abbildungsnachweis: Archiv der Miletgrabung (Abb. 8. 9). Didyma Im Rahmen der Untersuchungen zur räumlichen Planung und Ausdehnung des Orakelheiligtums in archaischer Zeit hat es sich die Grabungsleitung 2006 zur Aufgabe gemacht, die vor der Ostfront des Didymaion gelegene und von H. Knackfuß publizierte Terrassenmauer mit ihren Treppenanlagen und archaischen Hallenbauten zu überprüfen. Bisher wurde die Meinung vertreten, daß der südliche Abschnitt die Terrassenstützmauer in archaischer (Abb. 10, Abschnitt 1–2, Treppen 1–3), der nördliche aber in hellenistischer Zeit errichtet worden sei (Abb. 10, Abschnitt 3–4, Treppe 4 und 5; vgl. zuletzt K. Tuchelt, ÖJh 69, 2000, 320), ferner, daß die Fundamente zweier oberhalb der Terrassenmauer gelegener ›Weihgeschenkhallen‹ ebenfalls aus archaischer Zeit stammen. Die Terrassenmauer, die aus relativ großen Kalksteinblöcken besteht, ist mit auffälligem Material hinterfüllt, darunter Bruchstücke archaischer Kymaplatten, die dem archaischen ›Tempel II‹ oder dessen Altar (?) zugeschrieben werden und teilweise auch für den bekrönenden Abschluß der Terrassenmauer wiederverwendet wurden (s. P. Schneider, IstMitt 34, 1984, 326–343). Nach neuen Erkenntnissen empfiehlt es sich nun, den südlichen Teil der Terrassenmauer in klassische Zeit zu situieren, zu einem Zeitpunkt als der östliche Tempelvorplatz, vorbereitend für die Arbeiten am jüngeren Didymaion, gegen Osten erweitert wurde. Entsprechend können auch die Treppenanlagen 1–3 angesetzt werden. Schließlich ergaben weitere Sondagen (Abb. 10, Sondagen OTB/OTD), daß die von H. Knackfuß rekonstruierte, südöstliche ›Weihgeschenkhalle‹ nie bestanden hat. Geophysikalische Untersuchungen durch die Fa. Eastern Atlas wurden am südlichen Heiligtumszugang auf einen ca. 130 m langen Abschnitt und 2 ha umfassenden Bereich durchgeführt. Brunnenanlagen und mehrere Gebäudereste ließen sich bei der ersten Sichtung der geomagnetischen Vermessungen erkennen. Im Anschluß an die Pteron-Sondage des Jahres 2005 wurde ein Rasterfundamentschacht (›Caisson 2‹) des jüngeren Didymaion sondiert. Aus rund 20 Kubikmetern Füllmaterial wurden archaische Architekturglieder und Skulpturenfragmente aussortiert, unter denen ein Säulentrommelfragment mit der Reliefdarstellung eines Wagenlenkers hervorzuheben ist (Abb. 11). Erste Georadarmessungen in dem 12-Säulensaal und in einem Adytonzugangstunnel ergaben interessante Ergebnisse, die eventuell über die Untergrundstruktur in archaischer Zeit Auskunft geben könnten. Schon jetzt erkennt man in einer 3D-Optik die Abstufungen im Gelände und die Rasterfundamentierung im Pronaos. In einem von U. Dirschedl (DAI, Zentrale) geleiteten Projekt wurde die systematische Dokumentation der dem archaischen ›Tempel II‹ zuzuweisenden Fragmente fortgesetzt (s. auch hier S. 22–24). Abteilung Istanbul 127 Abb. 10 Didyma, Terrassenanlage vor der Ostfront des Didymaion. Überprüfungssondagen 2006 (M. 1 : 750) Abb. 11 Didyma, archaisches Säulentrommelfragment mit der Reliefdarstellung eines Wagenlenkers, das aus einem Rasterfundamentschacht des jüngeren Didymaion geborgen wurde Im Umland von Didyma wurden unter der Leitung von F. Bertemes erste Sondagen auf der 6 km vom Apollon-Heiligtum entfernten, rund 180 m langen Insel Tavşan Adası durchgeführt. Sie hatten zum Ziel, die stratigraphischen Verhältnisse zu präzisieren, die Datierung zu konkretisieren und die Bedeutung des Fundplatzes, der vom spätesten Chalkolithikum bis in die minoisch geprägte Mittelbronzezeit besiedelt war, zu klären. Neben spärlichen antiken bis frühbyzantinischen Oberflächenfunden zeigten sich auch unberührte mittelbronzezeitliche Schichten unmittelbar unter dem Humus in weiten Teilen der Insel. Aus dieser Periode konnten Reste von einem Gebäude mit schmallangrechteckigen Räumen freigelegt werden (Abb. 12). Das Versturzmaterial ist einheitlich mittelbronzezeitlich und kann nach einer ersten Durchsicht gut mit der zweiten Palastzeit in Kreta verglichen werden. Zwischen Mittelbronzezeit und Frühbronzezeit schiebt sich eine Zerstörungsschicht, gefolgt von einem nahezu fundlosen Stratum (Hiatus?), ein. In Anbetracht der großen Bedeutung dieses Fundplatzes soll das frühbronzezeitliche Schichtenpaket, das unmittelbar auf dem Felsen aufliegt, zukünftig ebenfalls untersucht werden. Einer der Schwerpunkte dieser Kampagne lag wie bisher auf den Tempelkonsolidierungs- und Konservierungsmaßnahmen. Die unter der Leitung von 128 Jahresbericht 2006 des DAI Abb. 12 Didyma, Freilegung eines mittelbronzezeitlichen Gebäudes auf der Didyma nahe gelegenen Insel Tavşan Adası Chr. Kronewirth durchgeführten Arbeiten am jüngeren Didymaion galten im Jahr 2006 vor allem der Sanierung der Ostwand des 12-Säulensaals. Leitung des Projekts: A. Furtwängler • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: F. Bertemes (Tavşan Adası), D. Mauermann, U. Weber (Terrassensondagen) • Abbildungsnachweis: Archiv der Didymagrabung (Abb. 10–12). Pergamon Dank langjähriger archäologischer Forschungen ist das antike Pergamon in seinen städtebaulichen Grundzügen, einzelnen Stadtquartieren und öffentlichen Monumenten gut bekannt. Große Wissenslücken bestehen hingegen immer noch auf dem Gebiet des städtischen Gesamtorganismus, d. h. der Gliederung der Stadt durch Straßenraster und Gebäudeensembles, ihrer Besiedlungsdichte und ihrer Abgrenzung bzw. Öffnung zum Umland. Diesem dringenden Desiderat begegnet das neue Forschungsprogramm der Pergamongrabung durch Untersuchungen zum Gesamtorganismus der hellenistischen Residenzstadt (3.–2. Jh. v. Chr.) und durch Projekte in der Umgebung Pergamons. Im Jahr 2006 wurden der archäologische Survey und die geophysikalischen Prospektionen am bislang unerforschten Südostabhang des Burgberges fortgesetzt. Gemeinsam mit den bereits 2005 erzielten Ergebnissen zeichnet sich nun ein völlig neues Bild vom Straßenraster der großen hellenistischen Stadterweiterung des 2. Jhs. v. Chr. ab. Anders als bisher hypothetisch rekonstruiert folgt die Straßenführung keinem streng orthogonalen System, sondern scheint fächerförmig aufgebaut und damit stärker an der Beschaffenheit des Geländes ausgerichtet zu sein (Abb. 13). Durch Grabungsschnitte konnten Straßenbreiten von bis zu vier Metern nachgewiesen werden, was im Vergleich zur Oberstadt von Pergamon von einem gesteigerten städtebaulichen und verkehrstechnischen Anspruch zeugt. Die stratigraphischen Sondagen zur Datierung von Schlüsselmonumenten der hellenistischen Stadterweiterung konzentrierten sich im Jahr 2006 auf die sog. Eumenische Stadtmauer, die anhand stratifizierter Befunde mit einiger Sicherheit in die 1. Hälfte des 2. Jhs. v. Chr. datiert werden kann. Damit stützt sich die Zuschreibung der Stadtmauer an Eumenes II. (197–159 v. Chr.) nun auch auf archäologische Daten. Abteilung Istanbul 129 Abb. 13 Pergamon, Südostabhang des Burgberges mit einer neuen Rekonstruktion des Straßenrasters (M. 1 : 5000) Im Rahmen des Projekts zur Erforschung der visuellen und funktionalen Gestaltung des hellenistischen Gymnasiums konnte anhand verschiedener Grabungsbefunde gezeigt werden, daß die Anlage in vorrömischer Zeit weitaus schlichter ausgestattet war als bisher angenommen. Ein Überraschungsfund von erheblicher historischer Relevanz gelang bei der Untersuchung antiker Straßen am noch unausgegrabenen Südosthang des Burgberges: Erstmals konnte in Pergamon ein frühbyzantinisches Grab des 7. Jhs. mit Schmuck, Trachtbestandteilen und Waffenbeigaben geborgen werden (Abb. 14). Die Arbeiten im Umland von Pergamon konzentrieren sich derzeit auf das westliche Tal des Kaikos (Bakır Çay) mit dem antiken Atarneus sowie auf Elaia, den Haupthafen Pergamons. Dort konnten im Bereich der modernen Küstenlinie durch geophysikalische Messungen ausgedehnte Molen, Kaianlagen und Gebäudestrukturen nachgewiesen werden, die unsere Erwartungen 130 Jahresbericht 2006 des DAI an die Größe des Hafens weit übertroffen haben (Abb. 15). Mächtige Befestigungsanlagen und der Fund von Geschoßkugeln unterstreichen die militärische Bedeutung der Anlage. Der archäologische Survey hat Keramikfunde archaischer bis byzantinischer Zeit erbracht. Damit steht nun fest, daß wir mit älterer Besiedlung vor der ersten schriftlichen Erwähnung Elaias im 5. Jh. v. Chr. rechnen müssen. Einzelne Bauglieder weisen deutliche Parallelen zu Stücken aus Pergamon auf und sprechen damit für den Einfluß der Metropole auf den Hafenort Elaia, der allem Anschein nach in hellenistischer Zeit zu einem maritimen Satelliten der Residenzstadt ausgebaut wurde. In Atarneus läßt sich hingegen zeigen, wie eine prosperierende spätklassisch-frühellenistische Stadtanlage unter dem Einfluß der erstarkenden Metropole Pergamon ab hochhellenistischer Zeit spürbar an Bedeutung verlor. Damit liefert Atarneus ein Beispiel für die gegensätzliche Entwicklung, die ältere Poleis im Umfeld der neuen hellenistischen Zentren nehmen konnten. 14 Pergamon Abb. 14 Inventar eines frühbyzantinischen Grabes vom Südosthang des Burgberges Abb. 15 Umland, Elaia. Geophysikalische Prospektionen im Bereich des Hafens 15 Kooperationspartner: Generaldirektion für Kulturdenkmäler und Museen des Kultur- und Tourismusministeriums der Republik Türkei; DFGSchwerpunktprogramm 1209 »Die hellenistische Polis als Lebensform. Urbane Strukturen und bürgerliche Identität zwischen Tradition und Wandel«; Ankara Üniversitesi, Başkent Meslek Yüksekokulu, Restorasyon ve Konservasyon Programı; Archäologisches Institut der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg; Archäologisches Institut der Universität zu Köln; Geodätisches Institut der Universität Karlsruhe; Historisches Seminar der Abteilung für Alte Geschichte der Ludwig-Maximilians-Universität München; Institut für Geomatik der Hochschule Karlsruhe; Institut für Geowissenschaften der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel; Institut für Strahlenphysik der Universität Bonn; Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik des DAI; Professur für Historisch-Kulturwissenschaftliche Informationsverarbeitung der Universität zu Köln; Antikensammlung der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz; Studiengang Konservierung/Restaurierung und Grabungstechnik der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: F. Pirson • Mitarbeiter: R. von den Hoff (Gymnasium), M. Zimmermann (Chora von Pergamon) (für eine vollständige Liste der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen s. auch den Vorbericht im AA 2007/2) • Abbildungsnachweis: Archiv der Pergamongrabung (Abb. 13–15). Abteilung Istanbul 131 16 Pergamon, Rote Halle Abb. 16 Das neue Depotgebäude mit den Schwerlastregalen von Südosten, rechts im Hintergrund der südliche Rundturm. Die Lamellenverkleidung der Fassade fehlt noch Abb. 17 Die flußseitige Stützmauer des Temenos im Bereich des Depots vor Beginn der Maßnahmen Abb. 18 Die flußseitige Stützmauer des Temenos im Bereich des Depots nach Abschluß der Restaurierungsarbeiten 2006 17 Pergamon, Konservierungsprojekt Rote Halle Eine Ruinenanlage in der Dimension der Roten Halle in Pergamon, einer der größten römischen Bauanlagen in Kleinasien, erfordert immer wieder Anstrengungen zu ihrem baulichen Erhalt, zumal frühere Maßnahmen mehrere Jahrzehnte zurückliegen und sich auch nur auf Teilbereiche richten konnten. In einem besonders problematischen Zustand befindet sich der südöstliche Bereich mit dem Rundturm, der dem großen Ziegelbau südlich vorgelagert ist. In die originale römische Kuppel dringt ungehindert Regenwasser ein und im Inneren sind tonnenschwere Fundstücke auf einem empfindlichen caementicium-Gewölbe gelagert, das bereits an mehreren Stellen eingebrochen ist. Hier setzt ein neues Restaurierungsprojekt der Pergamongrabung an (s. F. Pirson, AA 2006/2, 78 Abb. 22). Es sieht vor, im Anschluß an den Rundturm ein neues Depot zu errichten, die Fundstücke hierher auszulagern, die Kuppel und das Innere des Turms zu restaurieren und anschließend diesen eindrucksvollen Raum in musealer Weise den Besuchern zu öffnen. Gleichzeitig sollen die dem Turm benachbarten Bereiche, insbesondere die große Stützmauer zum antiken Fluß Selinus, in die Restaurierungsmaßnahmen einbezogen werden. Im Mittelpunkt der Arbeiten 2006 standen der Abbruch des ehemaligen Wächterhauses neben dem südlichen Rundturm und die Errichtung des neuen Depotgebäudes an dessen Stelle (Abb. 16). Im Bereich des Depots wurde die südliche Temenoswand (Abb. 17) restauriert und die großflächigen Fehlstellen in der Handquadermauerschale in Natursteinmauerwerk ergänzt (Abb. 18). Dieser Mauerabschnitt, der als Musterstreifen für die Restaurierung der gesamten Temenossüdwand konzipiert worden ist, wurde im aufgehenden Bereich weiter aufgehöht, um eine vollständige Kaschierung der südlichen Schmalseite des neuen Depotgebäudes zu ermöglichen. In den Substruktionen unterhalb des neuen Depots – einem aufwendigen caementiciumKreuzgewölbe auf Mauerwerkspfeilern – wurden in geringerem Maß Sicherungsarbeiten durchgeführt, die in der nächsten Kampagne erweitert werden sollen. Die Kuppel über dem Rundbau wurde ebenso wie dessen Westwand nach Erstellung eines Baugerüsts gründlich in Augenschein genommen, um die für 2007 zu treffenden Maßnahmen in diesem Bereich planerisch vorbereiten zu können. Außerdem wurden große Mengen an Dachziegeln, die auf der Kuppel gelagert waren und eine unzulässige Belastung ihres statischen Gefüges darstellten, entfernt. Sie waren später zur Eindeckung des neuen Depots 18 132 Jahresbericht 2006 des DAI wieder zu verwenden. An der Westwand des Rundbaus wurden kleinere Sicherungsarbeiten vorgenommen, um die Besucher vor herabstürzenden Bauteilen zu sichern. An den Stützfigurenfragmenten des ehemaligen Südhofes der Roten Halle konnten schließlich umfangreiche Dokumentations- und Restaurierungsmaßnahmen vorgenommen werden, die von der Restaurierungsbaustelle logistisch begleitet wurden. Sie sind Voraussetzung für die photographische und wissenschaftliche Bearbeitung der bedeutenden antiken Bildwerke. Kooperationspartner: Ingenieurgruppe Bauen, Karlsruhe • Förderung: Studiosus-Foundation; DFG • Leitung des Projekts: M. Bachmann, F. Pirson • Mitarbeiter: J. Steiner, T. Bunk, C. Kronewirth • Abbildungsnachweis: Archiv der Pergamongrabung (Abb. 16–18). Priene Die Grabung in der Wohninsula F 15 im Osten der Stadt konnte in dieser Kampagne abgeschlossen werden. Es lassen sich vier Hauptbesiedlungsphasen feststellen, die von spätklassisch-frühhellenistischer Zeit bis an das Ende der byzantinischen Besiedlung im 14. Jh. reichen. Zur Funktion der Gebäude sind vor einer detaillierten Auswertung der Funde und der Grabungsdokumentation noch keine Angaben möglich, die über eine allgemeine Charakterisierung als Wohnviertel hinausgingen. Ein neues Grabungsareal wurde im Heiligtum der Ägyptischen Götter eröffnet (Abb. 19). Die Datierung des zentralen Podiumtempels, der lange als Altar gegolten hatte, ist eines der Hauptanliegen der aktuellen Untersuchugen, denn frei stehende Podientempel werden in Kleinasien auf römischen Einfluß zurückgeführt. Eine möglichst genaue zeitliche Einordnung wäre daher von großer Bedeutung für das Verständnis baulicher Veränderungen und ihres soziopolitischen Umfeldes in der Polis Priene. Das einschlägige Fundmaterial aus dem Fundamentbereich des Baus ist noch nicht ausgewertet, doch sind bisher bisher keinerlei kaiserzeitliche Funde aufgetreten. In jedem Fall gehört der Tempel einer späten Ausbauphase des Heiligtums an. Dessen Gründung wird gewöhnlich in die 2. Hälfte des 3. Jhs. v. Chr. datiert. Die Frage nach seiner Vorgängerbebauung ist von erheblicher Bedeutung für unser Verständnis urbanistischer Veränderungen in hellenistischer Zeit, und ihre Beantwortung stellt daher das zweite Hauptziel dieser Ausgrabung dar. In dieser Kampagne wurde jedoch zunächst ein bislang unbekannter spät- bis nachantiker Fried- Abb. 19 Priene, Heiligtum der Ägyptischen Götter von Nordwesten. Links der Mitte befindet sich der Podiumtempel Abteilung Istanbul 133 20 Priene Abb. 20 Südlich des Tempels im Heiligtum der Ägyptischen Götter finden sich einfache Plattengräber in zwei Lagen übereinander Abb. 21 Treppenzugang zu einem Turm der Stadtmauer 21 hof entdeckt und zum Teil untersucht (Abb. 20). Seine Gräber gehören zwei Belegungsphasen an, die sich in Ausrichtung, Niveau und Technik deutlich voneinander unterscheiden und daher vermutlich nicht unmittelbar aufeinander gefolgt sind. Angaben zur absoluten Datierung lassen sich bis jetzt nicht machen. Den Schwerpunkt der Bauforschung bildete neben Detailuntersuchungen am Heiligtum der Ägyptischen Götter in diesem Jahr das Prytaneion. Die Identifizierung dieses Gebäudes ist nicht völlig sicher, sondern wird vor allem aus seiner Lage neben dem Bouleuterion und einer spätkaiserzeitlichen Inschrift erschlossen. In diese Epoche gehört auch der durch die alte Grabung bekannte Bauzustand. Eine detaillierte Bauaufnahme als Grundlage für eine Untersuchung der Entwicklung des Komplexes fehlte bislang und wurde in dieser Kampagne durchgeführt. Es scheint, daß an der Stelle älterer Häuser in hellenistischer Zeit zunächst eine Hofanlage mit wenigen Räumen entstand, deren Anzahl im Laufe der folgenden Jahrhunderte zunahm. Die Untersuchung der Stadtmauer von Priene wurde im Rahmen eines Dissertationsprojekts fortgesetzt (Abb. 21). Das bisher gültige Bild dieser Befestigung hat sich bereits grundlegend verändert. Ging man zuvor von einem im wesentlichen unveränderten Fortbestehen der ursprünglichen Anlage aus dem 4. Jh. v. Chr. aus, so sind nunmehr in fast allen Bereichen Reparaturen und Umbaumaßnahmen beobachtet worden, die auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren. Es waren auch zahlreiche bislang unbekannte Pforten, Türme, Treppen usw. festzustellen, die eine bessere Beurteilung der Verbindung von Wehranlage und Stadtstruktur erlauben. Neben den Arbeiten im Gelände konnten materialorientierte Themen anhand der Funde aus den vergangenen Grabungskampagnen bearbeitet werden, so z. B. zu Produktion und Verbreitung kaiserzeitlicher Küchenkeramik. Ferner sind Sicherungs- und Restaurierungsarbeiten im antiken Stadtgebiet durchgeführt worden. Kooperationspartner: Generaldirektion für Kulturdenkmäler und Museen des Kultur- und Tourismusministeriums der Republik Türkei • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: W. Raeck (Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a. M.), W. Koenigs (Technische Universität München) • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: A. Filges, B. Gossel-Raeck, A. Hennemeyer, A. von Kienlin, U. Mandel, J. Rumscheid, F. Rumscheid, U. Ruppe, B. Weißer, Z. Yılmaz • Abbildungsnachweis: Archiv der Prienegrabung (Abb. 19–21). 134 Jahresbericht 2006 des DAI Anazarbos In Kilikien liegen bislang sowohl Anfänge als auch Erscheinungsbild urbaner Strukturen völlig im Dunkeln. Wichtigstes Ziel des 2004 begonnenen Surveyprojekts in Anazarbos (Abb. 22) stellt daher die Erfassung und Interpretation eines Siedlungsprozesses über eine Zeitspanne von mehr als siebzehn Jahrhunderten dar. Einen Schwerpunkt bildete 2006 die intensive Erforschung der drei großen Nekropolengebiete (Abb. 23), die mit ihren unterschiedlichen Grabformen und den zahllos in situ erhaltenen Inschriften wichtige Aufschlüsse zur Stadtentwicklung versprachen. Hinzu kamen auch alle freistehenden Grabmonumente rund um das Stadtgebiet, da diese im besonderen Hinweise auf die Wichtigkeit von Verkehrswegen und Veränderungen des urbanistischen Gesamtkonzepts geben können. Zudem wurde die geophysikalische Prospektion fortgesetzt, die einerseits mittels Geomagnetik der weiteren Erschließung des antiken Straßenrasters, andererseits mittels Georadar der Untersuchung ausgewählter Strukturen diente. Vor allem im Stadtzentrum waren diese Arbeiten von außergewöhnlichem Erfolg gekrönt (Abb. 24). Parallel hierzu fanden intensive Begehungen des gesamten Geländes statt, um die Oberflächenfunde in weitere Überlegungen einfließen lassen zu können. Dieser Keramiksurvey erbrachte erstaunlich klare Resultate, denen zufolge nun auch in der Ebene mit bronzezeitlicher Besiedlung zu rechnen ist; danach setzt Keramik erst wieder im 3. Jh. v. Chr. ein. Die weitere und aus dem Keramikbild ablesbare Entwicklung stimmt gut mit der historischen Überlieferung überein: Die Stadt erfährt im 2. Jh. dank ihrer strategisch wichtigen Lage einen fundamentalen Aufschwung, der ab dem 6. Jh. mit der sukzessiven Aufgabe von ehemals besiedelter Fläche sein Ende findet. Intensiv wurde zudem von einem Architektenteam die virtuelle Rekonstruktion bereits erfaßter Gebäudekomplexe (Abb. 25) aus verschiedenen Epochen vorangetrieben, da nur auf diese Weise der sich über Jahrhunderte hinziehende dynamische Prozeß einer Stadtbildentwicklung einigermaßen begreifbar wird. Zu diesem Zweck wurden Aufrisse und Schnitte der jeweils Abb. 22 Anazarbos, Blick auf den Burgberg mit den byzantinischen und armenischen Befestigungsanlagen. Im Vordergrund ein kaiserzeitlicher Aquädukt Abb. 23 Anazarbos, römische Nekropole. Kaiserzeitliche Felssarkophage mit Inschriftentafeln Abteilung Istanbul 135 Abb. 24 Anazarbos, Stadtzentrum. Georadarbild der oberflächlich nicht sichtbaren Strukturen, die möglicherweise einer Phase vor dem Ausbau der Stadt im 2. Jh. zuzurechnen sind Abb. 25 Anazarbos, Burgberg. Kaiserzeitliches Propylon, das nur noch in seinen untersten Lagen erhalten ist wichtigsten Strukturen angefertigt und in Perspektivansichten umgewandelt, die dazu dienen, dieVeränderungen des Erscheinungsbildes und der Raumaufteilung der Stadt Anazarbos verständlich zu machen. Neben der Fortsetzung der geophysikalischen Prospektion müssen die Arbeiten in der Folge vor allem auf dem Gebiet der Oberflächenfunderfassung intensiviert werden, da hierin – nach der bereits erfolgten Dokumentation baulicher Strukturen – sicherlich das größte Potential zum Verständnis der Entwicklung von Anazarbos liegt. Geplant ist zudem die archäometrische Beprobung ausgewählter Keramikfunde, da der begründete Verdacht besteht, daß einige der besonders gehäuft auftretenden Waren am Ort selbst hergestellt worden sind. Einen weiteren Schwerpunkt bilden geodätische bzw. bauforscherische Arbeiten auf dem Burgfelsen, die dazu dienen sollen, die diversen Phasen der gewaltigen Befestigungsanlagen zu dokumentieren und mit den Bauten der Ebene in zeitliche und funktionale Beziehung zu setzen. Abschließende Überarbeitungen der bereits angefertigten Rekonstruktionen, die dazu dienen sollen, den jeweiligen Zustand bestimmter Areale zu visualisieren, runden die Liste geplanter Arbeiten im Jahr 2007 ab. Kooperationspartner: Generaldirektion für Kulturdenkmäler und Museen des Kultur- und Tourismusministeriums der Republik Türkei; Institut für Alte Geschichte der Universität Istanbul (M. H. Sayar); Geophysikalisches Institut der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (H. Stümpel) • Förderung: Fritz Thyssen Stiftung • Leitung des Projekts: R. Posamentir • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: N. Alpaslan, H. Birk, N. Çalışır, I. Engelmann, T. Gering, S. Held, B. Kellner, U. Kelp, C. Klein, C. Nowak, A. Schanze, K. Skokow, M. Weisensel, T. Wunderlich • Abbildungsnachweis: R. Posamentir (Abb. 22. 23. 25), H. Stümpel (Abb. 24). 136 Jahresbericht 2006 des DAI Wissenschaftliche Veranstaltungen Vorträge 2. Februar Ulf Schoop (Istanbul), Zwischen Wald und Steppe. Zur Anatolischen Kulturentwicklung im Neolithikum und Chalkolithikumxxx16. Februar Engelbert Winter (Münster), Doliche und Jupiter Dolichenusxxx2. März Richard Posamentir (Istanbul), Die Griechen am Schwarzen Meerxxx30. März Andreas Schachner (Istanbul), Assyriens König am Tigris. Archäologische Forschungen an einer der Tigris-Quellenxxx6. April Martin Bachmann (Istanbul), Steine und Zeichen. Zur Bautechnik und Bauorganisation auf dem Karasisxxx20. April Adolf Hoffmann (Istanbul), Bericht über die Aktivitäten der Abteilung im Jahr 2005xxx9. November Axel Filges (Frankfurt a. M.), Eine Bilderbuchmetropole im Miniaturformat – ein Blick auf Blaundos (Phrygia) nach den Feldforschungenxxx12. Dezember Ralf von den Hoff (Freiburg i. Br.), Das Gymnasium von Pergamon: Neue Forschungen zur Gestaltung eines urbanen Raumes. Hauskolloquien 16. Januar Melissa Vetters (Athen), Zur Verwendung und Bedeutung mykenischer Figurinenxxx6. Februar Oliver Hülden (Tübingen), Achämenidische Gräber in Kleinasienxxx13. Februar Elena Bozhinova (Sofia), Chronology and Periodization of the Early Iron Age in Ancient Thracexxx20. Februar Janet Haberkorn (Istanbul), Die hellenistischen Stadtmauern von Pergamon 13. März Torsten Zimmer (Istanbul), Die Palastanlagen von Pergamon 20. März Bahadır Yıldırım (Ankara), A Visual Encomium: The So-called Ninos Frieze from the Civil Basilica at Aphrodisiasxxx27. März Ingrid Laube (Tübingen), Panzertorsixxx3. April Ergün Laflı (Izmir), Drei Spätantike Kirchen in Süd-Paphlagonien. Überlegungen zur frühchristlichen Kunst Paphlagoniens wärend der Spätantikexxx6. November Thomas Zimmermann (Ankara), Kalınkaya: Eine chalkolithisch/frühbronzezeitliche Siedlung mit Bestattungsplatz im nördlichen Zentralanatolienxxx20. November Roman Stoyanov (St. Petersburg), About the Necropolis of Chersonesosxxx27. November Deniz Beyazit (Zürich), Bauplastik der Artuqiden in Mardin (1108–1408). Ionien-Kurs Gemeinsam mit der Abteilung Athen des DAI wurde im April ein zehntägiger Fortbildungskurs für promovierte Wissenschaftler unter dem Rahmenthema »Ionische Heiligtümer« durchgeführt. Dreizehn Teilnehmer der Forschungsrichtungen Klassische Archäologie, Alte Geschichte, Klassische Philologie, Bauforschung aus Deutschland, der Türkei und Griechenland bereisten eine Kulturlandschaft, in der das DAI seit mehr als hundert Jahren mit zahlreichen Forschungsprojekten vertreten ist, und diskutierten an diversen Ruinenstädten den aktuellen Forschungsstand bzw. übergreifende Fragestellungen. Wissenschaftliches Netzwerk Im Juni wurde an der Abteilung ein wissenschaftliches Netzwerk zum Thema »Manifestationen von Macht und Hierarchien in Stadtraum und Landschaft« eingerichtet. Hier werden Projekte von Mitarbeitern und Stipendiaten der Abteilung sowie von Kolleginnen und Kollegen, die im Rahmen von Abteilungsprojekten forschen, methodisch und inhaltlich zusammengeführt. Ziel ist es, das spezifische Profil der Abteilung für die Nachwuchsförderung zu nutzen und so wissenschaftliche Synergien auf dem Gebiet der archäologischen Raumforschung zu erzielen. Am 10./11. November fand ein erstes Treffen Abteilung Istanbul 137 in Istanbul statt, bei dem die Teilnehmer ihre Forschungsvorhaben vorstellten. Das Netzwerk gehört als Teilprojekt zum Forschungscluster 3 »Politische Räume« des DAI. Öffentlichkeitsarbeit Die öffentlichen Führungen in Istanbul durch Mitarbeiter der Abteilung fanden zwischen dem 9. April und dem 18. Juni statt. Presseinterviews für nationale und internationale Zeitungen und Zeitschriften sowie Funk- und Fernsehanstalten wurden vor allem im Rahmen der einzelnen Arbeitsprojekte gegeben. Beratend tätig waren Mitarbeiter der Abteilung für den Fernsehfilm »The Dark Lords of Hattusha«, der von der BBC im Rahmen der Dokumentarfilmserie »Lost Cities of the Ancients« in Boğazköy-Hattuša gedreht worden ist. Im Institutsgebäude, auf den Grabungen des Instituts sowie an anderen archäologischen Stätten und in verschiedenen Museen wurden zahlreiche Gruppen und Einzelpersonen geführt. Abb. 26 Farbige Rekonstruktion einer Figurengruppe vom Westtympanon des Aphaia-Tempels in Aigina in der Ausstellung »Renkli Tanrılar« im Archäologischen Museum Istanbul Ausstellungen Die Abteilung war an mehreren Ausstellungsprojekten beteiligt: In Zusammenarbeit mit dem Archäologischen Museum Istanbul wurde dort im März mit Reliefs und Freiplastik ein Themenschwerpunkt zum Thema »Kontroverse Bilder von Krieg und Gewalt« eingerichtet. Ebenfalls im Archäologischen Museum Istanbul wurde mit Unterstützung der Staatlichen Antikensammlungen München und der Stiftung Archäologie im April unter dem Titel »Renkli Tanrılar« die zuvor in zahlreichen europäischen Städten gezeigte Ausstellung »Bunte Götter. Zur Farbigkeit antiker Skulptur« eröffnet (Abb. 26). Ab Juli wurde in Sevastopol in der Ukraine eine Ausstellung zu den Grabstelen von Chersonesos, die sich schwerpunktmäßig mit dem Akkulturationsaspekt beschäftigte, gezeigt. Anfang November wurde im Sadberk Hanım Museum in Istanbul die Photoausstellung »Latmos Dağlarından Tarihöncesi Kaya Resimleri« eröffnet. Thema dieser von A. Peschlow konzipierten Ausstellung sind die prähistorischen Felsmalereien des Latmos-Gebirges in der Südwesttürkei. Veröffentlichungen Istanbuler Mitteilungen 55, 2005 Istanbuler Forschungen 47: J. Chr. Gerber, Hassek Höyük III. Die frühbronzezeitliche Keramik Istanbuler Forschungen 48: Axel Filges (Hrsg.), Blaundos. Berichte zur Erforschung einer Kleinstadt im lydisch-phrygischen Grenzgebiet Byzas 3: W. Radt (Hrsg.), Stadtgrabungen und Stadtforschung im westlichen Kleinasien – Geplantes und Erreichtes Byzas 4: D. P. Mielke – U.-D. Schoop – J. Seeher (Hrsg.), Strukturierung und Datierung in der hethitischen Archäologie. Voraussetzungen – Probleme – Neue Ansätze/Structuring and Dating in Hittite Archaeology. Requirements – Problems – New Approaches Byzas 5: F. A. Bauer (Hrsg.), Visualisierungen von Herrschaft. Frühmittelalterliche Residenzen – Gestalt und Zeremoniell J. Seeher, Hattuscha Führer. Ein Tag in der hethitischen Hauptstadt (Deutsch/ Englisch/Türkisch), 3. überarbeitete und erweiterte Auflage 138 Jahresbericht 2006 des DAI Sonstiges Das Bauaufnahme-Projekt am Şekerhane Köşkü in Selinus, einem vermutlichen Kenotaph für Kaiser Trajan (A. Hoffmann und C. Winterstein), wird als Kooperationsprojekt der Abteilung Istanbul und des Architekturreferats der Zentrale des DAI durchgeführt (s. auch hier S. 27 f.). Persönliches Am 20. April wurde dem scheidenden Ersten Direktor Adolf Hoffmann in einer Feierstunde im deutschen Generalkonsulat in Istanbul das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen. Ebenfalls im April ernannte ihn das Türkische Institut für Altertumswissenschaften zum Ehrenmitglied. Ausgrabungen und Forschungen Abteilung Madrid Zambujal (Portugal) Die kupferzeitliche befestigte Siedlung von Zambujal (3. und 2. Jt. v. Chr.) liegt im Concelho Torres Vedras, etwa 50 km nordwestlich von Lissabon. Im Jahr 2006 fanden dort keine Ausgrabungen statt, sondern es wurde ein neuer Gesamtplan erarbeitet, in den die während der Grabung im Jahr 2004 gemessenen Höhenlinien und Strukturen, der von E. Sangmeister und H. Schubart Abb. 1 Zambujal (Portugal), die Prospektionsergebnisse im November 2006 von N. Lutz innerhalb des von der Stadt Torres Vedras neu erworbenen Geländes auf einem Orthophoto. In der Bildmitte links ist das Zentrum der kupferzeitlichen Befestigungsanlage zu erkennen und auch das darin liegende Bauernhaus von Zambujal Abteilung Madrid 139 1981 publizierte Gesamtplan sowie die seit 1994 ausgegrabenen Bereiche aufzunehmen waren. Alle Daten wurden mit dem Computer-Programm AutoCAD im derzeit gültigen Vermessungsnetz, das im Jahr 1994 von M. Höck eingerichtet worden war, dargestellt. N. Lutz schloß ihre Magisterarbeit über Schnitt 92 der vierten Befestigungslinie ab. Die Stratigraphie des Schnittes liefert die besten Grundlagen für die Chronologie dieses Bereichs. Dazu konnte auch im Kieler Laboratorium eine Serie von 17 14C-Daten gemessen werden, die u. a. zu den ältesten von Zambujal zählen und außerdem darstellen, daß die vierte Befestigungslinie offensichtlich den gesamten Zeitraum vom Beginn des 3. Jts. v. Chr. bis in die erste Hälfte des 2. Jts. (kalibriertes Enddatum ca. 1750 v. Chr.) bestanden hat. Im Verlauf des Jahres 2006 kaufte die Stadt Torres Vedras, nach jahrelangen Verhandlungen, schließlich dem ehemaligen Besitzer einen Bereich von ca. 40 ha Land rund um die kupferzeitliche Befestigungsanlage ab. Prospektionen, die N. Lutz im November desselben Jahres auf dem neu erworbenen Gelände durchführte, ergaben, daß offensichtlich die gesamte Westseite des Berges, auf dessen Sporn die bisher bekannte kupferzeitliche Befestigungsanlage liegt, während der Kupfer- und frühen Bronzezeit besiedelt war (Abb. 1). Leitung des Projekts: M. Kunst • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: Chr. Hartl-Reiter (Topographie), N. Lutz • Abbildungsnachweis: Orthophoto, Câmara Municipal de Torres Vedras (Abb. 1). Informationen im Internet unter: http://www.dainst.org/index_595_ de.html Sizandro-Alcabrichel (Portugal) Im Rahmen der Forschungscluster 2 »Innovationen: technisch, sozial« und 3 »Politische Räume« des DAI entstand ein neues interdisziplinäres und internationales geoarchäologisches Projekt, in dem das zur kupferzeitlichen Befestigung von Zambujal gehörende Territorium erforscht werden soll. Die Ende der 1980er Jahre im Rahmen des damaligen Küstenforschungsprojekts durchgeführten Untersuchungen einer ehemaligen Meeresbucht im Sizandrotal liefern wichtige Vorarbeiten. Im Berichtszeitraum war N. Lutz mit der Zusammenstellung grundlegenden Kartenmaterials befasst, wobei wir vor allem der Stadt Torres Vedras sehr dankbar sind für die Überlassung von hervorragenden Orthophotos (Luftbilder) und digitalisierten Karten mit Höhenlinien und Katasterdaten dieser Region. In einer ersten Prospektionskampagne konnte N. Lutz die aus der Literatur bekannten Plätze aufsuchen und sich so ein Bild über den Arbeitsraum verschaffen, der die Grundlage für ihre Dissertation über die Analyse der Lage von Ressourcen und Siedlungsplätzen sowie die Zirkulation von Rohstoffen innerhalb des Arbeitsgebietes ist. Dazu wurde auf der Basis des Programms Manifold damit begonnen, ein GIS zu entwickeln, in das auch die Grabungen von Zambujal integriert werden sollen. Ab 2007 ist innerhalb des Projekts eine enge Zusammenarbeit mit der Universität Iowa (USA) vorgesehen. Ein entsprechender Antrag für die nächsten vier Jahre wurde zusammen mit K. Lillios (Universität Iowa) ausgearbeitet und an die portugiesische Denkmalbehörde gestellt. Wie schon aus dem Titel des Projekts hervorgeht, wird sich das Untersuchungsgebiet auf die beiden parallelen Flußtäler des Río Sizandro und des Río Alcabrichel beschränken. Sie können vermutlich als zwei Siedlungskammern aufgefaßt werden, die entweder zu einem Territorium gehörten oder aber zwei verschiedene Territorien darstellten. Das Ziel des Projekts ist es herauszufinden, ob es Merkmale gibt anhand derer sich diese Frage klären läßt. 140 Jahresbericht 2006 des DAI Abb. 2 Sizandro-Alcabrichel (Portugal), Blick über das Tal des Río Sizandro von Ost nach West. Durch den Pfeil wird die tiefste Stelle der Bohrungen im August 2006 angezeigt. Das Bild wurde Ende November 2006 aufgenommen, nach starken Regenfällen, die zu ausgedehnten Überschwemmungen führten R. Dambeck (Institut für Physische Geographie der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a. M.) berichtet, daß Sondierbohrungen im Tal des Río Sizandro, südlich der Ortschaft Benfica, der Erkundung des Sedimentaufbaus dienten, um Erkenntnisse zur Landschaftsgeschichte in der Umgebung der kupferzeitlichen Befestigungsanlage von Zambujal zu gewinnen. Entlang eines Querprofils in der Sizandroaue konnten in Abständen von 30 m insgesamt 8 Rammkernbohrungen mit einer Gesamtbohrleistung von 160 m durchgeführt und 263 Sedimentproben gewonnen werden (Abb. 2). An einer Lokalität wurden Ablagerungen mit marinem Fauneninhalt (Schalenbruchstücke fossiler Muscheln) geborgen, die für die Interpretation der holozänen Talgeschichte von besonderem Wert sind. Die Bohrungen belegen eine lokal bis zu 24,3 m mächtige Sedimentverfüllung. Daraus läßt sich ein einfaches Bild der Talentwicklung seit Beginn des Holozäns vor ca. 11 500 Jahren rekonstruieren. Folgende Phasen der Landschaftsentwicklung sind grob zu modellieren: 1) Ablagerung von Hochflutsedimenten am Talgrund und anschließende Bodenentwicklung (altholozäne Landoberfläche), 2) marine Transgression als Folge des gegen Ende der letzten Kaltzeit einsetzenden, klimatisch bedingten Meeresanstiegs, Ausbildung einer Bucht (mittleres Holozän), 3) Verlandung der Bucht als Folge des terrestrischen Sedimenteintrags aus dem Hinterland, verursacht durch Bodenerosion (etwa ab Kupferzeit). Anhand der Geländebefunde ist es jetzt möglich, die bisherigen Annahmen zur Ausdehnung der im Sizandrotal entwickelten ehemaligen Meeresbucht zu präzisieren. Das Gewässer dürfte schmaler als bislang angenommen (G. Hoffmann 1988) gewesen sein, könnte aber eine etwas größere Wassertiefe aufgewiesen haben. Die Auswertung der Daten dauert an. Derzeit werden die Proben gesichtet und separiert. Ein Teil des Probenmaterials wird Spezialanalysen zugeführt (Pollen, Ostracoden, Gastropoden, pflanzliche Großreste, 14C-AMS Datierungen). Diese sollen detailliertere Erkenntnisse zur Sedimententwicklung und zu paläoökologischen Veränderungen liefern. Vom 2. bis 28. August führte R. Dambeck eine geoarchäologisch-bodenkundliche Geländekampagne durch, als studentische Hilfskräfte waren N. Herrmann (Leipzig), S. Sylla und Y. Thöne (beide Frankfurt a. M.) beteiligt. Leitung des Projekts: M. Kunst • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: N. Lutz (Prospektionen), H. Thiemeyer, R. Dambeck (Geowissenschaftliche Untersuchungen), A. J. Kalis (Pollenanalysen) • Abbildungsnachweis: M. Kunst (Abb. 2). Abteilung Madrid 141 Abb. 3 Prähistorische Kupfermetallurgie in Zambujal (Portugal), Mocissos. Fragment eines Schmelztiegels mit verschlackter Randlippe und Einschlüssen von Kupfertröpfchen Prähistorische Kupfermetallurgie in Zambujal (Portugal) – Von der Erzlagerstätte zum Fertigprodukt Im Mittelpunkt des Forschungsprojekts steht die Frage nach den Rohstoffquellen für die kupferzeitliche Metallproduktion und -verarbeitung im Siedlungsraum der portugiesischen Estremadura sowie die Rekonstruktion der Produktionskette vom Erz zum Fertigprodukt. Nach guten Erfolgen im ersten Projektabschnitt (2004/2005) wurde ein Verlängerungsantrag gestellt und von der DFG im Mai 2006 ein drittes Forschungsjahr bewilligt. Während die materialkundlichen Untersuchungen an Kupferartefakten, metallurgischen Prozeßrückständen und Kupfererzen auch im Jahr 2006 fortgeführt wurden, konnte im Juni 2006 mit ersten archäologischen Sondierungsgrabungen in ausgewählten Bergbaurevieren begonnen werden. Ausgrabungen wurden in alten Bergbaurevieren innerhalb der Ossa Morena Zone im Alentejo durchgeführt. Hier waren im Zuge der zuvor durchgeführten Prospektion prähistorische Bergbauaktivitäten durch Oberflächenfunde von prähistorischen Steingeräten in alten Halden nachgewiesen worden. Von vier ausgewählten Bergbaubereichen konnten zwei Lokalitäten mit jeweils einer Grabungskampagne näher untersucht werden. Eine der beiden Fundstellen erbrachte dabei besonders vielversprechende Ergebnisse, die bronzezeitlichen und kupferzeitlichen Bergbau archäologisch belegen. a) Mocissos (Alandroal, Évora): Von Anfang Juni bis Mitte Juli 2006 fand eine Grabungskampagne im Bergbaurevier Mocissos bei Alandroal im Distrikt Évora statt. Die Lokalität befindet sich in unmittelbarer Nähe des Río Guadiana an der Grenze zu Spanien. Entlang eines etwa 800 m langen Erzganges liegen hier markante Bergbauspuren mit ausgedehnten Halden vor, auf denen im Zuge der Prospektion zahlreiche Steingeräte (bergmännische Werkzeuge) aufgefunden wurden. Eine linear verlaufende Abbaustruktur mit verfallenen Tagebauen, Tagebrüchen und Schächten markiert den Verlauf des ehemaligen Erzganges. Dieser enthält neben Quarz eisenreiche und kupferhaltige Erzminerale. Nach der Analyse von Haldenfunden treten reiche Kupfererze wie Malachit, Pseudomalachit und Kupferoxide auf, die für den prähistorischen Bergmann von besonderem Interesse waren. Die Lagerstätte wurde zuletzt im 20. Jahrhundert abgebaut. Als wesentliches Ergebnis der Grabung konnte der stratigraphische Aufbau des untersuchten Haldenbereichs geklärt und dokumentiert sowie umfangreiches Fundmaterial in Form von Steingeräten und Keramikscherben aus den sich mehrfach überlagernden Haldenschüttungen geborgen werden. Das keramische Fundmaterial läßt sich nur relativ grob datieren, wobei einzelne Fundstücke in die frühe Eisenzeit weisen, die Masse der Funde in die späte bis mittlere Bronzezeit. Der Aufbau der Halde konnte durch vertikale Profile bis in eine Tiefe von 2 m und bis zum anstehenden Felsuntergrund erfaßt werden. 14C-Datierungen aus den oberen und mittleren Haldenabschnitten weisen diese als mittelbronzezeitlich bis früheisenzeitlich aus, während aus tieferen Haldenbereichen kupferzeitliche Datierungen vorliegen. Hier fanden sich auch zwei Steinbeile sowie Fragmente eines Schmelztiegels mit Einschlüssen von Kupfertröpfchen (Abb. 3). Dieser bedeutende Fund belegt Pyrometallurgie unmittelbar im Bereich der abgebauten Lagerstätte – bislang ist diese sonst nur in Siedlungsbereichen nachgewiesen. In der Zusammenschau von Prospektionsergebnissen und Grabungsbefunden kann davon ausgegangen werden, daß ein bedeutender Teil der heute sichtbaren Bergbauspuren und Halden von Mocissos auf prähistorische Bergbauaktivitäten zurückzuführen ist! Dieser Bergbau war mehrphasig, begann 142 Jahresbericht 2006 des DAI 4 5 bereits in der Kupferzeit und hat vor allem während der Bronzezeit stattgefunden (Abb. 4). Hinweise auf römischen Bergbau liegen bislang nicht vor. b) Volta Ferreira (Barrancos, Beja): Von Ende August bis Mitte Oktober 2006 fand eine weitere Grabungskampagne im Bergbaurevier von Monte da Volta Ferreira bei Barrancos im Distrikt Beja statt (Abb. 5). Diese Lokalität befindet sich am Río Murtéga an der Grenze zu Spanien. Im Gegensatz zu Mocissos sind die heute sichtbaren Bergbauspuren räumlich eng begrenzt und beschränken sich auf einen etwa 20 m langen Abbau (Tagebaurelikt) mit vorgelagerter Halde. Auch hier konnten im Zuge der Prospektion zahlreiche Steingeräte aufgefunden werden. Nach der Analyse spärlicher Erzreste von der Halde liegt hier eine Lagerstätte vor, in der sekundäre Kupfererze wie Malachit, Azurit, Kupferoxide und Kupfersulfide auftreten. Diese waren offenbar der Anlaß für den früheren Bergbau. Eine auffällige Verebnungsfläche neben den Abbauspuren wurde zunächst als ehemalige Arbeitsplattform für Aufbereitungsarbeiten interpretiert. Während der Grabungen mußte diese Vermutung jedoch relativiert werden. Im Untergrund der Plattform setzen sich vielmehr die Abbauspuren in Verlängerung des Tagebaus weiter fort und konnten während der Grabungen an zwei Stellen und bis in 3,5 m Tiefe verfolgt werden, ohne daß eine Sohle erreicht werden konnte. Die Abbauhohlräume sind heute in einem Fall durch Abraum aus dem Bergbau selbst, im anderen Fall durch Hangsedimente (Erosion) vollständig verfüllt. Im Verfüllungsmaterial (Abraumhalde) wurden geringe Erzreste, hauptsächlich Azurit, vereinzelte Keramikscherben und wenige meist grobe Steinwerkzeuge aufgefunden. Bei den kleinteiligen Scherben handelt es sich um auf einer Drehscheibe hergestellte Töpferware unbestimmbaren Alters. Aus dem Haldenmaterial innerhalb und außerhalb der Mine konnten Holzkohleproben zur 14C-Datierung entnommen werden. Die Ergebnisse belegen römerzeitlichen Bergbau im 1. Jh. v. Chr. Kooperationspartner: A. Monge Soares, R. Mataloto, J. Matos • Förderung: DFG (Projekt PA 368/8) • Leitung des Projekts: H. Parzinger, M. Kunst, M. Bartelheim, E. Pernicka • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: G. Goldenberg (Ausgrabungen auf den Minen, Prospektionen, Mineralogie), R. Müller, E. Hanning, T. Schifer • Abbildungsnachweis: G. Goldenberg (Abb. 3–5). Die Kontakte zwischen der Iberischen Halbinsel und dem Maghreb während des Chalkolithikums und der Frühen Bronzezeit, Studien zum Austausch von Elfenbein Im Rahmen eines von der DFG geförderten Projekts werden aufgrund von 1000 Elfenbeinfunden die Kontakte zwischen der Iberischen Halbinsel und Prähistorische Kupfermetallurgie in Zambujal (Portugal) Abb. 4 Mocissos, Schnitt durch die prähistorische Halde bei Mocissos mit G. Goldenberg (auf Laufhorizont der Mittelbronzezeit), E. Hanning (auf anstehendem Fels) und S. Becker (in einer vermutlich kupferzeitlichen Abbaukuhle) – Grabungsteam Juni/Juli 2006 Abb. 5 Volta Ferreira, Blick in die teilweise freigelegte, bislang nicht datierte Grube von Volta Ferreira bei Barrancos mit Grabungsassistentin E. Hanning Oktober 2006 Abteilung Madrid 143 dem Maghreb während des Chalkolithikums und der frühen Bronzezeit erforscht. Es handelt sich um eine interdisziplinäre Untersuchung, die dank der spektroskopischen Analysen von der Gruppe INCENTIVS unter der Leitung von A. Banerjee (Universität Mainz) überraschende Ergebnisse erbrachte: Es ließ sich nämlich vorrangig Elfenbein des nordwestafrikanischen Waldelefanten und des asiatischen Elefanten nachweisen. Die chalkolithischen und frühbronzezeitlichen Netzwerke, welche die damaligen Eliten mit exotischen Materialien versorgten, waren offensichtlich vielfältiger und weiter gespannt als bisher vermutet. Förderung: DFG (Projekt SCH 1539/2-1) • Leitung des Projekts: H. Parzinger, Th. X. Schuhmacher (Forschung) • Mitarbeiter: A. Banerjee. Informationen im Internet unter: http://www.dainst.org/index_7243_ de.html Abb. 6 Los Castillejos de Alcorrín (Spanien), befestigte Anlage der Endbronzezeit mit den Arealen der geophysikalischen Prospektion und den Schnitten der Kampagne 2006: Schnitt A/D: Gebäude; Schnitt B: Grube/Silo; Schnitt C: Innere Befestigung (M. 1 : 5000) Los Castillejos de Alcorrín (Spanien) Alles weist darauf hin, daß es sich bei der befestigten Anlage von Los Castillejos um einen Zentralplatz handelte. Ihre geographische Lage an der Meerenge von Gibraltar und am Wege zum erzreichen Hinterland ist von hervorragender Bedeutung, sie bietet beste Voraussetzungen für einen Umschlag- und Kontrollplatz. Außerdem genießt sie eine Sicht, die bei 360° von der Sierra de Crestellina, der Sierra de Utrera und Bermeja im Nordwesten, über das Mittelmeer im Osten und bis Gibraltar sowie Djebel Musa bei Tanger im Süden reicht. Im Rahmen der Phönizierforschung fand eine erste Grabungskampagne statt. Den Ergebnissen der geophysikalischen mit Geomagnetik und Geoelek- 144 Jahresbericht 2006 des DAI Abb. 7 Los Castillejos de Alcorrín (Spanien), Mauer, Glacis und Graben des inneren Befestigungsringes trik durchgeführten Prospektion zufolge und der Genehmigung von Seiten der Junta de Andalucía entsprechend, wurden im Inneren der 11,3 ha großen Befestigungsanlage, dort wo sich eine ›akropolenartige‹ Erhöhung abhebt, drei Schnitte angelegt (Abb. 6). Damit waren ein Abschnitt der inneren Befestigungsanlage (Schnitt C), eine Grube (Schnitt B) und ein Teil eines rechteckigen in drei Räume gegliederten Gebäudes (Schnitt A/D) zu dokumentieren. Die innere Befestigung besteht aus einem 3 m breiten und etwa 1 m tiefen Graben und einer 4 m breiten, in zwei Phasen errichteten Mauer aus lokal gebrochenem Stein (Abb. 7). Sie zieht an der Geländekante vor der flachen Kuppe entlang, die ›akropolenartig‹ hervorragt. Vergleiche für eine derartig gestaltete fortifikatorische Innenbebauung sind von gleichzeitigen Anlagen des spanischen Südens bisher nicht bekannt. 8 Abb. 8. 9 Los Castillejos de Alcorrín (Spanien), rechteckiges Gebäude der Endbronzezeit mit trapezförmigem mit Muscheln gepflasterten Vorbau 9 Abteilung Madrid 145 Eine Ausnahme bildet auch das Rechteckgebäude (Abb. 8. 9). Während in zeitgleichen Siedlungen ovale oder runde Hütten üblich sind, haben wir hier einen 5,60 m × ca. 11,20 m großen Rechteckbau vor uns. Auf dem Steinsokkel erhoben sich Lehmziegelwände, sie sind im niedrigen Schichtpaket nicht mehr erhalten, doch aufgrund der baulichen Merkmale zu rekonstruieren. Das Haus ist nach mediterranem Vorbild gebaut, weist gleichzeitig aber auch eine lokale Eigenheit auf: Der Eingangsbereich ist durch einen trapezoidalen Vorbau mit einem Muschelpflaster besonders hervorgehoben. Alle Strukturen sind einheimisch, sie gehören der letzten Phase der Endbronzezeit an. Die Keramik läßt daran keinen Zweifel. Scherben phönizischer Gefäße weisen ihrerseits mit aller Deutlichkeit auf die erste Kontaktphase zwischen der mächtigen einheimischen Bevölkerung und den phönizischen Enklaven an der Küste im frühen 8. Jh. v. Chr. Die eindrucksvolle Befestigungsanlage – der äußere 2380 m lange Mauerring soll bei künftigen Kampagnen aufgenommen werden – zeigt, daß es konfliktreiche Zeiten waren. Da im Grabungsmaterial keine organischen Reste erhalten waren, können für die absolute Datierung keine 14C-Daten herangezogen werden. Zudem ist es auch nicht möglich, Informationen zum damaligen Vegetationsbild zu gewinnen. Nach dieser ersten Kampagne sind für die kommenden Jahre weitere geplant. Kooperationspartner: C. González Wagner (Centro de Estudios Fenicios y Púnicos, Madrid) • Förderung: Gemeinde Manilva • Leitung des Projekts: D. Marzoli • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: D. Mielke, M. Carrilero Milan (†), C. Léon Martín, F. López Pardo, M. Torres Ortiz, T. Bergmann (Restaurierung), J. Fernández (Zeichenarbeiten), C. Meyer, E. Schönherr (Geophysik), J. Patterson (Photographie), R. Neef (Paläobotanik), E. Ajona, H. Domínguez, P. Eisenach, H. Mata, F. Paizal (Hilfskräfte und Praktikanten) • Abbildungsnachweis: D. Mielke (Abb. 6); D. Mielke, J. Fernández (Abb. 7); D. Mielke (Abb. 8); Umzeichnung, J. Fernández (Abb. 9). Mogador (Marokko) Auf der atlantischen Insel Mogador, auf der im 7. Jh. v. Chr. der am weitesten südwestlich gelegene bisher bekannte phönizische Handelsposten entstand, wurden – vorbereitend für die ab 2007 vorgesehenen Grabungen – Prospektionen und Vermessungsarbeiten durchgeführt (Abb. 10). Bei der Unternehmung handelt es sich um ein Gemeinschaftsprojekt der Abteilung Madrid und der KAAK des DAI. Die erstmalige auch GIS-fähige Vermessung der Insel erbrachte die Erstellung eines detaillierten Plans mit 1-Meter-Höhenlinien, mit dem bisher ca. 2/3 des Geländes erfaßt sind. Die Oberflächenbegehung erbrachte Funde, die mittelpaläolithische Silexgeräte, auffallend wenig phönizische, jedoch zahlreiche republikanisch bis spätrömische, islamische, rezente und z. Zt. noch unbestimmbare Keramik, Muschel und Meeres- wie Festlandsschnecken sowie zahlreiche Tierknochen umfassen, von denen ›Exotika‹ wie der Unterkiefer eines jungen Atlaslöwen und der Hornzapfen eines großen afrikanischen Büffels mit Sägespuren hervorzuheben sind. Bei der Verteilung der Oberflächenfunde sind Konzentrationen zu beobachten: römische und phönizische Funde im Südsektor der Insel, islamische im Nordsektor und mittelpaläolithische sowie römische im Nordostsektor. Eine Nekropole, die aus mindestens 24 Gräbern besteht, wurde im Nordsektor dokumentiert. Ihre Datierung ist vorerst unsicher, ihre Zuweisung mit großer Wahrscheinlichkeit islamisch. 146 Jahresbericht 2006 des DAI Mogador (Marokko) Abb. 10 Die Insel Mogador, die Stadt Essaouira und die Mündung des Ksob Abb. 11 Die Insel Mogador mit den geophysikalisch prospektierten Flächen Die archäologisch besonders interessant erscheinenden Areale wurden mit Geomagnetik und Georadar prospektiert (Abb. 11). Dabei zeichneten sich im südlichen, dem einzigen relativ windgeschützten und daher für eine Siedlung günstigen, Teil der Insel in einer Tiefe zwischen 50 und 150 cm kleinräumige Bauten ab. Sie liegen in einer Senke unmittelbar nördlich der kleinen Bucht, der allem Anschein nach einzigen in der Antike zugänglichen Anlegestelle. Geomorphologische Untersuchungen wurden auf der Insel und dem gegenüberliegenden Festland durchgeführt. Mogador besteht vollständig aus mehreren Äolianit-Generationen. Die Insel war einst Teil eines küstenparallel verlaufenden Dünenzugs, von dem sie vermutlich durch Küstenerosion im Zuge der holozänen Transgression getrennt wurde. Bei der Entwicklung Abteilung Madrid 147 paläogeographischer Szenarien ist zu berücksichtigen, daß der Meeresspiegel zur Zeit der vorgeschichtlichen Besiedlung z. T. erheblich tiefer war als heute. In altpaläolithischer Zeit gab es wiederholt Phasen, in denen die Menschen Mogador über eine Landverbindung erreichen konnten. Wann die Abtrennung zu einer Insel erfolgte, ist noch unbekannt. Eine Verlagerung der Mündung des Oued Ksob erfolgte um 2200 v. Chr. Etwa um die Zeitenwende mäandrierte der Fluß wieder zurück und verschüttete den Altarm mit seinen Sedimenten. Marine Sedimente in den Sümpfen nordwestlich von Essaouira und Spuren der Meeresspiegelschwankung, die an historischen Bauten dokumentiert werden konnte, liefern wichtige Hinweise auf eine dynamische Landschaftsentwicklung mit einschneidenden Veränderungen, die für die Interpretation der Besiedlungsgeschichte und des wandelnden Ökosystems bedeutend ist. Parallel zu den Untersuchungen auf der Insel wurden von der KAAK auf dem Festland bei Oberflächenbegehungen in einem Umkreis von ca. 30 km zahlreiche archäologische Fundplätze erfaßt. Sie erlauben es, Abschnitte der Besiedlungsgeschichte der Region bis in das Epipaläolithikum zu verfolgen (s. auch hier S. 215–217). Kooperationspartner: Institut National des Sciences de l’Archéologie et du Patrimoine (INSAP), Rabat (J. Benslimane, A. El Khayari) • Leitung des Projekts: D. Marzoli • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: A. El Bertei, A. Mikdad (Archäologie), H. Brückner, J. Lucas (Geomorphologie), J. Fernández (Zeichenarbeiten), Chr. Hartl Reiter (Vermessung), C. Meyer, E. Schönherr (Geophysik), E. Sulzer (Restaurierung) • Abbildungsnachweis: Delegation Provinz Essaouira (Abb. 10); Fa. Eastern Atlas, Chr. Hartl-Reiter (Abb. 11). Tharsis (Spanien) Im November wurde das Castro Cerquillo (Tharsis) in der Provinz Huelva topographisch vermessen und geophysikalisch untersucht (Abb. 12. 13). Die Siedlung liegt exponiert auf einem Hügel und ist aufgrund ihrer charakteristischen tellerartigen Form auch von weither sogleich erkennbar. Sie ist 1,08 ha groß, der Höhenunterschied von der Spitze bis zu dem Sporn beträgt 23 m (von 273 m bis 250 m). Abb. 12 Tharsis (Spanien), Castro Cerquillo von Norden 148 Jahresbericht 2006 des DAI Abb. 13 Tharsis (Spanien), Castro Cerquillo. Geophysikalisches Bild der Siedlung (Castro) Ziel dieser Forschung ist die Untersuchung der Kulturgrenze, welche zwischen Castro Cerquillo und Pico del Oro verläuft. Der erstgenannte Ort gehört in den indogermanischen ›keltischen‹ Bereich der Pyrenäenhalbinsel, der letztgenannte in den einheimischen turdetanischen, also phönizisch-punisch geprägten. Die Untersuchung verspricht Aufschluß über die Beziehungen der Siedlungen zueinander, da sie über wenigstens zwei Jahrhunderte gleichzeitig existieren. Das tertium comparationis bildet das Metall (Silber und Kupfer), das für beide zugänglich war. Durch die geophysikalische Untersuchung (Magnetik und Radar) wird sowohl regelmäßige wie auch unregelmäßige Bebauung erkennbar. Die regelmäßige ist offenbar auf den Südostbereich beschränkt. Es lassen sich zwei gleichförmige riegelartige Gebäude mit kompartimentierter Binnenraumstruktur (längliche Raumgrundrisse) erkennen, die sich gegenüberliegen. Dazwischen dürfte ein Weg verlaufen. Außerdem fallen ein großes, nahezu quadratisches sowie ein halbkreisförmiges Gebäude auf. Die für das nächste Frühjahr geplanten Grabungen werden darüber Aufschluß bringen. Das Tharsisprojekt ist in das Forschungscluster 2 »Innovationen: technisch, sozial« des DAI eingebunden. Kooperationspartner: Universität Huelva (J. A. Pérez Macías); Museo de Cerro de Andévalo (J. M. González Parrilla) • Leitung des Projekts: Th. G. Schattner • Mitarbeiter: Chr. Hartl-Reiter, J. Patterson (Photographie) • Abbildungsnachweis: DAI, Abteilung Madrid, J. Patterson (Abb. 12); Fa. Eastern Atlas unter Verwendung des topographischen Plans von Chr. HartlReiter (Abb. 13). Die Romanisierung einheimischer Heiligtümer im Westen der Iberischen Halbinsel I. São Miguel da Mota (Portugal) Die Kampagne im Heiligtum des Endovelicus in São Miguel da Mota bei Anlandroal wurde im Juni 2006 durchgeführt. Ziel war die Ausdehnung der Grabungsschnitte, die sich in den bisherigen Kampagnen seit 2002 ausschließlich auf die Hügelkuppe konzentriert hatten, auf den Abhang (Abb. 14). Auf diese Weise sollte ein Eindruck von dessen archäologischer Aussagefähigkeit erlangt werden, besonders von einer etwaigen römischen Bebauung, die durch den Fund von als Spolien verwendeten Granitquadern, einer Karyatide, des Abteilung Madrid 149 Abb. 14 São Miguel da Mota (Portugal), Heiligtum des Endovelicus. Aktueller Grabungsplan Schlußsteins eines Gewölbes sowie von römischer Baukeramik ausreichend bezeugt ist. Entsprechende Baubefunde im Gelände selbst fehlen bisher. Hierzu wurden zunächst die Schnitte 6 bis 8 angelegt, Schnitt 9 kam später hinzu. Erwartungsgemäß zeigte sich eine Zunahme der Mächtigkeit der Stratigraphie von ca. 20 cm in Schnitt 6 unterhalb der Kuppe bis ca. 140 cm in Schnitt 8 am Fuß des Hügels. Baubefunde fanden sich in den Schnitten 6, 8 und 9, teils gehören sie in die frühe Kupferzeit, teils sind sie römisch oder aber rezent. Der Schnitt 7 im mittleren Bereich des Abhangs zeitigte Funde, namentlich römische Bau- und Gebrauchskeramik, aber auch Rezentes, jedoch keine Baureste. Eine Überraschung stellte der Fund kupferzeitlicher Keramik wohl der ersten Hälfte des 3. Jhs. v. Chr. in einiger Menge (mehrere Dutzend Scherben) sowie einer zugehörigen Steinansammlung in Schnitt 6 dar, die angesichts des Zeitabstandes sowie der fehlenden Kontinuität natürlich keine Verbindung mit dem römischen Heiligtum haben. Entsprechende Funde, geringer an Zahl, wurden auch in Schnitt 9 beobachtet. Ferner kam in Schnitt 6, ebenso wie in Schnitt 9, eine Ost-West verlaufende Mauer von schlechter Qualität zutage, die zu dem Kirchlein des São Miguel gehören muß, da der entsprechende Maueransatz an der Kapelle auf alten Plänen eingezeichnet ist 150 Jahresbericht 2006 des DAI (vgl. MM 45, 2004, 200 Abb. 7). Es handelt sich ohne Zweifel um die Einfassungsmauer des Kirchhofs, die genau auf der orographischen Grenzlinie zwischen dem Plateau und dem Hang entlangschnürt. Die beiden Schnitte 6 und 9 am Hangansatz waren jedoch auch im Hinblick auf römische Funde am ergiebigsten (Abb. 15). In Schnitt 8 zeigte sich in einiger Tiefe (140 cm) eine Mauer, die römisch sein könnte. Da ein Mauerversturz nicht beobachtet wurde, muß dieser später weggeräumt worden sein. In Frage kommt die rezente Zeitepoche (19. Jh.), da entsprechende Scherben in dem dazugehörigen Horizont gefunden wurden. Im ganzen verfestigt sich der Eindruck, daß der Kernbereich des Heiligtums im wesentlichen von den in der Vergangenheit geborgenen Statuen mit den entsprechenden Sockeln und den Altären geprägt war. Eine Bebauung hat es gegeben, sie muß sich in einem vielleicht randlichen Bereich befunden haben (unter dem derzeitigen Gehöft?). Es dürfte sich um ein tempelloses Heiligtum gehandelt haben, dessen Kernbereich sich möglicherweise durch einen Platz auszeichnete, auf dem die angesprochenen Statuen und Altäre standen, oder der von diesen umstanden war. Kooperationspartner: Universität Lissabon (C. Fabião, A. Guerra) • Förderung: Instituto Português de Arqueología (IPA), Lissabon • Leitung des Projekts: Th. G. Schattner • Mitarbeiter: J. Patterson, M. Saraiva • Abbildungsnachweis: DAI, Abteilung Madrid, Endovellicus-Archiv, R. Komp, Chr. Hartl-Reiter (Aufnahme), L. de Frutos (Umzeichnung) (Abb. 14); D-DAI-Madrid Inst.-Neg. Nr. 28-05-8, J. Patterson (Abb. 15). Abb. 15 São Miguel da Mota (Portugal), Heiligtum des Endovelicus. Neufund eines Altars Die Romanisierung einheimischer Heiligtümer im Westen der Iberischen Halbinsel II. Cabeço das Fráguas (Portugal) Seit 2006 erforscht die Abteilung Madrid des DAI das Heiligtum und die Siedlung auf dem Cabeço das Fráguas nahe der Stadt Guarda. In der ersten Kampagne wurde zunächst eine Testgrabung durchgeführt. Der Platz ist zwar bereits seit dem 18. Jh. bekannt, hat jedoch erst in den 1960er und 1970er Jahren verstärkte Aufmerksamkeit gefunden, als die dort auf der Bergspitze in 1050 m Höhe in großen Lettern in den anstehenden Fels gehauene Inschrift das Interesse von Epigraphikern und Indogermanisten erweckte. Wenn sie auch in lateinischen Buchstaben gefaßt ist, so ist die Sprache doch lusitanisch – neuerdings westhispanisch genannt – und gehört also zu den Sprachen, die dem Siegeszug des Lateinischen zum Opfer gefallen sind. Im Zuge unserer Arbeiten wurde erneut eine Umschrift in Faksimile angefertigt (Abb. 16), die gegenüber älteren Lesungen einige Klarstellungen ermöglicht. Abb. 16 Cabeço das Fráguas (Portugal), Faksimile der Felsinschrift in lusitanischer Sprache Abteilung Madrid 151 OILAM . TREBOPALA ./ INDI . PORCOM . LABBO ./ COMMAIAM . ICCONA . LOIM/INNA . OILAM . VSSEAM ./TREBARVNE . INDI . TAVROM/ IFADEM [.]/ REVE . TRE[…] (Lesung M. J. Santos). Die Inschrift nimmt nach einhelliger Meinung auf eine Opferhandlung Bezug. Interessant ist, daß mit Schaf, Schwein und Rind Tiere erwähnt werden, die zur Suovetaurilia gehören. Das Zeugnis dieses altrömischen Opfers im abgelegenen Grenzgebiet zwischen Vettonen und Lusitaniern erscheint unerwartet und unvermittelt. Das Ziel der neu begonnenen Unternehmung ist die Erhellung des Umfeldes und Kontextes der Inschrift, der vollkommen unbekannt ist, sowie die Eingrenzung der Datierung, die bisher mit epigraphischen Argumenten in die Zeit zwischen dem 1. Jh. v. Chr. und dem 2. Jh. n. Chr. gesetzt wird. Daneben war das Verständnis von 14 Altären zu klären (Abb. 17), die nicht auf dem Berg selbst, sondern an seinem Fuße gefunden wurden (Abb. 18). Sie sind teils beschriftet, teils unbeschriftet, wie man weiß, einige sind inzwischen verschollen bzw. unbekannt verblieben. Einer der dort erwähnten Namen, Laebo, findet sich sowohl in der oben genannten Felsinschrift wie auch auf den Altären. Irgendwo am Fuße des Berges muß der Vicus der Ocelonenser liegen, von dem eine daselbst gefundene Inschrift Zeugnis gibt. 17 18 Cabeço das Fráguas (Portugal) Auf diese Weise ergaben sich Testgrabungen am Fuße (Sektor A) wie auch auf dem Gipfelplateau des Berges (Sektor B), an beiden Stellen wurden drei Schnitte angelegt. Im Sektor A konzentrierten sich die Schnitte zunächst auf den Bereich der Kapelle, die nach Aussage des Bauern, der heute dort wohnt, einige Vorgänger hatte. Das Ergebnis der Grabung war jedoch enttäuschend. Die Schnitte A1 und A2 stießen schon nach 10 cm auf den anstehenden Fels, Schnitt A3 konnte zwar über einen Meter tief gegraben werden, war aber nahezu fundleer. An Funden in den übrigen Schnitten ist fast ausschließlich römische Baukeramik bemerkenswert (Dachziegel und Backsteine), daneben fanden sich wenige vorrömische Scherben. Eine gut in den Fels gesetzte einschalige Mauer in Schnitt A1 scheint römisch zu sein. Im Sektor B sind die Schnitte so gelegt worden, daß einerseits die Inschrift in den Blick genommen wurde, andererseits aber auch das Castro, dessen Mauerreste dort auf dem Plateau sichtbar sind. Die Grabung erbrachte einen kurvig geführten Mauerzug. Insgesamt ergibt sich, daß die meisten der zahlreichen Scherbenfunde wohl der späten Bronzezeit angehören, deutlich Abb. 17 Römischer Altar aus Sektor A Abb. 18 Der Berg Cabeço das Fráguas (1050 m) von Westen 152 Jahresbericht 2006 des DAI weniger Funde sind in die Eisenzeit und zwar mehrheitlich in die Eisenzeit II (4/3.–1. Jh. v. Chr.) zu datieren, römische Funde fehlen nahezu, hier kann allein auf drei Fragmente von Dachziegeln verwiesen werden. Für die Formulierung eines Ergebnisses ist es zu früh, vielleicht jedoch wird es dahin gehen, daß das Castro zur Zeit der Felsinschrift nicht mehr bestand. Nach der Testkampagne im Juni 2006 konnten die Untersuchungen an diesem Platz im August fortgesetzt werden. Das Augenmerk konzentrierte sich dabei erneut auf den Sektor A am Fuße des Berges, da die Äcker dort nach der Ernte und vor der neuen Aussaat vom Bauern freundlicherweise der Grabung zur Verfügung gestellt wurden. In einem T-förmigen Schnitt wurde das Gelände großflächig aufgedeckt und bis auf den Fels hinunter ausgegraben, in der Hoffnung, Hinweise auf das dort vermutete mögliche Heiligtum zu finden, dem die 14 dort gefundenen Altäre zugewiesen werden, oder aber wenigstens auf den Vicus der Ocelonenser. Die Grabung erbrachte jedoch weder Mauerreste noch irgendwelche Hinweise auf Gräber, die sich nach Aussage des Bauern dort befunden haben sollen. Auch die tief eingreifenden Sporne des Pfluges, dessen Spuren auf dem Felsgrund stellenweise noch sichtbar waren, können diese vermeintlichen Reste nicht so vollkommen beseitigt haben, daß sich auch im Schutt keinerlei Hinweis, wie Bruchsteine, Kalkreste, Ziegelbruch u. a. m., darauf findet. So ist davon auszugehen, daß sich weder das vermutete Heiligtum noch der Vicus an dieser Stelle befunden haben. Der Befund war so enttäuschend, daß man wohl tatsächlich damit rechnen muß, daß die Altäre an der Stelle zusammengetragen wurden, wo man sie dann in den 1950er Jahren beobachtete. Auch auf den Vicus fehlt bisher jeglicher archäologische Hinweis. Abb. 19 Cabeço das Fráguas (Portugal), geometrisch verzierte Wandscherbe der Endbronzezeit Die Funde sind mehrheitlich bronzezeitlich, wohl endbronzezeitlich. Am interessantesten ist ein verziertes Wandungsfragment, das mit außerordentlich feinem geometrischem Dekor überzogen ist (Abb. 19); es handelt sich um eine Gattung, die in der Gegend verbreitet scheint. Eisenzeitliche Keramik wurde kaum verzeichnet, Römisches fehlt nahezu gänzlich. Es wiederholt sich also das Fundspektrum, das bereits im Juni in den Schnitten auf dem Gipfel des Berges in Sektor B zutage gekommen war. Alle Funde wurden gewissermaßen in ›Nestern‹ zwischen Rissen des anstehenden Granitfelsens auf dem Grunde des Schnittes gefunden. Da sich der Grabungsschnitt am Fuße des Berges in Hanglage befindet, deutet alles daraufhin, daß die Scherben durch die Kräfte der Erosion, namentlich des Regenwassers, abgeschwemmt wurden, sich in den Rissen des Felsens verfingen und liegen blieben. Ihre Lage ist also im Hinblick auf die eingangs gestellten Fragen nicht aussagefähig. Abteilung Madrid 153 Kooperationspartner: Universität Lissabon (C. Fabião, A. Guerra); Stadtarchäologie Guarda (V. Pereira) • Förderung: Stadt Guarda • Leitung des Projekts: Th. G. Schattner • Mitarbeiter: M. J. Santos, J. Fernández (Zeichenarbeiten), J. Patterson (Photographie) • Abbildungsnachweis: DAI, Abteilung Madrid, J. Fernández (Abb. 16. 17); DAI, Abteilung Madrid, Fráguas-Archiv, J. Patterson (Abb. 18); DAI, Abteilung Madrid, Fráguas-Archiv, M. J. Santos, Umzeichnung, J. Fernández (Abb. 19). Abb. 20 Monte do Facho (Spanien), Altar aus dem Heiligtum des deus lar Berobreus mit Dedikantennamen VRS[…] Munigua (Spanien), Steinbruch Mesa Herrera Abb. 21 Stufenartiger Abbau der Kalksteinblöcke Abb. 22 21 Keilspuren Die Romanisierung einheimischer Heiligtümer im Westen der Iberischen Halbinsel III. Monte do Facho (Spanien) Die Grabungen auf dem Monte do Facho wurden über die Monate Juni und Juli von den galicischen Kollegen unter Leitung von J. Suárez Otero fortgeführt. Sie galten in erster Linie der Erforschung des Castros, das für Besuchszwecke hergerichtet werden soll. Im Heiligtum des deus lar Berobreus selbst dauern die Grabungen zur Berichtszeit noch an, werden aber von Seiten der Abteilung Madrid mit dieser Kampagne abgeschlossen sein. Ziel ist die Ergrabung des westlichen Heiligtumsbereichs, in der Hoffnung, dort eine mögliche Begrenzung der area sacra zu finden. Die obersten Schichten sind nahezu fundleer und zeichnen sich durch einen großen Steinversturz aus, der wohl aus der Zeit der Errichtung des Leuchtturms (facho) stammt (17. Jh.), da auf dem Berg eine Wachmannschaft stationiert war, für deren Unterbringung Unterkunft geschaffen wurde. In dem Versturz fanden sich einige Altäre, unter denen einer deshalb von besonderem Interesse ist, da die Inschrift einen Dedikanten (Ursus?) nennt (Abb. 20). Kooperationspartner: Fundación Xacobeo, Santiago de Compostela (J. Suárez Otero, Leitung der diesjährigen Kampagne) • Förderung: Stadt Cangas de Morrazo • Leitung des Projekts: Th. G. Schattner, J. Suaréz Otero • Mitarbeiter: M. Koch, J. Patterson (Photographie) • Abbildungsnachweis: DAI, Abteilung Madrid, J. Patterson (Abb. 20). Munigua (Spanien) Im Zuge der Untersuchungen zur Wirtschaftsgrundlage der Stadt wurden im Jahr 2006 drei römische Steinbrüche in den Gemarkungen Mesa Herrera und La Jabata, die auf den Höhen nördlich bzw. südlich des Río Puerco liegen, untersucht und vermessen. Jeder von ihnen ist mehrere hundert Meter lang und erstreckt sich entlang von Abbruchkanten eines Plateaus (Mesa). Es handelt sich um Kalkstein, der in großen Blöcken gebrochen wurde, wobei Abmessungen um 60 cm bzw. 90 cm die Regel bilden. Der Stein wurde in Stu- 22 154 Jahresbericht 2006 des DAI fen abgebaut (Abb. 21), drei, gelegentlich vier Stufen sind ebenso sichtbar wie die Bruchspuren der Keile (Abb. 22). Die Steinbrüche selbst besitzen einen etwa halbkreisförmigen Grundriß. Im Inneren dieses Halbkreises liegen viele kegelförmige Erdhaufen mit dem Steinabschlag der Blöcke. In zwei Fällen wurden Siedlungsreste beobachtet, namentlich Hausgrundrisse, die sowohl als Wohnhäuser wie auch Werkstätten anzusprechen sind. In beiden Gemarkungen gibt es jeweils prähistorische Abris, die seit der Steinzeit aufgesucht wurden. Silexfunde in den Unterständen selbst wie auf dem gesamten Plateau geben Zeugnis davon. Kooperationspartner: Universität Huelva (J. A. Pérez Macías); Fa. Cobre Las Cruces, Sevilla (G. Ovejero) • Förderung: Fa. Cometal, Madrid • Leitung des Projekts: Th. G. Schattner • Mitarbeiter: Chr. Hartl-Reiter (Vermessung), J. Patterson (Photographie) • Abbildungsnachweis: DAI, Abteilung Madrid, Munigua-Archiv, Th. G. Schattner (Abb. 21. 22). Informationen im Internet unter: http://www.dainst.org/index_607_ de.html Römische Villen in Hispanien und Gallien – eine vergleichende Untersuchung zur Architektur, Ausstattung und Funktion römischer Prachtvillen im Westen des Römischen Reiches Im Rahmen des Dissertationsprojekts werden die römischen herrschaftlichen Villen der gallischen und hispanischen Provinzen, die vorerst als »Prachtvillen« zu bezeichnen sind, untersucht und in ihren architektonischen Konzepten sowie ihrer baugeschichtlichen Entwicklung miteinander verglichen. Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich dabei vom frühen 2. Jh. bis zum Ende des 4. Jhs. n. Chr., ein Zeitraum, in dem das römische System der Villenbewirtschaftung in beiden Provinzen bereits vollständig entwickelt war und das ländliche Siedlungsbild prägte. Da es keine klare Abgrenzung und Definition von ›Prachtvillen‹ gibt, sollen anhand bestimmter Merkmale – wie Länge der Fassade, Hofgröße, Verwendung bestimmter Raumformen und Ausstattung – Kriterien für eine Einteilung in kleinere, sog. villae rusticae, davon abgehoben größere und schließlich sehr große, bzw. besonders kostbar ausgestattete, Villen herausgearbeitet werden. Villen der letzten Kategorie können offensichtlich in unterschiedlichen Regionen unterschiedliche Formen und Größen haben, weshalb ein Vergleich hier besonders lohnend erscheint: Während z. B. in der Gallia Belgica die Portikusvilla mit Eckrisaliten oder Seitenflügeln auch bei sehr großen Anlagen die beinahe ›kanonische‹ Form darstellt, und bei diesen die Betonung zwangsläufig auf der Fassadengestaltung liegt, überwiegen auf der Iberischen Halbinsel die mediterran geprägten Peristylvillen, die sich über die Größe ihrer Peristylhöfe und deren Ausstattung mit Wasserbecken, Skulpturen und Gärten auszeichnen. Zur Bestimmung einer ›Prachtvilla‹ müssen also unterschiedliche Parameter angelegt werden, da unterschiedliche Gebäudetypen auch unterschiedliche Möglichkeiten der Selbstdarstellung bieten. Interessanterweise kann man beobachten, daß die Bauform der Portikus-Risalit-Fassade in der Spätantike auch zur repräsentativen Gestaltung von Villen auf der Iberischen Halbinsel herangezogen wird. Hier stellt sich die Frage, ob dies auf einen direkten interprovinzialen Austausch zurückgeführt werden kann oder ein reichsweites Phänomen der römischen Villenarchitektur vorliegt. Es ließ sich zudem feststellen, daß in den hispanischen Provinzen im 4. Jh. eine größere Vielfalt bei der Grundrißgestaltung von Villen vorherrschte, die auch in Aquitanien bemerkbar ist, wohingegen in den nördlicheren Gegenden eine stärkere Kontinuität und Einheitlichkeit bestand. Abteilung Madrid 155 Ziel der Untersuchung ist es schließlich, anhand des Vergleichs der beiden Provinzen, exemplarisch die überregionalen Konstanten des römischen Villenbaus von den jeweiligen lokalen Eigenheiten abzusetzen und den Einfluß des Zentrums Rom auf die Provinzen sowie deren Kontakte untereinander zu untersuchen. Projektbearbeiterin: B. Brühlmann Abb. 23 Córdoba (Spanien), Villa von ar-Rumanīya. Die Gartenterrassen der islamischen Hangvilla Die islamischen Villen von Córdoba (Spanien) Die islamischen Villen im Umfeld von Córdoba bieten die Chance, einerseits die Kontinuität der römischen Villentradition bis in das islamische Mittelalter zu verfolgen, andererseits römische und islamische Raumkonzepte miteinander zu vergleichen. Durch eine Bestandsaufnahme islamischer Villen sollen im Rahmen eines neuen Projekts die Grundlagen für einen solchen kulturübergreifenden Vergleich geschaffen werden. In diesem Jahr konnte die Bauaufnahme der Hangvilla von ar-Ruman¥ya in Angriff genommen werden (Abb. 23–25). Ar-Ruman¥ya, rund 10 km westlich der Altstadt von Córdoba gelegen, ist das größte bislang bekannte Beispiel einer islamischen Villa auf der Iberischen Halbinsel. Auf einer Fläche von 3,40 ha umfaßte sie vier Terrassen. Die oberste Terrasse wurde von Wohnund Repräsentationsbauten und einem großen Wasserbecken eingenommen, die unteren drei Terrassen von geometrisch gestalteten Ziergärten. Als Eigentümer wird ad-Dur¥, der Finanzminister des Kalifen al-Hakam II. (961–976 n. Chr.), vermutet. Zu den Ergebnissen der diesjährigen Bauaufnahme zählt die Beobachtung, daß die Gestaltung der Villa – die Lage ihrer Säle, Wasserbecken und Gartenterrassen – weitgehend auf der vor ihrem Bau vorgefundenen topographischen Situation beruht. Ein sommertrockener Bach und eine natürliche Quelle wurden geschickt genutzt, um die Bewässerung der Gärten zu gewährleisten. Zudem wurde die umgebende Landschaft – der Blick über das Tal des Guadalquivir und die Lage zwischen den Hügeln – in der Gesamtkomposition der Villa berücksichtigt. Besonders eindrucksvoll kommt dies bei der Anlage eines Saales zur Geltung, dessen Reste bei der Bauaufnahme erstmals identifiziert werden konnten. Der Saal lag direkt über dem Staudamm des 156 Jahresbericht 2006 des DAI Córdoba (Spanien), Villa von ar-Rumanīya Abb. 24 Grundriß der Gesamtanlage (M. 1 : 2000) Abb. 25 Orthogonal entzerrte Ansicht einer Begrenzungsmauer der Gartenterrassen 24 25 großen Wasserbeckens bzw. über dessen Auslauf und war mit großen Arkaden ausgestattet, die einerseits einen Blick auf das Wasserbecken, andererseits auf das Flußtal erlaubten. Ein solch enger Bezug zwischen Bauwerk und Landschaft ist in der islamischen Architektur selten anzutreffen und könnte auf den Einfluß römischer und so letztlich hellenistischer Raumvorstellungen zurückgehen. Im kommenden Jahr soll die Bauaufnahme der Villa fertiggestellt werden. Im Anschluß sind punktuelle Grabungen vorgesehen, von denen unter anderem Hinweise auf die ehemalige Bepflanzung der Gartenanlagen der Villa zu erhoffen sind. Ergänzt wird die Bauaufnahme der Villa von ar-Ruman¥ya durch die Aufarbeitung von Notgrabungen, bei denen in den vergangen Jahre im Umfeld von Córdoba Reste islamischer Villen zutage getreten sind. Unter anderem werden dabei die Ergebnisse einer Grabung in der Nähe des heutigen Bahnhofs ausgewertet. In Stadtrandlage wurden hier die Reste einer großflächigen Anlage freigelegt, bei der es sich um die Villa des Premierministers Ğacfar Abteilung Madrid 157 Abb. 26 Córdoba (Spanien), Villa von al-Mushafī. Rekonstruktionsversuch einer islamischen Villa, deren Reste bei einer Notgrabung am Stadtrand von Córdoba entdeckt wurden al-Mushaf¥ (gest. 983 n. Chr.) gehandelt haben könnte (Abb. 26). Die Villa umfaßte sieben Höfe, von denen zwei als Garten gestaltet waren. Anhand eines Modells wurden die Möglichkeiten getestet, das ursprüngliche Aussehen der Villa zu rekonstruieren. Kooperationspartner: Colegio de Arquitectos de Córdoba (R. Obrero); Conjunto Arqueológico de Madinat al-Zahra (A. Vallejo Triano); Gerencia Municipal de Urbanismo, Córdoba (J. F. Murillo Redondo); Universidad Autónoma de Madrid (A. Canto García) • Leitung des Projekts: F. Arnold • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: M. Hofmann, Ch. Kirzinger, Th. Köberle (Geologie), A. Kreisel, A. Waldmann • Abbildungsnachweis: F. Arnold (Abb. 23); Zeichnung, F. Arnold, nach R. Velázquez Bosco, Medinat Azzahra y Alamiriya (Madrid 1912) Taf. 5, M. Barceló; A. Kreisel (Abb. 24); Modell, F. Arnold, Ch. Kirzinger (Abb. 26). Informationen im Internet: http://www.dainst.org/index_7244_de.html Wissenschaftliche Veranstaltungen Hauskolloquien 8. Mai Thomas X. Schuhmacher (Madrid), Objetos de marfil del Calcolítico y el Bronce Antiguo en la Península Ibérica. Lineas generales de un nuevo proyecto de investigación interdisziplinar; Arun Banerjee (Mainz), Investigation of Archaeological and Modern Ivory Objects by non Destructive Spectroscopic Methodsxxx6. Juni (in Zusammenarbeit mit der Asociación Española de Amigos de la Arqueología) Lourdes Roldán Gómez (Madrid), El territorio costero de Carteia (San Roque, Cádiz). Estructuras portuarias y taller de púrpuraxxx21. Juni: Fedor Schlimbach (Göttingen), Die acht Kapitelle der Basilica San Juan de Baños de Cerrato (Palencia) – Ein fest datiertes Ensemble des 7. Jhs. Workshop für junge Wissenschaftler 20./21. April und 1./2. Juni Workshop »Taller de Arqueología para Jóvenes Investigadores: Espacio, territorio y poblamiento en el mundo Ibérico« (in Zusammenarbeit mit der Casa de Velázquez, Madrid, Leitung: Dirce Marzoli, Pierre Moret). – Es sprachen: Javier Baena Preysler (Madrid), Presente y futuro en la aplicación de los signos a la arqueología; Ignacio Grau Mira (Alicante), Sobre la metodología de aplicación de tecnología digital en la arqueología del 158 Jahresbericht 2006 des DAI paisaje; Andrea Moreno Martín (Valencia), Paisaje y territorio: El proceso de territorialización de la ciudad ibérica de Kelin (Caudete de las Fuentes,Valencia); Mar Zamora Mercha (Madrid), Territorio y espacio en la protohistoria. Estudios de visibilidad: el caso de la Cuenca del Geníl; Francisco José García Fernández (Sevilla), Paisaje y sociedad en la campiña de Sevilla (II. Edad del hierro); Antonio Uriarte González (Madrid), El sendero y la morada. La evolución de las sociedades protohistóricas en la Cuenca del Guardiana menor (Andalucía Oriental); Pierre Moret (Madrid), Sobre la utilización de las fuentes literarias – especialmente las fuentes geográficas/grecolatinas – en estudios sobre territorios y etnias protohistóricas; Alejandro Ros Mateos (Barcelona), El mundo ibérico en la Cessetania: de la plenitud a la disolución (siglos III–I a.c.); Xavier Bermúdez López (Barcelona), Los ilergetes: etnia y territorios; Lola López Mondejar (Murcia), La bastetanía ibérica y su integración en el mundo romano; Francisco Burillo Mozota (Zaragoza), Tiempo y espacio, dos variables en el análisis del poblamiento celtibérico e ibérico del valle medio del Ebro; Claudia Pankau (Frankfurt a. M.), Diachronic Settlement Analyses in the Eastern Swabian Alp, South Germany, from the Neolithic until the Latène Period; David Bea Castaño (Tarragona), El poblamiento protohistórico de la tierra alta y el bajo Aragón: evolución social, política y económica (siglos VII–IV a.n.e.); David Garcia i Rupert (Barcelona), El poblamiento de la primera edad de hierro en la Cuenca del Río Sénia (SS. VIII a VI a.n.e.); Rosa Plana Mallart (Pau), Territorio, espacio rural y paisaje periurbano de la comunidad de Ullastret en el área nordeste de la costa catalana: la aportación de la prospección sistemática; Daniel Joly (Aix-en-Provence), Cultures materielles en territoire indikete (IIe siecle av. J.-C.); Jesús Moratalla Jávega (Alicante), Organización del territorio y modelos de poblamiento en la Contestania Ibérica; Jaume Noguera Guillén (Barcelona), Génesis y evolución de la estructura del poblamiento ibérico en el curso inferior del ebro: la llercavonia septentrional; Miachael Blech (Freiburg), Paisajes arqueológicos: Una visión alemana. Dirce Marzoli (Madrid), El territorio ampuritano: deducciones a partir de una investigación interdisciplinar; Virginie Ropiot (Besancon), Hommes et rivières durant la protohistoire en mediterranee nord-occidentale; Carmen Ruedagalán (Jaén), Culto e imagen en los territorios Ibéricos (siglos IV a.n.e.–I d.n.e.); Laura Wiña (Jaén), Poblamiento Ibérico en los valles de los ríos San Juan y Víboras (Sierra Sur, Jaén). Tafelrunde 25. Oktober Tafelrunde zum Thema »Textos e imagenes para historiar el fascismo« (in Zusammenarbeit mit der Universität Carlos III., Madrid, Instituto de Historiografía »Julio Caro Baroja«, Leitung: Jaime Alvar, Dirce Marzoli, Moderation: Mirella Romero Recio). – Es sprach: Sylvia Diebner (Rom), Iconografía dell’Impero fascista. La Stazione Ostiense a Roma (Hauptvortrag). Es nahmen teil: José Beltrán (Sevilla), Antonio Gonzales (Besancon), Walter Trillmich (Berlin), Fernando Wulff (Málaga). Öffentlichkeitsarbeit Aus Anlaß des 50. Jubiläums der deutschen Ausgrabungen in dem römischen Munizipium von Munigua (Provinz Sevilla, Spanien), eine der ältesten Grabungsunternehmungen der Abteilung Madrid des DAI, fanden an zwei Tagen in Sevilla sowie in Villanueva del Río y Minas und in Munigua Feierlichkeiten statt. Abteilung Madrid 159 Im Museum von Sevilla wurde am Freitag, dem 19. Mai, dem breiten Publikum eine ganztägige Vortragsreihe geboten, die Einblick in die verschiedenen Themen und Fragestellungen gibt, welche im Laufe der Jahre in Munigua behandelt worden sind. Die beteiligten Archäologen, Bauforscher, Denkmalpfleger, Epigraphiker, Geologen, Metallurgen und Geophysiker aus Spanien, Deutschland, Portugal und England berichteten darüber (s. u.). Eine Ausstellung, die am Abend durch den Generaldirektor der andalusischen Museen, Pablo Díaz, als Vertreter der andalusischen Kultusministerin und durch den deutschen Generalkonsul in Sevilla, Michael Richtsteig eröffnet wurde, rundete diese Veranstaltung ab. Zu dem Ereignis erschien ein Heft, das Ausstellung und Berichte zusammenfaßt. Am 20. Mai wurde vormittags in dem Ort Villanueva del Río y Minas, der Munigua am nächsten liegt, eine weitere Ausstellung eröffnet, in der sich das Deutsche Archäologische Institut und besonders die Abteilung Madrid mit einigen ihrer Projekte präsentierte. Am Nachmittag folgte sodann der Besuch, die Besichtigung und die Führung durch die Ruine sowie anschließend ein Fest daselbst. – Es sprachen: Theodor Hauschild (Mafra), Los comienzos de la investigación; Fransisco Fernández (Sevilla), Historia de la investigación; Mercedes Vegas (Oxford), Las necropolis; Michael Blech (Freiburg), Las terracottas; Carlos Basas (Valladolid), La cerámica; Felix Teichner (Frankfurt a. M.), Las casas; Helena Gimeno Pascual (Alcalá de Henares), Las inscripciones; Francisca Chaves (Sevilla), Las monedas; Lourdes Roldán Gómez (Madrid), Técnicas construtivas; José Maria Rodríguez Hidalgo (Sevilla), Las restauraciones; Laureano de Frutos (Madrid), La documentación gráfica; Cornelius Meyer (Berlin) – Burkart Ullrich (Berlin), Geofísica en Munigua; José Beltrán Fortes (Sevilla), Aras, pedestales, y sarcófagos; Antje Krug (Berlin), Hallazgos menores; Gobain Ovejero (Sevilla), La Geología; Juan Aurelio Pérez Macías (Huelva), Metalurgía; Carlos Fabião/ Lisboa, Ánforas; Thomas G. Schattner (Madrid), Diferentes perspectivas de la investigación en Munigua; Pilar León (Sevilla), Valorización, clausura y final del acto. Den Festvortrag hielt: Armin U. Stylow (Alcalá de Henares), Mis andanzas epigráficas por Andalucía. Am 2. Februar wurde eine neue Informationsbroschüre der drei deutschsprachigen Bibliotheken in Madrid (DAI, Goethe-Institut und Goerres-Gesellschaft) im Goethe-Institut Madrid der Öffentlichkeit präsentiert. Am 9. März gab D. Marzoli in Mogador (Marokko) ein Interview für das 1. Marokkanische Fernsehen.An dem Interview beteiligten sich auch J. Eiwanger, A. Mikdad und A. El Bertai. D. Marzoli nahm am Vormittag des 28. April im Archäologischen Museum von Tarragona an einer Pressekonferenz zur Photoausstellung »Blick-Mira!« teil. D. Marzoli, M. Kunst und J. Patterson gaben am 28. April anläßlich der Photoausstellung »Blick-Mira!« im Archäologischen Museum von Tarragona ein Interview für das katalanische Fernsehen. Am 19. Mai gaben D. Marzoli und Th. G. Schattner im Archäologischen Museum von Sevilla eine Pressekonferenz anläßlich der Tagung und Ausstellung: »50 Jahre Deutsche Ausgrabungen und Forschungen in Munigua«. Am 20. September nahm Th. G. Schattner im Rahmen der Tagung »Spolien im Umkreis der Macht« an einer Pressekonferenz teil und gab ein Interview für den Fernsehsender »Television Castilla – La Mancha». Ausstellungen Bei der Photoausstellung »Blick-Mira!« (in Zusammenarbeit mit dem Archäologischen Nationalmuseum Tarragona [Pilar Sada, Francesc Tarrats], Leitung: 160 Jahresbericht 2006 des DAI Dirce Marzoli, Pilar Sada, Mitarbeit: Michael Kunst, John Patterson [Photographie]) wird anhand von 80 sw-Bildern, vor allem der Photographen P. Witte und J. Patterson sowie D. M. Noack, P. Grunewald, R. Friedrich und dreisprachigen Informationsbahnen die Arbeit der Madrider Abteilung in ihrem Spanien, Portugal und Marokko umfassenden Arbeitsgebiet thematisiert, wobei nicht nur Ausgrabungen der Abteilung sondern archäologische Monumente und Landschaften sowie Personen zur Geltung kommen. Ein 213 Seiten und 125 Bilder umfassender Katalog begleitet die Ausstellung. In ihrem ersten Standort, dem Archäologischen National Museum in Tarragona wurde Blick-Mira! von ca. 30 000 Besuchern besichtigt und fand auch bei den Medien eine äußerst positive Resonanz. Zambujal (Portugal) Abb. 27 Rekonstruktion von Turm B durch F. Arnold in Zusammenarbeit mit M. Kunst aufgrund der von E. Sangmeister und H. Schubart 1981 in MB 5,1 veröffentlichten Zeichnungen Abb. 28 Rekonstruktion von Turm B im M. 1 : 1 im Museum von Torres Vedras aufgrund der Zeichnungen von F. Arnold, die Arbeiten wurden in Styropor mit Lehmbewurf und Bemalung sowie einer hölzernen Innenkonstruktion von L. J. Trindade ausgeführt 27 28 Anläßlich des 15. Kongresses der Union Internationale des Sciences Préhistoriques et Protohistoriques (UISPP), der Anfang September in Lissabon tagte, wurde die Ausstellung »Zambujal, Vida, Guerra e Cómercio no 3° Milenio« (Leitung: Michael Kunst, Mitarbeit: Nina Lutz, Olga Moreira [Design der Ausstellung]) eröffnet. In der Ausstellung, die bis September 2007 zu sehen sein wird, ist u. a. die Rekonstruktion des so genannten Turmes B im Maßstab 1 : 1 zu sehen (Abb. 27. 28). Abbildungsnachweis: J. Patterson (Abb. 28). Veröffentlichungen Madrider Mitteilungen 47, 2006 Iberia Archaeologica 7: S. J. van Willigen, Die Neolithisierung im nordwestlichen Mittelmeerraum Iberia Archaeologica 8: Th. G. Schattner – F. Valdés Fernández (Hrsg.), Stadttore – Puertas de la Ciudad. Bautyp und Kunstform. Tagung in Toledo vom 26. bis 29. September 2003 Iberia Archaeologica 9: M. Luik, Renieblas V Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik 161 Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik, München Forschungen Corpus Inscriptionum Latinarum II2: Die lateinischen Inschriften der Iberischen Halbinsel Die Internetpräsenz dieses Langzeitprojekts wurde 2006 wesentlich verstärkt. Jetzt ist der erste Teil der Datenbank mit dem epigraphischen Nachlaß des bekannten Altertumswissenschaftlers und Direktors der Real Academia de Historia F. Fita im Portal der Biblioteca Virtual Cervantes zugänglich (http:// www.cervantesvirtual.com/portal/archivo_jesuitas). Auch die Webseite des Centro CIL II wurde neugestaltet. Auf ihr sind nun die rund 250 Inschriften der Comunidad de Madrid (Conventus Caesaraugustanus und Carthaginensis bzw. Lusitanien) komplett zugänglich, ebenso wie die über 100 Inschriften unsicherer oder unbekannter Herkunft im Madrider Museo Arqueológico Nacional. Daneben beschäftigte sich der Leiter der Arbeitsstelle, A. U. Stylow, der im August 2006 in den Ruhestand trat, gemeinsam mit Ch. Schuler und H. Gimeno Pascual mit deren künftiger Organisation. Zahlreiche Gespräche mit verschiedenen Partnern hatten zum Ziel, eine neue Unterbringung für die Arbeitsstelle zu finden, da diese aufgrund ihres wachsenden Archivbestandes an die Grenzen ihrer räumlichen Kapazitäten stößt und ihre Finanzierung neu gestaltet werden muß. Das Gremium der leitenden Herausgeber des CIL II2, dem weiterhin G. Alföldy (Heidelberg), M. Mayer Olivé (Barcelona) und A. U. Stylow angehören, wird künftig durch J. M. Abascal Palazón (Alicante) verstärkt. Ch. Schuler, R. Haensch und A. U. Stylow organisierten und leiteten gemeinsam das internationale Kolloquium »Aufkommen, Entwicklung und Transformation des epigraphic habit in den hispanischen Provinzen«, das von der DFG gefördert wurde und vom 5. bis 7. November stattfand. 22 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Spanien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Kanada, darunter viele Mitarbeiter des CIL, trafen sich in München, um eine Zwischenbilanz zu ziehen und die Zukunft des Projekts zu diskutieren. Das vorgegebene Thema stellte die Ziele und Möglichkeiten der Corpus-Arbeit in den Mittelpunkt und griff mit der Frage nach dem epigraphic habit – also den kulturell bedingten Gewohnheiten bei der Erstellung von Inschriften – ein Konzept auf, das nicht nur für Hispanien, sondern auch für die internationale epigraphische Forschung insgesamt von zentraler Bedeutung ist. Bei der Tagung konnte eine erdrückende Fülle von vielfach unpubliziertem Material vorgestellt und diskutiert werden. Einigkeit bestand darin, daß Inschriftensteine möglichst ganzheitlich als Monumente in ihrem architektonischen und räumlichen Zusammenhang betrachtet werden müssen und daß dieser Zugang die Bündelung einer Vielfalt von Methoden verlangt. Je vollständiger die einzelnen Monumente in dieser Weise aufgearbeitet sind, um so eher lassen sich übergreifende Fragestellungen wie diejenige nach dem epigraphic habit untersuchen. Für die Iberische Halbinsel machte die Tagung deutlich, daß die empirische Erprobung eines solchen Konzepts wegen der Fülle an vielfach noch unveröffentlichten Neufunden und der zersplitterten Publikationslage in vielen Regionen schwierig ist. Vor diesem Hintergrund bekräftigten die Teilnehmer die Notwendigkeit, die Arbeit an CIL II2 fortzusetzen. Kooperationspartner: Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Akademievorhaben »Corpus Inscriptionum Latinarum«; Universität Alcalá • Förderung: DFG; Beihilfen vom spanischen Ministerio de Educación y Cultura und der Autonomen Region Madrid aufgrund von Projektanträgen, vermittelt von J. L. Moralejo Álvarez (Universität Alcalá) • Leitung 162 Jahresbericht 2006 des DAI des Projekts: A. U. Stylow • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: H. Gimeno Pascual, M. J. Albarrán Martínez, E. Sánchez Medina. Corpus der Urkunden der Römischen Herrschaft Das Projekt, das die in Inschriften und auf Papyri erhaltenen gesetzlichen Erlasse und Schreiben der römischen Kaiser, Statthalter und Prokuratoren im Wortlaut und in Übersetzung vorlegen und mit einem Kommentar erschließen will, schritt in verschiedener Hinsicht voran. Vom 1.–3. Juli wurde in München ein von der Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung finanziertes internationales Kolloquium »Selbstdarstellung und Kommunikation. Die Veröffentlichung staatlicher Urkunden auf Stein und Bronze in der römischen Welt« durchgeführt. Das Kolloquium wollte von internationalen Experten der Fächer Archäologie, Alte Geschichte, Epigraphik, Papyrologie und Römisches Recht grundsätzlich erörtern lassen, in welchen Zusammenhängen Urkunden des römischen Staates auf Stein oder Bronze veröffentlicht wurden. Einzelne Forschungsbeiträge der letzten Jahrzehnte hatten anhand von Einzelbeispielen gezeigt, wie problematisch die verbreitete Überzeugung ist, nach der solche Urkunden normalerweise auf Stein oder Bronze verewigt worden wären. Wenn aber trotz der für antike Gesellschaften so charakteristischen Praxis, Inschriften zu erstellen, die Veröffentlichung eines solchen Dokumentes auf Stein oder Bronze eher die Ausnahme als die Regel darstellte, dann war grundsätzlich zu untersuchen, wer – Einzelpersonen, Gemeinden oder römische Autoritäten – denn in welchem Umfang für eine dauerhafte Publikation welcher Dokumente des römischen Staates sorgte und aufgrund welcher Motive. Die Vorträge des Kolloquiums boten nicht nur nach Epochen und Initiatoren gegliederte Zusammenstellungen der inschriftlich aufgezeichneten Dokumente und darauf aufbauend methodische Überlegungen zu den Faktoren, die zu einer Verewigung solcher Urkunden als Inschrift führten, sondern sie stellten auch mehrfach wichtige, bisher unpublizierte Dokumente der kaiserlichen Kanzleien vor. Angesichts des breiten Interesses und der vielversprechenden Ergebnisse des Kolloquiums wurde vereinbart, die Vorträge bis Anfang 2007 auszuarbeiten und dann als geschlossenen Band zu publizieren. Die Papyrologin und Rechtshistorikerin C. Kreuzsaler arbeitete für 6 Monate an der Kommission. Ihre Aufgabe bestand darin, die bisherigen Editionen der auf Papyrus erhaltenen Edikte und Briefe der Präfekten Ägyptens anhand von Photos oder Scans der Originale kritisch zu revidieren. Diese Revision erbrachte in vielen Fällen eine deutliche Textverbesserung, oft auch mit Folgen für die inhaltliche Interpretation. Als Beispiel sei ein Brief (Abb. 1) des Statthalters M. Mettius Rufus an einen Strategen Ägyptens genannt, einen der zentralen Amtsinhaber auf der lokalen (Gau-)Ebene, in dem er ihn von der geplanten Ablösung eines Staatspächters informierte. Der Berliner Papyrus ist nur fragmentarisch erhalten, weshalb der eigentliche Grund des Schreibens – warum also der Gaubeamte über diese Ablösung informiert werden mußte – bislang nicht klar war. Durch die Neulesung des Textes wurden gegenüber der Erstedition nicht mehr als fünf Buchstaben verändert. Das hat aber nicht nur Auswirkungen auf die Datierung des Dokumentes (und unsere zeitliche Einordnung des Gouverneurs), sondern führte auch zu einem grundlegend besseren Verständnis des Textes: Der Statthalter forderte den Beamten auf, ihm Namen anderer Kandidaten für das wenig geschätzte, da zwangsweise auferlegte, Amt mitzuteilen. Das paßt zu dem, was man aus einer anderen, generellen Anordnung desselben praefectus Aegypti erfährt: Offensichtlich hatte dieser Gouverneur die Modalitäten der Nominierung solcher Kandidaten Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik 163 Abb. 1 Urkunden der Römischen Herrschaft, Photo des Papyrus mit der Abschrift des Statthalterbriefes (pBerlin Inv.-Nr. 21575) für die gesamte Provinz in wichtigen Punkten verändert. Die beiden Papyri bieten eines der wenigen Beispiele aus der Antike dafür, daß im Falle einer administrativen Reform sowohl die grundsätzliche Anordnung wie auch ein Beispiel für die praktische Umsetzung erhalten blieb. Förderung: Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung • Leitung des Projekts: R. Haensch • Mitarbeiter: C. Kreuzsaler, R. Färber, A. Stürmer • Abbildungsnachweis: Ägyptisches Museum und Papyrussammlung der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Photo I. Geske (Abb. 1). Münzen kleinasiatischer Städte (Türkei) Im Rahmen der Publikationsvorbereitungen für mehrere Münzcorpora kleinasiatischer Städte war die Ikonographie städtischer Prägungen aus der hellenistischen Periode und der Hohen Kaiserzeit zu erforschen. In diesem Zusammenhang setzte sich J. Nollé mit einer Münze (Abb. 2) der lydischen Stadt Philadelpheia (dem heutigen Alaşehir) aus der Zeit des Kaisers Decius (251–253 n. Chr.) auseinander. Sie thematisiert die freundschaftlichen Beziehungen zwischen dieser Stadt und der ionischen Metropole Ephesos. Dazu stellte man auf der Rückseite dieser Münze Iphigenie, ihren Bruder Orest und dessen Freund Pylades vor einem stilisierten Tempel dar. Iphigenie hält eine Artemisstatue in ihrem Arm. Bisher war nicht geklärt, warum dieses Münzbild von Philadelpheia ausgewählt worden war. Der Grund liegt in dem Umstand, daß sich Philadelpheia und Ephesos für verwandte Städte 164 Jahresbericht 2006 des DAI Münzen kleinasiatischer Städte (Türkei) Abb. 2 Münze aus Philadelpheia. Iphigenie, Orest und Pylades begründen den Artemiskult der Stadt Abb. 3 Münze aus Sillyon. Der Mondgott Men als Reitergott und Nothelfer hielten, da sie miteinander verwandte mythische Gründer hatten. In Ephesos soll Agamemnon, der König von Mykene und Anführer der Griechen im Trojanischen Krieg, mehrere bedeutende Heiligtümer gegründet haben, in Philadelpheia richteten Agamemnons Kinder Iphigenie und Orest den Kult der Artemis ein. Das Kultbild der Artemis hatten sie nach dem Mythos den barbarischen Taurern am Schwarzen Meer weggenommen – der Stoff wird auch in Goethes Iphigenie behandelt – und nach Philadelpheia gebracht, wie es die erwähnte Münze zeigt. Auf der Verwandtschaft von Gründern basierte nach antiken Vorstellungen die Verwandtschaft ganzer Städte miteinander. Das kleinere Philadelpheia war sichtlich stolz auf seine Verwandtschaft mit der größten Stadt des antiken Kleinasien, auf die es auch schon in einer Inschrift aus der Zeit Domitians hingewiesen hatte. Im Falle der kleinen pamphylischen Stadt Sillyon ist anhand der Münzen ein deutlicher religiöser Wandel zu beobachten. Während in der hellenistischen Epoche und der frühen Kaiserzeit Apollon, Zeus und Ares die wichtigsten Stadtgötter waren, übernimmt seit der Zeit des Antoninus Pius der kleinasiatische Mondgott Men diese Rolle. Seit der Mitte des 2. Jhs. v. Chr. ist er die am häufigsten dargestellte Gottheit von Sillyon (Abb. 3). Auf vielen Münzen ist seine Büste mit phrygischer Mütze und der Mondsichel hinter den Schultern dargestellt, auf einigen ist er als Reitergott wiedergegeben. Wahrscheinlich soll damit auf seine Funktion als schnell einsatzbereiter Schutzgott und Nothelfer hingewiesen werden. Ansprechpartner: J. Nollé • Abbildungsnachweis: nach P. R. Franke – M. K. Nollé, Die Homonoia-Münzen Kleinasiens und der thrakischen Randgebiete I (Saarbrücken 1997), Taf. 80 Nr. 1729 bzw. SNG von Aulock Nr. 4873 (Abb. 2–3). Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik 165 Lykien (Türkei) Ch. Schuler setzte die Publikation des bei verschiedenen Surveyunternehmen auf den Territorien der zentrallykischen Poleis Kyaneai, Phellos und Myra gesammelten Materials fort. Das Studium von Sarkophaginschriften aus dem Grenzgebiet zwischen Phellos und Kyaneai führte zu einer genaueren Festlegung der Polisgrenzen in einem Bergland, das bisher als Teil des Territoriums von Kyaneai betrachtet wurde. Demgegenüber zeigen die neu aufgenommenen Inschriften die Zugehörigkeit des Gebietes und damit auch der dortigen Landgemeinde (peripolion) Tyinda zu Phellos. Mehrere hellenistische Inschriften aus Trysa (Territorium von Kyaneai) sind gemeinsam mit A. V. Walser herausgegeben und kommentiert worden. Zwei hellenistische Dekrete zeigen erstmals, daß die Gemeinde (demos) von Trysa von einem demarchos geleitet wurde und daß der Tempel, der den kultischen Mittelpunkt der Gemeinde darstellte, der in Zentrallykien beliebten Gottheit Eleuthera geweiht war. Die in Trysa faßbaren kommunalen Institutionen liefern wichtige Parallelen für die Gemeinde von Tyberissos, deren Inschriften jetzt für die Publikation vorbereitet werden sollen. In einer dritten Publikation konnten die Inschriften des demos von Istlada auf dem Gebiet von Myra geschlossen vorgelegt werden. Abgesehen von einem Grabaltar umfaßt das kleine Corpus ausschließlich Sarkophaginschriften, die jedoch in mehrerer Hinsicht von besonderem Interesse sind. Bisher singulär ist die in einer späthellenistischen oder frühkaiserzeitlichen Inschrift (Abb. 4) belegte kommunale Kasse mit der Bezeichnung TOYXOMENDIOS logos. Das Wort läßt sich sprachlich nicht zweifelsfrei auflösen, bezieht sich aber offenbar auf die aus lykischen und frühen griechischen Inschriften bekannte Institution der Mindis, die in der lykischen Kultur der klassischen Zeit mit der Aufsicht über die Gräber betraut war. Das Hapax ist demnach einer der wenigen Belege aus Kleinasien für das Weiterleben einer epichorischen Institution im Hellenismus und die Übernahme des zugehörigen Begriffes in die griechische Sprache. Ein weiterer Text liefert einen neuen Beleg für den seltenen Begriff probouleusimon, einen für das kaiserzeitliche Lykien spezifischen Terminus technicus der städtischen und bundesstaatlichen Administration. Er bezeichnet Dekrete, die vor ihrer endgültigen Verabschiedung in der Volksversammlung auf dem Weg der probouleusis im Rat der Polis, in diesem Fall von Myra, vorberaten und genehmigt worden waren. Der Terminus unterstreicht die dominierende Stellung, die der Rat in den kaiserzeitlichen Städten nicht nur in Lykien einnahm. Der neue Beleg aus Istlada illustriert zudem die Zuständigkeit von Rat und Volksversammlung in Fragen des Grabrechts im römischen Lykien. Reiche Infor- Abb. 4 Lykien (Türkei), gut erhaltener Sarkophag in situ. Gemäß der Inschrift errichteten vier Brüder das Grab für sich und ihre Familien. Für den Fall einer widerrechtlichen Öffnung wurde eine Geldbuße angedroht, die an die rätselhafte TOYXOMENDIS-Kasse zu zahlen war 166 Jahresbericht 2006 des DAI mationen über Onomastik und Familienstrukturen, darunter ein Hinweis auf die Rolle der Mitgift (proix) bei der Eheschließung, zeichnen insgesamt das Bild einer traditionsorientierten dörflichen Gemeinschaft. Kooperationspartner: Kleinasiatische Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften; Lykien-Projekt der Abteilung für Alte Geschichte der Eberhard-Karls Universität Tübingen (F. Kolb); Th. Marksteiner (Österreichisches Archäologisches Institut); M. Zimmermann (Ludwig-Maximilians-Universität München) • Ansprechpartner: Ch. Schuler • Abbildungsnachweis: Lykienprojekt Tübingen, Photo Ch. Schuler (Abb. 4). Pergamon (Türkei) Zu den größten, wissenschaftlich wie finanziell aufwendigsten, zugleich aber auch spektakulärsten Restaurierungsprojekten des DAI während der letzten Jahrzehnte zählt sicher die partielle Wiederaufrichtung des sog. Trajaneums auf der Spitze des Burgberges von Pergamon. Bei der vorbereitenden Freilegung der im Laufe der Jahrhunderte verfüllten, monumentalen Substruktionsgewölbe wurden 23 Bruchstücke einer beschrifteten Marmorplatte geborgen, denen sich dann vier weitere, bereits im 19. Jh. gefundene und jetzt im Berliner Pergamonmuseum verwahrte Fragmente hinzufügen ließen (Abb. 5). Man gewinnt so einen am 19. oder 21. Dezember des Jahres 137 n. Chr. in Rom abgefaßten Brief des Kaisers Hadrian, nach derzeitigem Wissen die vorletzte bekannte authentische Äußerung des schon todkranken Herrschers. Aus ihm ist zu erfahren, daß die Pergamener durch eine prominent besetzte Gesandtschaft den Wunsch vorgetragen hatten, dem Kaiser einen Tempel errichten zu dürfen. Dies verweigerte Hadrian unter Hinweis auf den Tatbestand, daß Pergamon bereits zwei provinziale Kaisertempel besäße (den – immer noch nicht lokalisierten – des Augustus und der Roma sowie den des Trajan und des Zeus Philios, eben das ›Trajaneum‹) sowie die damit assoziierten zwei Wettkampfveranstaltungen (Agone) internationalen Zuschnitts. Die Pergamener, die als erste überhaupt einen provinzialen Kaisertempel zugesprochen bekamen (den des Augustus) und die als erste einen zweiten erhalten hatten (das ›Trajaneum‹), hatten versucht, Ephesos und Smyrna, die ewigen Rivalinnen um Rang und Prestige in der Provinz Asia und inzwischen ebenfalls jeweils im Besitz zweier Kaisertempel, erneut zu überflügeln, der Kaiser, auf ausgeglichenen Status quo bedacht, hatte eben das verhindert. »Aber da ihr ganz und gar darauf versessen seid, mich irgendwo kultisch zu verehren, so soll es euch gestattet sein, auch mich [das heißt meine Statue] aufzustellen im Tempel meines Vaters [des Adoptivvaters Trajan, also im ›Trajaneum‹] an seiner Seite, zumal [so insinuiert der Kaiser] ihr wohl wißt, daß ich an dessen Tempeln viel mehr Freude habe als an den meinen«. Ein Meisterstück subtiler Diplomatie: Nicht nur ermöglichte es der Kaiser den Pergamenern, den in der Hauptsache ablehnenden Bescheid überhaupt Öffentlichkeit und Nachwelt zu präsentieren – ein in dieser Form bisher singulärer Vorgang –, sie konnten dies auch mit überlegenem Stolz tun, waren doch die zweiten Kaisertempel beider Konkurrentinnen, von Ephesos wie von Smyrna, gerade nicht Trajan gewidmet, sondern eben Hadrian. Auch wenn die Pergamener diesen in Rang und offizieller Titulatur weiterhin gleichgestellt blieben, konnten sie mit ihrer Statue Hadrians im Tempel Trajans doch eines für sich reklamieren: Vorrang im Herzen des Kaisers. Gelöst ist damit auch eine alte Streitfrage der Klassischen Archäologie nach der Datierung der beiden kolossalen Porträtköpfe Trajans und Hadrians vom ›Trajaneum‹ – heute Schmuckstücke des Pergamonmuseums. Der Trajans ist wohl in das Jahr 114 zu datieren, der Hadrians (Abb. 6) muß – als Kopf der Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik 167 Pergamon (Türkei) Abb. 5 Im ›Trajaneum‹ von Pergamon gefundenes, fragmentarisch erhaltenes Antwortschreiben Hadrians auf eine Gesandtschaft von Pergamon Abb. 6 Der Porträtkopf Hadrians, Pergamonmuseum Berlin 5 6 vom Kaiser den Pergamenern zugestandenen Statue – 138 geschaffen und vielleicht erst postum vollendet worden sein, nach dem Tod des Kaisers am 10. Juli dieses Jahres. Ansprechpartner: H. Müller • Abbildungsnachweis: DAI, Abteilung Istanbul, E. Steiner (Abb. 5); nach AA 1993, 383 (Abb. 6). Sympolitien und Synoikismen in hellenistischer Zeit Die griechische Welt ist in klassischer Zeit geprägt von zahllosen Poleis, von denen viele nur winzige Territorien kontrollierten. Diese kleinteilige politische Landschaft veränderte sich seit dem 4. Jh. und besonders im Hellenismus ganz erheblich durch Zusammenschlüsse – meist Eingemeindungen kleinerer Nachbarn durch bedeutendere Poleis. Eine systematische Untersuchung solcher Konzentrationsprozesse fehlt bisher. Sie nimmt A. V. Walser, der von der Universität Zürich an die Kommission wechselte, seit Juli in Angriff. Das Projekt mit dem Titel »Sympolitien und Synoikismen. Gesellschaftliche und urbanistische Implikationen von Konzentrationsprozessen in hellenistischer Zeit« wird im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogramms 1209 »Die hellenistische Polis als Lebensform. Urbane Strukturen und bürgerliche Identität zwischen Tradition und Wandel« von der DFG gefördert (vgl. http://www. poliskultur.de). Dabei sollen Sympolitien als Indikator oder Katalysator für gesellschaftliche und städtebauliche Entwicklungen verstanden werden, die charakteristisch für die hellenistische Zeit waren. Im Mittelpunkt stehen dabei die Interessen der beteiligten Partner: Die Bündelung von Ressourcen begünstigte die Zentralorte und dämpfte die urbanistische Entwicklung der peripheren Siedlungen. Deren Bewohner erhielten aber Zugang zur besser entwickelten Infrastruktur der Zentralorte. Die stärkeren Partner erzielten territoriale und demographische Gewinne, mußten jedoch die Exklusivität ihres Bürgerrechts aufheben und ihre Institutionen für die Integration der kleineren Einheiten öffnen. Förderung: DFG • Leitung des Projekts: Ch. Schuler • Mitarbeiter: A.V. Walser. 168 Jahresbericht 2006 des DAI Wissenschaftliche Veranstaltungen Vorträge 13. Januar Peter Eich (Köln), Die letzten Prokuratoren. Die Bedeutung Diokletians für die römische Finanzadministrationxxx10. Februar Jörg Rüpke (Erfurt), Braucht ein Weltreich eine Religion? Medien und Funktionen ›römischer Reichsreligion‹xxx28. April Robert Parker (Oxford), Subjection, Synoecism, and Religious Lifexxx19. Mai Tassilo Schmitt (Bremen), Edle Einfalt und stille Größe im wirren Chaos der zusammenbrechenden alten Welt? Hypatia im Spannungsfeld imperialer und kirchlicher Strukturen 2. Juni Karl-Joachim Hölkeskamp (Köln), Konsens und Konkurrenz. Die politische Kultur der römischen Republik in neuer Sichtxxx8. Dezember Christian Marek (Zürich), Die Inschriften von Kaunos: Genese eines Projekts 8. Dezember Alain Bresson (Bordeaux), Die Verbindung von Hafenstadt und Hinterland in Karien, Lykien und Pamphylien. Internationale Kolloquien 18. Mai Doktorandenkolloquium »Ephesos: Neue Forschungen« (Organisation: Christof Schuler). – Es sprachen: Andreas Victor Walser (Zürich), Recht, Wirtschaft und Politik im frühhellenistischen Ephesos. Zum Schuldengesetz Syll.3 364; Annalisa Calapà (München/Pisa), Inschriften, Gräber und Paläste: eine ›vergessene‹ Hauptstadt? Quellen zum seleukidischen Ephesos; Colin Bailey (Vancouver), The Development of the gerousia at Ephesos. 1. bis 3. Juli Kolloquium »Selbstdarstellung und Kommunikation. Die Veröffentlichung staatlicher Urkunden auf Stein und Bronze in der römischen Welt« (Organisation: Rudolf Haensch). – Es sprachen: Henner von Hesberg (Köln), Jean-Louis Ferrary (Paris), Werner Eck (Köln), Denis Feissel (Paris), Antonio Caballos Rufino (Sevilla), Rudolf Haensch (München), Georgy Kantor (Oxford), Christina Kokkinia (Athen), Tor Hauken (Bergen), George Souris (Thessaloniki), Helmut Müller (München), Claudia Kreuzsaler (München), Armin Eich (Passau), Claude Eilers (Hamilton), Andrea Jördens (Heidelberg), Harriet Flower (Princeton).xxx5. bis 7. November Kolloquium »Aufkommen, Entwicklung und Transformation des epigraphic habit in den hispanischen Provinzen« (Organisation: Christof Schuler, Rudolf Haensch, Armin U. Stylow). – Es sprachen: Werner Eck (Köln), Christophe SchmidtHeidenreich (Lausanne), François Berard (Lyon), Christian Witschel (Heidelberg), Simon Keay (Southampton), Antonio Caballos Rufino (Sevilla), Juan Manuel Abascal Palazón (Alicante), Helena Gimeno Pascual (Alcalá de Henares), José Luis Ramírez Sádaba – Teresa Pando Anta (Cantabria), Jonathan Edmondson (Toronto), Francisco Beltrán Lloris (Zaragoza), Raquel López Melero (Madrid), Concepción Fernández Martínez (Sevilla), Francisco Marco (Zaragoza), Charlotte Tupman (Southampton), Peter Eich (Köln), Marc Mayer Olivé (Barcelona), Heike Niquet (Heidelberg), Joan Carbonell (Barcelona), Rudolf Haensch (München). Workshop 20./21. Dezember Workshop zu Forschungscluster 3 »Politische Räume« des DAI. – Es sprachen: Ortwin Dally (Berlin), Einführung; Felix Arnold (Madrid), Vom römischen zum islamischen Raumverständnis. Spätantike Villen als Wurzel islamischer Palastarchitektur; Heinz-Jürgen Beste (Rom), Syrakus: Die langen Mauern Dionysios’ I. und das Kastell Euryalos; Thomas Fröhlich (Rom), Fabrateria Nova (Regione Lazio, Provincia di Frosinone); Ortwin Dally (Berlin), Taganrog und sein Umland; Jutta Häser (Amman), Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik 169 Transformationsprozesse in Oasensiedlungen in Oman; Roland Färber (München), Administrative Räume der römischen Reichsverwaltung in der Hohen Kaiserzeit und der Spätantike; Axel Filges (Frankfurt a. M.), Strukturwandel des öffentlichen Raumes im spät- und nachantiken Priene; Klaus Stefan Freyberger (Rom), Funktion und Bedeutung der Basilica Aemilia auf dem Forum Romanum in Rom; Markus Gschwind (Damaskus), Raphaneae; Joachim Heiden (Berlin), Die antike Siedlungstopographie Triphyliens; Sophie Helas (Rom), Die Städte Latiums; Claus-Michael Hüssen (Frankfurt a. M.), Römische Eroberung und Grenzsicherung; Philine Kalb (Frankfurt a. M.), Vale de Rodrigo (Co. Évora, Portugal); Joseph Maran (Heidelberg), Tiryns. Transformationen des sozialen und politischen Raumes von der mykenischen Palastzeit zu den ›Dunklen Jahrhunderten‹; Dirce Marzoli (Madrid), Essaouira-Mogador: ein deutsch-marokkanisches Projekt in seiner Anfangsphase; Ingo Motzenbäcker (Berlin), Ausgrabung der Tellsiedlung Tachti Perda (Georgien); Andreas Oettel (Berlin), Die frühbyzantinische Siedlung von Tall D\·rŒt-Süd (Nordostsyrien); Andreas Oettel (Berlin), Lissos. Urbanistik und sozio-ökonomische Strukturen einer hellenistischen Polis in Illyrien; Felix Pirson (Istanbul), Wissenschaftliches Netzwerk »Manifestationen von Macht und Hierarchien in Stadtraum und Landschaft«; Felix Pirson (Istanbul), Pergamon: Eine hellenistische Residenzstadt und ihr Umland; Felix Pirson (Istanbul), Topographie und Stadträume in Istanbul. Strukturanalysen zum byzantinischen und osmanischen Siedlungsgefüge (2008); Felix Pirson (Istanbul), Urbane Strukturen und kulturelle Prägung in einer Stadt des hellenistischen Zentralanatolien: Aizanoi (Çavdarhisar); Richard Posamentir (Istanbul), Anazarbos – Surveyprojekt; Gabriele Rasbach (Frankfurt a. M.), Spätaugusteische Stadtanlage von Lahnau-Waldgirmes; Knut Rassmann (Frankfurt a. M.), Siedlungsarchäologische Studien zur Frühbronzezeit am Südwestrand des Slowakischen Erzgebirges. Untersuchungen zur Entwicklung der Metallurgie im nordwestlichen Karpatenbecken; Dietrich Raue (Kairo), Der Erste Katarakt; Andreas Schachner (Istanbul), Die Hethiterhauptstadt Hattuša-Boğazköy (Türkei); Udo Schlotzhauer (Berlin), Kepoi – Survey- und Grabungsprojekt; Florian Seiler (Berlin), Rekonstruktion der antiken Kulturlandschaften des Sarno-Beckens (Provinz Neapel, Italien); Susanne Sievers (Frankfurt a. M.), Das keltische Oppidum von Manching/Bayern; Susanne Sievers (Frankfurt a. M.), Frühkeltische Fürstensitze und ihr Umland; Gerda Sommer von Bülow (Frankfurt a. M.), Der spätantike Kaiserpalast Felix Romuliana bei Gamzigrad (Serbien); Jutta Stroszeck-Scheunert (Athen), Die Kerameikos-Straße vor dem Dipylon: Raum, Verwendung, Entwicklung und Denkmäler; Margarete van Ess (Berlin), Ausgrabungen in Uruk-Warka (Irak); Margarete van Ess (Berlin), Heliopolis-Baalbek (Libanon); Dieter Vieweger (Wuppertal), Das »Gadara Region Project« in Nordjordanien; Andreas V. Walser (München), Sympolitien und Synoikismen. Gesellschaftliche und urbanistische Implikationen von Konzentrationsprozessen in hellenistischer Zeit; Hans-Joachim Weißhaar (Bonn), Frühe historische Stadtentwicklung in Südasien am Beispiel Sri Lanka; Ulrike Wulf-Rheidt (Berlin), Die Kaiserpaläste auf dem Palatin in Rom, der spätantike Kaiserpalast von Felix Romuliana; Forschungsgeschichtliche Referate zum Thema »Raum« in den einzelnen Disziplinen: Susanne Sievers (Frankfurt a. M.), Ur- und Frühgeschichte; Felix Pirson (Istanbul), Klassische Archäologie; Rudolf Haensch (München), Alte Geschichte; Winfried Schenk (Bonn), Geographie; Cornelia Jöchner (Cottbus), Bewegung, Ort, Raum: methodische Ressourcen der Kunstgeschichte; Inhaltliche Diskussion zum Raumbegriff des Forschungsclusters und zum Begriff »Politischer Raum«. 170 Jahresbericht 2006 des DAI Öffentlichkeitsarbeit Vorträge von Angehörigen der Kommission für eine breitere Öffentlichkeit 20. Januar Johannes Nollé, »In Paestum blühen keine Rosen«. Paestum in den Werken deutscher Dichter (vor der Dante Alighieri-Gesellschaft, München)xxx13. Mai Christof Schuler, »Bürste, Stein, Papier«: Epigraphische Feldforschungen in der Türkei (im Rahmen der »Langen Nacht der Wissenschaften« an der Zentrale des DAI, Berlin)xxx20. Juni Hans Roland Baldus, Aus aktuellen Projekten: Miszellen zur Antiken Numismatik (vor der Bayerischen Numismatischen Gesellschaft, München)xxx28. Juni Johannes Nollé, Geldwertstabilität und Stadtkultur (vor der Deutschen Bundesbank, Frankfurt a. M.)xxx1. November Johannes Nollé, Heilige Bäume des antiken Kleinasiens im Spiegel der Münzen (vor der Numismatischen Gesellschaft, Frankfurt a. M.). Veröffentlichungen Chiron 36, 2006 Sylloge Nummorum Graecorum Deutschland: H. R. Baldus, Heft München 22 (Karien) Vestigia 55: Ch. Marek, Die Inschriften von Kaunos Ausgrabungen und Forschungen Aqaba (Jordanien) Die Ausgrabungen am chalkolithischen-frühbronzezeitlichen Tall HujayrŒt alGhuzlŒn unmittelbar nördlich von Aqaba wurden im Jahr 2006 fortgesetzt. Der Tall befindet sich auf dem Schwemmfächer des Wadi Yitim und trat in der 1. Hälfte des 4. Jts. v. Chr. als Kupfer produzierendes Handwerkszentrum hervor, das zu einem bis nach Ägypten exportierenden Werkstattkreis gehörte. Nachdem in den vorigen Kampagnen ein größerer Teil der Bebauung oberflächennah und auf größerer Fläche freigelegt werden konnte, war das Ziel der diesjährigen Unternehmung, die stratigraphische Entwicklung des Ortes sowie die Baukonstruktionen punktuell innerhalb von sieben 9 m × 9 m großen Planquadraten zu untersuchen. Nach den diesjährigen Ergebnissen kann die Siedlungsentwicklung in zwei Bauperioden unterteilt werden. Die ältere Periode ist durch mehrräumige kleinzellige Lehmziegelbauten gekennzeichnet, die auf einem Steinfundament gründen und während eines Erdbebens stark zerstört wurden. Die Mauern weisen massive Schäden auf. Da die Siedlung nach dem Erdbeben weiter genutzt und die Bauten repariert wurden, sind die Mauern z. T. noch über 4 m hoch erhalten (Abb. 1). Das Erdbeben hatte auch ein verheerendes Feuer zur Folge, das die Auffüllung zahlreicher Räume verursachte. Etliche Mauern wurden in Fallage angetroffen, zahlreiche Ziegel oder Verputze waren stark verbrannt. Die erhaltenen Teile der Bauten wurden in jüngere Konstruktionen integriert, zu denen Orient-Abteilung Orient-Abteilung 171 Abb. 1 Aqaba (Jordanien), Tall Hujayrāt al-Ghuzlān. Blick auf das gereinigte Profil der Störung in Quadrat E7 Abb. 2 Aqaba (Jordanien), Tall Hujayrāt al-Ghuzlān. In den Lehm eingedrückte Hand Fußbodenniveaus gehören, die zwei bis drei Meter über dem alten Begehungsniveau liegen und sich durch in situ stehende Keramikgefäße auszeichnen. An einigen Stellen wurden die alten Lehmziegelbauten aufgegeben und von starken Steinfundamenten jüngerer großräumiger Gebäude überlagert, die die zweite Bauperiode repräsentieren. Mit den Großbauten sind kleinere Bauten, von denen nur noch die unteren Steinlagen erhalten sind, stratigraphisch verbunden. An den meisten Wänden ist noch der originale Wandverputz erhalten, der mit den Händen oder Fingern verstrichen wurde. Während dieses Prozesses entstanden Fingereindruck-Dekorationen, u. a. Handabdrücke (Abb. 2) – als apotropäische Zeichen? – oder ein stehender Steinbock. Geohydrologischen Untersuchungen zufolge, die von der Fachhochschule Lübeck unter der Leitung von M. Grottker durchgeführt werden, war das Siedlungsgebiet von HujayrŒt al-GhuzlŒn äußerst wasserreich. Unterwasserströme, die aus dem nahen Wadi Yitim abflossen, drängten bereits während des späten Chalkolithikums (?) an die Oberfläche und erlaubten den Bewohnern des Ortes, ein Kanalbewässerungssystem für die Landwirtschaft zu entwickeln und Terrassenfeldbau zu betreiben. Das genaue Alter wird noch in diesem Jahr durch Lumineszenzanalysen überprüft werden, für die bereits Probenmaterial gewonnen wurde. Unklar ist immer noch, wo die Siedler des Ortes HujayrŒt al-GhuzlŒn ihre Toten bestatteten. In der diesjährigen Ausgrabungskampagne sind erstmals zwei Unterkiefer und ein Oberkieferfragment menschlicher Individuen in den Siedlungsschichten gefunden worden. Es ist allerdings noch unklar, ob es sich hierbei um Reste von Erdbebenopfern, Hausbestattungen oder Ahnenkultstellen handelt. Kooperationspartner: University of Jordan • Förderung: DFG; University of Jordan • Leitung des Projekts: K. Schmidt, L. Khalil, R. Eichmann (Archäologie) • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: F. Klimscha, K. Pfeiffer, U. Siegel (Grabungsleitung vor Ort), D. Bodenmüller (Bauforschung), G. Heindl (Grabungstechnik), A. Abar, S. Ayyoub, I. Fayoumi, Ch. Keller, R. Maier, A. al-Manaser, K. Nowak (Schnittleitung), S. Dressler (Keramikbe- 172 Jahresbericht 2006 des DAI arbeitung), A. Wittmer, M. Khader (Photographie), S. Darar Depolsky (Grabungslogistik), S. al-Fakhri (Vertretung der Antikenbehörde) • Abbildungsnachweis: A. Wittmer (Abb. 1–2). Informationen im Internet unter: http://www.dainst.org/index_2877_ de.html Wadi Ruweished (Jordanien) B. Müller-Neuhof führte im Jahr 2006 im Auftrag der Orient-Abteilung einen Survey in der Wadi Ruweished Region in Nordostjordanien nahe der jordanisch-irakischen Grenze durch. Ziel dieses Surveys war, einen Fundplatz (RU 27) zu dokumentieren, den er im Jahr 2000 zusammen mit R. Eichmann entdeckt hatte, jedoch nicht umfassender dokumentieren konnte. Bei diesem Fundort handelt es sich um einen großen Platz für die Herstellung von Steingeräten aus Plattensilex. An diesem ›Schlagplatz‹ wurden insbesondere Rohlinge für die Weiterverarbeitung zu fächerförmigen Geräten (fan-scraper) produziert, die für das Chalkolithikum und die Frühbronzezeit Vorderasiens charakteristisch und dort weit verbreitet sind. Dieser sog. Schlagplatz ist durch eine großflächige und dichte Verteilung von aus dem Boden herausgebrochenen Feuersteinbrocken gekennzeichnet, deren Oberflächen die Negative der Rohlingsproduktion zeigen. Die große Zahl derartiger Abfallprodukte läßt eine über den eigenen Bedarf der Hersteller hinausgehende Produktion der fan-scraper annehmen, mit denen wahrscheinlich Handel getrieben wurde. Weitere Produktionsplätze dieser Art sind bislang nur aus der Jafr-Ebene in Südostjordanien bekannt. Leitung des Projekts: R. Eichmann • Mitarbeiter: B. Müller-Neuhof (Leitung der Feldarbeiten). Gadara/Umm Qais (Jordanien) Im Rahmen des aktuellen Forschungsprojekts Gadara »Zur urbanistischen und kulturhistorischen Entwicklung der antiken Stadt« liegt ein Schwerpunkt auf der umfassenden Untersuchung der Siedlungsentwicklung des Areals am ›Östlichen Stadteingang‹ (Abb. 3). Erstmalig sind durch die Grabungen in diesem Bereich die Voraussetzungen geschaffen worden, anhand der archäologischen Hinterlassenschaften die Siedlungskontinuität von der hellenistischen bis in die byzantinische Zeit zu verfolgen, also über den gesamten Nutzungszeitraum der antiken Stadt. Die umfassende Analyse der archäologischen und baulichen Befunde erlaubt wichtige Aussagen zur urbanistischen und kulturhistorischen Entwicklung der Stadt. Seit 2002 konzentrieren sich die Forschungen vornehmlich auf die bauund kulturhistorische sowie städtebaulich-kontextuelle Analyse des Gebäudeensembles im Osten der Stadt, dem gesamten Bereich der ›Ost-Agora‹ mit dem Nordtheater von Gadara. Das Areal umfaßt das Nordtheater, das sich im Süden an den Hang des antiken Siedlungshügels schmiegt und vorläufig in die 1. Hälfte des 1. Jhs. n. Chr. datiert werden kann. Das Nordtheater orientiert sich mit seinem Bühnengebäude zu der nordöstlich des Siedlungshügels vorgelagerten Geländeterrasse, die den großflächig und künstlich eingeebneten Tempelbezirk mit dem späthellenistischen Podientempel I im Norden aufnimmt. Ein in der frühen Kaiserzeit nördlich des Bühnengebäudes errichteter zweiter Podientempel, exakt in der Mittelachse des Nordtheaters gelegen, überlagert Reste einer hellenistischen Vorgängerbebauung der Siedlungskuppe mit bis zu 5 m hohen Ablagerungen (Abb. 4). Die Sondagen im Bereich des proscaenium sowie in der orchestra des Nordtheaters belegen, daß die römi- Orient-Abteilung 173 Abb. 3 Gadara/Umm Qais (Jordanien), archäologischer Bestandsplan des Areals am ›Östlichen Stadteingang‹ mit dem Nordtheater und dem kaiserzeitlichen Podientempel II (ohne Maßstab) sche Konstruktion in byzantinischer Zeit zur Arena bzw. zum Amphitheater umgebaut wurde (Abb. 5). Beweise dafür liefern nicht nur die vorgefundenen Reste byzantinischer Bauten, die unter Wiederverwendung von Architekturteilen aus dem römischen Theater errichtet wurden, sondern auch die mächtigen Abfallschichten bzw. Nutzungshorizonte in diesem Areal. Ein weiterer Schwerpunkt der Kampagne 2006 lag auf der Klärung des Verlaufs der hellenistischen und frühkaiserzeitlichen Befestigungsanlage im Nordosten des Siedlungshügels, des ›Östlichen Stadteingangs‹ und damit einhergehend der Frage nach den Erschließungsmöglichkeiten des Nordtheaters von Osten. In Fortsetzung der Kampagnen von 2003 und 2005 wurde im Bereich nördlich des hellenistischen Nordostturmes der weitere Verlauf der Stadtmauer untersucht. Nach den bisherigen Erkenntnissen handelt es sich um einen Bereich des Mauerrings, der mit einer sekundären Erweiterung der ursprünglichen Anlage in Zusammenhang steht. Während in der ersten Phase die Nordflanke der Stadtmauer vom Nordostturm direkt nach Westen verlief, wurde später die nördlich des Siedlungshügels liegende Tempelterrasse mit einbezogen, weshalb die Stadtmauer vom Nordostturm in nördliche Richtung weiter geführt wurde. Am Ansatz dieser Mauer am Nordostturm ließen 174 Jahresbericht 2006 des DAI 5 4 sich zwei Bauphasen, die an den beiden leicht auseinander laufenden Außenfluchten einer breiten Mauer zu erkennen sind, feststellen. Erstmalig konnte der Frage nach der Wasserversorgung und Wasserhaushaltung auf dem Siedlungshügel mittels Zisternen nachgegangen werden. In einem ersten Schritt wurden 75 Zisternen auf dem Siedlungshügel detailliert dokumentiert (Abb. 6) und im topographischen Bestandsplan kartiert, außerdem exemplarisch 40 Zisternen im westlichen Stadtgebiet. Einige der untersuchten Zisternen dienten vermutlich bereits der Wasserversorgung der hellenistischen Kuppensiedlung. Ein Teil davon wurde bei der Anlage des Tunnels für eine Fernwasserleitung geschnitten und aufgegeben. Im Rahmen eines von der DFG geförderten Projekts wurde das Keramikspektrum ausgewählter Schichtsequenzen untersucht. Kernziel ist die Datierung der in Gadara angetroffenen Gefäßformen. Darüber hinaus soll eine Grundlage für die Bewertung der sozial- und wirtschaftsgeschichtlichen Entwicklung der Stadt geschaffen werden. Die bisher gültigen Meinungen zu den Anfängen der Siedlungstätigkeit werden durch einzelne Gefäßfragmente bestätigt, die in die 2. Hälfte des 3. Jhs. v. Chr. zu datieren sind. Eine intensive Nutzung der ›Ost-Agora‹ mit dem Nordtheater ab dem 2. Jh. v. Chr. bezeugt der entsprechend starke Fundniederschlag. Die Wirtschaftsbeziehungen Gadaras in hellenistischer Zeit spiegeln sich insbesondere in importierter Feinkeramik, wie ›Westabhang-Ware‹ und ›Megarische Becher‹ aus dem östlichen Mittelmeerraum sowie Campana, wider, außerdem in rhodischen Amphorenfunden, die auf einen regelmäßigen Weinkonsum schließen lassen. Zu den häufigsten Keramiktypen zählen helltonige Zweihenkelkrüge und Kochgeschirr mit rotem Scherben, beide vermutlich aus örtlichen Töpfereien. Für die Beurteilung der Verhältnisse ab der römischen Zeit waren insbesondere Fundkomplexe vor der südlichen Außenwand des Nordtheaters von Bedeutung. Dort – wie auch an anderen Stellen des Untersuchungsgebietes – enthalten die in römische Zeit zu datierenden Keramikensembles größere Mengen hellenistischen Materials. Dies läßt auf wiederholte Umlagerungen schließen. Wie auch andernorts beobachtet dominiert bei der Feinkeramik ESA (Eastern Sigilata A ware) gegenüber anderen Waren deutlich. In byzantinischer Zeit wurde sehr wenig Tafelgeschirr abgelagert. Dies ist möglicherweise Gadara/Umm Qais (Jordanien) Abb. 4 Blick von Norden auf die hellenistische Vorgängerbebauung unter Podientempel II Abb. 5 Blick von Westen auf die Baustrukturen der Arenaeinbauten im Nordtheater Abb. 6 Zisterne unter dem Siedlungshügel. Zisterne 11-04 von innen. Blick auf zwei Felssäulen und den Einstiegsschacht 6 Orient-Abteilung 175 als Reflex eines Funktionswandels des Geländes zu sehen, denn es kommen beispielsweise die am Nordtheater kaum belegten ARS (African Red Slip ware) und LRC (Late Roman C ware) in den westlichen Stadtquartieren häufig vor. Der Fundanfall in umayyadischer Zeit ist schwächer; kennzeichnend sind insbesondere Zweihenkelkrüge der Brown-slipped-white-painted ware. Spätere Aktivität zeigt sich nur durch einzelne Fragmente bemalter Pseudo-prehistoric ware. Kooperationspartner: Generaldirektion Stiftung Preußischer Kulturbesitz Berlin (SMBPK) • Förderung: DFG (Referenzstratigraphie); Deutsche Wasserhistorische Gesellschaft e.V. (Grabungskampagne 2006) • Leitung des Projekts: C. Bührig, G. Schauerte • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: B. Liesen (Fundbearbeitung), Chr. Hartl-Reiter (Geodäsie), B. Jansen (Stadtbefestigung), H.-Ch. Noeske (Fundmünzen), P. Keilholz, N. Burkhardt, H. H. Hirth, A. Prust, G. Pasewald, E. Griesi • Abbildungsnachweis: C. Bührig, Chr. Hartl-Reiter (Abb. 3); C. Bürig (Abb. 4. 5); P. Keilholz (Abb. 6). Tayma (Saudi-Arabien) Die archäologischen Untersuchungen in der Oase Tayma wurden in zwei Kampagnen fortgesetzt. Die Ausgrabungen konzentrierten sich auf öffentliche Gebäude und Wohnviertel im Zentralbereich der Ruine (Qraya) und die Stadtmauern, um die Kenntnisse von Stratigraphie, Besiedlungsentwicklung, Funktionsbereichen sowie Konstruktion und Organisation der Befestigungsanlagen zu erweitern. Die geologischen Forschungen zur Rekonstruktion der antiken Umwelt wurden in der Ruine und der ihr im Norden vorgelagerten sebkha (ein saisonaler See) durchgeführt. In den meisten Ausgrabungsschnitten konnte inzwischen der natürliche Sandsteinfels erreicht werden, was bedeutet, daß die zentrale Erhebung dem natürlichen Oberflächenrelief folgt. In den bis zu fünf Meter hoch anstehenden archäologischen Ablagerungen wurden fünf Bauschichten als Teil der Gesamtstratigraphie identifiziert. Das große repräsentative Gebäude (Areal E) wird angesichts seiner architektonischen Merkmale und seiner Ausstattungsreste als Tempel interpretiert (Abb. 7). Der während der nabatäischen Zeit zunächst vollständig als Halle konzipierte Bau wurde offensichtlich in einem Umbauvorgang mit Räumen versehen, welche die Erstreckung der Säulenhalle auf den südlichen Bereich des Gebäudes begrenzten. Weitere Baumaßnahmen, die während des 3. Jhs. n. Chr. stattfanden, führten zur erneuten Veränderung in der Erschließung Abb. 7 Tayma (Saudi-Arabien), großes repräsentatives Gebäude (Tempel) im Zentrum von Tayma. Vermutlich eine nabatäische Gründung 176 Jahresbericht 2006 des DAI 8 9 des Bauwerks, indem die letzten Zwischenräume der Säulenstellungen geschlossen wurden. Erneut waren Reste des Inventars und der Bauausstattung aus dem umliegenden Schutt zu bergen. Dazu gehören zahlreiche mit Schlangen, aber auch Boviden und Capriden, Menschen und Pflanzen ritzverzierte Steinblöcke, die als Türwangen oder -stürze gedient haben können. Einer ägyptisierenden Sphinx, die früher den Eingangsbereich des Tempels flankiert haben dürfte, läßt sich ein Stück aus dem Tayma-Museum zur Seite stellen. Aus der zehnjährigen Residenzzeit des letzten babylonischen Königs Nabonid (556–539 v. Chr.) in Tayma stammen drei neue Keilschrifttextfragmente (Abb. 8). Außerdem wurde ein weiteres Fragment einer lihyanischen monumentalen Königsstatue (5.–3. Jh. v. Chr.) entdeckt. Im 2. und 3. Jh. n. Chr. war auch der Wohnbereich südlich des Tempels besiedelt (Areal E und F), in dessen Schutt mehrere nabatäische Weihrauchständer gefunden wurden (Abb. 9). Am südlichen Ende der zentralen Anhöhe (Areal D) ließ sich eine Fortsetzung der solide errichteten Mauer eines öffentlichen Gebäudes (?) nach Norden nicht feststellen. Ob die bemalte Keramik des frühen bis mittleren 1. Jts. v. Chr. im Füllschutt dieser Anlage aus funerären Kontexten in diesem Bereich stammt, ist erst anhand weiterer Untersuchungen zu klären. An der Stadtbefestigung wurden die Arbeiten im westlichen Teil der Ruine fortgesetzt (Areal C). Dabei ist die Fundamentsituation eines möglichen Zugangs mit zwei Türmen weiter freigelegt worden, um hier die Bauabfolge der letzten Jahrhunderte des 1. Jts. v. Chr. und der darauf folgenden Perioden rekonstruieren zu können. Sondagen an der äußeren Mauer dienten der Feststellung der Konstruktion und der Beziehungen der beiden Maueranlagen zueinander. Zwischen innerer und äußerer Mauer befindet sich in Areal O ein Komplex aus mehreren kleineren Kammern, möglicherweise Grabanlagen, östlich davon die Reste eines großzügig angelegten, mit Plattenpflaster ausgestatteten Bauwerks. Neben der zuvor in Areal A entdeckten und zwischen das 12. und 10. Jh. v. Chr. datierten polychrom bemalten Keramik mit geometrischen Motiven und Vogeldarstellungen (Abb. 10), die damit geringfügig später einzusetzen scheint als die bisher bekannte und in Timna’ in das 13. und 12. Jh. v. Chr. datierte ›Qurayyah painted ware‹ (auch »midianitisch« genannte Keramik), wurden verkohlte Holz- und Elfenbeingegenstände gefunden, die zu Gefäßen und Intarsien gehören und Parallelen in syro-levantinischen Fundorten haben (Abb. 11). Zwei glasierte Frittefiguren weisen hingegen nach Ägypten. Die im Rahmen eines von der Fritz Thyssen Stiftung geförderten Projekts der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus in Kooperation mit dem Architekturreferat der Zentrale des DAI durchgeführten Forschungen Tayma (Saudi-Arabien) Abb. 8 Sandsteinfragment mit spätbabylonischem Keilschrifttext (6. Jh. v. Chr.) Abb. 9 Zylindrische Weihrauchbrenner der nabatäischen Zeit mit Ritzverzierung, von denen einer beschriftet ist Orient-Abteilung 177 10 11 Tayma (Saudi-Arabien) Abb. 10 Mehrfarbig bemalte Keramikschale des ausgehenden 2. Jts./frühen 1. Jts. v. Chr., Dm 28 cm (Areal O) Abb. 11 Ritzverzierte Holzfragmente (ausgehendes 2. Jt./frühes 1. Jt. v. Chr.) und Ausgrabungen an der Stadtmauer initiierten die erstmalige systematische DGPS-gestützte Aufnahme der nordöstlichen und nordwestlichen Stränge der Mauern (s. auch S. 32–33). Im Bereich der südlichen Umschließung der Ruine wurden mehrere archäologische Sondagen angelegt, um Bauweise, Konstruktion, verwendete Baumaterialien und funktionale Aspekte zu klären. Geoarchäologische Untersuchungen erzielten neue Ergebnisse zur Rekonstruktion der frühen Umwelt von Tayma. Ablagerungen von Algen und Gastropoden am ordovizischen Fels (ca. 480 Mio. Jahre B. P.) deuten auf die Existenz eines Paläosees, dessen Niveau nah an das heutige Ruinengebiet gereicht haben dürfte (13 m über dem heutigen sebkha-Niveau). Bohrungen innerhalb und außerhalb der sebkha-Lehmmauer weisen auf ein tiefer gründendes salzhaltiges Milieu außerhalb der Mauer, in welches das höher liegende Niveau innerhalb dieser Mauer entwässerte. Hier fanden sich keine Hinweise auf Salzablagerungen, weshalb es sich vermutlich um frühere landwirtschaftliche Anbauflächen gehandelt haben wird. Die sebkha-Mauer markiert damit die Grenze des fruchtbaren Gebietes der Ansiedlung. Kooperationspartner: Deputy Ministry of Antiquities and Museums, Riad; King-Saud-Universität, Riad • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: R. Eichmann • Mitarbeiter: A. Hausleiter (Grabungsleitung vor Ort), Th. Götzelt (Dokumentation, GIS), M. al-Najem (Vertreter der Antikenbehörde), T. Ewender (Informatik), M. al-Anizy, A. Basonbul, A. Beuger, Kh. al-Dayel, J. al-Herbi, A. Intilia, H. Jantzen, A. Kose, S. Lora, M. al-Moosa, M. Möhle, Ch. Purschwitz, N. al-Qanur, Ph. Schwinghammer, G. Sperveslage, A. Ullmann (Archäologie), J. Krumnow, F. al-Mughailly (tachymetrische Bauaufnahme), H. Gräfe (Photogrammetrie), M. Cusin (Photographie), O. Scheeck (Zeichner), F. Moll (Restaurator), M. Hochmuth (Paläozoologie), R. Neef (Paläobotanik), J. Bosch, H. Brückner, M. Engel (Geoarchäologie), A. Frei, D. Keller, P. Schneider (Bauforschung), M. Giannetta, Cl. Mazzoli (Mineralogie), Ch. Bost, F. Ziegler (Vermessung) • Abbildungsnachweis: M. Cusin (Abb. 7–11). Informationen im Internet unter: http://www.dainst.org/index_3258_ de.html Transformationsprozesse in Oasensiedlungen (Oman) Im Jahr 2006 wurde in erster Linie das Fundmaterial des Projekts für die Endpublikation aufgearbeitet. Der besondere Schwerpunkt lag dabei auf der Bearbeitung der knapp 22 000 während der Surveys gesammelten Scherben, die aus der Zeitspanne von der frühen Bronzezeit (3000 v. Chr.) bis zur Moderne stammen und somit einen Zeitraum von 5000 Jahren abdecken. Um die Anzahl der definierten Waren einzugrenzen, ihre Zusammensetzung zu überprüfen und eventuelle Fremdstücke, Importe etc., zu erkennen und auszuschließen, konnte eine naturwissenschaftliche Analyse am Institut für Anorganische und Analytische Chemie, Arbeitsgruppe Archäometrie der Freien Universität Berlin (G. Schneider) in Kooperation mit ARCHEA (Archeometric Analysis and research) Warschau (M. Daszkiewicz) durchgeführt werden. Unterschiedliche naturwissenschaftliche Verfahren zur Keramikbestimmung wurden in Oman bisher vor allem an bronzezeitlicher Keramik und dabei in erster Linie an Importen aus Iran/Pakistan, Bahrain, Mesopotamien oder dem Industal angewandt. Analysen für Keramik der anderen Perioden liegen bisher nur in wenigen Stichproben vor und für die islamische Zeit fehlen naturwissenschaftliche Untersuchungen bislang völlig. Um eine möglichst große Probenzahl hinsichtlich der Ware untersuchen zu können, wurden zunächst 500 ausgewählte Scherben aller Perioden, die in 178 Jahresbericht 2006 des DAI erster Linie aus der ersten Projektphase (1999/2000) im Wadi Bani Awf und al-Hamra (und in kleinerem Umfang aus Nizwa und Izki) stammen, mit der MGR-Analyse (Matrix Group by Refiring) untersucht. Die endgültigen Resultate der Analysen stehen noch aus. Die Untersuchungen haben vorläufig gezeigt, daß der Großteil der Proben hohe Magnesium-, Chrom- und Nickelanteile enthält, was für ophiolithaltigen Ton spricht. Daraus kann man – auch wenn bisher Tonuntersuchungen in Oman nicht durchgeführt bzw. nicht publiziert wurden – schließen, daß der Großteil der Keramik lokal hergestellt ist. Der Ton der Scherben ist sehr fein bis fein und kaum gemagert. Das bedeutet, daß es sich bei fast allen in der makroskopischen Untersuchung erkennbaren Mineralien nicht um zugefügte Magerungsbestandteile handelt, sondern um unterschiedlich farbige Tonschiefer, die natürlich im Ton enthalten sind. Lediglich die gröberen Waren sind z. T. gemagert; vegetabile Magerung war nur sehr vereinzelt und Schamott kaum zu beobachten. Die Tone sind insgesamt sehr inhomogen, was die makroskopische Aufteilung in relativ viele Waren bestätigt und außerdem zeigt, daß vermutlich viele kleine Entnahmestellen genutzt wurden, die aber in der Regel wohl alle in einem bestimmten Umkreis der Dörfer lagen. Dies wiederum schließt größere Werkstätten aus und spricht eher für kleinere Produktionseinheiten. Das könnte für alle Perioden gelten, da keine gravierenden Unterschiede in der Tonzusammensetzung zu erkennen sind, egal ob es sich um bronzezeitliche oder moderne Waren handelt. Lediglich in der Eisenzeit scheinen die Tone kalkärmer gewesen zu sein. Im Vergleich zu den islamischen Perioden, wo eindeutig Importe, beispielsweise aus Mesopotamien, nachzuweisen sind, zeigt die frühe Eisenzeit eher regionale Fremdstücke. Kooperationspartner: Sultan-Qaboos-University, Muscat • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: J. Häser, R. Eichmann • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: J. Schreiber (Grabungsleitung vor Ort), A. Dreiser. Wissenschaftliche Veranstaltungen Vorträge 18. Januar Hartmut Kühne (Berlin), Dur-Katlimmu in Assyrienxxx4. Oktober Sultan Muhesen (Damaskus), Surprises in Syrian Palaeolithic Archaeology. Kolloquien 19. bis 23. September Fünftes Symposium der International Study Group on Music Archaeology mit dem Thema »Herausforderungen und Ziele der Musikarchäologie« (veranstaltet von der Orient-Abteilung des DAI und der Abteilung Musikethnologie des Ethnologischen Museums der Staatlichen Museen zu Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz; Organisation: Adje Both, Ricardo Eichmann, Lars-Christian Koch). An dem von der DFG geförderten Symposium nahmen 70 Wissenschaftler, Musiker und Instrumentenbauer aus 20 Ländern teil.xxx10./11. November Konferenz der Regionalgruppe »Southern Mesopotamia« des von der European Science Foundation geförderten internationalen Projekts »Associated Regional Chronologies for the Ancient Near East and the Eastern Mediterranean (ARCANE)« (Organisation: Margarete van Ess). – Es sprachen: Barbara Helwing (Berlin), Elena Rova (Venedig), Jean-Paul Thalmann (Paris), Önhan Tunca (Liège), Augusta McMahon (Cambridge), Harriet Martin (Birmingham), Jean M. Evans (New York).xxx8./9. Dezember Kolloquium »Stadtentwicklung in Baalbek« Orient-Abteilung 179 (Organisation: Bettina Genz, Margarete van Ess, Klaus Rheidt). – Es sprachen: Frédéric Husseini (Beirut), Margarete van Ess (Berlin), Jean Yasmine (Jounie), Frank Henze (Cottbus), Holger Ehrig (Berlin), Bettina Genz (Berlin), Jeanine Abdel-Masih (Beirut), Heike Lehmann (Cottbus), Natalie Chahine (Batroun), Konrad Hitzl (Tübingen), Holger Wienholz (Berlin), Ziad Sawaya (Beirut/ Paris), Hanna Hamel (Berlin), Assaad Seif (Beirut), Julia Nador (Berlin), Verena Daiber (Damaskus), Khalid Rifai (Baalbek), Thomas Moenicke (Cottbus), Friederike Hoebel (Cottbus), Henning Burwitz (Dresden), Daniel Lohmann (Aachen), Klaus Rheidt (Cottbus). Workshop 2. bis 5. November Workshop »Recent Trends in the Study of Late Bronze Age Ceramics in Syro-Mesopotamia and Neighbouring Regions« (veranstaltet von der Orient-Abteilung des DAI und dem Institut für Orientalistik der Universität Wien; Förderung: Gerda Henkel Stiftung, DAI, Universität Wien; Organisation: Claudia Beuger, Arnulf Hausleiter, Marta Luciani). – Es sprachen: Graham Philip (Durham), Marie-Claudie Boileau (Athen), Claudio Mazzoli (Padua), Anacleto D’Agostino (Florenz), Andrzej Reiche (Warschau), Claudia Beuger (Berlin), Margarete van Ess (Berlin), Behzad Mofidi Nasrabadi (Mainz), Olivier Rouault (Lyon), Adelheid Otto (München), Annie Caubet (Paris), Fabrizio Venturi (Bologna), Valerie Matoian (Lyon), Leila Badre (Beirut), Emmanuelle Capet (Paris), Michel Maqdissi (Damaskus), Uwe Sievertsen (St. Gallen), Stephen J. Bourke (Sydney), Sabina Kulemann-Ossen (Freiburg), Marta Luciani (Wien), Max Möhle (Berlin), Arnulf Hausleiter (Berlin). Öffentlichkeitsarbeit Am 15. Februar wurde der Entwurf eines deutschen Umsetzungsgesetzes zum »UNESCO-Übereinkommen vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut« veröffentlicht. Frau van Ess betonte in mehreren Radio- und Fernsehinterviews die Dringlichkeit der Umsetzung des Gesetzes und engagierte sich für notwendige Ergänzungen und Veränderungen des Gesetzentwurfes. In der »Langen Nacht der Wissenschaften« am 13. Mai in der Zentrale des DAI beteiligte sich die Orient-Abteilung des DAI an einer Podiumsdiskussion sowie mit einem musikarchäologischen Workshop für Kinder, in dem antike Musikinstrumente hergestellt wurden, und einer Konzertpräsentation der Gruppe »Musica Romana«, die Rekonstruktionen griechisch-römischer Musik zur Aufführung brachte. Am 14. September informierte Herr Eichmann mit einer Pressekonferenz über das vom 19.–23. September in Kooperation mit dem Ethnologischen Museum (SMB SPK) veranstaltete 5. Symposium der International Study Group on Music Archaeology. Am 5. Dezember wurde die in Zusammenarbeit mit der Wartburg-Gesellschaft herausgegebene Publikation »Der Crac des Chevaliers. Die Baugeschichte einer Ordensburg der Kreuzfahrerzeit« im Besucherzentrum des Auswärtigen Amtes öffentlich präsentiert. Während des gesamten Jahres berichtete Frau van Ess in zahlreichen Radio- und Presseinterviews über die Auswirkungen der Kriege im Irak sowie später im Libanon auf archäologische und historische Stätten sowie die notwendigen Maßnahmen zum Kulturerhalt. 180 Jahresbericht 2006 des DAI Veröffentlichungen Baghdader Mitteilungen 36, 2005 Orient-Archäologie 18: F. Bloch – V. Daiber – P. Knötzele, Studien zur spätantiken und islamischen Keramik – Khirbat al-Minya, Baalbek, Resafa Orient-Archäologie 19: E. Bopp, Die antike Wohnhausarchitektur des Hauran (Syrien) Orient-Archäologie 20: E. Hickmann – A. Both – R. Eichmann, Studien zur Musikarchäologie 5 Th. Biller, Der Crac des Chevaliers, Die Baugeschichte einer Ordensburg der Kreuzfahrerzeit Die Außenstelle Baghdad blieb aufgrund der politisch unsicheren Lage im Irak auch 2006 unbesetzt. Wie in den Vorjahren wurde die Aufarbeitung der Funde und Befunde von Uruk/Warka fortgesetzt. Margarete van Ess, kommissarische Leiterin der Außenstelle, übernahm wiederum in enger Abstimmung mit dem Auswärtigen Amt die deutsche Koordination von Krisenmaßnahmen für den Bereich der archäologischen Kulturarbeit. Sie war an verschiedenen Projekten zum Kulturerhalt im Irak beteiligt und vertrat das Institut in internationalen Veranstaltungen. In Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt konnte der irakischen Antikenverwaltung (State Board of Antiquities and Heritage) ein Großformat-Scanner und Plotter sowie Archivkartonagen aus altersbeständigen Materialien zur Neuordnung und Digitalisierung der Archivbestände übergeben werden. Die Ergebnisse des aus Mitteln des Auswärtigen Amtes 2005 durchgeführten Projekts »Innovative Methoden zur Kartierung der Archäologischen Stätten im Irak. Ein Beitrag zur Sicherung des Weltkultur-Erbes« wurden der irakischen Antikenverwaltung überreicht und das Potential des methodischen Ansatzes in mehreren Veranstaltungen mit Vertretern des Auswärtigen Amtes, der UNESCO sowie verschiedener Antikenverwaltungen im Einsatzgebiet der Orient-Abteilung diskutiert. Außenstelle Baghdad Ausgrabungen und Forschungen Außenstelle Damaskus Orontes-Survey Nachdem die Feldforschungen am mittleren Orontes im Herbst 2005 weitgehend abgeschlossen wurden, konzentrierten sich die Arbeiten 2006 auf die Analyse des Oberflächenmaterials des Surveys. Hierbei wurde von den einzelnen Bearbeitern die abschließende Aufnahme des früh- und spätbronzezeitlichen, eisenzeitlichen sowie des hellenistisch-spätrömisch/frühbyzantinischen Scherbenmaterials im Museum Hama durchgeführt. Darüber hinaus wurden die Fundortbeschreibungen vereinheitlicht, das Photomaterial für die Publikation gesichtet sowie die noch fehlenden Karten der Fundorte ergänzt. Kooperationspartner: Direction Générale des Antiquités et des Musées de la Syrie (DGAM) • Leitung des Projekts: K. Bartl, M. al-Maqdissi • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: M. Badawi, G. Shammar, U. Sievertsen, Ch. Römer-Strehl. Außenstelle Damaskus 181 Abb. 1 Šīr, neolithischer Siedlungsplatz. Ergebnisse der geophysikalischen Untersuchungen; dunkel = Geomagnetik, hell = Georadar (M. 1 : 2500) Š¥r Nachdem der während des Orontes-Surveys entdeckte neolithische, etwa 10 km nordwestlich der Provinzhauptstadt Hama gelegene Fundplatz Š¥r (Abb. 1), im Herbst 2005 durch eine Testsondage auf sein archäologisches Potential hin untersucht wurde, konnte 2006 mit der Untersuchung dieses Siedlungsplatzes als Rettungsgrabung begonnen werden. Die während der beiden jeweils zweimonatigen Kampagnen im Frühjahr und Herbst durchgeführten Arbeiten sollten die Grundlagen für zukünftige Untersuchungen schaffen und verfolgten mehrere Zielsetzungen: die Ermittlung der gesamten 182 Jahresbericht 2006 des DAI 2 Šīr, neolithischer Siedlungsplatz Abb. 2 Raumecke mit Kalkmörtelfußboden und eingetieftem Silo Abb. 3 Raumecke mit Vorratsgefäß 3 Schichtenabfolge der Siedlung, die Erfassung eines repräsentativen Siedlungsausschnitts sowie die Feststellung der Besiedlungsgrenzen. Zur Durchführung dieses Programms wurden ein Tiefschnitt (K/L7) und zwei größere Grabungsflächen im nördlichen und südlichen Siedlungsbereich (K/L/M7 und G/H14) angelegt. Darüber hinaus konnten umfangreiche Prospektionen mit Geomagnetik und Georadar durchgeführt werden. Während der Befund in G/H14 im nördlichen Siedlungsbereich durch starke Störungen gekennzeichnet ist, in dem keine zusammenhängenden Strukturen ermittelt werden konnten, wurde im südlichen Schnitt K/L/M7 die Gesamtabfolge der Schichten bis zum gewachsenen Fels erfaßt. Es handelt sich um insgesamt etwa 6 m Kulturschichten, von denen die mittleren nach Ausweis von zwei 14C-Daten in den Zeitraum zwischen 6650 und 6500 v. Chr. datieren. Die Stratigraphie von K/L/M weist neun Bauschichten auf und läßt sich in zwei Komplexe unterteilen: Den unteren/älteren Bereich der Schichten 1–3 sowie die oberen Siedlungsschichten 4–9. Beide Komplexe sind durch ein aus Asche/Erdschichten bestehendes Schichtenpaket von 1,50 m Stärke voneinander getrennt, was auf eine längere Stagnation der Bautätigkeit nach Schicht 3 deutet. Die Siedlung liegt auf einer aus Kalkstein bestehenden Terrassenformation auf, die eine sterile Schicht aus rotbraunem Lehm trägt. Die darauf befindliche unterste Kulturschicht weist starke Brandspuren auf, was auf die Brandrodung der ursprünglich anstehenden Vegetation deutet. Die Baubefunde sind ab Schicht 3 durch Rechteckstrukturen in nordsüdlicher Ausrichtung charakterisiert, von denen fast ausschließlich die aus Rollsteinen gelegten Fundamentmauern erhalten sind. Die aufwendig konstruierten Fußböden bestehen fast ausnahmslos aus Kalkmörtel, der häufig mehrfach erneuert ist. Alle Schichten weisen eine Vielzahl von Installationen auf, die im weiteren Sinne mit Vorratshaltung in Verbindung zu bringen sind. Hierzu gehören Lehmkästen, ein in den Fußboden eingetieftes, steinernes Silo (Abb. 2), Plattformen, ein großes Vorratsgefäß aus Keramik (Abb. 3) sowie ein kleiner Rundbau aus Lehm mit Kalkmörtelverputz auf Boden und Innenwand. Der nördliche Bereich der Grabungsfläche L7 weist starke Störungen in Form neolithischer Gruben auf und wurde – möglicherweise nach dem Auflassen der Gebäude – als Bestattungsplatz genutzt. Insgesamt 5 Bestattungen unterschiedlichen Typs wurden hier bisher freigelegt: eine Sekundärbe- Außenstelle Damaskus 183 Abb. 4 Šīr, neolithischer Siedlungsplatz. Sichelklinge aus Silex (M. 1 : 2) Abb. 5 Hama, spätosmanischer Gouverc neurspalast Qasr . al- Azm. . Blick von Nordwesten stattung mit fünf Individuen, jeweils zwei Bestattungen zweier Neugeborener in der Nähe von Fundamentmauern, ein Hockergrab ohne Schädel sowie eine disartikulierte Bestattung in einer Grabgrube, ebenfalls ohne Schädel. Bei den beiden letztgenannten sind im Bereich des Kopfes Lithikgeräte deponiert. Das Fundmaterial umfaßt neben großen Mengen an Keramik und Lithik eine Vielzahl von Stein- und Knochengeräten. hinsichtlich der keramischen Funde läßt sich bereits jetzt eine Entwicklungstendenz von dünnwandigen, mineralisch gemagerten Formen des dark-faced burnished ware-Typs in den untersten Schichten zu vegetabil gemagerter coarse ware in den oberen Schichten ablesen. Das gleichzeitige Vorkommen von white ware deutet auf spezifische Funktionen dieser früher als vorkeramische Entwicklung definierten Behälter. Die lithischen Funde weisen neben einer sehr großen Zahl von Abschlägen Sicheln (Abb. 4) als wichtigste Gerätegruppe aus, während Geschoßspitzen des Amuq-Typs relativ selten sind. Unter den zahlreichen Knochengeräten bilden Ahlen, Pfrieme und Nadeln die Haupttypen, bei den Steinartefakten sind neben den typischen kleinen Beilen zwei Stempelsiegel mit geometrischem Muster hervorzuheben. Insgesamt deutet die Befund- und Fundlage in Š¥r auf eine komplexe Siedlung des Spätneolithikums, für die in der näheren Umgebung keine Parallelen vorliegen. Wie die geophysikalischen Untersuchungen, die mit Geomagnetik und Georadar durchgeführt wurden (S. Seren, E. Bayirli, Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik [ZAMG] Wien), zeigen, handelt es sich um einen halbkreisförmig angelegten Ort, deren östlicher Bereich durch eine Freifläche definiert ist (Abb. 1). Die dichte Bebauung im nördlichen Siedlungsteil könnte als Hinweis auf den zentralen Siedlungsbereich gedeutet werden. Eine im nordöstlichen Bereich entdeckte Häuserreihe ist vielleicht mit besonderen Funktionen in Verbindung zu bringen. Die Arbeiten im kommenden Jahr werden sich mit diesen Aspekten befassen. Kooperationspartner: Direction Générale des Antiquités et des Musées de la Syrie (DGAM) • Leitung des Projekts: K. Bartl, A. Haidar, M. Hijazi • Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: A. Gubisch, J. Krumnow, R. Neef, O. Nieuwenhuyse, K. Pfeiffer, Ch. Purschwitz, D. Rokitta, M. Schulze, M. Tonch, Th. Urban, I. Wagner • Abbildungsnachweis: J. Krumnow (Abb. 2. 3); K. Bartl (Abb. 4); DAI, Orient-Abteilung, ZAMG (Abb. 1). Hama-Altstadt-Survey, Bauhistorische Untersuchungen am Qa§r al-cA½m Die 2005 begonnene Baudokumentation am spätosmanischen Gouverneurspalast Qa§r al-cA½m in der Provinzhauptstadt Hama (Abb. 5) wurde 2006 fortgesetzt. Sie umfaßt das vollständige Aufmaß des Gebäudes mit Totalstation, die Erstellung eines Raumbuches mit Einträgen für alle Raumeinheiten sowie die photographische Dokumentation aller Fassaden, Innenräume und Details. Die beiden letztgenannten Arbeitsschritte konnten 2005 weitgehend abgeschlossen werden, die Bauaufnahme des mehr als 70 Räume umfassenden Gebäudes ist zu zwei Dritteln durchgeführt. Parallel zu den Meß- und Dokumentationsarbeiten verlaufen die Digitalisierungsarbeiten der Orthophotos der Baudetails – wie Fensterumrahmungen, Steinschnitt, Steininkrustationen und Fußböden (Abb. 6. 7) –, um diese Daten in den Gesamtplan einfügen zu können. Die bauhistorischen Untersuchungen konzentrieren sich zur Zeit auf die Sichtung der in Hama und Damaskus befindlichen Archivakten zu dem Gebäude. Sie werden weiteren Aufschluß über den historischen Kontext der Anlage geben. Die Ermittlung der Bauphasen anhand von Baufugen, Ein- und Umbauten bildet derzeit einen weiteren Aspekt der Arbeiten. Den durchgeführten Dokumentations- und Forschungsarbeiten kommt angesichts 184 Jahresbericht 2006 des DAI 6 Hama, spätosmanischer Gouverneurspalast c Qasr . al- Azm. . 7 der gegenwärtigen, umfassenden Restaurierungsmaßnahmen und den Überlegungen zur Neukonzeption einer musealen Nutzung des Gebäudes ein besonderer Stellenwert zu, da durch diese ein Teil der Anlage größeren Veränderungen unterworfen sein wird. Die bisher durchgeführten Arbeiten haben die Komplexität von Architektur und Innengestaltung, die dieses Gebäude zu einem der hervorragendsten Vertreter der spätosmanischen Architektur des 18. Jhs. in Syrien macht, verdeutlicht. Die Untersuchung des südlich an den Palast angrenzenden Komplexes, dessen älteste Phase wohl ebenfalls in das 18. Jh. zurückgeht, soll das Projekt in den kommenden Jahren ergänzen. Kooperationspartner: Direction Générale des Antiquités et des Musées de la Syrie (DGAM) • Leitung des Projekts: K. Bartl, M. al-Hijazi • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: A. Ahmad, B. al-Barry, Th. Urban, I. Wagner • Abbildungsnachweis: I. Wagner (Abb. 5. 7); DAI, Orient-Abteilung (Abb. 6). Qreiye/cAyyŒš Im Zuge einer Kurzkampagne konnten in Qreiye/cAyyŒš letzte Fragen der Fundansprache geklärt werden. Zudem wurde das gesamte Fundmaterial aus den im römischen Kastell Qreiye durchgeführten Ausgrabungen dem Museum Deir ez-Zor übergeben (Abb. 8). Parallel dazu waren im Euphrattal Abb. 6 Hof II, südliche Fassade (M. 1 : 100) Abb. 7 Hof III, Marmorfußboden Außenstelle Damaskus 185 zwischen îalabiyya-Zenobia und Deir ez-Zor alle erfolgversprechenden Euphrat-Altarme mit dem Ziel zu untersuchen, Sedimentproben für palynologische Untersuchungen (Pollenanalyse) zu bergen (Abb. 9). Die beobachteten Sedimentfolgen zeigen, daß vor den modernen Staudammbauten in dem untersuchten Flußabschnitt während der Frühjahrshochwasser eine hohe Strömungsdynamik herrschte und die Talaue in römischer Zeit durch ein häufig wechselndes Flußbett geprägt war. Dies hatte allerdings zur Folge, daß keine analysierbaren Pollenarchive abgelagert wurden. 8 Qreiye/cAyyāš Abb. 8 Römisches Kastell, figürlich verzierter Gerätegriff, der aus einem Schafsknochen hergestellt ist (M. 1 : 1) Abb. 9 Euphrattal, Erkundung eines Euphrat-Altarmes in der Nähe von Tall ar-Rūm 9 Kooperationspartner: Direction Générale des Antiquités et des Musées de la Syrie (DGAM) • Mitarbeit: Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a. M. (Ch. Singer, Palynologie) • Leitung des Projekts: M. Gschwind, H. Hasan (DGAM) • Mitarbeiter: C. Lohwasser, S. Fontana • Abbildungsnachweis: M. Gschwind (Abb. 8. 9). Raphaneae Das Ziel der diesjährigen Arbeiten in der in Mittelsyrien gelegenen römischbyzantinischen Stadt und dem Legionslager Raphaneae war es, den im Vorjahr begonnenen Survey abzuschließen. Die Untersuchungen konzentrierten sich auf die Aufnahme des Siedlungsbereiches von Nabc at-Tann´r, die flächige Erfassung chronologisch relevanter Oberflächenfunde sowie die Erkundung und Dokumentation der Nekropolen und anderer im Umfeld der Stadt gelegener antiker Befunde. Der nordwestlich der antiken Stadt gelegene Siedlungsbereich von Nabc at-Tann´r setzt sich aus einem Tall, einer Flachsiedlung, einem am Hang gelegenen Tempel und einer ausgeraubten Nekropole zusammen. Auf dem Tall fand sich etwas hellenistische Feinkeramik. Sigillaten belegen zudem eine intensive Siedlungstätigkeit vom 1. bis 7. Jh. n. Chr. Nordöstlich von Raphaneae wurden in einem weitläufigen antiken Steinbruchareal mehrere Grabbauten, aus dem Fels herausgearbeitete Sarkophage und in den anstehenden Fels eingetiefte Grablegen dokumentiert (Abb. 10. 11). Hinzu kommen Hypogäen in den Hängen der umliegenden Berge. Nordöstlich des antiken Stadtgebietes erhebt sich der 524 m hohe ±abal an-Nab¥ ïŒyŒ. Auf seinem Gipfel steht das inschriftlich 1196 H (= 1781/82 n. Chr.) datierte Heiligengrab an-Nab¥ R´´b¥l (Abb. 12). Direkt westlich des teils aus Spolien errichteten Baus befindet sich eine unterirdische Zisterne, die bis heute Wasser führt. Sie ist aus 186 Jahresbericht 2006 des DAI 11 Raphaneae Abb. 10 Nekropole nordöstlich der antiken Stadt, Grabgruppe mit aus dem anstehenden Fels herausgearbeitetem reliefverzierten Sarkophag, zugehörigem verstürzten Sarkophagdeckel und einfacher in den Fels eingetiefter Grablege Abb. 11 Nekropole nordöstlich der antiken Stadt, Grabgruppe mit reliefverziertem Sarkophag und zugehörigem verstürzten Sarkophagdeckel von Südwesten Abb. 12 Islamisches Heiligengrab an-Nabī Rū´bīl auf dem Gipfel des nordöstlich der antiken Stadt gelegenen Ğabal˘ an-Nabī Hāyā Abb. 13 Zisterne auf dem Gipfel des nordöstlich der antiken ˘ Stadt gelegenen Ğabal an-Nabī Hāyā 10 Basalt errichtet und weist zwei Bauphasen auf. Charakteristisch für den antiken Ursprungsbau sind je vier engstehende Pilastervorlagen an den Seitenwänden (Abb. 13). Die systematische Erfassung chronologisch relevanter Oberflächenfunde erbrachte einen wesentlichen Fortschritt für das Verständnis der Siedlungsentwicklung der antiken Stadt Raphaneae. Späthellenistische und augusteische Feinkeramik fehlt. Das flächige Vorkommen von Sigillaten des 1. Jhs. n. Chr. zeigt, daß die Stadtentwicklung durch die Stationierung einer Legion ausgelöst wurde (Abb. 14). Sigillaten des 5. bis frühen 7. Jhs. n. Chr. konzentrieren sich entlang der Nord-Süd-Achse der Stadt. Dieser Bereich wurde demnach während der gesamten frühbyzantinischen Zeit genutzt. Im 12 13 Außenstelle Damaskus 187 Abb. 14 Raphaneae, Ziegelfragment mit Stempel der Legio III Gallica (M. 1 : 1) Zentralbereich der antiken Stadt, in dem Reste massiver Steinbauten bis heute sichtbar sind, wird das Oberflächenmaterial von islamischer Feinkeramik des 12. und 13. Jhs. n. Chr. dominiert. Die aus historischen Quellen der Kreuzfahrerzeit bekannte Stadt Rafanea ist daher in diesem Bereich zu lokalisieren. Testmessungen mit Georadar, die nach Abschluß des Surveys durchgeführt wurden, zeigen, daß in Raphaneae gute Prospektionsbedingungen herrschen. Zudem wurde auf der Basis der Surveyergebnisse die Ausweisung einer archäologischen Schutzzone in die Wege geleitet. Kooperationspartner: Direction Générale des Antiquités et des Musées de la Syrie (DGAM) • Mitarbeit: Institut für Klassische Archäologie der LudwigMaximilians-Universität München • Leitung des Projekts: M. Gschwind, H. Hasan (DGAM) • Mitarbeiter: St. Faust, M. Flecker, S. Fontana, T. Kerraschk, N. Koch, S. Schmid • Abbildungsnachweis: S. Fontana nach Vorlagen von M. Flecker (Abb. 10); M. Gschwind (Abb. 11. 12. 14); M. Flecker (Abb. 13). Resafa Auf Beschluß der Zentraldirektion des DAI wurde D. Sack im Mai 2006 als Nachfolgerin von T. Ulbert, der das Unternehmen seit 1975/76 geführt hatte, zur Leiterin des Gesamtprojekts Resafa ernannt. Mit diesem Wechsel wird das Projekt nach mehr als fünfzig Jahren Laufzeit nun als Kooperationsprojekt der Direction Générale des Antiquités et des Musées de la Syrie (DGAM) und des DAI in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Berlin weitergeführt. Bei dieser Neugestaltung wurde ein Arbeitsprogramm aufgestellt, das fünf Teilprojekte umfaßt, mit deren Bearbeitung im Sommer 2006 begonnen wurde (Abb. 15). An der ersten Kampagne 2006 nahmen bis zu 20 wissenschaftliche und studentische Mitarbeiter sowie 20 einheimische Grabungsarbeiter teil. Gegenstand der Untersuchungen war zunächst die Grabung im besiedelten Umland südlich der Stadt, in dem – aufbauend auf den geophysikalischen Untersuchungen, die in den Jahren 1997 bis 2001 durchgeführt worden waren – der Bereich untersucht wird, der als Residenz des Kalifen HišŒm b. ´Abd al-Malik (reg. 105/724–125/743 n. Chr.) angesprochen wird. Hier konnten Sondagen im Fundpunkt (FP) 143, dem Hauptbau des Palastkomplexes (PK) IV und in den FP 102/105, Teile des PK I, durchgeführt werden (Ch. Konrad in Zusammenarbeit mit U. Siegel, M. Müller-Wiener und D. Henker, Abb. 16). Im FP 143 zeigte sich, daß das erwartete palastähnliche Gebäude, das sich bereits im Luftbild, bei der Begehung und den geophysikalischen Untersuchungen abgezeichnet hatte, eine andere als die erwartete Form aufwies. Es ist ein zweiphasiges großes Gebäude, das vergleichbar mit anderen spätantiken Baustrukturen auf einer 6 cm dicken Gipsestrichschicht errichtet, aus Lehmziegeln gebaut und mit Gips verputzt ist, der einige Stuckreste aufweist. Es umschließt einen Hof, der möglicherweise durch eine Pergola gegliedert war, aber keine turmbewehrte Umfassungsmauer hat. Der weitgehend ausgeräumte Bau, dessen Binnengliederung aus Bögen bestand, die sich im Versturz fanden, läßt sich anhand der Keramik in die Umayyadenzeit datieren. In den FP 102/105, Teile des PK I, nahe der südöstlichen Stadtmauerecke gelegen, zeichneten sich die Grundrisse bereits in der Geophysik sehr deutlich ab. Sie bestehen aus nahezu quadratischen Räumen von etwa 3,90 m × 3,90 m Größe, die untereinander verbunden und um große Höfe angelegt sind. In dem durch eine große Toranlage geprägten FP 102 ist in der nordöstlichen Ecke eine Anlage zur Wasserverteilung eingebaut. Ihr gegenüber liegt im Nachbarkomplex eine Küche mit zugehörigem Brotbackofen. Für den Gesamt- 188 Jahresbericht 2006 des DAI Abb. 15 Resafa, Gesamtplan der Stadt und ihrer Umgebung mit den Arbeitsbereichen 2006 (M. 1 : 15 000) komplex gibt es verschiedene Interpretationen, die von der Unterbringung für die Palastgarde, über Pilgerunterkunft bis zur Unterbringung für die in den Steinbrüchen beschäftigten Arbeiter reichen. Auch diese Anlage ist in die Umayyadenzeit zu datieren. Dank der Finanzierung der archäologischen Untersuchungen durch die Fritz Thyssen Stiftung ist das Teilprojekt zur Bearbeitung der Residenz ein besonderer Schwerpunkt im Arbeitsprogramm. Es umfaßt darüber hinaus die Erstellung einer archäologischen Karte für die Stadt intra muros und ihre Umgebung (D. Sack, M. Gussone), die Neubearbeitung der Stadtmauer (C. Hof), Präzisionsmessungen in der Basilika A mit Laserscanning zur Feststellung der neueren Veränderungen und Deformationen in diesem am längsten benutzten Kirchenbau (H. Heister, M. Stephani, W. Liebl) und die Erarbeitung eines Site-Managements für den gesamten Platz (A. Mollenhauer, Y. al-Khoury). Im Rahmen der Bearbeitung der archäologischen Karte werden auch die über den langen Zeitraum erstellten unterschiedlichen Vermessungsnetze vereinheitlicht. Diese Arbeiten begannen Abb. 16 Resafa, Sondage im FP 102. Torbereich Außenstelle Damaskus 189 mit der Neuaufnahme der Stadtmauer, die nach den jetzigen Beobachtungen in verschiedenen Baulosen erstellt wurde. Das Ziel dieser Untersuchung ist die Klärung der unterschiedlichen Bauphasen, in denen die Mauer errichtet, verändert, repariert und zuletzt saniert wurde. Das umfangreiche Arbeitsprogramm soll im Jahr 2007 mit zwei Kampagnen – einer Frühjahrs- und einer Herbstkampagne – fortgesetzt werden. Kooperationspartner: Direction Générale des Antiquités et des Musées de la Syrie (DGAM) • Förderung: Fritz Thyssen Stiftung • Leitung des Projekts: D. Sack, M. al-Khalaf • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: M. Gussone, H. Heister, C. Hof, Y. al-Khoury, Ch. Konrad, W. Liebl, A. Mollenhauer, U. Siegel, M. Stephani, M. Müller-Wiener, D. Henk • Abbildungsnachweis: DAI, Orient-Abteilung (Abb. 15); D. Sack (Abb. 16). Palmyra Die deutsch/österreichisch-syrische Mission in Palmyra setzte im Jahr 2006 die Grabungen im Areal der hellenistischen Siedlung fort. Die Arbeiten wurden vom österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) finanziert. Durch die Erweiterung der Sondage II (Abb. 17) konnten weitere Erkenntnisse über Baugeschichte und Bestimmung der hier im Zentrum der Siedlung angeschnittenen monumentalen hofartigen Anlage gewonnen werden. Die Nutzung des Baus spätestens seit dem 1. Jh. v. Chr. und bis in das 3. Jh. n. Chr. hat Palmyra, Grabungsareal der ›hellenistischen‹ Stadt Abb. 17 Sondage II (›Karawanenbau‹) von Süden Abb. 18 Vergoldete Stuckapplikationen, Oktopus (1.–2. Jh. n. Chr.) 17 18 sich bestätigt. Die luxuriöse Wanddekoration mit polychromer Malerei und reichen Stuckgesimsen mit z. T. vergoldeten Stuckapplikationen maritimer Fauna (Abb. 18) sowie weitere Kleinfunde erhärten die Vermutung, daß es sich um einen Karawanenbau handelt. Kooperationspartner: Direction Générale des Antiquités et des Musées de la Syrie (DGAM) • Förderung: Österreichischer Wissenschaftsfonds (FWF) • Leitung des Projekts: A. Schmidt-Colinet, W. al-As’ad • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: N. High, M. Jouma‘ah, R. Ployer, Ch. Römer-Strehl, D. Svoboda, A. Taha, L. Zabrana • Abbildungsnachweis: A. Schmidt-Colinet (Abb. 17. 18). 190 Jahresbericht 2006 des DAI Wissenschaftliche Veranstaltungen Vorträge 22. Februar Markus Gschwind (Damaskus), Abila Lysaniae im Baradatal. Die Region westlich von Damaskus im späten Hellenismus und der römischen Kaiserzeitxxx1. März Kim Duistermaat (Damaskus), Töpfe für den Abarakku. Keramikproduktion im 2. Jt. v. Chr. in Tall Sabi Abyad (Nordsyrien) 22. März Stefan Weber (Beirut), Eine Frage des guten Geschmacks: Form und Wandel Damaszener Wohnhäuser in spätmamlukischer und osmanischer Zeitxxx29. März Lutz Martin (Berlin), Aus Tausend mach’ Eins. Die Skulpturen des Tall Halaf (Nordostsyrien) – das Restaurierungsprojekt des Vorderasiatischen Museums Berlinxxx2. März Andreas Schmidt-Colinet (Wien), Palmyra in hellenistischer Zeit. Ergebnisse neuer Forschungenxxx29. November Karin Bartl (Damaskus), Š¥r – Ein Dorf aus dem 7. Jt. v. Chr. am mittleren Orontesxxx6. Dezember Matthias Grawehr (Damaskus), Weihrauch, Zimbeln und Eroten. Eine Bronzewerkstatt in Petra. Öffentlichkeitsarbeit Kongreß 5. bis 9. November Kongreß »Residences. Castles. Settlements. Transformation Processes from Late Antiquity to Early Islam in Bilad ash-Sham« in Damaskus (veranstaltet von der Außenstelle Damaskus der Orient-Abteilung des DAI und dem Ministère de la Culture/Direction Générale des Antiquités et des Musées de la Syrie [DGAM]; Förderung: Gerda Henkel Stiftung, Auswärtiges Amt). Die Veranstaltung stand unter der Schirmherrschaft des syrischen Kulturministers, R. Nassan Agha. Neben syrischen und deutschen Forschern waren zahlreiche Kollegen aus Großbritannien, Frankreich, der Schweiz, Spanien, Polen, Neuseeland und den Vereinigten Staaten vertreten. In fast 40 Beiträgen aus den Bereichen Archäologie, Architektur, Kunst, Philologie und Numismatik wurden die Entwicklungsprozesse des Zeitraumes zwischen dem 4.–9. Jahrhundert im weiteren Levanteraum umfassend auf der Basis neuester Forschungen dargestellt. Die Ergebnisse dieser Arbeiten belegen eindeutig die Pluralität der Einflüsse sowohl aus der spätantik-christlichen wie auch aus der arabischen, präislamischen Kultur. Dieser Faktor, der in älteren Theorien zum Thema keine oder eine eher untergeordnete Rolle spielte, läßt sich heute insbesondere durch die archäologischen Forschungen belegen und muß, so der allgemeine Tenor, in zukünftigen Theorien zur Kulturentwicklung in der frühislamischen Zeit wesentlich stärker berücksichtigt werden. Die Beiträge der Konferenz werden gegenwärtig zur Publikation vorbereitet. Veröffentlichung Damaszener Mitteilungen 15 Außenstelle Sana’a 191 Außenstelle Sana’a Abb. 1 Verlauf der geplanten Gaspipeline von Safīr bis Balhāf mit den untersuchten Fundplätzen (M. 1 : 10 000) Ausgrabungen und Forschungen Trasse der geplanten Gaspipeline von Saf¥r bis BalhŒf Notgrabungen an der Trasse der geplanten Gaspipeline von Saf¥r bis BalhŒf: Im Rahmen eines »Environmental Impact Assessment« im Vorfeld des Baus einer 320 km langen Gaspipeline von den Erdölfeldern von Saf¥r (Provinz Marib) zum Verladehafen BalhŒf am Golf von Aden (Provinz Shabwa) bat die leitende Firma Yemen LNG Co Ltd. die Außenstelle Sana’a sowie das französische Centre Français d’Archéologie et de Sciences Sociales de Sana’a (CEFAS Sana’a), archäologische Prospektionen entlang der Trasse vorzunehmen (Abb. 1). Während des Surveys (s. AA 2006/2, 292–294) wurden zwei durch den Pipelinebau bedrohte Fundstellen entdeckt, die weiterführende Feldforschungen notwendig machten. Es handelte sich um Ausgrabungen präislamischer Gräber auf dem Hochplateau des westlichen Jol (Provinz Shabwa) sowie um die hadramitische Siedlung im Wadi JirdŒn, Darbas. Ausgrabungen präislamischer Gräber auf dem Hochplateau des westlichen Jol (Provinz Shabwa): Im Bereich der geplanten Pipeline wurden während des Surveys etwa 140 zunächst bronzezeitlich klassifizierte Grabbauten dokumentiert. 14 dieser vermutlich bereits in der Antike geplünderten Gräber droht bei den Bauarbeiten die Zerstörung, weshalb man sie in archäologischen Ausgrabungen untersuchte. Die Gräber können typologisch in drei Gruppen eingeteilt werden: Die größte Gruppe bildet die der Rundgräber mit orthogonal geformter Grabkammer aus großen vor Ort gebrochenen Orthostaten (Abb. 2). Die Grabkammer ist von einer oder zwei Mauern umgeben, die kreisförmig aus Bruchsteinen gesetzt sind und sich lediglich bis zu 1 m Höhe erhalten haben. Einige der Bauten besitzen einen oder mehrere »Schwänze« genannte Anbauten, die aus kleinen, aneinander gesetzten Steinhaufen bestehen und eine Länge von bis zu 100 m erreichen können (Abb. 3). Bisher lassen sich keinerlei Gesetz- 192 Jahresbericht 2006 des DAI 3 Hochplateau des westlichen Jol Abb. 2 Rundgrab (YLNG 9, T2) mit Resten der Grabkammer, im Hintergrund verläuft ein über 30 m langer ›Schwanz‹ aus kleinen Haufen aufgeschichteter Bruchsteine (2.–1. Jt. v. Chr.) Abb. 3 Einige der Grabbauten (hier YLNG 10, T6) weisen lange Reihen aus Bruchsteinhaufen auf, die eine Länge von über 100 m erreichen können (2.–1. Jt. v. Chr.) 2 mäßigkeiten für die Anzahl der Steinhaufen und damit die Länge dieser Anbauten erkennen. In früheren Untersuchungen geäußerte Erklärungsversuche, die vom Geschlecht der Bestatteten über ihre soziale Stellung bis zu territorialen Grenzen reichen, bleiben lediglich Hypothesen. Soweit der schlechte Erhaltungszustand der Gräber eine Aussage zuläßt, handelt es sich um Kollektivbestattungen. Sowohl das äußerst homogene Fundmaterial als auch die Knochenfragmente liefern keine Hinweise auf mögliche Nachbestattungen bzw. eine andere Nutzung der Gräber in späterer Zeit. Überraschend ist die Datierung des Fundmaterials: Sowohl ein Teil der Perlen als auch mehrere Fragmente aus Bronze und Eisen, darunter eine Messerklinge und eine Pfeilspitze, lassen sich mit altsüdarabischen Fundobjekten des 1. Jts. v. Chr. vergleichen. Objekte aus der Bronzezeit (3.–2. Jt. v. Chr.) fanden sich unerwartet wenige. Darüber hinaus konnten in großer Zahl sog. geometric microliths aus Obsidian geborgen werden, die in Südarabien erstmals im späten 2. Jt. v. Chr. belegt, vor allem aber typisch für das 1. Jt. v. Chr. sind. Die Ergebnisse der Ausgrabungen dieses Grabtyps machen es notwendig, den bisher postulierten bronzezeitlichen Datierungsansatz für Rundgräber zu überdenken und gegebenenfalls zu korrigieren. Eisenzeitliches Fundmaterial hielt man für Reste von Nachbestattungen. Mit den 10 nun archäologisch untersuchten Rundgräbern konnte erstmals nachgewiesen werden, daß dieser Grabtypus eine lange Laufzeit besaß und noch in der Eisenzeit gebräuchlich war. Die beiden anderen Grabtypen treten weniger häufig auf. Die Rundgräber mit rechteckiger Grabkammer sind typologisch denen mit orthogonaler Kammer verwandt. Allerdings besteht eben die Grabkammer aus rechteckig gesetzten Bruchsteinmauern. Die umgebenden kreisförmigen Mauern entsprechen dem ersten Grabtypus. Bei den sog. Mauergräbern handelt es sich um etwa 10–20 m lange und 1–2 m breite Strukturen, die in ihrer Mitte jeweils eine breite Grabkammer aufweisen (Abb. 4). Sowohl die Grabkammer als auch die Mauern sind im unteren Bereich aus Orthostaten errichtet, Abb. 4 Hochplateau des westlichen Jol, die sog. Mauergräber (YLNG 19, S4) mit mittig angeordneter Grabkammer lassen sich bisher aufgrund ihres schlechten Erhaltungszustandes nicht exakt datieren Außenstelle Sana’a 193 das aufgehende Mauerwerk fehlt. Eine genaue zeitliche Einordnung ist nicht möglich, da weder nennenswertes Fund- noch Knochenmaterial geborgen werden konnte. Kooperationspartner: Centre Français d’Archéologie et de Sciences Sociales de Sana’a (J. Lambert); General Organization for Antiquities and Museums (A. Bawazir) • Förderung: Yemen LNG Co Ltd. • Leitung des Projekts: I. Gerlach, J. Lambert • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: S. Bauvais, R. Crassard (Grabungsleitung vor Ort), J. Espagne, H. Guy, H. Hitgen, J. Schiettecatte • Abbildungsnachweis: CEFAS-DAI, R. Crassard (Abb. 1–4). Darbas, hadramitische Siedlung im Wadi JirdŒn Die kleine Oase Darbas aus hadramitischer Zeit (Mitte 1. Jt. v. Chr. bis 1. Jh. n. Chr.) liegt am Unterlauf des Wadi JirdŒn an den Ausläufern eines mächtigen Schotterkegels (Abb. 5). Das als Notgrabung konzipierte archäologische Projekt hatte eine umfassende Erforschung der Oase mit seinen Bewässerungssystemen und Siedlungsstrukturen zum Ziel (Abb. 6). Das nur wenige Hektar große Oasengebiet offenbart teilweise noch Sedimenthöhen von ca. 8 m, was auf eine Nutzungsdauer von mindestens 800 Jahren verweist. Insgesamt konnten zwei Bewässerungssysteme identifiziert werden. Während sich vom älteren, tiefer gelegenen Typus nur wenige Spuren erhalten haben, läßt sich das zweite System Darbas, hadramitische Siedlung Abb. 5 Im Luftbild sind sowohl die Feldflächen als auch die Siedlungsplätze der antiken Oase im Wadi Jirdān erkennbar Abb. 6 Künstlicher, in den Felsen geschlagener Bewässerungskanal im Wadi Jirdān, der Feldflächen des direkt nördlich von Darbas liegenden Wadi Sada erschließt 194 Jahresbericht 2006 des DAI Abb. 7 Darbas, hadramitische Siedlung im Wadi Jirdān. Gebäudestrukturen mit Bruchsteinfundamenten und Lehmziegelmauern, die in die späte Besiedlung des Fundplatzes im 1. Jh. v. Chr. bis in das 1. Jh. n. Chr. datieren rekonstruieren: Das Wasser ist über einen etwa 2 km langen Kanal vom Wadi herangeführt worden, um den Geländeunterschied zur höher gelegenen Oase zu überwinden. Er war teilweise in den anstehenden Fels geschnitten, teilweise besaß er ein mit Steinen gestecktes Kanalbett. Über kleine Auslässe wurde das Wasser direkt auf die Felder geleitet und von dort nach Überflutung einer Fläche über weitere Auslässe auf tiefer gelegene Felder geführt. Nur an wenigen Stellen der Oase finden sich Zeugnisse der antiken Landwirtschaft wie Pflugfurchen und Spuren von Baumplantagen. Die kleinen landwirtschaftlich geprägten Siedlungen von Darbas wechselten im Laufe der Oasennutzung mehrfach ihre Position. Die früheste Besiedlung aus der 1. Hälfte des 1. Jts. v. Chr. findet sich am Hang des Schotterkegels im nördlichen Oasengebiet. Es handelte sich um einfache rechteckige Gebäudeeinheiten mit zumeist einem Hauptraum und einem vorgelagerten Hof. Häufig waren die Bauten zu kleinen Gehöften mit unmittelbar anschließendem Dreschplatz zusammengeschlossen. Nach deren Aufgabe entstand eine neue Siedlungseinheit direkt nahe einer schützenden Felsformation am Rande des Wadibetts (2. Hälfte 1. Jt. v. Chr.). Dort erhoben sich große rechteckige Bauten mit einer Fundamentierung aus mächtigen Bruchsteinen. Die bis auf diese Schicht zerstörten Gebäude und das fast nur aus Keramik bestehende Fundmaterial lassen keine Funktionszuweisung zu. Möglicherweise handelt es sich um Wohnbebauung, aber auch eine Deutung als öffentliche Bauten wie Tempel, Verwaltungssitz o. ä. wäre aufgrund der Monumentalität denkbar. Gleichzeitig entstanden nördlich der Felsformation kleinere Baustrukturen mit Bruchsteinfundamenten und Lehmziegelmauern. Diese Raumeinheiten dienten als Arbeits- und Lagerbereiche, was Vorratsgefäße und Arbeitsgeräte wie Reib- und Mühlsteine zeigen. Zahlreiche Halbfertigprodukte und unbenutzte Reibsteine belegen die Produktion der Geräte vor Ort. In der jüngsten bis ins 1. Jh. n. Chr. datierenden Phase wurde die Siedlung in das westliche Gebiet der Felsen verlegt (Abb. 7). Die Bauweise entspricht den älteren Phasen mit Lehmziegelhäusern auf Bruchsteinfundamenten. Etwa im 1. Jh. n. Chr. werden Siedlung und Oase vollständig aufgegeben. Der antike Friedhof lag nur wenige Meter östlich der Felsformation. Insgesamt konnten 26 Erdbestattungen dokumentiert werden. Während es sich bei einigen um einfache Gruben handelt, in denen die Toten in Hockerstellung bestattet wurden, weisen andere im unteren Bereich eine Nische auf, in Abb. 8 Darbas, hadramitische Siedlung im Wadi Jirdān. Einzelgrab aus dem 1. Jh. v. Chr. Reste von Textilien und Leder, mit denen der Tote bekleidet bzw. eingewickelt war, haben sich in diesem Grab erhalten Außenstelle Sana’a 195 die man den Verstorbenen in gestreckter Rückenlage legte (Abb. 8). Die Nische ist mit großen Bruchsteinen abgedeckt, so daß eine Art Grabkiste entstand, die man mit Sediment aufschüttete. Ein Grab enthielt im Fußbereich des Verstorbenen ein Eisenmesser und die lederne Scheide. Im Brustbereich fanden sich Reste eines rot gefärbten Textils, wohl Teile der Kleidung. Zudem war der Tote in Leder gewickelt oder eingenäht. Beigaben oder Trachtzubehör fehlten bis auf einzelne Perlen in den übrigen Gräbern. Kooperationspartner: Centre Français d’Archéologie et de Sciences Sociales de Sana’a (J. Lambert); Lehrstuhl für Semitische Philologie und Kulturen des Vorderen Orients der Friedrich-Schiller-Universität Jena (N. Nebes); General Organization for Antiquities and Museums (A. Bawazir) • Förderung: Yemen LNG Co Ltd. • Leitung des Projekts: I. Gerlach • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: U. Brunner, R. Crassard, H. Hitgen (Grabungsleitung vor Ort), S. Japp, O. Lavigne, J. Malsch, M. Schnelle • Abbildungsnachweis: DAI-CEFAS-DAR20060844, YLNG (Abb. 5); DAI-CEFAS-DAR20060845, I. Gerlach (Abb. 6); DAI-CEFAS-DAR20060635, S. Japp (Abb. 7); DAI-CEFAS-DAR20060846, O. Lavigne (Abb. 8). Marib, Oase Abb. 9 Auslaßbauwerk aus der jüngeren Phase, auf der heutigen Oberfläche der Südoase anstehend Abb. 10 Auslaßbauwerk aus der älteren Phase in einer Erosionsrinne der Sedimente der Südoase 9 Oase von Marib, Archäologischer Survey Mit einer dritten Kampagne führte die Außenstelle Sana’a im Berichtzeitraum die Geländebegehungen in der Oase von Marib fort, die sich auf zentrale Bereiche der Südoase sowie das angrenzende Bergland des Jabal Balaq al-Awsat konzentrierten. Dort konnten trotz der zunehmenden Zerstörung 164 antike Fundstellen kartiert werden. In der Südoase fanden sich überwiegend sog. Auslaßbauwerke, die zur Weiterleitung des Wassers in Kanäle unterer Ordnung sowie zur Bewässerung der etwa 1 ha großen Feldflächen dienten. Sie traten häufig in Gruppen von zwei oder drei benachbarten Bauten auf. Diese Anordnung weist auf eine übergreifende Planung hin, die sich an der Pflege und Anlage der Feldsysteme orientierte. Zwei Phasen der Bewässerung ließen sich anhand der unterschiedlichen Gestalt und Höhe der Auslaßbauwerke identifizieren: Die Verteiler des 5./6. Jhs. n. Chr. stehen direkt auf der heutigen Oasenoberfläche an. Sie verfügen jeweils über zwei rechteckige Flügel aus Bruchsteinen, die vollständig mit dem sabäischen Kalkmörtel Qadad überzogen sind, sowie eine Kalksteinschwelle (Abb. 9). Die vermutlich 400 Jahre älteren Verteiler treten in den Erosionsrinnen zutage, wobei die größer dimensionierten Bauten aus Tuffquadern bestehen (Abb. 10). Funktional zeigen sie keine Unterschiede zum späteren System, Lage und Verlaufsrichtung von Feldern und Kanälen 10 196 Jahresbericht 2006 des DAI 11 12 entsprechen sich weitgehend. Der jüngeren Phase lassen sich zudem Bauwerke zuordnen, die als Lager- und Wohnhäuser zu deuten sind. Der archäologische Befund bestätigt die These einer zentralen Organisation und Verwaltung der Oase von Marib durch die Hauptstadt während ihrer Blüte in klassisch sabäischer Zeit. In mittelsabäischer Zeit hingegen, im Verlauf ständigen Machtverlustes, erfolgte eine Dezentralisierung. Verteilt über die Oase kam es zur Gründung kleinerer Siedlungseinheiten, die vermutlich eigenständig bestimmte Bereiche der Oase nutzten. Die angrenzenden Hänge des Jabal Balaq al-Awsat zeigten zwar keinerlei Siedlungsspuren, doch belegen Dutzende bronzezeitlicher Grabbauten eine intensive Nutzung. Es handelt sich um die in Südarabien weit verbreiteten Rundgräber. Diese türlosen Bauwerke besitzen in der Regel zwei konzentrische Mauern, die eine rechteckige oder ovale Grabkammer umschließen (Abb. 11). Häufig erstreckten sich in unmittelbarer Nähe der Gräber Steinbrüche aus sabäischer Zeit, die vermutlich die Ursache für die Plünderung und Zerstörung der Grabanlagen bildeten. Neben den Steinbrüchen fanden sich auf dem Jabal Balaq al-Awsat bisher zwei Strukturen frühsabäischer Zeit, die gut sichtbar auf zwei Felskuppen ruhen. Es handelt sich um rechteckige Bauten mit einem langen Innenhof und angrenzenden Räumen (Abb. 12). Sie sind durch einen sorgfältig angelegten Weg miteinander verbunden. Von der höher situierten Anlage erreichte man zudem eine Höhle, in der sich über 20 eingeritzte oder aufgemalte Inschriften – meist Namen – befinden. Eine Deutung der Höhle als Naturheiligtum ist wahrscheinlich, doch bleibt die Funktion der beiden benachbarten Gebäude fraglich. Ob es sich um im Kontext stehende Kultbauten oder möglicherweise lediglich für den Kultbetrieb notwendige ›Servicebereiche‹ handelt, läßt sich aufgrund der mangelhaften Fundlage noch nicht klären. Kooperationspartner: Lehrstuhl für Semitische Philologie und Islamwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena (N. Nebes); Geographisches Institut, Physische Geographie der Eberhard-Karls-Universität Tübingen (Th. Scholten); Paläontologisches Institut der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen (R. Koch); General Organization for Antiquities and Museums (A. Bawazir) • Leitung des Projekts: I. Gerlach • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: U. Brunner, H. Hitgen, S. Japp, J. Malsch, M. Manda, F. Schreiber, Ch. Weiss • Abbildungsnachweis: DAI MaO20060024, H. Hitgen, S. Japp (Abb. 9); DAI MaO200600346, H. Hitgen, S. Japp (Abb. 10); DAI MaO200600466, H. Hitgen, S. Japp (Abb. 11); DAI MaO200600627, H. Hitgen, S. Japp (Abb. 12). Marib, Oase. Hang des Jabal Balaq al-Awsat Abb. 11 Bronzezeitliches Rundgrab mit den noch gut erhaltenen Orthostaten der Grabkammer Abb. 12 Blick auf eines der rechteckigen Bauwerke mit Innenhof und angrenzenden Räumen Außenstelle Sana’a 197 Marib, Oase Abb. 13 Kalksteinbruch östlich der Südschleuse des ›Großen Dammes‹ am Hang des Jabal Balaq al-Awsat Abb. 14 Satellitenbild eines Ausschnitts der Nordoase Marib, im linken Bildfeld sind die frühsabäischen Felder am Unterlauf des Wadi Alib markiert 13 Oase von Marib, Bewässerungsstrategien und gesellschaftspolitische Organisationsprinzipien als Voraussetzung für die Entstehung und Entwicklung der sabäischen Kultur Das im Herbst im Rahmen des Forschungsclusters 2 »Innovationen: technisch, sozial« des DAI begonnene Projekt hat als multidisziplinäre Grundlagenforschung eine Rekonstruktion der holozänen Umweltbedingungen im Raum Marib zum Ziel. Darüber hinaus sollen mit Hilfe einer Bestandsaufnahme aller antiken Strukturen einschließlich der Wasserwirtschaftsbauten die Aspekte der technischen Innovationen als Impulse für die Entstehung und Entwicklung der sabäischen Hochkultur untersucht werden. Folgende Zielsetzungen standen dabei zunächst im Vordergrund: Aufnahme aller erhaltenen Wasserwirtschaftsbauten in zentralen Bereichen der Südoase sowie im angrenzenden Bergland des Jabal Balaq al-Awsat, Auffinden der alten Landoberfläche unter den Bewässerungssedimenten sowie von datierbarem Material in und unter den Bewässerungs- bzw. Stauraumsedimenten, Nachweis der agrarischen Nutzung auf potentiell frühsabäischen Feldern sowie Suche nach anthropogen möglichst ungestörten Böden im Umfeld der Oase. Fragen nach der Bewässerungswirtschaft und ihrer Bedeutung für die Kulturentwicklung in der Region Marib hängen eng mit den Siedlungsprozessen im Oasengebiet zusammen, die sich an den jeweils entstandenen Wasserbautechniken orientieren. In der altsüdarabischen Zeit wird eine Perfektionierung der Ausbeutung und Verwendung der natürlichen Ressourcen erreicht. Die technischen Meisterleistungen dieser Periode sind verknüpft mit einer innovativen Steinmetztechnik und der effektiven Gewinnung des notwendigen äußerst qualitätvollen Steinmaterials. Eingebunden in das Projekt war aus diesem Grund die Kartierung antiker Steinbrüche (Abb. 13) einschließlich der notwendigen Faziesanalysen, die eine stratigraphische und paläographische Korrelation von Bausteinproben zu existierenden geologischen Formationen der Region ermöglichen. Die bodenkundlich-geomorphologischen Arbeiten lieferten dabei den Nachweis früher Feldsysteme im Oberlauf des Wadi Gufainah (12.–9. Jh. v. Chr.) und unterstützen damit die bisher nur archäologisch formulierte These, daß im Gegensatz zur klassischen sabäischen Periode mit einer zentralen Bewässerung in der Frühzeit Sabas lediglich kleine unabhängige Systeme an den Randbereichen der Oase von Marib existiert haben (Abb. 14). Der archäologische Befund legt nahe, daß diese mit den dazugehörigen Siedlungsplätzen im 7./6. Jh. v. Chr. zugunsten des großen Bewässerungssystems mit dem zentralen Siedlungsplatz Marib Stadt aufgegeben wurden. Eine Dezen- 14 198 Jahresbericht 2006 des DAI tralisierung zumindest der Siedlungen erfolgte erst wieder in mittelsabäischer Zeit (1. Jh. v. Chr. – 3. Jh. n. Chr.), in der allerdings das zentrale Bewässerungssystem weiterhin Bestand hatte. Grundlegend ändert sich in dieser Zeit das Bewässerungsprinzip nicht, die einzelnen Wasserwirtschaftsbauten sind aber bautechnisch verschiedenen Stilen unterworfen, ohne dabei funktionale Unterschiede aufzuweisen. An einigen Stellen der Südoase war die alte mittelholozäne Landoberfläche zu identifizieren, über der sich die anthropogenen Bewässerungssedimente lagern. Datierbares Material aus diesen Sedimenten wird in Tübingen zur chronologischen Einordnung der Schichten ausgewertet. Die Ergebnisse sollen sowohl Hinweise auf die chronologische Entwicklung der Bewässerungssysteme liefern als auch helfen, die Klimageschichte im Raum Marib während der prähistorischen und der sabäischen Zeit zu rekonstruieren. Erste Analysen weisen bisher darauf hin, daß ein deutlicher Klimawandel im 2. Jt. v. Chr. stattgefunden hat und damit Auslöser für die zügige Entwicklung aufwendiger Bewässerungssysteme gewesen ist. Kooperationspartner: Lehrstuhl für Semitische Philologie und Islamwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena (N. Nebes); Geographisches Institut, Physische Geographie (Th. Scholten) der Eberhard-Karls-Universität Tübingen; Paläontologisches Institut der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen (R. Koch); General Organization for Antiquities and Museums (A. Bawazir) • Leitung des Projekts: I. Gerlach • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: U. Brunner, Th. Behrens, H. Hitgen,V. Hochschild, S. Japp, R. Koch, P. Kühn, J. Malsch, D. Pietsch, F. Schreiber, Th. Scholten, Ch. Weiss • Abbildungsnachweis: DAI MaO 200600833, Ch.Weiss (Abb. 13); DAI Satellitenbild Oase Marib, Quickbird Digital Globe (Abb. 14). Sirwah Archäologisch-baugeschichtliche Forschungen in der sabäischen Stadtanlage: Im Berichtszeitraum wurden die Ausgrabungen im Almaqah-Heiligtum von Sirwah und im nördlichen Bereich der Stadtmauer fortgeführt. Aufgrund der topographischen Lage und Oberflächenstruktur ließ sich in diesem Abschnitt der Fortifikation eine Toranlage vermuten. Zwar konnte die These einer Eingangssituation in das Stadtgebiet nicht verifiziert werden, doch ließen sich wichtige Aspekte zur Entwässerung der Stadtanlage und Nutzung von Wasser sammeln. Brunnenwasser fand an dieser Stelle nicht nur als Trinkwasser intra muros Verwendung, sondern diente auch der wirtschaftlichen Produktion: Ein Becken mit einem Kanal führte das Schmutz- und Regenwasser durch einen Auslaß in der Stadtmauer einer weiteren Verwendung zu (Abb. 15). Sowohl der Auslaß als auch das Fundament dieses Kurtinenabschnitts sind unter Verwendung von Lapilibreccia-Steinen erricht worden, was für eine frühe Datierung in das 8. Jh. v. Chr. spricht. Spätestens in mittelsabäischer Zeit (1. Jh. v. Chr. – 3. Jh. n. Chr.) nutzte man – wie bereits bei früheren Grabungen belegt – das Kammersystem der als Zweischalenmauer errichteten Fortifikation als Wohn- und Arbeitsbereich. Im Tempelinnenhof direkt an der östlichen Innenseite der halbovalen Umfassungsmauer des sabäischen Herrschers Yada’il Darih (Mitte 7. Jh. v. Chr.) wurde ein Tiefschnitt angelegt. Mit den herausragenden Befunden dieses Schnitts ließen sich gleich mehrere teilweise zuvor nur thesenartig geäußerte Überlegungen eindeutig belegen: 1. Der hintere Bereich des Tempelhofes war ab dem östlichen Altar bzw. der Kultkammer niemals mit Kalksteinplatten gepflastert, da die Steinabschläge der Tempelmauerglättung direkt auf Flugsandschichten auflagen. 2. Diese Schicht war deutlich mit den Knochen von Abb. 15 Sirwah, sabäische Stadtanlage. Blick von außen auf den nördlichen Abschnitt der Stadtmauer mit Wasserauslaß und anschließendem Kanal aus dem Beginn des 1. Jts. v. Chr. Außenstelle Sana’a 199 17 16 Sirwah, Almaqah-Tempel Abb. 16 Monumentaler Treppenaufgang, der zum nördlichen Seiteneingang in das Tempelinnere führte (9./8. Jh. v. Chr.) Abb. 17 Altar eines Nebentempels des Heiligtums bestehend aus einem Lehmziegelkern und einer Stein-Holz-Konstruktion mit Verkleidungssteinen des sog. Scheinfenstertyps aus der mittelsabäischen Zeit (1. Jh. v. Chr. – 3. Jh. n. Chr.) Opfertieren wie Stieren und Schafen durchmischt, die schon während der Tempelerrichtung – wahrscheinlich bei Kultfesten – verspeist wurden. 3. Der Tempelbau des Yada’il Darih besaß einen ebenfalls mit einer Zweischalenmauer in Ovalform gefaßten Vorgängerbau, der mindestens in das 8. Jh. v. Chr. gehört. Die architektonische und funktionale Einbindung des Almaqah-Tempels in die Fortifikation der Stadt wurde anhand zweier Schnitte nördlich und nordwestlich des Hauptbaus untersucht. Direkt anschließend an die nördliche Tempelumfassung konnte ein monumentaler Treppenaufgang freigelegt werden, der direkt vom Umland der Stadtanlage auf das Niveau des Entwässerungssystems des großen Vorhofes führte, von dem aus man durch einen Seiteneingang das Tempelinnere erreichte (Abb. 16). Eine rechteckige altarartige Installation trat in einem weiteren Grabungsschnitt nördlich der Bronzewerkstatt und der Vorratsräume zutage. Diese besteht aus einem Lehmziegelkern, der an seiner Außenseite eine Verkleidung aus einer Stein-Holz-Konstruktion trägt (Abb. 17). Erhalten haben sich davon lediglich in gleichmäßigem Abstand aufrecht stehende Verkleidungssteine des sog. Scheinfenstertyps. Der Bereich zwischen ihnen war ebenso wie der obere Abschluß in Holz ausgeführt, wie Zapfen und verkohlte Holzreste zeigen. Direkt vor und auch auf dem Podest des Altars kamen zahlreiche Objekte zum Vorschein, die sich als Weihgaben identifizieren lassen. Es handelt sich dabei vor allem um Widmungsinschriften, Statuetten, Schmuck und Waffen (Abb. 18 a–c). Die Objekte wurden über- Abb. 18 a–c Sirwah, Almaqah-Tempel. Bronzene Weihobjekte aus der mittelsabäischen Zeit (1. Jh. v. Chr. – 3. Jh. n. Chr.), die im Nebentempel des Heiligtums in unmittelbarer Nähe zum Altar gefunden wurden (a. b = M. 1 : 3; c = M. 1 : 2) a b c 200 Jahresbericht 2006 des DAI wiegend aus Bronze gefertigt, doch fanden sich auch einige aus Fayence und Gold. Kooperationspartner: Lehrstuhl für Semitische Philologie und Islamwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena (N. Nebes); Geographisches Institut, Physische Geographie der Eberhard-Karls-Universität Tübingen (Th. Scholten); Paläontologisches Institut der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen (R. Koch); General Organization for Antiquities and Museums (A. Bawazir) • Leitung des Projekts: I. Gerlach • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: S. Amtsberg, M. Kinzel, R. Koch, A. Ludwig, J. Malsch, M. Manda, M. Schnelle, I. Wagner, Ch. Weiss • Abbildungsnachweis: DAI Sir20061363, M. Schnelle (Abb. 15); DAI Sir20061112, M. Schnelle (Abb. 16); DAI Sir20061306, M. Schnelle (Abb. 17); DAI Sir2006_DSC0061, I. Wagner (Abb. 18a); DAI Sir2006_DSC0071, I. Wagner (Abb. 18b); DAI Sir2006_ DSC0072o, I. Wagner (Abb. 18c). Provinz Marib In der Provinz Marib begann im Rahmen der Forschungen zu Forschungscluster 4 »Heiligtümer: Gestalt und Ritual, Kontinuität und Veränderung« des DAI die Untersuchung der Heiligtümer intra muros in Bezug auf Kultpraktiken und innerstädtische Kommunikation. Dabei sind u. a. Fragen nach den sakralen Räumen im Vergleich zu den profanen Bereichen im urbanistischen Kontext und deren Zugänglichkeit durch die Bevölkerung bzw. bestimmte Bevölkerungsgruppen oder deren Tabuisierung erörtert und am Fundkontext abgeglichen worden. Besonderes Augenmerk lag zunächst auf dem am besten erhaltenen Heiligtum Sirwahs, dem Almaqah-Tempel, sowie den zu diesem Komplex gehörenden angrenzenden Tempeln (Abb. 19). Systematisch wurden hier die einzelnen Kultbereiche analysiert und in einen chronologischen und funktionalen Kontext gesetzt. Auffällig ist dabei ein Paradigmenwechsel innerhalb des Kultgeschehens im Übergang der früh- zur mittelsabäischen Zeit. Während in der frühsabäischen Zeit neben den Altären und Brunnenanlagen die politischen Manifeste zweier wichtiger sabäischer Herrscher in Form monumentaler Inschriftenblöcke im Zentrum des Tempels und des Kultgeschehens standen (s. AA 2006/2, 290 f.), rückten in mittelsabäischer Zeit Aspekte des Pilgerheiligtums stärker in den Vordergrund. Hierzu gehören sowohl die Errichtung von Kultbanketten im Tempeloval als auch die zahlenmäßig großen Knochendeponien der verspeisten Opfertiere wie Steinböcke und Antilopen. Die Beobachtung eines Kultwandels läßt sich auch im epigraphischen Material nachvollziehen, das nunmehr in Hinblick auf diese Fragestellungen untersucht wurde. Rechts-, Bau- und Widmungsinschriften der frühsabäischen Phase wirken inhaltlich äußerst formelhaft und beschränken sich auf die sabäische Führungsschicht. Der Tempel, der allem Anschein nach nur bestimmten Personengruppen offen stand, vereint den religiösen und politischen Machtanspruch des sabäischen Herrschers, des Mukarribs. In mittelsabäischer Zeit dagegen öffnet sich das Heiligtum größeren Bevölkerungsschichten, was architektonisch deutlich nachvollziehbar ist und im Charakter einer Volksreligion entspricht: Die Zugänglichkeit gewähren zahlreiche neue Eingänge, und die Pilger werden mit Ritualmählern und Opferhandlungen direkt in die Kulthandlungen integriert. Auch das epigraphische Material weist in diese Richtung. Wichtigste Textgattung bilden nun neben wenigen Rechtstexten die Widmungsinschriften von Einzelpersonen, die nur im seltensten Fall der sabäischen Führungsschicht angehören. Thematisiert werden nicht mehr die sabäische Gesellschaft generell, sondern individuelle Bitten und Wünsche. Außenstelle Sana’a 201 Abb. 19 Sirwah, Almaqah-Tempel. Blick von Norden über die auch als Bronzewerkstatt genutzten Wirtschaftsbauten des Heiligtums in das Innere des Tempels Neben diesen Detailuntersuchungen begann man, die Ikonographie sabäischer Bildträger und des Architekturschmucks auf ihre religiöse Konnotation hin zu erforschen. Im Gegensatz zu den anderen altorientalischen Kulturen wurden die südarabischen Götter bis ins 1. Jh. v. Chr. nicht in Menschengestalt dargestellt. Auch konnte bisher in keinem sabäischen Heiligtum ein eindeutiger Nachweis für die Verehrung eines Kultbildes – sei es anthropomorph oder zoomorph – gefunden werden. Darüber hinaus existiert kein Indiz für die immer wieder geäußerte These, daß bestimmte Tiere wie der Steinbock oder Stier Symboltiere eines spezifischen Gottes, im Sabäischen des Almaqah, seien. Kooperation: Lehrstuhl für Semitische Philologie und Islamwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena (N. Nebes); General Organization for Antiquities and Museums (A. Bawazir) • Leitung des Projekts: I. Gerlach • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: S. Amtsberg, M. Kinzel, A. Ludwig, J. Malsch, M. Manda, N. Nebes, M. Schnelle, I. Wagner • Abbildungsnachweis: DAI Sir2006_DSC0106, I. Wagner (Abb. 19). Jabal al-‘Awd Das Ziel der Ausgrabungen in der frühhimyarischen Siedlungsanlage auf dem 3000 m hohen Bergmassiv des Jabal al-‘Awd war es, mit der Untersuchung eines Tempelbaus die bisher unbekannte Sakralarchitektur dieser Epoche zu fassen. Einen weiteren Schwerpunkt bildete die Erforschung der dortigen Bestattungssitten. Der in mindestens drei Bauphasen errichtete Tempel unterscheidet sich von der übrigen bisher bekannten Architektur auf dem Jabal al-‘Awd sowohl im Grundriß als auch durch die Verwendung überdurchschnittlich großer Bruchsteine. Der Tempel besteht aus einem annähernd quadratischen Substruktionsbau mit einem vorgelagerten Podium mit Treppenaufgang (Abb. 20). Ein weiteres Podium wurde dem Bau später im Westen zugefügt. Hervorzuheben ist, daß diese Gebäudestrukturen die bisher frühesten Siedlungsspuren auf dem Jabal al-‘Awd bilden. Alle bislang freigelegten Bereiche belegten lediglich eine Besiedlung in den ersten drei Jahrhunderten n. Chr. Mit den ältesten Bauphasen des Tempels reicht diese nun mindestens in die Mitte des 1. Jts. v. Chr. Eine Inschrift, in der das Gebäude dem Gott Almaqah gewidmet wird, bestätigt dies. Die Widmung an den sabäischen Hauptgott ist nur während der sabäischen Oberherrschaft bzw. in einer Phase der politischen Abhängigkeit von Saba denkbar. Andere Textquellen zum Jabal al-‘Awd datieren diese 202 Jahresbericht 2006 des DAI 20 21 Hegemonie zwischen dem 7. und 5. Jh. v. Chr. Eine Umweihung des Tempels an die Gottheit Athtar erfolgte umgehend nach dem Machtverlust Sabas in der Region, wie eine spätere Inschrift belegt. Bisher einmalig für Südarabien ist die Anlage von Kollektivbestattungen innerhalb einer Siedlung: In bisher jedem der untersuchten Gebäude des Jabal al-‘Awd diente mindestens ein Raum als Begräbnisstätte. Innerhalb der Wohnbebauung konzentrierten sich die Grabungen auf einen nur 5 m2 großen Raum, in dem im 2./3. Jh. n. Chr. nacheinander, den begrenzten Platz nutzend, mindestens 36 Individuen bestattet wurden. Dabei gibt es keine obligatorische Ausrichtung oder Lage der Toten. Diese liegen teilweise dicht an dicht übereinander geschichtet in gestreckter Rückenlage oder auf dem Bauch. Es handelt sich hierbei in Bezug auf die Grabbeigaben um relativ bescheidene Bestattungen. Neben kleinformatigen feintonigen Keramiken, die ausschließlich Gräbern jener Zeitstellung vorbehalten sind, fand sich hauptsächlich Trachtzubehör, wobei einfache Arm- und Fingerringe aus Bronze dominieren. Waffenbeigaben in Form von Messern traten lediglich bei den jüngsten Bestattungen auf. Der zweite untersuchte Grabraum liegt im großen Repräsentationsgebäude im Zentrum der Siedlung. Hier konnten trotz einer Plünderung noch zehn Bestattungen dokumentiert werden. Die Individuen sind in enger Anordnung und ohne allgemeingültige Ausrichtung bestattet. Lediglich bei einigen Skeletten findet sich eine paarweise Anordnung, wobei eine Rückenlage direkt auf einer Bauchlage aufliegt (Abb. 21). Fast immer wechselt die Ausrichtung nach zwei Individuen um 180 Grad, d. h. die Füße der folgenden Bestattung liegen beim Gesicht der vorherigen. Vorherrschend bei den Beigaben sind hier die zeittypischen Grabkeramiken und das Trachtzubehör, doch ist letzteres wesentlich qualitätvoller als bei den Gräbern der Wohnbebauung. Die bronzenen Arm-, Bein- und Fingerringe sind massiver und weisen teilweise filigrane Verzierungen auf (Abb. 22). Neben den Bronzeobjekten kamen auch mehrere fein granulierte goldene Ohrringe (Abb. 23), Fingerringe und Perlen zum Vorschein. An Waffenbeigaben fanden sich nur die eisernen Spitzen kurzer Stoßlanzen. Analog zur andersgearteten Architektur und Funktion der beiden Gebäude spiegeln auch die Grabbeigaben unterschiedliche soziale Gruppen wider. Kooperationspartner: Lehrstuhl für Semitische Philologie und Islamwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena (N. Nebes); General Organization for Antiquities and Museums (A. Bawazir) • Leitung des Projekts: I. Gerlach • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: H. Hitgen (Grabungsleitung vor Ort), B. Jändl, J. Kramer, M. Manda, D. Petzold, B. Schäfer, K.-U. Wiegmann • Abbildungsnachweis: DAI-AWD20060407, J. Kramer (Abb. 20); 22 23 Jabal al-‘Awd, frühhimyarische Bergsiedlung Abb. 20 Der dem sabäischen Gott Almaqah und später dem Athtar geweihte Tempel bezeugt als das bisher einzige Bauwerk die frühe Besiedlungsphase des Jabal al-‘Awd (Mitte des 1. Jts. v. Chr.) Abb. 21 In den unteren Lagen der Kollektivbestattung in einem Wohngebäude (2./3. Jh. n. Chr.) wurde für Neubelegungen Knochenmaterial zur Seite geschoben. Das vollständig erhaltene Skelett belegt, daß die Verstorbenen auch auf dem Bauch bestattet wurden Abb. 22 Die zwei bronzenen Fußringe (1./2. Jh. n. Chr.) stammen von einer Frauenbestattung innerhalb des großen Repräsentationsbaus der Siedlung Abb. 23 Goldene Ohrringe (1./2. Jh. n. Chr.) gehören zu den geläufigen Beigaben reicher Frauenbestattungen auf dem Jabal al-‘Awd (M. 1 : 1) Außenstelle Sana’a 203 DAI-AWD20060415, J. Kramer (Abb. 21); DAI-AWD20060017, J. Kramer (Abb. 22); DAI-AWD20060098, J. Kramer (Abb. 23). Sirwah, Heiligtum des Almaqah Die bereits in den vorherigen Jahren begonnenen Restaurierungs- und Konsolidierungsmaßnahmen im Almaqah-Tempel von Sirwah werden seit 2006 zu 50 % vom jemenitischen Social Fund for Development (SFD) finanziert. Zielsetzung des Restaurierungsprojekts ist zunächst der Erhalt von bedrohten Gebäudeteilen, die Instandsetzung beschädigter Elemente und die partielle Rekonstruktion zerstörter Architekturelemente. Den Maßnahmen gingen gesteinstechnische und physikalische Untersuchungen voraus. Anschließend soll eine touristische Erschließung der Ruine mit der Anlage von Besucherwegen und einer Beschilderung erfolgen. Ebenfalls vom SFD finanziert, wurde mit den Zaunsetzungsarbeiten um die gesamte Stadtanlage und angrenzenden Ruinen von Sirwah begonnen. Einen wesentlichen Teil der restauratorischen Maßnahmen bildete der Austausch zerstörter Steinsubstanz. Diese wurde aus dem Boden oder Mauerwerk entfernt und durch Spolien der rezenten Bebauung des Tempels, die sich keinem Architekturzusammenhang mehr zuordnen lassen, ersetzt. Für die Abdichtung von offenen Maueroberkanten diente Qadad, ein lokaler auf antiken Rezepturen beruhender wasserdichter Mörtel. Die Restaurierungsmaßnahmen erstreckten sich vor allem auf die Bankettinstallationen und den Fußboden des Tempels. Neben dem Austausch von Bodenplatten konnten auch Teile der Kalksteintische wieder errichtet werden (Abb. 24). Von Inschriften auf dem Plattenboden wurden Gipsabgüsse angefertigt, da sie aufgrund des schlechten Erhaltungszustandes der Bodenplatten 25 Sirwah, Almaqah-Tempel Abb. 24 Blick auf den restaurierten Bankettbereich aus der mittelsabäischen Zeit (1. Jh. v. Chr. – 3. Jh. n. Chr.) im Vordergrund sowie auf den islamischen Turm Abb. 25 Provisorische Sicherung der Pfeiler des Propylons im Rahmen der Restaurierungsmaßnahmen im Tempel 24 204 Jahresbericht 2006 des DAI von direkter Zerstörung bedroht sind. Die Inschriften auf der zum Bankett führenden Treppenanlage wurden mit dispergiertem Weißkalkhydrat gefestigt. Im Bereich des Propylons erfolgte zeitgleich zum Rückbau der rezenten Bebauung eine temporäre statische Sicherung der Pfeiler (Abb. 25). Die Freilegung der Pfeiler bildete eine notwendige Voraussetzung für die genaue Schadenskartierung und die geplanten Ultraschalluntersuchungen der Monolithe. Erst im Anschluß daran und basierend auf den Ergebnissen der Untersuchungen wird ein Restaurierungskonzept für diesen gefährdeten Bereich des Tempels erstellt werden. Nach der Wiederaufrichtung des im Dezember 2005 im Almaqah-Tempel von Sirwah gefundenen 7,24 m langen und ca. 6 t schweren Inschriftensteins des sabäischen Herrschers Yitha’amar Watar bin Yakrubmalik (Ende 8. Jh. v. Chr.) war es notwendig, sehr schnell restauratorische Maßnahmen vorzunehmen, um weitere Schäden wie das Abplatzen beschädigter Teile und den damit verbundenen Materialverlust zu vermeiden. Ein aus Kalkstein über dem antiken Bestand gemauertes Podest mit Kalkmörtelbett dient als Basis des Inschriftensteins. Der Stein ist von Salzen kontaminiert: Drei direkt nach der Ausgrabung entnommene Proben ergaben einen höheren Nitrat- als Chloritgehalt, was darauf hinweist, daß der Stein die Salze von dem umgebenden Sediment aufnahm. Die Außenflächen des Steins wurden zunächst von der Salzkruste befreit, weitere Entsalzungsmaßnahmen sind geplant. Kleinere Risse im Stein wurden mit Heißkleber verpreßt und große Risse mit Kalktünche aus gelöschtem Kalk, feinem Sand und Wasser verfüllt. Bereits bei der Wiederaufrichtung der Inschrift abgeplatzte Steinteile konnten mit Epoxidharz an ihre ursprüngliche Stelle geklebt und Risse mit Kalkmörtel abgedichtet werden. Kooperationspartner: Paläontologisches Institut der Friedrich-AlexanderUniversität Erlangen (R. Koch); Dombauhütte Xanten (J. Schubert); General Organization for Antiquities and Museums (A. Bawazir) • Förderung: Social Fund for Development (SFD) • Leitung des Projekts: I. Gerlach, Ch. Weiss • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: J. Brettschneider, R. Czarnietzki, P. Hofmann, W. Fischer-Ohl, J. Schubert, M. Bruex • Abbildungsnachweis: DAI Sir2006_DSC0080, I. Wagner (Abb. 24); DAI Sir20061406, M. Schnelle (Abb. 25). Marib, Planung eines Provinzmuseums Im November begannen die Planungen für ein Provinzmuseum in Marib. Das in drei Phasen unterteilte Projekt führt die Außenstelle Sana’a für den jemenitischen Social Fund for Development (SFD) durch, der die Arbeiten vollständig finanziert. Die erste Phase beinhaltet die Evaluierung infrastruktureller Rahmenbedingungen eines Museumsbaus in der Provinz Marib sowie eine Sichtung des archäologischen und ethnologischen Materials. Ziel dieses Arbeitsschrittes ist es, ein vorläufiges Konzept für die Ausstellung zu erstellen. Dies enthält bereits eine Auswahl an Ausstellungsobjekten sowie eine vorläufige Raumplanung. Die folgenden Projektphasen umfassen die architektonische Planung und Umsetzung des Museumsbaus, die sich an dem zuvor erstellten Konzept orientieren werden. Als Beginn der Arbeiten erfolgte der Ausbau des bereits von der Außenstelle in den 90er Jahren des 20. Jhs. auf dem zukünftigen Museumsgelände errichteten Magazingebäudes (Abb. 26). Hierfür wurden die bisher noch offenen Belüftungsfenster mit Gittern zugesetzt, der Haupteingang geöffnet, die Wände verputzt sowie Regalsysteme angefertigt und installiert, die auch für die Last sehr schwerer Fundobjekte konzipiert sind. Gleichzeitig begann Außenstelle Sana’a 205 Abb. 26 Marib, Planung eines Provinzmuseums. Magazingebäude nach den Umbau- und Sicherungsmaßnahmen im Herbst 2006 ein Team aus Archäologen und Restauratoren das im Gouverneurspalast von Marib lagernde Fundmaterial aus der Provinz auf seine Ausstellungsfähigkeit zu sichten, entsprechend zu dokumentieren und für den Transport in das neue Magazingebäude sachgemäß zu verpacken. Daneben erfolgte eine Begutachtung der Objekte in Hinblick auf notwendige Restaurierungsmaßnahmen. Um das vorhandene Magazin als Funddepot herzurichten, wurde zunächst die Bewachung des Gebäudes durch entsprechende Wächter gesichert. Der Gouverneur der Provinz Marib ließ ein nach DAI-Plänen entworfenes Wächterhaus errichten. Kooperationspartner: Lehrstuhl für Semitische Philologie und Kulturen des Vorderen Orients der Friedrich-Schiller-Universität Jena (N. Nebes); Geographisches Institut, Physische Geographie der Eberhard-Karls-Universität Tübingen (Th. Scholten); Paläontologisches Institut der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen (R. Koch); General Organization for Antiquities and Museums (A. Bawazir); Staatliche Museen zu Berlin (Vorderasiatisches Museum, Islamisches Museum, Institut für Museologie) • Förderung: Jemenitischer Social Fund of Development (SFD); USAID • Leitung des Projekts: I. Gerlach • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: R. Arndt, M. Bruex, P. Frömming, S. al-Hamimi, N. Nebes • Abbildungsnachweis: DAI MaribMuseum, MGZN2006_0135, M. Bruex (Abb. 26). Entwicklungs- und kulturpolitische Maßnahmen, Projekt zum Erhalt des jemenitischen handschriftlichen Erbes Im Rahmen des aus Mitteln des Kulturerhalt-Programms des Auswärtigen Amtes finanzierten und seit 2005 laufenden Projekts zur Digitalisierung und Konservierung islamischer Manuskripte aus dem Jemen wurden weitere Manuskripteditionen vom Französischen ins Arabische übersetzt. Darüber hinaus erfolgte gemeinsam mit dem Centre Français d’Archéologie et de Sciences Sociales de Sana’a (CEFAS Sana’a) die Herausgabe einer Monographie in der neu konzipierten Reihe beider Institute »Die jemenitische Bibliothek«. Kooperationspartner: Centre Français d’Archéologie et de Sciences Sociales de Sana’a (J. Lambert); Französische Botschaft Sana’a (A. Joly); Deutsche Botschaft Sana’a (H. Selle); Centre Culturel et de Coopération Linguistique; Ministerium für Kultur und Tourismus der Republik Jemen (A. Roweishan); General Organization for Antiquities and Museums (A. Bawazir); Allgemeine Organisation für Handschriften des Jemen; Ministerium für Religiöse Stiftungen des Jemen • Förderung: Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland, Mittel zum Kulturerhalt • Leitung des Projekts: I. Gerlach, J. Lambert • Mitarbeiter: M. Arbach, T. Klaric, E.Vallet. Cultural Tourist Guide Marib Im Rahmen des Aktionsprogramms 2015 »Poverty Reduction and Conflict Transformation« hat die Außenstelle Sana’a des DAI im Auftrag des BMZ/ GTZ für das Projekt »Cultural Tourist Guide Marib« deutsch-, englisch- und arabischsprachige Faltblätter zu den Ruinenstätten der Provinz Marib verfasst. Die bereits in deutscher Sprache erschienene Touristenbroschüre wurde im Berichtszeitraum auch auf Englisch und Arabisch publiziert. Für die Beschilderung der Ruinenstätten der Provinz Marib fertigte die Außenstelle deutsch-, englisch- und arabischsprachige Texte an. Kooperationspartner: Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)/Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) • Leitung des Projekts: I. Gerlach, J. Thielebein (GOPHCY/CIM) • Mitarbeiter: H. Hitgen (Editing), M. Puig (Publishing). 206 Jahresbericht 2006 des DAI Öffentlichkeitsarbeit Frau Gerlach gab mehrere Interviews für Zeitungen sowie Radio- und Fernsehsender, u. a. für den Spiegel, den Berliner Tagesspiegel, das Deutsche Welle TV und Radio, die Frankfurter Allgemeine Zeitung, den Bayerischen Rundfunk, das National Geographic und die Hessisch Niedersächsische Allgemeine Zeitung. Sie schrieb Pressemitteilungen sowie Kurzartikel über die Forschungen der Außenstelle und den Neufund des Inschriftensteins im Almaqah-Tempel von Sirwah u. a. für die Antike Welt, den Jemen-Report, die Deutsche Welle und die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Gemeinsam mit der Deutschen Botschaft Sana’a veranstaltete sie eine Pressekonferenz. Für ein japanisches Filmprojekt über Marib stellte sie Informationen zur Verfügung und beriet bei der Konzeption. Frau Gerlach führte verschiedenen Reisegruppen, Vertreter der Organisation »Ärzte ohne Grenzen«, Mitarbeiter der Deutschen Botschaft und anderer ausländischer Institutionen über die Ausgrabungen in Marib und Sirwah. Am 21. November empfing sie in Marib eine deutsche Journalistengruppe (journalists.network e.V.). Ausstellungen Für eine im April in Sana’a von der Firma Yemen LNG Co Ltd. organisierte Präsentation mit dem Thema »Environmental Assessment of YLNG« fertigte die Außenstelle Sana’a des DAI gemeinsam mit dem Centre Français d’Archéologie et de Sciences Sociales de Sana’a eine Posterausstellung über den Survey und die Ausgrabungen entlang der geplanten Strecke der Gaspipeline an. Im März wurde im Rahmen einer Jubiläumsfeier des Deutschen Entwicklungsdienstes (DED) eine Ausstellung über entwicklungspolitische Arbeiten Deutschlands eröffnet, auf der sich auch die kulturpolitischen Unternehmungen der Außenstelle in mehreren Postern präsentierten. Veröffentlichung Deutsches Archäologisches Institut, Orient-Abteilung, Außenstelle Sana’a – Centre Français d’Archéologie et de Sciences Sociales de Sana’a (Hrsg.), Paul Dresch, Rules of Barat. Tribal Document of Yemen, Die jemenitische Bibliothek 1 (Sana’a 2007) Sonstiges Im Oktober 2006 zog die Außenstelle Sana’a aus dem seit 1994 angemieteten Institutsgebäude im Old Diplomatic Quarter in die Altstadt von Sana’a. Das ca. 250 Jahre alte Haus ist im traditionellen ›Stadthausstil‹ von Sana’a erbaut. Es gehört zu den repräsentativen, palastähnlichen Bauten, die von den mächtigen Stadtfamilien errichtet wurden. Das vierstöckige Gebäude mit Annex und Magazinräumen zählt wie die gesamte Altstadt von Sana’a zum Weltkulturerbe der UNESCO (Abb. 27). Abbildungsnachweis: I. Wagner (Abb. 27). Abb. 27 Sana’a, neues Institutsgebäude der Außenstelle in einem traditionellen Haus in der Altstadt von Sana’a Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 207 Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen, Bonn Ausgrabungen und Forschungen Bajo Río Grande (Peru) Der Río Grande im Distrikt Nasca ist Bestandteil eines mehrfach verästelten Flußsystems, dessen Quellen am westlichen Andenfuß liegen. Sein etwa 50 km langer Unterlauf bildet eine lang gestreckte Flußoase (Abb. 1), die einen hyperariden Küstenstreifen nebst vorgelagerter Kordillere quert. Dieser topographisch klar begrenzte Siedlungsraum ist archäologisch bislang nur punktuell untersucht. Das neue, interdisziplinär angelegte Projekt widmet sich der Suche nach Frühformen der Seßhaftwerdung und deren Entwicklung zu komplexeren Gesellschaften, wobei die Nutzung maritimer und terrestrischer Ressourcen im Mittelpunkt steht. Abb. 1 Bajo Río Grande (Peru), canyonartig eingeschnittene Flußoase am Unterlauf des Río Grande mit Einmündung des Río Nasca Die ersten systematischen Oberflächenbegehungen des Jahres 2006 ergaben auf einem nur 8 km langen Teilabschnitt unmittelbar südlich des Zuflusses des Río Nasca etwa 150 Fundplätze, deren Verteilung bisweilen weit über die eigentlichen Flußterrassen des Río Grande hinaus bis in die Randbereiche der Hochflächen reicht. Die vorkolonialzeitlichen Fundplätze umfassen teilweise sehr ausgedehnte Siedlungen (Abb. 2), des weiteren Friedhöfe, Geoglyphen, einen Abri, montanarchäologische Fundstätten, Schlagplätze und andere Werkstätten sowie Reste von Wasserwirtschaftsbauten. Über die regelmäßige lineare Verteilung von scheibengedrehter Keramik konnte darüber hinaus der Verlauf früher kolonialzeitlicher Straßen nachgewiesen werden. Nach Ausweis repräsentativ angelegter Oberflächenkollektionen datieren die Siedlungen, Friedhöfe und die als »Puquios« bezeichneten unterirdischen Sickergalerien vor allem in die Paracas- (800–200 v. Chr.) und Nasca-Zeit (200 v. Chr. – 600 n. Chr.); Befunde späterer Zeitstellung sind grundsätzlich seltener vertreten. Als wichtigstes Ergebnis kann der in dieser Form für den Süden Perus erstmals umfassende Nachweis lithischer Produktionen gelten, die in Vergesellschaftung mit Quarzitminen und akeramischen Fundplätzen (Abb. 3) auftreten. Die vorläufige Datierung dieses Fundgutes in die Zeit vor 2000/1800 v. Chr. basiert vorerst auf typologischen Parallelen zu nordperuanischen Oberflächenkollektionen. 208 Jahresbericht 2006 des DAI 2 3 Gerade die unerwartet zahlreich auftretenden lithischen Fundplätze, die starke Präsenz von paracaszeitlichen Siedlungen und die bei Besuchen an der Mündung des Río Grande in den Pazifik beobachteten, vorläufig ins 4. und 3. Jt. v. Chr. datierten akeramischen Muschelhaufen versprechen für die Folgekampagnen ein großes Informationspotential besonders zur Frühzeit des südlichen Perus. Erste Sondagen im offensichtlich ungestörten Abri von Las Brujas sollen erstmals für diese Region eine stratigraphische Sequenz erschließen, in der in größerem Umfang lithisches Fundgut erwartet werden darf. Weitere Untersuchungen werden der jüngeren, anfangs saisonal, nachfolgend permanent bewässerten Flußoasenbesiedlung gelten, wobei auch die Reste antiker Bewässerungskanäle und die aufwendig angelegten unterirdischen Sickergalerien erforscht werden sollen. In Ermangelung detaillierterer archäologischer sowie bau- und technikgeschichtlicher Studien werden diese wohl zu Unrecht häufig als Technologieimport spanisch-kolonialzeitlicher Landbewirtschaftung angesehen. Kooperationspartner: Instituto Nacional de Cultura (Lima); Pontifícia Universidad Católica del Peru (Lima) • Leitung des Projekts: B. Vogt, P. Kaulicke, M. J. Diaz • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: O. L. Azáldegui, Chr. Hartl-Reiter, J. Moser, J. L. Nuñez Alfaro, N. Schlüter, R. G. Silva • Abbildungsnachweis: B. Vogt (Abb. 1–3). Informationen im Internet unter: http://www.dainst.org/index_7197_ de.html Palpa (Peru) In der Region Palpa, in der Küstenwüste Südperus, wurden die archäologischen Arbeiten im Rahmen eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten interdisziplinären Projektverbundes fortgesetzt. Eines der Ziele des Projekts ist es, eine möglichst lückenlose Abfolge der Kulturstufen im Raum Palpa zu dokumentieren. Paläoklimatische Untersuchungen hatten ergeben, daß eine extreme Trockenphase in der sog. Späten Nasca-Zeit (450–650 n. Chr.) maßgeblich zum Untergang der Nasca-Kultur beigetragen hatte. Analysen von Siedlungsmustern zeigten, daß sich die Siedlungszentren der Späten Nasca-Zeit – der Verlagerung des Wüstenrandes von Westen nach Osten folgend – in die feuchteren, mittleren Talbereiche des Andenfußes verlagerten. Durch Untersuchungen an dem Fundplatz Parasmarca der Späten Nasca-Zeit sollte eine Siedlung dieser Zeitstufe genauer dokumentiert werden. Bajo Río Grande (Peru) Abb. 2 Konzentration von paracaszeitlichen (800–200 v. Chr.) Siedlungsplätzen mit Zeichen ausgedehnter rezenter Plünderungen Abb. 3 Akeramisch-lithischer Fundplatz mit steinernem Hüttengrundriß Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 209 Abb. 4 Palpa (Peru), Vermessungsplan der spätnascazeitlichen Siedlung Parasmarca (430–650 n. Chr.). Deutlich hebt sich der geplant angelegte Gebäudekomplex im Osten von den unregelmäßig gewachsenen Siedlungsbereichen im Westen ab. Die Grabungsflächen sind rot unterlegt Die Siedlungsreste von Parasmarca erstrecken sich auf dem rechten Talhang des Río Grande-Tales über eine Fläche von annähernd 1 km2, insbesondere im Bereich des großen Schwemmfächers eines Trockentales. Diese Lage ist typisch für Fundorte der Späten Nasca-Zeit. Besonders auffallend war ein gut erhaltener, etwa 100 m × 100 m großer Gebäudekomplex am unteren Talhang, nahe der Abbruchkante zur Talaue (Abb. 4). Auf mehreren Terrassen sind rechteckig ummauerte Höfe, kleinere Raumeinheiten sowie Grabanlagen angeordnet. Die nach der Auflassung der Gebäude in der Huari-Zeit (650–1000 n. Chr.) eingebrachten Grabanlagen sind stark geplündert, ebenso wie ein weiter östlich liegendes Gräberfeld. Der übrige Bereich des Fundortes zeichnet sich durch unregelmäßig angelegte Siedlungsterrassen aus. Auf dem oberen Teil des Schwemmfächers befand sich eine etwa 300 m lange trapezförmige Geoglyphe, die an ihrem unteren Rand, nahe dem Gebäudekomplex, von einer weiteren Geoglyphe gequert wurde. Bei der detaillierten Oberflächenbegehung des Fundortes konnten neben den Gebäuderesten der Späten Nasca-Zeit Siedlungsspuren aus nahezu allen vorspanischen Zeitstufen festgestellt werden. Somit erwies sich Parasmarca als einer der wenigen Fundorte im Nasca-Gebiet, der eine Siedlungskontinuität über alle bisher bekannten Epochen aufweist. Durch die detailgenaue topographische Vermessung konnte erstmals der markante Unterschied zwischen dem planvoll angelegten Gebäudekomplex und den im Gegensatz dazu unregelmäßig gewachsenen Siedlungsterrassen dokumentiert und so ein weiterer Beleg für die ausgeprägte Organisationsstruktur der Nasca-Kultur gefunden werden. Gezielte Ausgrabungen erlaubten die genaue zeitliche Einordnung der Architektur (Abb. 5) sowie des zugehörigen keramischen Fundmaterials der 210 Jahresbericht 2006 des DAI Abb. 5 Palpa (Peru), Parasmarca. Freigelegte Mauersockel von Gebäuden der sog. Späten Nasca-Zeit (450–650 n. Chr.) im Ostteil der Siedlung Späten Nasca-Zeit (Abb. 6). Durch die Ausgrabung zweier intakter Grabanlagen konnte der Übergang in die nachfolgende Siedlungsperiode des ›Mittleren Horizontes‹ (650–1000 n. Chr.) dokumentiert werden. Innerhalb quadratischer Mauereinschlüsse befanden sich Grabschächte, die bis zu etwa 2 m tief liegenden Grabkammern reichten. In beiden Gräbern wurden Bestattungen und Keramikinventare des sog. Loro-Stils geborgen. Die Radiokohlenstoffdatierungen von Befunden der im Frühjahr 2006 abgeschlossenen Grabung an dem Fundort Pernil Alto brachten in diesem Jahr noch ein überraschendes Ergebnis. In den untersten Schichten des Fundplatzes, also unterhalb der Lehmarchitektur aus der ›Initialzeit‹ (1500–800 v. Chr.), waren Gruben, einige Pfosten und drei Gräber gefunden worden (Abb. 7). Die Bestattungen wiesen Beigaben aus Stein, Muschel, Horn und Textilien auf, jedoch keine Keramikgefäße. Die Radiokohlenstoffanalysen ergaben Datierungen zwischen 3800 und 3000 v. Chr. Damit datieren die Befunde in das ›Mittlere Archaikum‹. Bisher ist nur ein Befund dieser Zeitstellung aus dem Nasca-Gebiet bekannt. Daraus erschließt sich für die Forschungen in Palpa Abb. 6 Palpa (Peru), Parasmarca. Gefäßscherben der typischen Keramik der sog. Späten Nasca-Zeit (430–650 n. Chr.) Abb. 7 Palpa (Peru), Pernil Alto. Bestattung aus der Zeit des ›Archaikums‹ (etwa 3600 v. Chr.) aus den ältesten Siedlungsschichten des Fundplatzes Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 211 ein neuer Horizont und die Zeitskala für die Besiedlungsgeschichte der Region muß daher bis in diese frühen Zeiten verlängert werden. Kooperationspartner: Instituto Andino de Estudios Arqueológicos (Lima); Forschungsstelle Archäometrie der Heidelberger Akademie der Wissenschaften am Max Planck-Institut Heidelberg; Forschungsstelle Radiometrie der Heidelberger Akademie der Wissenschaften am Institut für Umweltphysik der Universität Heidelberg; Geographisches Institut der Universität Heidelberg; Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege (München); Institut für Historische Anthropologie und Humanökologie der Universität Göttingen; Institut für Geodäsie und Photogrammetrie der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich • Förderungen: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) • Leitung des Projekts: M. Reindel • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: J. Isla, S. Schlegel, N. Hecht, K. Lambers, E. Tomasto, P. Rios, E. Muñoz, J. Palomino, Studierende der Universitäten in Bonn, Zürich, Lima und Trujillo • Abbildungsnachweis: M. Reindel, S. Schlegel (Abb. 4); K. Lambers (Abb. 5); J. Isla (Abb. 6. 7). Informationen im Internet unter: http://www.dainst.org/index_593_ de.html Andentranssekt 1 (Peru) Im Rahmen des Forschungsclusters 1 »Von der Seßhaftigkeit zur komplexen Gesellschaft: Siedlung, Wirtschaft, Umwelt« des DAI wurde mit Sondermitteln des Instituts das Projekt »Andentranssekt Peru – Siedlungsdynamik zwischen Meeresküste und Altiplano« initiiert. In einer siedlungsarchäologischen Studie wird die Entwicklung unterschiedlicher Kulturformen unter dem Einfluß wechselnder ökologischer Bedingungen im tropischen Hochgebirge der Anden Südperus untersucht. Im Rahmen einer Kooperation innerhalb der KAAK richtet sich die Forschung im hier beschriebenen Projekt auf das Gebiet von Andenfuß und Hochland, das heißt das Einzugsgebiet sowie der mittlere Abschnitt des Río Grande. Der Unterlauf des Río Grande bis zur Meeresküste wird unter Leitung von B.Vogt im Rahmen des Teilprojekts »Bajo Río Grande« bearbeitet (s. auch hier S. 207 f.). Zur Rekonstruktion vorspanischer Siedlungsstrukturen wurden am Andenfuß zunächst exemplarisch Fundplätze der ›Späten Zwischenperiode‹ (1000–1400 n. Chr.) bearbeitet (Abb. 8). In dieser Zeit ist eine intensive Wiederbesiedlung des Raumes Palpa nach einer fast siedlungsleeren extremen Trockenperiode zur Zeit des ›Mittleren Horizontes‹ (650–1000 n. Chr.) zu beobachten. Mit Zunahme der Feuchtigkeit siedelten die Menschen zunächst in kleinen, landwirtschaftlich orientierten Weilern und später in auffallend großen, bevölkerungsreichen Siedlungen (Abb. 9). Diese Bevölkerungszentren hatten offenbar auf der Grundlage der verbesserten Bedingungen für die Landwirtschaft andere ökonomische Aktivitäten mit überregionaler Bedeutung entwickelt. Änderungen im Siedlungsgefüge können somit als Ausdruck einschneidender ökologischer und wirtschaftlicher Veränderungen gewertet werden. Im Hochland der Anden, im Einzugsgebiet der Zuflüsse des Río Grande in einer Höhe zwischen 3000 und 4000 m, wurden erste Prospektionen unternommen, die eine unerwartet hohe Fundortdichte von Siedlungen, Gräbern, Höhlen und Felsbildern aus allen wichtigen Siedlungsepochen ergaben. Die zahlreichen, deutlich sichtbaren Siedlungen der ›Späten Zwischenperiode‹ befinden sich zumeist auf Bergkuppen mit gutem Rundumblick. Ausgedehnte Ackerbauterrassen überziehen große Teile der heute trocken liegenden Berghänge und zeugen von ehemals feuchteren Verhältnissen. Grabbauten, 212 Jahresbericht 2006 des DAI 9 Andentranssekt 1 (Peru) Abb. 8 Karte der Siedlungen der ›Späten Zwischenperiode‹ (1000–1400 n. Chr.) am Andenfuß, deutlich ist eine Konzentration der Bevölkerungszentren an den Talausgängen zu erkennen Abb. 9 Digitales Oberflächenmodell einer großen Siedlung der ›Späten Zwischenperiode‹ im Bereich des Andenfußes, erstellt auf der Grundlage von Luftbildern und Laserscandaten 8 deutlich strukturierte Siedlungen und Terrassen sind z. T. noch sehr gut erhalten (Abb. 10). Erstaunlich waren die Funde von Keramik, die eindeutige stilistische Parallelen mit den Küstenkulturen aufwiesen und somit unzweifelhaft ein Siedlungskontinuum zwischen Küste und Hochland belegen. Sogar Geoglyphen in Form von trapezförmigen Plätzen konnten im Zusammenhang mit NascaSiedlungen (200 v. Chr. – 650 n. Chr.) beobachtet werden. Unerwartet war auch die große Anzahl der formativzeitlichen Fundplätze. Schon die Paracas-Kultur (800–200 v. Chr.) erstreckte sich also bis in die Hochlandregionen. Die formativzeitlichen Fundplätze zeichnen sich insbesondere durch Großsteinarchitektur bei Gräbern, Siedlungsbauten und Terrassen aus. Ein großes Potential insbesondere für die Erforschung der frühe- Abb. 10 Andentranssekt 1 (Peru), Grabhaus (Chullpa) in den Bergregionen des Andentranssekts. Grabbauten dieser Art lassen sich bereits in den frühesten Siedlungsperioden feststellen Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 213 sten Besiedlungsphasen bieten Höhlen und Abris, die in den Weideregionen häufig zu finden sind und reichhaltiges lithisches Fundmaterial aufweisen. Es ist anzunehmen, daß die Haltung von Lamas und Alpacas eine wichtige Wirtschaftsgrundlage für die Hochlandbevölkerung war. Besonders eindrücklich wird die Verbindung von Hochland und Andenfuß durch deutlich sichtbare Handelswege dokumentiert, welche über die Bergrücken des Andenschildes verlaufen. Erst kurz vor Erreichen der äußersten westlichen Ausläufer dieser Bergkämme stieg man auf steilen Wegen in die Küstenregion ab. Daß diese Wege auch schon zumindest zur sog. Formativzeit genutzt wurden, zeigen prägnant die in der Nähe markanter Wegpunkte angebrachten Petroglyphen, die nahezu identische Motive im Hochland und am Andenfuß aufweisen (Abb. 11). Kooperationspartner: Instituto Andino de Estudios Arqueológicos (Lima); Geographisches Institut der Universität Heidelberg; Institut für Historische Anthropologie und Humanökologie der Universität Göttingen; Deutsches Bergbau-Museum Bochum • Leitung des Projekts: M. Reindel • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: C. Hohmann, D. Vallejo, I. Vallejo, A. Vasquez • Abbildungsnachweis: D. Kupferschmidt (Abb. 8); H. Eisenbeiss, ETH Zürich (Abb. 9); C. Hohmann (Abb. 10), C. Hohmann, B. Gubler (Abb. 11). Informationen im Internet unter: http://www.dainst.org/index_7209_ de.html Abb. 11 Andentranssekt 1 (Peru), Felsbilder mit identischen Motiven wurden an der Küste und im Hochland gefunden. Oben eine anthropomorphe Darstellung der sog. Formativzeit (ca. 400 v. Chr.) mit Kopfschmuck von dem Hochlandfundort Pañe, unten ein Abrieb von Felsbildern von dem Küstenfundort Chichictar Loma Salvatierra (Bolivien) Siedlungshügel wie die Loma Salvatierra waren zwar bereits vor 100 Jahren Gegenstand der ersten archäologischen Forschungen im bolivianischen Tiefland, detaillierte Vermessungen sind an ihnen jedoch bislang nie vorgenommen worden. Deshalb verwundert es nicht, daß jene Plätze auch in der wissenschaftlichen Perzeption nicht mehr als schlichte lomas, also Hügel, geblieben sind. Die im vergangenen Jahr abgeschlossenen Kartierungsarbeiten an der Loma Salvatierra zeigen nun erstmals die Komplexität jener vorspanischen Siedlungsplätze, von denen es schätzungsweise 2000 in den südlichen Llanos de Moxos gibt. Im Zentrum der Anlage (Abb. 12), die von einem Ringwall umgeben ist, befindet sich ein 7 m hoher Plattformbau (Hügel 1) mit U-förmig angeordneten Aufbauten. Im vergangenen Jahr konnte die Verwendung von luftgetrockneten Lehmziegeln (adobes) in diesem Bau nachgewiesen werden. Es ist der erste archäologische Nachweis für diese im Andengebiet weit verbreitete Bautechnik im Amazonasgebiet. In direkter Verbindung zum Siedlungsplatz stehen Kanäle, Dämme und kreisrunde Becken, die offenbar dem Wassermanagement im Bereich der südlich angrenzenden Überschwemmungssavanne dienten. Möglicherweise lagen hier die landwirtschaftlich genutzten Flächen. Bislang ungeklärt ist allerdings die Frage, ob die Kanäle der Be- oder der Entwässerung dienten. Auf der Kuppe von Hügel 1 konnten die Grabungen des Vorjahres bis in 4 m Tiefe fortgesetzt und dabei fundreiche Siedlungsschichten aus dem 8.–10. Jh. freigelegt werden. Im nördlichen Teil der Grabungsfläche fanden sich in den untersten Schichten Pfostenstellungen, die zu Rundbauten gehören. In zwei neuen Grabungsflächen wurden ferner mehrere Urnen- und Körpergräber aus der Spätzeit der Besiedlung freigelegt (Abb. 13). Die Frühzeit der Besiedlung wurde in einer etwa 40 m weiter südlich auf dem flachen Terrain der Flußterrasse angelegten Sondage erfaßt. Dort fanden sich bis in 2,50 m Tiefe überaus fundreiche Kulturschichten, wobei in den anstehenden sterilen Boden abgetiefte Gruben noch etwa 60–70 cm tiefer hinabreichten. Die aus den frühesten Schichten dieser Sondage geborgene 214 Jahresbericht 2006 des DAI Keramik entspricht der ältesten Keramik, die in der nur 3 km entfernt gelegenen Loma Mendoza nachweisbar war. Für beide Fundorte ist somit von einem gleichzeitigen Beginn des Siedlungsgeschehens auszugehen, der absolutchronologisch im 5. Jh. n. Chr. anzusetzen ist. Das am intensivsten untersuchte Areal des Siedlungsplatzes ist die Bestattungsplattform (Hügel 2), in der 2005 ein ›reicher‹ ausgestattetes Grab gefunden worden war. Insgesamt wurden bislang über 200 m2 der Plattform untersucht und dabei 52 Bestattungen geborgen. In der zunächst verwirrenden Vielfalt hinsichtlich der Lage der Toten läßt sich nun zumindest eine Konstante erkennen: die Ausrichtung bei den Körperbestattungen. Unabhängig davon, ob die Toten in Rücken-, Seiten- oder Bauchlage, als Strecker, Hokker, sitzend oder kniend bestattet wurden, sind die Körperachsen immer einem Koordinatenschema folgend bestattet, das um wenige Grad von unserer Nord-Süd-/Ost-West-Achse abweicht. Auch in diesem Jahr hoben sich einige Gräber wegen der in ihnen angetroffenen Beifunde von den anderen ab. Hierzu gehörten zwei Bestattungen, in denen sich aus Vogelknochen gefertigte Flöten fanden (Abb. 14). Geologische Bohrungen zur Rekonstruktion der Umweltgeschichte wurden von H. Hooghiemstra (Amsterdam) in zwei Seen der Region vorgenommen. Die Auswertung der Proben erfolgt derzeit in Amsterdam. Ein weiterer Bohrkern wurde von J.-H. May (Bern) in einem der beiden runden Becken entnommen (Abb. 15). Dabei zeigte sich, daß der alte Boden des Beckens ca. 170 cm unter der heutigen Oberfläche liegt und mit einer dünnen Schicht aus organischem Material bedeckt ist. Letzteres wird hoffentlich eine Datierung der Anlage erlauben. Abb. 12 Loma Salvatierra (Bolivien), Plan der vorspanischen Anlage mit polygonalem Wall. Ein verlandeter Flußlauf zieht sich als Schleife, südlich davon Kanäle und Dämme, die dem Wassermanagement in dem wahrscheinlich landwirtschaftlich genutzten Gebiet dienten Abb. 13 Loma Salvatierra (Bolivien), Hügel 1. Urnengräber aus der Spätzeit der Besiedelung Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 215 14 15 Loma Salvatierra (Bolivien) Abb. 14 Flöte aus dem Schwingenknochen einer Storchenart (Jabiru mycteria sp.), 10.–11. Jh. n. Chr. Abb. 15 Entnahme eines Bohrkerns in einem verlandeten Wasserbecken südlich des umwallten Siedlungsplatzes Unter dem Titel »GIS in Moxos« ist im Juli 2006 ein neues Projekt begonnen worden. Ziel dieses Projekts ist die GIS-fähige Aufnahme aller obertägig sichtbaren Denkmäler aus vorspanischer Zeit in vier unterschiedlichen Regionen der Llanos de Moxos. Hierzu werden zum einen alle verfügbaren hochauflösenden Satellitenbilder systematisch ausgewertet und zum anderen terrestrische Prospektionen durchgeführt. Die in den exemplarisch ausgewählten Regionen zu untersuchenden Flächen sind jeweils 400 km2 groß. Die Arbeiten in dem ersten Untersuchungsgebiet konnten bereits erfolgreich abgeschlossen werden. Über 30 neue Siedlungshügel, von denen zwei um die 20 m hoch sind, wurden lokalisiert und ebenso wie die sie umgebenden Kanäle und Dämme erstmals kartiert. All dies fügt sich zu einem völlig neuen Bild der »Kultur von Moxos«, die in einer Gegend prosperierte, die heute aufgrund periodischer Überflutungen sehr unwirtlich ist. Kooperationspartner beider Projekte: Dirección Nacional de Arqueología (La Paz) • Leitung der Projekte: H. Prümers, C. Jaimes Betancourt • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: M. Bruno, A. Hirdes, U. Lombardo, E. Machicado, R. Torrico, Z. Terceros • Abbildungsnachweis: H. Prümers (Abb. 12–15). Informationen im Internet unter: http://www.dainst.org/index_7193_de.html Mogador (Marokko) Im Frühjahr 2006 fand die erste Kampagne des von der Abteilung Madrid und der KAAK gemeinsam konzipierten Projekts zur phönizischen Besiedlung der Insel Mogador sowie zur einheimischen Besiedlung des Umlandes von Essaouira statt (s. auch hier S. 145–147). Die Arbeiten werden in Zusammenarbeit mit dem »Institut National des Sciences de l’Archéologie et du Patrimoine« in Rabat durchgeführt. Die Arbeiten auf der Insel obliegen vorrangig der Abteilung Madrid und umfaßten 2006 eine GIS-fähige Vermessung des Ensembles sowie geophysikalische Untersuchungen in ausgewählten Bereichen, um die Ausdehnung der antiken Bebauung festzustellen. Auf dem Festland, das der Insel gegenüberliegt, unternahmen H. Brückner und J. Lucas Untersuchungen zum antiken Küstenverlauf. Unter anderem stellt sich hier die Frage, ob die in einer Flucht mit der Insel Mogador gelegene Halbinsel, auf der sich heute das Städtchen Essaouira befindet, in antiker Zeit ebenfalls durch einen Meeresarm vom Festland getrennt war. Hierzu wurden Bohrkerne gezogen und ausgewertet, deren Befund für diese Hypothese spricht. Das große Flächenangebot und die küstennahe Positionierung dieser nördlichen ›Insel‹ lassen vermuten, daß sich der überwiegende Teil des antiken Ensembles unter der heutigen Stadt befinden könnte. Das Hinterland von Essaouira ist in archäologischer Hinsicht unerforscht, während Geographie, Ethnographie, Fauna und Flora und weiteres dank einer regen Gemeinde dilettierender Amateure in Essaouira recht gut bekannt sind. Erste Geländebegehungen zeigten jedoch, daß sich in der Region zahlreiche archäologische Fundstellen finden lassen, die eine lange Besiedlungsgeschichte widerspiegeln. Das Repertoire reicht von steinzeitlichen Plätzen bis hin zu Grabhügeln der Protohistoire. Von besonderem Interesse sind natürlich Fundstellen, die zeitlich mit dem Bestehen des phönizischen Kontors und der römerzeitlichen Anlagen auf der Insel übereinstimmen. Ein wesentliches Ziel der Forschungen im Hinterland ist es, die Interaktion solcher Plätze, wenn sie denn zu finden sind, mit der Insel sowie die Veränderungen, die der Handel mit der antiken Welt bei der einheimischen Bevölkerung hervorgerufen hat, an ausgewählten Beispielen zu beleuchten. Die Insel selbst ist ressourcenlos, alles Wesentliche für den Unterhalt mußte entweder im näheren Umland beschafft oder aber – weniger wahrscheinlich – 216 Jahresbericht 2006 des DAI auf dem Seeweg von fernher herbeigebracht werden. Alle Ressourcen finden sich in kurzer bis mittlerer Distanz von einigen Wegstunden – Süßwasser, Holz, agrikulturell nutzbare Flächen, Weideland, Jagdwild, Lagerstätten aller Art und vieles mehr. Neben diesem Wirtschaftsraum lassen die merkantilen Interessen der Insel natürlich Fernhandelsbeziehungen vermuten, die sich am besten mit dem griffigen, aus dem Mittelalter überlieferten Beinamen »der Hafen Timbuktus« für Essaouira/Mogador illustrieren lassen. Auch die letzten Stationen, gewissermaßen die ›Waren-Terminals‹ dieser Fernhandelswege, sollten im küstennahen Bereich zu finden sein (Abb. 16). In der Tat konnten mehrere Fundplätze festgestellt werden, die wahrscheinlich metallzeitliche Keramik aufweisen. Unmittelbar gegenüber der Insel fanden sich neben dem Marabut von Sidi Moqdoul auf einem Hügel Spuren einer vorislamischen Nekropole. Im Norden des Arbeitsgebietes liegt Jebel Hadid, ein eisenerzreiches Massiv mit zahlreichen Fundstellen, darunter auch einer Steinkreisanlage. Ob der flächige islamische Erzabbau ältere Wurzeln hat, wie Tondüsenfunde aus den phönizischen Niveaus der Insel vermuten lassen, werden zukünftige Untersuchungen zeigen. Erste Eindrücke möglicher Fernhandelsgüter geben Oberflächenfunde der Kampagne 2006, so der mächtige Hornkern eines afrikanischen Büffels, von dem mittels feiner Sägeschnitte die Hornscheide zur Weiterverarbeitung abgelöst wurde, Rohelfenbein (Abb. 17) und der Unterkiefer eines Atlaslöwen-Jungtieres auf der Insel. Marokkanisches Küsten-Neolithikum: Seit wenigen Jahren entsteht im Bereich der marokkanischen Mittelmeerküste eine Fernstraße, deren Trasse einerseits bisher unzugängliche Bereiche der Steilküste erschließt, andererseits durch die offene Bauweise zahlreiche Fundstellen zerstört. Seit 2005 konnten vor allem neolithische Fundplätze lokalisiert werden, deren Habitus von jenen im Hinterland ausgegrabener Abris deutlich abweicht. Fragestellungen nach der primären Neolithisierung des Großraumes, nach Wirtschaftsweise und Relationen zur angestammten Bevölkerung bewogen dazu, hier das neue Projekt »Marokkanisches Küsten-Neolithikum« zu etablieren. Abb. 16 Ruine eines portugiesischen Forts, im Hintergrund die Insel Mogador (Marokko) Abb. 17 Mogador (Marokko), Rohelfenbein von Cap Sim Abb. 18 Ifri Armas (Marokko), Sondagearbeiten im Straßenprofil Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 217 Abb. 19 Ifri Armas (Marokko), neolithische Impresso-Keramik 2006 wurden in drei dieser Fundstellen – allesamt Abris – Sondagen niedergebracht, die in allen Fällen ein beachtliches stratigraphisches Potential zeigten (Abb. 18). Diese Sondagen liefern natürlich nur ein recht begrenztes Bild, das 2007 in ausgedehnteren Grabungen vertieft werden soll. Dennoch zeigt sich bereits jetzt, daß das im Hinterland um 5600 v. Chr. einsetzende Neolithikum im Küstenbereich wahrscheinlich bereits früher etabliert ist (Abb. 19). Von Untersuchungen zu Fauna und Flora erwarten wir Erkenntnisse, ob die Wirtschaftsweise im Frühneolithikum der Küste eine produzierende ist – im Gegensatz zum fortdauernden Wildbeutertum des Hinterlandes. Kooperationspartner: Institut National des Sciences de l’Archéologie et du Patrimoine (INSAP), Rabat; für das Projekt »Marokkanisches Küsten-Neolithikum« zusätzlich ein archäologisch-geomorphologisches Projekt der VWStiftung (vgl. http://www.geoarch.uni-koeln.de) • Leitung des Projekts: J. Eiwanger, A. Mikdad • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: A. Amarir, M. Nami, R. Hutterer, J. Moser, L. Reisch, D. Jebb • Abbildungsnachweis: H.-P. Wittersheim (Abb. 16. 17); J. Linstädter (Abb. 18); J. Eiwanger (Abb. 19). Informationen im Internet unter: http://www.dainst.org/index_7234_ de.html und www.dainst.org/index_7235_de.html Tissamaharama (Sri Lanka) Die Grabung in Tissamaharama konnte zusammen mit dem Archaeological Department im Frühjahr fortgesetzt werden. Hinzu kam im Herbst eine kleinere Untersuchung im Kloster von Godavaya. In Tissamaharama wurde am westlichen Rand der Zitadelle bereits im Jahr zuvor ein Wall angeschnitten. Er ist für die frühe Stadtentwicklung und für die Definition der Zitadelle als Stadt besonders wichtig. Die Sohle war bisher nicht zu erreichen, denn der benachbarte Stausee hatte wegen ausgiebiger Regenfälle einen hohen Wasserstand und daher drückte Wasser in die tiefen Grabungsflächen. Das zeigt aber, daß der See – so wie er von den Briten im 19. Jh. aufgestaut wurde – nicht identisch mit dem antiken See des 2. Jhs. v. Chr ist. Die anstreichenden Schichten des 2./1. Jhs. v. Chr. an den Wall ließen auf der Innenseite einen mehrere Meter breiten Streifen unbebaut, der als Verkehrsweg diente. Nicht weit entfernt vom Wall stand ein Haus mit Ziegelfundament aus dem 1. Jh. v. Chr (Abb. 20). Im letzten Jahr konnte der durch ein Feuer zerstörte Bau der ältesten Phase aufgedeckt werden. Eine Überraschung bot eine flache Grube unter dem ersten Laufhorizont, in der verteilt über 50 cm × 40 cm ein Hortfund von rund 800 bronzenen Lakshmi-Plättchen lag (Abb. 21). Sie gehören alle zu den kleineren Exempla- 20 Tissamaharama (Sri Lanka) Abb. 20 Haus mit Ziegelfundament aus dem 1. Jh. v. Chr. Abb. 21 Hortfund von rund 800 LakshmiPlättchen unter dem ältesten Fußboden des Hauses 21 218 Jahresbericht 2006 des DAI Abb. 22 Godavaya (Sri Lanka), ›Image House‹ im Kloster Godavaya, 7.–12. Jh. n. Chr. ren und sind 1,50 cm bis 2 cm groß. Ihre Qualität ist unterschiedlich, neben hervorragenden Stücken gibt es auch sehr flache und schlecht geprägte. Einen vergleichbaren Hortfund hat es bisher noch nicht gegeben. Numismatiker streiten sich, ob es sich bei diesen ›goddess plaques‹ um Münzen handelt oder um Votiv-Plättchen. Für beides gibt es gute Argumente. Seit 1994 führte die Vor- und Frühgeschichte der Universität Bonn unter Leitung von H. Roth (†) Untersuchungen im Kloster von Godavaya an der Südostküste der Insel durch. Seit einigen Jahren drängte der Abt des Klosters, aber auch der Antikendienst darauf, die Untersuchungen im sog. Image House abzuschließen. Der Bau soll konserviert werden. Da die Universität zur Zeit durch andere Unternehmungen in Anspruch genommen ist, wurde für eine abschließende Grabung eine Zusammenarbeit mit der KAAK vereinbart (Abb. 22). Bekannt ist das Kloster wegen einer Felsinschrift aus dem 2. Jh. n. Chr., in der ihm die Zolleinnahmen des Ortes zugesprochen werden. Aus der Zeit der Inschrift gibt es jedoch keine Funde. Die älteste Keramik gehört in das 7. Jh. n. Chr. Selbst beim Planieren von Strukturen für neue Bauten wären ältere Funde in jüngeren Schichten eingelagert gewesen. Erst nach 700 n. Chr. setzt eine Bautätigkeit ein. Das Kloster dehnt sich aus. Im Lauf der Jahrhunderte ist das ›Image House‹, in dem ursprünglich eine große Buddhastatue von doppelter Lebensgröße stand, mehrfach umgebaut worden. Ältere Bausubstanz wurde zerstört. Von Osten her führt eine steinerne Treppe hinauf auf ein Podest. Im Gegensatz zu dem Gebäude war dieses sehr gut erhalten und bot die eigentliche Überraschung der Ausgrabung. Die Stützmauer aus gebrannten Ziegeln war besonders sorgfältig gesetzt und mit weißem Mörtel verputzt. Breite, halbrunde Stuckleisten gliederten die Fassade. Gebäude und Podest waren am äußersten Rand des Felssporns errichtet worden, was eine massive Hangabstützung durch große Felsblöcke notwendig machte. Dadurch ist im Westteil des felsigen Hügels zum Fluß hin die Baufläche beträchtlich erweitert worden. Der Gebäudekomplex ist wahrscheinlich vom Fuß der weiß gekalkten Podestmauer bis zur Dachspitze mindestens 10 m hoch gewesen. Ein solcher, grell weißer Blickfang über der grünen Vegetation des Hanges wird nicht ohne Eindruck geblieben sein. Und dieser Eindruck war beabsichtigt. Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 219 Vom Fuße des Felssporns unterhalb des ›Image House‹ bis zum ehemaligen Fluß sind es nur 150 m. Man wird also in diesem Bereich nach dem antiken Hafen suchen müssen, der Godavaya zu einem wichtigen Handelsplatz im Königreich Ruhuna machte. Denn die aufwendige Fundamentierung der Podestmauer und ihre Lage hoch über dem Fluß ist nur in einem Zusammenhang mit dem Hafen zu erklären, der sich in unmittelbarer Sichtweite befunden haben muß. Kooperationspartner: Archaeological Department of Sri Lanka • Förderung: Gesellschaft der Freunde und Förderer der Universität Bonn (GEFFRUB) (Arbeiten in Godavaya) • Leitung des Projekts: H.-J. Weisshaar (Tissamaharama und Godavaya), S. Dissanayake • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auf deutscher Seite: B. Krause-Kyora, H.-J. Lauffer, H. Schenk, N. Scholpp, H.-P. Wittersheim, M. Woidich • Abbildungsnachweis: H.-P. Wittersheim (Abb. 20. 21); H.-J. Weisshaar (Abb 22). Informationen im Internet unter: http://www.dainst.org/index_616_ de.html Go O Chua (Südvietnam) Abb. 23 Mit den ältesten Tonstützen mit ankerförmigem Ende (1–2) beginnt die Salzsiederei auf Go O Chua etwa im 9. Jh. v. Chr. auf dem Nordhügel und endet im 2. Jh. v. Chr. mit oftmals verzierten ›Hornstützen‹ vom jüngsten Typus (6) auf dem Südhügel Abb. 24 Blick auf eine Tonstützendeponie im Randbereich des Südhügels. Eine einzige Fundschicht aus einem solchen Randsektor von 10 m2 barg in 2 m3 Erdvolumen 3767 Fragmente des Typus 4 und über 3000 Tonscherben von Siedegefäßen 23 Go O Chua (Vietnam) Die dritte Kampagne der deutsch-vietnamesischen Ausgrabungen auf dem Fundplatz Go O Chua an der südvietnamesisch-kambodschanischen Grenze verhalf zu konkreten Vorstellungen über die vorgeschichtliche Nutzung aller drei Erhebungen dieses 450 m × 150 m großen Siedlungshügels und zu einer Präzisierung der bisherigen Daten. Erstmals wurde auch auf dem Nordhügel ein Grabungssektor von 23 m2 mit 2,40 m starken Kulturschichten untersucht. Es zeigte sich, daß hier im Nordbereich von Go O Chua vor fast 3000 Jahren die Salzsiederei begann und erst später auf den Zentral- und Südhügel ausgedehnt wurde. Offenbar experimentierte man in der Startphase der Salzgewinnung mit verschiedenen Tonstützentypen (Abb. 23), die zum Abstellen von Siedegefäßen aus organischem Material (z. B. Bambus mit Kalkschicht) in den Siedeöfen reihenweise ungebrannt verbaut worden waren. Die Verlängerung des Schnitts über den Südhügel erbrachte erneut deponieartige Ablagerungen der Tonstützen (Abb. 24), wie sie im 1. Jt. v. Chr. u. a. in SachsenAnhalt bei der vorgeschichtlichen Salzsiederei verwendet wurden und auch noch in den 1970er Jahren im Niger (Afrika) zum Einsatz kamen. Auf der insgesamt 231 m2 umfassenden Ausgrabungsfläche kamen bisher 112 000 Fragmente dieser 22–30 cm langen Tonstützen zutage, darunter etwa 1000 Stück, die durch Reparatur (Lehmüberzug) wiederverwendbar gemacht 24 220 Jahresbericht 2006 des DAI Abb. 25 Go O Chua (Südvietnam), die enge Belegung des Gräberfeldes läßt für die Periode des 7.–13. Jhs. n. Chr. etwa 1000 Gräber vermuten wurden. Der älteste Typus ist nur mit 270 Fragmenten und einer kompletten Tonstütze nachgewiesen (Abb. 23. 1). Die Gesamtfläche von Go O Chua umfaßt rund 65 000 m2. Die Fundumstände sprechen dafür, daß mindestens 40 000 m2 auch Tonstützen bergen. Nach vorsichtigen Schätzungen lagern in den drei Hügeln 10–20 Millionen Fragmente, die von etwa 2–3 Millionen Tonstützen stammen. Diese ungewöhnlich lang andauernde und intensive Salzsiederei endete im 2. Jh. v. Chr. – vermutlich wegen zunehmenden Mangels an Brennstoffen und der immer weiteren Entfernung zur Meeresküste. Mit einer Neudurchsicht der chinesischen, vietnamesischen und KhmerQuellen konnte klar belegt werden: Salzsieden war in dieser Region bis in das 18. Jh. allgemein üblich – erst danach wurden Salzfelder durch Chinesen nach Vietnam ›eingeführt‹ und betrieben. Die Grabungen im Nordbereich zeigten außerdem eine genauso dichte Belegung mit Körpergräbern des 7.–13. Jhs. n. Chr. wie die anderen Flächen, so daß die Schätzung von über 1000 Bestattungen an diesem Ort realistisch ist (Abb. 25). Mit 52 Individuen wurde die bisher größte vor- und frühgeschichtliche Skelettserie ganz Südvietnams und Kambodschas geborgen und durch M. Francken (Tübingen) vor Ort untersucht. Das Material ist nicht nur wegen seines großen Umfangs einmalig in dieser Region. Es ist offenbar auch das erste Gräberfeld einer Khmer-Population mit einer kontinuierlichen Belegung über nahezu die gesamte Periode des Chenla- und des Angkor-Reiches. Unter den Beigaben sind eiserne Pfeil- und Speerspitzen, Meißel, Dolche, bronzener Ringschmuck oder Beile, Perlen oder Armringe aus verschiedenen Schmucksteinvarietäten oder Glas und Amulette aus Tigerzähnen. Interessant ist auch die breite Palette an gut erhaltenen Geräten und Schmuck aus Knochen, Geweih oder Schildkrötenpanzer. Manche der Toten hatten Geschirrsets im Grab, die teilweise noch Speisereste einer Fisch- oder Schweinefleischmahlzeit enthielten. Die Feldarbeiten sind nunmehr verstärkt auf das Umfeld von Go O Chua auszudehnen. Hier konnten auf vietnamesischem Territorium insgesamt 10 neue Fundplätze mit Tonstützen nachgewiesen werden. Südlich dieser Fundplätze sollen die geologischen Bohrungen zum Nachweis der ehemaligen Meeresküstenlinie fortgesetzt werden (Abb. 26). Ferner sind Surveys im kam- Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 221 Abb. 26 Karte, Go O Chua (Fundplatz Nr. 8) mit weiteren Fundplätzen vorgeschichtlicher Tonstützen (gelbe Punkte) und allen bisher in Südvietnam nachgewiesenen Fundplätzen der Prä-Funan-Periode (älter als 2. Jh. n. Chr., grüne Punkte). Die rote Linie zeigt die bisher rekonstruierte alte Küstenlinie vor 3000 Jahren. Oc Eo, die Hafenstadt des Funan-Reiches (roter Punkt) liegt heute über 20 km von der Küste entfernt. Die gesamte Fundaufnahme legt nahe, daß große Teile Südvietnams im 1. Jt. v. Chr. noch nicht besiedelbar waren und die bisher markierte Küstenlinie einer Präzisierung bedarf bodschanisch-vietnamesischen Grenzland geplant, um weitere BriquetageFundplätze aufzuspüren und deren kulturhistorischen Verbindungen nachzugehen. Kooperationspartner: Nguyen Xuan Manh (Hochschule für Gesellschafts- und Humanwissenschaften der Staatlichen Universität Hanoi); Bui Phat Diem (Direktor des Provinzmuseums Long An) • Leitung des Projekts: A. Reinecke. Informationen im Internet unter: http://www.dainst.org/index_657_de.html Karakorum (Mongolei) Die Ausgrabungen in den Jahren 2005 und 2006 haben erwiesen, daß die Palaststadt nicht, wie bisher angenommen, im Südwesten der Stadt lag, sondern unter Erdene joo, dessen Klostermauern nachweislich auf den mächtigen Stampflehmmauern der alten Palaststadt stehen. Die Wallschnittbefunde von Erdene joo in Kombination mit den neuen Befunden und Erkenntnissen im ›Palastbezirk‹ erlauben eine völlig neue Deutung der Gesamtanlage, die nicht mehr länger, wie in der Literatur durchweg behauptet, als die 1 : 1 Kopie eines chinesischen Stadtmodells gelesen werden kann. Palastbezirk: Im sog. Palastbezirk wurde 2006 neben kleineren Untersuchungen im Bereich des großen buddhistischen Tempels, der ›Großen Halle‹, ausschließlich im sog. Nebengebäude Nordwest (NW) gegraben. Der Grundriß dieses langrechteckigen Hallenbaus von etwa 24 m × 12 m konnte weitestgehend erschlossen werden. Der Bau gründete auf einer niedrigen, wenig geschichteten Plattform. Klare Säulen- oder Pfostenstellungen waren innerhalb des Gebäudes nicht festzustellen. Lediglich am südwestlichen Rand des hallenartigen Baus fand sich ein Fundamentstein aus Granit. Innen entlang der Außenwände ziehen sich über die gesamte Länge des Gebäudes mehrere breitflächige Bodenpflaster aus glattem Flußgeröll (›pebble floor‹-level). Vergleichbare Geröllpflaster finden sich häufig in Umgängen. Die regelmäßig angeordneten Flußkiesellagen sind wandparallel verlegt und biegen an den Raumecken im rechten Winkel ab. Zur Mitte hin sind einige größere Flächen ausgespart. Es kann davon ausgegangen werden, daß diese Aussparungen intentional sind. Ihre Funktion ist noch unklar. 222 Jahresbericht 2006 des DAI 27 Die Baufluchten von Zentral- und Nebengebäude verlaufen parallel. Sie sind eindeutig aufeinander bezogene Teile eines als Einheit konzipierten Bauensembles. Auch das Nebengebäude kann wie die ›Große Halle‹ in das 13. bis 14. Jh. datiert werden. Eine direkte Verbindung in Form einer Galerie oder eines gepflasterten Weges zwischen Nebengebäude und Haupttempel ist allerdings entgegen des Postulats der Palasthypothese nicht nachgewiesen und dem ergrabenen Befund nach auch nicht sehr wahrscheinlich. Die genaue Funktion des Nebengebäudes ist noch unklar. Sicher ist nur, daß es kein Wohngebäude war, sondern als eine seitenoffene und im Inneren wenig gegliederte Halle ohne Heizung anzusehen ist, möglicherweise als ein ›Tempel‹, in dem Gebetsmühlen aufgestellt waren. Erdene joo und die Frage der Palaststadt: Nach dem Zeugnis der wenigen Schriftquellen muß der Khans-Palast unmittelbar neben der Stadtmauer, aber außerhalb der Stadt gelegen haben. Der Leiter der russischen Orchon-Expedition F. W. Radloff (1890/92) nahm an, daß Palast und Palaststadt in dem unmittelbar südlich an Karakorum angrenzenden Klostergeviert von Erdene joo zu suchen sind. Durch einen Testschnitt am Nordwall von Erdene joo konnte 2005 unterhalb der Klostermauer eine ältere Mauer entdeckt werden, die nach dem stratigraphisch jüngeren Brandschutt zu urteilen, in der 2. Hälfte des 14. Jhs. außer Funktion gesetzt worden ist. Der 2005 ergrabene Mauerbefund bestätigte sich 2006 in fünf weiteren Wallschnitten im Norden, Westen, Süden und Osten der Klostermauer. In allen sechs Schnitten fanden sich deutliche Überreste einer etwa 7,50 m mächtigen Stampflehmmauer mit vorgeblendeten Ziegeln und Balkenankern (Abb. 27. 28). Aufgrund des Fundspektrums wie auch mehrerer Thermolumineszenzdaten kann der Bau der Mauer in die 1. Hälfte des 13. Jhs. datiert werden. Die Mauerlinie war von der Palaststadt ebenso vorgegeben wie die für ein Kloster eher ungewöhnliche Viertorigkeit der Anlage. Der archäologische Befund steht widerspruchsfrei zur historischen Überlieferung: Die Palaststadt, laut Marco Polo eine »mächtige Burg«, lag nach den voneinander unabhängigen Zeugnissen der zeitgenössischen europäischen und persischen Quellen außerhalb der Stadt, persischen Angaben zufolge handelte es sich um eine Anlage mit vier Toren in alle Himmelsrichtungen. Das von S. Kiselev 1949 als Palastbezirk angesprochene Wallgeviert am Südwestrand der Stadt weist dagegen nur eine einzige (!) (Doppel?-)Toranlage auf. In charakteristi- 28 Karakorum (Mongolei) Abb. 27 Wallschnitt West außen Abb. 28 Wallschnitt West innen Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 223 Abb. 29 Karakorum (Mongolei), Grabung Nordstadt. Nordhaus: Südwand mit Eingangsbereich (von Süden) Abb. 30 Karakorum (Mongolei), Wandfragmente mit präklassischer mongolischer Schrift schen Depressionen des Bodenreliefs ist noch heute deutlich erkennbar, daß ›künstliche Bäche‹ in das Mauergeviert von Erdene joo geleitet worden sind und daß sich sowohl nördlich der Mauer wie auch im östlichen Innenbereich der Palaststadt kleine Teiche befunden haben. Auch diese Beobachtung deckt sich mit zeitgenössischen Beschreibungen. Grabung Nordstadt: In einer kleineren umwallten Hausgruppe nahe der nördlichen Stadtmauer sind 2006 zwei Häuser ergraben worden mit dem Ziel, Inventare zu erschließen, die weniger buddhistisch geprägt und weniger chinesisch bestimmt sind als die im Südwesten und in der Stadtmitte erschlossenen Komplexe. Geeignete Fundstellen ›alternativer‹ Inventare waren am ehesten im Norden der Stadt zu vermuten, denn im Norden einer mongolischen Stadt wohnten gewöhnlich die ›normalen‹ Menschen, die Gemeinen, aber auch die, die nach Herkunft und Religion nicht so recht dazu gehörten wie europäische Christen oder persische und arabische Muslime. Nach der zeitgenössischen Stadtbeschreibung W. von Rubruks war das muslimische Viertel am ehesten nördlich der chinesisch dominierten Stadtmitte und der Oststadt zu suchen, dazu ganz im Norden, »am äußersten Ende der Stadt«, eine nestorianische Kirche. In der diesjährigen Grabung konnte in der Nordstadtgrabung der Grundriß eines kleineren Hauses (Nordhaus) vollständig erschlossen werden. Es handelt sich um ein einfaches Haus aus getrockneten Lehmziegeln (Abb. 29) von etwa 13 m × 4 m. Der nicht mittig gelegene Eingang geht entgegen der ursprünglichen Erwartung nach Süden. Eine eigenartige Verteilung von offensichtlich intentional deponierten Rinderhornzapfen im Bereich des Eingangs wie auch entlang der Mauern und im Inneren deutet auf eine kultische Funktion des Baus. Von einem zweiten größeren Haus im Osten der Baugruppe sind bisher nur eine freie, nicht ummauerte Estrichfläche sowie mehrere Ziegelpflaster und Wandteile im Westen des Hauses ergraben worden. Allein in der Breite (Ost-West) mißt das Haus mindestens 12 m. Fußböden auf zwei verschiedenen Ebenen deuten auf zwei Bauphasen oder gar verschiedene Bauperioden. Wie im Nordhaus ist eine Wohnnutzung fraglich, wahrscheinlicher ist ein Kultbau. Gegen ein Vorratshaus oder eine Werkstatt sprechen größere Reste von ornamentaler Wandmalerei, darunter bisher einzigartige Wandfragmente mit mongolischer Schrift (Abb. 30). Es handelt sich um die ersten Funde dieser Art in der Mongolei. Die Zeitstellung ist noch offen, dem Schriftduktus nach sind die Fragmente aber in jedem Fall präklassisch, d. h. älter als das 16. Jh. 224 Jahresbericht 2006 des DAI Bestätigt sich die archäologisch indizierte Datierung des Hauses in das 13. Jh., so wären dies neben Güyüks Brief an Papst Innozenz IV. die ältesten Zeugnisse mongolischer Handschrift und die bislang einzigen aus einem archäologischen Kontext vor dem 16. Jh. Kooperationspartner: Archäologisches Institut der Mongolischen Akademie der Wissenschaften • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: H.-G. Hüttel, D. Bayar • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: Ch. Franken, U. Erdenebat (Grabungsleitung vor Ort), A. Rieger (Leitung der Vermessung der Nordstadt), J. Kollowa, S. Lareya (Vermessung der Nordstadt), H.-P. Wittersheim, mongolische Studierende und Aspiranten der Ulaanbaatar-Universität, der Pädagogischen Hochschule und der Kunstakademie Ulaanbaatar, Studierende der Freien Universität und der Humboldt-Universität Berlin sowie der Universität Leipzig. Wissenschaftliche Veranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit Vorträge 9. Februar Heiko Prümers (Bonn), Im Schatten der Anden. Archäologische Forschungen in den Llanos de Moxos, Bolivien. Öffentlichkeitsarbeit Dank einer Spende des Japan Maria Reiche Funds konnte eine Angestellte des Museums in Palpa für weitere zwei Jahre finanziert werden. Als weitere touristische Attraktion wurden in der Gemeinde Llipata unter Anleitung von J. Isla eine Gruppe paracaszeitlicher Geoglyphen restauriert und ein 12 m hoher Beobachtungsturm errichtet. Ein kleiner Ausstellungsraum dokumentiert die Restaurierungsarbeiten und die Geschichte der Geoglyphen. Während der Feldarbeiten drehte der Schweizer Filmemacher F. Tissi in Palpa eine Sequenz für seine Dokumentation über Menschen in der Wüste und ein japanisches Fernsehteam der TBS produzierte eine Dokumentation über das Projekt Palpa, die im Zusammenhang mit einer in Japan gezeigten Nasca-Ausstellung ausgestrahlt wurde. In der Wissenschaftssendung »W wie Wissen« (ARD, 10. Dezember) und »Nano« (3Sat, 5. Januar 2007) wurde über das Projekt Palpa berichtet. Herr Prümers betreute in Bolivien ein japanisches Fernsehteam, das eine Dokumentation über die Grabungen in der Loma Salvatierra für die Sendung »Amazon Special II« erstellte. In den Sonntagsbeilagen der drei auflagenstärksten Zeitungen Boliviens erschienen ausführliche Berichte über das Projekt. Das Projekt »Mogador« fand in den marokkanischen Medien ein beachtliches Echo, nicht zuletzt, weil Essaouira ohnehin nach Marrakesch als die kleine Kulturhauptstadt Marokkos gilt und der Name der Insel fast jedermann im Lande ein Begriff ist. Die Presse berichtete umfangreich, und das Fernsehen strahlte an mehreren Abenden eine Reportage zum Projekt aus. Die KAAK war mit einem bedeutenden Fossilfund (»Ammar-Mensch«) an der Ausstellung »Roots – Wurzeln der Menschheit« im Rheinischen Landesmuseum Bonn beteiligt. Herr Hüttel hielt im Rahmen der Mongoleiausstellung in München zwei Vorträge über die Ausgrabungen und die politische Symbolik Karakorums. Herr Reinecke stellte in Tan An (Vietnam) vor Vertretern der Museen und Kultureinrichtungen Südvietnams die Ergebnisse der diesjährigen Ausgrabungskampagne vor. Eurasien-Abteilung 225 Veröffentlichungen Forschungen zur Archäologie Außereuropäischer Kulturen 2: K. Lambers, The Geoglyphs of Palpa Forschungen zur Archäologie Außereuropäischer Kulturen 3.1: St. Wenig (Hrsg.), In kaiserlichem Auftrag: Die Deutsche Aksum-Expedition 1906 unter Enno Littmann Zeitschrift für Archäologie Außereuropäischer Kulturen 1, 2006 Eurasien-Abteilung Abb. 1 Pietrele (Rumänien), Satellitenaufnahme mit Kreisgrabenanlage auf der obersten Donauterrasse Ausgrabungen und Forschungen Pietrele (Rumänien) 2006 konnten die Untersuchungen am kupferzeitlichen Siedlungshügel M‡gura Gorgana bei Pietrele sehr erfolgreich fortgesetzt werden. Auf einem Satellitenbild wurde ein ca. 170 m × 130 m großer Kreisgraben auf der obersten Donauterrasse identifiziert (Abb. 1). Die Entfernung zum Siedlungshügel beträgt ca. 600 m. Eine Gleichzeitigkeit von Tell und Kreisgraben kann aber noch nicht erwiesen werden. In Fläche B sind im östlichen Haus zwei Reihen unverbrannter Webgewichte erfaßt worden, die auf den Standort eines Webstuhls hindeuten. Leider waren keine Spuren des hölzernen Webstuhlrahmens mehr nachweisbar. 226 Jahresbericht 2006 des DAI Ursprünglich dürften die meisten der zahlreichen Webgewichte in der Siedlung unverbrannt benutzt und erst beim Hausbrand gebrannt worden sein (Abb. 2). Zum Weben wurde vermutlich Flachs verwendet. In Fläche F konnte wieder ein verbranntes Haus dokumentiert werden. Sein Nordteil scheint weniger durch das Feuer beeinträchtigt worden zu sein als der südliche Hausteil. Ein Ofen und eine – schräg nach Norden abgekippte – Lehminstallation gehören zum üblichen Inventar eines Hauses. In diesem Falle konnte im Ofenbereich erstmals ein harter Lehmboden nachgewiesen werden. Östlich des Ofens fanden sich Reste von drei menschlichen Individuen. Überraschenderweise lag der harte Lehmboden mit dem Ofen unmittelbar auf lockerem, stark verbranntem Hüttenlehm auf. Es ist naheliegend, hierin ein zweites Geschoß zu erblicken. Dies wird auch dadurch wahrscheinlich, daß sich direkt neben dem heruntergestürzten Geschoß auf dem Boden des Gebäudes ein großes Gefäß fand (Abb. 3). Der unebene Boden des Erdgeschosses ist – vermutlich sekundär – gebrannt. Auf dem Boden Abb. 2 Pietrele (Rumänien), kupferzeitlicher Siedlungshügel. Sekundär gebrannte Webgewichte Abb. 3 Pietrele (Rumänien), kupferzeitlicher Siedlungshügel. Fußboden mit Ofen über Brandschutt und vollständigem Speichergefäß finden sich kleine blauschwarz verbrannte Muschelschalenfragmente, welche das Laufniveau anzeigen. Wenn sich der Ofen ursprünglich in einem zweiten Geschoß befunden hätte, würde dies erklären, warum bislang noch keine hartgebrannten oder anders konstruierten Böden gefunden wurden. Das Erdgeschoß könnte als Speicher und Arbeitraum genutzt worden sein, während man im Dachgeschoß schlief. Mittlerweile belegen über 100 Kupferartefakte, zumeist Kleingerät und Schmuck den regen interregionalen Austausch, in den die Siedlung eingebunden war. Charakteristisch sind Gewandnadeln mit rhombischer Kopfplatte oder Doppelspirale (Abb. 4). Das bislang schwerste Objekt ist mit ca. 80 g ein Meißel (Abb. 5). Auch Knochen wurden zu vielfältigen Werkzeugen verarbeitet. Dazu zählen Nadeln und Ahlen, aber auch kleine Beile und Meißel. Interessant ist ein Knochenbeil, aus dem ursprünglich einmal eine Knochenstatuette werden sollte, die aber verworfen wurde und schließlich noch Verwendung als Beil fand (Abb. 6). Zu den spektakulären Neufunden 4 5 Pietrele (Rumänien), kupferzeitlicher Siedlungshügel Abb. 4 Kupfernadeln Abb. 5 Kupfermeißel (M. 1 : 2) Eurasien-Abteilung 227 Pietrele (Rumänien), kupferzeitlicher Siedlungshügel Abb. 6 Knochenstatuette, die zum Beil umgearbeitet wurde, und Knochenbeile (von links nach rechts; M. 1 : 4) Abb. 7 Flintvorrat mit langen Klingen 6 7 zählt auch ein Vorrat von langen Silexklingen (Abb. 7). Solche langen Klingen gehören in Gräberfeldern zu den reichsten Grabinventaren und gelten als Reichtumsindikatoren. Kooperationspartner: Archäologisches Institut der Rumänischen Akademie der Wissenschaften (A. Vulpe, M. Toderaş) • Förderung: DFG; BMBF • Leitung des Projekts: S. Hansen • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: N. Benecke (Archäozoologie), I. Gatsov (Silexgeräte), J. Görsdorf (14C-Altersbestimmung), F. Klimscha (Beile und Äxte), P. Nedelčeva (Silexgeräte), R. Neef (Botanik), M. Toderaş, M. Prange (Kupfergeräte), D. Price (Isotopie), A. Reingruber (DFG, Keramik), B. Song (Geomagnetik), B. T‡n‡sescu (Kleinfunde), J. Wahl (Anthropologie), J. Wunderlich, T. Hoppe (Holozäne Landschaftsrekonstruktion) • Abbildungsnachweis: DAI, Eurasien-Abteilung, S. Hansen (Abb. 1–7). Ovčarovo-gorata, Kreis T‡rgovište (Bulgarien) Die Arbeiten zur Dokumentation der Altgrabung »Ovčarovo-gorata« konnten erfolgreich fortgeführt werden. Es handelt sich um eine auf großer Fläche ergrabene frühneolithische Siedlung, die von 1974 bis 1979 vom Historischen Museum der Stadt T‡rgovište in Nordostbulgarien freigelegt wurde (Abb. 8). Eine erneute Datierung von ausgewählten Knochengeräten aus dem Fundmaterial mit der 14C-Methode bestätigt ihre Zeitstellung unmittelbar vor der Mitte des 6. Jts. v. Chr. Da es sich bislang um die einzige weitgehend vollständig freigelegte Siedlung dieses Zeithorizontes handelt, ist die Veröffentlichung der Grabungsergebnisse von besonderer Bedeutung für die gesamte Region Abb. 8 Ovčarovo-gorata (Bulgarien), der Fundplatz der frühneolithischen Siedlung im Sommer 2006. Im Hintergrund sieht man den Höhenzug der Preslavska Planina 228 Jahresbericht 2006 des DAI 9 10 am Unterlauf der Donau. Das Fundmaterial repräsentiert eine Phase des entwickelten balkanischen Frühneolithikums und kann mit der Phase II des Hügels von Karanovo in Thrakien parallelisiert werden. Im Jahr 2006 konnte die Dokumentation der wichtigsten Fundgattungen abgeschlossen werden. Neben der Gefäßkeramik (Abb. 9) sowie den Stein- (Abb. 11) und Knochengeräten stammt von dem Fundplatz eine der umfangreichsten Kollektionen frühneolithischer Idolplastik (Abb. 10), die von I. Vajsov bearbeitet wird. Die Arbeit mit der Grabungsdokumentation aus den 1970er Jahren bedingte eine kritische Auseinandersetzung mit den Bauplänen der Siedlung. Danach müssen die bislang bekannt gewordenen regelmäßigen Pfostenhausgrundrisse sämtlich verworfen werden. Es handelt sich in Ovčarovo-gorata um leicht in den Boden eingetiefte Bauten in Lehm-Holz-Bauweise, die zwar sehr vereinzelt Pfostenstellungen aufweisen, diese sind jedoch keineswegs entlang des gesamten Grundrisses zu verfolgen. Vielmehr entsprechen die Häuser dem Typus eines rechteckigen bis quadratischen Baus mit abgerundeten Ecken, die agglutinierend aneinander gesetzt wurden, wie sie auch in den etwa zeitgleichen Siedlungen von Aşağı Pınar und Ilıpınar im Nordwesten der Türkei nachgewiesen werden konnten. Ebenfalls im Vergleich mit Siedlungstypen in der Türkei, aber auch mit anderen frühneolithischen Siedlungen in Südosteuropa, kann eine lineare Struktur im Südwesten der Siedlung als Grabenanlage interpretiert werden (Abb. 12). Nach dem Eingang der letzten naturwissenschaftlichen Untersuchungen ist die Drucklegung des Manuskriptes geplant. 11 Ovčarovo-gorata (Bulgarien), frühneolithische Siedlung Abb. 9 Gefäßkeramik Abb. 10 Zwei Keramikstatuetten Abb. 11 Steinbeile Eurasien-Abteilung 229 Abb. 12 Ovčarovo-gorata (Bulgarien), Gesamtplan der frühneolithischen Siedlung. Hausgrundrisse sind rot unterlegt, im Südwesten ist mit grauer Farbe der Verlauf des Grabens markiert Kooperationspartner: Historisches Museum T‡rgovište (I. Angelova, M. Žečeva); Bulgarisches Archäologisches Institut Sofia (I. Vajsov) • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: R. Krauß • Abbildungsnachweis: R. Krauß, M. Brückner (Abb. 8); H. Grönwald, D. Kratz (Abb. 9); I. Vajsov (Abb. 10); R. Krauß, P. V‡lev (Abb. 11). Abb. 13 Ovalfacettierte Keramik (Ukraine), Schale aus dem Gräberfeld von Černjachov bei Kiev (Dm Mündung 13 cm) Ovalfacettierte Keramik der Černjachov-Kultur (Ukraine/Moldavien/Rumänien) Für die Datierung von Fundkomplexen der Černjachov-Kultur, die von der 2. Hälfte des 3. bis in die ersten Jahrzehnte des 5. Jhs. n. Chr. bestand, sind vor allem Fibeln, Schnallen sowie andere Schmuck- und Trachtbestandteile von Bedeutung. Aufgrund der relativ schnell wechselnden Mode erlauben diese Funde z. T. eine auf etwa ein halbes Jahrhundert genaue zeitliche Einordnung. Ausgangspunkt des deutsch-ukrainischen Gemeinschaftsprojekts war die Frage, inwieweit durch ovale Facetten verzierte Keramik zeitlich begrenzt auftrat und dadurch ebenso als chronologischer Indikator, d. h. als Mittel zu Datierung, eingesetzt werden kann. Diese überwiegend in einer Reihe auf dem Gefäßumbruch von Schalen oder Kannen, vereinzelt auch auf anderen Gefäßen, angebrachten ovalen Facetten gehören zu den markanten Erscheinungen innerhalb des Verzierungsspektrums der Černjachov-Kultur (Abb. 13–15). Ovalfacetten kommen in Kombination mit anderen Motiven oder auch als einziges Verzierungselement vor und treten im gesamten Verbreitungsgebiet der Černjachov-/Sîntana de Mureş-Kultur vom Osten der heutigen Ukraine bis nach Rumänien auf. Sie finden sich fast ausschließlich auf Gefäßen, die auf der schnellrotierenden Drehscheibe hergestellt wurden. 230 Jahresbericht 2006 des DAI Ovalfacettierte Keramik (Ukraine) Abb. 14 Becher aus dem Gräberfeld von Černjachov bei Kiev (Dm Mündug 7,9 cm) Abb. 15 Kanne aus Grab 29 des Gräberfeldes in Uspenka im Osten der Ukraine (H Gefäß 31 cm) 14 15 Ziel der Untersuchung war es, die aufgrund ihrer Geschlossenheit chronologisch auswertbaren Fundkomplexe für dieses weite Gebiet zusammenzustellen. Insgesamt konnten durch Recherchen und Materialaufnahmen in verschiedenen Museen der Ukraine rund 65 Gräber sowie ein Siedlungskomplex erfaßt werden, die ein oder sogar mehrere derartig verzierte Gefäße enthielten. In den bisherigen Untersuchungen zur Keramik und Chronologie der Černjachov-Kultur erscheinen Gefäße mit Ovalfacetten innerhalb ihrer letzten Phasen. Nicht alle der jetzt erfaßten Gräber können durch weitere Beigaben wie Fibeln, weiteren Schmuck, Kämme, oder römische Importstükke gut datiert werden. Wenn dies möglich war, handelt es sich aber tatsächlich jeweils um Gräber mit später Zeitstellung innerhalb der Černjachov-Kultur, d. h. aus der 2. Hälfte des 4. und dem Beginn des 5. Jhs., so daß tatsächlich eine Datierung mittels ovalfacettierter Keramik möglich ist. Die detaillierte Publikation der Ergebnisse und aller erfaßten Komplexe wird das Projekt abschließen. Ovale Facetten finden sich jedoch auch außerhalb der Černjachov-Kultur in verschiedenen Gebieten, hier auf handgeformten Gefäßen. In Mitteleuropa werden die bekannten Fundkomplexe bereits an den Anfang des 4. Jhs. datiert und finden sich noch bis zu Beginn des 6. Jhs. Daher läßt sich das Auftreten innerhalb der Černjachov-Kultur als Teil der überregionalen Stilentwicklung innerhalb des ›Barbaricums‹ werten, deren Ursprung in den römischen Glasund Metallgefäßen zu suchen ist. Die dort verwendeten Verzierungselemente, darunter ovale Facetten, wurden als Anregung durch die Töpfer aufgegriffen und innerhalb des eigenen Verzierungsspektrums adaptiert. Kooperationspartner: Archäologischer Denkmalschutzdienst des Archäologischen Instituts der Akademie der Wissenschaften der Ukraine, Filiale Ternopol’ (B. Strocen’) • Leitung des Projekts: E. Schultze • Abbildungsnachweis: DAI, Eurasien-Abteilung, E. Schultze (Abb. 13. 14); Kraevedčeskij Muzej Sumy, I. Rojčenko (Abb. 15). Drehscheibenkeramik der Černjachov-Kultur in Vojtenki (Ukraine) Die ca. 50 km westlich von Charkov im Osten der Ukraine gelegene Siedlung von Vojtenki wird seit 2004 durch die archäologische Expedition der Universität Charkov unter der Leitung von M. Ljubičev untersucht. Dieser umfangreiche Siedlungsplatz der Černjachov-Kultur bestand vor allem Eurasien-Abteilung 231 17 Vojtenki (Ukraine), Siedlungsplatz der Černjachov-Kultur (ca. 4. Jh. n. Chr.) Abb. 16 Töpferofen Abb. 17 Scherbenlager Abb. 18 Rekonstruierter einfacher Topf Abb. 19 Rand einer Schale mit eingeglätteter Verzierung 16 18 19 im 4. Jh. n. Chr. Die Auswertung des Keramikmaterials ist Gegenstand eines deutsch-ukrainischen Gemeinschaftsprojekts. Ein aus Lehm errichteter Töpferofen belegt die örtliche Keramikherstellung (Abb. 16). Das Unterteil der Zweikammerkonstruktion, der Schürhals und die Feuerungskammer der eingetieften Anlage, hatte sich gut erhalten. Auf der darüber liegenden Lochtenne wurde die zu brennende Keramik eingestapelt. Darüber wölbte sich eine Kuppel, von der nur noch die unteren Wandansätze vorhanden sind. Die Untersuchung der Keramik ist darauf gerichtet, das in der Siedlung benutzte Gefäßsortiment zu erfassen, sie soll aber auch der Frage nachgehen, in welchem Umfang die hier genutzten Gefäße vor Ort hergestellt wurden. Dafür waren zunächst die bisher gemachten Funde aufzunehmen. Im Vordergrund stand das Material in und um die Ofenanlage sowie die Keramik der bislang untersuchten Gebäude und Befunde. Dazu gehörte auch ein Scherbenlager (Abb. 17). Das Keramikspektrum umfaßt zu rund 90 % Drehscheibenkeramik, in erster Linie einfache Topfformen mit variierender Rand- und Oberflächengestaltung (Abb. 18). Außerdem fanden sich Schalen, die z. T. mit eingeglätteten Verzierungen versehen waren (Abb. 19). Entgegen den Erwartungen traten im Ofenbereich keine Fehlbrände auf, was für eine Beräumung des Bereiches nach dem letzten Brand in der Ofenanlage spricht. Die spezifischen Merkmale der Keramik dieser Siedlung lassen sich nicht allein durch archäologische Methoden analysieren. Um die Zusammensetzung von Ton und Magerung der Keramik zu erfassen sind naturwissenschaftliche Untersuchungen notwendig. Deshalb wurde durch M. Daszkiewicz und G. Schneider mit der Analyse einer Probenserie begonnen, bei der eine Kombination unterschiedlicher Methoden angewendet wird (Nachbrennen, 232 Jahresbericht 2006 des DAI Dünnschliffe, chemische Analysen). Die Ergebnisse werden zeigen, wie viele unterschiedliche Keramikwaren auf der Siedlung vorkommen. Kooperationspartner: Historische Fakultät der V. N. Karazin-Universität Charkov; Institut für Anorganische und Analytische Chemie, Arbeitsgruppe Archäometrie der Freien Universität Berlin (G. Schneider); ARCHEA (Archeometric Analysis and research) Warschau (M. Daszkiewicz) • Leitung des Projekts: M. Ljubičev, E. Schultze • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: K. Myzgin, X. Varačeva • Abbildungsnachweis: DAI, Eurasien-Abteilung, E. Schultze (Abb. 16–19). Alma Kermen, Krim (Ukraine) Die Feld- und Materialforschungen in Alma Kermen bei dem Dorf Zavetnoe auf der südwestlichen Krim wurden 2006 intensiv fortgeführt. Im Zentrum des durch die Eurasien-Abteilung des DAI vertretenen Teilvorhabens stand die Aufarbeitung und Analyse der Feinkeramik aus den Altgrabungen (1954–1981) und den laufenden Kampagnen (seit 2004) in der Nekropole. In den bislang untersuchten 345 Gräbern des weitläufigen spätskythischen Bestattungsareals, das etwa 7 ha einnimmt, fanden sich 360 weitgehend intakt erhaltene Terra Sigillata-Gefäße (Abb. 20. 21). Dieses »römische Tafelgeschirr«, das als Massenware sowohl in großen spezialisierten Werkstätten als auch in kleinen Töpfereien im gesamten Römischen Reich hergestellt wurde und die Märkte überflutete, findet sich interessanterweise auch im nordpontischen ›Barbaricum‹, dem Hinterland der griechischen Städte an der Schwarzmeerküste, in überaus großer Zahl. In den Nekropolen der im 3./2. Jh. v. Chr. auf der zentralen und westlichen Krim, aber auch im unteren Bug-/DneprRaum ansässig gewordenen späten Skythen gehörte dieses Geschirr als fester Bestandteil zum Bestattungsritual. Die Zahl der beigegebenen Gefäße verhält sich dabei kongruent zur sonstigen Ausstattung eines Grabes, d. h. eine an Schmuck, Geräten oder sonstigen Utensilien überdurchschnittlich reiche Bestattung verfügt auch über mehr als die zwei Gefäße, welche in der Regel als Set, bestehend aus einem offenen und einem geschlossenen, beigegeben waren. Eine erste Klassifizierung der im spätskythischen Alma Kermen vertretenen keramischen Waren ergab, daß mehr als 90 % der Gefäße aus Töpfereien stammen, die im Schwarzmeerraum zu lokalisieren sind. Die mindestens drei Werkstätten der qualitätvollen sog. Pontischen Sigillata (A, B und C) konnten freilich bislang nicht lokalisiert werden. Ein quantitativer Vergleich ihrer Funddichte an unterschiedlichen Orten, aus dem sich vielleicht auf die Richtung schließen ließe, aus der die eine oder andere Ware kommt, steht noch aus. Gefäße aller drei Waren sind in Alma Kermen vertreten. Ein weiterer, nicht geringer Teil kann Töpfereien in oder um Chersonesos zugeschrieben werden, wo auch Öfen nachgewiesen sind. Gefäße, die im Südwesten der Krim gefertigt wurden, fallen durch einen hohen Anteil an Kalkeinschlüssen im Ton auf, der durchaus makroskopisch erkennbar ist. Die Importkeramik aus nicht-pontischen Regionen, die in Alma Kermen etwas weniger als 10 % ausmacht, beleuchtet die Fortsetzung Jahrhunderte alter Beziehungen zwischen den griechischen Städten der nördlichen Schwarzmeerküste und Westkleinasien auch in römischer Zeit. Auf welcher Grundlage und in welcher Form allerdings die Gütervermittlung zwischen ersteren und ihrem ›barbarischen‹ Hinterland erfolgte, wie ›griechisch‹ oder ›römisch‹ die Bevölkerung von Alma Kermen möglicherweise war, ob sie repräsentativ ist für ein homogenes ›spätskythisches‹ Ethnos und worin dessen Vorliebe für das antike Geschirr wurzelt, sind einige der in den laufenden Untersuchungen fokussierten Fragen. 20 21 Abb. 20. 21 Alma Kermen (Ukraine), ›Pontische Sigillata‹ aus der spätskythischen Nekropole. 2. Jh. n. Chr. Eurasien-Abteilung 233 Kooperationspartner: Institut für Klassische Archäologie der Freien Universität Berlin; Krim-Abteilung des Archäologischen Instituts der Akademie der Wissenschaften der Ukraine in Simferopol; Institut für Anorganische und Analytische Chemie, Arbeitsgruppe Archäometrie der Freien Universität Berlin (G. Schneider, M. Daszkiewicz) • Förderung: Fritz Thyssen Stiftung • Leitung des Projekts: F. Fless (Freie Universität Berlin), J. P. Zajcev (Simferopol) • Mitarbeiterin: E. Kühnelt (DAI, Eurasien-Abteilung, Bearbeitung der Terra Sigillata-Gefäße) • Abbildungsnachweis: DAI, Eurasien-Abteilung, E. Kühnelt (Abb. 20. 21). Taman-Halbinsel (Russische Föderation) Im Sommer 2006 startete das deutsch-russische Gemeinschaftsprojekt zur Erforschung der nordwestlichen Taman-Halbinsel. Im Vordergrund steht die Frage, wann und wie griechische Kolonisten die asiatische Seite der wichtigen Meerenge am kimmerischen Bosporus unter ihre Kontrolle brachten; eine Region, die seit dem 5. Jh. v. Chr. im Zentrum des aufstrebenden Bosporanischen Reichs, dem frühesten griechischen Flächenstaat, lag. Dabei ist neben den Hauptorten besonders auf die räumliche Gestaltung und Befestigung des Hinterlandes, der Chora, zu achten, da auch der Frage nach dem Verhältnis zur indigenen Bevölkerung nachgegangen werden soll. Das Projekt hat zum einen die Rekonstruktion der naturräumlichen Bedingungen zum Ziel, wie sie von den Griechen im 7. und 6. Jh. v. Chr. vorgefunden wurden. Eine interdisziplinäre Untersuchung zur Küstenentwicklung in Zusammenarbeit mit H. Brückner geht daher Hinweisen aus der Antike nach, die von Inseln anstelle der heutigen Halbinsel berichten. Zudem sind in der Bucht von Taman große Teile der antiken Küstenorte im Meer versunken. Zum anderen wurde mit der archäologischen Untersuchung der Stadt Kepoi und ihres Hinterlandes begonnen. Im Staatlichen Historischen Museum in Moskau sind die dort aufbewahrten Funde aus der milesischen Kolonie und ihren Nekropolen sowie die Grabungsdokumentation mehrerer Jahrzehnte gesichtet worden. Mit der Restaurierung, der zeichnerischen und photographischen Aufnahme des Materials aus dem ins 6. Jh. v. Chr. zurückreichenden Aphrodite-Heiligtum (Abb. 22) und den Nekropolen (Abb. 23) der Stadt wurde begonnen. Die Feldarbeit der Sommerkampagne widmete sich archaischen Fundstellen im Umland von Kepoi, die von J. Paromov nach Luftbildauswertung und Surveys ausgemacht und von uns für weiterführende Taman-Halbinsel (Russische Föderation) Abb. 22 Marmorbecken mit dem Fragment einer Weihinschrift an Aphrodite aus dem Aphrodite-Heiligtum in Kepoi. Staatliches Historisches Museum in Moskau 22 Abb. 23 Hellenistische Figur aus Terrakotta. Teil eines Grabinventars aus der Westnekropole von Kepoi. Staatliches Historisches Museum in Moskau 23 234 Jahresbericht 2006 des DAI 25 Taman-Halbinsel (Russische Föderation), Golubickaja 2 im Hinterland von Kepoi Abb. 24 Die Umrisse der ummauerten Siedlung treten nach der Auswertung der geophysikalischen Prospektion im Plan deutlich hervor. Die unruhige Struktur infolge der vielen Anomalien im Siedlungsareal deutet auf intensive Siedlungsaktivität Abb. 25 Blick von Osten auf die Fundstelle Golubickaja 2 am Ende des hellen Feldes, rechts bereits das Asovsche Meer. Noch heute existiert eine Verbindung zwischen dem verlandenden Binnensee und dem Meer. In der Antike wurde hier wohl eine der Durchfahrten ins Asovsche Meer kontrolliert 24 Untersuchungen vorgesehen wurden. Vier der ausgewählten Orte sind von H. Stümpel geophysikalisch vermessen worden. Besonders erfolgreich war die geomagnetische Prospektion der Fundstelle Golubickaja 2 im Nordosten des Untersuchungsgebietes. Deutlich treten im Plan die Umrisse einer befestigten Siedlung hervor (Abb. 24. 25). Auch die schlecht zugänglichen, in den abschüssigen Böschungen steckenden westlichen und nördlichen Mauern konnten angetroffen werden, womit die ummauerte Fläche ca. 63 000 m2 beträgt. Die Lage der befestigten Siedlung Golubickaja 2 auf der östlichen Seite einer antiken Meerenge, wo ein Binnensee noch heute ins offene Meer entwässert, war sicher von großer strategischer Bedeutung. Konnte doch hier eine der vermutlichen Zufahrten ins Asovsche Meer kontrolliert werden. So überraschend wie die Entdeckung der befestigten Grenzsiedlung selbst, ist auch ihre voraussichtliche Zeitstellung. Die Keramik der Oberflächenbegehung sowie aus zwei Suchschnitten ist ausnahmslos zwischen der 1. Hälfte des 6. Jhs. v. Chr. (Abb. 26) und der hellenistischen Zeit zu datieren. Damit könnte die Grenzbefestigung im Hinterland zeitgleich mit den frühesten griechischen Ansiedlungen am kimmerischen Bosporus überhaupt entstanden sein. Kooperationspartner: Staatliches Historisches Museum Moskau; PhilipsUniversität Marburg (H. Brückner); Geophysikalisches Institut der ChristianAlbrechts-Universität zu Kiel (H. Stümpel) • Förderung: BMBF • Leitung des Projekts: U. Schlotzhauer, D. Žuravlev (Moskau) • Mitarbeiter: J. Paromov (Moskau) • Abbildungsnachweis: DAI, Eurasien-Abteilung, U. Schlotzhauer (Abb. 22. 25. 26); Staatliches Historisches Museum Moskau (Abb. 23); H. Stümpel (Abb. 24). Abb. 26 Taman-Halbinsel (Russische Föderation), Golubickaja 2 (Id.-Nr. Golu/2-1.1). Der Oberflächenfund eines nordionisch/ aiolischen Mäanderrandtellerfragments der späten Stilstufe NiA I/AiA I, 1. Hälfte des 6. Jhs. v. Chr., dokumentiert den frühen Kontakt zum Norden der westkleinasiatischen Küste. Teller dieser Art finden sich an vielen Stellen des nördlichen Schwarzen Meeres, etwa in Berezan, aber auch auf der europäischen Seite des Bosporus beispielsweise in Myrmekion (M. 1 : 1) Eurasien-Abteilung 235 Kislovodsk (Russische Föderation), Siedlungen mit symmetrischem Grundriß als Phänomen einer komplexen Landschaftsnutzung während der Spätbronze- und Früheisenzeit im Nordkaukasus Im Herbst 2004 wurde am Südrand des Talkessels von Kislovodsk ein neuer Siedlungstyp der Spätbronze- und Früheisenzeit entdeckt. Es handelt sich um dorfartige Komplexe mit einem zentralen Platz und symmetrisch angeordneten Gebäudereihen an dessen Seiten (Abb. 27). Die Siedlungen sind aufgrund ihrer Erhaltungsbedingungen auf Luftbildern zu erkennen, wodurch es nicht nur möglich ist die Fundstätten zu lokalisieren, sondern auch ganze Siedlungslandschaften zu erfassen. Die Entdeckung von mehr als 80 neuen Fundplätzen mit Siedlungen,Wallund Kreisanlagen sowie Landmauern in Höhen von 1400 m bis 2500 m wirft die Frage nach der Funktionalität dieser Orte auf. Sind sie Teil einer saisonalen bewirtschafteten Kulturlandschaft mit unterschiedlichen Siedlungstypen in verschiedenen Höhenstufen? Oder handelt es sich um ein Areal mit Dauersiedlungen, das unabhängig von den Tallandschaften war und eine andere ökonomische Grundlage hatte? Abb. 27 Kislovodsk (Russische Föderation), die spätbronzezeitliche bis früheisenzeitliche Siedlung Kabardinka 2 im 3D-Geländemodell Um dies zu klären wird ein Luftbildkatalog erarbeitet, dessen Ergebnis durch Geländeprospektionen überprüft wird. Bislang wurden über 30 der auf Luftbildern erkannten Fundplätze vor Ort verifiziert. Nur zwei Kreisanlagen konnten nicht entdeckt werden. Von allen Plätzen stammt Oberflächenmaterial der Spätbronze- und Früheisenzeit. Daneben werden auf ausgewählten Siedlungen systematische Begehungen durchgeführt. Sie sollen Aktivitätszonen zeigen und das Verhältnis von bebauter zu genutzter Siedlungsfläche klären. Unterstützt werden die Begehungen durch die Anlage von digitalen Geländemodellen, die das Mikrorelief der Ruinen zeigen, und durch bodenkundliche Untersuchungen, die Hinweise auf die Art der Aktivitäten geben. So konnte die Aufstallung von Vieh auf dem zentralen Platz durch mikrobakteriologische Untersuchungen nachgewiesen werden. Als weitere zerstörungsfreie Prospektionsmethoden wurden 2005/06 Georadar- und Magnetikmessungen durchgeführt (Abb. 28). Die Magnetik zeigt in den Häusern unterschiedlich starke Anomalien, die auf Unterschiede in der Nutzung der Räume deutet. Beide geophysikalischen Methoden haben Gebäudereste erbracht, die obertägig nicht sichtbar sind. Es wurden außerdem Hinweise auf Gräber gefunden. Das bemerkenswerteste Resultat ist jedoch eine Zone mit hohen magnetischen Anomalien, die sich ringförmig um alle 236 Jahresbericht 2006 des DAI Abb. 28 Kislovodsk (Russische Föderation), Kabardinka 2. Magnetikmessungen 2006 (M. 1 : 2500) Siedlungen zieht. In der gleichen Region läßt sich eine erhöhte Anzahl von Oberflächenfunden vermerken. Wir interpretieren diese Befunde als Müllzone, in der die Bewohner der Siedlungen ihre Abfälle entsorgten. Im Herbst 2006 wurde die Freilegung eines Hausgrundrisses in der Siedlung Kabardinka 2 begonnen (Abb. 29). Das Haus grenzt an den zentralen Platz, nimmt eine Fläche von 16 m × 8 m ein und ist ein typischer Vertreter der lokalen Architektur. Bei der Ausgrabung kamen komplexe Steinmauern zum Vorschein, die wohl den Fundamentbereich von soliden Holzgebäuden bilden. Ein Teil des Hauses scheint abgebrannt zu sein, da rot verfärbte Stellen im Fundament sichtbar sind und auf 2 m2 ein großes Keramikensemble mit Spuren von Feuereinwirkung gefunden wurde (Abb. 30). Kooperationspartner: Archäologisches Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau (D. S. Korobov); Denkmalpflegeorganisation »Nasledie«, Stavropol’ (A. B. Belinskij) • Förderung: DFG; Russische Stiftung für Geisteswissenschaften • Leitung des Projekts: S. Reinhold, D. S. Korobov • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: S. N. Savenko, S. Langer (Archäologie), A.V. Borisov, S. Peters (Bodenkunde), E. Antipina (Archäozoologie), E. Lebedeva (Archäobotanik), J. Fassbinder (Magnetik), S. V. Merkulov (Georadar) • Abbildungsnachweis: DAI, Eurasien-Abteilung, S. Reinhold (Abb. 27. 29. 30); J. Fassbinder, S. Reinhold (Abb. 28). 29 30 Kislovodsk (Russische Föderation), Kabardinka 2 Abb. 29 Ortophotoplan der Ausgrabungsfläche von 2006 Abb. 30 Blick auf das zerscherbte Keramikensemble Eurasien-Abteilung 237 Aruchlo (Georgien) Der neolithische Siedlungshügel von Aruchlo (etwa 50 km südwestlich von Tblisi) ist nur wenige hundert Meter nördlich der Terrassenkante einer breiten Flußaue gelegen, wo sich die aus den Bergen kommenden Flüsse Chrami und Mašavera vereinigen, um weiter östlich an der georgisch-azerbaidjanischen Grenze in den Kura-Fluß zu münden, der schließlich in das Kaspische Meer mündet. Dieser Hügel gehört zur »Šulaveri-Šomutepe-Gruppe«, deren Siedlungen durch zahlreiche Rundbauten charakterisiert sind. Die Ausgrabungen im Sommer 2006 haben unser Verständnis von der Architektur erheblich erweitert. So konnten wir die Bauabfolge klären und weitere Bauten identifizieren (Abb. 31). Abb. 31 Aruchlo (Georgien), neolithischer Siedlungshügel. Grabungsflächen mit Architekturresten Aruchlo (Georgien), neolithischer Siedlungshügel Abb. 32 Rundbau D18 mit einbindender Lehmziegelwand D20 Abb. 33 Blick von Süden auf den Rundbau D18 mit dem zugehörigen großen Mauerrund (D20 und C30) 32 Die Freilegung des leicht ovalen Baus (AR06D018), der bereits 2005 teilweise ausgegraben wurde, konnte fortgesetzt werden. Er besitzt einen maximalen Innendurchmesser von 2,30 m. Die Wand dieses Rundbaus besteht aus großen, gelben Lehmziegeln, die in ein dunkles Bindemittel eingebettet sind (Abb. 32). Die Wandstärke beträgt etwa 20 cm, welche sich im Eingangsbereich des Rundbaus kräftig verbreitert. Die Wände selbst sind noch bis zu 1,20 m hoch erhalten. Die Ziegel weisen in der Regel eine plankonvexe Form auf. Es gibt kein streng genormtes Ziegelmaß, doch konnten an diesem Bau Ziegel mit 41 cm × 20 cm × 8 cm gemessen werden. Westlich bindet in die Wand des Rundbaus ein Mauerbogen ein (Abb. 33), der allerdings wesentlich niedriger erhalten ist. Anhand der horizontalen Fu- 33 238 Jahresbericht 2006 des DAI gen ist klar, daß dieser Bogen gemeinsam mit dem kleinen Rundbau errichtet wurde. In Fläche C bindet östlich des Eingangs ein weiterer Mauerbogen in den Rundbau ein, der ebenfalls in einem Zuge mit dem Rundbau errichtet wurde. Im Zwickel des kleinen Rundbaus und der östlich einbindenden Wand war eine ovale Feuerstelle eingerichtet. Sie bestand aus einer Lehmplatte, möglicherweise eine Art Pflaster, das rot durchgeglüht war, und mehreren faustgroßen Steinen, die in einer weißen Ascheschicht lagen. Neben der Feuerstelle lag noch verkohltes Brennholz. Die beiden an den kleinen Rundbau anschließenden Lehmziegelmauern bilden vermutlich einen Kreis, was sich aber erst nach Öffnung der südlichen Grabungsflächen bestätigen läßt. Wenn beide Mauerbögen zusammengehörten, ließe sich erstmals in Aruchlo ein Mauerring von ca. 6 m Durchmesser rekonstruieren, der offenbar Teil einer komplexeren Architektur war. 34 35 36 Daneben konnte erstmals die Verwendung dunklen Lehms zur Ziegelherstellung nachgewiesen werden. So verwendet die ›gelbe‹ Wand eines Mauerbogens ein Stück einer geraden Nord-Süd verlaufenden Wand mit dunklen Lehmziegeln (Abb. 34). In einem Fall konnten Teile der Wand eines Rundbaus aus dunklen Ziegeln im Südprofil nachgewiesen werden. Die sechs plankonvexen Ziegel, zwischen denen ein helles Bindemittel verstrichen wurde, kragen über und sind zu einem gewölbten Bau versetzt worden (Abb. 35). Es war an dieser Stelle möglich, die dunklen Lehmziegel plastisch freizustellen, d. h. das helle Bindemittel abzutragen (Abb. 36). Die aufwendige Arbeit setzt große Vorsicht voraus und es ist klar, daß in dunkler Umgebung diese dunklen Ziegel nur mit Erfahrung zu erkennen sind. Gegenüber den aus gelben Ziegeln gesetzten Wänden sind die aus dunklen Ziegeln gebauten Wände deutlich schwerer zu identifizieren. Man muß daher davon ausgehen, daß die entsprechenden Bauten bislang nicht erkannt wurden und die ursprüngliche Bebauungsdichte wesentlich höher war. Zu den bemerkenswerten Funden zählt ein Knochenwerkzeug unbekannter Funktion (Abb. 37). Kooperationspartner: »Otar-Lordkipanidze-Zentrum für Archäologische Forschung« der Georgischen Akademie der Wissenschaften in Tbilisi (G. Mirzchulava) • Förderung: BMBF • Leitung des Projekts: S. Hansen • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: K. Bastert (Keramik), N. Benecke (Archäozoologie), I. Gatsov, P. Nedelcheva (Steingeräte), R. Neef (Archäobotanik) • Abbildungsnachweis: DAI, Eurasien-Abteilung, S. Hansen (Abb. 32–37); M. Ullrich (Abb. 31). Aruchlo (Georgien), neolithischer Siedlungshügel Abb. 34 Mauerzug mit dunklen Lehmziegeln Abb. 35 Rest einer Wand aus sechs dunklen Lehmziegeln Abb. 36 Rest derselben Wand nach plastischer Freistellung der Ziegel Abb. 37 Aruchlo (Georgien), neolithischer Siedlungshügel. Knochengerät unbekannter Funktion Eurasien-Abteilung 239 Tachti Perda (Georgien) Die Grabung einer mehrschichtigen Siedlung der Bronze- und älteren Eisenzeit (ca. 15.–8./7. Jh. v. Chr.) konnte fortgesetzt werden. In der Kampagne 2006 wurden die Ausgrabungsarbeiten auf der Hauptfläche (ca. 400 m2) auf der Oberterrasse durchgeführt sowie am Hügelfuß und in einer 30 m nach Westen von der Hauptfläche versetzten Sondage. Außer der Untersuchung der im letzten Jahr bereits erkannten Grubenbefunde in der Hauptfläche wurde die Mauer geschnitten und im westlichen Abschnitt der Hauptfläche durchgehend der anstehende Boden erreicht. Die Gruben waren überwiegend flach und enthielten nur wenige Funde. Bemerkenswert sind hier jedoch mehrere gut gearbeitete und sehr gut erhaltene Silexklingen (Sicheleinsätze, Sägen, Messer), die sich in der Verfüllung von dreien der insgesamt 11 Gruben fanden. Aus dem Brandschutt und Mauerversturz stammt typische spätbronzezeitliche, ursprünglich schwarzpolierte und mit Stempelmustern verzierte Keramik (Abb. 38). Unterhalb dieses Brandschuttes Abb. 38 Tachti Perda (Georgien), bronzezeitliche Keramik Abb. 39 Tachti Perda (Georgien), bronzezeitliches Gefäß aus einem Brandversturz und einer ascheartigen Füllschicht kamen Pfostenlöcher zutage. Die SteinLehmmauer hatte somit offensichtlich eine Vorgängeranlage. Diese bestand aus einer doppelten Palisadenreihe, wobei der Zwischenraum zwischen den Palisaden ca. 1,0 m betrug und mit einer Lehmerdemasse ausgefüllt war. Da aus diesem Befund charakteristische schwarzpolierte bronzezeitliche Keramik (Abb. 39) vorliegt, läßt sich diese ältere Holzmauer unter Vorbehalt um die Mitte des 2. Jts. v. Chr. datieren. In der Sondage westlich der Hauptfläche wurden Reste eines Grubenhauses und möglicherweise eines befestigten Weges entdeckt. Es ließen sich zwei Besiedlungshorizonte feststellen. Hervorzuheben ist die Beobachtung, daß in keinem Objekt Reste eines Nutzungshorizontes gefunden wurden. Alle Objekte sind verfüllt worden. Das Füllmaterial enthält zwar überwiegend graue spätbronzezeitliche Keramik und Tierknochen, aber keinerlei Hinweise auf Siedlungsschutt (Hüttenlehm, Asche und vor allem keine Holzkohlepartikel). Die Arbeiten in diesem Abschnitt wurden von M. Ullrich durchgeführt. Am Hügelfuß, am unteren Ende des Hangschnitts, wurde das Unterteil eines Brennofens (?) freigelegt und geschnitten. Es handelt sich um zwei ca. 1,80 m lange Halbröhren aus Keramik bzw. verziegeltem Lehm, die Feuerungskanäle gebildet haben könnten. In diesen Röhren fand sich graue, scheibengedrehte Ware, die unter Vorbehalt als ältereisenzeitlich klassifiziert wurde. Parallel zur Grabung wurde die geomagnetische Prospektion unter Leitung von B. Song (Ruhr-Universität Bochum) in dem Terrain nördlich des Hügels und im Bereich des im Vorjahr erkannten Gräberfeldes im Nordwesten fortgesetzt. Insgesamt 7 ha Fläche wurden gemessen. Deutlich zeigte sich im Nordwestteil eine rezente Störung; dagegen ließen sich im Nordostbereich des vorgelagerten Geländes mehrere rechtwinklige Strukturen erken- 240 Jahresbericht 2006 des DAI nen, bei denen es sich sehr wahrscheinlich um prähistorische Bauten handeln dürfte. Für diese Annahme sprechen die reichen Lesefunde, vor allem von Keramikscherben, die denjenigen Waren entsprechen, welche in den oberen Schichten des Hügels festgestellt wurden. Insgesamt rechtfertigt dieses vorläufige Ergebnis der geomagnetischen Prospektion die Einteilung der Siedlung in eine befestigte ›Oberstadt‹ bzw. ›Burg‹ und eine ›Unterstadt‹ nördlich des Hügels. Die Gesamtausdehnung der unteren Siedlung ließ sich noch nicht ganz klären, da ein großer Bereich mit Sonnenblumen bestanden war und somit dort keine Messungen durchgeführt werden konnten; diese sollen im Frühjahr 2007 erfolgen. Abb. 40 Schließlich konnten eine Befliegung des Fundortes sowie eines Areals von 500 km2 Größe durchgeführt und eine Reihe von Luftbildern aufgenommen werden (Abb. 40). Bei dieser Erkundung aus der Luft wurden ca. 30 Fundstellen – überwiegend Siedlungsplätze aber auch einige Hügelgräberfelder – verortet, von denen einige der Forschung bereits bekannt waren, andere als Neuentdeckungen bezeichnet werden dürfen. Die Lufterkundung bekräftigt die Annahme, daß Tachti Perda aufgrund seiner Größe und seiner strategisch günstigen topographischen Lage (Wegekreuzung; Nachbarschaft zu zwei Heiligtümern) der zentrale Ort dieser Mikroregion in der Bronzeund Eisenzeit gewesen sein dürfte. Das Ziel der Untersuchungen ist somit, exemplarisch die natürlichen, ökonomischen und symbolischen Strukturen einer definierten Mikroregion im späten 2. Jt. v. Chr. hinsichtlich Grenzen (ummauerte ›Oberstadt‹; Tachti als Marke), sozialer Hierarchien (Zentralort) und symbolischer Raumbezüge (Höhenheiligtümer) zu erfassen. Das Projekt Tachti Perda ist dem Forschungsfeld 1 (Erschließung von Räumen) im Forschungscluster 3 »Politische Räume« des DAI zugeordnet. Kooperationspartner: »Otar-Lordkipanidze-Zentrum für Archäologische Forschung« der Georgischen Akademie der Wissenschaften in Tbilisi (K. P’ic’xelauri); Ruhr-Universität Bochum (B. Song) • Förderung: BMBF • Leitung des Projekts: I. Motzenbäcker • Mitarbeiter: M. Ullrich • Abbildungsnachweis: DAI, Eurasien-Abteilung, I. Motzenbäcker (Abb. 38–39); Ruhr-Universität Bochum, B. Song (Abb. 40). Tachti Perda (Georgien), Luftbild Eurasien-Abteilung 241 Abb. 41 Darre-ye Bolāghi (Iran), Blick über das Tal mit den Fundplätzen 73 und 91 Darre-ye BolŒghi, Fars (Iran) Die Rettungsgrabungen auf chalkolithischen Fundplätzen im Staubecken des Sivand-Dammes am Pulvar-Fluß in der Provinz Fars wurden im Frühjahr 2006 mit einer vier Monate dauernden Grabungskampagne in dem bereits im Vorjahr begonnenen Fundplatz 91, sowie in zwei neu aufgefundenen Plätzen, 73 und 131, zu einem Abschluß geführt (Abb. 41). Wie auch im Vorjahr galt das Hauptaugenmerk der Untersuchung bŒkunzeitlicher Befunde (5. Jt. v. Chr.), außerdem wurden auf Fundplatz 73 auch Befunde der Achämenidenzeit untersucht. Nach umfassenden geomagnetischen Prospektionen konnten in diesem Jahr gezielt weitere bŒkunzeitliche Töpferöfen ausgegraben werden, von denen je einer auf den Fundplätzen 91 und 131 und fünf weitere auf Fundplatz 73 lagen. Alle Öfen sind nach einem ähnlichen Grundmuster gebaut: Sie sind annähernd rund und haben einen ca. 1 m langen Feuerungskanal, so daß die Grundform schlüssellochförmig ist (Abb. 42). Die Brennkammer ist durch eine Innenmauer in zwei Kammern unterteilt. Auf dieser Trennwand und auf der Außenmauer liegen brotlaibförmige Tonziegel auf, die mit den Schmalseiten nach unten schräg geschichtet sind und eine Tenne bilden, auf der die Keramik gestapelt wurde. Entlang der Außenmauer sind Luftzüge ausgespart. Abb. 42 Darre-ye Bolāghi (Iran), Fundplatz 73. Zwei Töpferöfen, Bākunzeit (5. Jt. v. Chr.) 242 Jahresbericht 2006 des DAI Vermutlich bestand der obere Abschluß des Ofens aus einer jeweils neu aufgebrachten Lehmkuppel. Die Öfen aus Darre-ye BolŒghi stellen somit Vorläufer der schlüssellochförmigen Öfen dar, die ca. 500 Jahre später in Arisman verwendet wurden. Auf Fundplatz 73 waren die Töpferöfen in zwei Gruppen angeordnet, wobei die Gruben jeweils in ältere, ebenfalls bŒkunzeitliche Kulturschichten einschnitten. Diese konnten jedoch nicht auf größerer Fläche untersucht werden. Fundplatz 131 wurde bei gezielten geomorphologischen Prospektionen und Bohrungen in der Ebene von BolŒghi entdeckt. Es handelt sich um die Überreste eines planierten Siedlungshügels, von dem die untersten 3 m Kulturschichten erhalten waren. Hier wurden in mehreren Schnitten Siedlungsreste, jedoch keine substantielle Architektur festgestellt. Mehrere Bestattungen, darunter eine Mehrfachbestattung, waren in die Siedlungsschichten eingetieft (Abb. 43. 44). Zusammenfassend ergibt sich aus den Untersuchungen das Bild einer intensiven Nutzung dieses abgeschlossenen Tals während der mittleren und späten BŒkunzeit, wobei an jedem Fundort auch die handwerkliche Produktion von Keramik belegt ist, so daß eine funktionelle Spezialisierung der einzelnen Siedlungen unwahrscheinlich ist. Die in der geomagnetischen Kartierung sichtbaren Wasserkanäle auf den Fundplätzen 91 und 73 wurden untersucht und konnten jeweils jüngeren Siedlungsschichten zugeordnet werden. Sie dienten zur Versorgung dieser Plätze mit Quellwasser, das in der achämenidischen (Fundplatz 73), bzw. postachämenidischen Zeit (Fundplatz 91) offenbar am Fuß des Gebirges verfügbar war. Auf Fundplatz 73 stand in achämenidischer Zeit ein größeres Gehöft, das wohl zur Versorgung der Stadt Pasargadae beitrug (Abb. 45). Funde aus den zugehörigen Schichten umfassen karinierte Schalen (Abb. 46), Steingefäßfragmente und dreiflügelige Pfeilspitzen. 43 44 Darre-ye Bolāghi (Iran), Fundplatz 131 Abb. 43 Bestattung, Bākunzeit (5. Jt. v. Chr.) Abb. 44 Keramik aus dem Grab mit einer Mehrfachbestattung, Bākunzeit (5. Jt. v. Chr.) 45 46 Kooperationspartner: Iranian Cultural Heritage and Tourism Organisation, Abteilung Iranian Center for Archaeological Research; Geographisches Institut der Humboldt-Universität zu Berlin; Institut für Ur- und Frühgeschichte der Ruhr-Universität Bochum • Leitung des Projekts auf iranischer Seite: M. Seyedin • Leitung des Projekts auf deutscher Seite: B. Helwing • Abbildungsnachweis: DAI, Eurasien-Abteilung, B. Helwing (Abb. 41–46). Darre-ye Bolāghi (Iran), Fundplatz 73 Abb. 45 Achämenidisches Gebäude Abb. 46 Achämenidische Keramik Eurasien-Abteilung 243 47 48 Abb. 47. 48 Herat (Afghanistan), Areia Antiqua. Chišt-e Šarif, Provinz Herat. Madrasseh aus der ghoridischen Zeit, Kuppelbauten mit Ziegelversatzdekor (12. Jh. n. Chr.) Herat, Areia Antiqua (Afghanistan) Die Arbeiten in Herat konzentrierten sich 2006 auf den Abschluß des Surveys und die Untersuchungen in der Zitadelle von Herat. Schwerpunkt der Dokumentation archäologischer Denkmäler und Fundorte durch Geländebegehung waren die östlich von Herat liegenden Distrikte Obeh und Chišt-e Šarif. Weitere Orte wurden in Paštun Za\un, Inğil und Adraskan aufgenommen. Insgesamt wurden 73 Fundorte und Denkmäler kartiert, 50 % davon in Chišt-e Šarif. Nur ein Monument war vorher bekannt, eine Madrasseh aus der ghoridischen Zeit (CS01, Abb. 47. 48). Palgird (Gh05) – eine der größten Stadtanlagen des 10.–13. Jhs. n. Chr. in der Provinz Herat – wurde erneut besucht, um den Fortgang der Raubgrabungen zu dokumentieren. Auch die in diesem Jahr entdeckten Tells, insgesamt 16, sind alle von Raubgrabungen betroffen. Ein Vergleich der Distrikte zeigt deutliche Unterschiede in Bezug auf die Verteilung der Bautypen. So kommen für Chišt-e Šarif typische Befestigungstürme, von denen insgesamt 9 dokumentiert wurden, in anderen Distrikten nicht vor (Abb. 49). Die Türme sind zwischen 4 m und 8,80 m breit (Durchmesser), bis zu 11 m hoch erhalten und liegen in der Regel an erhöhter Stelle am Ortsausgang oder Talausgang. Sie sind aus Lehmziegeln errichtet, weisen ein bis drei übereinander liegende Reihen Schießscharten auf und einige besitzen im Innenraum Nischen und Wendeltreppen. K. Fischer und W. Klimkott datieren bautechnisch ähnliche Anlagen in Sistan bis in die Ghoridenzeit. Auffällig ist die geringe Zahl der in der Flußoase häufig vorkommenden Lehmfestungen oder Karavanserais und die nach Osten hin deutlich abnehmende Häufigkeit von Zisternen und repräsentativen Bauten, mit Ausnahme der Madrasseh von Chišt-e Šarif sowie eines kleinen oktogonalen Kuppelbaus in Gunbad-e Shuhada, der wahrscheinlich ebenfalls in die ghoridische Zeit gehört. Aufgrund der Sicherheitslage war die Arbeit in Farsi, Shindand und Khuš Kona nach wie vor nicht möglich. Da die in den anderen Distrikten dokumentierten Denkmale jedoch einen repräsentativen Querschnitt bieten, wird der Survey als abgeschlossen betrachtet. Die Datenbank mit nun 400 Einträgen umfaßt zahlreiche bisher unbekannte Bau- und Siedlungstypen aus verschiedenen Zeitstufen, die erstmals einen Einblick in die Erschließung und Nutzung der verschiedenen Regionen in der Provinz Herat geben. Die Abb. 49 Herat (Afghanistan), Areia Antiqua. Paštun Zaġun, Provinz Herat. Lehmturm mit Ziegelversatzdekor 244 Jahresbericht 2006 des DAI Abb. 50 Herat (Afghanistan), Areia Antiqua. Zitadelle von Herat, oberer Hofbereich mit dem Ziegelfußboden von Amir Abdur Rahman und den Ruinen seines Palastes im Hintergrund Funde – im wesentlichen Keramik – repräsentieren nicht nur eine lange zeitliche Entwicklung, sondern spiegeln auch regionale Unterschiede wider. Als bislang einzige Sammlung dieser Art in Afghanistan bilden sie eine Referenzkollektion, die einen Einblick vor allem auch in das provinzielle Schaffen gibt. Die Dokumentation der Funde wurde 2006 abgeschlossen. Das 2005 zusammen mit der Délégation Archéologique Française en Afghanistan (DAFA) begonnene Projekt zur Erforschung des antiken Herat wurde in diesem Jahr mit den Arbeiten der Eurasien-Abteilung des DAI auf der Zitadelle fortgesetzt. Das Areal im oberen Hof wurde erweitert und durch eine zweite Fläche im Norden ergänzt. Unter dem Fußboden im Hof des von Amir Abdur Rahman (reg. 1880–1901) erbauten Palastes kamen in beiden Bereichen zunächst Kanäle und Wasserleitungen, die der Be- und Entwässerung der Bäder des Palastes dienten, zutage (Abb. 50). Unter diesen Strukturen folgten Mauern aus gebrannten Ziegeln, die in das frühe 19. Jh. gehören. Drei neue Skelettfunde erhöhen die Gesamtzahl der hier gefundenen Toten auf fünf. Bestattet wurden nur zwei Personen, die anderen Toten lagen noch in der Position, in der sie offenbar den Tod fanden – wahrscheinlich handelt es sich um Soldaten, die während einer der zahlreichen Belagerungen der Stadt ums Leben kamen. Darunter folgt eine dritte Bauschicht mit Ziegelarchitektur. Die Mauern, deren Unterkanten nur 1,20 m unter der Oberfläche liegen, gründen auf dem schon im Vorjahr gefundenen Lehmmassiv und auf bis zu 3 m hohen Schuttschichten, die im Osten an dieses Massiv heranziehen. Aus dem Schutt stammen Tausende von Scherben, darunter europäisches, russisches und chinesisches Porzellan, südostasiatische Importwaren, qajjarische und safawidische Keramik, lokale Irdenwaren sowie Fragmente von Baudekor, insbesondere Fliesen und Stuck. Die Funde datieren überwiegend in das 17.–19. Jh. In den tieferen Schichten kamen jedoch auch ältere Funde (12.–14. Jh.) zutage, darunter eine Lüsterfliese (Abb. 51). Das Lehmmassiv konnte über mehr als 15 m in Nord-Süd-Richtung verfolgt werden. Die Breite an der Basis beträgt mehr als 4 m. Trocknungsrisse sowie dünne, eingebettete Schichten mit etwas Asche und einigen Scherben weisen es als eine Stampflehmmauer aus, die in unregelmäßigen Schichten Abb. 51 Herat (Afghanistan), Areia Antiqua. Zitadelle von Herat. Fragment einer Lüsterfliese aus Iran, 13./frühes 14. Jh. Eurasien-Abteilung 245 über einen längeren Zeitraum hinweg aufgebaut und mehrfach in der Breite verstärkt wurde. Wahrscheinlich handelt es sich um einen Teil der vortimuridischen Befestigungsanlage des oberen Hofes. Dafür spricht auch Keramik aus dem 13. Jh., die im oberen Teil des Massivs gefunden wurde. Mehr als 4 m unter der Oberfläche wurden in diesem Block erstmals Lehmziegel erkennbar, unregelmäßig verlegt und daher in dem kompakten Lehm nur schwer zu fassen. Ein östlich anschließendes Gehniveau mit Tandur und Grube zeigt jedoch, daß hier nun ein älterer Horizont erreicht ist. Schon 2005 war aufgefallen, daß die Keramik aus dem unteren Teil des Lehmmassivs weitgehend unglasiert ist. Die wesentlich umfangreichere Sammlung aus diesem Jahr hat diese Beobachtung bestätigt. Auch ein Wandel der Formen ist deutlich erkennbar. Die Bearbeitung ist jedoch noch nicht abgeschlossen und die Datierung noch unsicher, da es keine Vergleichsfunde aus der früheren Zeit in dieser Region gibt. Die insgesamt fast 20 000 Scherben bilden die erste, gut stratifizierte Sammlung, die über Importwaren hinaus einen Einblick in die lokale Produktion aus bisher weitgehend unbekannten Zeitabschnitten liefert. Sie ist daher auch für die Datierung der Oberflächensammlungen des Surveys von großer Bedeutung. Neben diesen Arbeiten wurden die 1976 von der UNESCO in der Zitadelle ausgegrabene Keramik und Funde, die bei Bauarbeiten des Aga Khan Trusts for Culture im Außenbereich der Zitadelle zutage kamen, dokumentiert. Auf Anfrage des Department for the Preservation of Historic Monuments war ferner im Vorfeld einer geplanten Bebauung das Baugelände in der archäologischen Zone von Gazurgah nördlich der Stadt zu prospektieren. Ferner konnten die ca. 50 m × 30 m große und 5 m tiefe Baugrube eines Großprojekts im Zentrum der Altstadt von Herat besucht und einige Funde sichergestellt werden. Über beide Maßnahmen wurde dem Kulturministerium ein Bericht vorgelegt. Die Einbeziehung des DAI in derartige Aufgaben ist als ein Zeichen für eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit zu bewerten. Kooperationspartner: National Institute of Archaeology in Afghanistan, Ministerium für Information und Kultur, Kabul; Department of Monuments and Sites Herat, Ministerium für Information und Kultur, Kabul; Seminar für Orientalische Kunstgeschichte der Friedrich-Wilhelm-Universität Bonn • Förderung: Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland • Leitung des Projekts: U. Franke-Vogt • Mitarbeiter: Th. Urban (CAD, GIS), A. Lange, St. Bickelmann, M. Müller-Wiener (Keramik) • Abbildungsnachweis: DAI, Eurasien-Abteilung, Th. Urban (Abb. 47–49); U. Franke-Vogt (Abb. 50); A. Lange (Abb. 51). Sohr Damb/Nal, Balučistan (Pakistan) In der diesjährigen Kampagne konzentrierten sich die Feldarbeiten in der Siedlung Sohr Damb, dem Leitfundort der Nal-Kultur (4.–2. Jt. v. Chr.), auf den Friedhof aus Periode I (Schnitt IIIb) und die Bereiche zwischen den Schnitten I, VI, VII und IX, die dadurch stratigraphisch verbunden wurden. Die untersuchte Fläche beträgt jetzt 2700 m2. Besonders wichtig für die Rekonstruktion der Siedlungsgeschichte und die Datierung der Perioden II und III sind die Entdeckung einer Bebauung aus der späten Nal-Zeit (Periode II) in Schnitt V, die Freilegung von Gebäuden der Periode III im Nordosten des Tells (Schnitt IX) und die Untersuchung der Ascheablagerungen, die in Schnitt I die Schichten der Perioden II und III trennen. Für die Periode I wurden im Friedhof (Schnitt IIIb) die schon im Vorjahr geöffneten Grabkammern 711, 756 und 775 und das letzte in der Grabungs- 246 Jahresbericht 2006 des DAI Abb. 52 Sohr Damb/Nal (Pakistan), Schnitt IIIb. Grab 768, Periode I. Blick in die Grabkammer, im Hintergrund Steinfundamente der Periode II fläche befindliche Grab 768 vollständig ausgegraben (Abb. 52). Schon 2005 hatte sich gezeigt, daß unterhalb von Grab 711/775 eine weitere Kammer liegt und der Friedhof somit zwei Phasen umfaßt. Die älteren Gräber sind jedoch stark erodiert, Funde und Knochen nicht erhalten. In der jüngeren Phase konnten bis zu sechs Knochenlagen festgestellt werden, die durch Lehmpackungen, selten kleine Ziegelsetzungen, voneinander getrennt sind. In den unteren Schichten wurde eine geringere Fragmentierung der Knochen beobachtet, ein Indiz für einen graduellen Wandel der Bestattungsformen während der Belegungsphase der Gräber. Die Keramik zeigt das Standardrepertoire des Friedhofes: Togau D-Schalen, Kile Ghul Mohammad-Töpfe und Schalen sowie Kechi Beg-Gefäße (Abb. 53). Die Perlen sind aus Karneol, Lapislazuli und erhitzter Steatitpaste hergestellt (Abb. 54). Außergewöhnlich ist ein flaches, spiralförmiges Elfenbeinobjekt aus Grab 711, hergestellt aus dem Stoßzahn eines indischen Elefanten (Analyse: A. Banerjee, INCENTIVS, Universität Mainz). Drei bis auf die natürlichen Kiesschichten abgetiefte Sondagen zeigen, daß keine weiteren anthropogenen Schichten mehr folgen. Die Grabungen in Schnitt IIIb sind daher zunächst abgeschlossen. Auch in Schnitt VII waren die Schichten der Periode I und der gewachsene Boden zu erreichen. Unter massiven, überwiegend aus Keramik bestehenden Schuttschichten wurde eine kleine Kammer mit rot verfärbtem Fußboden und einer Feuerstelle entdeckt. Anders als im Friedhof sind Togau B-Typen häufig, Togau D-Schalen jedoch selten, ein Anzeichen dafür, daß diese Gefäße primär als Grabbeigaben verwendet wurden. Zwei 14C-Datierungen liegen zwischen 3300 und 3200 v. Chr. Der großflächig angelegte Schnitt V verbindet die Bereiche I, IV, VI, VII und IX. Direkt unter der Oberfläche wurden Mauerreste aus Periode III entdeckt. Die Ziegel bestehen aus sandigem Ton und sind nur wenige Zentimeter hoch erhalten. Nahe dem großen Steingebäude liegen diese Fundamente wie in Schnitt I auf einem Aschepaket auf. In den westlichen Arealen kam direkt unter diesen Strukturen eine weitere Bauschicht zutage. Die Gebäude sind durch dünne Mauern und eine abweichende Orientierung gekennzeichnet. In den kleinen Räumen liegen noch die Inventare, bestehend aus Feuerstellen, Vorratsschalen, Mahlsteinen und Mörsern. Sie gehören zu Periode II, stellen jedoch eine späte Entwicklung dieser Zeit dar. 53 54 Sohr Damb/Nal (Pakistan), Schnitt IIIb. Grab 711, Periode I Abb. 53 Keramik Abb. 54 paste Perlen aus gebrannter Steatit- Eurasien-Abteilung 247 55 56 Sohr Damb/Nal (Pakistan), Schnitt IX Abb. 55 AK 1C, Periode III. Tandur mit Unterbau und Wandung sowie Kochsteinen, Kochtopf, Krügen und Mörser Abb. 56 AK 2D, Rauminventar Die Keramik zeigt einerseits eine stilistische Weiterentwicklung der typischen Nal-Keramik, andererseits erscheinen zahlreiche neue Formen und Motive. Diese lassen sich mit dem Früh-Harappa-Horizont in Südostbalučistan und Mehrgarh verbinden. Die 14C-Datierungen liegen zwischen 2900 und 2600 v. Chr. Die in Schnitt V Ost freigelegte Architektur aus Periode III setzt sich in Schnitt IX fort. Sie steht hier jedoch noch bis zu 5 Ziegellagen hoch an. Anders als bei den in den Hanglagen erodierten und überlagerten Schichten in Schnitt I kamen hier hervorragend erhaltene Rauminventare mit zahlreichen Tanduren und Feuerstellen zutage (Abb. 55. 56). Die Grabung wurde bis auf die Fußböden fortgesetzt. Eine kleine Sondage hat gezeigt, daß darunter die Bebauung der Periode II folgt. In Schnitt I wurden die 2001 begonnenen Areale Id und Ie nach Norden und Osten erweitert. Das Ziel der Arbeiten war hier, die in Ie vorgefundenen Asche- und Sedimentschichten zu untersuchen und die untersten Phasen der Periode III sowie den Übergang zu Periode II zu erfassen. Bei den im Wechsel mit 5 cm starken, kompakten Silt- bzw. Lehmpackungen liegenden Ascheschichten handelt es sich um ein ca. 2 m hohes Paket. Die Siltschichten stammen nicht, wie 2001 zunächst angenommen, von periodisch stehenden Wasserflächen, sondern sind feine, aerosole Wehschichten. Die weitgehend horizontal verlaufenden Aschebänder sind wahrscheinlich ebenso wie in Schnitt VII vorgefundene Schichten die Aushübe der weiter nördlich gelegenen Brennöfen. Sie wurden offenbar in regelmäßigen Abständen durch Lehmpackungen konsolidiert. Sie ziehen im Süden an Komplex 15 heran, im Norden laufen sie in Schnitt V aus. Unter diesen Schichten wurde, ebenso wie in den Schnitten Ie und VII, die Oberkante der Periode II erreicht. 2007 muß geklärt werden, ob sich das Aschepaket über Komplex 15 hinaus weiter nach Süden fortsetzt. Die südlich davon liegende Architektur der Phasen III.1 und 2 (darunter Komplex 17 [vgl. AA 2006/2, 339–342]), über welche die Anbindung dieser Bauten an Phase III.3 erfolgen muß, ist aufgrund der Hanglage sehr stark erodiert. Auch sie soll 2007 weiter untersucht werden. Dem Aschepaket, das inzwischen in großen Bereichen des Tells gefunden wurde, kommt in Hinblick auf die Stratigraphie sowie Nutzung und Genese des Tells in den verschiedenen Zeitabschnitten besondere Bedeutung zu. Auch die Frage, zu welcher Phase von Periode III die nördlich von Schnitt I 248 Jahresbericht 2006 des DAI liegenden Wohnhäuser gehören, ist für den Wachstumsprozeß der Siedlung von entscheidender Bedeutung. Die vorläufige Untersuchung der Keramik legt nahe, daß sie der Phase 1 oder 2 zuzuordnen sind. Die 2006 entdeckten Befunde unterstützen die These, daß der Tell während Periode II seine Kuppe weiter im Norden hatte als heute. Die im Süden fast 5 m hoch anstehenden Schichten der Phasen III.3 und 4 sind demzufolge in recht kurzer Zeit entstanden. Kooperationspartner: Department of Archaeology & Museums, Government of Pakistan, Islamabad • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: H. Parzinger, U. Franke-Vogt • Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen: St. Bikkelmann, A. Gubisch, A. Lange, St. Langer, I. Mitrofanow, C. Buquet (Anthropologie, CNRS Paris), N. Benecke, J. Görsdorf, R. Neef (Archäozoologie, 14C-Datierung, Archäobotanik, DAI, Zentrale, Naturwissenschaftliches Referat) • Abbildungsnachweis: DAI, Eurasien-Abteilung, U. Franke-Vogt (Abb. 52. 53. 56); A. Lange (Abb. 54); St. Bickelmann (Abb. 55). Votivpraxis im hellenistischen und kušanzeitlichen Baktrien (Tadžikistan/Afghanistan/Uzbekistan) Das antike Land Baktrien liegt im Süden des heutigen Tadžikistan und Uzbekistan und im Norden Afghanistans. Es erstreckt sich in den fruchtbaren Ebenen des Oxus (heute Amudarja) sowie seiner nördlichen und südlichen Zuflüsse (Abb. 57). Baktrien war in der Antike nicht nur dicht besiedelt – es wird in den Quellen »das Land der tausend Städte« genannt – sondern weist auch eine bemerkenswerte Dichte an Heiligtümern auf. Seit den 1960er Jahren wurden mehrere Tempel aus hellenistischer Zeit (3. und 2. Jh. v. Chr.) und der KušanZeit (1.–3. Jh. n. Chr.) ausgegraben. Die bekanntesten sind der Oxus-Tempel im Süden Tadžikistans und die Heiligtümer in Ai Khanum, Dilberdžin und Surkh Kotal im Norden Afghanistans. Für die Frage, ob es im hellenistischen Osten auch auf religiösem Gebiet zu Verschmelzungsprozessen zwischen der einheimischen und der griechisch-römischen Kultur gekommen ist, spielen die baktrischen Heiligtümer eine große Rolle. Abb. 57 Votivpraxis im hellenistischen und kušanzeitlichen Baktrien (Tadžikistan/ Afghanistan/Uzbekistan), das antike Baktrien im Satellitenbild mit der Lage der wichtigsten Heiligtümer Eurasien-Abteilung 249 Abb. 58 Oxus-Tempel (Tadžikistan), Blick auf das Heiligtum. Im Hintergrund der Amudarja Bisherige Forschungen zu dieser Frage stützten sich auf Analysen der Bauformen und Raumstruktur der Heiligtümer. Oder sie versuchten, aufgrund von Einzelfunden die dort verehrten Götter zu bestimmen und als einheimische, griechische oder synkretistische Gottheiten zu identifizieren. Im Unterschied dazu ist das im Herbst 2006 begonnene Forschungsprojekt ritualgeschichtlich orientiert. Es untersucht die in den Tempeln gefundenen Votive, die als materielle Zeugnisse der praktizierten Rituale betrachtet werden und Aufschluß über die in Baktrien wirksamen religiösen Traditionen versprechen. Den Ausgangspunkt bilden die Funde aus dem Oxus-Tempel (Abb. 58) im heutigen Tadžikistan, von denen ein großer Teil bereits im Rahmen eines vorangegangenen Projekts dokumentiert werden konnte (Abb. 59). In einem Abb. 59 Oxus-Tempel (Tadžikistan), Weihgaben aus Gold, Silber und Bronze aus dem Heiligtum 250 Jahresbericht 2006 des DAI ersten Schritt wird gefragt, in welchem Maße die Weihsitten des 3. und 2. Jhs. v. Chr. an iranischen Traditionen orientiert sind und ob sich der für andere Aspekte der Kultur nachgewiesene griechische Einfluß auch in der Votivpraxis, d. h. in der Auswahl der Votive und der Art und Weise, wie mit ihnen im Heiligtum verfahren wurde, widerspiegelt. In einem zweiten Schritt soll die Entwicklung der Weihgebräuche bis zum Ende des 3. Jhs. n. Chr. untersucht werden. Dabei wird die Frage im Vordergrund stehen, wie sich der politisch-gesellschaftliche Wandel im Zuge der Eroberungen Baktriens durch die nomadischen Yüeh-chi um 130 v. Chr. auf die religiösen Vorstellungen ausgewirkt hat. Die Ziele des Projekts sind es, am Beispiel der Votivpraxis die Ausprägung der griechisch-orientalischen Mischkultur in Baktrien zu beleuchten und ihre Transformation unter nomadischem Einfluß zu verfolgen. Kooperationspartner: Achmadi-Doniš-Institut für Geschichte, Archäologie und Ethnographie der Akademie der Wissenschaften Tadžikistans in Dušanbe (A. Družinina) • Förderung: DFG • Leitung des Projekts: G. Lindström • Abbildungsnachweis: DAI, Eurasien-Abteilung, G. Lindström (Abb. 57. 59); A. Družinina (Abb. 58). Bandixon, Provinz Surchandar´ja (Uzbekistan) Um Bandixon sind seit den 1970er Jahren im unmittelbaren Gebirgsvorland Majdatepa, Bektepa, Gazimullahtepa, Jalangtuštepa (Abb. 60), Kindyktepa, Sariband und andere Fundorte bekannt. Das Gebiet bietet somit ›reine‹ Fundorte, die vom 2. Jt. v. Chr. bis in das 1. Jt. n. Chr. reichen und die Erarbeitung von Kulturdefinitionen erlauben. Die Grabungen waren 2005 am Majdatepa, am Bektepa und am Kindyktepa begonnen worden und hatten Veränderungen in den Funden und bei den Tierknochen gezeigt, die mit Verlagerungen der Siedlungskerne zusammenhängen dürften. Abb. 60 Bandixon, Provinz Surchandar´ja (Uzbekistan). Blick auf die Zitadelle des Jalangtuštepa von Südosten Eurasien-Abteilung 251 Abb. 61 Bandixon, Provinz Surchandar´ja (Uzbekistan). Komplexe Feuerstelle der Jaz I-Zeit (2. Jt. v. Chr.) im Majdatepa, sichtbar sind die runde Brandfläche mit Mulde in der Mitte, eine Aschenkiste links davon und ein zugemauertes Becken rechts 62 63 Bandixon, Provinz Surchandar´ja (Uzbekistan) Abb. 62 Bemalte Deckel der Jaz I-Zeit (2. Jt. v. Chr.) vom Majdatepa Abb. 63 Gefäße der klassischen Achämenidenzeit (1. Jt. v. Chr.) vom Gazimullahtepa, die kleinen Löcher am rechten Topf belegen eine antike Reparatur (verschiedene Maßstäbe) 2006 wurden die Untersuchungen am Majdatepa, am rechten Ufer des Urgul-Saj, fortgesetzt (s. auch AA 2006/2, 319–321). Der gewachsene Boden war nur in manchen Teilen der Grabungsfläche zu erreichen. Es konnten weitere Architekturschichten der Jaz I-Zeit freigelegt werden, so daß nun insgesamt fünf (Um-)Bauphasen dokumentiert sind. Die Architektur ist durchgehend planmäßig angelegt, wobei insbesondere komplex strukturierte Feuerstellen eine Neuheit darstellen (Abb. 61). Sie bestehen aus erhöhten Plattformen mit zentraler Brandfläche, die in der Mitte eine ca. 15 cm tiefe Mulde aufweisen. Auf einer Seite der Brandstelle liegt üblicherweise eine rechteckige Mulde, zumeist mit Lehmziegeln ausgekleidet, zur Aufnahme von Asche, während sich auf der gegenüberliegenden Seite eine sauber verputzte Mulde findet, deren Zweck noch ungeklärt ist. Im Repertoire der Keramik herrschen weiterhin die drei Hauptkategorien vor (1a. handgemachte Töpfe, Schalen, Dekkel und Miniaturgefäße, 1b. handgemachte Gefäße mit Bemalung [Abb. 62], 2. Drehscheibenware, 3. grobe handgemachte Kessel), wobei in den tieferen Schichten die Traditionen der älteren BMAC (Baktro-Margiana Archäologischer Komplex) Periode deutlicher werden. Fragmente von noch ungebrannten Gefäßen weisen auf eine lokale Produktion in unmittelbarer Nähe hin. Bronzeobjekte und Steinartefakte gehören zum Inventar. Da der Gazimullahtepa durch Tonentnahme und Mülldeponierung in seinem Bestand stark gefährdet ist (gegenüber den 1970er Jahren ist nur noch ein Drittel des Hügels erhalten), wurde hier eine Kontrollgrabung durchgeführt, um die Ergebnisse der alten Sondagen zu vervollständigen. Vier bis fünf Siedlungsphasen der klassischen Achämenidenzeit mit gut erhaltener und typischer Keramik (Abb. 63) konnten bestätigt und Proben (Zoologie, Botanik) zur Rekonstruktion der Wirtschaftsweise entnommen werden. Der Kindyktepa wurde großflächig geöffnet, um eine Übersicht über den vermuteten Repräsentationsbau zu erhalten. Die Außenmauer ist 2,80 m dick und umschließt einen großen Zentralraum von mindestens 15 m × 7,50 m Innenfläche, mit einem daneben liegenden schmalen Raum (Breite 2 m). Letzterer enthält auch größere Gruben, die eventuell der Vorratshaltung dienten. Insgesamt lassen sich zwei Bauphasen feststellen, die beide in die späte Achämenidenzeit datieren (4. Jh. v. Chr.). Zerstörungsspuren und Funde von menschlichen Knochen weisen auf ein gewaltsames Ende des Baus hin. Am Jalangtuštepa konnte in einer Sondage außerhalb der oberirdisch zu erkennenden Festung der klassischen Kušan-Zeit noch eine vorhergehende 252 Jahresbericht 2006 des DAI Befestigungsanlage der älteren Kušan-Zeit nachgewiesen werden, deren Mauer noch in einer Höhe von rund 2 m erhalten ist. Der Besiedlungsbeginn an dieser Stelle reicht jedoch bis in graeco-baktrische Zeit zurück. Der gewachsene Boden wurde in einer Tiefe von 5,50 m erreicht. Neben stempelverzierter Keramik und wenigen Eisenfragmenten stammen interessante Tonfiguren der Kušan-Zeit von diesem Platz (Abb. 64). Einige, allerdings schlecht erhaltene Buntmetallmünzen sind als Streufunde aufgenommen worden. Kooperationspartner: O´zbekistan Badiiy Akademiyasi. San´atshunoslik Ilmiy-Tadqiqot Instituti/Academy of Sciences of Uzbekistan, Fine Arts Scientific Research Institute, Taškent; Madaniyat va san´atni qo´llab-quvvatlash jamg´armasi »Boysun«/The Culture and Art Support Fund »Boysun«, Taškent • Leitung des Projekts: N. Boroffka, L. Sverčkov • Mitarbeiter: M. Teufer, N. Narzikulov, A. Gorin, V. Mokroborobov • Abbildungsnachweis: DAI, Eurasien-Abteilung, N. Boroffka (Abb. 60–64). Liushui (VR China) Archäologie im Kunlun-Gebirge hat in China immer außergewöhnliche Bedeutung. Für die Daoisten lag dort der mythische Paradiesgarten mit den Pfirsichen der Unsterblichkeit und für die Buddhisten war er das Zentrum der Welt, der Berg Sumeru. Der Jade (Nephrit) aus den Flüssen des Kunlun sprach man schon vor mehr als zweitausend Jahren lebensverlängernde Wirkung zu und Jadeschmuck aus der Oase Khotan ist bis heute berühmt und begehrt. Auf der Suche nach prähistorischen Nephritabbauplätzen fanden chinesische Archäologen Bestattungsplätze am Oberlauf des Keriya-Flusses (Abb. 65). Sie legten in drei Kampagnen (2003–2005) eine Gruppe von 52 Gräbern frei (Abb. 66) und deutsche Wissenschaftler beteiligen sich seit 2005 an der Untersuchung und Auswertung der Funde sowie der Publikation der Ergebnisse. Damit gelang zum ersten Mal der archäologische Nachweis für eine Besiedlung des Kunlun-Gebirges bis auf eine Höhe um 3000 m ü NN zwischen dem 10. und 8. Jh. v. Chr. Die Bestattungen sind kulturhistorisch aus mehreren Gründen aufschlußreich. Erstens entspricht die Anlage des Gräberfeldes und der Grabbau mit oberirdischen Steinkreisen, Ringmauern oder flachen Steinhügeln (Abb. 67. 68) den im Tian Shan und Altaj dokumentierten Abb. 64 Bandixon, Provinz Surchandar´ja (Uzbekistan). Tonfiguren der Kušan-Zeit (Jahrhunderte um die Zeitenwende) vom Jalangtuštepa (verschiedene Maßstäbe) Abb. 65 Liushui (VR China), Lage des Gräberfeldes (36°14’41.9’’ N, 81°43’23.0’’ O, 2850 m ü NN) südlich der Wüste Taklamakan im Kunlun-Gebirge. Die dunklen Flächen zeigen die Gletscher über 4700 m ü NN an (M. 1 : 2 500 000) Eurasien-Abteilung 253 Liushui (VR China) Abb. 66 Blick auf die Ausgrabung nach einer Teilfreilegung, die Gräber waren mit 4–6 m Löß bedeckt Abb. 67 Grab Nr. 46, Bestattung von vier Personen in einer Schicht Abb. 68 Kreismauer über Grab Nr. 55 (Dm 400–480 cm) 66 67 Abb. 69 Liushui (VR China), ausgewählte Bronzefunde. Zweiflüglige Pfeilspitzen mit einem Seitendorn, Trense und Messer 68 Bestattungsplätzen, nicht aber dem zeitgleichen und vor allem näher gelegenen Grabbau in den Oasen am Fuß der Kunlun-Berge im Übergangsbereich zur Wüste. Es hat den Anschein, als seien bestimmte Formen des Grabbaus an bestimmte Höhenstufen gebunden. Die Vegetation der heißen Wüste im Tarim-Becken wird in der Höhenzone zwischen 1200–3000 m ü NN von Pflanzengemeinschaften der Warm- und Kaltsteppe abgelöst und bietet damit die Möglichkeit saisonaler Nutzung durch Viehherden. Zweitens gehören die Formen des Pferdezaumzeugs und der Messer zum Spektrum, das in weiten Teilen Eurasiens, einschließlich Nordchinas, in dieser Zeit verbreitet war. Zweiflüglige Pfeilspitzen mit Schafttülle und einem Seitendorn sind allerdings erstmalig auf dem Territorium Chinas gefunden worden (Abb. 69). Sie sind aus den angrenzenden Gebieten Kazachstans und Südsibiriens bekannt und haben als ›skythische‹ Pfeilspitzen Mesopotamien und Kleinasien erreicht. In diesem Projekt ist zum ersten Mal überhaupt die Verwendung von Zinnbronzen vor ca. 3000 Jahren im Kunlun-Gebirge analytisch nachgewiesen worden. Soweit wir heute auf der Grundlage weniger Analysen von gleichaltrigen Proben aus Ostxinjiang und der östlich angrenzenden Provinz Gansu beurteilen können, besteht ein markanter Unterschied 254 Jahresbericht 2006 des DAI zwischen diesen Gebieten und Liushui in der Verwendung von Arsenkupfer dort und der Abwesenheit von Arsenkupfer in Liushui. Das könnte ein Hinweis auf getrennte Produktionskreise sein, dem wir in den nächsten Studien nachgehen werden. Drittens finden die Keramikgefäße keine Parallelen im näheren oder auch weiteren Umfeld Xinjiangs. Für die abdruckverzierten Liushui-Keramiken (Abb. 70) erscheinen nächste Analogien erst im Inventar der Kamennyj Log-Kultur, ca. 10.–8. Jh. v. Chr., am mittleren Enisej und der Bol´šaja Rečka-Kultur, 9.–7. Jh. v. Chr., im Gebiet des oberen Ob. Insbesondere innerhalb der Bol´šaja Rečka-Kultur finden sich auch bei Waffen- und Ausrüstungsteilen viele Typen aus Liushui wieder. Damit sprechen nach erster Durchsicht viele Anzeichen für einen – wenn auch erstaunlichen und heute noch nicht erklärbaren – Bezug von Liushui zu den Gruppen weit im Norden über den Altaj hinaus. Paläopathologische Studien am Knochenmaterial von Liushui geben Auskunft über besondere körperliche Beanspruchung, Ernährungsweisen, Verletzungen und Erkrankungen der Bestatteten. In Ermangelung zugehöriger Siedlungen ist das momentan der am besten geeignete Weg, etwas über ihren Lebensstil zu erfahren. Erste Ergebnisse weisen auf ein Leben als von frühem Kindesalter an reitende Viehhirten hin. Die metallurgischen und paläopathologisch-anthropologischen Untersuchungen werden fortgesetzt. Kooperationspartner: Archäologisches Institut der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften (Wu X. H.); University of Science and Technology Peking (J. J. Mei); Zentrum für Anthropologie der Universität Göttingen (M. Schmidt) • Förderung: BMBF • Leitung des Projekts: M. Wagner • Mitarbeiter: A. Aisha, J. Görsdorf, P. Tarasov, T. Schmidt-Schultz • Abbildungsnachweis: P. Tarasov (Abb. 65); Wu X. H. (Abb. 66); A. Aisha (Abb. 67. 68); M. Wagner, Wu X. H. (Abb. 69. 70). Wissenschaftliche Veranstaltungen Vorträge 16. Januar Reinhard Bernbeck (Binghamton), Neue Forschungen zur Vorgeschichte der Provinz Fars, Iranxxx19. Januar Maja Kašuba (Chişin‡u), Um 1000 v. Chr. im Nordpontikum. Ägäische und südostalpine Perspektiven 20. März Tetiana Kopieva-Kolotuchina (Simferopol), Die frühe Stufe der Katakombengrabkultur auf der Krimxxx21. März Vitalij Alexandrovič Kolotuchin (Simferopol), Die Spätbronzezeit auf der Krimxxx2. November Michail Ljubičev (Charkov), Die Černjachov-Kultur in der Ostukraine nach neuen Untersuchungen bei Vojtenkixxx23. November Leonid Sverčkov (Taškent) – Nikolaus Boroffka (Berlin), Grabungen um Bandixon, Süduzbekistan. Am 26. Oktober wurde die 1. Thomsen-Vorlesung gehalten: Margarita Primas, Innovationstransfer vor 5000 Jahren: Knotenpunkte an Land- und Wasserwegen zwischen Vorderasien und Mitteleuropa. Workshops Am 26. Mai fand in Berlin der interdisziplinäre Workshop »Produktionszentren archaischer und klassischer Keramik« statt (in Zusammenarbeit mit dem Institut für Klassische Archäologie und dem Interdisziplinären Zentrum Alte Welt der Freien Universität Berlin, Organisation: Martin Langner, Udo Schlotzhauer). Am 30. Oktober wurden im Workshop »The Cultural Landscape Persepolis Pasargadae« die Ergebnisse interdisziplinärer Forschungen im Rahmen Abb. 70 Liushui (VR China), ausgewählte Keramikfunde mit Ritz- und Abdruckdekor Eurasien-Abteilung 255 des Sivand-Stausee Rettungsprojekts vorgestellt (Organisation: Barbara Helwing). Tagung Vom 1. bis 3. Juni fand in Berlin das internationale Symposium »Von Majkop bis Trialeti – Gewinnung und Verbreitung von Metallen und Obsidian in Kaukasien im 4.–2. Jt. v. Chr.« statt (Organisation: Ingo Motzenbäcker in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Bergbau-Museum und dem Lehrstuhl für Ur- und Frühgeschichte der Universität Tübingen). In 28 Vorträgen äußerten sich Archäologen und Naturwissenschaftler aus 8 Ländern zu Fragen der frühen Metallurgie. Die Veranstaltung wurde durch Mittel der Volkswagenstiftung gefördert und von Frau Rahemipour organisatorisch begleitet. Öffentlichkeitsarbeit Frau Wagner schrieb einen Artikel für die Zeitung »China Daily«. Frau Helwing wurde für die Zeitschrift »Abenteuer Archäologie« interviewt, am 9. Juli gab sie dem Deutschlandradio in der Sendung »Kultur Heute« ein Interview zur Gefährdung des UNESCO Weltkulturerbes in Pasargardae. Sie gab mehrere Interviews für persische und deutsche Medien in Zusammenhang mit den Rettungsgrabungen in Darre-ye BolŒghi. In Kislovodsk wurden während der Kampagne 2006 zwei Interviews mit Vertretern von regionalen Zeitungen geführt. In einer Pressekonferenz im Museum von Kislovodsk wurden die Ergebnisse der diesjährigen Kampagne am 4. November der lokalen Öffentlichkeit vorgestellt. Weiter waren zwei Mal lokale Fernsehteams vor Ort und es erschienen Berichte in den lokalen Sendern. Veröffentlichungen Eurasia Antiqua 11, 2005 Archäologie in Eurasien 21: M.Wagner, Neolithikum und Frühe Bronzezeit in Nordchina vor 8000 bis 3500 Jahren. Die Nordöstliche Tiefebene (Südteil) Außenstelle Teheran Anläßlich der Winckelmann-Feier am 9. Dezember hielt Lorenz Korn in der Residenz des deutschen Botschafters, Herbert Honsowitz, einen Festvortrag mit dem Titel »Dome Chambers of the Saljuq Period. A Multi-Facetted Phenomenon of Islamic Art in Iran«. Es fanden mehrere Führungen durch das Sivand-Stauseegebiet und die Grabungen in Darre-ye BolŒghi statt, zunächst am 23. Februar für die Teilnehmer des »International Symposium on the Archaeological Rescue Excavations in Tang-e Bolaghi«, am 20. April für die Kulturreferentin der Deutschen Botschaft Teheran, am 11. Mai für Peter Pfälzner und eine Gruppe von Archäologiestudenten und -doktoranden der Universität Tübingen, und am 19. Mai für Francesco Bandarin, Direktor des UNESCO World Heritage Center. Personelle Gliederung 2006 des Deutschen Archäologischen Instituts Präsident Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hermann Parzinger Generalsekretär PD Dr. Ortwin Dally, Vertreter des Präsidenten Leiterin des Architekturreferats Dr.-Ing. Ulrike Wulf-Rheidt Leiter der Verwaltung Hartmut Gerlach Wissenschaftliche Mitarbeiter Dr. des. Peter Baumeister, Prof. Dr. Norbert Benecke, Dr. Uta Dirschedl, Dr. Jochen Görsdorf, Prof. Dr. Hans Rupprecht Goette, Dr. Joachim Heiden, Dr. Karl-Uwe Heußner, Dr.-Ing. Catharine Hof (bis 10. 3.), Rainer Komp, M. A., Dr. Monika Linder (ab 1. 7.), Dr. Susanne Moraw (ab 1. 6.), Dr. Anatoli Nagler, Dr. rer. nat. Reinder Neef, Dr. Felix Schäfer (ab 15. 9.), Dr. Florian Seiler, Dr. des.-Ing. Peter Schneider (ab 1. 2.), Dr. Simone Wolf Wissenschaftliche Hilfskräfte Jessica Böttcher-Ebers, M. A. (bis 30. 6.), Dipl.-Ing. Janet Haberkorn (ab 1. 4.), Veronica Hinterhuber, M. A. (ab. 1. 9.), Dipl.-Ing. Birgit Nennstiel, Dipl.-Ing. Jens Pflug (ab 1. 7.), Henny Piezonka, M. A., Ulrich Sens, M. A., Jennifer Wilde, M. A., Dipl.-Ing. Claudia Winterstein Aus Drittmitteln finanzierte Stellen Dr. Ulrich Mania (DFG), Dr. Andreas Oettel (DFG, ab 1. 6.), Hauke Ziemssen, M. A. (DFG, ab 18. 9.) Mitglieder der Zentraldirektion Der Präsident (Vorsitzender) Borbein, Adolf H., Prof. Dr. Dr. h.c. Freie Universität, Institut für Klassische Archäologie, Otto-von-Simson-Straße 11, D-14195 Berlin (Stellvertreter im Vorsitz) Bergmann, Marianne, Prof. Dr. Universität, Archäologisches Institut, Nikolausberger Weg 15, D-37073 Göttingen Buchner, Edmund, Prof. Dr. Präsident i. R., Nadistr. 14, D-80809 München (ohne Votum) Daim, Falko, Prof. Dr. Generaldirektor, Römisch-Germanisches Zentralmuseum, Ernst-Ludwig-Platz 2, D-55116 Mainz Dally, Ortwin, PD Dr. DAI, Zentrale, Podbielskiallee 69–71, D-14195 Berlin Präsident • Zentrale Podbielskiallee 69–71, D-14195 Berlin Tel.: +49-(0)1888-7711-0 Telefax: +49-(0)1888-7711-168/190/191 E-Mail: info@dainst.de Personelle Gliederung 2006 des DAI 257 Dreyer, Günter, Prof. Dr. DAI, Abteilung Kairo, 31, Abu el-Feda, ET-11211 Kairo-Zamalek Eichmann, Ricardo, Prof. Dr. DAI, Orient-Abteilung, Podbielskiallee 69–71, D-14195 Berlin Fless, Friederike, Prof. Dr. Freie Universität, Institut für Klassische Archäologie, Otto-von-Simson-Str. 11 und 7, D-14195 Berlin Gehrke, Hans-Joachim, Prof. Dr. Universität, Seminar für Alte Geschichte, Werthmannplatz, D-79098 Freiburg Grolig, Wilfried, MD Auswärtiges Amt, Leiter der Kultur- und Bildungsabteilung, Werderscher Markt 1, D-10117 Berlin Hansen, Svend, Prof. Dr. DAI, Eurasien-Abteilung, Im Dol 2–6, Haus II, D-14195 Berlin Hölscher, Tonio, Prof. Dr. Universität, Institut für Klassische Archäologie, Marstallhof 4, D-69117 Heidelberg Käppel, Lutz, Prof. Dr. Universität, Institut für Klassische Altertumskunde, Leibnizstr. 8, D-24118 Kiel Koenigs, Wolf, Prof. Dr.-Ing. Technische Universität, Baugeschichte und Bauforschung, Arcisstr. 21, D-80290 München Krämer, Werner, Prof. Dr. Präsident i. R., Antonius-Heim, Idsteiner Str. 111, App. 609, D-65193 Wiesbaden (ohne Votum) Kyrieleis, Helmut, Prof. Dr. Dr. h.c. Präsident i. R., c/o DAI, Podbielskiallee 69–71, D-14195 Berlin (ohne Votum) Maran, Joseph, Prof. Dr. Universität, Institut für Ur- und Frühgeschichte und Vorderasiatische Archäologie, Marstallhof 4, D-69117 Heidelberg Martini, Wolfram, Prof. Dr. Universität, Professur für Klassische Archäologie, Otto-Behaghel-Str. 10 D, D-35394 Gießen Marzoli, Dirce, PD Dr. DAI, Abteilung Madrid, Serrano 159, E-28002 Madrid Maul, Stefan, Prof. Dr. Universität, Seminar für Sprachen und Kulturen des Vorderen Orients – Assyriologie, Hauptstr. 126, D-69117 Heidelberg Hesberg, Henner von, Prof. Dr. DAI, Abteilung Rom,Via Sardegna, 79, I-00187 Rom Nielsen, Inge, Prof. Dr. Universität, Archäologisches Institut, Johnsallee 35, D-20148 Hamburg Niemeier, Wolf-Dietrich, Prof. Dr. Dr. h.c. DAI, Abteilung Athen, Fidiou 1, GR-10678 Athen Pirson, Felix, PD Dr. DAI, Abteilung Istanbul, Gümüşsuyu/Ayazpaşa Camii Sok. 46, TR-34437 Istanbul Lüth, Friedrich, Dr. Römisch-Germanische Kommission des DAI, Palmengartenstr. 10–12, D-60325 Frankfurt a. M. Schuler, Christof, Prof. Dr. Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik des DAI, Amalienstr. 73b, D-80799 München Strube, Christine, Prof. Dr. Universität, Archäologisches Institut, Marstallhof 4, D-69117 Heidelberg Vogt, Burkhard, Dr. Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen des DAI, Endenicher Str. 41, D-53115 Bonn Wildung, Dietrich, Prof. Dr. Ägyptisches Museum und Papyrussammlung der Staatlichen Museen zu Berlin PK, Bodestr. 1–3, 10178 D- Berlin Zimmermann, Konrad, Prof. Dr. Universität, Institut für Altertumswissenschaften, Universitätsplatz 1, D-18055 Rostock 258 Personelle Gliederung 2006 des DAI Direktoren Prof. Dr.-Ing. Dieter Mertens, Erster Direktor (bis 30. 6.) Prof. Dr. Henner von Hesberg, Erster Direktor (ab 1. 11.) Prof. Dr. Klaus Stefan Freyberger, Wiss. Direktor Wissenschaftliche Mitarbeiter Dr.-Ing. Heinz-Jürgen Beste, Dr. Sylvia Diebner, Dr. Olaf Dräger, Dr. Thomas Fröhlich, Dr. Sophie Helas, PD Dr. Richard Neudecker Abteilung Rom Via Sardegna, 79, I-00187 Rom Tel.: +39-06-488 81 41 Telefax: +39-06-488 49 73 Telegramm: DAINST 00187 Roma E-Mail: sekretariat@rom.dainst.org Auslandsstipendiaten Dr. David Knipp (ab 1. 11.), Dr. Kerstin Hofmann (ab 1. 11.) Wissenschaftliche Hilfskräfte Kristine Iara, M. A., Katharina Meinecke, M. A. (ab 27. 11.), Anke Seifert, M. A. (bis 31. 10.), Kay Witzer, M. A. (bis 30. 11.) Aus Drittmitteln finanzierte Stellen Nadin Burkhardt, M. A. (GHS), Dipl-Ing. Christine Ertel (DFG), Martin Köder, M. A. (GHS), Johannes Lipps, M. A. (DAAD), Dr. Marina Sclafani (GHS), Dr. Andreas Thomsen (GHS), PD Dr.-Ing. Markus Wolf (DFG) Direktoren Prof. Dr. Dr. h.c. Wolf-Dietrich Niemeier, Erster Direktor PD Dr. Reinhard Senff, Wiss. Direktor Wissenschaftliche Mitarbeiter Dr. Ivonne Kaiser, Dr. Kostas Kopanias (ab 1. 9.), Dr. Michael Krumme, Dr. Astrid Lindenlauf (bis 31. 8.), Dr. Jutta Stroszeck Auslandsstipendiat Dr.-Ing. Nils Hellner (ab 1. 6.) Wissenschaftliche Hilfskräfte Susanne Bocher, M. A., Dr. Dimitris Grigoropoulos (ab 1. 2.), Katrin Heyken, M. A., Birgit Konnemann, M. A. (bis 30. 4.), Oliver Pilz, M. A., Laura Rizzotto, M. A. (ab 22. 5.), Melissa Vetters, M. A. (bis 31. 3.), Ulrich Thaler, M. A. (ab 1. 4.) Abteilung Athen Fidiou 1, GR-106 78 Athen Tel.: +30-210-330 74 00 Telefax: +30-210-381 47 62 Telegramm: DAINST ATHEN E-Mail: allgref@athen.dainst.org Personelle Gliederung 2006 des DAI 259 Römisch-Germanische Kommission Haus I: Palmengartenstraße 10–12, D-60325 Frankfurt a. M. Tel.: +49-(0)69-97 58 18-0 Telefax: +49-(0)69-97 58 18-38; +49-(0)69-97 58 18-40 (Direktion) E-Mail: info@rgk.dainst.de Haus II: Arndtstr, 21, D-60325 Frankfurt a. M. Tel.: +49-(0)69-75 61 07-0 Telefax: +49-(0)69-75 61 07-20 Forschungsstelle Ingolstadt Jesuitenstr. 3, D-85049 Ingolstadt Tel.: +49-(0)841-931 14 04 Telefax: +49-(0)841-931 14 28 E-Mail: ingolstadt@rgk.dainst.de Direktoren Prof. Dr. Siegmar von Schnurbein, Erster Direktor (bis 31. 10.) Dr. Friedrich Lüth, Erster Direktor (ab 1. 11.) Dr. Susanne Sievers, Wiss. Direktorin Wissenschaftliche Mitarbeiter Katharina Becker, M. A. (Frankfurt) (ab 1. 10.), Dr. Uta von Freeden (Frankfurt), Prof. Dr. sc. Eike Gringmuth-Dallmer (Berlin), Dr. Claus-Michael Hüssen (Ingolstadt), Dr. Gabriele Rasbach (Frankfurt), Dr. Knut Rassmann (Frankfurt), Dr. Karl-Friedrich Rittershofer (Frankfurt), Dr. Gerda Sommer von Bülow (Frankfurt), Dr. Astrid Stobbe (Frankfurt) (ab 1. 10.), Dr. Thorsten Westphal (Frankfurt) (ab 1. 6.) Wissenschaftliche Hilfskräfte Michèle Eller, M. A. (Ingolstadt) (ab 15. 9.), Annette Lennartz, M. A. (Frankfurt), Natascha Mehler, M. A. (Ingolstadt) (bis 26. 6.), Kerstin Schierhold, M. A. (Frankfurt), Nina Schücker, M. A. (Frankfurt), Juliane Stadler, M. A. (Frankfurt) Aus Drittmitteln finanzierte Stellen Dr. Holger Baitinger (Frankfurt) (DFG), Dr. Armin Becker (Frankfurt) (DFG), Ruth Beusing, M. A. (Frankfurt) (EU, ab. 15. 11.), Dr. Markus Helfert (Frankfurt) (DFG), Dr. Alexandru Popa (Frankfurt) (DFG), Dr. Axel Posluschny (Frankfurt) (DFG), Dr. Britta Ramminger (Frankfurt) (DFG, bis 31. 10.), Gerald Rühl, M. A. (Frankfurt) (DFG), Thomas Schierl, M. A. (Frankfurt) (DFG), Dr. Hans-Ulrich Voß (Schwerin) (DFG) Mitglieder der Kommission Die Direktoren Der Präsident Grolig, Wilfried, MD Auswärtiges Amt, Leiter der Kultur- und Bildungsabteilung, Werderscher Markt 1, D-10117 Berlin Roth, Petra, Dr. Die Oberbürgermeisterin der Stadt Frankfurt am Main Römerberg 23, D-60311 Frankfurt a. M. Daim, Falko, Prof. Dr. Generaldirektor, Römisch-Germanisches Zentralmuseum, Ernst-Ludwig-Platz 2, D-55116 Mainz Bertemes, François, Prof. Dr. Universität, Institut für Prähistorische Archäologie, Brandbergweg 23, D-06120 Halle/Saale Carnap-Bornheim, Claus von, Prof. Dr. Direktor, Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen, Archäologisches Landesmuseum, Schloß Gottorf, D-24837 Schleswig Conard, Nicholas, Prof. Dr. Universität, Institut für Ur- und Frühgeschichte, Schloß Hohentübingen, D-72070 Tübingen Ettel, Peter, Prof. Dr. Universität, Bereich Ur- und Frühgeschichte, Löbdergraben 24 a, D-07743 Jena Isenberg, Gabriele, Dr. Direktorin, Westfälisches Museum für Archäologie, Rothenburg 30, D-48143 Münster Kaenel, Hans-Markus von, Prof. Dr. Universität, Institut für Archäologische Wissenschaften Abt. II, Archäologie und Geschichte der römischen Provinzen sowie Hilfswissenschaften der Altertumskunde, Grüneburgplatz 1, D-60329 Frankfurt a. M. Krämer, Werner, Prof. Dr. Präsident i. R., Antonius-Heim, Idsteiner Str. 111, App. 609, D-65193 Wiesbaden (ohne Votum) Maier, Ferdinand, Prof. Dr. Erster Direktor i. R., Justus-Liebig-Str. 8, D-64720 Michelstadt/Odw. (ohne Votum) Planck, Dieter, Prof. Dr. Präsident, Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, Berliner Str. 12, D- 73728 Esslingen a. N. 260 Personelle Gliederung 2006 des DAI Schallmayer, Egon, Prof. Dr. Direktor, Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Abt. Archäologische und Paläontologische Denkmalpflege, Schloß, Ostflügel, D-65203 Wiesbaden-Biebrich Wamser, Ludwig, Prof. Dr. Direktor, Archäologische Staatssammlung, Museum für Vor- und Frühgeschichte, Postfach 22 00 28, D-80535 München Wetzel, Günter, Dr. Vorsitzender, Mittel- und Ostdeutscher Verband für Altertumsforschung, Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum, Wünsdorfer Platz 5, D-15838 Wünsdorf Willroth, Karl-Heinz, Prof. Dr. Universität, Seminar für Ur- und Frühgeschichte, Nikolausberger Weg 15, D-37073 Göttingen Zimmermann, Andreas, Prof. Dr. Universität, Seminar für Ur- und Frühgeschichte, Albertus-Magnus-Platz 1, D-50931 Köln Zimmermann, Wolf Haio, Dr. Direktor, Niedersächsisches Institut für historische Küstenforschung, Viktoriastr. 26/28, D-26382 Wilhelmshaven Direktoren Prof. Dr. Günter Dreyer, Erster Direktor PD Dr. Daniel Polz, Wiss. Direktor Wissenschaftliche Mitarbeiter Dr. des. Ulrike Fauerbach (ab 16. 10.), Dr. Ulrich Hartung, Dr. Klaus-Peter Kuhlmann (bis 30. 6.), Dr. Dietrich Raue Abteilung Kairo 31, Sharia Abu el-Feda, ET-11211 KairoZamalek Tel.: +20-(0)2-735 14 60, 735 23 21 Telefax: +20-(0)2-737 07 70 E-Mail: sekretariat@kairo.dainst.org Auslandsstipendiat Dr. Ralph Bodenstein (ab 1. 12.) Wissenschaftliche Hilfskraft Nicole Kehrer, M. A. Aus Drittmitteln finanzierte Stelle Dipl.-Ing. Claudia Lacher (16. 2. bis 15. 4.) Direktoren Prof. Dr.-Ing. Adolf Hoffmann, Erster Direktor (bis 30. 4.) PD Dr. Felix Pirson, Erster Direktor (ab 1. 5.) PD Dr. Felix Pirson, Wiss. Direktor (bis 1. 5.) Dr.-Ing. Martin Bachmann, Wiss. Direktor (ab 1. 6.) Wissenschaftliche Mitarbeiter Dr.-Ing. Martin Bachmann (bis 31. 5.), Dr. Philipp Niewöhner (ab 10. 11.), Dr. Richard Posamentir, Dr. Andreas Schachner, Dr. Jürgen Seeher Abteilung Istanbul Gümüşsuyu/Ayazpaşa Camii Sok. 46 TR-34437 İstanbul Tel.: +90-(0)212-252 34 90, 244 07 14 Telefax: +90-(0)212-252 34 91, 251 37 21 Telegramm: DEUTSCHINSTITUT Istanbul E-Mail: sekretariat@istanbul.dainst.org Personelle Gliederung 2006 des DAI 261 Wissenschaftliche Hilfskräfte Dipl.-Ing. Janet Haberkorn (bis 31. 3.), Işıl Işıklıkaya, M. A. (ab 1. 3.), Ute Kelp, M. A., Dipl.-Ing. Dominik Lorentzen, (bis 30. 4.), Dipl.-Ing. Timm Radt (bis 30. 6.), Torsten Zimmer, M. A. Aus Drittmitteln finanzierte Stelle Dr. Ulf-Dietrich Schoop (DFG) Abteilung Madrid Serrano 159, E-28002 Madrid Tel.: +34-(91) 561 09 04 Telefax : +34-(91) 564 00 54 E-Mail: sekretariat@madrid.dainst.org Direktoren PD Dr. Dirce Marzoli, Erste Direktorin PD Dr. Thomas G. Schattner, Wiss. Direktor Wissenschaftliche Mitarbeiter Dr.-Ing. Felix Arnold, Dr. Christoph Eger (bis 30.4.), PD Dr. Michael Kunst, PD Dr. Dirk P. Mielke (ab 29.8.) Wissenschaftliche Hilfskräfte Beate Brühlmann, M. A. (ab 1.4.), Nina Lutz, M. A. (15.10.) Aus Drittmitteln finanzierte Stellen PD Dr. Th. X. Schuhmacher (DFG), Dr. Gert Goldenberg (DFG) Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik Amalienstr. 73b, D-80799 München Tel.: +49-(0)89-28 67 67-60 Telefax: +49-(0)89-28 67 67-80 E-Mail: info@aek.dainst.de Direktoren PD Dr. Christof Schuler, Erster Direktor PD Dr. Rudolf Haensch, Wiss. Direktor Wissenschaftliche Mitarbeiter Dr. Hans Roland Baldus, PD Dr. Helmut Müller, Prof. Dr. Johannes Nollé, Dr. Armin U. Stylow (bis 31. 8.), Dr. Claudia Kreuzsaler (ab 1. 9.), Dr. Peter Rothenhöfer (ab 1. 12.) Wissenschaftliche Hilfskräfte Mag. phil. Roland Färber (ab 1. 12.), Dr. Jörg Daumer (bis 31. 7.), Simone Killen, M. A., Katja Kröss, M. A. (ab 1. 4.), Nele Schröder, M. A. (ab 1. 7.) Aus Drittmitteln finanzierte Stelle Dr. des. Andreas V. Walser (DFG, ab 1. 7.) Mitglieder der Kommission Die Direktoren Der Präsident Grolig, Wilfried, MD Auswärtiges Amt, Leiter der Kultur- und Bildungsabteilung, Werderscher Markt 1, D-10117 Berlin Buchner, Edmund, Prof. Dr. Präsident i. R., Nadistr. 14, D-80809 München (ohne Votum) 262 Personelle Gliederung 2006 des DAI Deininger, Jürgen, Prof. Dr. Universität, Seminar für Alte Geschichte,Von-Melle-Park 6, D-20146 Hamburg Dietz, Karlheinz, Prof. Dr. Universität, Lehrstuhl für Alte Geschichte, Residenzplatz 2 A, D-97070 Würzburg Eck, Werner, Prof. Dr. Universität, Institut für Altertumskunde – Alte Geschichte, Albertus-Magnus-Platz, D-50923 Köln Errington, R. Malcolm, Prof. Dr. Universität, Seminar für Alte Geschichte, Wilhelm-Röpke-Str. 6 C, D-35032 Marburg Funke, Peter, Prof. Dr. Universität, Seminar für Alte Geschichte, Domplatz 20–22, D-48143 Münster Jehne, Martin, Prof. Dr. Technische Universität, Lehrstuhl für Alte Geschichte, Mommsenstr. 13, D-01069 Dresden Rebenich, Stefan, Prof. Dr. Universität, Historisches Institut, Unitobler, Länggasstr. 49, CH-3012 Bern Schmitz, Winfried, Prof. Dr. Universität, Philosophische Fakultät, Seminar für Alte Geschichte, Am Hof 1e, D-53113 Bonn Weiß, Peter, Prof. Dr. Universität, Institut für Klassische Altertumskunde, Leibnitzstr. 8, D-24098 Kiel Zimmermann, Martin, Prof. Dr. Universität, Abt. Alte Geschichte, Historisches Seminar, Geschwister-Scholl-Platz 1, D-80539 München Direktoren Prof. Dr. Ricardo Eichmann, Erster Direktor Dr. Margarete van Ess, Wiss. Direktorin Wissenschaftliche Mitarbeiter Dr. Claudia Bührig, PD Dr. Klaus Schmidt Orient-Abteilung Podbielskiallee 69–71, D-14195 Berlin Tel.: +49-(0)1888-7711-0 Telefax: +49-(0)1888-7711-189 E-Mail: orient@dainst.de Wissenschaftliche Hilfskräfte Matthias Kolbe, M. A., Miriam Kühn, M. A. (ab 1. 1.) Aus Drittmitteln finanzierte Stellen Dr. des. Claudia Beuger (DFG), Dr. des. Adje Both (DFG, 1. 5. bis 31. 12.), Anja Dreiser (DFG, ab 1. 10.), Bettina Genz, M. A. (DFG), Dr. Thomas Götzelt (DFG), Dr. Arnulf Hausleiter (DFG), Jan Krumnow (DFG, ab 1. 11.), Florian Klimscha, M. A. (DFG), Dr. Bernd Liesen (DFG, ab 20. 8.), Kristina Pfeiffer, M. A. (DFG, bis 12. 12.), Dipl.-Ing. Ulrike Siegel (DFG, ab 1. 2.), Jürgen Schreiber, M. A. (DFG), Judith Thomalsky, M. A. (DFG), Holger Wienholz (DFG, ab 15. 8.) Zur Zeit nicht besetzt, daher vorübergehende Postadresse wie nebenstehend. Außenstelle Baghdad Podbielskiallee 69–71, D-14195 Berlin Tel.: +49-(0)1888-7711-0 Telefax: +49-(0)1888-7711-189 E-Mail: orient@dainst.de Personelle Gliederung 2006 des DAI 263 Außenstelle Damaskus 8, Malki Street, POB 11870, Damaskus/Syrien Tel : +963-(0)11-374 98 12-0, 374 98 13-0 Telefax: +963-(0)11-374 98 12-9, 374 98 13-9 E-Mail : sekretariat@damaskus.dainst.org Außenstelle Sana’a Leiterin PD Dr. Karin Bartl Wissenschaftlicher Mitarbeiter Dr. Markus Gschwind Wissenschaftliche Hilfskräfte Verena Daiber, M. A. (28. 2. bis 15.12.), Dr. des. Matthias Grawehr (ab 1. 9.), Dörte Rokitta, M. A. (ab 1. 7.) Leiterin Dr. Iris Gerlach German Institute of Archaeology c/o Embassy of the Federal Republic of Germany POB 2562, Sana’a/Republik Jemen Tel.: +967-(0)1-21 84 74 Telefax: +967-(0)1-20 32 26 E-Mail: dai.sanaa@y.net.ye Auslandsstipendiatin Dr. Sarah Japp Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen, Bonn Direktoren Dr. Burkhard Vogt, Erster Direktor Dr. Josef Eiwanger, Wiss. Direktor Endenicher Str. 41, D-53115 Bonn Tel.: +49-(0)1888-7712-0 Telefax: +49-(0)1888-7712-49 E-Mail: info@kaak.dainst.de Wissenschaftliche Mitarbeiter Prof. Dr. Hans-Georg Hüttel, Dr. Heiko Prümers, Dr. Markus Reindel, Dr. Andreas Reinecke, Dr. Hans Joachim Weisshaar Fortbildungsstipendiatin Dr. Renate Heckendorf-Salih (ab 1. 5.) Wissenschaftliche Hilfskräfte Carolina Hohmann, M. A. (ab 1. 8.), Denise Kupferschmidt, M. A. (ab 1. 8.) Aus Drittmitteln finanzierte Stellen Christina Franken, M. A. (DFG), Niels Hecht, M. A. (BMBF), Dr. Karsten Lambers (BMBF), Susanne Schlegel, M. A. (BMBF), Nicolaus Seefeld (DFG, ab 1. 11.) Mitglieder der Kommission Die Direktoren Der Präsident Grolig, Wilfried, MD Auswärtiges Amt, Leiter der Kultur- und Bildungsabteilung, Werderscher Markt 1, D-10117 Berlin Bemmann, Jan, Prof. Dr. Universität, Institut für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie, Regina-Pacis-Weg 7, D-53113 Bonn Breunig, Peter, Prof. Dr. Universität, Seminar für Vor- und Frühgeschichte, Archäologie Afrikas, Postfach 11 19 32, D-60054 Frankfurt a. M. 264 Personelle Gliederung 2006 des DAI Daim, Falko, Prof. Dr. Generaldirektor, Römisch-Germanisches Zentralmuseum, Ernst-Ludwig-Platz 2, D-55116 Mainz Fischer, Eberhard, Dr. Generalsekretär, Schweizerisch-Liechtensteinische Stiftung für Archäologische Forschungen im Ausland, Museum Rietberg, Gablerstr. 15, CH-8002 Zürich Nikolai Grube, Prof. Dr. Universität, Institut für Altamerikanistik und Ethnologie, Römerstr. 164, D-53117 Bonn Höllmann, Thomas O., Prof. Dr. Universität, Institut für Ostasienkunde, Sinologie, Kaulbachstr. 51 A, D-80539 München Kaulicke, Peter, Dr. Universität, Departamento de Humanidades, Apartado 1761, PE-100 Lima Mielsch, Harald, Prof. Dr. Universität, Archäologisches Institut, Am Hofgarten 21, D-53113 Bonn Müller-Karpe, Hermann, Prof. Dr. Erster Direktor i. R., Am Limperichsberg 30, D-53639 Königswinter (ohne Votum) Reisch, Ludwig, Prof. Dr. Universität, Institut für Ur- und Frühgeschichte, Kochstr. 4 (18), D-91054 Erlangen Sack, Dorothée, Prof. Dr.-Ing. Technische Universität, Fakultät VII - Architektur. Umwelt. Gesellschaft, Fachgebiet Historische Bauforschung, Straße des 17. Juni 152, D-10623 Berlin Schier, Wolfram, Prof. Dr. Universität, Institut für Prähistorische Archäologie (Ur- und Frühgeschichte), Altensteinstr. 15, D-14195 Berlin Stöllner, Thomas Robert, Prof. Dr. Deutsches Bergbau-Museum, Fachbereich Montanarchäologie, Herner Str. 45, D-44787 Bochum Wagner, Günther, Prof. Dr. Forschungsstelle Archäometrie der Heidelberger Akademie der Wissenschaften am Max-Planck-Institut für Kernphysik, Saupfercheckweg 1, D-69117 Heidelberg Direktoren Prof. Dr. Svend Hansen, Erster Direktor PD Dr. Mayke Wagner, Wiss. Direktorin Wissenschaftliche Mitarbeiter Dr. Barbara Helwing, Dr. Ingo Motzenbäcker, Dr. Udo Schlotzhauer, Dr. Erdmute Schultze Fortbildungsstipendiat Dr. Mike Teufer (ab 1. 12.) Wissenschaftliche Hilfskräfte Ellen Kühnelt, M. A., Katrin Bastert-Lamprichs, M. A. (ab 15. 7.) Aus Drittmittteln finanzierte Stellen Dr. Ute Franke-Vogt (AA, DFG), Dr. Raiko Krauß (DFG), Stephanie Langer, M. A. (DFG, bis 15. 12.), Dr. Gunvor Lindström (DFG, ab 1. 10.), Dr. Agathe Reingruber (DFG), Dr. Sabine Reinhold (DFG, ab 15. 9.) Freier Mitarbeiter Dr. Nikolaus Boroffka (Projekt Bandixon) Eurasien-Abteilung Im Dol 2–6, D-14195 Berlin Tel.: +49-(0)1888-7711-311 Telefax: +49-(0)1888-7711-313 E-Mail: eurasien@dainst.de