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Zwischen den Stilen Aspekte der musikalischen Ästhetik Frank Zappas im Spiegel seiner Eigenbearbeitungen Wissenschaftliche Hausarbeit zum ersten Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien Prüfer: Dr.Heinz Geuen Vorgelegt von Martin Kniß (geb.Langer) Kassel, den 9.12.1999 m.kniss@gmx.de 2 What do you feel are your greatest weaknesses? Frank Zappa: I just can't do normal stuff. 3 Inhaltsverzeichnis 1 EINLEITUNG ................................................................................ 6 2 DIE MUSIKALISCHE ENTWICKLUNG ZAPPAS ......................... 8 2.1 Zappa als Jugendlicher......................................................................... 8 2.2 Die ersten Kompositionsversuche ....................................................... 9 2.3 Zappas Musikstudien .......................................................................... 11 2.4 Zappas Band: The Mothers of Invention ......................................... 12 2.5 Filme über die Mothers of Invention ................................................ 15 2.6 London Symphony Orchestra und Ensemble Intercontemporain 16 2.7 Zappas letzte Rocktournee ................................................................. 17 2.8 Das Yellow Shark Projekt .................................................................. 18 2.9 Kritiken ................................................................................................ 20 2.10 Musikalische Vorlieben Zappas ..................................................... 22 3 DIE MUSIKALISCHE ÄSTHETIK FRANK ZAPPAS ................... 25 3.1 Konzeptionelle Kontinuität ................................................................ 25 3.2 Musikalische Ästhetik ........................................................................ 30 3.2.1 Musik dient allein der Unterhaltung ...................................................................... 32 3.2.2 Über Experimente zur Komposition ....................................................................... 33 3.2.3 Schock als ästhetisches Prinzip .............................................................................. 34 3.3 Stilistische Merkmale.......................................................................... 35 3.3.1 Xenochrony, Dissonanz und Rhythmus ................................................................. 35 3.3.2 Metrik ..................................................................................................................... 38 3.3.3 Melodie ................................................................................................................... 39 3.3.4 Funktionentheorie ................................................................................................... 40 3.3.5 Does Humor Belong In Music? ............................................................................. 41 3.3.6 Klang und Kultur .................................................................................................... 41 3.4 Synclavier versus Orchester .............................................................. 43 3.5 Zappas Komponieren mit Musikern ................................................. 46 4 ZWISCHEN DEN STILEN - METAMORPHOSEN DREIER STÜCKE ....................................................................................... 50 4.1 Das Stück Pound for a Brown ........................................................... 52 4.1.1 Analyse des Stücks ................................................................................................ 52 Das Intro ....................................................................................................................................................53 Das Ostinato ...............................................................................................................................................53 Das Thema .................................................................................................................................................54 Die Überleitung..........................................................................................................................................55 Der Mittelteil..............................................................................................................................................56 Wiederholung des Themas .........................................................................................................................56 Der Schluss ................................................................................................................................................56 4.1.2 Die einzelnen Versionen von Pound for a Brown ................................................. 57 Frühe, extravagante Rockmusik: Ahead of their Times, 1968 ...................................................................58 Klangexperimente: Uncle Meat 1969 ........................................................................................................59 Psychedelischer Einfluss: Tengo Na´ Minchia Tanta 1971 ........................................................................61 Synthetische Klänge: Zappa in New York 1977 ........................................................................................62 Big Band – Unisono: The Godfather In Full Metal Jacket 1988 ................................................................63 Frank Zappa und das Ensemble Modern: The Yellow Shark, 1992 ...........................................................65 4.1.3 Zusammenfassung .................................................................................................. 66 4.2 Das Stück Dupree’s Paradise ............................................................. 68 4.2.1 Formaler Aufbau von Dupree’s Paradise ............................................................. 69 4.2.2 Analyse der Formteile............................................................................................. 69 Das Intro ....................................................................................................................................................69 Teil A .........................................................................................................................................................70 Teil B .........................................................................................................................................................70 Teil C .........................................................................................................................................................71 4.2.3 Die einzelnen Versionen von Dupree’s Paradise ................................................... 71 Dupree’s Paradise als früher Jazzrock .......................................................................................................71 4.2.4 Modifikation für Boulez: The Perfect Stranger, 1984 ............................................ 72 Frank Zappa: Make A Jazz Noise Here, 1988 ...........................................................................................76 4.2.5 Zusammenfassung .................................................................................................. 77 4.3 Das Stück Strictly Genteel ................................................................ 79 4.3.1 Musikalische Persiflage: 200 Motels ..................................................................... 79 4.3.2 Orchestraler Rock: Orchestral Favorites ............................................................... 81 4.3.3 You can’t do that on Stage anymore VI, 1981 ....................................................... 81 4.3.4 Strictly Genteel goes Classic: London Symphony Orchestra Vol. II ..................... 82 4.3.5 Make a Jazz Noise here und Scherade Part 2 - Dortmund, 1988 ........................... 83 4.3.6 Zusammenfassung .................................................................................................. 83 5 SCHLUSSBETRACHTUNG ....................................................... 85 6 LITERATUR................................................................................ 87 7 ANHANG MIT ANHANGVERZEICHNIS ..................................... 89 1 Einleitung Die Musik Frank Zappas gibt es in den verschiedensten stilistischen Ausprägungen, denn er greift in seinen Werken unterschiedliche Strömungen der Neuen Musik und der Rockmusik auf. Er ist Mitbegründer des Jazzrock und komponierte Werke für klassische Ensembles und Orchester. Einige seiner Werke existieren in unterschiedlichsten Versionen, d.h. dass ein und dasselbe Stück in den verschiedenen Fassungen stilistisch völlig anders geartet ist. Die vorliegende Arbeit geht einerseits der Frage nach, welche ästhetischen Grundsätze Zappas Kompositionen zugrunde liegen, und andererseits ob und wenn ja, welche Veränderungen jeweils zu unterschiedlicher Einordnung desselben musikalischen Materials führen. Sie gliedert sich in drei Hauptkapitel: Das erste Hauptkapitel der Arbeit (Kapitel 2) schildert den musikspezifischen Lebenslauf Zappas. Zappa sieht sich Zeit seines Lebens als Komponist. Um diese Sichtweise nachzuvollziehen, zeichnet der Lebenslauf die Entwicklung Zappas anhand seines Engagements in Neuer Musik nach. In diesem Zusammenhang werden verschiedene Projekte geschildert, mit denen Zappa seinen Anspruch, Komponist zeitgenössischer Musik zu sein, untermauert. Einige neuere Kritiken seiner Musik verdeutlichen, wie Musiker, Komponisten und Musikwissenschaftler seine Arbeit beurteilen. Zappas Kommentare zu verschiedenen Musikern und Musikstilen vertiefen seine Einstellung zur Musik. Im zweiten Hauptkapitel (Kapitel 3) wird Zappas Proklamation einer Konzeptionellen Kontinuität seines Schaffens dargestellt und analysiert. Des weiteren werden musikästhetische und stilistische Merkmale aufgezeigt, die seine Eigenbearbeitungen charakterisieren. Zudem behandelt das Kapitel Zappas wechselnde Beziehungen zu Symphonieorchestern im Gegensatz zu künstlichen Klangerzeugern, sowie Zappas Art, seine Kompositionen und das Komponieren mit seinen Musikern abzustimmen. Im dritten Hauptkapitel (Kapitel 4) werden drei Stücke betrachtet und damit Zappas Fähigkeit, seine Stücke in unterschiedliche stilistische Zusammenhänge zu stellen, verdeutlicht. Am Anfang steht das Stück Pound for a Brown, das als eine der ältesten Kompositionen Zappas von allen seinen Bands und zuletzt vom Frankfurter Ensemble Modern unter seiner Leitung gespielt wurde. Es wird anfangs genauer analysiert und sodann in sieben ausgewählten Versionen vorgestellt. Das zweite Stück, Dupree’s Paradise, kann in den ursprünglichen Versionen dem Jazzrock zugeordnet werden und wurde in einer Bearbeitung vom Ensemble Intercontemporain unter der Leitung von PIERRE BOULEZ aufgeführt. Zwei weitere Fassungen werden betrachtet, die von einer Rockband mit Synthesizern bzw. Bläsern eingespielt wurden. Das dritte Stück, Strictly Genteel, wird in Versionen mit großem Orchester, Rockbands und in der ursprünglichen Version mit einer Kombination aus beiden Klanggruppen beschrieben. 2 Die musikalische Entwicklung Zappas Im Sinne eines musikspezifischen Lebenslaufes wird im folgenden Abschnitt das Leben Frank Zappas betrachtet. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf seiner Arbeit und seinem Interesse an Klassischer und Neuer Musik. 2.1 Zappa als Jugendlicher Frank Vincent Zappa wird am 21. Dezember 1940 in Baltimore/Maryland geboren. Sein Vater ist in der Rüstungsindustrie beschäftigt und bekleidet außerdem eine Stellung an der Universität von Chapel Hill/North Carolina. Frank hat drei Geschwister. Er selbst bezeichnet seine Kindheit als langweilig, da er aufgrund häufiger Ortswechsel seiner Familie nur wenige Freunde hat. In der Schule gilt er als Sonderling und Unruhestifter.1 Er genießt keine besondere musikalische Erziehung, sondern kommt vor allem durch das Radio und Schallplatten mit ihren Hüllentexten in Kontakt mit Musik. Im Radio wird zu seiner Zeit häufig schwarzer Rhythm & Blues gespielt, für den Zappa eine besondere Vorliebe entwickelt. Er kauft sich Singles (45 U.p.M.), die für sein Taschengeld noch erschwinglich sind oder steckt gelegentlich eine dieser Platten unter seine Jacke, was zu seinem Bedauern bei den großen 33er Schallplatten mit KlassikAufnahmen nicht möglich ist.2 Mit 14 ruiniert er mit Schlagzeugstöcken die Möbel seiner Familie, bis er eine Trommel (Snare Drum) bekommt. Mit 16 beginnt er autodidaktisch Gitarre zu lernen, u.a. deswegen, weil er die Soli in den Songs der Zeit als zu kurz empfindet. Kurze Zeit später entwickelt sich seine Leidenschaft für VARÈSE3. Von dem Bild VARÈSES auf einer Schallplattenhülle fasziniert, will er unbedingt von diesem Musiker eine Platte haben. Varèse sieht nach dem Eindruck Zappas aus wie ein typischer, verrückter Wissenschaftler aus einem Horrorfilm. Besonders attraktiv wird die Schallplatte für Zappa dadurch, dass sie als unverkäuflich gilt, da auf ihr nur getrommelt werde und dies nach der herrschenden Meinung dissonant bzw. schrecklich klinge. Es 1 Gray, Michael: Die Frank Zappa Story. Aus dem Engl. von Michael Kubiak. - 1. Aufl. - Köln 1994, S. 22 f. 2 “Did you have to pay for those yourself?” ”Well, I got a little allowance, and I saved my allowance up, and then I could buy them, because they were too big to steal. If Stockhausen had been on 45s!” In: Menn, Don/Groening, Matt: The Mother of All Interviews: Part 1. http://www.catalog.com/mrm/zappa/html/zarticles.html (Internetzugang: 5.12.1999) 1992 3 Edgard Varèse (1883-1965), Komponist soll aber noch einige Monate dauern, bis Zappa in einem größeren Plattenladen die Schallplatte als Demonstrationsobjekt findet und von seinem Taschengeld erwerben kann. Es handelt sich um eine Aufnahme von VARÈSES Ionisation.4 Zappa ist in erster Linie von der Fremdheit dieser Musik beeindruckt und ihrer abschreckenden Wirkung auf andere - eine für den jungen Zappa typische Einstellung. MILES bemerkt 1970 in einem Aufsatz: Als Frank anfing, Musik zu studieren, begann er mit einer Lektüre von Counterpoint, Strict and Free von H. A. Clarke (Philadelphia 1929). Auf der zweiten Seite stand: ‚Schreiben sie niemals diese Tonfolgen...’ Frank spielte sie nach und sagte ‚Toll!’ - und las nicht mehr weiter. 5 Diese kleine Anekdote wirft ein bezeichnendes Licht auf die rebellischen Attitüden des jungen Zappa, seine Ablehnung von Normen. Gleichzeitig zeigt sich Zappas Besessenheit von der Musik, denn immerhin macht er sich im vergleichsweise jungem Alter die Mühe, sich mit Counterpoint, Strict and Free auseinander zu setzen. Neben Rhythm & Blues entwickelt sich, mit VARÈSES Stück Ionisation, Zappas zweite musikalische Leidenschaft – die für Neue Musik. Es mag seltsam erscheinen, dass Zappa einerseits für die melodisch und harmonisch ausgeglichene Musik der 50er Jahre („Doo Wop“-Musik und Rhythm & Blues) schwärmte, aber andererseits die Neue Musik des Jahrhunderts liebte. Zappa erklärt dies in seiner Autobiografie folgendermaßen: Da ich keine formelle Ausbildung hatte, machte es für mich keinen Unterschied, ob ich nun Lightnin’ Slim oder eine Vocalband namens The Jewels oder Webern oder Varèse oder Strawinsky hörte. Für mich war das alles gute Musik [im Orginal fett; d. Verf].6 2.2 Die ersten Kompositionsversuche Zunehmend entwickelt Zappa Interesse daran, selbst Neue Musik zu schreiben. Dies jedoch nicht ausschließlich deshalb, weil er sie gerne hören will, sondern weil es ihm Spaß macht, Noten auf Papier zu bringen. Es gefällt ihm vor allem, wie das beschriebene Notenpapier hinterher aussieht. In my earliest experience I was doing a lot of drawing, sketching, painting, and 4 Zappa, Frank/Occhigrosso, Peter: The Real Frank Zappa Book. Pan Books London 1989 (Titel der deutschen Ausgabe: I am the American dream. Aus dem Amerikanischen von Thomas Ziegler. Goldmann, München 1991, S. 34 5 Miles, Barry zitiert nach: Gray, Michael: Die Frank Zappa Story. S. 25 6 Zappa, Frank/Occhigrosso, Peter: I am the American Dream. S. 37 that kind of stuff. And I was interested in art, and I always liked the way music looked. And I liked to listen to music, but when I started writing it, I just basically started doing it because I liked the way it looked. Menn/Groening: When did you first start writing notes down on paper? [Fragen im folgenden fett; d Verf.] Around 14, I think. 7 Drei bis vier Jahre später entdeckt er die Zwölftonmusik und bemerkt dazu: Oh, great. Now all I have to do is keep all 12 notes in order and there's no problem, and you don't even have to worry about what it sounds like, because the intrinsic value is determined arithmetically by how nicely you've manipulated all these 12 notes and making sure you don't hear note number 1 until number 12 gets its turn.8 Zappa hat zunächst keine Möglichkeit, seine Musik aufführen zu lassen. Als er die Chance bekommt, seine eigene zwölftonigen Kompositionen zu hören, bezeichnet er sie als schrecklich und beendet derartige Kompositionen. Zappa komponiert bis zu seinem 20. Lebensjahr ausschließlich Kammer- oder Orchestermusik. Erst später beginnt er mit Rockkompositionen bzw. Stücken für seine spätere Band Mothers of Invention (MOI). Zappa wird nicht müde, in Interviews darauf hinzuweisen, dass er anfangs nur für „klassische“ Instrumente komponierte. Er sah sich Zeit seines Lebens eher als Komponist denn als Rockmusiker.9 Um 1962/63 findet das erste Konzert von Zappas klassischer Musik statt. Er ist zu der Zeit für das Fach Kunst in der Highschool eingeschrieben. Wie bei allen seinen klassischen Konzerten bis in die 80er Jahre hinein muss er die Musiker selbst bezahlen; sein erstes Konzert ist jedoch nach seiner Einschätzung mit insgesamt 300 Dollar spottbillig. Es handelt sich um ein Werk namens Opus 5, das – wie auch andere Kompositionen aus dieser Zeit – von Stockhausen und Boulez beeinflusst sind.10 Opus 5 ist eine aleatorische Komposition mit einen gewissen Anteil an Improvisationen, die teilweise graphisch notiert sind. Im Hintergrund erklingt an einigen Stellen vom Tonband elektronische Musik. Gleichzeitig wird ein 8mm-Film gezeigt, den Zappa selbst zuvor 7 Menn, Don/Groening, Matt: The Mother of All Interviews: Part 1. ebenda 9 So formulierte es auch Ali Asken in der Radiosendung: Klassik Zappa - Eine Collage von Michael Rüsenberg und Hans Ulrich Werner. WDR Studio für Klangdesign. 10 “I didn't write any rock and roll stuff until I was in my 20s. All the music writing that I was doing was either chamber music or orchestral, and none of it ever got played until this concert at Mount St. Mary's. (1962)” ”And did it sound like music is supposed to sound?” “Oh, no. It was all oddball, textured weirdo stuff.” ”Varèse wasn't doing that stuff. Who was influencing you at that time?” “By that time, I had already heard Stockhausen. I had already heard Boulez. And so my musical education came from vinyl and large 12-inch-square things that you could actually read on the back. And some of these 8 präparierte.11 Für diesen Film hat Zappa die Emulsion vom Filmstreifen herunter gekratzt und ihn selbst gemalt. Dies ist seine Art von Missachtung der Konventionen, außerdem aber Neugierde über Materialverarbeitung; sie charakterisieren seine Haltung gegenüber „Sound“-Aufnahmen.12 Die Musik klingt anders als Zappa erwartet hat. Er gesteht sich ein, dass er seine Komposition nicht mit seinem inneren Ohr wirklichkeitsnah hören kann. Zur gleichen Zeit spielt Zappa in einer Fernseh-Show ein „Fahrrad-Konzert“, indem er [...] die Speichen zupft und in die Lenkstange bläst.13 Dieses Konzert kann als Vorläufer seiner dadaistischen Ästhetik angesehen werden, mit der er versucht, die fragwürdig gewordene, bürgerliche Kultur lächerlich zu machen und deren Grenzen zu sprengen. Zappas Ziel ist es, mit derartigen Auftritten seine Medienpräsenz zu verstärken.14 1959 komponiert Zappa die Musik zu dem „Low-Budget“ Western Run Home Slow, jedoch bekommt er erst bei seiner nächsten Filmmusik zu dem Film The World’s Greatest Sinner (1961) die Möglichkeit, eine seiner Kompositionen von einem Orchester spielen zu lassen. Der Film wird in den Kinos gezeigt, und Zappa wird für seine Arbeit bezahlt. Von diesem Geld kauft sich Zappa ein kleines Aufnahmestudio in Cugamonga (Kalifornien). 2.3 Zappas Musikstudien Einige Autoren behaupten, Zappa habe Kontrapunkt und Harmonielehre nicht studiert, Zappa selbst gibt aber in seiner Biographie an, dass er Übungen aus einem zeitgenössischen Musiklehrbuch praktiziert habe, um herauszufinden, was er für verabscheuungswürdig hält, um es in Zukunft zu vermeiden.15 Zudem zählt er in einem Interview auf, bei welchen LehrerInnen er Harmonielehre und Kompositionskurse albums had useful liner notes.” In: Menn, Don/Groening, Matt: The Mother of All Interviews: Part 1. Vgl.: Ruhlmann, William: Frank Zappa: The present day composer. In: The Frank Zappa Companion: Four decades of commentary. Edited by Richard Konstelanetz, Schirmer Books, New York, 1997, S. 14 12 Vgl.: Watson, Ben: Frank Zappa as Dadaist: Recording Technology and the Power to Repeat. (1996), In: The Frank Zappa Companion: Four decades of commentary. S. 152 13 Vgl.: Ruhlmann, William: Frank Zappa: The present day composer. S 14 14 Vgl.: Gray, Michael: Die Frank Zappa Story. S. 37 15 Vgl.: Zappa, Frank/Occhigrosso, Peter: I am the American dream. S. 210 11 besucht hat und in welchen Ensembles er (als Schlagzeuger) tätig war.16 In manchen Interviews äußert er sich abfällig über die klassische Kontrapunktlehre. Sie widerstrebt ihm allein schon deswegen, weil sie etwas mit Regeln zu tun hat. Er will seinen Verstand mit so etwas nicht „verschmutzen“, da er mit Kompositionen nach der klassischen Kontrapunktlehre niemals Erfolg haben würde.17 Die unklaren Äußerungen in Bezug auf seine akademische musikwissenschaftliche Ausbildung sind sicherlich Teil seiner Selbstdarstellung. Ebenso diffus sind Zappas Datierungen seiner ersten Rock-Band. In vielen Interviews gibt er an, erst mit 20 Jahren in einer Rockband gespielt zu haben. GRAY jedoch schreibt, bereits mit 14 spielte Zappa Schlagzeug in der Rhythm & Blues Band Ramblers.18 Es folgt Zappas Mitgliedschaft in mehreren kurzlebigen Gruppen, die z.T. unter seiner Leitung stehen. Oft handelt es sich um Cocktail-Bar Musik. 2.4 Zappas Band: The Mothers of Invention 1964 tritt Zappa der Band The Soul Giants bei, die sich zum Muttertag 1964 in The Mothers umbenennt. Die Band steht unter Zappas Leitung. Im Gegensatz zu anderen Bands der Zeit, die sich dem Covern (nachspielen) von Beatles und Beach Boys-Songs verschrieben haben, entwickelt die Band einen Stil, der ihnen in der Öffentlichkeit den Ruf No Commercial Potential einbringt, was soviel bedeutet, dass mit ihrer Musik nicht viel Geld eingespielt werden könne. Die Mothers sind mit der „Freak“–Szene in Los Angeles verwachsen, eine kulturelle Gegenbewegung zu der Hippie–Szene in San Francisco. Volker Rebell beschreibt ihren Stil der Band folgendermaßen: Die kaprizierten sich unter Zappas Regie auf das andere Extrem – und wie extrem. Das Bizarre, Skurrile, Hässliche, Ausgeflippte wurde ihr 16 Meine formale musikalische Ausbildung bestand aus einem besonderen Kurs in Harmonielehre, an dem ich während meines letzten Highschool - Jahres teilnehmen durfte (ich musste rüber aus den Campus in Mr. Russells Zimmer sitzen), aus einem weiteren Harmonielehrekurs (für den man auch Klavier üben musste) bei Miss Holly am Chaffrey Junior College in Alta Loma, Kalifornien, und schließlich einem Kompositionskurs am Pomona College, der von Mr. Kohn unterrichtet wurde und in den ich mich immer hineingeschlichen habe, um zuzuhören. Außerdem habe ich in der Schule Schlagzeug für Band und Orchester in Ensembles unter der Leitung von Mr. Miller, Mr. Killop, Mr. Minor, Mr. Kavelmann und Mr. Ballard gespielt. Alles andere habe ich gelernt, indem ich Platten gehört und in verschiedenen kleinen Band in Kneipen und Cocktailbars gespielt habe, meistens in irgendwelchen Kleinstädten. Außerdem habe ich viel Zeit in der Bibliothek verbracht. 1981 Miles (Hrsg.): Frank Zappa In eigenen Worten. Heidelberg: Palmyra, 1996, S. 26 17 “No, I never studied counterpoint. I could never understand it. I hated anything with rules, except for 12-tone, because it was so simple-minded …And I kept wondering why should I pollute my mind with this shit, because if I ever got good at it, I'd be out of business.” In: Menn, Don: The Mother of All Interviews: Part 1. 18 Vgl.: Gray, Michael: Die Frank Zappa Story. S. 25 Markenzeichen. Schockhabitus, Provokationsinhalte und garstiges Äußeres waren die Markenzeichen ihres Freak-Images.19 Trotzdem kann die Band bald einen Plattenvertrag unterschreiben. Zappa sagt in den 80er Jahren, dass es in den 60er Jahren einen guten Keimboden für Kreatives gegeben habe und vor allem die Plattenindustrie bereit gewesen sei, in Gruppen wie sie Mothers of Inverntion zu investieren. Heutzutage, in den 80er Jahren hätten sie als neue Künstler keine Chance auf einen Plattenvertrag gehabt.20 Die Band Zappas ist in ihrer Art einzigartig. In einer Pressemitteilung, die vermutlich von Zappa selbst verfasst worden ist, heißt es: Die Mothers [of Invention] haben neue Maßstäbe für die Aufführung von Musik gesetzt. In Puncto musikalischer Kompetenz, Bühnenperformance, formaler Konzeption und schierer Absurdität hat diese, eine hässliche Band der Musikindustrie bewiesen, dass elektronisch verstärkte Musik tatsächlich ein wirkungsvolles, künstlerisches Ausdrucksmittel sein kann. Die Mothers waren die erste elektrisch verstärkte Bigband. Sie führten verstärkte und/oder elektronisch manipulierte Holzblasinstrumente ein, [...] von der Pikkoloflöte bis zum Fagott. Sie waren die ersten, die das Wah-Wah-Pedal sowohl bei der Gitarre als auch bei Blasinstrumenten und elektronischen Keyboards verwendeten. Sie leisteten einen Teil der theoretischen Grundlagenarbeit, die sich auf die Bauweise vieler kommerziell produzierter musikalischer Effektgeräte auswirkte. Die Mothers konnten mit solch einer raffinierten Leichtigkeit in ausgefallenen Taktarten und wunderlichen harmonischen Zusammenhängen spielen, dass viele Zuhörer meinten, einen 4/4-Takt mit durchlaufendem Teenie-Backbeat zu hören. Durch Verfahren, die normalerweise mit der zeitgenössischen „Ernsten Musik“ assoziiert werden (ungewöhnliche Perkussionstechniken, elektronische Musik, der Einsatz von Klang in Blöcken, Linien, Flächen und Tonwolken), konnten die Mothers die Aufmerksamkeit einer großen Anzahl von Jugendlichen auf die Werke zeitgenössischer Komponisten lenken. Pressemitteilung, Herbst 1969 21 Auf der ersten Schallplatte Freak Out ist unter einer Liste mit Personen, die die Musik der Schallplatte beeinflusst haben, neben Varèse, Ravel, Haba, Kagel, Strawinsky, Ives und Nono auch Schönberg notiert. Die Mothers of Invention hätten, so Zappa, hier Schönbergs Entwurf der „Sprechstimme“, wie sie im Pierrot Lunaire auftaucht, verwandt. 22 WATSON beschreibt die Arbeit der Mothers als eine Verschmelzung von technischen 19 Rebell, Volker: Frank Zappa, Freak – Genius mit Frack – Habitus. In: Rock Session I, Magazin der populären Musik, hrsg. von Gülden/Humann, Hamburg 1977, S. 238 20 Vgl.: Ruhlmann, William: Frank Zappa: The present day composer. S. 6 21 Miles (Hrsg.): Frank Zappa - In eigenen Worten. S. 57 f. 22 Marschall, Bob: Interview mit Frank Zappa am 22.10.1988 und sozialen Verstößen und vergleicht diese mit dem Vorgehen der Avantgarde des frühen 20. Jahrhunderts – Futurismus, Dadaismus und Surrealismus.23 Die Musiker in Zappas Band sind darauf geschult, auf einen Wink von Zappa den Stil der Musik abrupt zu ändern oder bestimmte Einwürfe zu spielen. So entstehen während der Konzerte oft neue Stücke aus altem Material, die spontanen Kompositionen ähneln. Viele Jazz-Musiker greifen diese Idee später auf. Anfangs besteht die Band aus Amateurmusikern, bei der Aufnahme des Albums Uncle Meat stoßen jedoch die klassisch ausgebildeten Percussionisten ART TRIPP und RUTH KOMANOFF hinzu. Die Musiker in den späteren Bands Zappas müssen sich eingehenden Prüfungen unterziehen, bevor sie aufgenommen werden. Bei diesen Prüfungen gibt es bis zu 40 Prüflinge, die u.a. auf das Spiel schwieriger Stücke vom Blatt und das Nachspielen nach dem Gehör getestet werden. Für viele Musiker ist das Spielen in der Band Zappas das Sprungbrett für eine Karriere.24 Anfang der 70er Jahre ist Zappa einer der Innovatoren des Jazzrock. LUDWIG ordnet dieser Phase drei Alben zu, weist aber im gleichen Zeitraum sechs stilistisch davon abweichende Alben aus.25 Dies ist ein Beispiel dafür, dass das Einteilen von Zappas Werken in Phasen allenfalls eine Regel mit vielen Ausnahmen sein kann. Ende der 70er Jahre erscheinen zwei Alben mit orchestralem Rock und Jazz. In einem davon, Orchestral Favorites, ist ein Rock-Schlagzeug vertreten, und unter der Begleitung des Orchesters spielt Frank Zappa ein E-Gitarren-Solo zu einem Stück der zweiten LP (Duke of Prunes). Zappa entwickelt schon in den 60er Jahren eigene Vorstellungen von einem elektrisch verstärkten Orchester. Dabei werden die traditionellen Orchesterinstrumente mit typischen Rockinstrumenten kombiniert. Im Unterschied zu einem herkömmlichen Symphonieorchester soll es neben den elektrisch verstärkten Rockinstrumenten vor http://www.wins.uva.nl/~robbert/zappa/interviews/Bob_Marshall/index.html (Internetzugang: 8.12.1999) 23 Vgl.: Watson, Ben: Frank Zappa as Dadaist: Recording Technology and the Power to Repeat. S. 152 24 Scott Thunes (Bassist) wurde von Zappa fünf Tage in einem Hotel einquartiert um Mo And Herb’s Vacation (u.a.auf London Symphony Orchestra Vol.I) auswendig zu lernen. Angeblich brauchte er dazu 32 Stunden. Er bestand die Prüfung und spielte auf den Tourneen 1982, 1984 und 1988. Vgl. Gray, Michael: Die Frank Zappa Story. S. 191 Vgl. auch: Ludwig, Wolfgang: Untersuchungen zum musikalischen Schaffen von Frank Zappa. Frankfurt am Main, Lang, 1992, S. 144f 25 Vgl. Ludwig, Wolfgang: Untersuchungen zum musikalischen Schaffen von Frank Zappa. darin: Tabellarische Übersicht über Zappas Tonträgerproduktionen unter Berücksichtigung stilistischer Tendenzen u. Phasen, S. 209 allem ein größeres Schlaginstrumentarium, eine größere Anzahl von Tasteninstrumenten und von jeder Instrumentenfamilie mindestens ein Bassinstrument enthalten. Auf diese Weise will Zappa den Grundstock für eine möglichst vielfältige Klangkombinationen legen.26 1981 lädt Zappa NICOLAS SLONIMSKY (Komponist und Dirigent, 1894-1995) ein, eines seiner Stücke für Klavier auf einem von Zappas Rockkonzerten zu spielen. NICOLAS SLONIMSKY dirigierte die Uraufführung von Varèses Ionisation (1931), und Zappa ist daher sehr an einer Bekanntschaft mit ihm interessiert.27 Slonimsky schreibt über Zappa: Er ist ein bemerkenswerter Mann, vollkommen neu und vollkommen anders. Er ist ein Klassizist und ein Konstruktivist. Trotzdem, warum hätte er formale Harmonie oder Kontrapunkt kennen müssen, Webern hat doch auch kein Kontrapunktlehrbuch durchgearbeitet. Zappa würde sich bestens mit Schönberg verstehen, weil Schönberg sich nie von seiner Zwölftontechnik gelöst hat. Webern und Stockhausen hingegen haben solche Dinge komplett verworfen. Sie haben den Klang der Musikwelt völlig umgekehrt und damit letztlich so wenig erkennbar gemacht wie chinesische Musik. Zappa aber stellt musikalische Klänge zusammen und entwickelt etwas Neues, freilich ohne Zerstörung von Skalen und Intervallen.28 Im November 1983 bringt Zappa ein völlig andersartiges Album, The Francesco Zappa Album, heraus. Er entdeckt, dass im 18. Jahrhundert in Mailand der Namensvetter Francesco Zappa gelebt hatte. Zappa sucht in den Archiven nach Noten von ihm, bearbeitet seine Musik und bringt sie, am Synclavier29 mit allen Klängen eines Orchesters eingespielt, heraus.30 2.5 Filme über die Mothers of Invention Für die Produktion von Filmen arbeitet Zappa mit Orchestermusikern, von denen er die Preisgabe der Ernsthaftigkeit verlangt. Im Film Uncle Meat z. B. , der 1969 begonnen 26 Vgl. Ludwig, Wolfgang: Untersuchungen zum musikalischen Schaffen von Frank Zappa. S. 178 Vgl.: Slonimsky, Nicolas: I enter the age of absurdity (1988). In: The Frank Zappa Companion: Four decades of commentary. S. 237ff 28 Nicolas Slonimsky zitiert in der Radiosendung: Klassik Zappa - Eine Collage von Michael Rüsenberg und Hans Ulrich Werner. 29 zur Beschreibung des Synclavier siehe Kapitel 3.4 30 Also on November 21 came the Francesco Zappa album, his first digital recording in over 200 years. “He was a composer who flourished between 1766 and 1788," Zappa explained. "Nobody knows when he was born or when he died. He was a cello player from Milan and wrote mostly string trios. I found out about his music and located a bunch of it in the Berkeley Library and the Library of Congress. My assistant loaded it into the Synclavier and now we have a whole album of synthesized performances... It’s kind of happy, Italian-sounding music. It’s nice and real melodic. It’s interesting, too; he does a few strange things harmonically that seems to be slightly ahead of his time – a few little weird things. Basically, it’s typical of music of that period except it doesn’t sound typical when it comes out of the Synclavier." Ruhlmann, William: Frank Zappa: The present day composer. S. 38 27 und erst 1987 fertig gestellt wird, sind die Orchestermusiker im Gesicht bemalt und werden in ihrem Spiel durch dadaistische Einlagen der Mothers unterbrochen. United Artists bietet Zappa für einen Film über die Mothers of Invention ein Budget über 630.000 Dollar an. Zappa entscheidet, den Film in England zu drehen. Das Royal Philharmony Orchestra, das er für 1000 Pfund am Tag engagiert, gibt ihm die Möglichkeit, die auf Tournee komponierte Musik adäquat umzusetzen. Zudem spielt das Los Angeles Philharmony Orchestra 1970 unter ZUBIN METHA einige Aufnahmen ein, die später in dem Film 200 Motels verwendet werden. 200 Motels ist eine surrealistische Dokumentation der Erfahrung, auf Tournee zu sein.31 Die dadaistische Strategie des Films beeindruckt viele Filmkritiker. Zudem wird Zappas Fans eine Musik geboten, bei der sich Rock-Musik und orchestrale Klänge mit einer neuen grellen Intensität abwechseln. 32 Für WATSON ist der Film ein 60er Pop-Art -, oder Fluxus-Happening.33 Im Kapitel 4.3.1 Musikalische Persiflage: 200 Motels wird die Szene zu dem Titel Strictly Genteel beschrieben. 2.6 London Symphony Orchestra und Ensemble Intercontemporain Sein nächstes Werk mit orchestraler Beteiligung bedarf mehrerer Anläufe. Zappa will Kompositionen mit großem Orchester einspielen und nimmt Verhandlungen mit den Wiener Symphonikern und dem Residentie Orchestra (Den Haag) auf. Nachdem er schon 250.000 Dollar investiert hat, bricht er die Bemühungen ab, da das Projekt noch teurer zu werden droht.34 Schließlich - nach neuerlichem Anlauf - entstehen Aufnahmen mit dem London Symphony Orchestra, die als Vol. I (1983) und Vol. II (1987) herausgebracht werden. Frank Zappa gibt in seiner Biographie an, dass er sich der Arbeit mit Orchestern langsam annähern musste, denn er schreibt: [...] der Rest meiner Aktivitäten lässt sich viel trefflicher als Amateuranthropologe beschreiben. Wenn beispielsweise ein richtiger Anthropologe einen Stamm studiert, dann muss er die Schüssel mit den Würmern essen, das Grashemd anziehen und mitmachen. Genauso war für mich 31 Vgl.: Watson, Ben: The complete guide to the music of Frank Zappa. London, Omnibus, 1998. S. 43 32 ebenda, S. 43, 46 Watson, Ben: Frank Zappa as Dadaist: Recording Technology and the Power to Repeat. S. 179 34 Vgl: Kapitel “Orchesterblödheiten” in: Zappa, Frank/Occhigrosso, Peter: I am the American dream. Goldmann, München 1991, S. 165-170 33 die Arbeit mit einem Symphonieorchester.35 Das Album Jazz from Hell, ein fast reines Synclavier Album, das zwischen den beiden Alben des London Symphony Orchestra 1986 erscheint, wird als kalt und unmenschlich kritisiert. Daraufhin gibt Zappa ein Nachfolgealbum (Vol. II) heraus, zu dem er sagt, dass man an diesem Album das menschliche Element verdeutlicht sehen könne, da über 50 Aufnahmeschnitte nötig waren, um die Fehler der Bläsersektion in einem Stück von sieben Minuten auszugleichen.36 1984 erscheint das Album Boulez conducts Zappa - The Perfect Stranger. Von der Musik gibt es zunächst ein Konzert und einige Tage später eine Studio-Aufnahme. Zappa findet die Aufführung schlecht, da sie nicht ausreichend geprobt wurde. In einem Interview im Beisein BOULEZ’ erklärt Zappa darüber hinaus, dass er immer noch eine adäquate Aufführung seiner orchestralen Musik vermisse.37 Zappa hat BOULEZ, der die Musik der Mothers of Invention von Beginn an beeinflusste, Anfang der 80er Jahre Partituren für großes Orchester geschickt, die dieser aufgrund der Größe des Ensemble Intercontemporain ablehnt. Jedoch fordert er bei Zappa eine andere Besetzung an, was als eine besondere Wertschätzung BOULEZ’ für Zappa angesehen werden kann, da BOULEZ ansonsten Schwierigkeiten hat, Jazz und Rock als Musik anzuerkennen. 2.7 Zappas letzte Rocktournee 1988 geht Frank Zappa auf seine letzte Rock-Welt-Tournee. Elf Musiker begleiten ihn, die sich zu einer kleinen Big-Band Besetzung zusammenfügen: Drei Saxophone, Trompete, Posaune, Keyboard, Vibraphon/Marimbaphon, zwei Rhythmus-Gitarristen, E-Bass und Frank Zappa an der Gitarre. Die Band probt vier Monate an fünf Tagen in der Woche. Das Repertoire umfasst am Anfang der Tournee 130, vor allem ältere Stücke; während der Tournee werden es einige Stücke mehr. Vor jedem Konzert wird eine beliebige Auswahl zusammengestellt, um, so Zappa, seine Musiker während der langen Tournee nicht zu langweilen und bei Laune zu halten.38 Die Band bricht nach fünf Monaten Tournee wegen persönlicher Differenzen 35 Vgl.: Zappa, Frank/Occhigrosso, Peter: I am the American dream. Goldmann, München 1991, S. 161 36 37 38 Vgl.: Beiheft zur CD London Symphony Orchestra Vol I & II Radiosendung: Klassik Zappa - Eine Collage von Michael Rüsenberg und Hans Ulrich Werner. Vgl.: Klier, Robert: Conceptional Continuity – Entwicklungen und Besonderheiten der Musik auseinander. Die Tournee ist wie viele Unternehmen Zappas kommerziell nicht erfolgreich. Der frühe Abbruch hinterlässt Zappa $400.000 Schulden. Die Schulden entstehen vor allem aufgrund der langen Probenzeit und dem damit verbundenen Drang Zappas zur Perfektion. Diese Perfektion und der Stilreichtum veranlassen FISH und WATSON, eine der CDs der 88er Tournee (Make A Jazz Noise Here) folgendermaßen zu kritisieren: A musical blockbuster, allowing the 1988 horns to scratch out on music that sounds like an unholy alliance of sleaze jazz, free improvisation, avantgarde classical, knitting factory samplers and guitar mania. Walt Fowlers trumpet on the "Royal March" from Stravinsky’s Soldier’s Tale is astonishingly fleet. [...] Adorno noted that avantgarde is frequently tainted by being deprived of the technical excellence afforded to commercial ventures. Jazz Noise is an act of defiance to the poverty-program dealt more creative musicians. Mighty.39 Es ist unwahrscheinlich, dass es noch einmal Aufführungen wie die von der 88er Tournee in den Konzertsälen geben wird. Zappa wird dazu befragt: Maybe you should do a Frank Zappa band without Frank Zappa. Just send them out on the road to play your music. Well, there's been talk of doing that with this Zappa's Universe Project that was done in New York. They're trying to organize a tour of that, but it doesn't look like it's going very well, because there's no money behind it. You can't put a band together to go and play hard music without rehearsal, and nobody wants to rehearse without getting paid, so I doubt whether it's going to happen. Probably the Zappa's Universe Project is a one-shot deal. 40 Selbst wenn sich ein Leiter fände, der die Musiker zu derartigen Taten anspornen könnte, bräuchte es Sponsoren, die die lange Probenarbeit und das Risiko tragen würden. Zappa nimmt seit den 60er Jahren sämtliche Konzerte auf. Er veröffentlicht aus seinem umfangreichen Archiv sechs Doppel CDs mit Zusammenstellungen aus verschiedenen Live-Auftritten (You Can’t Do That On Stage Anymore, Vol 1-6). Zappas Bedürfnis, jede Aufnahme eines Konzertes zu einem Dokument einer realen Situation zu machen, kommt bei der zweiten CD dieser Reihe besonders zum Ausdruck. Hier ist ein vollständiges Konzert von 1974 fixiert, in dem eine bemerkenswert virtuose Wiedergabe von diffizilen Stücken prägend ist. In dieser Zeit existieren Stücke, in denen Frank Zappas. Examensarbeit, Kassel, 1990, S. 111 Fish, Mike/Watson, Ben: Frank Zappa on disc. In: The Frank Zappa companion : four decades of commentary. Edited by Richard Konstelanetz, Schirmer Books, New York, 1997, S. 146ff 40 Menn, Don/Groening, Matt: The Mother of All Interviews: Part 2.41 Vgl. Watson, Ben: The complete guide to the music of Frank Zappa. S. 86f. 39 ein Bandmitglied aufgefordert wird, ein High- School Diplom, das mit einer Turnsocke gestopft ist, zu rauchen, neben anderen, die Elemente Varèse, Dolphy, Nancarrow und dem Blues Gitarristen Johnny „Guitar“ Watson enthalten.41 Bis zu seinem Tode 1993 spielt Zappa nur noch einmal mit einer Rockband, und zwar in Prag, zum Abzug der sowjetischen Truppen - im Beisein seines Freundes Vaclav Havel. 2.8 Das Yellow Shark Projekt Die letzten öffentlichkeitswirksamen Arbeiten Zappas sind die zu dem Projekt The Yellow Shark mit dem Ensemble Modern. Die aus diesem Projekt entstandene CD stellt einen Meilenstein bezüglich Zappas Ambitionen zu moderner Musik dar. Einzelne Stücke der CD binden quasi Bögen über sein Leben, da sie in unterschiedlichen Phasen seines Lebens entstanden und hier mit einem anerkannten Ensemble für Neue Musik in ein neues Licht gerückt werden. 1991 gibt das Ensemble Modern mit Sitz in Frankfurt, ein in seiner Stammbesetzung 25 köpfiges, auf Neue Musik spezialisiertes Kammerorchester, ein Stück für das Frankfurt Festival 1992 bei Frank Zappa in Auftrag. Zappa ist begeistert von der Spielfreude, der Kreativität und der Flexibilität der MusikerInnen. Daher lädt er sie für zwei Wochen zu sich nach Los Angeles ein. Er sagt über das Ensemble Modern: And can they play! It's unbelievable. The musicians themselves desired to do this [Project Yellow Shark]. And so you know under those circumstances that, whatever you write, they're going to play the fuck out of it. So the next thing that happened was, I said let's construct the piece while you're here; why don't you come to Los Angeles for two weeks, and I'll rehearse with the group just like I would rehearse with a rock and roll band. And that's what happened: We did rehearsals, we recorded some improvisations, we did mass samples with the whole group and individual samples - things that never came out of notation in any textbook, things that you could never write down on paper.42 Aus dem einen in Auftrag gegebenen Stück wird ein abend- bzw. tonträgerfüllendes Programm - The Yellow Shark. Die Stücke stammen aus allen Phasen von Zappas Schaffen. Es befinden sich Neubearbeitungen von orchestralen Werken, sowie Rockund Synclavierstücken sowie einige neue Werke darunter. Zappa bezeichnet die Konzerte im Hinblick auf moderne Musik als ‚historisch’.43 Nach 41 42 43 Vgl. Watson, Ben: The complete guide to the music of Frank Zappa. S. 86f. Menn, Don/Groening, Matt: The Mother of All Interviews: Part 1. "Well, by modern music standards, this would be an astonishing maybe even historic, success," dem Konzert beschreibt er die Atmosphäre folgendermaßen: Stunned expressions on the faces of the musicians, the concert organizers, the managers, everybody sitting there with their jaws on the floor. They never expected anything like this.[…] I've never had such an accurate performance at any time for that kind of music that I do. […] The dedication of the group to playing it right and putting the 'eyebrows' on it (Zappa-ese for intuitive, spontaneous musical histrionics) is something that - it would take your breath away. You would have to have seen how gruelling the rehearsals were, and how meticulous the conductor, Peter Rundel, was in trying to get all the details of this stuff worked out [...]44 Von diesen Konzerten wird die CD The Yellow Shark produziert, die heute als Meilenstein in Zappas Karriere als Komponist moderner Musik gilt. Zappa soll gesagt haben, er wolle nach Frankfurt ziehen, um mit seiner „neuen Band“, dem Ensemble Modern, intensiv proben zu können. 2.9 Kritiken Die CD The Yellow Shark wird u.a. in einem Radio-Special intensiv diskutiert, in dem einige deutsche und amerikanische Komponisten und Musiker zu Wort kommen.45 Einige weitere Kritiken spiegeln die Beurteilung von Zappas Werken in der Musikwissenschaft wider und bieten außerdem eine Vorschau auf die Ästhetik bzw. Stilistik Zappas (Kapitel 3). ALI ASKIN, Komponist, Musiker und Arrangeur des Albums The Yellow Shark, tut sich schwer damit, die Zappas Kammermusik bzw. Orchestermusik Zappas von seiner Rockmusik zu trennen, da er Zappas Vorgehensweise beim komponieren kennt, nämlich bei beiden völlig unterschiedlichen Genres die gleichen Techniken zu verwenden. Aufgrund dessen nimmt Zappa - laut ASKIN - eine eigene Position in der Musikgeschichte des 20sten Jahrhunderts ein. Viele Werke besitzen einen eigenen Charakter und sind unverwechselbar mit Zappa verbunden.46 Gerade auf seinen letzten Platten bietet Zappa eine Welt von verschiedenen musikalischen Stilen, so JOHN NELSON vom Meridian Art Ensemble. Er hat Techniken Frank Zappa im Interview in der Los Angeles Times, 1.Oktober 1992 http://www.wins.uva.nl/~robbert/zappa/interviews/LA_Times.html (Internetzugang: 8.12.1999) 44 Frank Zappa im Interview in der Los Angeles Times. 45 Radiosendung: Klassik Zappa - Eine Collage von Michael Rüsenberg und Hans Ulrich Werner. 46 Ali Askin, In: Radiosendung: Klassik Zappa - Eine Collage von Michael Rüsenberg und Hans Ulrich Werner. von Strawinskys neo-klassizistischen Kompositionen eingesetzt, die aleatorischen Prinzipien von Cage, serielle Techniken, sowie Schönbergs Zwölftonsystem. Außerdem hat er Country und Western Stilistik, Jazz, Rap, Funk, Jazzrock, elektronische Musik, improvisierte Musik verarbeitet und kann sich in nahezu jedem Stil ausdrücken.47 Der Komponist HEINER GÖBBELS konstatiert, dass gerade die älteren Kompositionen, die von ALI ASKIN für The Yellow Shark arrangiert wurden, in der akademischen Orchestrierung ihren Witz, ihre rhythmische Überraschung und die bodenständige Art aus der Rockmusik behalten haben.48 PETER RUNDEL, neben Zappa Dirigent auf der CD The Yellow Shark ist der Meinung, dass die Stücke, die am Synclavier entstanden und für Orchester umgeschrieben wurden (Ruth Is Sleeping, The Girl In The Magnesium Dress), in der heutigen E-Musik absolut konkurrenzfähig seien. Obwohl sie sich dem avantgardistischen Idiom annähern, tragen sie deutlich Zappas Merkmale.49 KLAUS BLOCH, Synclavier Experte und Komponist für Kammermusik, spricht von Zappas Ästhetik, die gezeigt habe, dass eine wissenschaftliche Herangehensweise an das Komponieren zwar seine Begründung habe, aber diese Zeiten im Grunde vorbei seien, da dies heutzutage nicht mehr interessiere. 50 DAVID REZEEN, ein Schüler Schönbergs, hat mehrere Aufnahmen von Zappas Werken gemacht und kritisiert, dass seine Werke in dem Sinne nicht ausbalanciert seien, dass Zappa mikrophonisch denke. Er habe vier Posaunen im Mezzoforte, einer Flöte gegenüber gestellt, was nur mit Hilfe von Mikrophonen möglich sei. Er schreibe Dinge, „die man kaum glauben kann,“ hat aber seiner Ansicht nach keinen ausgeprägten Sinn für Melodik.51 Die in den 80er Jahren in Oslo beheimatete Fanzeitschrift Society Pages vergleicht Zappas Orchestrierung auf der Schallplatte London Symphony Orchestra Vol I & II mit einem Dinosaurierhirn. Ausreichend für kleine Ensembles, könne sie jedoch nicht ein großes Orchester animieren.52 SLONIMSKY drückt es positiver aus, indem er feststellt, dass Zappa viele Musiker mit wenig Aufwand zusammengebracht habe. WATSON beschreibt jene Orchesterwerke als sonderbare Hörerfahrungen. Der Hörer 47 48 49 50 51 52 John Nelson, ebenda Heiner Göbbels, ebenda Peter Rundel, ebenda Klaus Bloch, ebenda David Rezeen, ebenda Fish, Mike/Watson, Ben: Frank Zappa on disc. S. 141 werde in eine orchestrale Suppe, jedoch ohne die grimmige Kantigkeit von Zappas anderer Musik eingetaucht. Jeder, der die Heftigkeit und die Abstraktion VARÈSES erwarte, werde enttäuscht. Ungleich VARÈSE vermeidet Zappa keine Melodien, Harmonien oder Abschnitte von expressiver ‘Stimmungsmache’, was jedoch niemals klassisch oder seriell entwickelt wird. Klänge gingen hinaus und werden abgewogen und kontrastiert mit anderen Klängen, ein Hör-Äquivalent zu Kurt Schwitters und seinem Merzbau, ein abstraktes Kunstwerk aus Abfall und Trümmern.53 Alle Werke Frank Zappas seien aus einer Reihe dramatischer, innerer Widersprüche entstanden, die diesen bemerkenswerten Menschen auszeichnen, schreibt GRAY. Für einen arbeitswütigen Kettenraucher, der Alkohol und Drogen strikt ablehnte, habe er sich mit überraschend vielen hoffnungslosen Junkies abgegeben - und manchmal sogar an ihnen orientiert. Für einen Künstler mit einer enorm anspruchsvollen musikalischen Sensibilität, habe er eine frappierende - und gleichermaßen unverhüllte wie unstillbare Vorliebe für zweideutige Songs an den Tag gelegt, für Songs, deren Texte genauso schlicht strukturiert, wie die Musik clever und komplex sei. 54 Abschließend soll noch einmal WATSON zitiert werden, der sich um die Aufarbeitung und wissenschaftliche Betrachtung von Zappas Musik außerordentlich verdient gemacht hat. Zappa ist ein extrem linearer Komponist. Seine musikalischen Entscheidungen resultieren aus der Aufmerksamkeit des Zuhörens. Während Darmstadtorientierte Komponisten häufig eine Dialektik aus einerseits schematischer mathematischer Erfindung und andererseits Spielbarkeit und Hörbarkeit verfolgen, verwendet Zappa seine Partituren mehr dazu, Musiker zu dirigieren denn abstrakte Formen zu gestalten, das heißt, er erzählt nur sehr selten eine komplexe Gleichzeitigkeit wie sie charakteristisch ist für BOULEZ oder den frühen Stockhausen. Wenn er für große Orchester schreibt oder nicht mit einer Gruppe improvisierender Musiker spielt, dann nutzt er nicht das spezifische Potential von Partituren aus, separate aber gleichzeitige Ereignisse zu entwickeln. Was Zappa gleichwohl besitzt ist ein Sinn für hochtourige Absurditäten, die akademischen Komponisten nicht gelängen, ohne ermüdend zu klingen.55 Die Kritiken unterstreichen zumeist die Sonderrolle, die Zappa in der Musikgeschichte einnimmt. Sie stellen Bezüge zu den Vorbildern Zappas her, betonen die eigene Handschrift der Kompositionen Zappas und seine Fähigkeit, stilistische Elemente aus 53 54 55 Watson, Ben: The complete guide to the music of Frank Zappa. S. 126 f. Gray, Michael: Die Frank Zappa Story. S. 244 Watson, Ben: The negative Dialectic of Poodle Play, zitiert in der Radiosendung: Klassik Zappa verschiedenen Musikrichtungen zu verwenden und sich gleichfalls in diesen Genres ausdrücken zu können. 2.10 Musikalische Vorlieben Zappas Im folgenden wird der Frage nachgegangen, welche Musik und welche Musikstile das Interesse Zappas erregten und Einfluss auf sein Schaffen hatten. Wie schon oben erwähnt, begeistert sich Zappa als Teenager für VARÈSE, BOULEZ, STOCKHAUSEN und andere zeitgenössische Komponisten sowie für Rhythm & Blues von Lightnin’ Slim, Johnny ‚Guitar’ Watson und Slim Harpo. Über klassische Musik aus vergangenen Jahrhunderten sagt er, sie langweile ihn, weil sie ihn an „Malen nach Zahlen“ erinnere.56 Nur BACH findet Zappa einigermaßen interessant, weil ihm dessen Klang gefällt. Er würde sich von BACH allerdings niemals eine Aufnahme kaufen, geschweige denn in ein Konzert gehen. Im gleichen Atemzug gibt er jedoch an, dass er die Musik von VARÈSE aus den gleichen Gründen wie die von Bach anregend findet – nämlich allein wegen ihres Klanges. Ansonsten interessiert ihn klassische Musik vergangener Jahrhunderte überhaupt nicht. 57 Minimal Music charakterisiert er als ‘monochromonotony’, eine Wortschöpfung aus monochrom und monoton.58 Über CAGE sagt Zappa, dass ihn sein Konzept mehr interessiere als das hörbare Ergebnis. Dies könne möglicherweise an den Aufführungen liegen, die damals erhältlich waren.59 Trotzdem scheint CAGE ihn sehr beeindruckt zu haben, denn in seiner Autobiographie erwähnt Zappa, wie CAGE bei einer Aufführung mit einem Kontaktmikrophon am Hals Karottensaft trinkt und verkündet, dies sei Musik. Ohne CAGE, so Zappa, wäre manches in der modernen Musik nicht möglich, vielleicht auch nicht die Widmung des Ensemble Modern, neue Klänge zu realisieren.60 Der - Eine Collage von Michael Rüsenberg und Hans Ulrich Werner. Zappa, Frank/Occhigrosso, Peter: I am the American dream. S. 209 57 “Beethoven? Brahms? Bach?” “Bach is more interesting.” “Why?” “I just like the way it sounds. The same reason I like Varèse. I like the way it sounds. But I wouldn't go out of my way to attend a Bach concert or buy an album of that kind of music. To me, of that period, that is the most tolerable of the material to listen to. I don't start getting interested in so-called classical music until the early 20th century.” In: Menn, Don/Groening, Matt: The Mother of All Interviews: Part 1. 58 F. Zappa zitiert nach: Watson, Ben: The complete guide to the music of Frank Zappa. S. 126 59 DM: “What about some of the experimenters, like John Cage doing silence (4'33")?” ”I think that's an acquired taste. When I first learned of Cage's work, it seemed like the concept of it was far more entertaining than the audio result, but that could have just been a matter of the performances that were available on record at that time.” ebenda 60 Vgl.: Interview in der Los Angeles Times. 56 Musikbegriff CAGES hat also auch Zappa geprägt. WATSON schreibt dazu: Zappas Akzeptanz des Zufalls und den Einbezug des täglichen Lebens in seine Kunst zeigt Parallelen zu John Cage. [...] Trotzdem Zappa gleichermaßen von Zen überzeugt war, unterschied ihn sein satirischer Impuls sehr von Cage. Er nahm Cages Angriff auf die Grenzen zwischen Kunst und Leben sehr ernst, aber er akzeptierte weder Cages Desinteresse Aufnahmen zu verkaufen, noch seine quietistische soziale Botschaft. 61 Populäre Musik ist für Zappa zu einfach strukturiert. Für einige seiner Rockmusikkollegen empfindet er Respekt. Trotzdem stellt er fest: Es hat mir nie besonderen Spaß gemacht, Radio zu hören oder eine Pop-Platte aufzulegen. Die Strukturen sind so unglaublich simpel. Warum sollte ich mir so was antun? (...) Ich mag Folksmusik, und die ist weiß Gott einfach. Aber das meiste [an Pop- Musik] hat heute nicht einmal in seiner Einfachheit etwas cleveres. Es ist ein Produkt, keine Musik. Es hat den Charakter einer Tapete, die zum Lebensstil des Kunden passen soll. 1992 62 Zappa kritisiert nicht nur die Einfachheit der Pop-Musik, sondern vor allem, dass es sich um Musik aus der Retorte handelt: der Wert liege nicht auf dem spielerischen Können, dem Inhalt oder auf komplexen Kompositionen, sondern auf Marktchancen, Verkaufszahlen und MusikerInnen, die schön anzusehen sind. In Amerika kann Musik nicht mehr ohne dazugehöriges Video, ohne die Visualisierung der Musik, verkauft werden. 61 62 Watson, Ben: Frank Zappa as Dadaist: Recording Technology and the Power to Repeat. S. 163f Miles (Hrsg.): Frank Zappa - In eigenen Worten. S. 75 3 Die musikalische Ästhetik Frank Zappas Zappa betont immer wieder, dass seine Arbeit nach einem Konzept ausgerichtet ist, welches in allen seinen Tätigkeiten Kontinuität aufweise. Das Konzept hat Einfluss auf die Ästhetik Zappas, denn er verwendet beispielsweise musikalische Motive für die Schaffung eines konzeptionellen Zusammenhangs zwischen seinen Werken. Die Motive sind als Teil der Musik Ausdruck der Ästhetik Zappas. 3.1 Konzeptionelle Kontinuität Sein Konzept - Conceptional Continuity - vertritt Zappa in einem wortgewaltigen Credo schon Ende der 60er Jahre: Der vielleicht einmaligste Aspekt der Mothers ist die konzeptionelle Kontinuität der in der Extension befindlichen Makrostruktur der Gruppe. Es gab und gibt noch eine der strukturellen und thematische Elemente bewusste Kontrolle – Elemente, die sich wie ein roter Faden durch jedes Album, jedes Konzert und jedes Interview ziehen. [...] Das Projekt/Objekt enthält Pläne und Nicht-Pläne und auch lediglich die Ereignisse schildernde Strukturen, die genau kalkuliert und erdacht sind, um die Mechanismen des Zufalls und alle diesbezüglichen Unwahrscheinlichkeiten auszugleichen.63 Nach SUER64 wird „konzeptionelles Denken“ als ein planmäßiger, sich aus einer Idee entwickelnder Prozess definiert, der übergeordnete Zusammenhänge und einen Zusammenhalt zwischen Einzelteilen (z.B. musikalischen oder textlichen Gestalten) erzeugt. SUER weist nun in verschiedenen Stücken Zappas einen konzeptionellen Zusammenhang durch den Gebrauch von Leitmotiven nach. Bei Zappa sind jedoch Leitmotive nicht nur markante musikalische Gestalten, wie sie unter dem Begriff Leitmotiv in der Musikgeschichte zuvor verstanden werden, sondern es gibt bei Zappa auch außermusikalische Motive, Bilder, Begriffe, Metaphern, Klangfarben, denen bestimmte feststehende Bedeutungen zugeordnet sind. Beispielsweise dient ein Kazoo-Motiv65 auf seinen ersten Schallplatten dazu, bestimmte Werte und Normen der Gesellschaft zu parodieren.66 Zappa bedient sich moderner kompositorischer Mittel des 20. Jahrhunderts, indem er in 63 Frank Zappa, zitiert nach: Dister, Alain: Frank Zappa. Der Rebell aus dem Untergrund. München, 1980 64 Vgl.: Suer, Klaus: Konzeptionelles Denken in der Musik von Frank Zappa. Magisterarbeit, vorgelegt von Klaus Suer, Osnabrück, 1993, S. 11 65 Ein Kazoo ist ein kleines Plastikinstrument, mit einer Membran, das beim Hineinsingen einen quäkenden Ton von sich gibt. der Verarbeitung von Tonmaterialien auch außermusikalische Materialien wie Zitate, elektronische und nicht elektronische Klänge, Gesprächsfetzen und Alltagsgeräusche einsetzt, und in Montage- und Collagetechniken integriert. Durch die Integration dieser Motive in seine Stücke schafft er konzeptionelle Zusammenhänge. SUER versucht mit der Suche nach Leitmotiven, vor allem in der Rockmusik Frank Zappas, dem Konzept auf die Spur zu kommen, das Zappa in seiner Conceptional Continuity verspricht. Der Zweck der unterschiedlichen Effekte, die Zappa einsetzt, um eingefahrene Hörgewohnheiten aufzubrechen, liege nur darin, die Aufmerksamkeit auf seine politischen Textaussagen zu lenken.67 SUER beschreibt Zappas konzeptionelles Denken als einen sich entwickelnden Prozess, sowie das Werk als „work in progress“. Ein musikalisches Gebilde ist somit nicht abgeschlossen, sondern Teil einer übergreifenden Entwicklung.68 SUER kommt in seiner Arbeit zu dem Fazit, dass [...] Zappa kaum Erläuterungen zum Inhalt seines Konzeptes und des „Leitmotivs“ [gibt; d. Verf.]. Einzige Erklärungen zu den Konturen seiner Konzeption liefert Zappa mit den Erläuterungen seiner Zitattechnik, mit der er werkübergreifende Bindungen herstellen will. [...] In seiner ersten Schaffensphase 1966-1968 ist Zappa mit einem funktional angelegten Konzept, daß die Musik in den Dienst der Verbreitung gesellschaftskritischer Ideen stellt, ein einheitlicher Rahmen gelungen. 69 Demnach stellt Zappa in den 60er Jahren motivische Zusammenhänge nur aufgrund seines gesellschaftskritischen und politischen Anspruchs her. Politik hat bei Zappa einen so hohen Stellenwert, dass sie in nahezu jedem Interview zur Sprache kommt. Wäre er nicht an Krebs erkrankt, hätte er sich für das Präsidentenamt der USA beworben. Gegen SUERS Folgerungen spricht jedoch, dass Zappa in erster Linie Musiker ist, der die Texte seiner Stücke in einigen Fällen zum Transport von Inhalten nutzt, anderen seiner Texte dagegen jeglichen tieferen Sinn abspricht.70 Somit widersprechen diverse Aussagen Zappas, in denen er das Gewicht des Textinhaltes als sehr gering einschätzt, den Behauptungen SUERS. Zappa behauptet sogar, Texte vor allem deswegen zu schreiben, weil man in den USA ohne einen Text mit Melodie kein Publikum bekäme. 66 Vgl. Suer, Klaus: Konzeptionelles Denken in der Musik von Frank Zappa. S. 52 Suer, Klaus: Konzeptionelles Denken in der Musik von Frank Zappa. S. 143 68 ebenda, S. 36 69 ebenda, S. 142 70 Beispielsweise handelt der Text des Liedes Montana (Album: One size fits it all) davon, dass jemand nach Montana auswandert, um dort Zahnseide anzubauen. 67 Diese Aussage führt den von SUER unterstellten Anspruch, in sämtlichen frühen Songs Textbotschaften vermitteln zu wollen, ad absurdum. Aus seinen Schlussfolgerungen deutet SUER Zappas Conceptional Continuity folgendermaßen: Trotz vieler Formen und Versuche, sein Gesamtwerk zu einem festen Rahmen zusammenzuschließen, ist Zappas Leitfaden seit 1968 immer dünner geworden. Sein Konzept äußert sich im Prinzip nur noch in einem prägnanten Personalstil und einer markanten kompositorischen Handschrift, deren hervorstechende Merkmale hohe kompositionstechnische und instrumental-handwerkliche Perfektion, ein grundsätzlich ironischer Gestus und eine individuelle Gestaltung von Rhythmen sind. [...] Frank Zappa war und ist selbst sein Konzept.71 SUER führt mit dieser Aufzählung - Personalstil, kompositorische Handschrift, handwerkliche Perfektion usw. - die Punkte auf, die Zappa wahrhaftig zu einem ausgeprägten Konzept verhelfen und das über Jahre hinweg. Zappa behauptet, seine Arbeit verlaufe kontinuierlich und sei konzeptionell so ausgerichtet, dass jedes Detail seiner Arbeit Bezug zu einem anderen Detail, zu einem anderen Lebensabschnitt von ihm habe. Er formulierte damit die von SUER sogenannte Leitmotivtechnik folgendermaßen: Mein Gesamtwerk ist eine einzige Komposition und nur in Spuren aufgeteilt, weil ich gezwungen bin, es auf verschiedenen Trägern zu veröffentlichen. Ein Thema, das auf der ersten Platte anfing, kann sehr wohl später auf irgendeiner Platte auftauchen und zwar ohne Grund, außer dass es zum Gesamtwerk irgendwie dazugehört.72 SUERS Schlüsse sind insofern nachvollziehbar, als dass die ersten Beschreibungen der Conceptional Continuity auf die Gruppe der Mothers ausgerichtet sind und Zappas Leben nicht in den Mittelpunkt stellen. Erst in späteren Interviews und in der Autobiographie verändert sich die Definition. Jedoch waren die Musiker der Mothers quasi Angestellte Zappas, denn er bezahlte sie unabhängig von der Konzerttätigkeit, was nahezu einmalig in der Rock-Musik war und ist. Er bestimmte, was, wie und warum gespielt wurde. Das Verwenden spezifischer Motive, Geräusche und Klänge, sowie das Aufgreifen alter Stücke und das Entwerfen neuer Stile und Stilmittel und somit das Konzept hat seine Wurzeln bei Zappa selbst. WATSON verglich den Gebrauch unterschiedlicher Themen mit Mandelbrots 71 Klaus Suer: Konzeptionelles Denken in der Musik von Frank Zappa. S. 148f Lohner, Henning: Frank Zappa - Peefeeyatko. Fernsehfilm, Produziert von Henning Lohner, Peter Lohner und Frank Zappa, 1991. 72 geometrischen Fraktalen (z.B. den sogenannten „Apfelmännchen“): Like Mandelbrot’s fractals, every Zappa grotesquery springs from some tiny detail in previous work (the celebrated sex yarn ‘Dinah-Moe Humm’ was heralded by a phrase in the sci-fi story inside the booklet that accompanied Uncle Meat), Zappa’s cleverest trick - and one which still provokes frenzied speculation among Zappologists - was his ability to parody trends and musicbiz absurdities before they appeared! Perhaps time is indeed an illusion...73 Und RUHLMANN schreibt über den Zeitfaktor in Zappas Coneptional Continuity: For example, one aspect of the "conceptual continuity" Zappa claimed for his work was that he clearly approached it with a view toward eviscerating time. He not only crowed to journalists about unusual and changing time signatures of his songs, but in You can’t do that on stage anymore, he leapt at the chance to interrupt his recordings from one era with those of another.74 Auf der Kollektion You can’t do that on Stage anymore gibt es bei einigen Stücken übergangslose Wechsel von einer Bühnenversion zur nächsten desselben Stücks bzw. aus einem anderen Konzert. Auch wenn die Aufführungen Jahrzehnte auseinander liegen und die Versionen des Stücks sich unterschieden, konnte Zappa mühelos in die andere Version springen, so dass jeweils sowohl etwas Neues als auch eine Verbindung zwischen den Jahren entsteht. Wenn man Zappas Grundsatz für sein musikalisch - künstlerisch - ästhetisches Handeln bei der Betrachtung seines Konzepts berücksichtigt, der da lautet: ‚Anything Anytime, Anyplace for no reason at all!’, so kommt man zu dem Schluss, dass Leitmotive zum Transport von Nachrichten (messages) existieren, darüber hinaus aber wiedererkennbare Klänge Verwendung finden, die nur um ihrer Selbst Willen in verschiedenen Werken vorkommen. Dadurch wird die Conceptional Continuity untermauert. Ein weiteres Beispiel für einen derartigen Klang ist das blubbernde Geräusch, das man einerseits auf der Tournee von 1988 hören kann, andererseits in Yellow Shark in dem Stück Food Gathering In Post-Industrial America von einem in Wasser getauchten Didgeridoo erzeugt wird. 75 Ein ähnliches Geräusch verwendet Zappa 1971 im untersuchten Stück Strictly Genteel (siehe Kapitel 4.3). 73 Watson, Ben: The complete guide to the music of Frank Zappa. S. 9 Ruhlmann, William: Frank Zappa: The present day composer. S. 48 75 MG: “Where did the idea of using the didgeridoo and the coffee can and water come from?” ”Well, a long time ago, we had a contact mic that we put on a Sparkled bottle, and we got this really close-up sound of this horrible gurgling, glugging stuff. I used it as a sample on the '88. tour in a lot of songs. So it seemed to me the idea of bubble-like sounds of all densities and magnitudes could be used as interesting source material for a composition.” In: Menn, Don/Groening, Matt: The Mother of All 74 Dies wäre ein Leitmotiv, wie Suer es herausgesucht hat. Es transportiert jedoch nicht einen bestimmten Inhalt, sondern existiert nur, weil es Zappa sowohl im Zusammenhang mit einem Orchester und einer Rockband gefiel. Man muss sich vor Augen halten, dass bei Zappa etwas for no reason at all benutzt werden kann. Letztendlich hat alles Geschaffene mit seinem Leben einen Zusammenhang, gleichgültig in welcher Phase seines Lebens er etwas erschuf. Auch WATSON legt in seinem Complete guide to the music of Frank Zappa Wert darauf, Zappas Leben als Ganzes zu betrachten. Er schreibt: The thesis of this complete guide is that Zappa’s work needs to be understood as a whole. His art was so manifold and subversive of genre, that attempts to isolate the ‘good’ records from the ‘bad’ invariably tell us more about the limits of the critic then they do about Zappa’s failings as an artist. Es gibt nach WATSON also keine guten oder schlechten Schallplatten, sondern nur verschiedene Ausschnitte aus seinem Gesamtwerk, die nicht einzeln beurteilt werden sollten. Wird also Zappas Leben und Wirken als Gesamtwerk betrachtet, kommt man zu dem Schluss, dass er in verschiedenen Phasen seines Lebens sehr differierende Musik geschaffen hat, verschiedene Bühnenshows konzipiert, Jazzrock, Moderne Klassik und 50er Jahre Musik imitiert oder kreiert hat, aber dennoch jeder Musiktypus einen Bezug zueinander hat, z.T. durch das Verwenden von Leitmotiven. Wie später in seinen Eigenbearbeitungen zu sehen sein wird, gibt es Stücke, die er über 30 Jahre hinweg sehr verschieden interpretiert und umgearbeitet hat. An dem Beispiel des Stücks Pound for a Brown, das er ursprünglich in den 50er Jahren für ein Streichquartett schrieb, wird dies deutlich. Das Arbeiten mit dem Ensemble Modern (1992) war daher nicht eine neue Phase in seinem Schaffen, sondern eine Rückwendung zur Ensemble-Musik. Insgesamt betrachtet wird deutlich, dass Zappa seine Stücke nicht in einer Rangfolge anordnen kann. Für ihn sind schnell komponierte Rock-Nummern gleichwertig mit Werken, an denen er Monate gearbeitet hat, da sie alle seinem Leben entsprangen und Teil seiner Kontinuität sind.76 Interviews: Part 2. “Do you rank your music in any kind of hierarchy? Do you consider the rock and roll stuff inferior to the classical stuff?” “No.” “It's all the same?” “It's a different aspect of the same thing. I've got an imagination. So I earn a living by producing merchandesable manifestations of portions of my imagination.” “I'm still stuck on something you brought up about not ranking your compositions. If something like "N-Lite" took ten years to do - and "Baby Take Your Teeth Out" took 20 minutes, why 76 3.2 Musikalische Ästhetik In diesem Kapitel werden die musikalischen Ausdrucksformen Zappas betrachtet. Seine Suche nach musikalischem Material, sein Sinn für Humor in der Musik und Aussagen zur kulturellen Klassifikation von Klängen werden erläutert. Zudem werden Parallelen zu seinen musikalischen Vorbildern gezogen. Einleitend steht ein Zitat Varèses über Regeln in der Kunst: Die Funktion der Kunst liegt nicht darin, ein bestimmtes Dogma zu beweisen. Unsere akademischen Regeln sind den lebendigen Werken früherer Meister entnommen. Wie sagt doch Debussy: ‚Kunstwerke machen Regeln, aber Regeln machen keine Kunstwerke.’ Kunst existiert nur als Ausdrucksmedium. (Edgard Varèse, 1936)77 Zappa lehnt die tradierten Regeln von Kontrapunkt und Harmonielehre ab. Für ihn gilt das Prinzip: Vergiss die Traditionen und vergiss, was sich in den vergangenen Jahrhunderten als musikalischer Standard entwickelt hat. Er verfolgt die Linie seines musikalischen Meisters Varèse, der die Regeln älterer Musikwerke für sich negiert. VARÈSES Studium der Physik und der Naturwissenschaften in Paris bewirkten einen wissenschaftlich-technischen Ansatz in seinem musikalischen Denken, der geprägt war durch Offenheit und dem Drang nach Neuem. Insbesondere verfolgte der Ansatz die Befreiung vom temperierten Tonsystem, das er nicht als unveränderliches und vorgeschriebenes Medium akzeptieren wollte, da in den naturwissenschaftlichen Gebieten der Physik und Chemie die Grundannahme herrschte, dass immer noch etwas Neues zu entdecken sei.78 Zappa, so FISH und WATSON, benutzt die Rockmusik, um die klangliche Welt zu erweitern und Neues zu entdecken. Sie schreiben: Zappa has subsequently broadened his interest in modern classical music, but his commitment to Varèses explosive yet rhythmically defined sound world remains undimmed. Rock music gave Zappa the ideal environment in which he explores the new sonorities Varèse dreamed of.79 should they be the same? It seems to me you've put more into one than the other, and therefore you might have an opinion of that effort yielding more than the 20-minute one.” “Well, the function of both things is to entertain. The one that took ten years is probably way over budget in terms of how much bang for the buck you're going to get. The end of any piece is basically: you're decorating time.” In: Menn, Don/Groening, Matt: The Mother of All Interviews: Part 2. 77 Varèse, Edgard: Die Befreiung des Klangs. In: Danuser, Hermann: Kämper Dietrich und Terse Paul (Hrsg.): Amerikanische Musik seit Charles Ives - Interpretationen Quellentexte Komponistenmonographien, Laaber Verlag, 1987, S. 223 78 ebenda,. S. 223-235 79 Fish, Mike/Watson, Ben: Frank Zappa on disc. S. 129 In der Rockmusik hat Zappa viel eher die Möglichkeit, mit den Musikern Klänge auszuprobieren und mit der Technik zu experimentieren, musikalische Splitter, Gesprächsfetzen, Alltagsgeräusche, absurde Dialoge usw. sinnvoll oder sinnfrei aneinander zu heften und damit vor Publikum Gehör zu finden. Vor allem auf seinen frühen Alben kombiniert Zappa in Collagen die verschiedensten Klänge. Nach WATSON wird er durch Varèse dazu ermutigt: The example of Varèse encouraged Zappa to think of compositions as the weighing of “block of sound”, the manipulation of sounds from an external viewpoint. Zappa himself called his music “junk-sculpture” […]. Instead of seeking to provide an alternative, transcendent sound world, Zappa makes music out of banalities of modern existence.80 Derartige Banalitäten verwendet Zappa in aufnahmetechnischen Collagen, in denen er verschiedene Songteile, Geräusche und anderes miteinander verbindet. Er verwendet andererseits verschiedene Stilrichtungen und fügt sie zu einer Themencollage zusammen. Auf seinen ersten Schallplatten verwendet er die Collagetechnik sowohl auf Rock-Alben, als auch auf Werken mit Ensembles oder Orchestern und schafft u.a. konzeptionelle Zusammenhänge. WATSON untersucht Zappas dadaistische Ausdrucksweise im Fertigen der Collagen und hält in seinem Schlusswort fest: Schooled in R&B production values and avantgarde composition, Zappa’s collage aesthetic does not repress dissonance or seek to homogenize the elements he brings together. Refusing to subscribe to any particular ideology of musical production allowed him to experiment with sound in a way that did not subordinate it to ideas. The respect for musical material – equivalent to the respect for people – sounds out like a protest against the triteness of both classical minimalism and radio pop: a Dadaist denunciation of standardization at whatever cultural level it may be found.81 Die Ablehnung jeglicher ‚Ideologie’ bringt Zappa demnach die Freiheit, unvoreingenommen an das Komponieren heranzugehen. Trotzdem findet auch bei Zappa – wie bei anderen Komponisten – eine Materialbeschränkung statt, um nicht ‚uferlos’ zu komponieren. STRAWINSKY, dessen musikalische Ausdrucksweise Zappa bewunderte, bemerkte: Ein Künstler muss Regeln befolgen, aber er muss diese Regeln selbst finden.82 80 81 82 Watson, Ben: Frank Zappa as Dadaist: Recording Technology and the Power to Repeat. S. 160 Watson, Ben: Frank Zappa as Dadaist: Recording Technology and the Power to Repeat. S. 188 Igor Strawinsky zitiert nach: Scherliess, Volker: Igor Strawinsky und seine Zeit, Laaber-Verlag, Zappa geht bei seinen Regeln eher nach dem Ausschlussprinzip vor. Er lehnt andere Oktavunterteilungen als die mit zwölf Tönen ab, weil seine Versuche jedes Mal wie ein schlecht gestimmtes Klavier geklungen hätten.83 Auf die Frage nach seinem Urteil über Zwölftonmusik antwortet er: Yeah. I mean, I had heard some 12-tone pieces by other composers that I liked, which is one of the reasons why I went in that direction, but as a system it was too limiting for me. I asked myself the basic question: If the intrinsic value of the music depends on your serial pedigree, then who in the fuck is going to know whether it's any good or not? Only the people who sit down with the score and a magnifying glass and find out how nicely you rotated those notes. And that's pretty boring. So I started moving in the direction of what you might call a more haphazard style. That's whatever sounded good to me for whatever reason, whether it was some crashing dissonance or a nice tune with chord changes and a steady beat in the background.84 Zappa ist nicht daran interessiert, Musik zu schreiben, die sich erst bei näherer Analyse erschließt. Seine Regel ist der zwanglose Stil, das Komponieren von Musik, die unterhalten soll. Dies soll im nächsten Kapitel näher erläutert werden. 3.2.1 Musik dient allein der Unterhaltung Zappa schreibt Musik, die ihm gefällt, aber er legt keinen Wert darauf, dass sie auch anderen zusagt. Er erklärt: The crux of the biscuit is: If it [the music] entertains you, fine. Enjoy it. If it doesn’t then blow it out of your ass. I do it to amuse myself. If I like it, I release it. If somebody else like it, that’s a bonus. 85 Und im Beiheft zu der CD The Perfect Stranger schreibt Zappa: All material contains herein is for entertainment only, and should not be confused with any other form of artistic expression.86 Für Zappa ist Musik also lediglich eine Form der Unterhaltung. Sie transportiert nicht das Wissen über harmonische Strukturen vergangener Jahrhunderte oder der letzten Jahre und unterliegt auch nicht dem Zwang, einer Form zu genügen oder ein musikalisches Motiv konsequent zu verarbeiten. Die Musik unterliegt dem schon 1983, S. 102 Frank Zappa: “I did a lot of early experimentation with quarter-tone stuff and found it not to be that interesting for my ear. To me, the net result of a whole composition based on quarter tones sounds like a badly tuned piano.” In: Menn, Don/Groening, Matt: The Mother of All Interviews: Part 2. 84 ebenda 85 Sheff, David: Playboy Interview (1993). In: The Frank Zappa companion: Fourdecades of commentary, S. 243 86 Beiheft zur CD: Pierre Boulez conducts Zappa: The Perfect Stranger, 1984 83 erwähnten (Nicht-) Grundsatz: Alles, jederzeit, an jedem beliebigen Ort und ohne jeglichen Grund. In dem Interview mit MENN formulierte Zappa es folgendermaßen: MG: Kent Nagano says that you and he have had an ongoing discussion about art and entertainment. He says that you believe all art should be entertaining, while he feels art could be something more than entertainment. Well, I don't really understand people who think of art as an antidote to entertainment, something that should not give you a pleasurable experience. What's wrong with that? I mean, the idea of punitive art - that sounds like something from the East Village.87 Diese Aussage steht in engen Zusammenhang zu Zappas Distanz zur E-Musik, über die er sagte: Die sogenannte E-Musik ist ernst, weil sie keinen Spaß macht, nicht weil sie wichtiger ist. Die Leute, die sie machen, sind nicht unterhaltsam.88 Für Zappa ist die Rockmusik so wichtig, weil er sich bei seinen Konzerten köstlich amüsieren kann. Mit dem Ensemble Modern hat er Musiker gefunden, die einerseits gewissenhaft ihre Instrumente spielen und andererseits viel Spaß mit Zappa haben. 3.2.2 Über Experimente zur Komposition Weitere Regeln für seine Kompositionen sind denen seiner Vorbilder z.T. sehr ähnlich. So sprach Varèse in einer Vorlesung: Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werkes ist Respektlosigkeit! Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werkes ist Experimentieren – kühnes Experimentieren.89 Bei Zappa klingt dies 53 Jahre später in einem Interview folgendermaßen: Wenn du etwas versuchst was vor dir noch keiner gemacht hat, dann musst du deine eigenen Prozesse und Regeln entwickeln, und diese Regeln basieren auf: Was klang gut, als du das Experiment gemacht hast.90 Seine Kompositionen entstehen über das Entdecken von Melodien, durch Experimentieren. Dabei ist er immer auf der Suche nach neuen Klängen. Das Synclavier 87 Menn, Don/Groening, Matt: The Mother of All Interviews: Part 2. Reimers, Wolfgang: Sozialkritik in der Rockmusik am Beispiel Frank Zappa, Centaurus Pfaffenweiler, 1985, zitiert nach: Klier, Robert: Conceptional Continuity – Entwicklungen und Besonderheiten der Musik Frank Zappas. S. 61 89 Varèse, Edgard: Die Befreiung des Klangs. S. 226 90 Lohner, Henning: Frank Zappa - Peefeeyatko. Fernsehfilm, Produziert von Henning Lohner, 88 gibt ihm dazu immense Möglichkeiten. Zappa erkennt tragfähiges musikalisches Material durch „einfaches Hören“, wodurch er an diesem Punkt in die Nähe Strawinskys rückt.91 Gleichzeitig bedeutet dies, dass er nie mit einem B-A-C-H-Motiv herumexperimentieren würde, außer es würde ihm aus irgendeinem Grund gut gefallen – jedoch nicht, weil ihn das außermusikalische Moment interessiert. Mit anderen Worten: Über die Tragfähigkeit einer musikalischen Idee entscheidet allein das Gehör, nicht das Gehirn. Diese Regel hat ihre Ausnahmen im for no reason at all. Auch Strawinsky wehrt sich dagegen, in der Musik etwas Außermusikalisches zu suchen.92 Zappa experimentiert mit seinen zahlreichen Konzertaufnahmen, die er auf den sechs Doppel-CD’s You can’t do that on Stage anymore veröffentlicht. RUHLMANN schreibt. In describing the concept behind the You can’t do that on Stage anymore series, Zappa said he was deliberately putting one peace of music, one set of sounds, one key, one time signature, up against another. "I want to find out what happens if you do this," he explained in Goldmine. "Sometimes it works, sometime it doesn’t, but at least, if you want to find out what happens if you put this kind of a chord with that kind of note or this kind of rhythm with that kind of rhythm, or these kind of words in a certain kind of setting, the evidence is there. It’s almost like a textbook of odd techniques and things that would be useful for a musician or a composer to learn. 93 Zappa sammelt demnach aus jedem Experiment Erfahrungen für weitere Experimente. Die Idee, unabhängig entstandene Elemente von Stücken miteinander zu kombinieren, wird im Kapitel 3.3.1 beschrieben. 3.2.3 Schock als ästhetisches Prinzip Bei der Betrachtung der Ästhetik darf nicht Zappas Wille zum Schockieren unerwähnt bleiben. Zappa betont häufig, dass bestimmte Gräueltaten auf der Bühne immer noch zahm im Vergleich zu denen seien, die die (amerikanische) Regierung im Namen des Volkes verüben würde.94 Zappa is interested in shock as part of his aesthetic schema. Zappa has no qualms about taste, and really the game has always been the documentation of his Peter Lohner und Frank Zappa, 1991. “Ich erkenne wirkliche musikalische Ideen daran, dass sie für das Ohr einen gewissen Sinn ergeben.“ Igor Strawinsky zitiert nach: Scherliess, Volker: Igor Strawinsky und seine Zeit, Laaber-Verlag, 1983, S. 117 92 Vgl.: ebenda, S. 131 93 Ruhlmann, William: Frank Zappa: The present day composer. S. 49 94 Frank Zappa zitiert nach: Walley, David: No Commercial Potential. The Saga of Frank Zappa & the Mothers of Invention. Outerbridge & Lazard, New York 1972, S. 84 91 musicians’ behavior - we decide what to think.95 Die Mothers of Invention treten ein halbes Jahr im New Yorker Garrick Theater mit einer Show auf, die gespickt war mit provokanten Aktionen, obszönen Anspielungen, Songs, Theatereinlagen und verbalen Attacken gegen das Publikum. Auch hier steht die dadaistische Ästhetik wieder im Vordergrund: There’s an art statement in whipped cream shooting out the ass of a giraffe, isn’t there? We were carrying the forgotten tradition of dada stagecraft. The more absurd, the better I liked it. 96 Teilweise wird jedoch Zappas Wille zu schockieren überbewertet. Zappa weist darauf hin, dass das Gerücht, er hätte aus seiner schockästhetischen Motivierung heraus auf der Bühne abgeführt, nicht der Wahrheit entspricht. Das Gerücht hält sich vermutlich vor allem deshalb so hartnäckig, weil man Zappa diese Art von Aktion zutrauen würde. Häufig haben die schockierenden Aktionen und musikalischen Einlagen (Grunzen, Rülpser, hässlicher Gesang) immer einen Zusammenhang zu seiner Auffassung von Humor - je absurder desto lustiger. 3.3 Stilistische Merkmale Zappa schreibt nie Stücke in einer Formvorgabe vergangener Jahrhunderte. Er nimmt an, dass der Grund, warum Formen immer wieder verwandt wurden der war, dass die Auftraggeber (Könige Fürsten, Kirchenobere oder sonstige HörerInnen) Musik ohne eine bestimmte Form nicht verstanden hätten. Deswegen mussten Musikstücke der damaligen Zeit auf die Hörerschaft zugeschnitten sein.97 Zu der Struktur seiner eigenen Stücke gibt Zappa an: Die Erzeugung und Zerstörung harmonischer und „statischer“ Spannungen ist für die Entwicklung eines kompositionellen Dramas unverzichtbar. Jede Komposition (oder Improvisation), die konsonant und „gleichmäßig“ bleibt, ist für mich wie ein Film, in dem es nur Gute gibt, oder der Verzehr von Hüttenkäse.98 95 96 97 98 Fish, Mike/Watson, Ben: Frank Zappa on disc. S. 131 Sheff, David: Playboy Interview. S 244 Vgl.: Menn, Don/Groening, Matt: The Mother of All Interviews: Part 1. Zappa, Frank/Occhigrosso, Peter: I am the American dream. S. 203 3.3.1 Xenochrony, Dissonanz und Rhythmus Eine spezielle Erwähnung verdient die von Zappa sogenannte Xenochrony99. Bei diesem Verfahren lässt Zappa z.B. in dem Instrumentalstück Rubber Shirt vom Album Sheik Yerbouti einen Schlagzeuger einen elf-Viertel-Takt spielen. Ein Bassist spielt eine Linie im vier-Viertel-Takt dagegen. Beide Aufnahmen wurden einander angepasst und auf einem Masterband zusammengeschnitten. […] the musical result is the result of two musicians, who were never in the same room at the same time, playing at two different rates in two different moods for two different purposes, when blended together, yielding a third result which is musical and synchronizes in a strange way. That's Xenochrony. And I've done that on a number of tracks.100 Den Grund für das Verfahren beschreibt Zappa folgendermaßen: Der Vortrag eines solchen Stücks sei auf einer Bühne nicht möglich, da die Spieler die unterschiedlichen Tempi und Taktarten gegeneinander nicht halten könnten. Die Xenochrony dagegen macht dies im Studio möglich. Nach 1986 veröffentlicht Zappa nur noch live eingespielte CDs, bei denen er keine Veränderungen vornimmt. Das Interesse an der Xenochrony hat er verloren. Im Fall des Stückes Rubber Shirt ist Zappas Interesse an komplizierten, nicht zusammenpassenden Rhythmen für Kreation „im Labor“ verantwortlich. Ein ähnliches Interesse hat er bei seinen Gitarrensoli. Seine Musiker sollen erkennen, was er in einem Solo vorhat und entsprechend darauf reagieren. Er sagt: Es geht darum [während die Musiker mein Solo begleiten; d. Verf.], Patterns zu erkennen. Weißt du, was eine Hemiole ist? Das ist, wenn man ein Pattern über einen oder mehrere Takte spielt - je schneller sie erkennen können, wie ich das unterteile, wo ich mich hinbewege und was sie tun müssen, damit etwas Vernünftiges dabei herauskommt [...] Da sind ein paar Sachen passiert - in einem Stück habe ich eine wirklich komplizierte Hemiole über sieben Takte gespielt. So ein echtes Monstrum, das .. also, das Stück ist im 4/4-Takt, und ich spiele etwas wirklich Abgedrehtes über sieben Takte, und es geht genau mit dem ersten Takt vom achten Takt auf. Und der Schlagzeuger hat es exakt hingekriegt. Ich wartete ungefähr zwanzig Takte und spielte das Ganze noch Mal, und es kam wieder die gleiche rhythmische Figur dabei heraus. Auf dem Papier sieht so was aus wie Sience Fiction. Das ist der sichere Beweis, dass es außersinnliche Wahrnehmung gibt. Anders kriegt man so etwas nicht hin, denn wenn man die einzelnen Parts aufschreiben und sehen würde, was das für ein Rhythmus ist - wie anders hätte 99 100 Xenochrony kann sinngemäß mit Fremdsynchronisierung übersetzt werden. Marschall, Bob: Interview mit Frank Zappa das vor sich gehen können? Diese Leute müssen wirklich meine Gedanken lesen. Ich lese ihre jedenfalls nicht, weil ich nicht daran denke, ich habe andere Sorgen. 1982101 Möglicherweise ist der Rhythmus, der in Rubber Shirt und in dem erwähnten Gitarrensolo entstanden ist, der Rhythmus, den VARÈSE in seiner Musik als [...] simultanes Wechselspiel nicht aufeinander bezogener Elemente [beschreibt; d. Verf.] die berechnete, doch irreguläre Zeitstrecken markieren.102 Anfang und Ende der besagten Stellen erklingen rhythmisch konsonant; bei dem Gitarrensolo ist dies am Anfang und Ende der siebentaktigen „Hemiole“ der Fall und bei Rubber Shirt jeweils am Taktanfang. Die Zeitstrecken sind periodisch, die Elemente aber nicht aufeinander bezogen. Nach Zappa wird jeglicher Rhythmus, der vom „factory rhythm“ abweicht als rhythmische Dissonanz wahrgenommen. Dissonanzen, die nicht aufgelöst werden, seien vergleichbar mit lebenslangen Kopfschmerzen. Darum sei die interessanteste Musik diejenige, in der die Dissonanz geschaffen werde, eine Weile bestehen bleibe, um dann gelöst zu werden. An anderer Stelle in dem einige Stunden dauernden Interview erwähnt Zappa, dass er Dissonanzen nicht immer auflöst. Das Konzept der Dissonanz bestünde auf verschiedenen Niveaus. Rhythmische Dissonanz wirke gegen den „natürlichen“ Rhythmus für die Dauer seiner Existenz. Nach der Auflösung der Dissonanz entstünde Faszination für das Zurückliegende im Sinne von „Was ist denn da passiert?“103 Harmonische Ausgeglichenheit könne man für eine lange Zeit nur ertragen, wenn man verwandt mit einer Qualle sei. Erst wenn man in die harmonische Entwicklung eines Stücks einige von der harmonischen Struktur abweichende Noten einfüge, erhalte das Werk eine Aussage. Es gebe Noten mit Triebleben und Noten, die den Akkord „verschmutzen“. Daher sei es wichtig, wie lange die Dissonanzen anhalten und wie schwer sie wiegen. Haben sie ein Übergewicht, wären sie unerträglich, so Zappa.104 Man müsse das Konzept des natürlichen Rhythmus verstehen und Fertigkeit haben, Irritationen kunstvoll in einen bestimmten Abschnitt eines Werks einzubauen, um die angenehme Sensation spüren zu können, wenn die Irritation endet. Zur Veranschaulichung fügt er hinzu: 101 102 103 104 Miles (Hrsg.): Frank Zappa - In eigenen Worten. S. 73 Varèse, Edgard: Die Befreiung des Klangs. S. 229 Vgl.: Menn, Don/Groening, Matt: The Mother of All Interviews: Part 2. Menn, Don/Groening, Matt: The Mother of All Interviews: Part 2. It's like the kid banging himself with the hammer: ‘Why are you doing that’ -‘Because it feels good when I stop.’105 Für die Musik Zappas heißt das nun, dass kaum ein Rhythmus über längere Zeit, geschweige denn über die Dauer eines ganzen Stückes beibehalten wird. Zappa neigt zu rhythmischer Abwechslung und Veränderung, einmal abgesehen von den rhythmischen Grundmustern in Begleitstimmen, besonders während der Soli. Wie aus Zappas eigenen Worten schon ersichtlich ist (s.o.), beschreibt LUDWIG: Die Verschleierung metrischer Schemata erreicht er [Zappa; d. Verf.] durch Hemiolenbildung und anderer Schwerpunktüberlagerungen, durch Synkopierungen und das Setzen von Pausen auf schwere Zeit. Additive Rhythmen und Asymmetrien durch Akzentverlagerung spielen eine ähnlich große Rolle wie Triolen, Quartolen, Quintolen u.a. in verschiedenen Ausprägungen.106 Der Rhythmus in seinen Songs mit Texten ist vom Sprachrhythmus geprägt. Allgemein sei er von ungarischer Musik und von den Rhythmen PIERRE BOULEZ’ beeinflusst.107 Die traditionellen Definitionen von Dissonanz tragen bei den Aussagen Zappas nicht mehr. Sowohl kann der Begriff Dissonanz für das Hinzufügen eines akkordfremden Tones stehen, als auch für eine andere Irritation, wie beispielsweise einem Glissando über den Akkord. Zudem gibt es die rhythmische Dissonanz, das Verunklaren des Taktmetrums oder eines rhythmischen Gefüges, wie im folgenden erläutert wird. 3.3.2 Metrik Beim ersten Hören bestimmter Zappa-Stücke ist es oft problematisch, die metrische Struktur nachzuvollziehen. Es ist schwierig, die Stücke unmittelbar emotionalmotorisch nachzuvollziehen. Auf Rockmusikrezipienten, die die Musik nur nebenbei hören, wirkt sie daher uneinheitlich und verwirrend oder - banal gesagt - chaotisch. Bei näherer Betrachtung zeigt sich aber, dass die metrische Gestaltung nicht auf Zufall basiert, sondern meist einer inneren Logik folgt, die im Zusammenhang mit der formalen Anlage des Stücks steht. Ein charakteristisches Stilmittel ist also der häufige Wechsel in unterschiedliche Metren innerhalb eines Musikstücks. Wie wir in der Analyse genauer sehen werden (Kapitel 105 ebenda Ludwig, Wolfgang: Untersuchungen zum musikalischen Schaffen von Frank Zappa. S. 126 107 Vgl.: Klier, Robert: Conceptional Continuity – Entwicklungen und Besonderheiten der Musik Frank Zappas. S. 66f 106 4.2.3), verwendet Zappa auch Blöcke von Metren, wie sie für Strawinsky typisch sind.108 Doch häufig sind die Taktwechsel willkürlich und vom Sprachrhythmus eines Textes abhängig. REBELL schreibt: In der rhythmischen Struktur entfaltet sich seine ganze Meisterschaft. Je vertrackter und gebrochener das Metrum, je verstolperter das Rhythmusgefüge, um so lieber wird damit gearbeitet. Es gibt kaum eine Taktart – und sei sie noch so verschroben – die bei Zappa nicht schon ausgetrommelt worden wäre.109 Verhältnismäßig häufig verwendet Zappa auch zwei verschiedene Taktarten, die zusammengesetzt ein ungrades Metrum ergeben und im kontinuierlichen Wechsel das ganze Stück über beibehalten werden. In anderen Stücken benutzt er diese additiven Metren wiederum nur zeitweise. LUDWIG untersucht beispielsweise den Song Oh, No!, in dem - von einer kurzen Ausnahme abgesehen – fortwährend 3/4 und 4/4-Takte aufeinanderfolgend zusammengefügt sind.110 Seiner Vorliebe für bodenständigen Rhythm & Blues folgend, verwendet Zappa in der Mehrzahl seiner Kompositionen durchgehend gebräuchlichere Metren. Deshalb können Taktarten wie Fünfer, Siebener, Elfer usw. niemals alleiniges Indiz für das Erkennen von Zappas Musik sein. LUDWIG hat vielmehr herausgefunden, dass diese Taktarten im statistischen Sinne nicht repräsentativ sind, sondern dass Zappa seine meisten Stücke im 3/4, 4/4 und vor allem im 6/8- oder 12/8-Takt komponiert. In seiner Zusammenfassung führt LUDWIG an Besonderheiten erstens den häufigen Wechsel von Taktarten im Stück und zweitens die bevorzugte Anwendung von ungeraden, teils ternären, teils additiven Metren auf.111 Taktwechsel und Motivmodifikation würden einander bedingen und des weiteren zur Phrasen- und Themenformung beitragen. Viele Taktwechsel resultierten aus der textimmanenten Metrik. Zum zweiten Punkt schreibt LUDWIG: Obgleich Frank Zappa in seiner Musik überwiegend den 4/4-Takt anwendet, sind es auch bestimmte andere Metren, die bei ihm zur Geltung kommen. Dazu zählen alle Dreier – Takte, z.B.: 3/4 , 6/8, 12/8 und – meist in Verbindung mit Marschrhythmus – der 2/4 – Takt. [...] Behält Zappa solche additiven Metren längere Zeit bei, stehen sie in Verbindung mit ostinaten rhythmischen Grundmustern.112 108 109 110 111 112 siehe Kapitel 4.2.3 Volker Rebell: Frank Zappa, Freak – Genius mit Frack – Habitus. S. 252 Vgl.: Ludwig, Wolfgang: Untersuchungen zum musikalischen Schaffen von Frank Zappa. S. 104 Vgl.: Ludwig, Wolfgang: Untersuchungen zum musikalischen Schaffen von Frank Zappa. S. 110 ebenda, S. 111 3.3.3 Melodie Ein Grund dafür, dass Zappas Musik klingt, wie sie klingt, sei die Frage nach der Melodie, behauptet Zappa. Er hört im Gegensatz zu vielen anderen auch Varèse melodisch und dessen Intervallverbindungen als melodische Intervalle. Dies sei ziemlich normal für sein Ohr.113 Zappa beschreibt das Phänomen Melodie folgendermaßen: Was ist Melodie? Melodie ist in gewisser Weise wie ein gesprochenes Wort, Melodie ist aber auch akustisch gesehen ein Schwingungsverlauf, wenn man die Melodie im Hinblick auf den Bewegungsverlauf der einzelne Noten betrachtet und vielleicht ist es ja nur ein absurdes Konzept, aber vielleicht ist es doch so, dass das menschliche Gehirn, das ja auch alle anderen Schwingungsformen entziffert, auch Melodie als einen über weite Zeit gespannten Schwingungsverlauf wahrnimmt.114 Das bedeutet, dass man eine Melodie als ganze Schwingung aufnehmen kann. Die Aneinanderreihung verschiedener Schwingungen von Einzeltönen als einen Schwingungsverlauf wahrzunehmen, ist besonders in der Musik Zappas schwer nachvollziehbar, da hier die Schwingungsverläufe öfter krasse Wechsel erfahren. Zappa vermeidet nach eigenen Angaben den Tritonus in seinen Melodien. LUDWIG hat in seiner Arbeit die Intervallhäufigkeit in Zappas Melodien mit dem Ergebnis untersucht, dass zu einem Drittel die Quarte vertreten ist, gefolgt von Terzen (ohne Dreiklangsharmonik). Überraschend ist die oftmalige Verwendung von kleinen und großen Septsprüngen. Bereits das vermehrte Erscheinen bestimmter Intervalle und die Art und Weise ihrer Abfolge in den Melodielinien seien nach LUDWIG bedeutende Stilelemente. In erster Linie fallen Intervallsprünge über mehr als eine Terz auf, besonders dann, wenn sie hintereinandergereiht sind und in wechselnder Bewegungsrichtung auftreten. 115 Das Prinzip der Wiederholung spielt in Zappas Musik eine große Rolle. LUDWIG stellt fest, dass für Zappa neben Sequenzen jeglicher Spielart (melodisch, harmonisch, steigend, fallend, tonal, real, usw.) auch Tonrepetitionen kennzeichnend sind.116 Häufig 113 Lohner, Henning: Frank Zappa - Peefeeyatko. Fernsehfilm, Produziert von Henning Lohner, Peter Lohner und Frank Zappa, 1991. 114 ebenda 115 Vgl.: Ludwig, Wolfgang: Untersuchungen zum musikalischen Schaffen von Frank Zappa. S. 142 116 ebenda, S. 143 werden Melodien oder kurze, schnelle Überleitungen von mehreren Instrumenten und Stimme synchron geführt. 3.3.4 Funktionentheorie Da Zappa die klassische Harmonielehre ablehnt, vermeidet er auch bestimmte harmonische Wendungen. Der Dominantseptakkord wird bei ihm nie ernsthaft verwendet, das heißt, wenn er auftaucht, dann in einer musikalischen Parodie. Außerdem vermeidet er II-V-I Verbindungen.117 Sein in Deutschland bekanntestes Stück Bobby Brown besteht aus dem Turnaround Tonika, Tonikaparallele, Subdominantparallele und Dominantseptakkord, was durchweg als musikalische Parodie gemeint ist und in der Regel nicht erkannt wird. 3.3.5 Does Humor Belong In Music?118 Manche Werke Zappas kann man erst nachvollziehen, wenn man seine Art von Humor kennt. Auf seine typische Art beantwortet Zappa die Frage nach dem Grund für Humor in seiner Musik folgendermaßen: MG: Lorin Hollander says that some of your music is painfully beautiful. I don't know if you hear it that way. And even in your instrumental music, where we don't have the words going on, you put humor in the liner notes. Is that coming out of this political feeling you have, or is it an organizational element whereby you're creating a contrast between something very moving and something very funny, or is it to keep these sort of emotions at a distance, or am I intellectualizing too much? I think you're intellectualizing too much. You can reduce it to this - you can ask this question: Is it possible to laugh while fucking? I think yes. 119 Zappa gefallen absurde Aktionen in seiner Musik, wie z. B. Zwischenrufe, sie sollten der Belustigung dienen. Deshalb kamen besonders oft Klänge und Geräusche zum Einsatz, die in irgendeiner Weise komisch waren. Zappas Parodien auf Pop-Songs waren mit Grunzen, Blubbern und unbeschreiblichen Lautäußerungen versehen. Ein Beispiel sind die ‚Geräuscheinlagen’ bei dem in einer Reggae Version bearbeiteten Song Stairway to Heaven von Led Zeppelin auf der CD The Best Band You Never Heard In Your Live. Auch das bereits erwähnte blubbernde Geräusch eines Didgeridoo in einem Wasserglas 117 Vgl.: Klier, Robert: Conceptional Continuity – Entwicklungen und Besonderheiten der Musik Frank Zappas. Examensarbeit, Kassel, 1990, S. 66 118 Titel eines Videos und der zugehörigen CD Zappas von 1986 auf Yellow Shark fand Verwendung, weil Zappa sich vor Lachen nicht mehr halten konnte. Zappas Humor in der Musik dient allein der Unterhaltung – vor allem seiner eigenen. Humor hat nach Zappas Ansicht in jedem Bereich des Lebens seinen Standort und es macht keinen Sinn, nach einem Zweck von Humor zu suchen. 3.3.6 Klang und Kultur Akkorde sind für Zappa nicht nur Klänge mit festgelegten Tonhöhen, sondern auch der Zusammenklang von verschiedenen Geräusch - Erzeugern. Alle Klänge hätten eine Tonhöhe, in der sie am lautesten klingen. Deshalb gebe es ein akkordisches Resultat aus den Zusammenklängen von beispielsweise einer Bass-Trommel, einer Kastagnette, einem Glöckchen und einer Guiro.120 Zappa spaltet die Instrumentengruppen auf. Er setzt sie oft gattungsspezifisch ein, d.h. er hebt charakteristische Klangeigenschaften der Instrumente hervor, um sie gleichzeitig durch seine Musik zu karikieren. So gibt es z.B. bei den Holzbläsern oft „Lacheffekte“ (Schlagzungentechnik) oder übertriebene Glissandi in den Posaunenstimmen (siehe . Manche Spielweisen erinnern an Tierlautimitationen. In den Improvisationsteilen ‚kommunizieren’ die einzelnen Instrumentengruppen miteinander. Typisch für Zappa sind nicht nur beschriebene Zusammenklänge, sondern auch schnelle Läufe, die gleichzeitig von verschiedenen Instrumenten gespielt werden. Oft koppelt Zappa ein Melodieinstrument mit einem weiteren in einer anderer Lage sowie mit Schlagzeug und Marimba-/Vibraphon. Zappa verändert in verschiedenen Eigenbearbeitungen die Klangzusammensetzung durch die Instrumente, wie wir später sehen werden (siehe Kapitel 4), und erhält dadurch verschiedene Botschaften. Dies formuliert er so: And the timbre is going to send your message about certain other qualities of the line. For example, the dumbest example of all time is: "Purple Haze" [ein Stück von Jimi Hendrix] played on an accordion is a different story than "Purple Haze" on a fuzz tone guitar. You play exactly the same notes, but there are two different messages. So, one of the main differences, culturally, from place to place, in the music, is in the timbre of the instruments which are playing the music.121 WATSON greift das Beispiel auf und schreibt: 119 120 121 Menn, Don/Groening, Matt: The Mother of All Interviews: Part 2. Vgl.: Menn, Don/Groening, Matt: The Mother of All Interviews: Part 2. Marschall, Bob: Interview mit Frank Zappa Zappa has pointed out, that timbre is more important than note-choice in determining genre: „Purple Haze” played on an accordion would not be Rock, while Beethoven’s Fifth played on a fuzz guitar definitely is.122 WATSON zieht aus Zappas Musik das Stück Little House I used to live in als Beispiel heran, das auf dem Album Fillmore East als burleske Tollerei erscheine und auf dem Album Burnt Weeny Sandwich als akustische Aufnahme voller Atmosphäre eher wie eine Etüde klinge. Die drei untersuchten Stücke dieser Arbeit sind gleichfalls Beispiele für dieses Phänomen. In seiner Anlage wirft Zappas Musik Fragen nach der kulturellen Wertigkeit auf. Ist eine verzerrte Gitarre, die ein Werk der E- Musik interpretiert kulturell niedriger einzustufen als eine Violine? Kann also die Instrumentierung des gleichen Stücks die kulturelle Wertigkeit fundamental verändern? Zappa unterzieht seine Musik keiner Rangordnung und lehnt eine Einordnung in Kategorien ab. Ich war immer Komponist, und meine Fähigkeit, gewisse musikalische Grundbausteine benutzen zu können, macht mich nicht zum Exponenten irgendeiner Musikrichtung. Alle Grundbausteine sind nichts als Material für mich als Komponisten.123 Auch bei der Instrumentenwahl springt Zappa zwischen den Musikkulturen. Früh fügt er in seinen musikalischen Versuchen rock-typische Instrumente einem klassischen Ensemble hinzu. In der Rockmusik verwendet er eine Vielzahl von Perkussionsinstrumenten wie Vibraphon, Marimba- und Xylophon sowie metallisch klingende Idiophone wie Glocken, Aufschlagröhren, Schellenkranz, Triangel und andere, die im Klangbild hervortreten. Bei den Tasteninstrumenten verwendet Zappa jede technische Neuerung. LUDWIG schreibt in seiner Zusammenfassung, dass Zappa ihr ganzes Spektrum und ihre unterschiedlichen Klangfarben nutzt und ihnen verschiedene Funktionen zuweist. Des weiteren verwendet Zappa einige in der Rockmusik unübliche Instrumente, wie z. B. Sarusophon, Kontrabassklarinette, Basssaxophon, Bassflöte und die für den Jazz typische elektrisch verstärkte Violine. Bei den Aufnahmen mit dem London Symphony Orchestra fügt er ein Rock-Schlagzeug, eine Bassgitarre bzw. E-Gitarre hinzu. Dem Ensemble Intercontemporain unter der Leitung von PIERRE BOULEZ und dem Ensemble Modern ergänzt Zappa den 122 Watson, Ben: Frank Zappa as Dadaist: Recording Technology and the Power to Repeat. S. 162 Klangkörper nicht durch rocktypische Instrumente, sondern verstärkt lediglich die Perkussion. Auch beim Yellow Shark Projekt lässt er den Klangkörper des Ensemble Modern beinahe unverändert und rückt von seiner Vorstellung von einem elektrisch verstärktem Orchester, wie er sie Anfang der 60er Jahren geäußert hat, ab. 3.4 Synclavier versus Orchester Zappa wendet sich immer wieder neben seinen Arbeiten mit Rockbands Ensembles und Orchestern zu. Mit deren Arbeit zeigt er sich unterschiedlich zufrieden. Als er das Synclavier entdeckt und damit die Möglichkeit, einen Orchesterklang künstlich zu erzeugen, ist er anfänglich von den Möglichkeiten des Instruments begeistert. Es hat mir wirklich Spaß gemacht, kleine schwarze Punkte aufs Notenpapier zu malen. Manchmal saß ich 16 Stunden an einem Stück verkrümmt auf einem Stuhl, mit einem Tintenfass neben mir, und malte Striche und Punkte. [...] Es machte mir Spaß, weil ich alles in meinem Kopf hören konnte, und ich redete mir ständig ein, wie irre es doch war.[...] Inzwischen schreibe ich keine Noten mehr aufs Papier. Seit ich mit Symphonieorchestern arbeite, ist der Reiz dahin.124 In diesen Worten klingt die Enttäuschung von der Arbeit mit Symphonieorchestern durch. In einem Interview mit Digital Audio erklärt Zappa 1984, dass er wieder mit Rock- und Jazzmusikern auf Tournee gehe, weil er mit den Erfahrungen in der klassischen Welt unzufrieden sei.125 Gerade das Arbeiten mit dem London Symphony Orchestra und die Ergebnisse von PIERRE BOULEZ’ (CD The Perfect Stranger) entmutigen Zappa, mit Orchestern zu arbeiten. Über die Musiker beider Sparten sprach er abfällig: Der Unterschied zwischen klassischen Musikern und Rockmusikern ist der, dass die klassischen Musiker sich nur fürs Geld und die Rente interessieren; die Rockmusiker dagegen interessieren sich nur fürs Geld und fürs Vögeln. 1977126 Für die Musik würden sich die Musiker demnach nur peripher interessieren. Für die klassischen Orchester begründet Zappa seine Geringschätzung folgendermaßen: Das Problem bei den meisten Symphonieorchestern ist, dass sie alle die gleichen Sachen spielen. Wenn man sich eine Band in einer Kneipe anhört, will man ja auch nicht ständig Louie Louie hören. Wie oft soll man Beethovens Fünfte hören? Wie oft irgendwas von Mozart? Für mich klingt alles gleich, ich mag 123 124 125 126 MUSIK - EXPRESS, Sounds - Verlag Hamburg, April 1980, S. 73 Zappa, Frank/Occhigrosso, Peter: I am the American dream. S. 161 Ruhlmann, William: Frank Zappa: The present day composer. S. 37 Miles (Hrsg.): Frank Zappa - In eigenen Worten., S. 72 diese Art von Musik nicht, es ist alles Gedudel. Aber die Orchester spielen diese Musik aus verschiedenen Gründen: 1. der Komponist ist tot, man braucht ihm nichts mehr zu bezahlen; 2. sie ist leichter zu spielen als zeitgenössische Musik - so sehr die Musiker einem auch versichern mögen, dass das nicht stimmt, es ist eben so; 3. die Musiker müssen nicht mehr darüber nachdenken, weil sie diese Melodien schon seit ihrer Schulzeit spielen. 1983127 Für neue Werke gebe es niemals genügend Zeit zum Proben. Bei der Aufführung von The Perfect Stranger habe Zappa den Musikern angesehen, dass sie viele Probleme mit den Stücken hatten. Der Schweiß habe ihnen auf der Stirn gestanden – die Probenzeit war nicht ausreichend gewesen. 128 Zappa musste bei der Aufführung dieser Musik die Kontrolle an andere Dirigenten abgeben und die Proben- und Aufnahmezeit wurde durch seinen Geldbeutel und die Gewerkschaft bestimmt und im Fall vom London Symphony Orchestra noch durch den Pub auf der anderen Straßenseite begrenzt129. KENT NAGANO dirigiert das London Symphony Orchestra bei den Aufnahmen von Zappas Musik. Er ist mit Zappa befreundet und sagt über die Probenzeiten von Orchestern: Wenn er seine Rockmusik spielt, ist das nicht weniger kompliziert. Aber sie proben, bis sie sie perfekt spielen können, und dann gehen sie auf Tournee. Das heißt, wenn zwei Monate Proben nötig sind, dann wird eben zwei Monate lang geprobt. In der sinfonischen Welt ermöglichen die finanziellen Voraussetzungen ein solche Vorgehensweise im Moment noch nicht. Und das ist frustrierend für jemand der Musik komponiert hat, von der er weiß, dass sie seinen Intentionen entsprechend durchaus spielbar wäre, wenn genügend Probenzeit zur Verfügung stünde. Ich kann ihn in dieser Hinsicht völlig verstehen. Er hat völlig recht.130 Diese Gründe führen dazu, dass Zappa sich zunehmend für das Instrument Synclavier begeistert: Das Synclavier (hierbei handelt es sich um den Markenname des Instruments) ist ein 150.000 DM teurer Computer, der Komponieren mit aufgenommenen Klängen (Samples) ermöglicht. Jeder nur vorstellbare Klang kann verwendet werden. Z. B. kann ein einmal gut eingespieltes Instrument mit anderen gekoppelt werden und in jeder Tonhöhe ein zusammenspielendes Ensemble wiedergeben. Die Klänge werden dazu digitalisiert, nach Belieben verändert und zurück transformiert. Zappa arbeitet seit Anfang der 80er Jahre ausschließlich am Synclavier. Er hat endlich 127 128 129 ebenda, S. 101 Zappa, Frank/Occhigrosso, Peter: I am the American dream. S. 221 siehe Kapitel 4.3.4 Strictly Genteel goes Classic: London Symphony Orchestra Vol. II ein Instrument gefunden, bei dem er jeden Parameter selbst bestimmen kann. Es gibt kein „Verspielen“ mehr, keine Stücke, die zu wenig geprobt sind, keine Limits in bezug auf Spielfähigkeit, keine besonderen Gehaltsforderungen und Pausen – nur die des Ingenieurs – und mühelos kann er Klänge erstellen, verändern und verschieben. Erstmals befindet sich auf dem Album The Perfect Stranger (1984)– neben den Stücken des Ensemble Intercontemporain – reine Computermusik. In den folgenden zwei Jahren finden sich auf vier weiteren Alben derartige Stücke, eines davon mit der Musik Francesco Zappas, dem schon erwähnten Namensvetter Zappas. Posthum wird das von Zappa gerade noch vor seinem Tod fertiggestellte Synclavier-Album Civilization: Phase III veröffentlicht. Doch auch die Synclavier-Musik stellt Zappa nicht gänzlich zufrieden. Er sagt: MG: And it seems that this technology is the answer to Frank Zappa's problem. Here it is exactly the way you want it to be performed. Well, even with the most perfect Synclavier performance, you still don't get 100%, because there are certain nuances that are going to be absent just because the music is being played by samples, which means every note will always be the same sound. But on the other hand, if you have a really fine clarinet player, every one of the notes that he played would be different, and your ear detects that variety. I think that the ear prefers variety, unless you happen to be one of those Mongoloids who think that the drum machine is the greatest device known to mankind.131 Es fehlt Zappa das menschliche Element in der Musik vom Synclavier. Zwar gibt es die Möglichkeit, „human touch“ durch feine rhythmische Unreinheiten einzufügen, doch ist der Effekt nicht derselbe. Auch mangelt es Zappa an Spaß, den er beim Zusammenspiel mit seinen Musikern trotz aller Zwistigkeiten hat. Aber schließlich entdeckt er für sich das Ensemble Modern, das unter Ernster Musik nicht unbedingt „humorlos“ versteht und trotzdem begeistert und verbissen Zappas Musik spielt. Vom Ensemble sehr angetan, meint er: I've never had such an accurate performance at any time for that kind of music that I do. […] The dedication of the group to playing it right and putting the 'eyebrows' on it [Zappa-ese for intuitive, spontaneous musical histrionics] is something that - it would take your breath away. You would have to have seen how gruelling the rehearsals were, and how meticulous the conductor, Peter Rundel, was in trying to get all the details of this stuff worked out....132 130 131 132 Gray, Michael: Die Frank Zappa Story. S. 199 Menn, Don/Groening, Matt: The Mother of All Interviews: Part 2. Interview in der Los Angeles Times. Es scheint, als habe Zappa doch noch Musiker gefunden, die dem Synclavier überlegen waren. Trotzdem ist der Einfluss des Computers im Ästhetischen sehr groß gewesen und hat seine Art zu Komponieren verändert.133 3.5 Zappas Komponieren mit Musikern Das Kapitel beschreibt, wie Zappa den Prozess des Komponierens auffasst und wie er komponiert. Seine Art, die Musiker bei den Kompositionen mit einzubeziehen, schlägt sich in seinen Kompositionen nieder. VARÈSE spricht über seine eigenen Kompositionen als eine „Konzeption von Rhythmus als eines Stabilisierungselements“ und seiner „Konzeption von Musik als Bewegung im Raum“ und prägte den Begriff „organisierte Klänge“ für seine Musik. 134 Ähnlich dieser „organisierten Klänge“ VARÈSES beschreibt Zappa das Komponieren folgendermaßen: Wenn man das Schreiben und Spielen normaler Orchestermusik, also der Musik, die man gemeinhin klassisch nennt, als eine Art orthodoxe Glaubensrichtung betrachtet und die Theorie vertritt, dass Komponieren die Kunst ist, Klangereignisse in einem zeitlichen Rahmen zu arrangieren - also praktisch die Verzierung von Zeit -, dann ist das der Hintergrund, vor dem man arbeitet. Wenn man diese Grenzen weiter faßt und auch gesprochene Worte, Klangeffekte und andere Elemente einbezieht, die im allgemeinen nicht für Musik gehalten werden und wenn man diese Klangereignisse den Klangereignissen beiordnet, die von Violinen erzeugt werden und so weiter und so fort und ein Musikstück aus dem Ganzen macht, dann kommt das der Bilderstürmerei gleich. 1976 [...] Es ist die Aufgabe des Komponisten, die zeitliche und räumliche Beziehung zwischen einzelnen Schallelementen zu gestalten, die die Luft erschüttern werden. 1978 135 Zappa konstatiert auch an anderer Stelle, dass er als Verehrer VARÈSES seinen Kompositionsprinzipien folgt, nämlich zusammenhangslose Themen in freier Abfolge niederzuschreiben.136 Zappa arbeitet in den letzten Jahren seines Lebens nach eigenen Angaben im Mittel 15 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche. 137 Seine Arbeitszeit ist in der Regel in der Nacht, so dass sich der Kontakt zu seiner Frau und seiner Familie z.T. sehr 133 Vgl.: Ali Askin in der Radiosendung: Klassik Zappa - Eine Collage von Michael Rüsenberg und Hans Ulrich Werner. 134 Vgl.: Edgard Varèse, Die Befreiung des Klangs. S. 223 135 Miles (Hrsg.): Frank Zappa - In eigenen Worten., S. 96f 136 Slonimsky, Nicolas: I enter the age of absurdity (1988). In The Frank Zappa companion : Fourdecades of commentary. Edited by Richard Konstelanetz, Schirmer Books, New York, 1997, S. 238 137 Vgl.: Menn, Don/Groening, Matt: The Mother of All Interviews: Part 1. eingeschränkt. Er sitzt im Keller an seinem Synclavier, zeitweise von einem Ingenieur unterstützt. Zappa vergleicht das Komponieren mit dem Bau eines Flugzeuges: in der einen Woche würde man Schweißen, in der nächsten Woche Kabel verlegen usw.. Der nächste Schritt sei es, spielen zu lernen oder es jemanden beizubringen.138 Zappa komponiert zunächst immer an der Gitarre, wobei er sich allerdings eingeschränkt fühlt: Ich sehe mich als Komponisten, dessen Hauptinstrument eben die Gitarre ist. Früher haben die meisten Komponisten Klavier gespielt. Ich bin nun mal kein Klavierspieler, und die technischen Möglichkeiten auf der Gitarre sind im Vergleich zum Klavier doch eingeschränkt, also, was die Menge der Töne angeht und sowas. Logischerweise sind die Sachen, die ich schreibe, also von meinem Interesse an der Gitarre geprägt, und daraus entstehen wiederum Probleme für die anderen Instrumente. Wenn ich im Kopf etwas gitarrentypisches höre BENDS z. B. -, dann kann das von anderen Instrumenten oft nicht ausgeführt werden. Es hat schon etwas frustrierendes, wenn man seine Läufe auf anderen Instrumenten hört, für die sie eigentlich gedacht waren.1978 139 Später komponiert er am Synclavier, wenn er nicht auf Tournee war. Neue Stücke für Rock-Musik Besetzungen kamen kaum noch hinzu. Zappa bearbeitet vielmehr alte Werke für neue Besetzungen um (siehe Kapitel 4). Der langweiligste Teil des Komponierens sei, wenn das Experimentieren zu Ende sei: The most boring part of composing is when you finally understand what the object is that you're working on, and you know what the boundaries are, you know where it's beginning and where it's ending, and then you're down to the drudgery of cleaning it up. That's the most tedious part to me, but it's something that has to be done before you put it onto tape or transfer it into music printing so that somebody can play it.140 Die Kompositionen Zappas sind stark geprägt von der Zusammenarbeit mit seinen Musikern. Viele seiner Stücke entstehen in ihrer Endform erst in den Proben. Er spielte etwas auf seiner Gitarre vor und lässt es nachspielen. Sodann lässt er eine zweite Stimme dazu spielen, lässt ausharmonisieren und legt einen Rhythmus darunter. Die Musik entsteht meist nicht nach einem Entwurf, sondern durch die Praxis. D.h., dass ein Stück während der Proben sehr verändert werden kann. Dies ist sicherlich eine recht gewöhnliche Arbeitsweise in Rockgruppen. Zappa lässt die Musiker des Ensemble Modern zu sich nach Hollywood kommen, um 138 139 140 Miles (Hrsg.): Frank Zappa - In eigenen Worten. S. 93 ebenda, S. 98 Menn, Don/Groening, Matt: The Mother of All Interviews: Part 1. die Fähigkeiten der einzelnen Musiker zu ermessen und um Stücke zu entwickeln.141 Er begründet die Arbeitsweise zum einen damit, dass er auf Personen, die spezielle Fähigkeiten auf ihren Instrument besitzen, gesondert eingehen wolle.142 Dies will er nicht nur bei Rock-Musikern, die ohne einen eigenen Stil keine Chance im Rockgeschäft haben, sondern auch bei Orchestermusikern, die ihr Improvisationstalent im Laufe ihrer Studien oft verkümmern ließen. Zum anderen fehlt Zappa die Fähigkeit, das, was er auf ein Stück Papier niedergeschrieben hat, zu hören. Er meint, er könne sich vorstellen, was die Symbole auf dem Blatt bedeuten, und wie sich die Musik bei einer Aufführung anhören könnte. Diese Vorstellung sei jedoch nicht übertragbar und kann weder von anderen geteilt noch vermittelt werden. 141 Vgl.: Ali Askin in der Radiosendung: Klassik Zappa - Eine Collage von Michael Rüsenberg und Hans Ulrich Werner. 142 Menn, Don/Groening, Matt: The Mother of All Interviews: Part 1. 4 Zwischen den Stilen - Metamorphosen dreier Stücke Drei von Zappas Kompositionen mit ihren verschiedenen Versionen sollen nun näher betrachtet werden, um Zappas Bearbeitungen seiner eigenen Werke zu verdeutlichen. Es handelt sich um die Stücke: Pound for a Brown, Dupree’s Paradise und Strictly Gentle. Die Stücke sind zwischen 1965 und 1972 entstanden; der Zeitraum zwischen der jeweils ersten und letzten Version beträgt zwischen 15 und 23 Jahre. Es handelt sich bei den Aufnahmen sowohl um einige, die regulär auf Schallplatten oder CDs veröffentlicht wurden als auch um andere, die nicht autorisiert sind. Anhand dieser Stücke wird im folgenden gezeigt, dass Zappa sich mit den Bearbeitungen verschiedener Versionen als Grenzgänger zwischen unterschiedlichen Musikstilen bewegt. Meist macht es nur die außerhalb der Kompositionen liegende Improvisation im Anschluss eines Stücks und die Instrumentierung möglich, eine Version in eine der Schubladen Rock, Jazzrock oder Neue Musik hineinzuzwängen. Eher bedient sich Zappa in seinen Kompositionen verschiedener Stiltraditionen, um daraus eine eigene musikalische Sprache zu entwickeln, die sich jenseits der traditionellen bzw. musikwissenschaftlichen Klassifikationen der Musik bewegt. Im folgenden wird die stilistische Einordnung in diese drei Sparten einige Male vorgenommen, doch sprechen auch immer eine Reihe von Merkmalen gegen diese Einordnungen, so dass sie nicht absolut gelten können bzw. sollen. Vielmehr soll diese Einteilung aufzeigen, dass ein und dasselbe Stück Zappas in unterschiedlichen Versionen verschiedene stilistische Ausprägungen aufweist und somit stilistische Grenzen verschwimmen, so dass Zappas typischer Stil entsteht. Im Fall des Stücks Pound for a Brown verändern die verschiedenen Arrangements den Charakter, ohne das musikalische, kompositorische Prinzip in Frage zu stellen. Im Stück Dupree’s Paradise wird das musikalische Material für die Aufführung eines Ensembles für zeitgenössische Musik verdichtet und strenger auskomponiert. Im Stück Stricly Genteel ändert sich in den Versionen vor allem die Instrumentierung. In den Bearbeitungen und Aufführungen der Stücke liegt eine Entwicklung, die nicht immer geradlinig verläuft sondern Ideen älterer Arrangements wieder aufgreift. Im Ergebnis überzeugt die Klangsprache in den verschiedensten Versionen. Alle drei Werke werden sowohl von Rockbands als auch von klassischen Ensembles und Orchestern gespielt oder von Mischformen aus beiden. Die meisten Aufnahmen stammen von Konzerten. Der Rahmen, in denen die Aufführungen stattfinden, ist dementsprechend sehr unterschiedlich. Die frühen Versionen der drei Stücke wurden vor langhaarigen, Haschisch-rauchenden Freaks gespielt und Aufführungen der späteren Versionen in Blumenkübel-geschmückten Sälen, vor Publikum in Abendgarderobe mit größerer Vorbildung in klassische Musik. Eine Durchmischung beider Gruppen ergab sich vor den Blumenkübeln, denn viele Fans von Zappas Rockkonzerten besuchten auch die im „klassischen Rahmen“ stattfindenden Konzerte. Insofern hat Zappa das Publikum der von ihm geschätzten Musikstile, der Rockmusik und der Neuen Musik mit seinen Kompositionen zusammengebracht. In einigen Fällen gab es ein Publikum von einigen hundert Leuten in einem kleinen Saal, während ein anderes Konzert in einem Stadion in New York gegeben wurde. 4.1 Das Stück Pound for a Brown 4.1.1 Analyse des Stücks Das Stück Pound for a Brown ist eine der frühesten Kompositionen Zappas. Er schreibt es ursprünglich für Streichquartett in der Zeit, als er die Highschool abschließt (1957/58). Eine Streichquartett-Aufnahme existiert leider nicht, aber anfangs besitzt das Stück den Namen The String Quartet143. Pound for a Brown wird von fast allen Bands gespielt, mit denen Zappa auf Tournee ist. Die letzte Aufnahme stammt von 1992. Tabelle: Formaler Aufbau des Stücks Pound for a Brown Formteil Taktangabe Intro Thema Überleitung Thema Takt 1 Takt 6 Takt 9 Takt 12 Überleitung Mittelteil Thema und Schlussteil Takt 15 Takt 17 Überleitung oder Takt 44 Improvisation en Takt 51 Metrum 7/8 Takt und Ostinato Ostinato, jeweils ein Takt vor dem Thema allein 7/4 Takt 5/8 Takt ohne Ostinato 4 Länge Takte, des Formteils nicht immer gespielt 3½ 1 ½ Takte Takte, zweimal gespielt 25 Takte, Ein oder davon 2 ½ zwei Mal Einleitung gespielt 3½ 1 ½ Takte Takte, zweimal gespielt Ostinato, ein Bei ImprovisaTakt vor dem tionen bleiben z.T. Elemente Thema des Ostinato allein, 7/4 erhalten Takt Unterschiedliche Länge In der folgenden Betrachtung wird deutlich, dass das Material des Stücks im Intro, Ostinato, im Thema und in den Überleitungen aus wenigen Quartenakkorden besteht. Diese Quartenakkorde sind nicht wie in der Musik des Impressionismus als unverwechselbarer Klangcharakter eingesetzt, sondern dienen wie bei Schönberg144 als Konstruktionsprinzip. Deshalb können zu diesem Stück Parallelen zur frühen Atonalität vom Anfang des Jahrhunderts gezogen werden. Aufgrund gegenläufiger Metren bieten sich für den Mittelteil dagegen Vergleiche zu polymetrischen Kompositionen von Charles Ives an. PETER RUNDEL, Dirigent der Aufführung vom Ensemble Modern 143 Der frühere Titel The String Quartett ist in der Ansage auf der Aufnahme des Bootlegs Our Man in Nirvana (1968) zu hören. 144 Bspw. Arnold Schönberg: Kammersymphonie op. 9, 1906 schreibt über das Stück, dass es wie Comedy-Musik klinge und verglich es mit der Musik Kurt Weills. Rundel findet es in seiner Komplexität sehr interessant. Es gebe simple Melodien, gleichzeitig aber einen sehr raffinierten und unregelmäßigen Aufbau.145 Sein Urteil wird sich im folgenden bestätigen. Da das Stück in den einzelnen Versionen stark variiert, folgt nun die musikalische Analyse des Stücks anhand der Version von Yellow Shark. Die Partiturnoten146 und die zusammenfassenden Auszüge veranschaulichen die Ergebnisse. Das Intro Das Intro legt die metrische Grundlage des Siebenertaktes fest. Das Metrum besitzt Schwerpunkte auf eins und vier, was im ersten Takt deutlich am Wechsel der Noten in den einzelnen Stimmen zu sehen ist. Bei dem 7/8-Takt handelt es sich also um die Addition eines 3/8 und eines 4/8Takts. 1 2 3 4 5 Der Anfangston ist in allen Stimmen ein F. Sodann ist Klang 1 notiert, der aus der Quartschichtung A, D, G, C und F besteht. Ebenfalls auf Zählzeit vier, fünf und sechs im zweiten Takt erklingen die Quartenakkorde 2 und 3. Dem Quartenakkord 2 auf Zählzeit vier (C, F, B, Es) ist ein D hinzugefügt. Dieser Akkord spielt im weiteren Stück eine bedeutende Rolle. Der Akkord 5 besteht aus geschichteten Quinten und kann als Umkehrung eines Quartenakkordes angesehen werden. Deutlich zu hören ist der Terzsprung von F zu A in Trompete und Oboe (CD Nr.1 Track Nr. 12). Das F bildet im folgenden Ostinato den tiefsten Ton. Das Ostinato In der Partitur ist das Intro im 7/8-Takt notiert, auf das das Ostinato im 7/4-Takt folgt. Doch sowohl die Basslinie (Fagott), als auch die Begleitung (Horn) spielen innerhalb 145 Vgl.: Beiheft zu: Zappa - The Yellow Shark – Ensemble Modern Ist im folgenden von „der Partitur“ die Rede, so ist die Partitur der Yellow Shark Version gemeint (siehe Anhang),.erhältlich beim Ensemble Modern in Frankfurt. 146 des Taktes zwei mal dieselbe Phrase. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass nach dem Mittelteil147 das Ostinato und Pound for a Brown, Takt 5 Thema im 7/8-Takt notiert ist. Der Bass beschreibt zwei Quartenakkordbrechungen aufwärts. Die ersten drei Töne 7 14 dieser Aufwärtsbewegung sind gleich (F, B, Es). Auf dem siebten und vierzehnten Achtel folgt die Oktave über F. Mit der oberen Stimme der Hörner B und C sind die Töne des zweiten Quartenakkords aus dem Intro (Takt 2, Zählzeit 4) bis auf das D komplett. Zu der oberen Stimme der Hörner (B und C) erklingt die untere kleine Terz, also die Töne G und A. Diese Töne kommen in den anderen Quartenakkorden des Intros vor. Die Hörner erklingen auf dem dritten, siebten, zehnten und vierzehnten Achtel, d.h. auf keiner schweren Zählzeit des 7/4- oder 7/8-Taktes. In dem Ostinato wurde ein harmonisches Ostinato, die Quartenakkordbrechungen, mit einem rhythmischen Ostinato der Hörner kombiniert. Das Thema Pound For a Brown, Takt 5-7: Flöte, Bassklarinette, Marimbaphon Das Thema ist aus den Tönen der Quartenakkorde aufgebaut. Es lässt sich in zwei aufund abwärtsgerichtete Bewegungen untergliedern, wobei die Aufwärtsbewegung in schnellen Sechzehnteltriolen bzw. Sechzehnteln notiert ist. Nach einem Auftakt verweilt das Thema in Takt sechs auf dem Es. Der Auftakt ergibt mit dem Es den zweiten Quartenakkord (C, F, B, Es) des Intros. Die Töne der Abwärtsbewegung (D, G) kommen im ersten Quartenklang des Intros vor. Die zweite Auf- und Abwärtsbewegung ist verkürzt. Bei den drei Tönen handelt es sich um die des Auftaktes in verkehrter Reihenfolge (B, F, C). In der zweiten Takthälfte wird mit einem G das neunte und elfte Achtel betont. Hängt 147 Partitur Pound for a Brown S. 9, Takt 42 man noch der Vorstellung nach, es handele sich um einen 7/8-Takt, so bekommt dieser nun eine „Off-Beat“ Betonung, da ungerade Achtelzählzeiten angespielt werden, die im 7/4 auf dem fünften und sechsten Viertel stehen. Das Notenbild im Thema nach dem Mittelteil (Takt 44) macht dies deutlich. Der zweite Verweilton, das C, hat Auflösungscharakter, weil der Ton auf der Eins des nächsten Taktes gespielt wird und weil die Quinte unter dem C, das F, auf der ersten Zählzeit des Ostinatos erklingt. Die Überleitung Die Überleitung besitzt die bei Zappa übliche Sprunghaftigkeit und schnelle Bewegung. Die Abwärtsbewegung der ersten Takthälfte ist auf drei Stimmen aufgeteilt: Die Oberstimme wird von der Flöte gespielt und in der Unterstimme alternieren Oboe und Klarinette. Der Auftakt (1) besteht aus drei übereinanderliegenden Quinten. Ab dem Pound for a Brown Takt 9: Flöte, Oboe, Klarinette 1 5 212 5214 2 2 zweiten Klang (E, C) springt die Oberstimme zweimal eine Terz aufwärts, gefolgt von einer Quinte abwärts. Die Unterstimmen springen versetzt dazu zunächst eine Quinte hinunter, gefolgt von einer Terz aufwärts. Bei der zweiten Überleitung dringt die springende Oberstimme in den Vordergrund, da sie von der Trompete gedoppelt wird. Die Klammern über den Noten zeigen identische Akkorde an, wobei die Akkorde unter der untersten Klammer um eine Oktave versetzt zueinander und die unter der obersten in Umkehrung zueinander stehen. Die eingekreisten Zahlen unter den Akkorden geben an, auf welchen Akkord des Intros dieser Akkord zurückgeht. Das Tonmaterial reduziert sich somit im wesentlichen auf die Quartenakkorde des Intros. Der Mittelteil Der Mittelteil148 wird von Oboe und Klarinette in 2 ½ Takten in alternierender Spielweise vorbereitet. Diese Vorbereitung endet mit einem Sekundschritt abwärts auf dem im Ostinato so häufig vertretenen F, wodurch der Begriff Vorbereitung seine Rechtfertigung erhält. Der Mittelteil steht im 5/8-Takt. Die Melodie, die von der Flöte wird, ist dem FünferMetrum jedoch nicht zuzuordnen, weil die Schwerpunkte immer wieder auf anderen Taktzeiten liegen, und es ein Störfeuer vom Schlagwerk gibt, die einen 4/4-Takt betonen. Melodie und Rhythmus scheinen so gar nicht zueinander zu passen, und man fühlt sich an Charles Ives Militärkapellen erinnert.149 Vorherrschend in der Melodie sind Sekundschritte. Sie scheint das E zu umspielen, da auf diesem Ton häufig verweilt wird und der Ton einige Male repetiert wird. Das Ende wird durch die unterschiedlich rhythmisierte Wiederholung der Töne D A E (Takte 37/38) eingeleitet und dem in dieser Melodie bisher längsten Ton, dem E, in Takt 38. Die Melodie endet auf dem zweiten Ton des Ostinato, dem B. Wiederholung des Themas Die Wiederholung des Themas steht nun im 7/8-Takt. Im Vergleich zum ersten Themeneinsatz ist dieser um die Hälfte verkürzt. Das Thema wird nur einmal gespielt, die Taktlänge hat sich halbiert und nur ein Teil der Oberstimme der Überleitung wird so gespielt, dass jeder Ton als 32stel wiederholt wird.150 Der Schluss Der Schluss ist in den Versionen sehr unterschiedlich. Meistens schließt sich an die letzte Themenwiederholung eine Improvisation an. Eine punktierte Melodie151 wird nur in der Yellow Shark–Version gespielt, unter Umständen wurde sie nur für diese Aufführung geschrieben. Sie gleicht einer Wellenform, die vom As herauf zum C strebt, um dann von einem Sprung unterbrochen zum F herunter zu sinken. Der Tonvorrat setzt sich aus dem des Intro zusammen. In der Aufwärtsbewegung überwiegt die Quarte. Die Melodie wird beim ersten Durchlauf von einem der Blasmusik ähnlichen „Hum Ta“, 148 149 150 Partitur Pound for a Brown S. 6Takt 17 Vgl. Charles Ives: Three places in England, 1903-1914, Partitur Pound for a Brown S. 10, Takt 48-50 gespielt von Bassklarinette, Fagott, Posaune und Tuba begleitet. Beim zweiten Durchlaufen der Melodie152 spielen lediglich die Flöten ein rhythmisch gegenläufiges Thema. In der dritten Wiederholung wird die Melodie153 beschleunigt. Der Takt wechselt von 2/4 zu 3/8 und die vormals punktierte Viertel verliert ihre Punktierung. Der Rhythmus wechselt in der Bassposaune von lang – kurz (Achtel – punktierte Viertel) zu kurz – lang (Achtel – Viertel), während das Fagott einen geraden Rhythmus (nur punktierte Achtel) dagegensetzt. Hörner und Posaune spielen die letzten sechs Töne der Melodie sehr verhalten in einem Sechzehntellauf dazu. Nach dieser Wiederholung der Melodie154 wird der Sechzehntellauf deutlicher von Fagott und Bassposaune vorgetragen; dies wirkt weiter beschleunigend. Flöte, Oboe und Marimbaphon spielen dazu den Auftakt und den langen Ton Es des Themas, was reprisenartigen Charakter hat. In Takt 91 (S. 16) geht das Stück in das nächste über, wobei der Schlussakzent durch Staccato gespielte Achtel weiter getragen wird. 4.1.2 Die einzelnen Versionen von Pound for a Brown Tabelle: Die Versionen von Pound for a Brown Track auf CD Band bzw. Nr.1, Ensemble Schallplattentitel Jahr der Aufnahme Ahead of their times 1968 Electric Aunt Jernima 1968 Our man in Nirvana 1968 Uncle Meat (Studioaufnahme) 1969 offiziell veröffentlicht 1991 offiziell veröffentlicht 1991 1969 Uncle Meat, Titel des Stücks hier: A Pound for a Brown on the Bus (Studioaufnahme) 200 motels live at the UCLA 1969 1969 1970 Tengo Na´ Minchia Tanta 1971 nicht offiziell veröffentlicht offiziell veröffentlicht: 1991 *: wird analysiert 1* 2 3 4* 5* 6 7* 151 Mothers of Invention Mothers of Invention Mothers of Invention Mothers of Invention Mothers of Invention Mothers of Invention Mothers of Invention Tatsächliche Veröffentlichun g155 1993 Partitur Pound for a Brown S. 12, Takt 59, 2. Horn Partitur Pound for a Brown S. 13, Takt 66 153 Partitur Pound for a Brown S. 14, Takt 75, Fagott und Bassposaune 154 Partitur Pound for a Brown S. 15, Takt 83 155 Tonträger, hinter denen offiziell veröffentlicht bzw. nicht offiziell veröffentlicht steht, waren bzw. sind keine autorisierten Versionen, waren bzw. sind also nicht im Handel erhältlich. Zappa hat 1991 mehrere solcher Bootlegs selbst veröffentlicht, um das illegale Geschäft mit diesen Raubpressungen zu untergraben. 152 Track auf CD Band bzw. Nr.1, Ensemble Schallplattentitel Jahr der Aufnahme *: wird analysiert 8* 9 10 11 * 12 * Frank Zappa Zappa in New York Frank Zappa At The Circus, Aus dem Konzertfilm im Zirkus-Krone, München: Zappa – We don’t mess around Frank Zappa You can’t do that on Stage anymore Frank Zappa The Godfather In Full Metal Jacket Frank Zappa The Yellow Shark und das Ensemble Modern 1977 1978 Tatsächliche Veröffentlichun g155 1977 Nur als Film/Video erhältlich 1982 1992 1988 nicht offiziell veröffentlicht 1993 1992 Die mit * gekennzeichneten Versionen 1, 4, 5, 7, 8, 11 und 12 werden im folgenden genauer analysiert. Auf die Analyse von Nummer 2, 3, 6, 9 und 10 wird verzichtet, da sie anderen Versionen zu ähnlich sind. Im folgenden wird gezeigt, dass das musikalische Material des Stücks immer wieder neu beleuchtet und in kleinen Details dem Stil der Zeit angepasst wird. Im Laufe der Jahre vereinfacht sich Pound for a Brown in seiner polyphonen Struktur in den Rockversionen zu einem Stück mit nur einer Melodie. Gleichzeitig wird der Rhythmus komplexer und das Arrangement ist durch die Anforderung des exakt auszuführenden Unisonospiels vieler Instrumente spieltechnisch schwerer. Die letzte Fassung (Yellow Shark) dreht diesen Trend um. Frühe, extravagante Rockmusik: Ahead of their Times, 1968 CD 1, Tracknummer 1 Die Instrumentation der Version setzt sich aus Schlagzeug, Perkussion, Bassgitarre, EGitarre (unverzerrt), Klarinette und Saxophon zusammen. Der Perkussionist schlägt lediglich auf einer zweiten Snare-drum das jeweils vierte und siebte Achtel, was auf dem linken Kanal, trocken und direkt abgemischt, zu hören ist. Das Schlagzeug betont die Viertel und überspielt somit den 7/8-Takt des Perkussionisten. Die Bassgitarre spielt das Ostinato und die Gitarre das Thema. Klarinette und Saxophon spielen die zweite und dritte Stimme des Themas und der Überleitung sowie den Mittelteil. Im Mittelteil setzt das Schlagwerk alle zwölf Viertel einen Akzent, während auf den anderen Vierteln lediglich der Schellenkranz die Viertel durchschlägt. Im Anschluss an das Zwischenspiel gibt es eine freie Improvisation von Klarinette, Saxophon und Gitarre, in der nur der Schellenkranz ein Ordnungselement darstellt. Zum Teil werden Phrasen des Mittelteils verwendet. Im Anschluss des letzten Themas folgt eine ausgedehnte Improvisation Zappas auf der E-Gitarre. Das Solo wird meist über den Tönen der a-Moll/C-Dur Tonleiter gespielt und von einer Mischung aus Tonalität und Quartenharmonik begleitet. Der Klang der Version entspricht größtenteils dem der Rockmusik der damaligen Zeit. Die Gitarre wird oft noch unverzerrt und ohne klangtechnische Verfremdung gespielt, das Schlagzeug wird ebenfalls unverändert abgemischt und die elektrische Bassgitarre steht am Anfang ihrer klanglichen Möglichkeiten. Der Schellenkranz, der in den folgenden Jahren aus der Mode kommt und heutzutage oft mit „Flower Power“ und Songs wie California Dreaming von The Mamas and the Papas verbunden wird, vermittelt ebenfalls den Sound der Zeit. Die Version des Albums Ahead of their Times hat ansonsten stilistisch mit Flower Power- und Hippie-Musik kaum etwas gemeinsam. Das Stück, das auf Quartenharmonik basiert, wurde mit typischen Rockinstrumenten wie Schlagzeug EBass und E-Gitarre und weniger typischen wie Klarinette und Saxophon adaptiert. Mit einem durchgehenden Beat baut Zappa ein wesentliches Stilelement der Rockmusik in das Stück ein. Die freie Improvisation im Anschluss an den Mittelteil gehört stilistisch in den Free Jazz. Klangexperimente: Uncle Meat 1969 CD 1, Tracknummer 4 & 5 Die zwei Versionen von Pound for a Brown und Pound for a Brown on a Bus auf der Schallplatte Uncle Meat gleichen sich insofern, als dass die Instrumente mit den Möglichkeiten der damaligen Zeit, mit Hilfe eines Ringmodulators, Filtern oder eines Oszillators, verändert werden. Bei der Prozedur moduliert Zappa den Klang nicht insgesamt, sondern jedes Instrument für sich. Manche Instrumente werden durch Erhöhen der Bandlaufgeschwindigkeit verfälscht, wodurch der „Mickey Mouse Effekt“ – der durch eine Formantverschiebung etwas quäkende piepsige Klang – entstand. Die Instrumentierung lässt sich aufgrund der klangtechnischen Veränderungen auf dem Album Uncle Meat nicht gänzlich nachvollziehen. Bei Pound for a Brown sind wiederum Klarinette und Saxophon deutlich zu erkennen. Bei Pound for a Brown on a Bus könnte es sich um die gleichen, jedoch verfremdeten Instrumente handeln. Die Akkordbrechungen des Ostinatos werden von einem verfremdeten, höher klingenden Fagott gespielt, dass in Pound for a Brown on a Bus kaum noch als solches zu erkennen ist. Das Schlagzeug spielt dominanter durch Hinzufügen vieler Breaks und Fill-ins, und nicht wie in den bisherigen Versionen lediglich einen sturen Viertel-betonenden Schlag. Es hat sich in dem Stück mehr zu einem eigenständigen Instrument gewandelt und ist nicht mehr nur der Metrums-Verstärker. Im Hintergrund klingt ein Instrument wie ein Glockenspiel, es könnte sich auch um die schneller gedrehte Aufnahme eines Xylophons handeln, da dies in anderen Stücken des Albums vertreten ist. Pound for a Brown CD 1, Tracknummer 4 In der zweiten Wiederholung des Themas und im Mittelteil ist ein seltsam verfremdetes Fagott vertreten, das im Mittelteil eine unregelmäßige Folge der Töne Es und As spielt. Eine kurze Zeit scheint es einen Rhythmus gefunden zu haben und spielt zweimal Es und zweimal As, bricht dann aber wieder aus dem Rhythmus heraus. Die Folge der beiden Töne erscheint willkürlich und nach dem Niederschreiben der Folge bestätigt sich dieser Eindruck.156 Dadurch, dass die Töne begrenzt und im Quintabstand liegen und fortwährend begleiten, hat die Stimme den Charakter eines „kaputten“ Ostinatos. Der Rhythmus wirkt sehr träge, als wäre die Bandlaufgeschwindigkeit bei den Blasinstrumenten verlangsamt worden. Ohne eine Schlusswendung bricht das Stück nach zweimaligem Thema nach dem Mittelteil ab, bzw. wird von einem Lachen und Grunzen abgelöst – möglicherweise ein Kommentar Zappas. Pound for a Brown on a Bus CD 1, Tracknummer 5 Viel deutlicher meint man eine Manipulation der Bandlaufgeschwindigkeit in dieser Version zu hören. Dieser Eindruck entsteht u.a. durch das Fehlen tiefer Frequenzen bei einzelnen Instrumenten, die vermutlich mit einem Highpass Filter gekappt worden sind. Pound for a Brown on a Bus erklingt jedoch eine kleine Sekunde tiefer als die andere Fassung auf der Platte. 156 Die ersten Takte der Folge sind im Anhang unter „Fagott – „Ostinato“ im Mittelteil von Pound for a Brown auf dem Album Uncle Meat; CD Nr.1, Track Nr. 4“ notiert. Das Ostinato des Themas und das „kaputte“ Ostinato der ersten Version im Mittelteil wird hier von einer Bassgitarre gespielt. Nach dem Mittelteil wurden dem Thema noch zwei ergänzende Stimmen hinzugefügt. Zum Ende hin beschleunigen die Instrumente, der Schlagzeuger spielt nur noch die Snare Drum und der Schlusspunkt wird durch ein Cembalo gesetzt. Ein Sprecher sagt „Fade“, ein Scherz Zappas, da es sich gerade nicht um einen ausgeblendeten Titel handelt. Zusammenfassend ist festzustellen, dass mit Pound for a Brown und Pound for a Brown on a Bus Zappas avantgardistischer Anspruch zum Ausdruck kommt, da er hier rege und für Rockmusik in eher untypischer Form mit den technischen Möglichkeiten eines Studios experimentiert hat. Was zur damaligen Zeit nur in wenigen Studios versucht wird und in vielen Fällen nicht das Licht und die Ohren der Öffentlichkeit erreicht, schafft Zappa mit den Stücken des Albums Uncle Meat. Er entwirft durch klangtechnische Verfremdungen aus den alten neue Instrumente, bzw. verändert den Klang nach seinen ästhetischen Vorstellungen. Zum Teil sind die Instrumente nicht nur verfremdet, sondern nicht einmal mehr zu erkennen - so entwickelt Zappa mit technischen Mitteln neue Klänge. Die Uncle Meat-Versionen weichen von denen ab, die vorher auf den Bühnen gespielt wurden. Es handelt sich um das gleiche Stück von den gleichen Musikern gespielt, jedoch war es nicht möglich, den Klang „live“ zu modifizieren. Das Stück ist in dieser Version elektronische Musik der 60er Jahre mit einem durchgehenden Schlagzeug-Beat, der typisch für die Rockmusik ist. Das Klangmaterial, das elektronisch verändert wurde, stammt von herkömmlichen Instrumenten. Psychedelischer Einfluss: Tengo Na´ Minchia Tanta 1971 CD 1, Tracknummer 7 Das Schlagzeug spielt in dieser Version durchgehend einen 8/4-Takt mit Akzenten auf der ersten und vierten Zählzeit, statt wie in den vorherigen Fassungen durchgehende Viertel. Aufgrund dessen scheint die erste Themenwiederholung zu früh einzusetzen, da das Ostinato schon 14 Achtel gespielt hat, bis das Thema wieder erklingt, das Schlagzeug aber seine 16 Achtel noch nicht vervollständigt hat. Die eins des Schlagzeug fällt daher mit dem zweiten Viertel des Themeneinsatzes zusammen. Die Version weist eine neue Polymetrik bestehend aus dem 7/4-Takt des Themas gegenüber dem 8/4 des Schlagzeugs auf. Das Intro leitet das Stück wieder sehr zackig ein, ähnlich wie in der Ahead of their Times -Version. Im folgenden wird es aber durch die Spielweise des Schlagzeugers gemächlicher, da dieser nicht mehr jedes Viertel schlägt. Einige Perkussionsinstrumente sind hinzugekommen wie Cabaca und Maracas (bzw. ähnlich klingende Instrumente), die während des Themas Sechzehntel spielen. Somit ist das Schlagwerk vielseitiger geworden. Die Achtelläufe des Ostinatos setzen erst mit der Melodie ein und sind nicht mehr so prägnant wie in den bisherigen Versionen, auch fallen sie bei der Überleitung weg, stattdessen ist die harmonische Begleitung durch Orgel und Fender RhodesKeyboard lauter. Diese Instrumente sind mit diversen Effekten belegt. Eine weitere Besonderheit ist, dass das Thema nun unisono von Gitarre und Keyboard vorgestellt wird. Es zeichnet sich die Vorliebe Zappas ab, Melodien und Überleitungen von mehreren Instrumenten gleichzeitig spielen zu lassen.157 Die Gitarrenimprovisation am Schluss des Stücks wird immer wieder durch eine elektrische Orgel erwidert. Nach der ersten Minute gleicht der Klang der verzerrten Gitarre, der Orgel, dem Rhodes und des reagierenden impulsiven Schlagzeugs, sowie die modale Spielweise mancher psychedelischer Musik der Zeit, beispielsweise der Gruppe Pink Floyd oder Supertramp.158 Dieser Eindruck wird durch die in Tempo, Rhythmus und Begleitung sich weiterentwickelnde, sich ständig verändernde und lang ausgedehnte Improvisation verstärkt. In der Version Tengo Na´ Minchia Tanta steckt wieder der Sound der Zeit. Synthetische Klänge: Zappa in New York 1977 CD 1, Tracknummer 8 Diese Version fällt in eine Zeit, in der Zappas Rockstücke sehr Synthesizer-betont werden. Gespielt wird sie von Schlagzeug, Perkussion, Bassgitarre, Gitarre (Solo), mehreren Synthesizern (u.a. Hammond Orgel und Wurlitzer Piano) und im Schlussakzent von verschiedenen Bläsern (Trompete, Saxophone). Das Intro fällt hier weg, und das von einem Minimoog-Synthesizer mit Chorus-Effekt gespielte Ostinato leitet vom vorherigen Stück in den neuen Rhythmus über. Der entscheidende Unterschied zu den bisherigen Fassungen besteht in dem Groove des Schlagzeugs, dass leicht und improvisierend einen 7/8-Takt spielt. Oft betont es das 157 158 Vgl. Kapitel 3.3.3 Vgl.: Improvisationen auf dem Album Ummagumma von Pink Floyd (1969) und im Titel Try siebte Achtel. Im Mittelteil ändert sich der Takt der Rhythmusgruppe zum 4/4 und kurz hinter der vierten Zählzeit (ca. ein Sechzehntel nach der Vier) wird ein Akzent gesetzt. Das Ostinato wird zu Beginn des Stücks und nach dem Mittelteil von den Terzen auf dem dritten und siebten Achtel unterstützt. Das Thema wird nicht mehr von mehreren Instrumenten gespielt, sondern nur vom Synthesizer. Die Überleitungen werden ebenfalls von einem Synthesizer gespielt, dessen Ausgangssignal durch zwei Oszillatoren geleitet wird, die ungefähr eine Sekunde gegeneinander verstimmt sind. Dadurch klingen alle Töne sehr dissonant, als würde sie von zwei verstimmten Instrumenten stammen. Die Vorbereitung zum Mittelteil erfolgt vom Xylophon, das mit dem Keyboard kaum hörbar die erste Stimme im Mittelteil unisono mitspielt. Nur am Schluss des Mittelteils fallen noch das Schlagzeug und die Bassgitarre in das Unisonospiel ein. Im Anschluss an das letzte Thema spielt Zappa ein Gitarrensolo, dass anfangs mit den Akkordbrechungen des Ostinatos begleitet wird. Im Verlauf des Solo wird das Ostinato aber mehr und mehr abgewandelt und verschwindet schließlich ganz. Nur der 7/8Rhythmus bleibt bestehen. Kurz bevor das Stück in einem Cluster von Bläsern und Bass untergeht, spielt der Bass viermal taktweise den Lauf F, Es, D und C. Die Vielfalt der klanglichen Möglichkeiten eines Synthesizers werden von Zappa bei Zappa in New York verstärkt genutzt. Ebenfalls tritt die Perkussion durch ein Xylophon, das das Thema spielt und dem 7/8-Takt des Schlagzeugs weiter in den Vordergrund. Die Klänge werden zunehmend von den Synthesizern erzeugt, wodurch das ganze Stück elektronischer klingt. Die Akkordbrechungen des Ostinato stehen sehr im Vordergrund, wodurch das ohnehin hohe Tempo dieser Version noch mehr auffällt. Big Band – Unisono: The Godfather In Full Metal Jacket 1988 CD 1, Tracknummer 11 Beim Hören dieser Version kann man verstehen, warum Zappa zur Vorbereitung der Tournee von 1988 vier Monate probt. Es handelt sich wieder um eine nicht autorisierte Aufnahme, doch macht sie gerade dadurch deutlich, dass die 88iger Band in der Lage ist, nicht nur vereinzelt technische und musikalische Höchstleistungen zu vollbringen, wie sie als Essenz auf den drei Live-Alben veröffentlicht werden, sondern dass sie so Again auf der ersten Platte der Gruppe Supertramp (1971) perfekt eingestimmt ist, diese Leistungen bei beinahe jedem Konzert darzulegen. Im rasanten Tempo spielen mehrere Bläser (Saxophone, Trompete, teilweise Posaune) mit dem Vibraphon unisono die Melodie, die Zwischenspiele und den Mittelteil. Am Ende des Mittelteils spielen alle Instrumente unisono, d.h. neben den drei Saxophonen, der Trompete und der Posaune sind noch Vibraphon, Schlagzeug und Bass vertreten. Die zwei Gitarristen und der Keyboarder werden an dieser Stelle nicht untätig geblieben sein und sind vermutlich nur aufgrund der schlechten Aufnahmequalität nicht herauszuhören. Die Akkordbrechungen des Ostinatos sind nicht mehr gut zu erkennen, da die Klangfarbe der einzelnen Achtelnoten differiert. Verlangsamt man dagegen mit dem Computer das Tempo der Aufnahme, kann man das Ostinato genauer analysieren. Es steht im 7/4-Takt, d.h. wieder gehören jeweils zwei Achtelphrasen zusammen. Von welchem Instrument die Akkordbrechungen des Ostinatos gespielt werden, ist nicht genau zu erkennen, doch handelt es sich vermutlich um eine Orgel mit Keyklick. Bass, Gitarre und ein Keyboard spielen unisono Es auf dem dritten, sechsten, zehnten und zwölften Achtel und F auf dem siebten und vierzehnten. Das Schlagzeug spielt versetzt dazu. Beispielhaft für die rhythmische Vielschichtigkeit der Ostinati der Versionen von 1977 bis 1988 im 7/4Takt wird dieses Ostinato der 88er Version hier dargestellt. Die Improvisation im Anschluss an das letzte Thema hat wie so oft nicht mehr viel mit dem eigentlichen Stück zu tun, da nun ein 4/4-Takt gespielt wird, und modal über esMoll improvisiert wird. Nach dem Keyboard Solo mit synchron geführter Stimme gibt es eine Passage mit vielen Elementen vom Synclavier. Hätte Zappa diesen Titel selbst veröffentlicht, hätte er diesen Teil möglicherweise nicht mehr zu Pound for a Brown gerechnet. Mit dieser Version ist der Höhepunkt des Unisono-Spiels erreicht. Das Stück besteht nur noch aus zwei Klangschichten: die erste, die durch das Ostinato mit seinem Rhythmus gegeben ist, und die zweite, dem Unisono der Melodie. Es gibt keine zweiten Melodiestimmen mehr. Das Tempo und die Instrumentierung geben der Version die Wucht einer Big-Band beim Tutti. Über die elfköpfige Band sagt Zappa, dass er alle Musiker bei möglichst vielen Stücken beschäftigen will, außerdem schafft er aus dem Zusammenspiel aller neue Klangfarben, die größtenteils von nicht-elektronischen Instrumenten stammen. Das Faszinierende an dem Stück in dieser Version ist, dass es schwierig zu spielen ist. Es wurde zwar im musikalischen Material durch Einstimmigkeit vereinfacht, dagegen durch das hohe Tempo der exakt unisono spielenden Instrumente und einen vielschichtigen Rhythmus gleichzeitig spieltechnisch anspruchsvoller. Frank Zappa und das Ensemble Modern: The Yellow Shark, 1992 CD 1, Tracknummer 12 Nicht immer muss Ernste Musik ohne Spaß sein, wie Zappa in Kapitel 3.2.1 anmerkt, denn diese Version, die man, wenn man gewillt ist, am ehesten der Ernsten Musik zuordnen kann, besitzt eine fröhliche Lebendigkeit. Es handelt sich um die komplexeste Version von Pound for a Brown, denn alle bisherigen zweiten Stimmen, das Intro und ein langer auskomponierter Schluss sind vertreten. Neben der Instrumentierung und dem viel langsameren Tempo ist der fehlende komplexe Rhythmus vom Schlagwerk der entscheidende Unterschied zu den Rockversionen. Lediglich im Mittelteil erklingen Schellenkranz und eine Trommel, die jedoch nichts mit einem Rock-Schlagzeug gemeinsam haben. An dieser Stelle erinnert die Version einerseits an Ives Militärkapellen, da Schellenkranz und Trommel einen 4/4-Takt durchschlagen, andererseits an die frühen Rockmusikversionen des Stücks, in denen mit dem Schellenkranz jedes Viertel geschlagen wird. Bemerkenswert ist, dass die Perkussionsstimmen nicht in der Partitur stehen. Ich habe die Partitur mit dem Hinweis bekommen, dass noch einige Änderungen vorgenommen wurden, wie beispielsweise das Hinzufügen von Kuhglocken (Cow bells) in das Intro. Trotzdem ist es nicht sicher, ob der Schellenkranz und die Trommel erst in den Proben hinzugefügt wurden, als Rückgriff auf die Stilelemente der Rockmusik. Vielleicht fehlte Zappa die Polymetrik der im 5/8-Takt notierten Melodie des Mittelteils und dem 4/4- Takt, der in vielen Versionen zu hören ist. Die Unterbrechung des Rhythmus (Takt 2628) klingt wie eine Irritation des Perkussionisten einer Marschkapelle, der plötzlich aufwacht und merkt, dass er mit der Melodie nicht mehr mitkommt. Die Version ist ein Beispiel für Zappas Konzeptionelle Kontinuität. Dafür spricht im Detail, dass das Stück wieder in weiten Teilen von Holzbläsern dominiert wird, der Schellenkranz aus den 60er Jahren zum Einsatz kommt und so das Stück dem Stil der Ausgangsversion - dem Streichquartett - durch das Ensemble Modern mit traditionellen Instrumenten der klassischen Musik näher rückt. Der Kreis schließt sich. Es ist schwierig zu beurteilen, welchen Anteil Zappa am Arrangement des Stückes hatte, da als Arrangeur Ali Askin angegeben ist. Jedoch gibt es in dem Arrangement zahllose Merkmale, die auf Zappa hinweisen, z.B. die Dopplung des ersten Themas von Flöte und Bassklarinette mit Marimbaphon, und die Akkordbrechungen des Ostinatos, gespielt von einem Fagott (vgl. Versionen auf Uncle Meat). Im Schlussteil erklingen die von Zappa gerne verwendeten Septolen, Quintolen sowie eine Nonole - von Flügelhorn Trompete und Marimbaphon unisono gespielt. Es ist anzunehmen, dass Ali Askin vor allem die von Zappa ungeliebten Arbeiten übernommen hat, die anfallen, wenn das Stück fertig ist.159 Mit dieser Version widerspricht Zappa der von ihm in den 60er Jahren formulierten Vorstellung eines modernen Orchesters (vgl. Kapitel 2.5), da er keine Instrumente der Rockmusik hinzugenommen hat. Das Stück klingt dadurch, dass es nicht über einen in der Rockmusik gewöhnlichen Klangteppich aufgebaut ist, sehr luftig. Den HörerInnen wird der hallende Klang eines klassischen Konzertsaals vermittelt. Es hat nur wenig von seiner Frechheit eingebüßt und hat nichts mehr mit Rockmusik gemeinsam. 4.1.3 Zusammenfassung Mit dem Stück Pound for a Brown lässt sich Konzeptionelle Kontinuität nachweisen, denn Zappa hält eine Komposition aus seiner Jugend immer noch für tragfähig, um sie Jahre später im Rahmen von Yellow Shark in neues Licht zu stellen. Für Zappa ist weder die Frage interessant, in welchem Rahmen ein Stück gespielt wird, noch welche Gedanken den Komponisten inspirieren und ob Instrumente „höherer kultureller Wertigkeit“ spielen. Entscheidend ist für ihn nur, wie es klingt. Für seine Klangvorstellungen nutzt er die vielfältigen Möglichkeiten der Instrumentation der Rockmusik ebenso wie die der „klassischen“ Instrumente. Das ursprünglich als Streichquartett komponierte Stück Pound for a Brown wird zunächst von klassischen Blas- und modernen Rockinstrumenten gespielt. Auf der ersten Plattenaufnahme werden diese Holzblasinstrumente elektronisch z.T. stark verfremdet. 1968 wird das Thema auf einer Gitarre gespielt, um dann in den 70er Jahren von Synthesizern abgelöst zu werden, wodurch der Klang sehr synthetisch wird. In der letzten Version sind die Holzbläser (neben Blechbläsern) wieder vertreten. Zappa selbst tritt als Instrumentalist bei allen Versionen nur einige Male beim Spielen des Themas und bei der anschließenden Improvisation in Erscheinung. Die zweiten Stimmen verschwinden mit den Jahren zugunsten des mehrfachen Unisonos. Seit 1971 wird in den vorliegenden Versionen das Thema einstimmig gespielt,160 seit 1977 fehlt die zweite Stimme bei der Überleitung und 1977, 1982 und 1988 erklingt der Mittelteil ebenfalls einstimmig. In der klassischen Instrumentation des Ensemble Modern erscheinen wieder alle zweiten Stimmen. Seit 1971 gibt es bei Zappa den Trend, die Hauptstimmen unisono zu führen. Waren es 1971 noch zwei Instrumente, so sind es in der 88er Version zwischen fünf und zwölf Instrumenten, die genaue Bestimmung der Anzahl ist mit dieser Aufnahme dennoch nicht möglich. Seit 1977 ist eines der unisono spielenden Instrumente ein Vibraphon oder ein Marimbaphon. Das Ostinato bekommt in den Rockversionen verschiedene dynamische Schwerpunkte: In einigen Versionen überwiegen die Akkordbrechungen, in anderen die rhythmischharmonischen Akzente. Im Zusammenklang mit dem Schlagzeug wird der Rhythmus zunehmend komplexer. Die Klangfarben des Stücks wechseln mit der Entwicklung der elektronischen Instrumente; neben diesen ändert sich auch die Zusammensetzung und die Stimme des Schlagzeugs. In den 70er und 80er Jahren verschwindet der Schellenkranz zugunsten anderer Perkussionsinstrumente. Das Schlagzeug spielt anfangs die Viertel durch und in Ahead of their Times sehr dezent einen 7/8-Takt. Seit der 77er Version schlägt es in den Rockversionen einen deutlichen Siebener Takt. Zappa versteckt vor seinen weniger aufmerksamen ZuhörerInnen gerne ungewöhnliche 159 Vgl. Aussagen Zappas über die langweiligen Arbeiten beim Komponieren in Kapitel 3.5 Eine Ausnahme bildet eine einmalige, neue, zweite Stimme in der Version von 1978, die nicht analysiert wird. 160 Metren, indem er sie so spielen lässt, dass sie nicht besonders auffallen.161 So spielt er vor Tausenden von Menschen sehr vertrackte Stücke, die gerade in dieser Spielweise akzeptiert werden. Weil der Rhythmus den im Rock üblichen prägnanten Beat besitzt, wird das Stück für Rock-Rezipienten leichter zugänglich. Für diese HörerInnen ist außerdem nicht nur Schlagzeug, Bass, d.h. die Musik entscheidend, sondern auch das Erlebnis eines Konzerts bzw. einer Massenveranstaltung. Mit dem Stück bleibt Zappa immer ein Avantgardist. Er verwendet für Rockmusik eher untypische Metren, experimentiert mit den technischen Möglichkeiten des Studios in den Versionen von Uncle Meat, setzt über die Jahre hinweg spieltechnische Maßstäbe auf den Rock-Bühnen und lässt es in der letzten Version von einem der angesehensten Ensembles für Neue Musik präsentieren. Improvisationen werden dem Stück angefügt oder integriert, die aber kaum Zusammenhänge mit dem Material des Stücks aufweisen. Sie sind Ausdruck für die Vorliebe Zappas, Improvisationen als Spontankompositionen zu betrachten. Die harmonische Grundlage für die modalen Improvisationen wechselt und nur bei einigen Versionen wird das Siebener-Metrum in die Improvisation überführt. Zappa vermag es, ein Stück, das auf Quartenharmonik und Polyrhythmik basiert, in unterschiedliche stilistische Zusammenhänge zu stellen. Es wirkt sowohl in unterschiedlichen Rockinstrumentierungen, als Elektronische Musik sowie mit traditionellen Instrumenten. Zappa führt den Beweis, dass es möglich ist, einem breiten Publikum derartige Musik zugänglich zu machen, und ist erfreut über Anhänger seiner Musik, die ihm schreiben, dass sie durch sie zu den Komponisten des Jahrhunderts gefunden zu haben. 4.2 Das Stück Dupree’s Paradise Die ersten Aufnahmen des Stücks entstehen Anfang der 70er Jahre, als Zappa eine Reihe von Jazzrock Alben herausbringt. Zur Betrachtung des Stücks stehen lediglich einige Seiten des Albums Boulez conducts Zappa - The Perfekt Stranger zur Verfügung (siehe Anhang: Partitur von Dupree’s Paradise, Chamber Ensemble Score). FISH und WATSON schreiben über die Version Dupree’s Paradise auf dem Album The 161 Vgl. Pressemitteilung Kapitel 2.4 Perfect Stranger: Dupree’s Paradise is a composition from the Roxy era [Roxy and elsewhere, Schallplatte von 1972; d. Verf.] which the band has performed as a jazz burlesque (see You can’t do that on stage anymore Vol.2) The ensemble turns it into a haunting shiny mechanism full of lingering sighs and sad transitions. 162 Das Stück wird nicht zur Zeit seiner Entstehung veröffentlicht, sondern erst 1984 in einer bearbeiteten Version vom Ensemble Intercontemporain unter der Leitung von PIERRE BOULEZ. Die Analyse wird zeigen, dass Zappa für diese Version das Material verdichtet, indem er das Taktgefüge durch Verkürzen oder Verlängern einzelner Takte unregelmäßiger gestaltet und die Klangfarben des Ensembles vielfältiger nutzt als die der Rockband. 4.2.1 Formaler Aufbau von Dupree’s Paradise Tabelle: Aufbau und Versionen von Dupree’s Paradise Schallplattentitel, Jahr der Aufnahme und Veröffentlichung Track auf CD Nr. 2 Formteil Intro Takt 1-8 Teil A Takt 9-21 Teil Β im 9/8 Takt Takt 22-29 Teil C Takt 30-46 Intro und Teil A 1. Mothers Of Invention: Piquantique – Stockholm, 1973, nicht offiziell veröffentlicht 162 3. Mothers of Invention: Unmitigated Audacity, Notre Dame, Indiana, 1974, nicht offiziell veröffentlicht 4. Boulez conducts Zappa: The Perfect Stranger, 1984 5. Frank Zappa: Make A Jazz Noise Here, 1988 In allen Versionen vorhanden Nicht vorhanden Improvisation oder Zwischenspiel Reprise 2. Frank Zappa: You Can’t Do That On Stage Anymore, 1974, veröffentlicht 1988 Nicht vorhanden Nicht vorhanden vorhanden vorhanden In allen Versionen vorhanden Nicht vorhanden Nicht vorhanden Nicht vorhanden Intro und Teil A Watson, Ben: The complete guide to the music of Frank Zappa. S. 130 Introrhythmus und Teil A, B, und C 4.2.2 Analyse der Formteile Das Intro Im Intro wird viermal eine rhythmisch Phrase wiederholt, die – falls Melodieinstrumente spielen – durch nur zwei Töne im Quartabstand einer Fanfare ähnelt. Der Rhythmus dominiert in weiten Takt 1: Intro: Dupree’s Paradise Teilen aller Versionen. Wenn die Fanfare mehrstimmig erklingt, dominiert die Oberstimme, und in anderen Versionen spielt nur die Rhythmusgruppe. Die Phrase ist über einen 2/4 plus 6/8-Takt notiert, die sich zu einem 10/8-Takt zusammenfügen. Deshalb ist dieses Stück nach LUDWIG163 ein Beleg für Zappas stilistisches Mittel der Addition von Grundmetren164. Betont werden in der 10/8 Schreibweise das erste, dritte, fünfte, siebte, achte und zehnte Achtel, d.h. am Anfang ist die Betonung regelmäßig und mit dem einzigen Viertel auf dem achten Achtel erfolgt der Wandel. Das zehnte Achtel ist auch auftaktig zur nächsten Fanfare zu sehen und somit janusköpfig. Teil A Der Teil A (Takt 9-21) gliedert sich in zwei nahezu gleiche Teile. Diese Teile wiederum haben einen zweitaktigen Vorder- bzw. einen Nachsatz165 mit jeweils einem Takt Zwischenspiel. Die ersten sieben Noten von Vorder- und Nachsatz entsprechen einander. Der Rhythmus des Vordersatzes ist identisch mit dem der Fanfare, im Nachsatz sind drei Achtel angehängt. Die Töne von Vorder- und Nachsatz sind der Pentatonik auf E entnommen.166 Teil B In den acht Takten des Teils wird jeden Takt die gleiche Melodie gespielt. LUDWIG unterteilt den 9/8-Takt in 4/8 + 5/8, da im 4/8 Achtel und im 163 Vgl. Ludwig, Wolfgang: Untersuchungen zum musikalischen Schaffen von Frank Zappa. S. 108 f. 164 siehe Kapitel 3.3.2 Metrik Die Begriffe „Vorder- und Nachsatz“ dienen hier als Hilfsmittel und sind nicht als Teil einer klassischen Periode zu verstehen. 165 5/8 Viertel bzw. Achtel mit anschließender Achtel-Pause gespielt werden.167 Die Melodie klingt dadurch stolpernd, so als gäbe es immer ein Achtel zu viel. Zu den Tönen des 5/8-Taktes spielt der Bass jeweils zwei Takten den Ton D und zwei Takte Es. Der Teil B lässt sich somit in zwei identische Teile unterteilen, die eine Länge von vier Takten haben. Teil C Der Teil C steht im 3/4-Takt und gleicht mit längeren Notenwerten ein wenig die vorherige Unruhe aus. Der Taktwechsel von Teil B zu C wirkt beruhigend, da es scheint, als würde der 3/4-Takt aus dem 9/8-Takt durch Zusammenfassung von jeweils drei Achtelnoten hervorgehen. Die Melodie im 3/4-Takt besitzt eine abschließende Wirkung. In der dritten Version des Stücks endet es ohne weitere Improvisation an dieser Stelle. 4.2.3 Die einzelnen Versionen von Dupree’s Paradise Dupree’s Paradise als früher Jazzrock CD 2, Tracknummer 1,2 u. 3 Die Versionen des Stücks gleichen sich insofern, als dass sie dem Jazzrock zuzuordnen sind. Die Instrumentierung weist kleine Unterschiede auf. Die Spielweise vor allem der Rhythmusgruppe ist nicht geradlinig wie für Rock üblich und der Anteil der Improvisationen ist sehr hoch. Der Jazzrock entstand zu der Zeit erst, doch waren sich beide Stile nicht so fremd wie heutzutage. Jazz- und Rockbands traten auf den gleichen Festivals auf. Relativ neu war auch die Violine im Jazz,168 d.h. es gab noch wenige bekannte Geiger, die sich dem Jazz verschrieben hatten. Das Intro in den Versionen besteht aus einer viermaligen Wiederholung des 5/4- bzw. 10/8-Taktes. Nur in der ersten Version wird die Phrase vom Bass mitgespielt, in den anderen erklingen Akkorde auf der jeweils ersten Zählzeit. In den beiden 74er Versionen wird das Intro erweitert. Vor der rhythmischen Phrase des Intros spielt Keyboard und Vibraphon abwechselnd eine schneller werdende Folge von Noten, die 166 167 168 Siehe im Anhang: Partitur von Dupree’s Paradise, Chamber Ensemble Score. Vgl. Ludwig, Wolfgang: Untersuchungen zum musikalischen Schaffen von Frank Zappa. S. 109 In der Version von 1973 spielt der französische Jazzgeiger Jean Luc Ponty zum eigentlichen Tempo des Stücks hinführt. Ist das Tempo des Stücks erreicht, erklingt die rhythmische Phrase. An das Intro schließt sich ein Takt mit einer Folge schneller Noten vom Vibraphon an, die kontrastierend eingeschoben wird. Im Teil A wird der 10/8-Takt beibehalten, genauer gesagt spielt die Band zwischen Vorder- und Nachsatz einen 10/8-Takt als Zwischenspiel der Rhythmusgruppe. Die Teile A und B werden von zwei Instrumenten Unisono gespielt, eins davon ist immer das Vibraphon. In der 73er-Version spielt die Violine mit, in den beiden anderen das Keyboard. Im Teil C erklingt zusätzlich ein Saxophon oder in der dritten Version eine Trompete. In den Versionen mit Improvisation gibt es keine Reprise. Die Improvisation wird in der 73er-Version mit H-Dur und in der 74er-(Helsinki)-Version mit jeweils zwei Takten hMoll und zwei Takten a-Moll begleitet. In der Helsinki Version schließen sich an die Improvisation der Flöte die Improvisationen von Bass, Keyboard und Schlagzeug an. Die Version von 73 bricht nach der Violinenimprovisation ab. Die Improvisation in einem Jazzrock Stück ist zwingender Bestandteil des Stücks. Deshalb muss die Improvisation bei der Betrachtung solcher Stücke mit berücksichtigt werden. Trotz der relativ schlechten Aufnahmequalität beeindruckt die erste Version mit der individuellen Improvisation des Geigers Jean Luc Ponty. Auch die zweite Version bietet ungeheuer vielfältige Improvisationen und spielt die Themen mit großer Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit. Gegen Ende einer Welttournee ist die Band Zappas sehr gut aufeinander eingespielt, so dass die schnellsten Unisonoläufe mit großer Exaktheit vorgetragen werden und virtuos klingen. Die dritte Version ist allenfalls ein Dokument, denn sie bietet nichts Neues, und es gibt keine Improvisation im Anschluss. 4.2.4 Modifikation für Boulez: The Perfect Stranger, 1984 CD 2, Tracknummer 4 Das ursprüngliche Stück wurde neu arrangiert und erhielt einige Änderungen. Die rhythmische Phrase des Intros wird wieder viermal gespielt. Die erste und dritte Phrase endet auf dem ersten Schlag des folgenden Taktes in einem Glissando zu den Anfangstönen der Phrase. Somit wird die Fanfare zur nächsten Instrumentengruppe weitergereicht. Takt 1: Intro Durpee’s Paradise auf dem Album The Perfect Stanger Es entsteht eine Art Klangfarbenmelodie, da die gleiche rhythmisch-melodische Phrase von den einzelnen Instrumentengruppen gespielt – eine deutlich andere Klangfarbe besitzt. Der Teil A Im Teil A hat sich grundlegend das Taktgefüge verändert. Statt eines durchgehenden 10/8-Takt wird der Vordersatz in 2/4 + 6/8 notiert. Zwischen den Vorder- und Nachsätzen wird statt des 10/8 aus den bisherigen Versionen ein 4/4-Takt eingefügt. Das Taktgefüge des Vordersatzes ergibt sich aus dem der Fanfarenphrase (2/4 + 6/8) plus dem 4/4-Takt. Der Nachsatz besitzt statt des 6/8- einen 9/8 -akt und besteht somit aus 2/4 + 9/8 + 4/4. Da beide Teile noch einmal wiederholt werden, ist folgendes Taktgefüge notiert: Taktgefüge Takt 9 – 21, Dupree’s Paradise auf dem Album The Perfect Stranger Vorder- und Nachsatz werden nicht exakt wiederholt, denn am Ende steht statt des 4/4 die beiden Takte 2/4 und 6/8. Der Teil ist durch die Takte in Blöcke geteilt, und man wird durch das durch die Taktwechsel dominierte Notenbild an Strawinsky erinnert.169 Der 10/8 der alten Versionen zu 4/4 mutierte Takt besitzt ein neues Zwischenspiel. Der erste und dritte 4/4-Takt (Takt 11 und 17) erscheint als leise, erste Erwiderung des Vordersatzes. Der zweite 4/4 (Takt 14) ist eine verkürzte Version des Fanfarenrhythmus. Nach dem letzten Nachsatz erklingt der Fanfarenrhythmus vollständig, gespielt von Hörnern, Tuba und Schlagwerk (CD Nr.2, Track 4 bei 6:58min) Dieser geänderte Takt ist in den frühen Versionen lediglich ein Fill-In der Rhythmusgruppe. Dieses Fill-In, in dem die Spieler relative Improvisationsfreiheit besitzen, wurde für The Perfect Stranger auskomponiert. Der im Jazzrock typische, 169 Vgl. bspw.: regelmäßig wiederkehrendes Taktgefüge bestehend aus 3/16, 2/16, 3/16, 2/8 in: Igor dominante Schlagzeugrhythmus verschwindet zugunsten eines melodiösen Rhythmus’. Teil B Der Teil steht wie in der Ausgangsversion durchgehend im 9/8-Takt. Die Takte 22 bis 25 sind mit den Takten 26 bis 29 identisch. Wieder wird Taktweise der Klang weitergereicht. Betont wird jeweils das fünfte, siebte und neunte Achtel entweder durch Holz- oder Blechbläser. Takt 22 bis 25: Teil B Dupree’s Paradise auf dem Album The Perfect Stranger Nach zwei Takten ändert sich der Basston und darüberliegende None von D zu Es. Teil C Im Teil C sind mehr Stimmen hinzugekommen, es klingt teilweise dissonanter. Durch das blockweise Gegenüberstellen verschiedener Instrumentengruppen (Blechbläser, Perkussion, Streicher kombiniert mit Holzbläsern) ergeben sich größere Kontraste und dynamische Unterschiede. Im weiteren Verlauf des Stücks leiten zwei an verschiedenen Orten postierte Klaviere den Teil A durch das Intro ein. Sie spielen abwechselnd jeweils eine Fanfare. Der Teil A wird sodann mit anderer Instrumentierung eine kleine Sekunde höher wiederholt. Er endet mit der vierfachen Wiederholung des Fanfarenrhythmus, der, lauter und drängender werdend, plötzlich abbricht. Nun erklingt ein Zwischenspiel, das teilweise wie eine lange, auskomponierte Improvisation für ein Ensemble und teilweise wie eine Durchführung der Themen erscheint. Immer wieder erklingen Fragmente aus den vorangegangenen Teilen und Strawinsky: The Rite of Spring, darin: Sacrificial Dance werden unterschiedlich beleuchtet. Vor allem der Rhythmus des Intros ist oft zu hören. In der Mitte (bei 3:25min) ist eine atonale Klaviertonfolge im Achtelrhythmus mit einer Begleitung von Bassinstrumenten zu hören, die LUDWIG als ein Beispiel der Kontrastbildung anführt. 170 Violoncelli, Kontrabass, Posaunen, Tuba, Bassklarinette und Kontrafagott spielen zu den Klavieren in ihren tiefsten Lagen Haltetöne, die langsam in Bewegung geraten und dadurch mehr in Erscheinung treten. Die Klaviere spielen zunächst die gleichen Töne und nach acht Takten im Abstand einer Oktave. Da die Stelle ansonsten spärlich Instrumentiert ist, kommt der Kontrast stärker zum Ausdruck. Verschiedene Geräusche (z. B. ein Peitschenknall) erweitern das Klangspektrum. Unvermittelt setzt die Reprise ein. Reprise Das Intro ist in jedem Takt anders instrumentiert. Den ersten spielen Klaviere und Perkussion, den zweiten Holzbläser, den dritten wieder Klaviere und Perkussion und den vierten die Blechbläser. Neu in der Reprise ist der Überleitungstakt (gespielt von dem Marimbaphon) zwischen Intro und Teil A, der schon in den früheren Versionen erklang. Auch wird nicht mehr ein 4/4-Takt im A-Teil eingeschoben, sondern ein kompletter Introrhythmus, gespielt von Klarinetten in hoher Lage. Wie in den früheren Versionen findet also kein Taktwechsel an dieser Stelle statt. Der Nachsatz ist jedoch wie in Teil A im Gegensatz zu früheren Versionen verlängert. Nach dem A-Teil endet die Reprise nach einem Schlussteil mit Blechbläsern, Klarinetten, und Klangstäben in einem dissonanten Akkord. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Version ist kaum mit den vorherigen zu vergleichen ist. Natürlich sind die Themen noch genauso herauszuhören, doch weisen sie zahlreiche kleine Veränderungen auf. Zum einen gibt es eine Art Klangfarbenmelodie im Intro. Das Stück ist voll von Wiederholungen, doch sind in dieser Version aufeinanderfolgende Takte mit gleichen Phrasen nie gleich orchestriert. Ebenso differieren die Wiederholungen ganzer Teile und die Reprise. Zappa hätte auch mit den Bands, die die anderen Versionen gespielt haben, die Möglichkeit gehabt, 170 f. Vgl. Ludwig, Wolfgang: Untersuchungen zum musikalischen Schaffen von Frank Zappa. S. 167 sowie die Partitur im Anhang Klangfarben zu wechseln, ohne auf sein beliebtes Unisono-Spiel zu verzichten. Statt dessen kombiniert Zappa erst für die Perfect Stanger Version verschiedene Klangfarben in den zahlreichen Wiederholungen, vor allem in der Reprise, und verleiht ihnen immer wieder einen anderen Charakter. Des weiteren ist das Taktgefüge komplexer geworden. Zum Teil handelt es sich um die von LUDWIG beschriebene Addition von Grundmetren, doch andere Takte hat Zappa für diese Version verkürzt (Takt 11) oder verlängert (Takt 13). In den früheren Versionen können den Teilen A, B, und C noch bestimmten Metren zugeordnet werden (10/8, 9/8 und 3/4), doch nun ist das Bild uneinheitlicher geworden. Das lange Zwischenspiel entstammt nicht mehr der Inspiration der Musiker, sondern der Zappas. Leider ist ohne Noten nicht nachvollziehbar, ob und wie viel die Musiker des Ensemble Intercontemporain aufgefordert waren, selber zu improvisieren. Derartiges verlangt er in anderen Stücken von den Orchestermusikern. Der Takt zwischen Intro und Teil A, die schnelle Tonfolge der Perkussion aus den ersten Versionen, erscheint nicht im ersten Durchgang, sondern erst in der Reprise, wo er jedoch nicht so präzise klingt, wie in den anderen Versionen. Gleichfalls wie in früheren Versionen ändert sich das Taktgefüge zwischen Vorder- und Nachsatz nicht. Zappas Vorliebe für die Perkussion kommt durch drei Perkussionisten zum Tragen. Eine weitere Besonderheit sind die an verschiedenen Orten postierte Klaviere. Er hat dem Ensemble jedoch keine Rockinstrumente hinzugefügt. Das Stück klingt durch seine gerade Phrasierung nicht wie Jazz, d.h. eine Spielweise wie im Jazz mit z.B. vorgezogenen oder triolisch gespielten Noten, die kaum exakt zu notieren sind, sah Zappa nicht vor. Trotzdem wirkt das Stück wegen Rhythmisierung und Bläserdominanz ein wenig amerikanisch. Frank Zappa: Make A Jazz Noise Here, 1988 CD 2, Tracknummer 5 Der Klangcharakter der Band ist ähnlich dem der 88er Version von Pound for a Brown. Die kleine „Rock-Big-Band“ spielt rasante Bläserunisonos und die Version wegen der Instrumentierung, der Phrasierung und der Akzentuierung dem Jazzrock zuzuordnen. Das Arrangement gleicht eher dem aus den 70er Jahren, besitzt jedoch auch Elemente der von BOULEZ dirigierten Version. Von Keyboards werden im Intro taktweise verschiedene Klangfarben gespielt. Ein Keyboardklang gleicht einer Trompete, obwohl diese zur Verfügung steht. Im Teil A wird die Verlängerung des Taktes im Nachsatz übernommen. Jedoch wird nicht um drei Achtel sondern um ein Viertel verlängert. Die Takte zwischen Vorder- und Nachsatz stehen wie in den ersten Versionen im 10/8-Takt und werden von Schlagzeug und Bass gefüllt, letzterer spielt eine Überleitung. Glockenspiel und Keyboard spielen Teil B und Teil C erklingt vielstimmig von den Bläsern. Es schließt wieder das Intro und Teil A an, identisch wie vorher gespielt. Die Überleitung zu den Soli besteht aus dem Introrhythmus, über den je vier Takte ein Akkord geblasen wird. Die erste Improvisation wird von einem Bassostinato begleitet, das der Phrase des CTeils gleicht. Es steht im 9/8-Takt und wird vom Keyboard begleitet. Das Ostinato wird nach vier Takten jeweils für vier Takte einen Ganzton tiefer gespielt. Das Trompetensolo macht einen Abschluss und kurz darauf bricht der Rhythmus ab. Die Posaune spielt nun längere Töne, begleitet von Klängen des Synclaviers. Als nächstes folgt eine an den Free Jazz der 70er erinnernde Improvisation von Schlagzeug Posaune, Keyboard und Bass. Die Posaune wird vom Tenorsaxophon abgelöst, bis eine Phrase im 9/4 erklingt, die ein Überbleibsel aus dem vorherigen Stück Star Wars Won’t Work darstellt. Die gleiche Überleitung, bestehend aus dem Introrhythmus, die vorher zur Improvisation übergeleitet hat, leitet nun wieder in die Reprise über. In dieser erklingen identisch zum Anfang die Teile A, B und C. Am Ende von C schließt nahtlos das nächste Stück an. Mit dem vollen, mächtigen Sound einer kleinen Bigband Besetzung und den z.T. wilden, impulsiven Improvisationen bietet die Version neuen Jazzrock. Aus der 84er Version wird die Reprise und die Veränderung einiger Takte und das Klangfarbenspiel des Intros übernommen. Der Mittelteil mit experimentellen Klängen am Synclavier besitzt keinen Zusammenhang zum Thema und die Momente des schnellen Freejazz haben nur den Oberbegriff Jazz gemeinsam. Auch in anderen Stücken der 88er Tournee greift Zappa die Möglichkeit der freien Improvisation verschiedener Bandmitglieder auf, wie er sie in den ersten Versionen von Pound for a Brown verwendet hat. In Konzertvideos ist zu sehen, dass er diese Improvisationen gerne dirigierte. 4.2.5 Zusammenfassung Das Stück existiert in zwei, unterschiedlichen Stilen zuzuordnenden Versionen. Was als Jazzburleske begann, wurde durch umfangreiches Arrangieren zu einem Stück Neuer Musik amerikanischen Einschlags. Die Version Make a Jazz Noise here, die eher dem Jazzidiom zugeordnet werden kann, verzeichnet gegenüber der Urversion einige Veränderungen im Taktgefüge und im Klangfarbenspiel, d.h. einige Veränderungen der Perfect Stranger Version werden übernommen. Die intensive Auseinandersetzung mit dem musikalischem Material des Stücks und das Auskomponieren von Überleitungen und Füll-Takten hat erheblichen Einfluss auf die letzte Version (Make a Jazz Noise here). Andererseits wurde in Make a Jazz Noise here die Reprise nicht mehr wie bei Boulez verändert. Es handelt sich lediglich um eine Wiederholung der ersten Teile. Da sich die Arrangements deutlich unterscheiden, kann man nicht wie bei Pound for a Brown davon sprechen, dass das gleiche Stück durch differierende Instrumentierung und Phrasierung unterschiedlichen Stilen zugeordnet werden kann. Es handelt sich eher um das Verwenden gleichen Materials in unterschiedlichen Arrangements. Die Improvisationen in den Jazzrock - Versionen haben mit der motivischen Arbeit im Mittelteil der Perfect Stranger Version allenfalls gemeinsam, dass rhythmische Elemente unterlegt oder verarbeitet werden. Melodische Motive erscheinen in den Jazzimprovisationen nicht wieder. Die Art der Verarbeitung dieser Motive, der klangliche Eindruck und die Struktur ist in den Versionen extrem divergent. 4.3 Das Stück Strictly Genteel Strictly Genteel bietet die Möglichkeit, Zappas Spiel mit verschiedenen Instrumentierungen und die Kombination von Orchester- und Rockinstrumenten zu verfolgen, um in den einzelnen Versionen unterschiedliche klangliche Effekte zu erzielen. Tabelle: Die Versionen von Strictly Genteel: Track auf CD Nr.2 6 Band Schallplattentitel Mothers of Invention 7 Tatsächliche Veröffentlichung171 200 Motels Jahr der Aufnahm e 1971 Frank Zappa Orchestral Favorites 1975 1979 8 Frank Zappa You can’t do that on Stage anymore 1981 VI 1991 9 Frank Zappa London Symphony Orchestra Vol. II 1983 1987 10 Frank Zappa Make a Jazz Noise Here 1988 1991 11 Frank Zappa Scherade Part 2 – Dortmund 1988 nicht offiziell veröffentlicht 1971 Strictly Genteel wird anhand der ersten Version beschrieben. Im Anhang ist in einer Tabelle die Instrumentierung der einzelnen Strophen und Liedzeilen verzeichnet (Tabelle: Gliederung und Instrumentierung von Strictly Genteel). 4.3.1 Musikalische Persiflage: 200 Motels CD 2, Tracknummer 6 Das Stück Strictly Genteel leitet den Schluss des Films 200 Motels ein (siehe Kapitel 2.5). WATSON schreibt: At the conclusion, ‘Strictly Genteel’ tells the audience to ‘reach out your hand to the girl in the dog book’; ‘have mercy on... the dykes and the weird little children they grow’; ‘help everybody/so they all get some action/some love on the weekend/some real satisfaction’.172 Er beschreibt damit in Kurzform den Inhalt des Titels. Der Sprecher, der die einleitenden Worte spricht, wendet sich einige Male pikiert von der Szenerie ab, weil er 171 Tonträger, hinter denen offiziell veröffentlicht oder nicht offiziell veröffentlicht steht, waren bzw. sind keine autorisierten Versionen, waren bzw. sind also nicht im Handel erhältlich. 172 Watson, Ben: The complete guide to the music of Frank Zappa. S. 45 glaubt, nicht beobachtet zu werden und singt davon, dass Gott Erbarmen mit dem Schicksal des Films haben möge (siehe Text im Anhang). Währenddessen tanzen bunt geschminkte Schauspieler und Chormitglieder auf der Bühne vor dem Orchester herum. Die Szene gleicht dem Ausklang einer Fernsehsendung oder einem Musical, wenn alle Beteiligten auf der Bühne noch einmal zusammenkommen. Die Bilder wechseln in Überblendtechnik zwischen den Stürzen der Posaunen und den Personen auf der Bühne. Ein Cellist wird öfter eingeblendet, der aus Angst um sein Instrument dieses mit einem Filztuch abgedeckt hat. Die Szene ist voller Klischees, die persifliert werden sollen. Desgleichen bedient sich die Musik verschiedener Klischees. Koloraturen lösen sich mit absichtlich unreinem, hässlichem Gesang ab. Eine Sopranistin wird von Cembalo und Streichern begleitet, den Barock Stil imitierend. Beatle Ringo Starr, der als Schauspieler in dem Film mitwirkt, produziert blubbernde Geräusche, indem er in eine rauchende Wunderlampe aus 1001 Nacht bläst. Schmetternde Blechbläser und Tenöre kündigen bombastisch das Ende des Films an. Im Gegensatz dazu ist das Stück mit einigen dissonanten Stellen und schnellen atonalen Läufen gespickt. Passagen mit rein klassischen Instrumenten lösen sich ab mit anderen, in denen Rockinstrumente dominieren. An anderen Stellen werden beide Instrumentengruppen kombiniert (siehe im Anhang: Gliederung und Instrumentierung von Strictly Genteel). Das Stück steht im 3/4-Takt - eventuell ebenfalls ein Klischee für festliche Walzermusik. Es ist folgendermaßen aufgebaut: Die achttaktige Phrase des Anfangs wird variierend wiederholt und erhält je nach SängerIn ein anderes Arrangement. Zwischen den Phrasen stehen kurze überleitende Zwischenspiele, die eine Länge zwischen zwei und vier Takten haben. Manchmal sind sie mit Perkussion und Geräuschen gefüllt. Das harmonische Schema einer Phrase sind meist die Dur-Akkorde D, A, E, Fis, D, G und A oder D A G A, während in den Zwischenspielen oft E-Dur erklingt. Die Akkordverbindungen sind relativ einfach, es gibt einige Dominant-TonikaVerbindungen, die Zappa nach eigener Aussage immer parodistisch einsetzt173. Der Ausklang erfolgt über eine typische Rockbegleitung: D-Dur, A-Dur und zweimal EDur.174 173 siehe Kapitel 3.3.4 Bob Dylan hat die Begleitung mit dem Titel Knocking on Heavens Door (1972) und die Beatles mit With a little Help from my Friends (1967) - jeweils moduliert - sehr bekannt gemacht. 174 Die Ursprungsversion des Films ist voll klanglicher Wechsel; Zappa kombiniert in einer Phrase Cembalo und Streicher mit einer zarten Sopranstimme und in anderen Stellen absichtlich hässlich oder einfach klingende Stimmen mit Orchesterinstrumenten, Schlagzeug, Keyboard und E-Bass. Die festliche Stimmung zum Ausklang wird durch kräftige Blechbläserpartien unterstützt. Die Instrumentation entspricht dem von Zappa in den 60er Jahren entworfenen Ideal für ein modernes Orchester175. 4.3.2 Orchestraler Rock: Orchestral Favorites CD 2, Tracknummer 7 Leider ist dem Beiheft zur CD Name und Orchestrierung des Orchesters nicht zu entnehmen. Lediglich der Dirigent, Michael Zearott, sowie die Rhythmus Sektion bestehend aus Gitarre, Bass, Schlagzeug und Perkussion sind vermerkt. Neu in dieser Version ist das Klavierintro, dessen Spielweise an einen Western-Salon erinnert. Ebenso kann man die Mundharmonika mit dem Filmklischee eines Western assoziieren. Die Instrumente der Rockmusik stehen in der Version sehr im Vordergrund. Diesen Instrumenten wurden Blechbläser, Piccoloflöte und an vereinzelten Stellen Holzbläser hinzugefügt. Der Instrumentalteil nach „Honey, how do it feel?“ wird in dieser und den folgenden Versionen ausgeweitet und erhielt neben den Bläserfanfaren einen aufwendigen Schlagzeugpart. Die Gesangsstimmen werden von Synthesizern und Bläsern übernommen. Die Version hat durch fehlenden Text und Gesang viel von ihrer Ironie eingebüßt. Doch immer noch wirkt sie wie eine Filmmusik oder Teil eines Musicals. 4.3.3 You can’t do that on Stage anymore VI, 1981 CD 2, Tracknummer 8 In der Besetzung dieser Live-Version fehlen die Bläser. In den Passagen, die vorher von strahlenden Trompeten dominiert werden, stehen die Synthesizer im Vordergrund. Dadurch unterscheidet sich die Version sehr von den anderen. Zappa hat sich bemüht, die unterschiedlichen Orchestrierungen der Strophen mit verschiedenen Klängen der Synthesizer, Gitarren und der Perkussion wiederzugeben. Die Beurteilung der Version wird zur Geschmacksfrage über den Sound der Synthesizer. Dieses Instrument ist wie kaum ein anderes dem Wandel der Zeit unterworfen, da sehr schnell dem Synthesizer immer mehr Sounds zur Verfügung standen. Die Sounds dieser Version sind eindeutig den 80er Jahren zuzuordnen und klingen künstlich. Im Gegensatz dazu gibt es Stellen, z.B. eine, die vorher vom Sopran gesungen wurde („And every poor soul who's adrift in the storm“, siehe im Anhang Tabelle: Gliederung und Instrumentierung von Strictly Genteel), die mit unverzerrter E-Gitarre und E-Bass gespielt werden. Die Version spiegelt Zappas Vorliebe Anfang der 80er Jahre wieder, Blasinstrumente durch Synthesizer zu ersetzen und die sonstige Vielfalt des Geräts auszunutzen. Andererseits kann der Grund dafür auch in den Kosten liegen, auf Konzerttourneen neben der sechs- bis neunköpfigen Band in den Jahren 1979 bis ’84 noch Bläser zu bezahlen. 4.3.4 Strictly Genteel goes Classic: London Symphony Orchestra Vol. II CD 2, Tracknummer 9 Die Aufnahme dieser Version gab Zappa den Anlass, sich über das „menschliche Element“ in Symphonieorchestern zu ärgern, da die Blechbläser bei den Aufnahmearbeiten zu spät aus der Pause zurück kamen, weil sie in einem Pub Bier getrunken hatten. Dementsprechend verkürzte sich die Zeit für die Aufnahme, außerdem spielten die Bläser unsauber. Das Stück musste nach Angaben Zappas 50 mal geschnitten werden und klingt z.T. trotzdem noch fehlerhaft.176 Dem Orchester sind ein Schlagzeuger und ein Perkussionist beigefügt. Letzterer dringt mit einem Glockenspiel häufig in den Vordergrund. Dies ist ein Beweis dafür, dass Zappa „mikrophonisch“ dachte, denn ohne Verstärkung würde ein Glockenspiel vom Orchester überdeckt werden177. Des weiteren spielt er Kastagnetten, die keineswegs an die ursprünglich spanische Spielweise erinnern sollen, sondern genau dies parodieren sollen. Auch in dieser Version werden einige Geräusche verwendet, die für Zappas Ästhetik, Geräusche als Teil der Musik wahrzunehmen, sprechen.178 Das Tempo ist gemäßigter. Der Charakter des Stückes ist erhabener, u.a. weil das Klavierintro weggefallen ist. Da lediglich das Schlagzeug vertreten ist, wirkt die Version weniger wie ein Rockkonglomerat mit klassischen Instrumenten, sondern mehr 175 176 177 siehe Kapitel 2.5 vgl. Beiheft zur CD Frank Zappa: London Symphony Orchestra Vol. I & II vgl. So formulierte es auch David Rezeen, siehe Kapitel 2.9. wie die z.T. schauerlichen Alben Rock goes Classic oder beispielsweise London Symphony Orchestra plays Jethro Tull. Bezeichnenderweise handelt es sich hierbei um genau das Orchester, das sehr oft klassische Versionen von Rockstücken eingespielt hat. Das Schlagzeug hat einen in der Rockmusik untypischen Hall erhalten und avanciert scheinbar zu einem Instrument des Orchesters. Diese Version ist zu einer Weder-NochVersion geworden, das heißt, dass sie im negativen Sinne weder dem Rock noch der Klassischen Musik zugeordnet werden kann, da sie weder die Intensität und das Gefühl der Rockmusik transportiert, noch als klassische Musik mit einem dominanten, hallenden Rockschlagzeug als klassische Musik genossen werden kann. Das Stücks klingt so seriös, dass die Ironie nicht verstanden wird und es fast jeden Witz verloren hat. Als neuer humoristischer Aspekt sind die Arpeggien von Harfe und Glockenspiel am Anfang einzuordnen. Häufig werden von Trompeten und Posaunen übermäßige Glissandi verlangt, doch klingen diese eher halbherzig und unsauber, als wie eine gewollte Spielanweisung. In der Version Make a Jazz Noise here kann man hören, wie diese Glissandi gemeint waren. Es scheint, als trauten sich die Musiker des London Symphony Orchestra nicht, wirklich übermäßige Glissandi zu spielen. Hinzu kommt, dass die Bläser an anderen Stellen, an denen es nicht verlangt ist, unsauber spielen. 4.3.5 Make a Jazz Noise here und Scherade Part 2 - Dortmund, 1988 CD 2, Tracknummer 10 &11 Beide Versionen sind sehr ähnlich, die zweite ist nur der Vollständigkeit halber aufgeführt. Vielfach werden Bläser eingesetzt, um in unterschiedlichen Kombinationen die Klangfarben zu variieren. In jedem Abschnitt bekommt ein anderer Bläser die Solostimme. Somit gleicht das Arrangement den anderen Stücken der 88er Band. Der Sound des Keyboard fügt sich gut in den Gesamtklang. Im Vergleich zur Version des London Symphony Orchestra hat das Tempo etwas angezogen, das Stück klingt rasanter, hektischer und kräftiger. Die Klangfarben der Saxophone geben dem Stück einen eigenen Charakter. 4.3.6 Zusammenfassung Strictly Genteel ist für den Ausklang den Film 200 Motels geschrieben und in allen 178 vgl. Zwischenspiel bei 2:28min mit Hupe Versionen behält es den Schlusscharakter bei. Anfangs stand die Persiflage und das Vermischen verschiedener Stile im Vordergrund. In allen anderen Versionen fallen jeweils bestimmte stilprägende Instrumentengruppen weg. In der ursprünglichen Version (200 Motels) werden verschiedene stilistische Stereotypen auch in Kombination persiflierend eingesetzt. Die weiteren Versionen kombinieren diese Elemente nicht mehr derart, dass typische Rockinstrumentierungen sich mit Orchesterklängen ablösen, sondern das ganze Stück wird entweder von einer Rockband mit Bläsern oder Synthesizern oder von einem klassischen Orchester interpretiert. Grundsätzlich bleibt das strophenweise Verwenden verschiedener Klangfarben durch Orchester und Rockband. Der musikalische Humor verliert sich nicht allein aufgrund des Wegfallens des Textes, sondern auch, weil das Arrangement nicht mehr wie in der Filmversion voller Klischees steckt. Zudem kann das London Symphony Orchestra in seiner akademischen Spielweise den Humor kaum transportieren. Zappa gab dem Stück in seinen späteren Arrangements einen ernsthafteren Gestus, weil das musikalische Material zumindest in den Versionen der Rockbands ohne derart zu parodieren überzeugt. 5 Schlussbetrachtung In Zappas Werken mischen sich scheinbar beliebig disparate Musikgenres. Dieser Hang zu Vermengung hat seinen Ursprung z. T. schon in Zappas Jugend, in der er sich einerseits von der Musik Varèses, Strawinskys und Weberns, andererseits aber von der emotionalen Intensität, die im schwarzen Rhythm & Blues zum Ausdruck kommt, beeindruckt zeigt. Da er für diese Musikrichtungen gleiches Interesse aufbringt und zwischen ihnen keine qualitativen Abstufungen vornimmt, komponiert bzw. arrangiert er, indem er scheinbar gegensätzliche stilistische Elemente aufgreift. Zappas Ästhetik hat Bezug zu Komponisten, wie Strawinsky und Varèse, die weitgehend frei von tradierten Regeln der Satzlehre und innovativ in ihrer Zeit komponierten. In Musik und Bühnenshows begibt sich Zappa durch die Verwendung rockmusikuntypischer Elemente, Schockästhetik und durch Texte, die anstoßen bzw. kritisieren in eine Außenseiterrolle. Er nutzt die Rockband für seine Kompositionen, um sich vor einem breiteren Publikum Gehör zu verschaffen. Bspw. findet das Stück Pound for a Brown Anklang, obwohl es mit dem Metrum und der Quartenharmonik abseits der gewohnten Stilelemente der Rockmusik liegt, aber durch die Rockmusikinstrumentierung den Geschmack mehrerer Rezipienten trifft. Allerdings schreibt Zappa nicht für seine HörerInnen, sondern befindet sich in der glücklichen Lage, an diese keine Zugeständnisse hinsichtlich seiner Kompositionen machen zu müssen. Für seine musikalischen Experimente nutzt Zappa im Studio und auf der Bühne alle verfügbaren technischen Geräte, um neue Klänge zu erzeugen oder zu verfälschen. Deshalb scheint für ihn das Synclavier wie geschaffen, da sich mit diesem Instrument das zur Verfügung stehende Klangspektrum nahezu grenzenlos ausdehnt. Ab Anfang der 80er Jahre widmet Zappa sich neben der Rockmusik Projekten, in denen er sich um die Einspielung seiner Orchesterwerke bemüht, wobei er betont, dass seine Kompositionen in dieser Richtung nicht als Ernste Musik verstanden werden sollen. Für das London Symphony Orchestra unter der Leitung von Kent Nagano arrangiert er das Stück Strictly Genteel, das einer Rock goes Classic-Fassung in ihren negativen Auswüchsen ähnelt, da das Orchester die Intensität der musikalischen Persiflage und die Ästhetik Zappas nur begrenzt transportieren kann. Ein Jahr später dirigiert Pierre Boulez Zappas Dupree’s Paradise. Hat Zappa zuvor ein Stück für Rockband umarrangiert, das er ursprünglich für Streichquartett schrieb, so greift er hier eine für ihn typische Jazzrock-Burleske auf, um es für ein Ensemble umzuarbeiten. Einige der Ideen dieses „Umkomponierens“ erscheinen in späteren Fassungen dieses Stücks wieder. In den folgenden Jahren greifen viele Orchester und Ensembles seine Stücke auf. Schließlich tritt das Ensemble Modern an Zappa heran, um seine Stücke zu adaptieren. Vielleicht aus der Tradition heraus, mit allen Bands das Stück Pound for a Brown gespielt zu haben, arrangiert Zappa das Stück neu. Ergebnis ist ein und dasselbe Stück, allerdings mit völlig neuem Charakter. An den analysierten Musikbeispielen wird deutlich, dass Zappa mit seiner Musik, sowie mit den verschiedenen Fassungen seiner Werke, stilistische Grenzen zwischen Rock, Jazz und Neuer Musik überwunden hat. 6 Literatur Dister, Alain: Frank Zappa. Der Rebell aus dem Untergrund, Wilhelm Heyne Verlag, München, 1980 Fish, Mike/Watson, Ben: Zappa on disc (1991), In: The Frank Zappa companion : four decades of commentary. Edited by Richard Konstelanetz, Schirmer Books, New York, 1997 Gray, Michael: Die Frank Zappa Story/Michael Gray. Aus dem Engl. von Michael Kubiak. 1. Auflage, Köln 1994 Interview in der Los Angeles Times, 1.Oktober 1992 http://www.wins.uva.nl/~robbert/zappa/interviews/LA_Times.html (Internetzugang: 8.12.1999) Klier, Robert: Conceptional Continuity – Entwicklungen und Besonderheiten der Musik Frank Zappas, Examensarbeit, Kassel, 1990 Lohner, Henning: Frank Zappa - Peefeeyatko. Fernsehfilm, Produziert von Henning Lohner, Peter Lohner und Frank Zappa, 1991. Ludwig, Wolfgang: Untersuchungen zum musikalischen Schaffen von Frank Zappa. Frankfurt am Main, Lang, 1992 Marschall, Bob: Interview mit Frank Zappa am 22.10.1988, Internetadresse: http://www.wins.uva.nl/~robbert/zappa/interviews/Bob_Marshall/index.html (Internetzugang: 8.12.1999) Menn, Don/Groening, Matt: The Mother of All Interviews: Part 1 & 2 1992 http://www.catalog.com/mrm/zappa/html/zarticles.html (Internetzugang: 5.12.1999) Miles (Hrsg.): Frank Zappa - In eigenen Worten. Heidelberg: Palmyra, 1996 MUSIK-EXPRESS, Sounds-Verlag Hamburg, April 1980 Radiosendung: Klassik Zappa - Eine Collage von Michael Rüsenberg und Hans Ulrich Werner, WDR Studio für Klangdesign Rebell, Volker: Frank Zappa, Freak – Genius mit Frack – Habitus. In: Rock Session I, Magazin der populären Musik, hrsg. von Gülden/Humann, Hamburg 1977 Ruhlmann, William: Frank Zappa: The present day composer. In: The Frank Zappa Companion: Four decades of commentary. Edited by Richard Konstelanetz, Schirmer Books, New York, 1997 Scherliess, Volker: Igor Strawinsky und seine Zeit, Laaber-Verlag, 1983 Sheff, David: Playboy Interview (1993). In: The Frank Zappa companion: Fourdecades of commentary Slonimsky, Nicolas: I enter the age of absurdity (1988). In The Frank Zappa companion : Four decades of commentary. Edited by Richard Konstelanetz, Schirmer Books, New York, 1997 Suer, Klaus: Konzeptionelles Denken in der Musik von Frank Zappa, Magisterarbeit, vorgelegt von Klaus Suer, Osnabrück, 1993 Walley, David: No Commercial Potential. The Saga of Frank Zappa & the Mothers of Invention. Outerbridge & Lazard, New York 1972 Watson, Ben: Frank Zappa as Dadaist: Recording Technology and the Power to Repeat (1996), In: Zappa, Frank/Occhigrosso, Peter: The Real Frank Zappa Book. Pan Books London 1989 (Titel der deutschen Ausgabe: I am the American dream. Aus dem Amerikanischen von Thomas Ziegler. Goldmann, München 1991 Watson, Ben: The complete guide to the music of Frank Zappa. London, Omnibus, 1998 Varèse, Edgard: Die Befreiung des Klangs. In: Danuser, Hermann: Kämper Dietrich und Terse Paul (Hrsg.): Amerikanische Musik seit Charles Ives - Interpretationen Quellentexte Komponistenmonographien, Laaber Verlag, 1987 7 Anhang mit Anhangverzeichnis Seite - Partitur von Pound for a Brown des Ensemble Modern (Frankfurt/M) A1 - Ostinato im Mittelteil von Pound for a Brown auf dem Album Uncle Meat; A 17 CD Nr.1, Track Nr. 4 - Partitur von Dupree’s Paradise, Chamber Ensemble Score, Takte 1-33, A 18 sowie Takte 151-182 - Tabelle: Gliederung und Instrumentierung von Strictly Genteel A 23 Gliederung und Instrumentierung von Strictly Genteel Version Gliedrung/Text Instrumentierung: Bemerkungen: Intro Lord have mercy on the people in England For the terrible food this people must eat (Aaa... excuse me) And may the Lord have mercy on the fate of this movie And God bless the mind of the man in th stret Zwischenspiel 200 Motels Orchestral Favorites YCDTOSA81 Symphonieorchester mit Blechbläser, Flöten, Schlagzeug, Perkussion, Schlagzeug, Perkussion, EE-Bass, Klavier Bass, Klavier 2 Keyboarder, 2 EGitarristen, Schlagzeug, Perkussion, E-Bass, Einzige Version mit Gesang des Textes Streicher, Klavier Bassstimme, Streicher, Klavier Schlagzeug und EBass durchgehend Keyboards Keyboard mit EKlavier Begleitung Schlagzeug durchgehend Klavier Klavier spielt improvisierende Einwürfe, Schlagzeug, Keyboards Zwischenspiel: Posaunen London Symphony Orchestra Streicher, 6 Perkuss. 6 Tromp. 8 Hörn. 5 Pos. Tuba, 5 Flöt. 4 Oboen, 5Klar. 4 Fag.,Harfe1 Schlagzg. Keyb. (Celest.piano) Schlagzeug durchgehend Make a Jazz Noise Here Tromp. Posaune, Alt-, Tenor-, Baritonsaxophon, E-Bass, 2 E-Gitarren 2Keyboards, Perkussion, Schlagzeug Schlagzeug und E-Bass durchgehend Klavier Baritonsaxophon Klavier, Streicher Tiefe Bläser mit Harfenarpeggien Klavier Posaune, E-Bass, Tiefe Bläser mit Glockenbspiel-arpeggien leise:Saxophon, Keyboard Klavier Chor kommt hinzu Bläser, Streicher, Schlagzeug Help all the rednecks and the Knabenstimme, flatfoot policemen Schlagzeug Streicher, Through the terrible functions they Blechbläser all must perform God help the winos, the junkies Quäkige Männerstimme and the weirdos Kurze Überleitung zur nächsten, Koloratur mit atonalen Klängen leisen Zeile leise: tiefe Bläser, Streicher, Piccolo-flöte Blechbläser Posaunen Trompeten Trompeten und Keyboards, Keyboards und Klaviereinwürfe Vibraphon Trompeten, Perkussion Trompeten, Keyboards Holzbläser mit Trompeten-begleitung Alle Bläser, Vibraphon, EBass Flöten, Perkussion Holzbläser, zwei Perkussionisten Trompete, Keyboard Gitarre, Keyboard und Vibraphon unisono And every poor soul who's adrift in Sopranistin the storm Flöten, Trompeten unisono, Gitarre, Keyboard Keyboard zweite Stimme und Vibraphon unisono Keyboard und Vibraphon unisono Blechbläser, E-Bass Verzerrte E-gitarre improvisiert und Keyboard Streicher, Harfe Zwei Saxophone Flöten Marimba, Keyboard Blechbläser Trompete, Posaune Sopranistin, Chor, Cembalo, Streicher Mundharmonika, Klare E-Gitarre mit Keyboard Begleitung Holzbläser (Fagott) Klare E-Gitarre und Saxophon mit Keyboard Begleitung Schlagzeug Fill-in Perkussionsgeräusche mit Hupe Trompete gleichberechtigt neben Piccoloflöte und anderen Klängen vom Keyboard Perkussion, EGitarren Geräusche Keyboards, Vibraphon Perkussionsgeräusche mit Hupe Blechbläser unisono mit Steichern Perkussion, Hupe, Rufe Alle SängerInnen Dominante Blechbläser mit Piccoloflöte vom Keyboard Keyboards, verzerrte E-Gitarre Volles Orchester Mark und Howard Mundharmonika Klare E-Gitarre mit Keyboard Begleitung Klarinetten begleitet von Saxophon mit Fagotts, Perkussion Saxophonbegleitung Alle Instrumente Volles Orchester, Kastagnetten, Trompeten unisono mit Überleitung Keyboard Help everybody so they all get some action Some love on the weekend Some real satisfaction A room and a meal And a garbage disposal A lawn and a hose'll Be strictly genteel Überleitung Männerstimme, Voller Orchesterklang, Schlagzeug Reach out your hand To the girl in the dog book The girl in the pig book And the one with the horse Make sure they keep All those businessmen happy And the purple-lipped censors And the Germans of course Help everybody so they all get some action Some love on the weekend Some real satisfaction A sweedish apparatus With a hood and a bludgeon With a microwave oven "Honey, how do it feel?" Längerer Instrumentalteil Außer bei 200 Motels ausgedehnt und mit notiertem Schlagzeug Solo Mark und Howard (Männerstimmen) Schlagzeug, E-Bass, Klavier, Keyboard Tenöre unisono mit Mundharmonikasolo, Vibraphon und Bläsern, Blechbläser, Perkussion Posaunen begleiten Dominantes Keyboard, Bläserbegleitung (Saxophon zweite Stimme) Trompeten in hoher Lage Klangstäbe, Trompetein hohen Lagen Alle Lord have mercy on the hippies and faggots And the dykes And the weird little children they grow Atonales Zwischenspiel Help the black man Help the poor man Help the milk man Help the door man Help the lonely Neglected old farts that I know Schlussakkorde: Soloklarinette Mark und Howard, Klavier, Streicher; EBass Cembalo, Bläser, Klavier Mark und Howard, Perkussion, Klavier, Streicher, Schlagzeug, Glockenspiel Posaunen, Hörner Streicher Bläser und Vibraphon Mundhamonika Stark veränderte Stimme, die den Text singt, klingt wie Keyboard Perkussion, Keyboard, Flöten Blechbläser, Flöten E-Klavier, Perkussion entfällt Saxophone, E-Bass Alle Blechbläser mit Orchester Alle Streicher, Blechbläser, Glockenspiel Stimmen und alle Instrumente Vorstellung der Band durch Zappa Blechbläser dazu Mark spricht abschließende Worte,Blechbläser, Hihat, Tenöre, Syntheziser, Flöten, Klavier, Schlagzeug Keyboard, spielen Rhythmus, Bläser Glockenspiel Akkorde Vorstellung der Band durch Zappa 95 Ich versichere, dass ich diese Arbeit selbstständig verfasst, keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel verwendet und die Stellen, die anderen Werken im Wortlaut oder dem Sinn nach entnommen sind, mit Quellenangaben kenntlich gemacht habe. Kassel, den 9.12.1999 ___________________________ Martin Langer 96 15. STRICTLY GENTEEL THEODORE BIKEL: This, as you might have guessed, is the end of the movie. The entire cast is assembled here at the Centerville Recreational Facility to bid farewell to you and to express thanks for your attendance at this theater... This might seem old fashioned to some of you but I'd like to join in on this song, it's the kind of sentimental song that you get at the end of a movie, it's the kind of a song that people might sing to let you in the audience know that we really like you, we care about you, yeah. Understand how hard it is to laugh these days with all the terrible problems in the world. Lord have mercy on the people in England For the terrible food this people must eat (Aaa... excuse me) And may the Lord have mercy on the fate of this movie And God bless the mind of the man in the street Help all the rednecks and the flatfoot policemen Through the terrible functions they all must perform God help the winos, the junkies and the weirdos And every poor soul who's adrift in the storm Help everybody so they all get some action Some love on the weekend Some real satisfaction A room and a meal And a garbage disposal A lawn and a hose'll Be strictly genteel Reach out your hand To the girl in the dog book The girl in the pig book And the one with the horse Make sure they keep All those businessmen happy And the purple-lipped censors And the Germans of course Help everybody so they all get some action Some love on the weekend Some real satisfaction A sweedish apparatus With a hood and a bludgeon With a microwave oven "Honey, how do it feel?" Lord have mercy on the hippies and faggots And the dykes And the weird little children they grow Help the black man Help the poor man Help the milk man 97 Help the door man Help the lonely Neglected old farts that I know MARK: It's been swell having you with us tonight, folks, but don't leave the theater yet, 'cause there's still more to come, and before we go on I wanna introduce to you my friend and musical associate Howard Kaylan who's going to give a sort of final closing benediction