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Zwischen den Stilen Aspekte der musikalischen Ästhetik
Frank Zappas im Spiegel seiner
Eigenbearbeitungen
Wissenschaftliche Hausarbeit zum ersten Staatsexamen
für das Lehramt an Gymnasien
Prüfer: Dr.Heinz Geuen
Vorgelegt von Martin Kniß (geb.Langer)
Kassel, den 9.12.1999
m.kniss@gmx.de
2
What do you feel are your greatest weaknesses?
Frank Zappa: I just can't do normal stuff.
3
Inhaltsverzeichnis
1 EINLEITUNG ................................................................................ 6
2 DIE MUSIKALISCHE ENTWICKLUNG ZAPPAS ......................... 8
2.1 Zappa als Jugendlicher......................................................................... 8
2.2 Die ersten Kompositionsversuche ....................................................... 9
2.3 Zappas Musikstudien .......................................................................... 11
2.4 Zappas Band: The Mothers of Invention ......................................... 12
2.5 Filme über die Mothers of Invention ................................................ 15
2.6 London Symphony Orchestra und Ensemble Intercontemporain 16
2.7 Zappas letzte Rocktournee ................................................................. 17
2.8 Das Yellow Shark Projekt .................................................................. 18
2.9 Kritiken ................................................................................................ 20
2.10 Musikalische Vorlieben Zappas ..................................................... 22
3 DIE MUSIKALISCHE ÄSTHETIK FRANK ZAPPAS ................... 25
3.1 Konzeptionelle Kontinuität ................................................................ 25
3.2 Musikalische Ästhetik ........................................................................ 30
3.2.1 Musik dient allein der Unterhaltung ...................................................................... 32
3.2.2 Über Experimente zur Komposition ....................................................................... 33
3.2.3 Schock als ästhetisches Prinzip .............................................................................. 34
3.3 Stilistische Merkmale.......................................................................... 35
3.3.1 Xenochrony, Dissonanz und Rhythmus ................................................................. 35
3.3.2 Metrik ..................................................................................................................... 38
3.3.3 Melodie ................................................................................................................... 39
3.3.4 Funktionentheorie ................................................................................................... 40
3.3.5 Does Humor Belong In Music? ............................................................................. 41
3.3.6 Klang und Kultur .................................................................................................... 41
3.4 Synclavier versus Orchester .............................................................. 43
3.5 Zappas Komponieren mit Musikern ................................................. 46
4 ZWISCHEN DEN STILEN - METAMORPHOSEN DREIER
STÜCKE ....................................................................................... 50
4.1 Das Stück Pound for a Brown ........................................................... 52
4.1.1 Analyse des Stücks ................................................................................................ 52
Das Intro ....................................................................................................................................................53
Das Ostinato ...............................................................................................................................................53
Das Thema .................................................................................................................................................54
Die Überleitung..........................................................................................................................................55
Der Mittelteil..............................................................................................................................................56
Wiederholung des Themas .........................................................................................................................56
Der Schluss ................................................................................................................................................56
4.1.2 Die einzelnen Versionen von Pound for a Brown ................................................. 57
Frühe, extravagante Rockmusik: Ahead of their Times, 1968 ...................................................................58
Klangexperimente: Uncle Meat 1969 ........................................................................................................59
Psychedelischer Einfluss: Tengo Na´ Minchia Tanta 1971 ........................................................................61
Synthetische Klänge: Zappa in New York 1977 ........................................................................................62
Big Band – Unisono: The Godfather In Full Metal Jacket 1988 ................................................................63
Frank Zappa und das Ensemble Modern: The Yellow Shark, 1992 ...........................................................65
4.1.3 Zusammenfassung .................................................................................................. 66
4.2 Das Stück Dupree’s Paradise ............................................................. 68
4.2.1 Formaler Aufbau von Dupree’s Paradise ............................................................. 69
4.2.2 Analyse der Formteile............................................................................................. 69
Das Intro ....................................................................................................................................................69
Teil A .........................................................................................................................................................70
Teil B .........................................................................................................................................................70
Teil C .........................................................................................................................................................71
4.2.3 Die einzelnen Versionen von Dupree’s Paradise ................................................... 71
Dupree’s Paradise als früher Jazzrock .......................................................................................................71
4.2.4 Modifikation für Boulez: The Perfect Stranger, 1984 ............................................ 72
Frank Zappa: Make A Jazz Noise Here, 1988 ...........................................................................................76
4.2.5 Zusammenfassung .................................................................................................. 77
4.3 Das Stück Strictly Genteel ................................................................ 79
4.3.1 Musikalische Persiflage: 200 Motels ..................................................................... 79
4.3.2 Orchestraler Rock: Orchestral Favorites ............................................................... 81
4.3.3 You can’t do that on Stage anymore VI, 1981 ....................................................... 81
4.3.4 Strictly Genteel goes Classic: London Symphony Orchestra Vol. II ..................... 82
4.3.5 Make a Jazz Noise here und Scherade Part 2 - Dortmund, 1988 ........................... 83
4.3.6 Zusammenfassung .................................................................................................. 83
5 SCHLUSSBETRACHTUNG ....................................................... 85
6 LITERATUR................................................................................ 87
7 ANHANG MIT ANHANGVERZEICHNIS ..................................... 89
1 Einleitung
Die Musik Frank Zappas gibt es in den verschiedensten stilistischen Ausprägungen,
denn er greift in seinen Werken unterschiedliche Strömungen der Neuen Musik und der
Rockmusik auf. Er ist Mitbegründer des Jazzrock und komponierte Werke für
klassische Ensembles und Orchester. Einige seiner Werke existieren in
unterschiedlichsten Versionen, d.h. dass ein und dasselbe Stück in den verschiedenen
Fassungen stilistisch völlig anders geartet ist. Die vorliegende Arbeit geht einerseits der
Frage nach, welche ästhetischen Grundsätze Zappas Kompositionen zugrunde liegen,
und andererseits ob und wenn ja, welche Veränderungen jeweils zu unterschiedlicher
Einordnung desselben musikalischen Materials führen. Sie gliedert sich in drei
Hauptkapitel:
Das erste Hauptkapitel der Arbeit (Kapitel 2) schildert den musikspezifischen
Lebenslauf Zappas. Zappa sieht sich Zeit seines Lebens als Komponist. Um diese
Sichtweise nachzuvollziehen, zeichnet der Lebenslauf die Entwicklung Zappas anhand
seines Engagements in Neuer Musik nach. In diesem Zusammenhang werden
verschiedene Projekte geschildert, mit denen Zappa seinen Anspruch, Komponist
zeitgenössischer Musik zu sein, untermauert. Einige neuere Kritiken seiner Musik
verdeutlichen, wie Musiker, Komponisten und Musikwissenschaftler seine Arbeit
beurteilen. Zappas Kommentare zu verschiedenen Musikern und Musikstilen vertiefen
seine Einstellung zur Musik.
Im zweiten Hauptkapitel (Kapitel 3) wird Zappas Proklamation einer Konzeptionellen
Kontinuität seines Schaffens dargestellt und analysiert. Des weiteren werden
musikästhetische und stilistische Merkmale aufgezeigt, die seine Eigenbearbeitungen
charakterisieren. Zudem behandelt das Kapitel Zappas wechselnde Beziehungen zu
Symphonieorchestern im Gegensatz zu künstlichen Klangerzeugern, sowie Zappas Art,
seine Kompositionen und das Komponieren mit seinen Musikern abzustimmen.
Im dritten Hauptkapitel (Kapitel 4) werden drei Stücke betrachtet und damit Zappas
Fähigkeit, seine Stücke in unterschiedliche stilistische Zusammenhänge zu stellen,
verdeutlicht. Am Anfang steht das Stück Pound for a Brown, das als eine der ältesten
Kompositionen Zappas von allen seinen Bands und zuletzt vom Frankfurter Ensemble
Modern unter seiner Leitung gespielt wurde. Es wird anfangs genauer analysiert und
sodann in sieben ausgewählten Versionen vorgestellt.
Das zweite Stück, Dupree’s Paradise, kann in den ursprünglichen Versionen dem
Jazzrock zugeordnet werden und wurde in einer Bearbeitung vom Ensemble
Intercontemporain unter der Leitung von PIERRE BOULEZ aufgeführt. Zwei weitere
Fassungen werden betrachtet, die von einer Rockband mit Synthesizern bzw. Bläsern
eingespielt wurden.
Das dritte Stück, Strictly Genteel, wird in Versionen mit großem Orchester, Rockbands
und in der ursprünglichen Version mit einer Kombination aus beiden Klanggruppen
beschrieben.
2 Die musikalische Entwicklung Zappas
Im Sinne eines musikspezifischen Lebenslaufes wird im folgenden Abschnitt das Leben
Frank Zappas betrachtet. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf seiner Arbeit und seinem
Interesse an Klassischer und Neuer Musik.
2.1 Zappa als Jugendlicher
Frank Vincent Zappa wird am 21. Dezember 1940 in Baltimore/Maryland geboren. Sein
Vater ist in der Rüstungsindustrie beschäftigt und bekleidet außerdem eine Stellung an
der Universität von Chapel Hill/North Carolina. Frank hat drei Geschwister. Er selbst
bezeichnet seine Kindheit als langweilig, da er aufgrund häufiger Ortswechsel seiner
Familie nur wenige Freunde hat. In der Schule gilt er als Sonderling und Unruhestifter.1
Er genießt keine besondere musikalische Erziehung, sondern kommt vor allem durch
das Radio und Schallplatten mit ihren Hüllentexten in Kontakt mit Musik. Im Radio
wird zu seiner Zeit häufig schwarzer Rhythm & Blues gespielt, für den Zappa eine
besondere Vorliebe entwickelt. Er kauft sich Singles (45 U.p.M.), die für sein
Taschengeld noch erschwinglich sind oder steckt gelegentlich eine dieser Platten unter
seine Jacke, was zu seinem Bedauern bei den großen 33er Schallplatten mit KlassikAufnahmen nicht möglich ist.2
Mit 14 ruiniert er mit Schlagzeugstöcken die Möbel seiner Familie, bis er eine Trommel
(Snare Drum) bekommt. Mit 16 beginnt er autodidaktisch Gitarre zu lernen, u.a.
deswegen, weil er die Soli in den Songs der Zeit als zu kurz empfindet.
Kurze Zeit später entwickelt sich seine Leidenschaft für VARÈSE3. Von dem Bild
VARÈSES auf einer Schallplattenhülle fasziniert, will er unbedingt von diesem Musiker
eine Platte haben. Varèse sieht nach dem Eindruck Zappas aus wie ein typischer,
verrückter Wissenschaftler aus einem Horrorfilm. Besonders attraktiv wird die
Schallplatte für Zappa dadurch, dass sie als unverkäuflich gilt, da auf ihr nur getrommelt
werde und dies nach der herrschenden Meinung dissonant bzw. schrecklich klinge. Es
1
Gray, Michael: Die Frank Zappa Story. Aus dem Engl. von Michael Kubiak. - 1. Aufl. - Köln
1994, S. 22 f.
2
“Did you have to pay for those yourself?” ”Well, I got a little allowance, and I saved my
allowance up, and then I could buy them, because they were too big to steal. If Stockhausen had been on
45s!” In: Menn, Don/Groening, Matt: The Mother of All Interviews: Part 1.
http://www.catalog.com/mrm/zappa/html/zarticles.html (Internetzugang: 5.12.1999) 1992
3
Edgard Varèse (1883-1965), Komponist
soll aber noch einige Monate dauern, bis Zappa in einem größeren Plattenladen die
Schallplatte als Demonstrationsobjekt findet und von seinem Taschengeld erwerben
kann. Es handelt sich um eine Aufnahme von VARÈSES Ionisation.4
Zappa ist in erster Linie von der Fremdheit dieser Musik beeindruckt und ihrer
abschreckenden Wirkung auf andere - eine für den jungen Zappa typische Einstellung.
MILES bemerkt 1970 in einem Aufsatz:
Als Frank anfing, Musik zu studieren, begann er mit einer Lektüre von
Counterpoint, Strict and Free von H. A. Clarke (Philadelphia 1929). Auf der
zweiten Seite stand: ‚Schreiben sie niemals diese Tonfolgen...’ Frank spielte sie
nach und sagte ‚Toll!’ - und las nicht mehr weiter. 5
Diese kleine Anekdote wirft ein bezeichnendes Licht auf die rebellischen Attitüden des
jungen Zappa, seine Ablehnung von Normen. Gleichzeitig zeigt sich Zappas
Besessenheit von der Musik, denn immerhin macht er sich im vergleichsweise jungem
Alter die Mühe, sich mit Counterpoint, Strict and Free auseinander zu setzen.
Neben Rhythm & Blues entwickelt sich, mit VARÈSES Stück Ionisation, Zappas zweite
musikalische Leidenschaft – die für Neue Musik.
Es mag seltsam erscheinen, dass Zappa einerseits für die melodisch und harmonisch
ausgeglichene Musik der 50er Jahre („Doo Wop“-Musik und Rhythm & Blues)
schwärmte, aber andererseits die Neue Musik des Jahrhunderts liebte. Zappa erklärt dies
in seiner Autobiografie folgendermaßen:
Da ich keine formelle Ausbildung hatte, machte es für mich keinen Unterschied,
ob ich nun Lightnin’ Slim oder eine Vocalband namens The Jewels oder Webern
oder Varèse oder Strawinsky hörte. Für mich war das alles gute Musik [im
Orginal fett; d. Verf].6
2.2 Die ersten Kompositionsversuche
Zunehmend entwickelt Zappa Interesse daran, selbst Neue Musik zu schreiben. Dies
jedoch nicht ausschließlich deshalb, weil er sie gerne hören will, sondern weil es ihm
Spaß macht, Noten auf Papier zu bringen. Es gefällt ihm vor allem, wie das
beschriebene Notenpapier hinterher aussieht.
In my earliest experience I was doing a lot of drawing, sketching, painting, and
4
Zappa, Frank/Occhigrosso, Peter: The Real Frank Zappa Book. Pan Books London 1989 (Titel
der deutschen Ausgabe: I am the American dream. Aus dem Amerikanischen von Thomas Ziegler.
Goldmann, München 1991, S. 34
5
Miles, Barry zitiert nach: Gray, Michael: Die Frank Zappa Story. S. 25
6
Zappa, Frank/Occhigrosso, Peter: I am the American Dream. S. 37
that kind of stuff. And I was interested in art, and I always liked the way music
looked. And I liked to listen to music, but when I started writing it, I just
basically started doing it because I liked the way it looked.
Menn/Groening: When did you first start writing notes down on paper?
[Fragen im folgenden fett; d Verf.]
Around 14, I think. 7
Drei bis vier Jahre später entdeckt er die Zwölftonmusik und bemerkt dazu:
Oh, great. Now all I have to do is keep all 12 notes in order and there's no
problem, and you don't even have to worry about what it sounds like, because the
intrinsic value is determined arithmetically by how nicely you've manipulated all
these 12 notes and making sure you don't hear note number 1 until number 12
gets its turn.8
Zappa hat zunächst keine Möglichkeit, seine Musik aufführen zu lassen. Als er die
Chance bekommt, seine eigene zwölftonigen Kompositionen zu hören, bezeichnet er sie
als schrecklich und beendet derartige Kompositionen. Zappa komponiert bis zu seinem
20. Lebensjahr ausschließlich Kammer- oder Orchestermusik. Erst später beginnt er mit
Rockkompositionen bzw. Stücken für seine spätere Band Mothers of Invention (MOI).
Zappa wird nicht müde, in Interviews darauf hinzuweisen, dass er anfangs nur für
„klassische“ Instrumente komponierte. Er sah sich Zeit seines Lebens eher als
Komponist denn als Rockmusiker.9 Um 1962/63 findet das erste Konzert von Zappas
klassischer Musik statt. Er ist zu der Zeit für das Fach Kunst in der Highschool
eingeschrieben. Wie bei allen seinen klassischen Konzerten bis in die 80er Jahre hinein
muss er die Musiker selbst bezahlen; sein erstes Konzert ist jedoch nach seiner
Einschätzung mit insgesamt 300 Dollar spottbillig.
Es handelt sich um ein Werk namens Opus 5, das – wie auch andere Kompositionen aus
dieser Zeit – von Stockhausen und Boulez beeinflusst sind.10 Opus 5 ist eine
aleatorische Komposition mit einen gewissen Anteil an Improvisationen, die teilweise
graphisch notiert sind. Im Hintergrund erklingt an einigen Stellen vom Tonband
elektronische Musik. Gleichzeitig wird ein 8mm-Film gezeigt, den Zappa selbst zuvor
7
Menn, Don/Groening, Matt: The Mother of All Interviews: Part 1.
ebenda
9
So formulierte es auch Ali Asken in der Radiosendung: Klassik Zappa - Eine Collage von
Michael Rüsenberg und Hans Ulrich Werner. WDR Studio für Klangdesign.
10
“I didn't write any rock and roll stuff until I was in my 20s. All the music writing that I was
doing was either chamber music or orchestral, and none of it ever got played until this concert at Mount
St. Mary's. (1962)” ”And did it sound like music is supposed to sound?” “Oh, no. It was all oddball,
textured weirdo stuff.” ”Varèse wasn't doing that stuff. Who was influencing you at that time?” “By that
time, I had already heard Stockhausen. I had already heard Boulez. And so my musical education came
from vinyl and large 12-inch-square things that you could actually read on the back. And some of these
8
präparierte.11 Für diesen Film hat Zappa die Emulsion vom Filmstreifen herunter
gekratzt und ihn selbst gemalt. Dies ist seine Art von Missachtung der Konventionen,
außerdem aber Neugierde über Materialverarbeitung; sie charakterisieren seine Haltung
gegenüber „Sound“-Aufnahmen.12
Die Musik klingt anders als Zappa erwartet hat. Er gesteht sich ein, dass er seine
Komposition nicht mit seinem inneren Ohr wirklichkeitsnah hören kann.
Zur gleichen Zeit spielt Zappa in einer Fernseh-Show ein „Fahrrad-Konzert“, indem er
[...] die Speichen zupft und in die Lenkstange bläst.13
Dieses Konzert kann als Vorläufer seiner dadaistischen Ästhetik angesehen werden, mit
der er versucht, die fragwürdig gewordene, bürgerliche Kultur lächerlich zu machen und
deren Grenzen zu sprengen. Zappas Ziel ist es, mit derartigen Auftritten seine
Medienpräsenz zu verstärken.14
1959 komponiert Zappa die Musik zu dem „Low-Budget“ Western Run Home Slow,
jedoch bekommt er erst bei seiner nächsten Filmmusik zu dem Film The World’s
Greatest Sinner (1961) die Möglichkeit, eine seiner Kompositionen von einem
Orchester spielen zu lassen. Der Film wird in den Kinos gezeigt, und Zappa wird für
seine Arbeit bezahlt. Von diesem Geld kauft sich Zappa ein kleines Aufnahmestudio in
Cugamonga (Kalifornien).
2.3 Zappas Musikstudien
Einige Autoren behaupten, Zappa habe Kontrapunkt und Harmonielehre nicht studiert,
Zappa selbst gibt aber in seiner Biographie an, dass er Übungen aus einem
zeitgenössischen Musiklehrbuch praktiziert habe, um herauszufinden, was er für
verabscheuungswürdig hält, um es in Zukunft zu vermeiden.15 Zudem zählt er in einem
Interview auf, bei welchen LehrerInnen er Harmonielehre und Kompositionskurse
albums had useful liner notes.” In: Menn, Don/Groening, Matt: The Mother of All Interviews: Part 1.
Vgl.: Ruhlmann, William: Frank Zappa: The present day composer. In: The Frank Zappa
Companion: Four decades of commentary. Edited by Richard Konstelanetz, Schirmer Books, New York,
1997, S. 14
12
Vgl.: Watson, Ben: Frank Zappa as Dadaist: Recording Technology and the Power to Repeat.
(1996), In: The Frank Zappa Companion: Four decades of commentary. S. 152
13
Vgl.: Ruhlmann, William: Frank Zappa: The present day composer. S 14
14
Vgl.: Gray, Michael: Die Frank Zappa Story. S. 37
15
Vgl.: Zappa, Frank/Occhigrosso, Peter: I am the American dream. S. 210
11
besucht hat und in welchen Ensembles er (als Schlagzeuger) tätig war.16
In manchen Interviews äußert er sich abfällig über die klassische Kontrapunktlehre. Sie
widerstrebt ihm allein schon deswegen, weil sie etwas mit Regeln zu tun hat. Er will
seinen Verstand mit so etwas nicht „verschmutzen“, da er mit Kompositionen nach der
klassischen Kontrapunktlehre niemals Erfolg haben würde.17
Die unklaren Äußerungen in Bezug auf seine akademische musikwissenschaftliche
Ausbildung sind sicherlich Teil seiner Selbstdarstellung. Ebenso diffus sind Zappas
Datierungen seiner ersten Rock-Band. In vielen Interviews gibt er an, erst mit 20 Jahren
in einer Rockband gespielt zu haben. GRAY jedoch schreibt, bereits mit 14 spielte Zappa
Schlagzeug in der Rhythm & Blues Band Ramblers.18 Es folgt Zappas Mitgliedschaft in
mehreren kurzlebigen Gruppen, die z.T. unter seiner Leitung stehen. Oft handelt es sich
um Cocktail-Bar Musik.
2.4 Zappas Band: The Mothers of Invention
1964 tritt Zappa der Band The Soul Giants bei, die sich zum Muttertag 1964 in The
Mothers umbenennt. Die Band steht unter Zappas Leitung. Im Gegensatz zu anderen
Bands der Zeit, die sich dem Covern (nachspielen) von Beatles und Beach Boys-Songs
verschrieben haben, entwickelt die Band einen Stil, der ihnen in der Öffentlichkeit den
Ruf No Commercial Potential einbringt, was soviel bedeutet, dass mit ihrer Musik nicht
viel Geld eingespielt werden könne. Die Mothers sind mit der „Freak“–Szene in Los
Angeles verwachsen, eine kulturelle Gegenbewegung zu der Hippie–Szene in San
Francisco. Volker Rebell beschreibt ihren Stil der Band folgendermaßen:
Die kaprizierten sich unter Zappas Regie auf das andere Extrem – und wie
extrem. Das Bizarre, Skurrile, Hässliche, Ausgeflippte wurde ihr
16
Meine formale musikalische Ausbildung bestand aus einem besonderen Kurs in Harmonielehre,
an dem ich während meines letzten Highschool - Jahres teilnehmen durfte (ich musste rüber aus den
Campus in Mr. Russells Zimmer sitzen), aus einem weiteren Harmonielehrekurs (für den man auch
Klavier üben musste) bei Miss Holly am Chaffrey Junior College in Alta Loma, Kalifornien, und
schließlich einem Kompositionskurs am Pomona College, der von Mr. Kohn unterrichtet wurde und in
den ich mich immer hineingeschlichen habe, um zuzuhören. Außerdem habe ich in der Schule Schlagzeug
für Band und Orchester in Ensembles unter der Leitung von Mr. Miller, Mr. Killop, Mr. Minor, Mr.
Kavelmann und Mr. Ballard gespielt. Alles andere habe ich gelernt, indem ich Platten gehört und in
verschiedenen kleinen Band in Kneipen und Cocktailbars gespielt habe, meistens in irgendwelchen
Kleinstädten. Außerdem habe ich viel Zeit in der Bibliothek verbracht. 1981 Miles (Hrsg.): Frank Zappa In eigenen Worten. Heidelberg: Palmyra, 1996, S. 26
17
“No, I never studied counterpoint. I could never understand it. I hated anything with rules,
except for 12-tone, because it was so simple-minded …And I kept wondering why should I pollute my
mind with this shit, because if I ever got good at it, I'd be out of business.” In: Menn, Don: The Mother of
All Interviews: Part 1.
18
Vgl.: Gray, Michael: Die Frank Zappa Story. S. 25
Markenzeichen. Schockhabitus, Provokationsinhalte und garstiges Äußeres
waren die Markenzeichen ihres Freak-Images.19
Trotzdem kann die Band bald einen Plattenvertrag unterschreiben. Zappa sagt in den
80er Jahren, dass es in den 60er Jahren einen guten Keimboden für Kreatives gegeben
habe und vor allem die Plattenindustrie bereit gewesen sei, in Gruppen wie sie Mothers
of Inverntion zu investieren. Heutzutage, in den 80er Jahren hätten sie als neue Künstler
keine Chance auf einen Plattenvertrag gehabt.20
Die Band Zappas ist in ihrer Art einzigartig. In einer Pressemitteilung, die vermutlich
von Zappa selbst verfasst worden ist, heißt es:
Die Mothers [of Invention] haben neue Maßstäbe für die Aufführung von Musik
gesetzt. In Puncto musikalischer Kompetenz, Bühnenperformance, formaler
Konzeption und schierer Absurdität hat diese, eine hässliche Band der
Musikindustrie bewiesen, dass elektronisch verstärkte Musik tatsächlich ein
wirkungsvolles, künstlerisches Ausdrucksmittel sein kann. Die Mothers waren
die erste elektrisch verstärkte Bigband. Sie führten verstärkte und/oder
elektronisch manipulierte Holzblasinstrumente ein, [...] von der Pikkoloflöte bis
zum Fagott. Sie waren die ersten, die das Wah-Wah-Pedal sowohl bei der
Gitarre als auch bei Blasinstrumenten und elektronischen Keyboards
verwendeten. Sie leisteten einen Teil der theoretischen Grundlagenarbeit, die
sich auf die Bauweise vieler kommerziell produzierter musikalischer
Effektgeräte auswirkte.
Die Mothers konnten mit solch einer raffinierten Leichtigkeit in ausgefallenen
Taktarten und wunderlichen harmonischen Zusammenhängen spielen, dass viele
Zuhörer meinten, einen 4/4-Takt mit durchlaufendem Teenie-Backbeat zu hören.
Durch Verfahren, die normalerweise mit der zeitgenössischen „Ernsten Musik“
assoziiert werden (ungewöhnliche Perkussionstechniken, elektronische Musik,
der Einsatz von Klang in Blöcken, Linien, Flächen und Tonwolken), konnten die
Mothers die Aufmerksamkeit einer großen Anzahl von Jugendlichen auf die
Werke zeitgenössischer Komponisten lenken. Pressemitteilung, Herbst 1969 21
Auf der ersten Schallplatte Freak Out ist unter einer Liste mit Personen, die die Musik
der Schallplatte beeinflusst haben, neben Varèse, Ravel, Haba, Kagel, Strawinsky, Ives
und Nono auch Schönberg notiert. Die Mothers of Invention hätten, so Zappa, hier
Schönbergs Entwurf der „Sprechstimme“, wie sie im Pierrot Lunaire auftaucht,
verwandt. 22
WATSON beschreibt die Arbeit der Mothers als eine Verschmelzung von technischen
19
Rebell, Volker: Frank Zappa, Freak – Genius mit Frack – Habitus. In: Rock Session I, Magazin
der populären Musik, hrsg. von Gülden/Humann, Hamburg 1977, S. 238
20
Vgl.: Ruhlmann, William: Frank Zappa: The present day composer. S. 6
21
Miles (Hrsg.): Frank Zappa - In eigenen Worten. S. 57 f.
22
Marschall, Bob: Interview mit Frank Zappa am 22.10.1988
und sozialen Verstößen und vergleicht diese mit dem Vorgehen der Avantgarde des
frühen 20. Jahrhunderts – Futurismus, Dadaismus und Surrealismus.23
Die Musiker in Zappas Band sind darauf geschult, auf einen Wink von Zappa den Stil
der Musik abrupt zu ändern oder bestimmte Einwürfe zu spielen. So entstehen während
der Konzerte oft neue Stücke aus altem Material, die spontanen Kompositionen ähneln.
Viele Jazz-Musiker greifen diese Idee später auf.
Anfangs besteht die Band aus Amateurmusikern, bei der Aufnahme des Albums Uncle
Meat stoßen jedoch die klassisch ausgebildeten Percussionisten ART TRIPP und RUTH
KOMANOFF hinzu. Die Musiker in den späteren Bands Zappas müssen sich eingehenden
Prüfungen unterziehen, bevor sie aufgenommen werden. Bei diesen Prüfungen gibt es
bis zu 40 Prüflinge, die u.a. auf das Spiel schwieriger Stücke vom Blatt und das
Nachspielen nach dem Gehör getestet werden. Für viele Musiker ist das Spielen in der
Band Zappas das Sprungbrett für eine Karriere.24
Anfang der 70er Jahre ist Zappa einer der Innovatoren des Jazzrock. LUDWIG ordnet
dieser Phase drei Alben zu, weist aber im gleichen Zeitraum sechs stilistisch davon
abweichende Alben aus.25 Dies ist ein Beispiel dafür, dass das Einteilen von Zappas
Werken in Phasen allenfalls eine Regel mit vielen Ausnahmen sein kann.
Ende der 70er Jahre erscheinen zwei Alben mit orchestralem Rock und Jazz. In einem
davon, Orchestral Favorites, ist ein Rock-Schlagzeug vertreten, und unter der
Begleitung des Orchesters spielt Frank Zappa ein E-Gitarren-Solo zu einem Stück der
zweiten LP (Duke of Prunes).
Zappa entwickelt schon in den 60er Jahren eigene Vorstellungen von einem elektrisch
verstärkten Orchester. Dabei werden die traditionellen Orchesterinstrumente mit
typischen Rockinstrumenten kombiniert. Im Unterschied zu einem herkömmlichen
Symphonieorchester soll es neben den elektrisch verstärkten Rockinstrumenten vor
http://www.wins.uva.nl/~robbert/zappa/interviews/Bob_Marshall/index.html (Internetzugang: 8.12.1999)
23
Vgl.: Watson, Ben: Frank Zappa as Dadaist: Recording Technology and the Power to Repeat. S.
152
24
Scott Thunes (Bassist) wurde von Zappa fünf Tage in einem Hotel einquartiert um Mo And
Herb’s Vacation (u.a.auf London Symphony Orchestra Vol.I) auswendig zu lernen. Angeblich brauchte er
dazu 32 Stunden. Er bestand die Prüfung und spielte auf den Tourneen 1982, 1984 und 1988. Vgl. Gray,
Michael: Die Frank Zappa Story. S. 191
Vgl. auch: Ludwig, Wolfgang: Untersuchungen zum musikalischen Schaffen von Frank Zappa.
Frankfurt am Main, Lang, 1992, S. 144f
25
Vgl. Ludwig, Wolfgang: Untersuchungen zum musikalischen Schaffen von Frank Zappa. darin:
Tabellarische Übersicht über Zappas Tonträgerproduktionen unter Berücksichtigung stilistischer
Tendenzen u. Phasen, S. 209
allem ein größeres Schlaginstrumentarium, eine größere Anzahl von Tasteninstrumenten
und von jeder Instrumentenfamilie mindestens ein Bassinstrument enthalten. Auf diese
Weise will Zappa den Grundstock für eine möglichst vielfältige Klangkombinationen
legen.26
1981 lädt Zappa NICOLAS SLONIMSKY (Komponist und Dirigent, 1894-1995) ein, eines
seiner Stücke für Klavier auf einem von Zappas Rockkonzerten zu spielen. NICOLAS
SLONIMSKY dirigierte die Uraufführung von Varèses Ionisation (1931), und Zappa ist
daher sehr an einer Bekanntschaft mit ihm interessiert.27 Slonimsky schreibt über Zappa:
Er ist ein bemerkenswerter Mann, vollkommen neu und vollkommen anders. Er
ist ein Klassizist und ein Konstruktivist. Trotzdem, warum hätte er formale
Harmonie oder Kontrapunkt kennen müssen, Webern hat doch auch kein
Kontrapunktlehrbuch durchgearbeitet. Zappa würde sich bestens mit Schönberg
verstehen, weil Schönberg sich nie von seiner Zwölftontechnik gelöst hat.
Webern und Stockhausen hingegen haben solche Dinge komplett verworfen. Sie
haben den Klang der Musikwelt völlig umgekehrt und damit letztlich so wenig
erkennbar gemacht wie chinesische Musik. Zappa aber stellt musikalische
Klänge zusammen und entwickelt etwas Neues, freilich ohne Zerstörung von
Skalen und Intervallen.28
Im November 1983 bringt Zappa ein völlig andersartiges Album, The Francesco Zappa
Album, heraus. Er entdeckt, dass im 18. Jahrhundert in Mailand der Namensvetter
Francesco Zappa gelebt hatte. Zappa sucht in den Archiven nach Noten von ihm,
bearbeitet seine Musik und bringt sie, am Synclavier29 mit allen Klängen eines
Orchesters eingespielt, heraus.30
2.5 Filme über die Mothers of Invention
Für die Produktion von Filmen arbeitet Zappa mit Orchestermusikern, von denen er die
Preisgabe der Ernsthaftigkeit verlangt. Im Film Uncle Meat z. B. , der 1969 begonnen
26
Vgl. Ludwig, Wolfgang: Untersuchungen zum musikalischen Schaffen von Frank Zappa. S. 178
Vgl.: Slonimsky, Nicolas: I enter the age of absurdity (1988). In: The Frank Zappa Companion:
Four decades of commentary. S. 237ff
28
Nicolas Slonimsky zitiert in der Radiosendung: Klassik Zappa - Eine Collage von Michael
Rüsenberg und Hans Ulrich Werner.
29
zur Beschreibung des Synclavier siehe Kapitel 3.4
30
Also on November 21 came the Francesco Zappa album, his first digital recording in over 200
years. “He was a composer who flourished between 1766 and 1788," Zappa explained. "Nobody knows
when he was born or when he died. He was a cello player from Milan and wrote mostly string trios. I
found out about his music and located a bunch of it in the Berkeley Library and the Library of Congress.
My assistant loaded it into the Synclavier and now we have a whole album of synthesized performances...
It’s kind of happy, Italian-sounding music. It’s nice and real melodic. It’s interesting, too; he does a few
strange things harmonically that seems to be slightly ahead of his time – a few little weird things.
Basically, it’s typical of music of that period except it doesn’t sound typical when it comes out of the
Synclavier." Ruhlmann, William: Frank Zappa: The present day composer. S. 38
27
und erst 1987 fertig gestellt wird, sind die Orchestermusiker im Gesicht bemalt und
werden in ihrem Spiel durch dadaistische Einlagen der Mothers unterbrochen.
United Artists bietet Zappa für einen Film über die Mothers of Invention ein Budget
über 630.000 Dollar an. Zappa entscheidet, den Film in England zu drehen. Das Royal
Philharmony Orchestra, das er für 1000 Pfund am Tag engagiert, gibt ihm die
Möglichkeit, die auf Tournee komponierte Musik adäquat umzusetzen. Zudem spielt
das Los Angeles Philharmony Orchestra 1970 unter ZUBIN METHA einige Aufnahmen
ein, die später in dem Film 200 Motels verwendet werden. 200 Motels ist eine
surrealistische Dokumentation der Erfahrung, auf Tournee zu sein.31
Die dadaistische Strategie des Films beeindruckt viele Filmkritiker. Zudem wird Zappas
Fans eine Musik geboten, bei der sich Rock-Musik und orchestrale Klänge mit einer
neuen grellen Intensität abwechseln. 32 Für WATSON ist der Film ein 60er Pop-Art -,
oder Fluxus-Happening.33 Im Kapitel 4.3.1 Musikalische Persiflage: 200 Motels wird
die Szene zu dem Titel Strictly Genteel beschrieben.
2.6 London Symphony Orchestra und Ensemble
Intercontemporain
Sein nächstes Werk mit orchestraler Beteiligung bedarf mehrerer Anläufe. Zappa will
Kompositionen mit großem Orchester einspielen und nimmt Verhandlungen mit den
Wiener Symphonikern und dem Residentie Orchestra (Den Haag) auf. Nachdem er
schon 250.000 Dollar investiert hat, bricht er die Bemühungen ab, da das Projekt noch
teurer zu werden droht.34 Schließlich - nach neuerlichem Anlauf - entstehen Aufnahmen
mit dem London Symphony Orchestra, die als Vol. I (1983) und Vol. II (1987)
herausgebracht werden.
Frank Zappa gibt in seiner Biographie an, dass er sich der Arbeit mit Orchestern
langsam annähern musste, denn er schreibt:
[...] der Rest meiner Aktivitäten lässt sich viel trefflicher als
Amateuranthropologe beschreiben. Wenn beispielsweise ein richtiger
Anthropologe einen Stamm studiert, dann muss er die Schüssel mit den
Würmern essen, das Grashemd anziehen und mitmachen. Genauso war für mich
31
Vgl.: Watson, Ben: The complete guide to the music of Frank Zappa. London, Omnibus, 1998.
S. 43
32
ebenda, S. 43, 46
Watson, Ben: Frank Zappa as Dadaist: Recording Technology and the Power to Repeat. S. 179
34
Vgl: Kapitel “Orchesterblödheiten” in: Zappa, Frank/Occhigrosso, Peter: I am the American
dream. Goldmann, München 1991, S. 165-170
33
die Arbeit mit einem Symphonieorchester.35
Das Album Jazz from Hell, ein fast reines Synclavier Album, das zwischen den beiden
Alben des London Symphony Orchestra 1986 erscheint, wird als kalt und unmenschlich
kritisiert. Daraufhin gibt Zappa ein Nachfolgealbum (Vol. II) heraus, zu dem er sagt,
dass man an diesem Album das menschliche Element verdeutlicht sehen könne, da über
50 Aufnahmeschnitte nötig waren, um die Fehler der Bläsersektion in einem Stück von
sieben Minuten auszugleichen.36
1984 erscheint das Album Boulez conducts Zappa - The Perfect Stranger. Von der
Musik gibt es zunächst ein Konzert und einige Tage später eine Studio-Aufnahme.
Zappa findet die Aufführung schlecht, da sie nicht ausreichend geprobt wurde. In einem
Interview im Beisein BOULEZ’ erklärt Zappa darüber hinaus, dass er immer noch eine
adäquate Aufführung seiner orchestralen Musik vermisse.37
Zappa hat BOULEZ, der die Musik der Mothers of Invention von Beginn an beeinflusste,
Anfang der 80er Jahre Partituren für großes Orchester geschickt, die dieser aufgrund der
Größe des Ensemble Intercontemporain ablehnt. Jedoch fordert er bei Zappa eine andere
Besetzung an, was als eine besondere Wertschätzung BOULEZ’ für Zappa angesehen
werden kann, da BOULEZ ansonsten Schwierigkeiten hat, Jazz und Rock als Musik
anzuerkennen.
2.7 Zappas letzte Rocktournee
1988 geht Frank Zappa auf seine letzte Rock-Welt-Tournee. Elf Musiker begleiten ihn,
die sich zu einer kleinen Big-Band Besetzung zusammenfügen: Drei Saxophone,
Trompete, Posaune, Keyboard, Vibraphon/Marimbaphon, zwei Rhythmus-Gitarristen,
E-Bass und Frank Zappa an der Gitarre. Die Band probt vier Monate an fünf Tagen in
der Woche. Das Repertoire umfasst am Anfang der Tournee 130, vor allem ältere
Stücke; während der Tournee werden es einige Stücke mehr. Vor jedem Konzert wird
eine beliebige Auswahl zusammengestellt, um, so Zappa, seine Musiker während der
langen Tournee nicht zu langweilen und bei Laune zu halten.38
Die Band bricht nach fünf Monaten Tournee wegen persönlicher Differenzen
35
Vgl.: Zappa, Frank/Occhigrosso, Peter: I am the American dream. Goldmann, München 1991, S.
161
36
37
38
Vgl.: Beiheft zur CD London Symphony Orchestra Vol I & II
Radiosendung: Klassik Zappa - Eine Collage von Michael Rüsenberg und Hans Ulrich Werner.
Vgl.: Klier, Robert: Conceptional Continuity – Entwicklungen und Besonderheiten der Musik
auseinander. Die Tournee ist wie viele Unternehmen Zappas kommerziell nicht
erfolgreich. Der frühe Abbruch hinterlässt Zappa $400.000 Schulden. Die Schulden
entstehen vor allem aufgrund der langen Probenzeit und dem damit verbundenen Drang
Zappas zur Perfektion.
Diese Perfektion und der Stilreichtum veranlassen FISH und WATSON, eine der CDs der
88er Tournee (Make A Jazz Noise Here) folgendermaßen zu kritisieren:
A musical blockbuster, allowing the 1988 horns to scratch out on music that
sounds like an unholy alliance of sleaze jazz, free improvisation, avantgarde
classical, knitting factory samplers and guitar mania. Walt Fowlers trumpet on
the "Royal March" from Stravinsky’s Soldier’s Tale is astonishingly fleet. [...]
Adorno noted that avantgarde is frequently tainted by being deprived of the
technical excellence afforded to commercial ventures. Jazz Noise is an act of
defiance to the poverty-program dealt more creative musicians. Mighty.39
Es ist unwahrscheinlich, dass es noch einmal Aufführungen wie die von der 88er
Tournee in den Konzertsälen geben wird. Zappa wird dazu befragt:
Maybe you should do a Frank Zappa band without Frank Zappa. Just send
them out on the road to play your music.
Well, there's been talk of doing that with this Zappa's Universe Project that was
done in New York. They're trying to organize a tour of that, but it doesn't look
like it's going very well, because there's no money behind it. You can't put a band
together to go and play hard music without rehearsal, and nobody wants to
rehearse without getting paid, so I doubt whether it's going to happen. Probably
the Zappa's Universe Project is a one-shot deal. 40
Selbst wenn sich ein Leiter fände, der die Musiker zu derartigen Taten anspornen
könnte, bräuchte es Sponsoren, die die lange Probenarbeit und das Risiko tragen
würden.
Zappa nimmt seit den 60er Jahren sämtliche Konzerte auf. Er veröffentlicht aus seinem
umfangreichen Archiv sechs Doppel CDs mit Zusammenstellungen aus verschiedenen
Live-Auftritten (You Can’t Do That On Stage Anymore, Vol 1-6). Zappas Bedürfnis,
jede Aufnahme eines Konzertes zu einem Dokument einer realen Situation zu machen,
kommt bei der zweiten CD dieser Reihe besonders zum Ausdruck. Hier ist ein
vollständiges Konzert von 1974 fixiert, in dem eine bemerkenswert virtuose
Wiedergabe von diffizilen Stücken prägend ist. In dieser Zeit existieren Stücke, in denen
Frank Zappas. Examensarbeit, Kassel, 1990, S. 111
Fish, Mike/Watson, Ben: Frank Zappa on disc. In: The Frank Zappa companion : four decades
of commentary. Edited by Richard Konstelanetz, Schirmer Books, New York, 1997, S. 146ff
40
Menn, Don/Groening, Matt: The Mother of All Interviews: Part 2.41 Vgl. Watson, Ben: The
complete guide to the music of Frank Zappa. S. 86f.
39
ein Bandmitglied aufgefordert wird, ein High- School Diplom, das mit einer Turnsocke
gestopft ist, zu rauchen, neben anderen, die Elemente Varèse, Dolphy, Nancarrow und
dem Blues Gitarristen Johnny „Guitar“ Watson enthalten.41
Bis zu seinem Tode 1993 spielt Zappa nur noch einmal mit einer Rockband, und zwar in
Prag, zum Abzug der sowjetischen Truppen - im Beisein seines Freundes Vaclav Havel.
2.8 Das Yellow Shark Projekt
Die letzten öffentlichkeitswirksamen Arbeiten Zappas sind die zu dem Projekt The
Yellow Shark mit dem Ensemble Modern. Die aus diesem Projekt entstandene CD stellt
einen Meilenstein bezüglich Zappas Ambitionen zu moderner Musik dar. Einzelne
Stücke der CD binden quasi Bögen über sein Leben, da sie in unterschiedlichen Phasen
seines Lebens entstanden und hier mit einem anerkannten Ensemble für Neue Musik in
ein neues Licht gerückt werden.
1991 gibt das Ensemble Modern mit Sitz in Frankfurt, ein in seiner Stammbesetzung 25
köpfiges, auf Neue Musik spezialisiertes Kammerorchester, ein Stück für das Frankfurt
Festival 1992 bei Frank Zappa in Auftrag. Zappa ist begeistert von der Spielfreude, der
Kreativität und der Flexibilität der MusikerInnen. Daher lädt er sie für zwei Wochen zu
sich nach Los Angeles ein. Er sagt über das Ensemble Modern:
And can they play! It's unbelievable.
The musicians themselves desired to do this [Project Yellow Shark]. And so you
know under those circumstances that, whatever you write, they're going to play
the fuck out of it. So the next thing that happened was, I said let's construct the
piece while you're here; why don't you come to Los Angeles for two weeks, and
I'll rehearse with the group just like I would rehearse with a rock and roll band.
And that's what happened: We did rehearsals, we recorded some improvisations,
we did mass samples with the whole group and individual samples - things that
never came out of notation in any textbook, things that you could never write
down on paper.42
Aus dem einen in Auftrag gegebenen Stück wird ein abend- bzw. tonträgerfüllendes
Programm - The Yellow Shark. Die Stücke stammen aus allen Phasen von Zappas
Schaffen. Es befinden sich Neubearbeitungen von orchestralen Werken, sowie Rockund Synclavierstücken sowie einige neue Werke darunter.
Zappa bezeichnet die Konzerte im Hinblick auf moderne Musik als ‚historisch’.43 Nach
41
42
43
Vgl. Watson, Ben: The complete guide to the music of Frank Zappa. S. 86f.
Menn, Don/Groening, Matt: The Mother of All Interviews: Part 1.
"Well, by modern music standards, this would be an astonishing maybe even historic, success,"
dem Konzert beschreibt er die Atmosphäre folgendermaßen:
Stunned expressions on the faces of the musicians, the concert organizers, the
managers, everybody sitting there with their jaws on the floor. They never
expected anything like this.[…] I've never had such an accurate performance at
any time for that kind of music that I do. […] The dedication of the group to
playing it right and putting the 'eyebrows' on it (Zappa-ese for intuitive,
spontaneous musical histrionics) is something that - it would take your breath
away. You would have to have seen how gruelling the rehearsals were, and how
meticulous the conductor, Peter Rundel, was in trying to get all the details of this
stuff worked out [...]44
Von diesen Konzerten wird die CD The Yellow Shark produziert, die heute als
Meilenstein in Zappas Karriere als Komponist moderner Musik gilt. Zappa soll gesagt
haben, er wolle nach Frankfurt ziehen, um mit seiner „neuen Band“, dem Ensemble
Modern, intensiv proben zu können.
2.9 Kritiken
Die CD The Yellow Shark wird u.a. in einem Radio-Special intensiv diskutiert, in dem
einige deutsche und amerikanische Komponisten und Musiker zu Wort kommen.45
Einige weitere Kritiken spiegeln die Beurteilung von Zappas Werken in der
Musikwissenschaft wider und bieten außerdem eine Vorschau auf die Ästhetik bzw.
Stilistik Zappas
(Kapitel 3).
ALI ASKIN, Komponist, Musiker und Arrangeur des Albums The Yellow Shark, tut sich
schwer damit, die Zappas Kammermusik bzw. Orchestermusik Zappas von seiner
Rockmusik zu trennen, da er Zappas Vorgehensweise beim komponieren kennt, nämlich
bei beiden völlig unterschiedlichen Genres die gleichen Techniken zu verwenden.
Aufgrund dessen nimmt Zappa - laut ASKIN - eine eigene Position in der
Musikgeschichte des 20sten Jahrhunderts ein. Viele Werke besitzen einen eigenen
Charakter und sind unverwechselbar mit Zappa verbunden.46
Gerade auf seinen letzten Platten bietet Zappa eine Welt von verschiedenen
musikalischen Stilen, so JOHN NELSON vom Meridian Art Ensemble. Er hat Techniken
Frank Zappa im Interview in der Los Angeles Times, 1.Oktober 1992
http://www.wins.uva.nl/~robbert/zappa/interviews/LA_Times.html (Internetzugang: 8.12.1999)
44
Frank Zappa im Interview in der Los Angeles Times.
45
Radiosendung: Klassik Zappa - Eine Collage von Michael Rüsenberg und Hans Ulrich Werner.
46
Ali Askin, In: Radiosendung: Klassik Zappa - Eine Collage von Michael Rüsenberg und Hans
Ulrich Werner.
von Strawinskys neo-klassizistischen Kompositionen eingesetzt, die aleatorischen
Prinzipien von Cage, serielle Techniken, sowie Schönbergs Zwölftonsystem. Außerdem
hat er Country und Western Stilistik, Jazz, Rap, Funk, Jazzrock, elektronische Musik,
improvisierte Musik verarbeitet und kann sich in nahezu jedem Stil ausdrücken.47
Der Komponist HEINER GÖBBELS konstatiert, dass gerade die älteren Kompositionen,
die von ALI ASKIN für The Yellow Shark arrangiert wurden, in der akademischen
Orchestrierung ihren Witz, ihre rhythmische Überraschung und die bodenständige Art
aus der Rockmusik behalten haben.48 PETER RUNDEL, neben Zappa Dirigent auf der CD
The Yellow Shark ist der Meinung, dass die Stücke, die am Synclavier entstanden und
für Orchester umgeschrieben wurden (Ruth Is Sleeping, The Girl In The Magnesium
Dress), in der heutigen E-Musik absolut konkurrenzfähig seien. Obwohl sie sich dem
avantgardistischen Idiom annähern, tragen sie deutlich Zappas Merkmale.49
KLAUS BLOCH, Synclavier Experte und Komponist für Kammermusik, spricht von
Zappas Ästhetik, die gezeigt habe, dass eine wissenschaftliche Herangehensweise an das
Komponieren zwar seine Begründung habe, aber diese Zeiten im Grunde vorbei seien,
da dies heutzutage nicht mehr interessiere. 50
DAVID REZEEN, ein Schüler Schönbergs, hat mehrere Aufnahmen von Zappas Werken
gemacht und kritisiert, dass seine Werke in dem Sinne nicht ausbalanciert seien, dass
Zappa mikrophonisch denke. Er habe vier Posaunen im Mezzoforte, einer Flöte
gegenüber gestellt, was nur mit Hilfe von Mikrophonen möglich sei. Er schreibe Dinge,
„die man kaum glauben kann,“ hat aber seiner Ansicht nach keinen ausgeprägten Sinn
für Melodik.51
Die in den 80er Jahren in Oslo beheimatete Fanzeitschrift Society Pages vergleicht
Zappas Orchestrierung auf der Schallplatte London Symphony Orchestra Vol I & II mit
einem Dinosaurierhirn. Ausreichend für kleine Ensembles, könne sie jedoch nicht ein
großes Orchester animieren.52 SLONIMSKY drückt es positiver aus, indem er feststellt,
dass Zappa viele Musiker mit wenig Aufwand zusammengebracht habe.
WATSON beschreibt jene Orchesterwerke als sonderbare Hörerfahrungen. Der Hörer
47
48
49
50
51
52
John Nelson, ebenda
Heiner Göbbels, ebenda
Peter Rundel, ebenda
Klaus Bloch, ebenda
David Rezeen, ebenda
Fish, Mike/Watson, Ben: Frank Zappa on disc. S. 141
werde in eine orchestrale Suppe, jedoch ohne die grimmige Kantigkeit von Zappas
anderer Musik eingetaucht. Jeder, der die Heftigkeit und die Abstraktion VARÈSES
erwarte, werde enttäuscht.
Ungleich VARÈSE vermeidet Zappa keine Melodien, Harmonien oder Abschnitte
von expressiver ‘Stimmungsmache’, was jedoch niemals klassisch oder seriell
entwickelt wird. Klänge gingen hinaus und werden abgewogen und kontrastiert
mit anderen Klängen, ein Hör-Äquivalent zu Kurt Schwitters und seinem
Merzbau, ein abstraktes Kunstwerk aus Abfall und Trümmern.53
Alle Werke Frank Zappas seien aus einer Reihe dramatischer, innerer Widersprüche
entstanden, die diesen bemerkenswerten Menschen auszeichnen, schreibt GRAY. Für
einen arbeitswütigen Kettenraucher, der Alkohol und Drogen strikt ablehnte, habe er
sich mit überraschend vielen hoffnungslosen Junkies abgegeben - und manchmal sogar
an ihnen orientiert. Für einen Künstler mit einer enorm anspruchsvollen musikalischen
Sensibilität, habe er eine frappierende - und gleichermaßen unverhüllte wie unstillbare Vorliebe für zweideutige Songs an den Tag gelegt, für Songs, deren Texte genauso
schlicht strukturiert, wie die Musik clever und komplex sei. 54
Abschließend soll noch einmal WATSON zitiert werden, der sich um die Aufarbeitung
und wissenschaftliche Betrachtung von Zappas Musik außerordentlich verdient gemacht
hat.
Zappa ist ein extrem linearer Komponist. Seine musikalischen Entscheidungen
resultieren aus der Aufmerksamkeit des Zuhörens. Während Darmstadtorientierte Komponisten häufig eine Dialektik aus einerseits schematischer
mathematischer Erfindung und andererseits Spielbarkeit und Hörbarkeit
verfolgen, verwendet Zappa seine Partituren mehr dazu, Musiker zu dirigieren
denn abstrakte Formen zu gestalten, das heißt, er erzählt nur sehr selten eine
komplexe Gleichzeitigkeit wie sie charakteristisch ist für BOULEZ oder den
frühen Stockhausen. Wenn er für große Orchester schreibt oder nicht mit einer
Gruppe improvisierender Musiker spielt, dann nutzt er nicht das spezifische
Potential von Partituren aus, separate aber gleichzeitige Ereignisse zu
entwickeln. Was Zappa gleichwohl besitzt ist ein Sinn für hochtourige
Absurditäten, die akademischen Komponisten nicht gelängen, ohne ermüdend zu
klingen.55
Die Kritiken unterstreichen zumeist die Sonderrolle, die Zappa in der Musikgeschichte
einnimmt. Sie stellen Bezüge zu den Vorbildern Zappas her, betonen die eigene
Handschrift der Kompositionen Zappas und seine Fähigkeit, stilistische Elemente aus
53
54
55
Watson, Ben: The complete guide to the music of Frank Zappa. S. 126 f.
Gray, Michael: Die Frank Zappa Story. S. 244
Watson, Ben: The negative Dialectic of Poodle Play, zitiert in der Radiosendung: Klassik Zappa
verschiedenen Musikrichtungen zu verwenden und sich gleichfalls in diesen Genres
ausdrücken zu können.
2.10 Musikalische Vorlieben Zappas
Im folgenden wird der Frage nachgegangen, welche Musik und welche Musikstile das
Interesse Zappas erregten und Einfluss auf sein Schaffen hatten.
Wie schon oben erwähnt, begeistert sich Zappa als Teenager für VARÈSE, BOULEZ,
STOCKHAUSEN und andere zeitgenössische Komponisten sowie für Rhythm & Blues von
Lightnin’ Slim, Johnny ‚Guitar’ Watson und Slim Harpo.
Über klassische Musik aus vergangenen Jahrhunderten sagt er, sie langweile ihn, weil
sie ihn an „Malen nach Zahlen“ erinnere.56 Nur BACH findet Zappa einigermaßen
interessant, weil ihm dessen Klang gefällt. Er würde sich von BACH allerdings niemals
eine Aufnahme kaufen, geschweige denn in ein Konzert gehen. Im gleichen Atemzug
gibt er jedoch an, dass er die Musik von VARÈSE aus den gleichen Gründen wie die von
Bach anregend findet – nämlich allein wegen ihres Klanges. Ansonsten interessiert ihn
klassische Musik vergangener Jahrhunderte überhaupt nicht. 57
Minimal Music charakterisiert er als ‘monochromonotony’, eine Wortschöpfung aus
monochrom und monoton.58
Über CAGE sagt Zappa, dass ihn sein Konzept mehr interessiere als das hörbare
Ergebnis. Dies könne möglicherweise an den Aufführungen liegen, die damals erhältlich
waren.59 Trotzdem scheint CAGE ihn sehr beeindruckt zu haben, denn in seiner
Autobiographie erwähnt Zappa, wie CAGE bei einer Aufführung mit einem
Kontaktmikrophon am Hals Karottensaft trinkt und verkündet, dies sei Musik. Ohne
CAGE, so Zappa, wäre manches in der modernen Musik nicht möglich, vielleicht auch
nicht die Widmung des Ensemble Modern, neue Klänge zu realisieren.60 Der
- Eine Collage von Michael Rüsenberg und Hans Ulrich Werner.
Zappa, Frank/Occhigrosso, Peter: I am the American dream. S. 209
57
“Beethoven? Brahms? Bach?” “Bach is more interesting.” “Why?” “I just like the way it sounds.
The same reason I like Varèse. I like the way it sounds. But I wouldn't go out of my way to attend a Bach
concert or buy an album of that kind of music. To me, of that period, that is the most tolerable of the
material to listen to. I don't start getting interested in so-called classical music until the early 20th
century.” In: Menn, Don/Groening, Matt: The Mother of All Interviews: Part 1.
58
F. Zappa zitiert nach: Watson, Ben: The complete guide to the music of Frank Zappa. S. 126
59
DM: “What about some of the experimenters, like John Cage doing silence (4'33")?”
”I think that's an acquired taste. When I first learned of Cage's work, it seemed like the concept of it was
far more entertaining than the audio result, but that could have just been a matter of the performances that
were available on record at that time.” ebenda
60
Vgl.: Interview in der Los Angeles Times.
56
Musikbegriff CAGES hat also auch Zappa geprägt.
WATSON schreibt dazu:
Zappas Akzeptanz des Zufalls und den Einbezug des täglichen Lebens in seine
Kunst zeigt Parallelen zu John Cage. [...] Trotzdem Zappa gleichermaßen von
Zen überzeugt war, unterschied ihn sein satirischer Impuls sehr von Cage. Er
nahm Cages Angriff auf die Grenzen zwischen Kunst und Leben sehr ernst, aber
er akzeptierte weder Cages Desinteresse Aufnahmen zu verkaufen, noch seine
quietistische soziale Botschaft. 61
Populäre Musik ist für Zappa zu einfach strukturiert. Für einige seiner
Rockmusikkollegen empfindet er Respekt. Trotzdem stellt er fest:
Es hat mir nie besonderen Spaß gemacht, Radio zu hören oder eine Pop-Platte
aufzulegen. Die Strukturen sind so unglaublich simpel. Warum sollte ich mir so
was antun? (...) Ich mag Folksmusik, und die ist weiß Gott einfach. Aber das
meiste [an Pop- Musik] hat heute nicht einmal in seiner Einfachheit etwas
cleveres. Es ist ein Produkt, keine Musik. Es hat den Charakter einer Tapete, die
zum Lebensstil des Kunden passen soll. 1992 62
Zappa kritisiert nicht nur die Einfachheit der Pop-Musik, sondern vor allem, dass es sich
um Musik aus der Retorte handelt: der Wert liege nicht auf dem spielerischen Können,
dem Inhalt oder auf komplexen Kompositionen, sondern auf Marktchancen,
Verkaufszahlen und MusikerInnen, die schön anzusehen sind. In Amerika kann Musik
nicht mehr ohne dazugehöriges Video, ohne die Visualisierung der Musik, verkauft
werden.
61
62
Watson, Ben: Frank Zappa as Dadaist: Recording Technology and the Power to Repeat. S. 163f
Miles (Hrsg.): Frank Zappa - In eigenen Worten. S. 75
3 Die musikalische Ästhetik Frank Zappas
Zappa betont immer wieder, dass seine Arbeit nach einem Konzept ausgerichtet ist,
welches in allen seinen Tätigkeiten Kontinuität aufweise. Das Konzept hat Einfluss auf
die Ästhetik Zappas, denn er verwendet beispielsweise musikalische Motive für die
Schaffung eines konzeptionellen Zusammenhangs zwischen seinen Werken. Die Motive
sind als Teil der Musik Ausdruck der Ästhetik Zappas.
3.1 Konzeptionelle Kontinuität
Sein Konzept - Conceptional Continuity - vertritt Zappa in einem wortgewaltigen Credo
schon Ende der 60er Jahre:
Der vielleicht einmaligste Aspekt der Mothers ist die konzeptionelle Kontinuität
der in der Extension befindlichen Makrostruktur der Gruppe. Es gab und gibt
noch eine der strukturellen und thematische Elemente bewusste Kontrolle –
Elemente, die sich wie ein roter Faden durch jedes Album, jedes Konzert und
jedes Interview ziehen. [...] Das Projekt/Objekt enthält Pläne und Nicht-Pläne
und auch lediglich die Ereignisse schildernde Strukturen, die genau kalkuliert
und erdacht sind, um die Mechanismen des Zufalls und alle diesbezüglichen
Unwahrscheinlichkeiten auszugleichen.63
Nach SUER64 wird „konzeptionelles Denken“ als ein planmäßiger, sich aus einer Idee
entwickelnder Prozess definiert, der übergeordnete Zusammenhänge und einen
Zusammenhalt zwischen Einzelteilen (z.B. musikalischen oder textlichen Gestalten)
erzeugt. SUER weist nun in verschiedenen Stücken Zappas einen konzeptionellen
Zusammenhang durch den Gebrauch von Leitmotiven nach.
Bei Zappa sind jedoch Leitmotive nicht nur markante musikalische Gestalten, wie sie
unter dem Begriff Leitmotiv in der Musikgeschichte zuvor verstanden werden, sondern
es gibt bei Zappa auch außermusikalische Motive, Bilder, Begriffe, Metaphern,
Klangfarben, denen bestimmte feststehende Bedeutungen zugeordnet sind.
Beispielsweise dient ein Kazoo-Motiv65 auf seinen ersten Schallplatten dazu, bestimmte
Werte und Normen der Gesellschaft zu parodieren.66
Zappa bedient sich moderner kompositorischer Mittel des 20. Jahrhunderts, indem er in
63
Frank Zappa, zitiert nach: Dister, Alain: Frank Zappa. Der Rebell aus dem Untergrund.
München, 1980
64
Vgl.: Suer, Klaus: Konzeptionelles Denken in der Musik von Frank Zappa. Magisterarbeit,
vorgelegt von Klaus Suer, Osnabrück, 1993, S. 11
65
Ein Kazoo ist ein kleines Plastikinstrument, mit einer Membran, das beim Hineinsingen einen
quäkenden Ton von sich gibt.
der Verarbeitung von Tonmaterialien auch außermusikalische Materialien wie Zitate,
elektronische und nicht elektronische Klänge, Gesprächsfetzen und Alltagsgeräusche
einsetzt, und in Montage- und Collagetechniken integriert. Durch die Integration dieser
Motive in seine Stücke schafft er konzeptionelle Zusammenhänge.
SUER versucht mit der Suche nach Leitmotiven, vor allem in der Rockmusik Frank
Zappas, dem Konzept auf die Spur zu kommen, das Zappa in seiner Conceptional
Continuity verspricht. Der Zweck der unterschiedlichen Effekte, die Zappa einsetzt, um
eingefahrene Hörgewohnheiten aufzubrechen, liege nur darin, die Aufmerksamkeit auf
seine politischen Textaussagen zu lenken.67
SUER beschreibt Zappas konzeptionelles Denken als einen sich entwickelnden Prozess,
sowie das Werk als „work in progress“. Ein musikalisches Gebilde ist somit nicht
abgeschlossen, sondern Teil einer übergreifenden Entwicklung.68 SUER kommt in seiner
Arbeit zu dem Fazit, dass
[...] Zappa kaum Erläuterungen zum Inhalt seines Konzeptes und des
„Leitmotivs“ [gibt; d. Verf.]. Einzige Erklärungen zu den Konturen seiner
Konzeption liefert Zappa mit den Erläuterungen seiner Zitattechnik, mit der er
werkübergreifende Bindungen herstellen will. [...] In seiner ersten
Schaffensphase 1966-1968 ist Zappa mit einem funktional angelegten Konzept,
daß die Musik in den Dienst der Verbreitung gesellschaftskritischer Ideen stellt,
ein einheitlicher Rahmen gelungen. 69
Demnach stellt Zappa in den 60er Jahren motivische Zusammenhänge nur aufgrund
seines gesellschaftskritischen und politischen Anspruchs her. Politik hat bei Zappa einen
so hohen Stellenwert, dass sie in nahezu jedem Interview zur Sprache kommt. Wäre er
nicht an Krebs erkrankt, hätte er sich für das Präsidentenamt der USA beworben.
Gegen SUERS Folgerungen spricht jedoch, dass Zappa in erster Linie Musiker ist, der die
Texte seiner Stücke in einigen Fällen zum Transport von Inhalten nutzt, anderen seiner
Texte dagegen jeglichen tieferen Sinn abspricht.70 Somit widersprechen diverse
Aussagen Zappas, in denen er das Gewicht des Textinhaltes als sehr gering einschätzt,
den Behauptungen SUERS. Zappa behauptet sogar, Texte vor allem deswegen zu
schreiben, weil man in den USA ohne einen Text mit Melodie kein Publikum bekäme.
66
Vgl. Suer, Klaus: Konzeptionelles Denken in der Musik von Frank Zappa. S. 52
Suer, Klaus: Konzeptionelles Denken in der Musik von Frank Zappa. S. 143
68
ebenda, S. 36
69
ebenda, S. 142
70
Beispielsweise handelt der Text des Liedes Montana (Album: One size fits it all) davon, dass
jemand nach Montana auswandert, um dort Zahnseide anzubauen.
67
Diese Aussage führt den von SUER unterstellten Anspruch, in sämtlichen frühen Songs
Textbotschaften vermitteln zu wollen, ad absurdum.
Aus seinen Schlussfolgerungen deutet SUER Zappas Conceptional Continuity
folgendermaßen:
Trotz vieler Formen und Versuche, sein Gesamtwerk zu einem festen Rahmen
zusammenzuschließen, ist Zappas Leitfaden seit 1968 immer dünner geworden.
Sein Konzept äußert sich im Prinzip nur noch in einem prägnanten Personalstil
und einer markanten kompositorischen Handschrift, deren hervorstechende
Merkmale hohe kompositionstechnische und instrumental-handwerkliche
Perfektion, ein grundsätzlich ironischer Gestus und eine individuelle Gestaltung
von Rhythmen sind. [...] Frank Zappa war und ist selbst sein Konzept.71
SUER führt mit dieser Aufzählung - Personalstil, kompositorische Handschrift,
handwerkliche Perfektion usw. - die Punkte auf, die Zappa wahrhaftig zu einem
ausgeprägten Konzept verhelfen und das über Jahre hinweg. Zappa behauptet, seine
Arbeit verlaufe kontinuierlich und sei konzeptionell so ausgerichtet, dass jedes Detail
seiner Arbeit Bezug zu einem anderen Detail, zu einem anderen Lebensabschnitt von
ihm habe. Er formulierte damit die von SUER sogenannte Leitmotivtechnik
folgendermaßen:
Mein Gesamtwerk ist eine einzige Komposition und nur in Spuren aufgeteilt,
weil ich gezwungen bin, es auf verschiedenen Trägern zu veröffentlichen. Ein
Thema, das auf der ersten Platte anfing, kann sehr wohl später auf irgendeiner
Platte auftauchen und zwar ohne Grund, außer dass es zum Gesamtwerk
irgendwie dazugehört.72
SUERS Schlüsse sind insofern nachvollziehbar, als dass die ersten Beschreibungen der
Conceptional Continuity auf die Gruppe der Mothers ausgerichtet sind und Zappas
Leben nicht in den Mittelpunkt stellen. Erst in späteren Interviews und in der
Autobiographie verändert sich die Definition. Jedoch waren die Musiker der Mothers
quasi Angestellte Zappas, denn er bezahlte sie unabhängig von der Konzerttätigkeit, was
nahezu einmalig in der Rock-Musik war und ist. Er bestimmte, was, wie und warum
gespielt wurde. Das Verwenden spezifischer Motive, Geräusche und Klänge, sowie das
Aufgreifen alter Stücke und das Entwerfen neuer Stile und Stilmittel und somit das
Konzept hat seine Wurzeln bei Zappa selbst.
WATSON verglich den Gebrauch unterschiedlicher Themen mit Mandelbrots
71
Klaus Suer: Konzeptionelles Denken in der Musik von Frank Zappa. S. 148f
Lohner, Henning: Frank Zappa - Peefeeyatko. Fernsehfilm, Produziert von Henning Lohner,
Peter Lohner und Frank Zappa, 1991.
72
geometrischen Fraktalen (z.B. den sogenannten „Apfelmännchen“):
Like Mandelbrot’s fractals, every Zappa grotesquery springs from some tiny
detail in previous work (the celebrated sex yarn ‘Dinah-Moe Humm’ was
heralded by a phrase in the sci-fi story inside the booklet that accompanied Uncle
Meat), Zappa’s cleverest trick - and one which still provokes frenzied
speculation among Zappologists - was his ability to parody trends and musicbiz
absurdities before they appeared! Perhaps time is indeed an illusion...73
Und RUHLMANN schreibt über den Zeitfaktor in Zappas Coneptional Continuity:
For example, one aspect of the "conceptual continuity" Zappa claimed for his
work was that he clearly approached it with a view toward eviscerating time. He
not only crowed to journalists about unusual and changing time signatures of his
songs, but in You can’t do that on stage anymore, he leapt at the chance to
interrupt his recordings from one era with those of another.74
Auf der Kollektion You can’t do that on Stage anymore gibt es bei einigen Stücken
übergangslose Wechsel von einer Bühnenversion zur nächsten desselben Stücks bzw.
aus einem anderen Konzert. Auch wenn die Aufführungen Jahrzehnte auseinander
liegen und die Versionen des Stücks sich unterschieden, konnte Zappa mühelos in die
andere Version springen, so dass jeweils sowohl etwas Neues als auch eine Verbindung
zwischen den Jahren entsteht.
Wenn man Zappas Grundsatz für sein musikalisch - künstlerisch - ästhetisches Handeln
bei der Betrachtung seines Konzepts berücksichtigt, der da lautet: ‚Anything Anytime,
Anyplace for no reason at all!’, so kommt man zu dem Schluss, dass Leitmotive zum
Transport von Nachrichten (messages) existieren, darüber hinaus aber wiedererkennbare
Klänge Verwendung finden, die nur um ihrer Selbst Willen in verschiedenen Werken
vorkommen. Dadurch wird die Conceptional Continuity untermauert.
Ein weiteres Beispiel für einen derartigen Klang ist das blubbernde Geräusch, das man
einerseits auf der Tournee von 1988 hören kann, andererseits in Yellow Shark in dem
Stück Food Gathering In Post-Industrial America von einem in Wasser getauchten
Didgeridoo erzeugt wird. 75 Ein ähnliches Geräusch verwendet Zappa 1971 im
untersuchten Stück Strictly Genteel (siehe Kapitel 4.3).
73
Watson, Ben: The complete guide to the music of Frank Zappa. S. 9
Ruhlmann, William: Frank Zappa: The present day composer. S. 48
75
MG: “Where did the idea of using the didgeridoo and the coffee can and water come from?”
”Well, a long time ago, we had a contact mic that we put on a Sparkled bottle, and we got this really
close-up sound of this horrible gurgling, glugging stuff. I used it as a sample on the '88. tour in a lot of
songs. So it seemed to me the idea of bubble-like sounds of all densities and magnitudes could be used as
interesting source material for a composition.” In: Menn, Don/Groening, Matt: The Mother of All
74
Dies wäre ein Leitmotiv, wie Suer es herausgesucht hat. Es transportiert jedoch nicht
einen bestimmten Inhalt, sondern existiert nur, weil es Zappa sowohl im
Zusammenhang mit einem Orchester und einer Rockband gefiel. Man muss sich vor
Augen halten, dass bei Zappa etwas for no reason at all benutzt werden kann.
Letztendlich hat alles Geschaffene mit seinem Leben einen Zusammenhang, gleichgültig
in welcher Phase seines Lebens er etwas erschuf.
Auch WATSON legt in seinem Complete guide to the music of Frank Zappa Wert darauf,
Zappas Leben als Ganzes zu betrachten. Er schreibt:
The thesis of this complete guide is that Zappa’s work needs to be understood as
a whole. His art was so manifold and subversive of genre, that attempts to isolate
the ‘good’ records from the ‘bad’ invariably tell us more about the limits of the
critic then they do about Zappa’s failings as an artist.
Es gibt nach WATSON also keine guten oder schlechten Schallplatten, sondern nur
verschiedene Ausschnitte aus seinem Gesamtwerk, die nicht einzeln beurteilt werden
sollten.
Wird also Zappas Leben und Wirken als Gesamtwerk betrachtet, kommt man zu dem
Schluss, dass er in verschiedenen Phasen seines Lebens sehr differierende Musik
geschaffen hat, verschiedene Bühnenshows konzipiert, Jazzrock, Moderne Klassik und
50er Jahre Musik imitiert oder kreiert hat, aber dennoch jeder Musiktypus einen Bezug
zueinander hat, z.T. durch das Verwenden von Leitmotiven. Wie später in seinen
Eigenbearbeitungen zu sehen sein wird, gibt es Stücke, die er über 30 Jahre hinweg sehr
verschieden interpretiert und umgearbeitet hat. An dem Beispiel des Stücks Pound for a
Brown, das er ursprünglich in den 50er Jahren für ein Streichquartett schrieb, wird dies
deutlich. Das Arbeiten mit dem Ensemble Modern (1992) war daher nicht eine neue
Phase in seinem Schaffen, sondern eine Rückwendung zur Ensemble-Musik.
Insgesamt betrachtet wird deutlich, dass Zappa seine Stücke nicht in einer Rangfolge
anordnen kann. Für ihn sind schnell komponierte Rock-Nummern gleichwertig mit
Werken, an denen er Monate gearbeitet hat, da sie alle seinem Leben entsprangen und
Teil seiner Kontinuität sind.76
Interviews: Part 2.
“Do you rank your music in any kind of hierarchy? Do you consider the rock and roll stuff
inferior to the classical stuff?” “No.” “It's all the same?” “It's a different aspect of the same thing. I've got
an imagination. So I earn a living by producing merchandesable manifestations of portions of my
imagination.” “I'm still stuck on something you brought up about not ranking your compositions. If
something like "N-Lite" took ten years to do - and "Baby Take Your Teeth Out" took 20 minutes, why
76
3.2 Musikalische Ästhetik
In diesem Kapitel werden die musikalischen Ausdrucksformen Zappas betrachtet. Seine
Suche nach musikalischem Material, sein Sinn für Humor in der Musik und Aussagen
zur kulturellen Klassifikation von Klängen werden erläutert. Zudem werden Parallelen
zu seinen musikalischen Vorbildern gezogen. Einleitend steht ein Zitat Varèses über
Regeln in der Kunst:
Die Funktion der Kunst liegt nicht darin, ein bestimmtes Dogma zu beweisen.
Unsere akademischen Regeln sind den lebendigen Werken früherer Meister
entnommen. Wie sagt doch Debussy: ‚Kunstwerke machen Regeln, aber Regeln
machen keine Kunstwerke.’ Kunst existiert nur als Ausdrucksmedium. (Edgard
Varèse, 1936)77
Zappa lehnt die tradierten Regeln von Kontrapunkt und Harmonielehre ab. Für ihn gilt
das Prinzip: Vergiss die Traditionen und vergiss, was sich in den vergangenen
Jahrhunderten als musikalischer Standard entwickelt hat. Er verfolgt die Linie seines
musikalischen Meisters Varèse, der die Regeln älterer Musikwerke für sich negiert.
VARÈSES Studium der Physik und der Naturwissenschaften in Paris bewirkten einen
wissenschaftlich-technischen Ansatz in seinem musikalischen Denken, der geprägt war
durch Offenheit und dem Drang nach Neuem. Insbesondere verfolgte der Ansatz die
Befreiung vom temperierten Tonsystem, das er nicht als unveränderliches und
vorgeschriebenes Medium akzeptieren wollte, da in den naturwissenschaftlichen
Gebieten der Physik und Chemie die Grundannahme herrschte, dass immer noch etwas
Neues zu entdecken sei.78
Zappa, so FISH und WATSON, benutzt die Rockmusik, um die klangliche Welt zu
erweitern und Neues zu entdecken. Sie schreiben:
Zappa has subsequently broadened his interest in modern classical music, but his
commitment to Varèses explosive yet rhythmically defined sound world remains
undimmed. Rock music gave Zappa the ideal environment in which he explores
the new sonorities Varèse dreamed of.79
should they be the same? It seems to me you've put more into one than the other, and therefore you might
have an opinion of that effort yielding more than the 20-minute one.” “Well, the function of both things is
to entertain. The one that took ten years is probably way over budget in terms of how much bang for the
buck you're going to get. The end of any piece is basically: you're decorating time.” In: Menn,
Don/Groening, Matt: The Mother of All Interviews: Part 2.
77
Varèse, Edgard: Die Befreiung des Klangs. In: Danuser, Hermann: Kämper Dietrich und Terse
Paul (Hrsg.): Amerikanische Musik seit Charles Ives - Interpretationen Quellentexte
Komponistenmonographien, Laaber Verlag, 1987, S. 223
78
ebenda,. S. 223-235
79
Fish, Mike/Watson, Ben: Frank Zappa on disc. S. 129
In der Rockmusik hat Zappa viel eher die Möglichkeit, mit den Musikern Klänge
auszuprobieren und mit der Technik zu experimentieren, musikalische Splitter,
Gesprächsfetzen, Alltagsgeräusche, absurde Dialoge usw. sinnvoll oder sinnfrei
aneinander zu heften und damit vor Publikum Gehör zu finden. Vor allem auf seinen
frühen Alben kombiniert Zappa in Collagen die verschiedensten Klänge. Nach WATSON
wird er durch Varèse dazu ermutigt:
The example of Varèse encouraged Zappa to think of compositions as the
weighing of “block of sound”, the manipulation of sounds from an external
viewpoint. Zappa himself called his music “junk-sculpture” […]. Instead of
seeking to provide an alternative, transcendent sound world, Zappa makes music
out of banalities of modern existence.80
Derartige Banalitäten verwendet Zappa in aufnahmetechnischen Collagen, in denen er
verschiedene Songteile, Geräusche und anderes miteinander verbindet. Er verwendet
andererseits verschiedene Stilrichtungen und fügt sie zu einer Themencollage
zusammen. Auf seinen ersten Schallplatten verwendet er die Collagetechnik sowohl auf
Rock-Alben, als auch auf Werken mit Ensembles oder Orchestern und schafft u.a.
konzeptionelle Zusammenhänge.
WATSON untersucht Zappas dadaistische Ausdrucksweise im Fertigen der Collagen und
hält in seinem Schlusswort fest:
Schooled in R&B production values and avantgarde composition, Zappa’s
collage aesthetic does not repress dissonance or seek to homogenize the elements
he brings together. Refusing to subscribe to any particular ideology of musical
production allowed him to experiment with sound in a way that did not
subordinate it to ideas. The respect for musical material – equivalent to the
respect for people – sounds out like a protest against the triteness of both
classical minimalism and radio pop: a Dadaist denunciation of standardization at
whatever cultural level it may be found.81
Die Ablehnung jeglicher ‚Ideologie’ bringt Zappa demnach die Freiheit,
unvoreingenommen an das Komponieren heranzugehen. Trotzdem findet auch bei
Zappa – wie bei anderen Komponisten – eine Materialbeschränkung statt, um nicht
‚uferlos’ zu komponieren. STRAWINSKY, dessen musikalische Ausdrucksweise Zappa
bewunderte, bemerkte:
Ein Künstler muss Regeln befolgen, aber er muss diese Regeln selbst finden.82
80
81
82
Watson, Ben: Frank Zappa as Dadaist: Recording Technology and the Power to Repeat. S. 160
Watson, Ben: Frank Zappa as Dadaist: Recording Technology and the Power to Repeat. S. 188
Igor Strawinsky zitiert nach: Scherliess, Volker: Igor Strawinsky und seine Zeit, Laaber-Verlag,
Zappa geht bei seinen Regeln eher nach dem Ausschlussprinzip vor. Er lehnt andere
Oktavunterteilungen als die mit zwölf Tönen ab, weil seine Versuche jedes Mal wie ein
schlecht gestimmtes Klavier geklungen hätten.83 Auf die Frage nach seinem Urteil über
Zwölftonmusik antwortet er:
Yeah. I mean, I had heard some 12-tone pieces by other composers that I liked,
which is one of the reasons why I went in that direction, but as a system it was
too limiting for me. I asked myself the basic question: If the intrinsic value of the
music depends on your serial pedigree, then who in the fuck is going to know
whether it's any good or not? Only the people who sit down with the score and a
magnifying glass and find out how nicely you rotated those notes. And that's
pretty boring. So I started moving in the direction of what you might call a more
haphazard style. That's whatever sounded good to me for whatever reason,
whether it was some crashing dissonance or a nice tune with chord changes and a
steady beat in the background.84
Zappa ist nicht daran interessiert, Musik zu schreiben, die sich erst bei näherer Analyse
erschließt. Seine Regel ist der zwanglose Stil, das Komponieren von Musik, die
unterhalten soll. Dies soll im nächsten Kapitel näher erläutert werden.
3.2.1 Musik dient allein der Unterhaltung
Zappa schreibt Musik, die ihm gefällt, aber er legt keinen Wert darauf, dass sie auch
anderen zusagt. Er erklärt:
The crux of the biscuit is: If it [the music] entertains you, fine. Enjoy it. If it
doesn’t then blow it out of your ass. I do it to amuse myself. If I like it, I release
it. If somebody else like it, that’s a bonus. 85
Und im Beiheft zu der CD The Perfect Stranger schreibt Zappa:
All material contains herein is for entertainment only, and should not be
confused with any other form of artistic expression.86
Für Zappa ist Musik also lediglich eine Form der Unterhaltung. Sie transportiert nicht
das Wissen über harmonische Strukturen vergangener Jahrhunderte oder der letzten
Jahre und unterliegt auch nicht dem Zwang, einer Form zu genügen oder ein
musikalisches Motiv konsequent zu verarbeiten. Die Musik unterliegt dem schon
1983, S. 102
Frank Zappa: “I did a lot of early experimentation with quarter-tone stuff and found it not to be
that interesting for my ear. To me, the net result of a whole composition based on quarter tones sounds
like a badly tuned piano.” In: Menn, Don/Groening, Matt: The Mother of All Interviews: Part 2.
84
ebenda
85
Sheff, David: Playboy Interview (1993). In: The Frank Zappa companion: Fourdecades of
commentary, S. 243
86
Beiheft zur CD: Pierre Boulez conducts Zappa: The Perfect Stranger, 1984
83
erwähnten (Nicht-) Grundsatz: Alles, jederzeit, an jedem beliebigen Ort und ohne
jeglichen Grund.
In dem Interview mit MENN formulierte Zappa es folgendermaßen:
MG: Kent Nagano says that you and he have had an ongoing discussion
about art and entertainment. He says that you believe all art should be
entertaining, while he feels art could be something more than
entertainment.
Well, I don't really understand people who think of art as an antidote to
entertainment, something that should not give you a pleasurable experience.
What's wrong with that? I mean, the idea of punitive art - that sounds like
something from the East Village.87
Diese Aussage steht in engen Zusammenhang zu Zappas Distanz zur E-Musik, über die
er sagte:
Die sogenannte E-Musik ist ernst, weil sie keinen Spaß macht, nicht weil sie
wichtiger ist. Die Leute, die sie machen, sind nicht unterhaltsam.88
Für Zappa ist die Rockmusik so wichtig, weil er sich bei seinen Konzerten köstlich
amüsieren kann. Mit dem Ensemble Modern hat er Musiker gefunden, die einerseits
gewissenhaft ihre Instrumente spielen und andererseits viel Spaß mit Zappa haben.
3.2.2 Über Experimente zur Komposition
Weitere Regeln für seine Kompositionen sind denen seiner Vorbilder z.T. sehr ähnlich.
So sprach Varèse in einer Vorlesung:
Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werkes ist Respektlosigkeit! Die
wirkliche Basis eines schöpferischen Werkes ist Experimentieren – kühnes
Experimentieren.89
Bei Zappa klingt dies 53 Jahre später in einem Interview folgendermaßen:
Wenn du etwas versuchst was vor dir noch keiner gemacht hat, dann musst du
deine eigenen Prozesse und Regeln entwickeln, und diese Regeln basieren auf:
Was klang gut, als du das Experiment gemacht hast.90
Seine Kompositionen entstehen über das Entdecken von Melodien, durch
Experimentieren. Dabei ist er immer auf der Suche nach neuen Klängen. Das Synclavier
87
Menn, Don/Groening, Matt: The Mother of All Interviews: Part 2.
Reimers, Wolfgang: Sozialkritik in der Rockmusik am Beispiel Frank Zappa, Centaurus
Pfaffenweiler, 1985, zitiert nach: Klier, Robert: Conceptional Continuity – Entwicklungen und
Besonderheiten der Musik Frank Zappas. S. 61
89
Varèse, Edgard: Die Befreiung des Klangs. S. 226
90
Lohner, Henning: Frank Zappa - Peefeeyatko. Fernsehfilm, Produziert von Henning Lohner,
88
gibt ihm dazu immense Möglichkeiten. Zappa erkennt tragfähiges musikalisches
Material durch „einfaches Hören“, wodurch er an diesem Punkt in die Nähe Strawinskys
rückt.91 Gleichzeitig bedeutet dies, dass er nie mit einem B-A-C-H-Motiv
herumexperimentieren würde, außer es würde ihm aus irgendeinem Grund gut gefallen
– jedoch nicht, weil ihn das außermusikalische Moment interessiert. Mit anderen
Worten: Über die Tragfähigkeit einer musikalischen Idee entscheidet allein das Gehör,
nicht das Gehirn. Diese Regel hat ihre Ausnahmen im for no reason at all. Auch
Strawinsky wehrt sich dagegen, in der Musik etwas Außermusikalisches zu suchen.92
Zappa experimentiert mit seinen zahlreichen Konzertaufnahmen, die er auf den sechs
Doppel-CD’s You can’t do that on Stage anymore veröffentlicht. RUHLMANN schreibt.
In describing the concept behind the You can’t do that on Stage anymore series,
Zappa said he was deliberately putting one peace of music, one set of sounds,
one key, one time signature, up against another. "I want to find out what happens
if you do this," he explained in Goldmine. "Sometimes it works, sometime it
doesn’t, but at least, if you want to find out what happens if you put this kind of
a chord with that kind of note or this kind of rhythm with that kind of rhythm, or
these kind of words in a certain kind of setting, the evidence is there. It’s almost
like a textbook of odd techniques and things that would be useful for a musician
or a composer to learn. 93
Zappa sammelt demnach aus jedem Experiment Erfahrungen für weitere Experimente.
Die Idee, unabhängig entstandene Elemente von Stücken miteinander zu kombinieren,
wird im Kapitel 3.3.1 beschrieben.
3.2.3 Schock als ästhetisches Prinzip
Bei der Betrachtung der Ästhetik darf nicht Zappas Wille zum Schockieren unerwähnt
bleiben. Zappa betont häufig, dass bestimmte Gräueltaten auf der Bühne immer noch
zahm im Vergleich zu denen seien, die die (amerikanische) Regierung im Namen des
Volkes verüben würde.94
Zappa is interested in shock as part of his aesthetic schema. Zappa has no qualms
about taste, and really the game has always been the documentation of his
Peter Lohner und Frank Zappa, 1991.
“Ich erkenne wirkliche musikalische Ideen daran, dass sie für das Ohr einen gewissen Sinn
ergeben.“ Igor Strawinsky zitiert nach: Scherliess, Volker: Igor Strawinsky und seine Zeit, Laaber-Verlag,
1983, S. 117
92
Vgl.: ebenda, S. 131
93
Ruhlmann, William: Frank Zappa: The present day composer. S. 49
94
Frank Zappa zitiert nach: Walley, David: No Commercial Potential. The Saga of Frank Zappa &
the Mothers of Invention. Outerbridge & Lazard, New York 1972, S. 84
91
musicians’ behavior - we decide what to think.95
Die Mothers of Invention treten ein halbes Jahr im New Yorker Garrick Theater mit
einer Show auf, die gespickt war mit provokanten Aktionen, obszönen Anspielungen,
Songs, Theatereinlagen und verbalen Attacken gegen das Publikum. Auch hier steht die
dadaistische Ästhetik wieder im Vordergrund:
There’s an art statement in whipped cream shooting out the ass of a giraffe, isn’t
there? We were carrying the forgotten tradition of dada stagecraft. The more
absurd, the better I liked it. 96
Teilweise wird jedoch Zappas Wille zu schockieren überbewertet. Zappa weist darauf
hin, dass das Gerücht, er hätte aus seiner schockästhetischen Motivierung heraus auf der
Bühne abgeführt, nicht der Wahrheit entspricht. Das Gerücht hält sich vermutlich vor
allem deshalb so hartnäckig, weil man Zappa diese Art von Aktion zutrauen würde.
Häufig haben die schockierenden Aktionen und musikalischen Einlagen (Grunzen,
Rülpser, hässlicher Gesang) immer einen Zusammenhang zu seiner Auffassung von
Humor - je absurder desto lustiger.
3.3 Stilistische Merkmale
Zappa schreibt nie Stücke in einer Formvorgabe vergangener Jahrhunderte. Er nimmt
an, dass der Grund, warum Formen immer wieder verwandt wurden der war, dass die
Auftraggeber (Könige Fürsten, Kirchenobere oder sonstige HörerInnen) Musik ohne
eine bestimmte Form nicht verstanden hätten. Deswegen mussten Musikstücke der
damaligen Zeit auf die Hörerschaft zugeschnitten sein.97
Zu der Struktur seiner eigenen Stücke gibt Zappa an:
Die Erzeugung und Zerstörung harmonischer und „statischer“ Spannungen ist
für die Entwicklung eines kompositionellen Dramas unverzichtbar. Jede
Komposition (oder Improvisation), die konsonant und „gleichmäßig“ bleibt, ist
für mich wie ein Film, in dem es nur Gute gibt, oder der Verzehr von
Hüttenkäse.98
95
96
97
98
Fish, Mike/Watson, Ben: Frank Zappa on disc. S. 131
Sheff, David: Playboy Interview. S 244
Vgl.: Menn, Don/Groening, Matt: The Mother of All Interviews: Part 1.
Zappa, Frank/Occhigrosso, Peter: I am the American dream. S. 203
3.3.1 Xenochrony, Dissonanz und Rhythmus
Eine spezielle Erwähnung verdient die von Zappa sogenannte Xenochrony99. Bei diesem
Verfahren lässt Zappa z.B. in dem Instrumentalstück Rubber Shirt vom Album Sheik
Yerbouti einen Schlagzeuger einen elf-Viertel-Takt spielen. Ein Bassist spielt eine Linie
im vier-Viertel-Takt dagegen. Beide Aufnahmen wurden einander angepasst und auf
einem Masterband zusammengeschnitten.
[…] the musical result is the result of two musicians, who were never in the
same room at the same time, playing at two different rates in two different
moods for two different purposes, when blended together, yielding a third result
which is musical and synchronizes in a strange way. That's Xenochrony. And
I've done that on a number of tracks.100
Den Grund für das Verfahren beschreibt Zappa folgendermaßen: Der Vortrag eines
solchen Stücks sei auf einer Bühne nicht möglich, da die Spieler die unterschiedlichen
Tempi und Taktarten gegeneinander nicht halten könnten. Die Xenochrony dagegen
macht dies im Studio möglich. Nach 1986 veröffentlicht Zappa nur noch live
eingespielte CDs, bei denen er keine Veränderungen vornimmt. Das Interesse an der
Xenochrony hat er verloren.
Im Fall des Stückes Rubber Shirt ist Zappas Interesse an komplizierten, nicht
zusammenpassenden Rhythmen für Kreation „im Labor“ verantwortlich. Ein ähnliches
Interesse hat er bei seinen Gitarrensoli. Seine Musiker sollen erkennen, was er in einem
Solo vorhat und entsprechend darauf reagieren. Er sagt:
Es geht darum [während die Musiker mein Solo begleiten; d. Verf.], Patterns zu
erkennen. Weißt du, was eine Hemiole ist? Das ist, wenn man ein Pattern über
einen oder mehrere Takte spielt - je schneller sie erkennen können, wie ich das
unterteile, wo ich mich hinbewege und was sie tun müssen, damit etwas
Vernünftiges dabei herauskommt [...] Da sind ein paar Sachen passiert - in einem
Stück habe ich eine wirklich komplizierte Hemiole über sieben Takte gespielt.
So ein echtes Monstrum,
das .. also, das Stück ist im 4/4-Takt, und ich spiele etwas wirklich Abgedrehtes
über sieben Takte, und es geht genau mit dem ersten Takt vom achten Takt auf.
Und der Schlagzeuger hat es exakt hingekriegt. Ich wartete ungefähr zwanzig
Takte und spielte das Ganze noch Mal, und es kam wieder die gleiche
rhythmische Figur dabei heraus. Auf dem Papier sieht so was aus wie Sience
Fiction. Das ist der sichere Beweis, dass es außersinnliche Wahrnehmung gibt.
Anders kriegt man so etwas nicht hin, denn wenn man die einzelnen Parts
aufschreiben und sehen würde, was das für ein Rhythmus ist - wie anders hätte
99
100
Xenochrony kann sinngemäß mit Fremdsynchronisierung übersetzt werden.
Marschall, Bob: Interview mit Frank Zappa
das vor sich gehen können? Diese Leute müssen wirklich meine Gedanken lesen.
Ich lese ihre jedenfalls nicht, weil ich nicht daran denke, ich habe andere Sorgen.
1982101
Möglicherweise ist der Rhythmus, der in Rubber Shirt und in dem erwähnten
Gitarrensolo entstanden ist, der Rhythmus, den VARÈSE in seiner Musik als
[...] simultanes Wechselspiel nicht aufeinander bezogener Elemente [beschreibt;
d. Verf.] die berechnete, doch irreguläre Zeitstrecken markieren.102
Anfang und Ende der besagten Stellen erklingen rhythmisch konsonant; bei dem
Gitarrensolo ist dies am Anfang und Ende der siebentaktigen „Hemiole“ der Fall und
bei Rubber Shirt jeweils am Taktanfang. Die Zeitstrecken sind periodisch, die Elemente
aber nicht aufeinander bezogen.
Nach Zappa wird jeglicher Rhythmus, der vom „factory rhythm“ abweicht als
rhythmische Dissonanz wahrgenommen. Dissonanzen, die nicht aufgelöst werden, seien
vergleichbar mit lebenslangen Kopfschmerzen. Darum sei die interessanteste Musik
diejenige, in der die Dissonanz geschaffen werde, eine Weile bestehen bleibe, um dann
gelöst zu werden. An anderer Stelle in dem einige Stunden dauernden Interview erwähnt
Zappa, dass er Dissonanzen nicht immer auflöst. Das Konzept der Dissonanz bestünde
auf verschiedenen Niveaus. Rhythmische Dissonanz wirke gegen den „natürlichen“
Rhythmus für die Dauer seiner Existenz. Nach der Auflösung der Dissonanz entstünde
Faszination für das Zurückliegende im Sinne von „Was ist denn da passiert?“103
Harmonische Ausgeglichenheit könne man für eine lange Zeit nur ertragen, wenn man
verwandt mit einer Qualle sei. Erst wenn man in die harmonische Entwicklung eines
Stücks einige von der harmonischen Struktur abweichende Noten einfüge, erhalte das
Werk eine Aussage. Es gebe Noten mit Triebleben und Noten, die den Akkord
„verschmutzen“. Daher sei es wichtig, wie lange die Dissonanzen anhalten und wie
schwer sie wiegen. Haben sie ein Übergewicht, wären sie unerträglich, so Zappa.104
Man müsse das Konzept des natürlichen Rhythmus verstehen und Fertigkeit haben,
Irritationen kunstvoll in einen bestimmten Abschnitt eines Werks einzubauen, um die
angenehme Sensation spüren zu können, wenn die Irritation endet. Zur
Veranschaulichung fügt er hinzu:
101
102
103
104
Miles (Hrsg.): Frank Zappa - In eigenen Worten. S. 73
Varèse, Edgard: Die Befreiung des Klangs. S. 229
Vgl.: Menn, Don/Groening, Matt: The Mother of All Interviews: Part 2.
Menn, Don/Groening, Matt: The Mother of All Interviews: Part 2.
It's like the kid banging himself with the hammer: ‘Why are you doing that’
-‘Because it feels good when I stop.’105
Für die Musik Zappas heißt das nun, dass kaum ein Rhythmus über längere Zeit,
geschweige denn über die Dauer eines ganzen Stückes beibehalten wird. Zappa neigt zu
rhythmischer Abwechslung und Veränderung, einmal abgesehen von den rhythmischen
Grundmustern in Begleitstimmen, besonders während der Soli. Wie aus Zappas eigenen
Worten schon ersichtlich ist (s.o.), beschreibt LUDWIG:
Die Verschleierung metrischer Schemata erreicht er [Zappa; d. Verf.] durch
Hemiolenbildung und anderer Schwerpunktüberlagerungen, durch
Synkopierungen und das Setzen von Pausen auf schwere Zeit. Additive
Rhythmen und Asymmetrien durch Akzentverlagerung spielen eine ähnlich
große Rolle wie Triolen, Quartolen, Quintolen u.a. in verschiedenen
Ausprägungen.106
Der Rhythmus in seinen Songs mit Texten ist vom Sprachrhythmus geprägt. Allgemein
sei er von ungarischer Musik und von den Rhythmen PIERRE BOULEZ’ beeinflusst.107
Die traditionellen Definitionen von Dissonanz tragen bei den Aussagen Zappas nicht
mehr. Sowohl kann der Begriff Dissonanz für das Hinzufügen eines akkordfremden
Tones stehen, als auch für eine andere Irritation, wie beispielsweise einem Glissando
über den Akkord. Zudem gibt es die rhythmische Dissonanz, das Verunklaren des
Taktmetrums oder eines rhythmischen Gefüges, wie im folgenden erläutert wird.
3.3.2 Metrik
Beim ersten Hören bestimmter Zappa-Stücke ist es oft problematisch, die metrische
Struktur nachzuvollziehen. Es ist schwierig, die Stücke unmittelbar emotionalmotorisch nachzuvollziehen. Auf Rockmusikrezipienten, die die Musik nur nebenbei
hören, wirkt sie daher uneinheitlich und verwirrend oder - banal gesagt - chaotisch. Bei
näherer Betrachtung zeigt sich aber, dass die metrische Gestaltung nicht auf Zufall
basiert, sondern meist einer inneren Logik folgt, die im Zusammenhang mit der
formalen Anlage des Stücks steht.
Ein charakteristisches Stilmittel ist also der häufige Wechsel in unterschiedliche Metren
innerhalb eines Musikstücks. Wie wir in der Analyse genauer sehen werden (Kapitel
105
ebenda
Ludwig, Wolfgang: Untersuchungen zum musikalischen Schaffen von Frank Zappa. S. 126
107
Vgl.: Klier, Robert: Conceptional Continuity – Entwicklungen und Besonderheiten der Musik
Frank Zappas. S. 66f
106
4.2.3), verwendet Zappa auch Blöcke von Metren, wie sie für Strawinsky typisch
sind.108 Doch häufig sind die Taktwechsel willkürlich und vom Sprachrhythmus eines
Textes abhängig. REBELL schreibt:
In der rhythmischen Struktur entfaltet sich seine ganze Meisterschaft. Je
vertrackter und gebrochener das Metrum, je verstolperter das Rhythmusgefüge,
um so lieber wird damit gearbeitet. Es gibt kaum eine Taktart – und sei sie noch
so verschroben – die bei Zappa nicht schon ausgetrommelt worden wäre.109
Verhältnismäßig häufig verwendet Zappa auch zwei verschiedene Taktarten, die
zusammengesetzt ein ungrades Metrum ergeben und im kontinuierlichen Wechsel das
ganze Stück über beibehalten werden. In anderen Stücken benutzt er diese additiven
Metren wiederum nur zeitweise. LUDWIG untersucht beispielsweise den Song Oh, No!,
in dem - von einer kurzen Ausnahme abgesehen – fortwährend 3/4 und 4/4-Takte
aufeinanderfolgend zusammengefügt sind.110
Seiner Vorliebe für bodenständigen Rhythm & Blues folgend, verwendet Zappa in der
Mehrzahl seiner Kompositionen durchgehend gebräuchlichere Metren. Deshalb können
Taktarten wie Fünfer, Siebener, Elfer usw. niemals alleiniges Indiz für das Erkennen
von Zappas Musik sein. LUDWIG hat vielmehr herausgefunden, dass diese Taktarten im
statistischen Sinne nicht repräsentativ sind, sondern dass Zappa seine meisten Stücke im
3/4, 4/4 und vor allem im 6/8- oder 12/8-Takt komponiert.
In seiner Zusammenfassung führt LUDWIG an Besonderheiten erstens den häufigen
Wechsel von Taktarten im Stück und zweitens die bevorzugte Anwendung von
ungeraden, teils ternären, teils additiven Metren auf.111 Taktwechsel und
Motivmodifikation würden einander bedingen und des weiteren zur Phrasen- und
Themenformung beitragen. Viele Taktwechsel resultierten aus der textimmanenten
Metrik. Zum zweiten Punkt schreibt LUDWIG:
Obgleich Frank Zappa in seiner Musik überwiegend den 4/4-Takt anwendet, sind
es auch bestimmte andere Metren, die bei ihm zur Geltung kommen. Dazu
zählen alle Dreier – Takte, z.B.: 3/4 , 6/8, 12/8 und – meist in Verbindung mit
Marschrhythmus – der 2/4 – Takt. [...] Behält Zappa solche additiven Metren
längere Zeit bei, stehen sie in Verbindung mit ostinaten rhythmischen
Grundmustern.112
108
109
110
111
112
siehe Kapitel 4.2.3
Volker Rebell: Frank Zappa, Freak – Genius mit Frack – Habitus. S. 252
Vgl.: Ludwig, Wolfgang: Untersuchungen zum musikalischen Schaffen von Frank Zappa. S. 104
Vgl.: Ludwig, Wolfgang: Untersuchungen zum musikalischen Schaffen von Frank Zappa. S. 110
ebenda, S. 111
3.3.3 Melodie
Ein Grund dafür, dass Zappas Musik klingt, wie sie klingt, sei die Frage nach der
Melodie, behauptet Zappa. Er hört im Gegensatz zu vielen anderen auch Varèse
melodisch und dessen Intervallverbindungen als melodische Intervalle. Dies sei
ziemlich normal für sein Ohr.113 Zappa beschreibt das Phänomen Melodie
folgendermaßen:
Was ist Melodie? Melodie ist in gewisser Weise wie ein gesprochenes Wort,
Melodie ist aber auch akustisch gesehen ein Schwingungsverlauf, wenn man die
Melodie im Hinblick auf den Bewegungsverlauf der einzelne Noten betrachtet
und vielleicht ist es ja nur ein absurdes Konzept, aber vielleicht ist es doch so,
dass das menschliche Gehirn, das ja auch alle anderen Schwingungsformen
entziffert, auch Melodie als einen über weite Zeit gespannten
Schwingungsverlauf wahrnimmt.114
Das bedeutet, dass man eine Melodie als ganze Schwingung aufnehmen kann. Die
Aneinanderreihung verschiedener Schwingungen von Einzeltönen als einen
Schwingungsverlauf wahrzunehmen, ist besonders in der Musik Zappas schwer
nachvollziehbar, da hier die Schwingungsverläufe öfter krasse Wechsel erfahren.
Zappa vermeidet nach eigenen Angaben den Tritonus in seinen Melodien. LUDWIG hat
in seiner Arbeit die Intervallhäufigkeit in Zappas Melodien mit dem Ergebnis
untersucht, dass zu einem Drittel die Quarte vertreten ist, gefolgt von Terzen (ohne
Dreiklangsharmonik). Überraschend ist die oftmalige Verwendung von kleinen und
großen Septsprüngen. Bereits das vermehrte Erscheinen bestimmter Intervalle und die
Art und Weise ihrer Abfolge in den Melodielinien seien nach LUDWIG bedeutende
Stilelemente. In erster Linie fallen Intervallsprünge über mehr als eine Terz auf,
besonders dann, wenn sie hintereinandergereiht sind und in wechselnder
Bewegungsrichtung auftreten. 115
Das Prinzip der Wiederholung spielt in Zappas Musik eine große Rolle. LUDWIG stellt
fest, dass für Zappa neben Sequenzen jeglicher Spielart (melodisch, harmonisch,
steigend, fallend, tonal, real, usw.) auch Tonrepetitionen kennzeichnend sind.116 Häufig
113
Lohner, Henning: Frank Zappa - Peefeeyatko. Fernsehfilm, Produziert von Henning Lohner,
Peter Lohner und Frank Zappa, 1991.
114
ebenda
115
Vgl.: Ludwig, Wolfgang: Untersuchungen zum musikalischen Schaffen von Frank Zappa. S. 142
116
ebenda, S. 143
werden Melodien oder kurze, schnelle Überleitungen von mehreren Instrumenten und
Stimme synchron geführt.
3.3.4 Funktionentheorie
Da Zappa die klassische Harmonielehre ablehnt, vermeidet er auch bestimmte
harmonische Wendungen. Der Dominantseptakkord wird bei ihm nie ernsthaft
verwendet, das heißt, wenn er auftaucht, dann in einer musikalischen Parodie.
Außerdem vermeidet er II-V-I Verbindungen.117 Sein in Deutschland bekanntestes Stück
Bobby Brown besteht aus dem Turnaround Tonika, Tonikaparallele,
Subdominantparallele und Dominantseptakkord, was durchweg als musikalische
Parodie gemeint ist und in der Regel nicht erkannt wird.
3.3.5 Does Humor Belong In Music?118
Manche Werke Zappas kann man erst nachvollziehen, wenn man seine Art von Humor
kennt. Auf seine typische Art beantwortet Zappa die Frage nach dem Grund für Humor
in seiner Musik folgendermaßen:
MG: Lorin Hollander says that some of your music is painfully beautiful. I
don't know if you hear it that way. And even in your instrumental music,
where we don't have the words going on, you put humor in the liner notes.
Is that coming out of this political feeling you have, or is it an organizational
element whereby you're creating a contrast between something very moving
and something very funny, or is it to keep these sort of emotions at a
distance, or am I intellectualizing too much?
I think you're intellectualizing too much. You can reduce it to this - you can ask
this question: Is it possible to laugh while fucking? I think yes. 119
Zappa gefallen absurde Aktionen in seiner Musik, wie z. B. Zwischenrufe, sie sollten
der Belustigung dienen. Deshalb kamen besonders oft Klänge und Geräusche zum
Einsatz, die in irgendeiner Weise komisch waren. Zappas Parodien auf Pop-Songs
waren mit Grunzen, Blubbern und unbeschreiblichen Lautäußerungen versehen. Ein
Beispiel sind die ‚Geräuscheinlagen’ bei dem in einer Reggae Version bearbeiteten
Song Stairway to Heaven von Led Zeppelin auf der CD The Best Band You Never
Heard In Your Live.
Auch das bereits erwähnte blubbernde Geräusch eines Didgeridoo in einem Wasserglas
117
Vgl.: Klier, Robert: Conceptional Continuity – Entwicklungen und Besonderheiten der Musik
Frank Zappas. Examensarbeit, Kassel, 1990, S. 66
118
Titel eines Videos und der zugehörigen CD Zappas von 1986
auf Yellow Shark fand Verwendung, weil Zappa sich vor Lachen nicht mehr halten
konnte. Zappas Humor in der Musik dient allein der Unterhaltung – vor allem seiner
eigenen. Humor hat nach Zappas Ansicht in jedem Bereich des Lebens seinen Standort
und es macht keinen Sinn, nach einem Zweck von Humor zu suchen.
3.3.6 Klang und Kultur
Akkorde sind für Zappa nicht nur Klänge mit festgelegten Tonhöhen, sondern auch der
Zusammenklang von verschiedenen Geräusch - Erzeugern. Alle Klänge hätten eine
Tonhöhe, in der sie am lautesten klingen. Deshalb gebe es ein akkordisches Resultat aus
den Zusammenklängen von beispielsweise einer Bass-Trommel, einer Kastagnette,
einem Glöckchen und einer Guiro.120
Zappa spaltet die Instrumentengruppen auf. Er setzt sie oft gattungsspezifisch ein, d.h.
er hebt charakteristische Klangeigenschaften der Instrumente hervor, um sie gleichzeitig
durch seine Musik zu karikieren. So gibt es z.B. bei den Holzbläsern oft „Lacheffekte“
(Schlagzungentechnik) oder übertriebene Glissandi in den Posaunenstimmen (siehe .
Manche Spielweisen erinnern an Tierlautimitationen. In den Improvisationsteilen
‚kommunizieren’ die einzelnen Instrumentengruppen miteinander.
Typisch für Zappa sind nicht nur beschriebene Zusammenklänge, sondern auch schnelle
Läufe, die gleichzeitig von verschiedenen Instrumenten gespielt werden. Oft koppelt
Zappa ein Melodieinstrument mit einem weiteren in einer anderer Lage sowie mit
Schlagzeug und Marimba-/Vibraphon. Zappa verändert in verschiedenen
Eigenbearbeitungen die Klangzusammensetzung durch die Instrumente, wie wir später
sehen werden (siehe Kapitel 4), und erhält dadurch verschiedene Botschaften. Dies
formuliert er so:
And the timbre is going to send your message about certain other qualities of the
line. For example, the dumbest example of all time is: "Purple Haze" [ein Stück
von Jimi Hendrix] played on an accordion is a different story than "Purple Haze"
on a fuzz tone guitar. You play exactly the same notes, but there are two
different messages. So, one of the main differences, culturally, from place to
place, in the music, is in the timbre of the instruments which are playing the
music.121
WATSON greift das Beispiel auf und schreibt:
119
120
121
Menn, Don/Groening, Matt: The Mother of All Interviews: Part 2.
Vgl.: Menn, Don/Groening, Matt: The Mother of All Interviews: Part 2.
Marschall, Bob: Interview mit Frank Zappa
Zappa has pointed out, that timbre is more important than note-choice in
determining genre: „Purple Haze” played on an accordion would not be Rock,
while Beethoven’s Fifth played on a fuzz guitar definitely is.122
WATSON zieht aus Zappas Musik das Stück Little House I used to live in als Beispiel
heran, das auf dem Album Fillmore East als burleske Tollerei erscheine und auf dem
Album Burnt Weeny Sandwich als akustische Aufnahme voller Atmosphäre eher wie
eine Etüde klinge. Die drei untersuchten Stücke dieser Arbeit sind gleichfalls Beispiele
für dieses Phänomen.
In seiner Anlage wirft Zappas Musik Fragen nach der kulturellen Wertigkeit auf. Ist eine
verzerrte Gitarre, die ein Werk der E- Musik interpretiert kulturell niedriger einzustufen
als eine Violine? Kann also die Instrumentierung des gleichen Stücks die kulturelle
Wertigkeit fundamental verändern? Zappa unterzieht seine Musik keiner Rangordnung
und lehnt eine Einordnung in Kategorien ab.
Ich war immer Komponist, und meine Fähigkeit, gewisse musikalische
Grundbausteine benutzen zu können, macht mich nicht zum Exponenten
irgendeiner Musikrichtung. Alle Grundbausteine sind nichts als Material für
mich als Komponisten.123
Auch bei der Instrumentenwahl springt Zappa zwischen den Musikkulturen. Früh fügt er
in seinen musikalischen Versuchen rock-typische Instrumente einem klassischen
Ensemble hinzu. In der Rockmusik verwendet er eine Vielzahl von
Perkussionsinstrumenten wie Vibraphon, Marimba- und Xylophon sowie metallisch
klingende Idiophone wie Glocken, Aufschlagröhren, Schellenkranz, Triangel und
andere, die im Klangbild hervortreten.
Bei den Tasteninstrumenten verwendet Zappa jede technische Neuerung. LUDWIG
schreibt in seiner Zusammenfassung, dass Zappa ihr ganzes Spektrum und ihre
unterschiedlichen Klangfarben nutzt und ihnen verschiedene Funktionen zuweist.
Des weiteren verwendet Zappa einige in der Rockmusik unübliche Instrumente, wie z.
B. Sarusophon, Kontrabassklarinette, Basssaxophon, Bassflöte und die für den Jazz
typische elektrisch verstärkte Violine.
Bei den Aufnahmen mit dem London Symphony Orchestra fügt er ein Rock-Schlagzeug,
eine Bassgitarre bzw. E-Gitarre hinzu. Dem Ensemble Intercontemporain unter der
Leitung von PIERRE BOULEZ und dem Ensemble Modern ergänzt Zappa den
122
Watson, Ben: Frank Zappa as Dadaist: Recording Technology and the Power to Repeat. S. 162
Klangkörper nicht durch rocktypische Instrumente, sondern verstärkt lediglich die
Perkussion. Auch beim Yellow Shark Projekt lässt er den Klangkörper des Ensemble
Modern beinahe unverändert und rückt von seiner Vorstellung von einem elektrisch
verstärktem Orchester, wie er sie Anfang der 60er Jahren geäußert hat, ab.
3.4 Synclavier versus Orchester
Zappa wendet sich immer wieder neben seinen Arbeiten mit Rockbands Ensembles und
Orchestern zu. Mit deren Arbeit zeigt er sich unterschiedlich zufrieden. Als er das
Synclavier entdeckt und damit die Möglichkeit, einen Orchesterklang künstlich zu
erzeugen, ist er anfänglich von den Möglichkeiten des Instruments begeistert.
Es hat mir wirklich Spaß gemacht, kleine schwarze Punkte aufs Notenpapier zu
malen. Manchmal saß ich 16 Stunden an einem Stück verkrümmt auf einem Stuhl,
mit einem Tintenfass neben mir, und malte Striche und Punkte. [...] Es machte mir
Spaß, weil ich alles in meinem Kopf hören konnte, und ich redete mir ständig ein,
wie irre es doch war.[...] Inzwischen schreibe ich keine Noten mehr aufs Papier.
Seit ich mit Symphonieorchestern arbeite, ist der Reiz dahin.124
In diesen Worten klingt die Enttäuschung von der Arbeit mit Symphonieorchestern
durch. In einem Interview mit Digital Audio erklärt Zappa 1984, dass er wieder mit
Rock- und Jazzmusikern auf Tournee gehe, weil er mit den Erfahrungen in der
klassischen Welt unzufrieden sei.125 Gerade das Arbeiten mit dem London Symphony
Orchestra und die Ergebnisse von PIERRE BOULEZ’ (CD The Perfect Stranger)
entmutigen Zappa, mit Orchestern zu arbeiten. Über die Musiker beider Sparten sprach
er abfällig:
Der Unterschied zwischen klassischen Musikern und Rockmusikern ist der, dass
die klassischen Musiker sich nur fürs Geld und die Rente interessieren; die
Rockmusiker dagegen interessieren sich nur fürs Geld und fürs Vögeln. 1977126
Für die Musik würden sich die Musiker demnach nur peripher interessieren. Für die
klassischen Orchester begründet Zappa seine Geringschätzung folgendermaßen:
Das Problem bei den meisten Symphonieorchestern ist, dass sie alle die gleichen
Sachen spielen. Wenn man sich eine Band in einer Kneipe anhört, will man ja
auch nicht ständig Louie Louie hören. Wie oft soll man Beethovens Fünfte
hören? Wie oft irgendwas von Mozart? Für mich klingt alles gleich, ich mag
123
124
125
126
MUSIK - EXPRESS, Sounds - Verlag Hamburg, April 1980, S. 73
Zappa, Frank/Occhigrosso, Peter: I am the American dream. S. 161
Ruhlmann, William: Frank Zappa: The present day composer. S. 37
Miles (Hrsg.): Frank Zappa - In eigenen Worten., S. 72
diese Art von Musik nicht, es ist alles Gedudel.
Aber die Orchester spielen diese Musik aus verschiedenen Gründen: 1. der
Komponist ist tot, man braucht ihm nichts mehr zu bezahlen; 2. sie ist leichter zu
spielen als zeitgenössische Musik - so sehr die Musiker einem auch versichern
mögen, dass das nicht stimmt, es ist eben so; 3. die Musiker müssen nicht mehr
darüber nachdenken, weil sie diese Melodien schon seit ihrer Schulzeit spielen.
1983127
Für neue Werke gebe es niemals genügend Zeit zum Proben. Bei der Aufführung von
The Perfect Stranger habe Zappa den Musikern angesehen, dass sie viele Probleme mit
den Stücken hatten. Der Schweiß habe ihnen auf der Stirn gestanden – die Probenzeit
war nicht ausreichend gewesen. 128 Zappa musste bei der Aufführung dieser Musik die
Kontrolle an andere Dirigenten abgeben und die Proben- und Aufnahmezeit wurde
durch seinen Geldbeutel und die Gewerkschaft bestimmt und im Fall vom London
Symphony Orchestra noch durch den Pub auf der anderen Straßenseite begrenzt129.
KENT NAGANO dirigiert das London Symphony Orchestra bei den Aufnahmen von
Zappas Musik. Er ist mit Zappa befreundet und sagt über die Probenzeiten von
Orchestern:
Wenn er seine Rockmusik spielt, ist das nicht weniger kompliziert. Aber sie
proben, bis sie sie perfekt spielen können, und dann gehen sie auf Tournee. Das
heißt, wenn zwei Monate Proben nötig sind, dann wird eben zwei Monate lang
geprobt. In der sinfonischen Welt ermöglichen die finanziellen Voraussetzungen
ein solche Vorgehensweise im Moment noch nicht. Und das ist frustrierend für
jemand der Musik komponiert hat, von der er weiß, dass sie seinen Intentionen
entsprechend durchaus spielbar wäre, wenn genügend Probenzeit zur Verfügung
stünde. Ich kann ihn in dieser Hinsicht völlig verstehen. Er hat völlig recht.130
Diese Gründe führen dazu, dass Zappa sich zunehmend für das Instrument Synclavier
begeistert: Das Synclavier (hierbei handelt es sich um den Markenname des
Instruments) ist ein 150.000 DM teurer Computer, der Komponieren mit
aufgenommenen Klängen (Samples) ermöglicht. Jeder nur vorstellbare Klang kann
verwendet werden. Z. B. kann ein einmal gut eingespieltes Instrument mit anderen
gekoppelt werden und in jeder Tonhöhe ein zusammenspielendes Ensemble
wiedergeben. Die Klänge werden dazu digitalisiert, nach Belieben verändert und zurück
transformiert.
Zappa arbeitet seit Anfang der 80er Jahre ausschließlich am Synclavier. Er hat endlich
127
128
129
ebenda, S. 101
Zappa, Frank/Occhigrosso, Peter: I am the American dream. S. 221
siehe Kapitel 4.3.4 Strictly Genteel goes Classic: London Symphony Orchestra Vol. II
ein Instrument gefunden, bei dem er jeden Parameter selbst bestimmen kann. Es gibt
kein „Verspielen“ mehr, keine Stücke, die zu wenig geprobt sind, keine Limits in bezug
auf Spielfähigkeit, keine besonderen Gehaltsforderungen und Pausen – nur die des
Ingenieurs – und mühelos kann er Klänge erstellen, verändern und verschieben.
Erstmals befindet sich auf dem Album The Perfect Stranger (1984)– neben den Stücken
des Ensemble Intercontemporain – reine Computermusik. In den folgenden zwei Jahren
finden sich auf vier weiteren Alben derartige Stücke, eines davon mit der Musik
Francesco Zappas, dem schon erwähnten Namensvetter Zappas. Posthum wird das von
Zappa gerade noch vor seinem Tod fertiggestellte Synclavier-Album Civilization: Phase
III veröffentlicht.
Doch auch die Synclavier-Musik stellt Zappa nicht gänzlich zufrieden. Er sagt:
MG: And it seems that this technology is the answer to Frank Zappa's
problem. Here it is exactly the way you want it to be performed.
Well, even with the most perfect Synclavier performance, you still don't get
100%, because there are certain nuances that are going to be absent just because
the music is being played by samples, which means every note will always be the
same sound. But on the other hand, if you have a really fine clarinet player, every
one of the notes that he played would be different, and your ear detects that
variety. I think that the ear prefers variety, unless you happen to be one of those
Mongoloids who think that the drum machine is the greatest device known to
mankind.131
Es fehlt Zappa das menschliche Element in der Musik vom Synclavier. Zwar gibt es die
Möglichkeit, „human touch“ durch feine rhythmische Unreinheiten einzufügen, doch ist
der Effekt nicht derselbe. Auch mangelt es Zappa an Spaß, den er beim Zusammenspiel
mit seinen Musikern trotz aller Zwistigkeiten hat. Aber schließlich entdeckt er für sich
das Ensemble Modern, das unter Ernster Musik nicht unbedingt „humorlos“ versteht
und trotzdem begeistert und verbissen Zappas Musik spielt.
Vom Ensemble sehr angetan, meint er:
I've never had such an accurate performance at any time for that kind of music
that I do. […] The dedication of the group to playing it right and putting the
'eyebrows' on it [Zappa-ese for intuitive, spontaneous musical histrionics] is
something that - it would take your breath away. You would have to have seen
how gruelling the rehearsals were, and how meticulous the conductor, Peter
Rundel, was in trying to get all the details of this stuff worked out....132
130
131
132
Gray, Michael: Die Frank Zappa Story. S. 199
Menn, Don/Groening, Matt: The Mother of All Interviews: Part 2.
Interview in der Los Angeles Times.
Es scheint, als habe Zappa doch noch Musiker gefunden, die dem Synclavier überlegen
waren. Trotzdem ist der Einfluss des Computers im Ästhetischen sehr groß gewesen und
hat seine Art zu Komponieren verändert.133
3.5 Zappas Komponieren mit Musikern
Das Kapitel beschreibt, wie Zappa den Prozess des Komponierens auffasst und wie er
komponiert. Seine Art, die Musiker bei den Kompositionen mit einzubeziehen, schlägt
sich in seinen Kompositionen nieder.
VARÈSE spricht über seine eigenen Kompositionen als eine „Konzeption von Rhythmus
als eines Stabilisierungselements“ und seiner „Konzeption von Musik als Bewegung im
Raum“ und prägte den Begriff „organisierte Klänge“ für seine Musik. 134
Ähnlich dieser „organisierten Klänge“ VARÈSES beschreibt Zappa das Komponieren
folgendermaßen:
Wenn man das Schreiben und Spielen normaler Orchestermusik, also der Musik,
die man gemeinhin klassisch nennt, als eine Art orthodoxe Glaubensrichtung
betrachtet und die Theorie vertritt, dass Komponieren die Kunst ist,
Klangereignisse in einem zeitlichen Rahmen zu arrangieren - also praktisch die
Verzierung von Zeit -, dann ist das der Hintergrund, vor dem man arbeitet.
Wenn man diese Grenzen weiter faßt und auch gesprochene Worte, Klangeffekte
und andere Elemente einbezieht, die im allgemeinen nicht für Musik gehalten
werden und wenn man diese Klangereignisse den Klangereignissen beiordnet,
die von Violinen erzeugt werden und so weiter und so fort und ein Musikstück
aus dem Ganzen macht, dann kommt das der Bilderstürmerei gleich.
1976
[...] Es ist die Aufgabe des Komponisten, die zeitliche und räumliche Beziehung
zwischen einzelnen Schallelementen zu gestalten, die die Luft erschüttern
werden. 1978 135
Zappa konstatiert auch an anderer Stelle, dass er als Verehrer VARÈSES seinen
Kompositionsprinzipien folgt, nämlich zusammenhangslose Themen in freier Abfolge
niederzuschreiben.136
Zappa arbeitet in den letzten Jahren seines Lebens nach eigenen Angaben im Mittel 15
Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche. 137 Seine Arbeitszeit ist in der Regel in der
Nacht, so dass sich der Kontakt zu seiner Frau und seiner Familie z.T. sehr
133
Vgl.: Ali Askin in der Radiosendung: Klassik Zappa - Eine Collage von Michael Rüsenberg und
Hans Ulrich Werner.
134
Vgl.: Edgard Varèse, Die Befreiung des Klangs. S. 223
135
Miles (Hrsg.): Frank Zappa - In eigenen Worten., S. 96f
136
Slonimsky, Nicolas: I enter the age of absurdity (1988). In The Frank Zappa companion :
Fourdecades of commentary. Edited by Richard Konstelanetz, Schirmer Books, New York, 1997, S. 238
137
Vgl.: Menn, Don/Groening, Matt: The Mother of All Interviews: Part 1.
eingeschränkt. Er sitzt im Keller an seinem Synclavier, zeitweise von einem Ingenieur
unterstützt.
Zappa vergleicht das Komponieren mit dem Bau eines Flugzeuges: in der einen Woche
würde man Schweißen, in der nächsten Woche Kabel verlegen usw.. Der nächste Schritt
sei es, spielen zu lernen oder es jemanden beizubringen.138 Zappa komponiert zunächst
immer an der Gitarre, wobei er sich allerdings eingeschränkt fühlt:
Ich sehe mich als Komponisten, dessen Hauptinstrument eben die Gitarre ist.
Früher haben die meisten Komponisten Klavier gespielt. Ich bin nun mal kein
Klavierspieler, und die technischen Möglichkeiten auf der Gitarre sind im
Vergleich zum Klavier doch eingeschränkt, also, was die Menge der Töne angeht
und sowas. Logischerweise sind die Sachen, die ich schreibe, also von meinem
Interesse an der Gitarre geprägt, und daraus entstehen wiederum Probleme für
die anderen Instrumente. Wenn ich im Kopf etwas gitarrentypisches höre BENDS z. B. -, dann kann das von anderen Instrumenten oft nicht ausgeführt
werden. Es hat schon etwas frustrierendes, wenn man seine Läufe auf anderen
Instrumenten hört, für die sie eigentlich gedacht waren.1978 139
Später komponiert er am Synclavier, wenn er nicht auf Tournee war. Neue Stücke für
Rock-Musik Besetzungen kamen kaum noch hinzu. Zappa bearbeitet vielmehr alte
Werke für neue Besetzungen um (siehe Kapitel 4).
Der langweiligste Teil des Komponierens sei, wenn das Experimentieren zu Ende sei:
The most boring part of composing is when you finally understand what the
object is that you're working on, and you know what the boundaries are, you
know where it's beginning and where it's ending, and then you're down to the
drudgery of cleaning it up. That's the most tedious part to me, but it's something
that has to be done before you put it onto tape or transfer it into music printing so
that somebody can play it.140
Die Kompositionen Zappas sind stark geprägt von der Zusammenarbeit mit seinen
Musikern. Viele seiner Stücke entstehen in ihrer Endform erst in den Proben. Er spielte
etwas auf seiner Gitarre vor und lässt es nachspielen. Sodann lässt er eine zweite
Stimme dazu spielen, lässt ausharmonisieren und legt einen Rhythmus darunter. Die
Musik entsteht meist nicht nach einem Entwurf, sondern durch die Praxis. D.h., dass ein
Stück während der Proben sehr verändert werden kann. Dies ist sicherlich eine recht
gewöhnliche Arbeitsweise in Rockgruppen.
Zappa lässt die Musiker des Ensemble Modern zu sich nach Hollywood kommen, um
138
139
140
Miles (Hrsg.): Frank Zappa - In eigenen Worten. S. 93
ebenda, S. 98
Menn, Don/Groening, Matt: The Mother of All Interviews: Part 1.
die Fähigkeiten der einzelnen Musiker zu ermessen und um Stücke zu entwickeln.141 Er
begründet die Arbeitsweise zum einen damit, dass er auf Personen, die spezielle
Fähigkeiten auf ihren Instrument besitzen, gesondert eingehen wolle.142 Dies will er
nicht nur bei Rock-Musikern, die ohne einen eigenen Stil keine Chance im
Rockgeschäft haben, sondern auch bei Orchestermusikern, die ihr Improvisationstalent
im Laufe ihrer Studien oft verkümmern ließen. Zum anderen fehlt Zappa die Fähigkeit,
das, was er auf ein Stück Papier niedergeschrieben hat, zu hören. Er meint, er könne
sich vorstellen, was die Symbole auf dem Blatt bedeuten, und wie sich die Musik bei
einer Aufführung anhören könnte. Diese Vorstellung sei jedoch nicht übertragbar und
kann weder von anderen geteilt noch vermittelt werden.
141
Vgl.: Ali Askin in der Radiosendung: Klassik Zappa - Eine Collage von Michael Rüsenberg und
Hans Ulrich Werner.
142
Menn, Don/Groening, Matt: The Mother of All Interviews: Part 1.
4 Zwischen den Stilen - Metamorphosen dreier Stücke
Drei von Zappas Kompositionen mit ihren verschiedenen Versionen sollen nun näher
betrachtet werden, um Zappas Bearbeitungen seiner eigenen Werke zu verdeutlichen. Es
handelt sich um die Stücke: Pound for a Brown, Dupree’s Paradise und Strictly Gentle.
Die Stücke sind zwischen 1965 und 1972 entstanden; der Zeitraum zwischen der jeweils
ersten und letzten Version beträgt zwischen 15 und 23 Jahre. Es handelt sich bei den
Aufnahmen sowohl um einige, die regulär auf Schallplatten oder CDs veröffentlicht
wurden als auch um andere, die nicht autorisiert sind.
Anhand dieser Stücke wird im folgenden gezeigt, dass Zappa sich mit den
Bearbeitungen verschiedener Versionen als Grenzgänger zwischen unterschiedlichen
Musikstilen bewegt. Meist macht es nur die außerhalb der Kompositionen liegende
Improvisation im Anschluss eines Stücks und die Instrumentierung möglich, eine
Version in eine der Schubladen Rock, Jazzrock oder Neue Musik hineinzuzwängen.
Eher bedient sich Zappa in seinen Kompositionen verschiedener Stiltraditionen, um
daraus eine eigene musikalische Sprache zu entwickeln, die sich jenseits der
traditionellen bzw. musikwissenschaftlichen Klassifikationen der Musik bewegt. Im
folgenden wird die stilistische Einordnung in diese drei Sparten einige Male
vorgenommen, doch sprechen auch immer eine Reihe von Merkmalen gegen diese
Einordnungen, so dass sie nicht absolut gelten können bzw. sollen. Vielmehr soll diese
Einteilung aufzeigen, dass ein und dasselbe Stück Zappas in unterschiedlichen
Versionen verschiedene stilistische Ausprägungen aufweist und somit stilistische
Grenzen verschwimmen, so dass Zappas typischer Stil entsteht.
Im Fall des Stücks Pound for a Brown verändern die verschiedenen Arrangements den
Charakter, ohne das musikalische, kompositorische Prinzip in Frage zu stellen. Im Stück
Dupree’s Paradise wird das musikalische Material für die Aufführung eines Ensembles
für zeitgenössische Musik verdichtet und strenger auskomponiert. Im Stück Stricly
Genteel ändert sich in den Versionen vor allem die Instrumentierung.
In den Bearbeitungen und Aufführungen der Stücke liegt eine Entwicklung, die nicht
immer geradlinig verläuft sondern Ideen älterer Arrangements wieder aufgreift. Im
Ergebnis überzeugt die Klangsprache in den verschiedensten Versionen.
Alle drei Werke werden sowohl von Rockbands als auch von klassischen Ensembles
und Orchestern gespielt oder von Mischformen aus beiden. Die meisten Aufnahmen
stammen von Konzerten. Der Rahmen, in denen die Aufführungen stattfinden, ist
dementsprechend sehr unterschiedlich. Die frühen Versionen der drei Stücke wurden
vor langhaarigen, Haschisch-rauchenden Freaks gespielt und Aufführungen der späteren
Versionen in Blumenkübel-geschmückten Sälen, vor Publikum in Abendgarderobe mit
größerer Vorbildung in klassische Musik. Eine Durchmischung beider Gruppen ergab
sich vor den Blumenkübeln, denn viele Fans von Zappas Rockkonzerten besuchten auch
die im „klassischen Rahmen“ stattfindenden Konzerte. Insofern hat Zappa das Publikum
der von ihm geschätzten Musikstile, der Rockmusik und der Neuen Musik mit seinen
Kompositionen zusammengebracht. In einigen Fällen gab es ein Publikum von einigen
hundert Leuten in einem kleinen Saal, während ein anderes Konzert in einem Stadion in
New York gegeben wurde.
4.1 Das Stück Pound for a Brown
4.1.1 Analyse des Stücks
Das Stück Pound for a Brown ist eine der frühesten Kompositionen Zappas. Er schreibt
es ursprünglich für Streichquartett in der Zeit, als er die Highschool abschließt
(1957/58). Eine Streichquartett-Aufnahme existiert leider nicht, aber anfangs besitzt das
Stück den Namen The String Quartet143. Pound for a Brown wird von fast allen Bands
gespielt, mit denen Zappa auf Tournee ist. Die letzte Aufnahme stammt von 1992.
Tabelle: Formaler Aufbau des Stücks Pound for a Brown
Formteil
Taktangabe
Intro Thema Überleitung Thema
Takt 1 Takt 6 Takt 9
Takt 12
Überleitung Mittelteil Thema und Schlussteil
Takt 15
Takt 17
Überleitung oder
Takt 44
Improvisation
en
Takt 51
Metrum 7/8
Takt
und
Ostinato
Ostinato, jeweils ein Takt vor dem Thema
allein 7/4 Takt
5/8 Takt
ohne
Ostinato
4
Länge
Takte,
des
Formteils nicht
immer
gespielt
3½
1 ½ Takte
Takte,
zweimal
gespielt
25 Takte, Ein oder
davon 2 ½ zwei Mal
Einleitung gespielt
3½
1 ½ Takte
Takte,
zweimal
gespielt
Ostinato, ein Bei ImprovisaTakt vor dem tionen bleiben
z.T. Elemente
Thema
des Ostinato
allein, 7/4
erhalten
Takt
Unterschiedliche Länge
In der folgenden Betrachtung wird deutlich, dass das Material des Stücks im Intro,
Ostinato, im Thema und in den Überleitungen aus wenigen Quartenakkorden besteht.
Diese Quartenakkorde sind nicht wie in der Musik des Impressionismus als
unverwechselbarer Klangcharakter eingesetzt, sondern dienen wie bei Schönberg144 als
Konstruktionsprinzip. Deshalb können zu diesem Stück Parallelen zur frühen Atonalität
vom Anfang des Jahrhunderts gezogen werden. Aufgrund gegenläufiger Metren bieten
sich für den Mittelteil dagegen Vergleiche zu polymetrischen Kompositionen von
Charles Ives an. PETER RUNDEL, Dirigent der Aufführung vom Ensemble Modern
143
Der frühere Titel The String Quartett ist in der Ansage auf der Aufnahme des Bootlegs Our Man
in Nirvana (1968) zu hören.
144
Bspw. Arnold Schönberg: Kammersymphonie op. 9, 1906
schreibt über das Stück, dass es wie Comedy-Musik klinge und verglich es mit der
Musik Kurt Weills. Rundel findet es in seiner Komplexität sehr interessant. Es gebe
simple Melodien, gleichzeitig aber einen sehr raffinierten und unregelmäßigen
Aufbau.145 Sein Urteil wird sich im folgenden bestätigen.
Da das Stück in den einzelnen Versionen stark variiert, folgt nun die musikalische
Analyse des Stücks anhand der Version von Yellow Shark. Die Partiturnoten146 und die
zusammenfassenden Auszüge veranschaulichen die Ergebnisse.
Das Intro
Das Intro legt die metrische Grundlage des Siebenertaktes fest. Das Metrum besitzt
Schwerpunkte auf eins und vier, was im ersten Takt deutlich am Wechsel der Noten in
den einzelnen Stimmen zu sehen ist. Bei dem 7/8-Takt handelt es sich also um die
Addition
eines 3/8 und
eines 4/8Takts.
1
2 3 4 5
Der Anfangston ist in allen Stimmen ein F. Sodann ist Klang 1 notiert, der aus der
Quartschichtung A, D, G, C und F besteht. Ebenfalls auf Zählzeit vier, fünf und sechs
im zweiten Takt erklingen die Quartenakkorde 2 und 3. Dem Quartenakkord 2 auf
Zählzeit vier (C, F, B, Es) ist ein D hinzugefügt. Dieser Akkord spielt im weiteren Stück
eine bedeutende Rolle. Der Akkord 5 besteht aus geschichteten Quinten und kann als
Umkehrung eines Quartenakkordes angesehen werden.
Deutlich zu hören ist der Terzsprung von F zu A in Trompete und Oboe (CD Nr.1 Track
Nr. 12). Das F bildet im folgenden Ostinato den tiefsten Ton.
Das Ostinato
In der Partitur ist das Intro im 7/8-Takt notiert, auf das das Ostinato im 7/4-Takt folgt.
Doch sowohl die Basslinie (Fagott), als auch die Begleitung (Horn) spielen innerhalb
145
Vgl.: Beiheft zu: Zappa - The Yellow Shark – Ensemble Modern
Ist im folgenden von „der Partitur“ die Rede, so ist die Partitur der Yellow Shark Version
gemeint (siehe Anhang),.erhältlich beim Ensemble Modern in Frankfurt.
146
des Taktes zwei mal dieselbe Phrase. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass nach dem
Mittelteil147 das Ostinato und
Pound for a Brown, Takt 5
Thema im 7/8-Takt notiert
ist.
Der Bass beschreibt zwei
Quartenakkordbrechungen
aufwärts. Die ersten drei Töne
7
14
dieser Aufwärtsbewegung sind gleich (F, B, Es). Auf dem siebten und vierzehnten
Achtel folgt die Oktave über F. Mit der oberen Stimme der Hörner B und C sind die
Töne des zweiten Quartenakkords aus dem Intro (Takt 2, Zählzeit 4) bis auf das D
komplett. Zu der oberen Stimme der Hörner (B und C) erklingt die untere kleine Terz,
also die Töne G und A. Diese Töne kommen in den anderen Quartenakkorden des Intros
vor.
Die Hörner erklingen auf dem dritten, siebten, zehnten und vierzehnten Achtel, d.h. auf
keiner schweren Zählzeit des 7/4- oder 7/8-Taktes. In dem Ostinato wurde ein
harmonisches Ostinato, die Quartenakkordbrechungen, mit einem rhythmischen
Ostinato der Hörner kombiniert.
Das Thema
Pound For a Brown, Takt 5-7: Flöte, Bassklarinette, Marimbaphon
Das Thema ist aus den Tönen der Quartenakkorde aufgebaut. Es lässt sich in zwei aufund abwärtsgerichtete Bewegungen untergliedern, wobei die Aufwärtsbewegung in
schnellen Sechzehnteltriolen bzw. Sechzehnteln notiert ist. Nach einem Auftakt verweilt
das Thema in Takt sechs auf dem Es. Der Auftakt ergibt mit dem Es den zweiten
Quartenakkord (C, F, B, Es) des Intros. Die Töne der Abwärtsbewegung (D, G)
kommen im ersten Quartenklang des Intros vor. Die zweite Auf- und Abwärtsbewegung
ist verkürzt. Bei den drei Tönen handelt es sich um die des Auftaktes in verkehrter
Reihenfolge (B, F, C).
In der zweiten Takthälfte wird mit einem G das neunte und elfte Achtel betont. Hängt
147
Partitur Pound for a Brown S. 9, Takt 42
man noch der Vorstellung nach, es handele sich um einen 7/8-Takt, so bekommt dieser
nun eine „Off-Beat“ Betonung, da ungerade Achtelzählzeiten angespielt werden, die im
7/4 auf dem fünften und sechsten Viertel stehen. Das Notenbild im Thema nach dem
Mittelteil (Takt 44) macht dies deutlich.
Der zweite Verweilton, das C, hat Auflösungscharakter, weil der Ton auf der Eins des
nächsten Taktes gespielt wird und weil die Quinte unter dem C, das F, auf der ersten
Zählzeit des Ostinatos erklingt.
Die Überleitung
Die Überleitung besitzt die bei Zappa übliche Sprunghaftigkeit und schnelle Bewegung.
Die Abwärtsbewegung der ersten Takthälfte ist auf drei Stimmen aufgeteilt: Die
Oberstimme wird von der Flöte gespielt und in der Unterstimme alternieren Oboe und
Klarinette. Der Auftakt (1) besteht aus drei übereinanderliegenden Quinten. Ab dem
Pound for a Brown
Takt 9:
Flöte,
Oboe,
Klarinette
1
5 212 5214 2 2
zweiten Klang (E, C) springt die Oberstimme zweimal eine Terz aufwärts, gefolgt von
einer Quinte abwärts. Die Unterstimmen springen versetzt dazu zunächst eine Quinte
hinunter, gefolgt von einer Terz aufwärts. Bei der zweiten Überleitung dringt die
springende Oberstimme in den Vordergrund, da sie von der Trompete gedoppelt wird.
Die Klammern über den Noten zeigen identische Akkorde an, wobei die Akkorde unter
der untersten Klammer um eine Oktave versetzt zueinander und die unter der obersten
in Umkehrung zueinander stehen. Die eingekreisten Zahlen unter den Akkorden geben
an, auf welchen Akkord des Intros dieser Akkord zurückgeht. Das Tonmaterial reduziert
sich somit im wesentlichen auf die Quartenakkorde des Intros.
Der Mittelteil
Der Mittelteil148 wird von Oboe und Klarinette in 2 ½ Takten in alternierender
Spielweise vorbereitet. Diese Vorbereitung endet mit einem Sekundschritt abwärts auf
dem im Ostinato so häufig vertretenen F, wodurch der Begriff Vorbereitung seine
Rechtfertigung erhält.
Der Mittelteil steht im 5/8-Takt. Die Melodie, die von der Flöte wird, ist dem FünferMetrum jedoch nicht zuzuordnen, weil die Schwerpunkte immer wieder auf anderen
Taktzeiten liegen, und es ein Störfeuer vom Schlagwerk gibt, die einen 4/4-Takt
betonen. Melodie und Rhythmus scheinen so gar nicht zueinander zu passen, und man
fühlt sich an Charles Ives Militärkapellen erinnert.149
Vorherrschend in der Melodie sind Sekundschritte. Sie scheint das E zu umspielen, da
auf diesem Ton häufig verweilt wird und der Ton einige Male repetiert wird. Das Ende
wird durch die unterschiedlich rhythmisierte Wiederholung der Töne D A E (Takte
37/38) eingeleitet und dem in dieser Melodie bisher längsten Ton, dem E, in Takt 38.
Die Melodie endet auf dem zweiten Ton des Ostinato, dem B.
Wiederholung des Themas
Die Wiederholung des Themas steht nun im 7/8-Takt. Im Vergleich zum ersten
Themeneinsatz ist dieser um die Hälfte verkürzt. Das Thema wird nur einmal gespielt,
die Taktlänge hat sich halbiert und nur ein Teil der Oberstimme der Überleitung wird so
gespielt, dass jeder Ton als 32stel wiederholt wird.150
Der Schluss
Der Schluss ist in den Versionen sehr unterschiedlich. Meistens schließt sich an die
letzte Themenwiederholung eine Improvisation an. Eine punktierte Melodie151 wird nur
in der Yellow Shark–Version gespielt, unter Umständen wurde sie nur für diese
Aufführung geschrieben. Sie gleicht einer Wellenform, die vom As herauf zum C strebt,
um dann von einem Sprung unterbrochen zum F herunter zu sinken. Der Tonvorrat setzt
sich aus dem des Intro zusammen. In der Aufwärtsbewegung überwiegt die Quarte. Die
Melodie wird beim ersten Durchlauf von einem der Blasmusik ähnlichen „Hum Ta“,
148
149
150
Partitur Pound for a Brown S. 6Takt 17
Vgl. Charles Ives: Three places in England, 1903-1914,
Partitur Pound for a Brown S. 10, Takt 48-50
gespielt von Bassklarinette, Fagott, Posaune und Tuba begleitet. Beim zweiten
Durchlaufen der Melodie152 spielen lediglich die Flöten ein rhythmisch gegenläufiges
Thema.
In der dritten Wiederholung wird die Melodie153 beschleunigt. Der Takt wechselt von
2/4 zu 3/8 und die vormals punktierte Viertel verliert ihre Punktierung. Der Rhythmus
wechselt in der Bassposaune von lang – kurz (Achtel – punktierte Viertel) zu kurz –
lang (Achtel – Viertel), während das Fagott einen geraden Rhythmus (nur punktierte
Achtel) dagegensetzt. Hörner und Posaune spielen die letzten sechs Töne der Melodie
sehr verhalten in einem Sechzehntellauf dazu. Nach dieser Wiederholung der Melodie154
wird der Sechzehntellauf deutlicher von Fagott und Bassposaune vorgetragen; dies wirkt
weiter beschleunigend. Flöte, Oboe und Marimbaphon spielen dazu den Auftakt und
den langen Ton Es des Themas, was reprisenartigen Charakter hat. In Takt 91 (S. 16)
geht das Stück in das nächste über, wobei der Schlussakzent durch Staccato gespielte
Achtel weiter getragen wird.
4.1.2 Die einzelnen Versionen von Pound for a Brown
Tabelle: Die Versionen von Pound for a Brown
Track auf CD Band bzw.
Nr.1,
Ensemble
Schallplattentitel
Jahr der
Aufnahme
Ahead of their times
1968
Electric Aunt Jernima
1968
Our man in Nirvana
1968
Uncle Meat (Studioaufnahme)
1969
offiziell veröffentlicht 1991
offiziell veröffentlicht 1991
1969
Uncle Meat, Titel des Stücks hier:
A Pound for a Brown on the Bus
(Studioaufnahme)
200 motels live at the UCLA
1969
1969
1970
Tengo Na´ Minchia Tanta
1971
nicht offiziell
veröffentlicht
offiziell veröffentlicht: 1991
*: wird analysiert
1*
2
3
4*
5*
6
7*
151
Mothers of
Invention
Mothers of
Invention
Mothers of
Invention
Mothers of
Invention
Mothers of
Invention
Mothers of
Invention
Mothers of
Invention
Tatsächliche
Veröffentlichun
g155
1993
Partitur Pound for a Brown S. 12, Takt 59, 2. Horn
Partitur Pound for a Brown S. 13, Takt 66
153
Partitur Pound for a Brown S. 14, Takt 75, Fagott und Bassposaune
154
Partitur Pound for a Brown S. 15, Takt 83
155
Tonträger, hinter denen offiziell veröffentlicht bzw. nicht offiziell veröffentlicht steht, waren bzw.
sind keine autorisierten Versionen, waren bzw. sind also nicht im Handel erhältlich. Zappa hat 1991
mehrere solcher Bootlegs selbst veröffentlicht, um das illegale Geschäft mit diesen Raubpressungen zu
untergraben.
152
Track auf CD Band bzw.
Nr.1,
Ensemble
Schallplattentitel
Jahr der
Aufnahme
*: wird analysiert
8*
9
10
11 *
12 *
Frank Zappa Zappa in New York
Frank Zappa At The Circus, Aus dem
Konzertfilm im Zirkus-Krone,
München: Zappa – We don’t mess
around
Frank Zappa You can’t do that on Stage
anymore
Frank Zappa The Godfather In Full Metal
Jacket
Frank Zappa The Yellow Shark
und das
Ensemble
Modern
1977
1978
Tatsächliche
Veröffentlichun
g155
1977
Nur als
Film/Video
erhältlich
1982
1992
1988
nicht offiziell
veröffentlicht
1993
1992
Die mit * gekennzeichneten Versionen 1, 4, 5, 7, 8, 11 und 12 werden im folgenden
genauer analysiert. Auf die Analyse von Nummer 2, 3, 6, 9 und 10 wird verzichtet, da
sie anderen Versionen zu ähnlich sind.
Im folgenden wird gezeigt, dass das musikalische Material des Stücks immer wieder neu
beleuchtet und in kleinen Details dem Stil der Zeit angepasst wird. Im Laufe der Jahre
vereinfacht sich Pound for a Brown in seiner polyphonen Struktur in den Rockversionen
zu einem Stück mit nur einer Melodie. Gleichzeitig wird der Rhythmus komplexer und
das Arrangement ist durch die Anforderung des exakt auszuführenden Unisonospiels
vieler Instrumente spieltechnisch schwerer. Die letzte Fassung (Yellow Shark) dreht
diesen Trend um.
Frühe, extravagante Rockmusik: Ahead of their Times, 1968
CD 1, Tracknummer 1
Die Instrumentation der Version setzt sich aus Schlagzeug, Perkussion, Bassgitarre, EGitarre (unverzerrt), Klarinette und Saxophon zusammen.
Der Perkussionist schlägt lediglich auf einer zweiten Snare-drum das jeweils vierte und
siebte Achtel, was auf dem linken Kanal, trocken und direkt abgemischt, zu hören ist.
Das Schlagzeug betont die Viertel und überspielt somit den 7/8-Takt des
Perkussionisten. Die Bassgitarre spielt das Ostinato und die Gitarre das Thema.
Klarinette und Saxophon spielen die zweite und dritte Stimme des Themas und der
Überleitung sowie den Mittelteil. Im Mittelteil setzt das Schlagwerk alle zwölf Viertel
einen Akzent, während auf den anderen Vierteln lediglich der Schellenkranz die Viertel
durchschlägt.
Im Anschluss an das Zwischenspiel gibt es eine freie Improvisation von Klarinette,
Saxophon und Gitarre, in der nur der Schellenkranz ein Ordnungselement darstellt. Zum
Teil werden Phrasen des Mittelteils verwendet. Im Anschluss des letzten Themas folgt
eine ausgedehnte Improvisation Zappas auf der E-Gitarre. Das Solo wird meist über den
Tönen der a-Moll/C-Dur Tonleiter gespielt und von einer Mischung aus Tonalität und
Quartenharmonik begleitet.
Der Klang der Version entspricht größtenteils dem der Rockmusik der damaligen Zeit.
Die Gitarre wird oft noch unverzerrt und ohne klangtechnische Verfremdung gespielt,
das Schlagzeug wird ebenfalls unverändert abgemischt und die elektrische Bassgitarre
steht am Anfang ihrer klanglichen Möglichkeiten. Der Schellenkranz, der in den
folgenden Jahren aus der Mode kommt und heutzutage oft mit „Flower Power“ und
Songs wie California Dreaming von The Mamas and the Papas verbunden wird,
vermittelt ebenfalls den Sound der Zeit.
Die Version des Albums Ahead of their Times hat ansonsten stilistisch mit Flower
Power- und Hippie-Musik kaum etwas gemeinsam. Das Stück, das auf
Quartenharmonik basiert, wurde mit typischen Rockinstrumenten wie Schlagzeug EBass und E-Gitarre und weniger typischen wie Klarinette und Saxophon adaptiert. Mit
einem durchgehenden Beat baut Zappa ein wesentliches Stilelement der Rockmusik in
das Stück ein. Die freie Improvisation im Anschluss an den Mittelteil gehört stilistisch
in den Free Jazz.
Klangexperimente: Uncle Meat 1969
CD 1, Tracknummer 4 & 5
Die zwei Versionen von Pound for a Brown und Pound for a Brown on a Bus auf der
Schallplatte Uncle Meat gleichen sich insofern, als dass die Instrumente mit den
Möglichkeiten der damaligen Zeit, mit Hilfe eines Ringmodulators, Filtern oder eines
Oszillators, verändert werden. Bei der Prozedur moduliert Zappa den Klang nicht
insgesamt, sondern jedes Instrument für sich. Manche Instrumente werden durch
Erhöhen der Bandlaufgeschwindigkeit verfälscht, wodurch der „Mickey Mouse Effekt“
– der durch eine Formantverschiebung etwas quäkende piepsige Klang – entstand.
Die Instrumentierung lässt sich aufgrund der klangtechnischen Veränderungen auf dem
Album Uncle Meat nicht gänzlich nachvollziehen. Bei Pound for a Brown sind
wiederum Klarinette und Saxophon deutlich zu erkennen. Bei Pound for a Brown on a
Bus könnte es sich um die gleichen, jedoch verfremdeten Instrumente handeln. Die
Akkordbrechungen des Ostinatos werden von einem verfremdeten, höher klingenden
Fagott gespielt, dass in Pound for a Brown on a Bus kaum noch als solches zu erkennen
ist. Das Schlagzeug spielt dominanter durch Hinzufügen vieler Breaks und Fill-ins, und
nicht wie in den bisherigen Versionen lediglich einen sturen Viertel-betonenden Schlag.
Es hat sich in dem Stück mehr zu einem eigenständigen Instrument gewandelt und ist
nicht mehr nur der Metrums-Verstärker. Im Hintergrund klingt ein Instrument wie ein
Glockenspiel, es könnte sich auch um die schneller gedrehte Aufnahme eines
Xylophons handeln, da dies in anderen Stücken des Albums vertreten ist.
Pound for a Brown
CD 1, Tracknummer 4
In der zweiten Wiederholung des Themas und im Mittelteil ist ein seltsam verfremdetes
Fagott vertreten, das im Mittelteil eine unregelmäßige Folge der Töne Es und As spielt.
Eine kurze Zeit scheint es einen Rhythmus gefunden zu haben und spielt zweimal Es
und zweimal As, bricht dann aber wieder aus dem Rhythmus heraus. Die Folge der
beiden Töne erscheint willkürlich und nach dem Niederschreiben der Folge bestätigt
sich dieser Eindruck.156 Dadurch, dass die Töne begrenzt und im Quintabstand liegen
und fortwährend begleiten, hat die Stimme den Charakter eines „kaputten“ Ostinatos.
Der Rhythmus wirkt sehr träge, als wäre die Bandlaufgeschwindigkeit bei den
Blasinstrumenten verlangsamt worden. Ohne eine Schlusswendung bricht das Stück
nach zweimaligem Thema nach dem Mittelteil ab, bzw. wird von einem Lachen und
Grunzen abgelöst – möglicherweise ein Kommentar Zappas.
Pound for a Brown on a Bus
CD 1, Tracknummer 5
Viel deutlicher meint man eine Manipulation der Bandlaufgeschwindigkeit in dieser
Version zu hören. Dieser Eindruck entsteht u.a. durch das Fehlen tiefer Frequenzen bei
einzelnen Instrumenten, die vermutlich mit einem Highpass Filter gekappt worden sind.
Pound for a Brown on a Bus erklingt jedoch eine kleine Sekunde tiefer als die andere
Fassung auf der Platte.
156
Die ersten Takte der Folge sind im Anhang unter „Fagott – „Ostinato“ im Mittelteil von Pound
for a Brown auf dem Album Uncle Meat; CD Nr.1, Track Nr. 4“ notiert.
Das Ostinato des Themas und das „kaputte“ Ostinato der ersten Version im Mittelteil
wird hier von einer Bassgitarre gespielt. Nach dem Mittelteil wurden dem Thema noch
zwei ergänzende Stimmen hinzugefügt. Zum Ende hin beschleunigen die Instrumente,
der Schlagzeuger spielt nur noch die Snare Drum und der Schlusspunkt wird durch ein
Cembalo gesetzt. Ein Sprecher sagt „Fade“, ein Scherz Zappas, da es sich gerade nicht
um einen ausgeblendeten Titel handelt.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass mit Pound for a Brown und Pound for a Brown
on a Bus Zappas avantgardistischer Anspruch zum Ausdruck kommt, da er hier rege und
für Rockmusik in eher untypischer Form mit den technischen Möglichkeiten eines
Studios experimentiert hat. Was zur damaligen Zeit nur in wenigen Studios versucht
wird und in vielen Fällen nicht das Licht und die Ohren der Öffentlichkeit erreicht,
schafft Zappa mit den Stücken des Albums Uncle Meat. Er entwirft durch
klangtechnische Verfremdungen aus den alten neue Instrumente, bzw. verändert den
Klang nach seinen ästhetischen Vorstellungen. Zum Teil sind die Instrumente nicht nur
verfremdet, sondern nicht einmal mehr zu erkennen - so entwickelt Zappa mit
technischen Mitteln neue Klänge.
Die Uncle Meat-Versionen weichen von denen ab, die vorher auf den Bühnen gespielt
wurden. Es handelt sich um das gleiche Stück von den gleichen Musikern gespielt,
jedoch war es nicht möglich, den Klang „live“ zu modifizieren. Das Stück ist in dieser
Version elektronische Musik der 60er Jahre mit einem durchgehenden Schlagzeug-Beat,
der typisch für die Rockmusik ist. Das Klangmaterial, das elektronisch verändert wurde,
stammt von herkömmlichen Instrumenten.
Psychedelischer Einfluss: Tengo Na´ Minchia Tanta 1971
CD 1, Tracknummer 7
Das Schlagzeug spielt in dieser Version durchgehend einen 8/4-Takt mit Akzenten auf
der ersten und vierten Zählzeit, statt wie in den vorherigen Fassungen durchgehende
Viertel. Aufgrund dessen scheint die erste Themenwiederholung zu früh einzusetzen, da
das Ostinato schon 14 Achtel gespielt hat, bis das Thema wieder erklingt, das
Schlagzeug aber seine 16 Achtel noch nicht vervollständigt hat. Die eins des Schlagzeug
fällt daher mit dem zweiten Viertel des Themeneinsatzes zusammen. Die Version weist
eine neue Polymetrik bestehend aus dem 7/4-Takt des Themas gegenüber dem 8/4 des
Schlagzeugs auf.
Das Intro leitet das Stück wieder sehr zackig ein, ähnlich wie in der Ahead of their
Times -Version. Im folgenden wird es aber durch die Spielweise des Schlagzeugers
gemächlicher, da dieser nicht mehr jedes Viertel schlägt. Einige Perkussionsinstrumente
sind hinzugekommen wie Cabaca und Maracas (bzw. ähnlich klingende Instrumente),
die während des Themas Sechzehntel spielen. Somit ist das Schlagwerk vielseitiger
geworden. Die Achtelläufe des Ostinatos setzen erst mit der Melodie ein und sind nicht
mehr so prägnant wie in den bisherigen Versionen, auch fallen sie bei der Überleitung
weg, stattdessen ist die harmonische Begleitung durch Orgel und Fender RhodesKeyboard lauter. Diese Instrumente sind mit diversen Effekten belegt.
Eine weitere Besonderheit ist, dass das Thema nun unisono von Gitarre und Keyboard
vorgestellt wird. Es zeichnet sich die Vorliebe Zappas ab, Melodien und Überleitungen
von mehreren Instrumenten gleichzeitig spielen zu lassen.157
Die Gitarrenimprovisation am Schluss des Stücks wird immer wieder durch eine
elektrische Orgel erwidert. Nach der ersten Minute gleicht der Klang der verzerrten
Gitarre, der Orgel, dem Rhodes und des reagierenden impulsiven Schlagzeugs, sowie
die modale Spielweise mancher psychedelischer Musik der Zeit, beispielsweise der
Gruppe Pink Floyd oder Supertramp.158 Dieser Eindruck wird durch die in Tempo,
Rhythmus und Begleitung sich weiterentwickelnde, sich ständig verändernde und lang
ausgedehnte Improvisation verstärkt. In der Version Tengo Na´ Minchia Tanta steckt
wieder der Sound der Zeit.
Synthetische Klänge: Zappa in New York 1977
CD 1, Tracknummer 8
Diese Version fällt in eine Zeit, in der Zappas Rockstücke sehr Synthesizer-betont
werden. Gespielt wird sie von Schlagzeug, Perkussion, Bassgitarre, Gitarre (Solo),
mehreren Synthesizern (u.a. Hammond Orgel und Wurlitzer Piano) und im
Schlussakzent von verschiedenen Bläsern (Trompete, Saxophone). Das Intro fällt hier
weg, und das von einem Minimoog-Synthesizer mit Chorus-Effekt gespielte Ostinato
leitet vom vorherigen Stück in den neuen Rhythmus über.
Der entscheidende Unterschied zu den bisherigen Fassungen besteht in dem Groove des
Schlagzeugs, dass leicht und improvisierend einen 7/8-Takt spielt. Oft betont es das
157
158
Vgl. Kapitel 3.3.3
Vgl.: Improvisationen auf dem Album Ummagumma von Pink Floyd (1969) und im Titel Try
siebte Achtel. Im Mittelteil ändert sich der Takt der Rhythmusgruppe zum 4/4 und kurz
hinter der vierten Zählzeit (ca. ein Sechzehntel nach der Vier) wird ein Akzent gesetzt.
Das Ostinato wird zu Beginn des Stücks und nach dem Mittelteil von den Terzen auf
dem dritten und siebten Achtel unterstützt. Das Thema wird nicht mehr von mehreren
Instrumenten gespielt, sondern nur vom Synthesizer.
Die Überleitungen werden ebenfalls von einem Synthesizer gespielt, dessen
Ausgangssignal durch zwei Oszillatoren geleitet wird, die ungefähr eine Sekunde
gegeneinander verstimmt sind. Dadurch klingen alle Töne sehr dissonant, als würde sie
von zwei verstimmten Instrumenten stammen.
Die Vorbereitung zum Mittelteil erfolgt vom Xylophon, das mit dem Keyboard kaum
hörbar die erste Stimme im Mittelteil unisono mitspielt. Nur am Schluss des Mittelteils
fallen noch das Schlagzeug und die Bassgitarre in das Unisonospiel ein.
Im Anschluss an das letzte Thema spielt Zappa ein Gitarrensolo, dass anfangs mit den
Akkordbrechungen des Ostinatos begleitet wird. Im Verlauf des Solo wird das Ostinato
aber mehr und mehr abgewandelt und verschwindet schließlich ganz. Nur der 7/8Rhythmus bleibt bestehen. Kurz bevor das Stück in einem Cluster von Bläsern und Bass
untergeht, spielt der Bass viermal taktweise den Lauf F, Es, D und C.
Die Vielfalt der klanglichen Möglichkeiten eines Synthesizers werden von Zappa bei
Zappa in New York verstärkt genutzt. Ebenfalls tritt die Perkussion durch ein Xylophon,
das das Thema spielt und dem 7/8-Takt des Schlagzeugs weiter in den Vordergrund. Die
Klänge werden zunehmend von den Synthesizern erzeugt, wodurch das ganze Stück
elektronischer klingt. Die Akkordbrechungen des Ostinato stehen sehr im Vordergrund,
wodurch das ohnehin hohe Tempo dieser Version noch mehr auffällt.
Big Band – Unisono: The Godfather In Full Metal Jacket 1988
CD 1, Tracknummer 11
Beim Hören dieser Version kann man verstehen, warum Zappa zur Vorbereitung der
Tournee von 1988 vier Monate probt. Es handelt sich wieder um eine nicht autorisierte
Aufnahme, doch macht sie gerade dadurch deutlich, dass die 88iger Band in der Lage
ist, nicht nur vereinzelt technische und musikalische Höchstleistungen zu vollbringen,
wie sie als Essenz auf den drei Live-Alben veröffentlicht werden, sondern dass sie so
Again auf der ersten Platte der Gruppe Supertramp (1971)
perfekt eingestimmt ist, diese Leistungen bei beinahe jedem Konzert darzulegen.
Im rasanten Tempo spielen mehrere Bläser (Saxophone, Trompete, teilweise Posaune)
mit dem Vibraphon unisono die Melodie, die Zwischenspiele und den Mittelteil. Am
Ende des Mittelteils spielen alle Instrumente unisono, d.h. neben den drei Saxophonen,
der Trompete und der Posaune sind noch Vibraphon, Schlagzeug und Bass vertreten.
Die zwei Gitarristen und der Keyboarder werden an dieser Stelle nicht untätig geblieben
sein und sind vermutlich nur aufgrund der schlechten Aufnahmequalität nicht
herauszuhören.
Die Akkordbrechungen des Ostinatos sind nicht mehr gut zu erkennen, da die
Klangfarbe der einzelnen Achtelnoten differiert. Verlangsamt man dagegen mit dem
Computer das
Tempo der
Aufnahme, kann
man das Ostinato
genauer
analysieren. Es
steht im 7/4-Takt,
d.h. wieder
gehören jeweils zwei Achtelphrasen zusammen. Von welchem Instrument die
Akkordbrechungen des Ostinatos gespielt werden, ist nicht genau zu erkennen, doch
handelt es sich vermutlich um eine Orgel mit Keyklick. Bass, Gitarre und ein Keyboard
spielen unisono Es auf dem dritten, sechsten, zehnten und zwölften Achtel und F auf
dem siebten und vierzehnten. Das Schlagzeug spielt versetzt dazu. Beispielhaft für die
rhythmische Vielschichtigkeit der Ostinati der Versionen von 1977 bis 1988 im 7/4Takt wird dieses Ostinato der 88er Version hier dargestellt.
Die Improvisation im Anschluss an das letzte Thema hat wie so oft nicht mehr viel mit
dem eigentlichen Stück zu tun, da nun ein 4/4-Takt gespielt wird, und modal über esMoll improvisiert wird. Nach dem Keyboard Solo mit synchron geführter Stimme gibt
es eine Passage mit vielen Elementen vom Synclavier. Hätte Zappa diesen Titel selbst
veröffentlicht, hätte er diesen Teil möglicherweise nicht mehr zu Pound for a Brown
gerechnet.
Mit dieser Version ist der Höhepunkt des Unisono-Spiels erreicht. Das Stück besteht nur
noch aus zwei Klangschichten: die erste, die durch das Ostinato mit seinem Rhythmus
gegeben ist, und die zweite, dem Unisono der Melodie. Es gibt keine zweiten
Melodiestimmen mehr.
Das Tempo und die Instrumentierung geben der Version die Wucht einer Big-Band
beim Tutti. Über die elfköpfige Band sagt Zappa, dass er alle Musiker bei möglichst
vielen Stücken beschäftigen will, außerdem schafft er aus dem Zusammenspiel aller
neue Klangfarben, die größtenteils von nicht-elektronischen Instrumenten stammen.
Das Faszinierende an dem Stück in dieser Version ist, dass es schwierig zu spielen ist.
Es wurde zwar im musikalischen Material durch Einstimmigkeit vereinfacht, dagegen
durch das hohe Tempo der exakt unisono spielenden Instrumente und einen
vielschichtigen Rhythmus gleichzeitig spieltechnisch anspruchsvoller.
Frank Zappa und das Ensemble Modern: The Yellow Shark, 1992
CD 1, Tracknummer 12
Nicht immer muss Ernste Musik ohne Spaß sein, wie Zappa in Kapitel 3.2.1 anmerkt,
denn diese Version, die man, wenn man gewillt ist, am ehesten der Ernsten Musik
zuordnen kann, besitzt eine fröhliche Lebendigkeit. Es handelt sich um die komplexeste
Version von Pound for a Brown, denn alle bisherigen zweiten Stimmen, das Intro und
ein langer auskomponierter Schluss sind vertreten. Neben der Instrumentierung und dem
viel langsameren Tempo ist der fehlende komplexe Rhythmus vom Schlagwerk der
entscheidende Unterschied zu den Rockversionen. Lediglich im Mittelteil erklingen
Schellenkranz und eine Trommel, die jedoch nichts mit einem Rock-Schlagzeug
gemeinsam haben. An dieser Stelle erinnert die Version einerseits an Ives
Militärkapellen, da Schellenkranz und Trommel einen 4/4-Takt durchschlagen,
andererseits an die frühen Rockmusikversionen des Stücks, in denen mit dem
Schellenkranz jedes Viertel geschlagen wird.
Bemerkenswert ist, dass die Perkussionsstimmen nicht in der Partitur stehen. Ich habe
die Partitur mit dem Hinweis bekommen, dass noch einige Änderungen vorgenommen
wurden, wie beispielsweise das Hinzufügen von Kuhglocken (Cow bells) in das Intro.
Trotzdem ist es nicht sicher, ob der Schellenkranz und die Trommel erst in den Proben
hinzugefügt wurden, als Rückgriff auf die Stilelemente der Rockmusik. Vielleicht fehlte
Zappa die Polymetrik der im 5/8-Takt notierten Melodie des Mittelteils und dem 4/4-
Takt, der in vielen Versionen zu hören ist. Die Unterbrechung des Rhythmus (Takt 2628) klingt wie eine Irritation des Perkussionisten einer Marschkapelle, der plötzlich
aufwacht und merkt, dass er mit der Melodie nicht mehr mitkommt.
Die Version ist ein Beispiel für Zappas Konzeptionelle Kontinuität. Dafür spricht im
Detail, dass das Stück wieder in weiten Teilen von Holzbläsern dominiert wird, der
Schellenkranz aus den 60er Jahren zum Einsatz kommt und so das Stück dem Stil der
Ausgangsversion - dem Streichquartett - durch das Ensemble Modern mit traditionellen
Instrumenten der klassischen Musik näher rückt. Der Kreis schließt sich.
Es ist schwierig zu beurteilen, welchen Anteil Zappa am Arrangement des Stückes hatte,
da als Arrangeur Ali Askin angegeben ist. Jedoch gibt es in dem Arrangement zahllose
Merkmale, die auf Zappa hinweisen, z.B. die Dopplung des ersten Themas von Flöte
und Bassklarinette mit Marimbaphon, und die Akkordbrechungen des Ostinatos,
gespielt von einem Fagott (vgl. Versionen auf Uncle Meat). Im Schlussteil erklingen die
von Zappa gerne verwendeten Septolen, Quintolen sowie eine Nonole - von Flügelhorn
Trompete und Marimbaphon unisono gespielt. Es ist anzunehmen, dass Ali Askin vor
allem die von Zappa ungeliebten Arbeiten übernommen hat, die anfallen, wenn das
Stück fertig ist.159
Mit dieser Version widerspricht Zappa der von ihm in den 60er Jahren formulierten
Vorstellung eines modernen Orchesters (vgl. Kapitel 2.5), da er keine Instrumente der
Rockmusik hinzugenommen hat. Das Stück klingt dadurch, dass es nicht über einen in
der Rockmusik gewöhnlichen Klangteppich aufgebaut ist, sehr luftig. Den HörerInnen
wird der hallende Klang eines klassischen Konzertsaals vermittelt. Es hat nur wenig von
seiner Frechheit eingebüßt und hat nichts mehr mit Rockmusik gemeinsam.
4.1.3 Zusammenfassung
Mit dem Stück Pound for a Brown lässt sich Konzeptionelle Kontinuität nachweisen,
denn Zappa hält eine Komposition aus seiner Jugend immer noch für tragfähig, um sie
Jahre später im Rahmen von Yellow Shark in neues Licht zu stellen. Für Zappa ist weder
die Frage interessant, in welchem Rahmen ein Stück gespielt wird, noch welche
Gedanken den Komponisten inspirieren und ob Instrumente „höherer kultureller
Wertigkeit“ spielen. Entscheidend ist für ihn nur, wie es klingt. Für seine
Klangvorstellungen nutzt er die vielfältigen Möglichkeiten der Instrumentation der
Rockmusik ebenso wie die der „klassischen“ Instrumente.
Das ursprünglich als Streichquartett komponierte Stück Pound for a Brown wird
zunächst von klassischen Blas- und modernen Rockinstrumenten gespielt. Auf der
ersten Plattenaufnahme werden diese Holzblasinstrumente elektronisch z.T. stark
verfremdet. 1968 wird das Thema auf einer Gitarre gespielt, um dann in den 70er Jahren
von Synthesizern abgelöst zu werden, wodurch der Klang sehr synthetisch wird. In der
letzten Version sind die Holzbläser (neben Blechbläsern) wieder vertreten. Zappa selbst
tritt als Instrumentalist bei allen Versionen nur einige Male beim Spielen des Themas
und bei der anschließenden Improvisation in Erscheinung.
Die zweiten Stimmen verschwinden mit den Jahren zugunsten des mehrfachen
Unisonos. Seit 1971 wird in den vorliegenden Versionen das Thema einstimmig
gespielt,160 seit 1977 fehlt die zweite Stimme bei der Überleitung und 1977, 1982 und
1988 erklingt der Mittelteil ebenfalls einstimmig. In der klassischen Instrumentation des
Ensemble Modern erscheinen wieder alle zweiten Stimmen. Seit 1971 gibt es bei Zappa
den Trend, die Hauptstimmen unisono zu führen. Waren es 1971 noch zwei
Instrumente, so sind es in der 88er Version zwischen fünf und zwölf Instrumenten, die
genaue Bestimmung der Anzahl ist mit dieser Aufnahme dennoch nicht möglich. Seit
1977 ist eines der unisono spielenden Instrumente ein Vibraphon oder ein
Marimbaphon.
Das Ostinato bekommt in den Rockversionen verschiedene dynamische Schwerpunkte:
In einigen Versionen überwiegen die Akkordbrechungen, in anderen die rhythmischharmonischen Akzente. Im Zusammenklang mit dem Schlagzeug wird der Rhythmus
zunehmend komplexer.
Die Klangfarben des Stücks wechseln mit der Entwicklung der elektronischen
Instrumente; neben diesen ändert sich auch die Zusammensetzung und die Stimme des
Schlagzeugs. In den 70er und 80er Jahren verschwindet der Schellenkranz zugunsten
anderer Perkussionsinstrumente. Das Schlagzeug spielt anfangs die Viertel durch und in
Ahead of their Times sehr dezent einen 7/8-Takt. Seit der 77er Version schlägt es in den
Rockversionen einen deutlichen Siebener Takt.
Zappa versteckt vor seinen weniger aufmerksamen ZuhörerInnen gerne ungewöhnliche
159
Vgl. Aussagen Zappas über die langweiligen Arbeiten beim Komponieren in Kapitel 3.5
Eine Ausnahme bildet eine einmalige, neue, zweite Stimme in der Version von 1978, die nicht
analysiert wird.
160
Metren, indem er sie so spielen lässt, dass sie nicht besonders auffallen.161 So spielt er
vor Tausenden von Menschen sehr vertrackte Stücke, die gerade in dieser Spielweise
akzeptiert werden. Weil der Rhythmus den im Rock üblichen prägnanten Beat besitzt,
wird das Stück für Rock-Rezipienten leichter zugänglich. Für diese HörerInnen ist
außerdem nicht nur Schlagzeug, Bass, d.h. die Musik entscheidend, sondern auch das
Erlebnis eines Konzerts bzw. einer Massenveranstaltung.
Mit dem Stück bleibt Zappa immer ein Avantgardist. Er verwendet für Rockmusik eher
untypische Metren, experimentiert mit den technischen Möglichkeiten des Studios in
den Versionen von Uncle Meat, setzt über die Jahre hinweg spieltechnische Maßstäbe
auf den Rock-Bühnen und lässt es in der letzten Version von einem der angesehensten
Ensembles für Neue Musik präsentieren. Improvisationen werden dem Stück angefügt
oder integriert, die aber kaum Zusammenhänge mit dem Material des Stücks aufweisen.
Sie sind Ausdruck für die Vorliebe Zappas, Improvisationen als Spontankompositionen
zu betrachten. Die harmonische Grundlage für die modalen Improvisationen wechselt
und nur bei einigen Versionen wird das Siebener-Metrum in die Improvisation
überführt.
Zappa vermag es, ein Stück, das auf Quartenharmonik und Polyrhythmik basiert, in
unterschiedliche stilistische Zusammenhänge zu stellen. Es wirkt sowohl in
unterschiedlichen Rockinstrumentierungen, als Elektronische Musik sowie mit
traditionellen Instrumenten. Zappa führt den Beweis, dass es möglich ist, einem breiten
Publikum derartige Musik zugänglich zu machen, und ist erfreut über Anhänger seiner
Musik, die ihm schreiben, dass sie durch sie zu den Komponisten des Jahrhunderts
gefunden zu haben.
4.2 Das Stück Dupree’s Paradise
Die ersten Aufnahmen des Stücks entstehen Anfang der 70er Jahre, als Zappa eine
Reihe von Jazzrock Alben herausbringt. Zur Betrachtung des Stücks stehen lediglich
einige Seiten des Albums Boulez conducts Zappa - The Perfekt Stranger zur Verfügung
(siehe Anhang: Partitur von Dupree’s Paradise, Chamber Ensemble Score).
FISH und WATSON schreiben über die Version Dupree’s Paradise auf dem Album The
161
Vgl. Pressemitteilung Kapitel 2.4
Perfect Stranger:
Dupree’s Paradise is a composition from the Roxy era [Roxy and elsewhere,
Schallplatte von 1972; d. Verf.] which the band has performed as a jazz
burlesque (see You can’t do that on stage anymore Vol.2) The ensemble turns it
into a haunting shiny mechanism full of lingering sighs and sad transitions. 162
Das Stück wird nicht zur Zeit seiner Entstehung veröffentlicht, sondern erst 1984 in
einer bearbeiteten Version vom Ensemble Intercontemporain unter der Leitung von
PIERRE BOULEZ.
Die Analyse wird zeigen, dass Zappa für diese Version das Material verdichtet, indem er
das Taktgefüge durch Verkürzen oder Verlängern einzelner Takte unregelmäßiger
gestaltet und die Klangfarben des Ensembles vielfältiger nutzt als die der Rockband.
4.2.1 Formaler Aufbau von Dupree’s Paradise
Tabelle: Aufbau und Versionen von Dupree’s Paradise
Schallplattentitel,
Jahr der Aufnahme
und
Veröffentlichung
Track auf CD Nr. 2
Formteil
Intro
Takt 1-8
Teil A
Takt 9-21
Teil Β im 9/8 Takt
Takt 22-29
Teil C
Takt 30-46
Intro und Teil A
1. Mothers Of
Invention:
Piquantique –
Stockholm,
1973, nicht
offiziell
veröffentlicht
162
3. Mothers of
Invention:
Unmitigated
Audacity,
Notre Dame,
Indiana,
1974, nicht
offiziell
veröffentlicht
4. Boulez
conducts
Zappa:
The
Perfect
Stranger,
1984
5. Frank Zappa:
Make A Jazz
Noise Here,
1988
In allen Versionen vorhanden
Nicht
vorhanden
Improvisation
oder Zwischenspiel
Reprise
2. Frank
Zappa: You
Can’t Do
That On Stage
Anymore,
1974,
veröffentlicht
1988
Nicht
vorhanden
Nicht
vorhanden
vorhanden vorhanden
In allen Versionen vorhanden
Nicht
vorhanden
Nicht
vorhanden
Nicht
vorhanden
Intro und
Teil A
Watson, Ben: The complete guide to the music of Frank Zappa. S. 130
Introrhythmus
und Teil A, B,
und C
4.2.2 Analyse der Formteile
Das Intro
Im Intro wird viermal eine rhythmisch Phrase wiederholt, die – falls
Melodieinstrumente spielen – durch nur zwei Töne im Quartabstand einer Fanfare
ähnelt. Der Rhythmus dominiert in weiten
Takt 1: Intro: Dupree’s Paradise
Teilen aller Versionen.
Wenn die Fanfare
mehrstimmig erklingt,
dominiert die Oberstimme, und in anderen Versionen spielt nur die Rhythmusgruppe.
Die Phrase ist über einen 2/4 plus 6/8-Takt notiert, die sich zu einem 10/8-Takt
zusammenfügen. Deshalb ist dieses Stück nach LUDWIG163 ein Beleg für Zappas
stilistisches Mittel der Addition von Grundmetren164. Betont werden in der 10/8
Schreibweise das erste, dritte, fünfte, siebte, achte und zehnte Achtel, d.h. am Anfang ist
die Betonung regelmäßig und mit dem einzigen Viertel auf dem achten Achtel erfolgt
der Wandel. Das zehnte Achtel ist auch auftaktig zur nächsten Fanfare zu sehen und
somit janusköpfig.
Teil A
Der Teil A (Takt 9-21) gliedert sich in zwei nahezu gleiche Teile. Diese Teile wiederum
haben einen zweitaktigen Vorder- bzw. einen Nachsatz165 mit jeweils einem Takt
Zwischenspiel. Die ersten sieben Noten von Vorder- und Nachsatz entsprechen
einander. Der Rhythmus des Vordersatzes ist identisch mit dem der Fanfare, im
Nachsatz sind drei Achtel angehängt. Die Töne von Vorder- und Nachsatz sind der
Pentatonik auf E entnommen.166
Teil B
In den acht Takten des Teils
wird jeden Takt die gleiche
Melodie gespielt. LUDWIG unterteilt den 9/8-Takt in 4/8 + 5/8, da im 4/8 Achtel und im
163
Vgl. Ludwig, Wolfgang: Untersuchungen zum musikalischen Schaffen von Frank Zappa. S. 108
f.
164
siehe Kapitel 3.3.2 Metrik
Die Begriffe „Vorder- und Nachsatz“ dienen hier als Hilfsmittel und sind nicht als Teil einer
klassischen Periode zu verstehen.
165
5/8 Viertel bzw. Achtel mit anschließender Achtel-Pause gespielt werden.167 Die
Melodie klingt dadurch stolpernd, so als gäbe es immer ein Achtel zu viel. Zu den
Tönen des 5/8-Taktes spielt der Bass jeweils zwei Takten den Ton D und zwei Takte Es.
Der Teil B lässt sich somit in zwei identische Teile unterteilen, die eine Länge von vier
Takten haben.
Teil C
Der Teil C steht im 3/4-Takt und gleicht mit längeren Notenwerten ein wenig die
vorherige Unruhe aus. Der Taktwechsel von Teil B zu C wirkt beruhigend, da es
scheint, als würde der 3/4-Takt aus dem 9/8-Takt durch Zusammenfassung von jeweils
drei Achtelnoten hervorgehen. Die Melodie im 3/4-Takt besitzt eine abschließende
Wirkung. In der dritten Version des Stücks endet es ohne weitere Improvisation an
dieser Stelle.
4.2.3 Die einzelnen Versionen von Dupree’s Paradise
Dupree’s Paradise als früher Jazzrock
CD 2, Tracknummer 1,2 u. 3
Die Versionen des Stücks gleichen sich insofern, als dass sie dem Jazzrock zuzuordnen
sind. Die Instrumentierung weist kleine Unterschiede auf. Die Spielweise vor allem der
Rhythmusgruppe ist nicht geradlinig wie für Rock üblich und der Anteil der
Improvisationen ist sehr hoch. Der Jazzrock entstand zu der Zeit erst, doch waren sich
beide Stile nicht so fremd wie heutzutage. Jazz- und Rockbands traten auf den gleichen
Festivals auf. Relativ neu war auch die Violine im Jazz,168 d.h. es gab noch wenige
bekannte Geiger, die sich dem Jazz verschrieben hatten.
Das Intro in den Versionen besteht aus einer viermaligen Wiederholung des 5/4- bzw.
10/8-Taktes. Nur in der ersten Version wird die Phrase vom Bass mitgespielt, in den
anderen erklingen Akkorde auf der jeweils ersten Zählzeit. In den beiden 74er
Versionen wird das Intro erweitert. Vor der rhythmischen Phrase des Intros spielt
Keyboard und Vibraphon abwechselnd eine schneller werdende Folge von Noten, die
166
167
168
Siehe im Anhang: Partitur von Dupree’s Paradise, Chamber Ensemble Score.
Vgl. Ludwig, Wolfgang: Untersuchungen zum musikalischen Schaffen von Frank Zappa. S. 109
In der Version von 1973 spielt der französische Jazzgeiger Jean Luc Ponty
zum eigentlichen Tempo des Stücks hinführt. Ist das Tempo des Stücks erreicht, erklingt
die rhythmische Phrase. An das Intro schließt sich ein Takt mit einer Folge schneller
Noten vom Vibraphon an, die kontrastierend eingeschoben wird.
Im Teil A wird der 10/8-Takt beibehalten, genauer gesagt spielt die Band zwischen
Vorder- und Nachsatz einen 10/8-Takt als Zwischenspiel der Rhythmusgruppe. Die
Teile A und B werden von zwei Instrumenten Unisono gespielt, eins davon ist immer
das Vibraphon. In der 73er-Version spielt die Violine mit, in den beiden anderen das
Keyboard. Im Teil C erklingt zusätzlich ein Saxophon oder in der dritten Version eine
Trompete.
In den Versionen mit Improvisation gibt es keine Reprise. Die Improvisation wird in der
73er-Version mit H-Dur und in der 74er-(Helsinki)-Version mit jeweils zwei Takten hMoll und zwei Takten a-Moll begleitet. In der Helsinki Version schließen sich an die
Improvisation der Flöte die Improvisationen von Bass, Keyboard und Schlagzeug an.
Die Version von 73 bricht nach der Violinenimprovisation ab.
Die Improvisation in einem Jazzrock Stück ist zwingender Bestandteil des Stücks.
Deshalb muss die Improvisation bei der Betrachtung solcher Stücke mit berücksichtigt
werden. Trotz der relativ schlechten Aufnahmequalität beeindruckt die erste Version mit
der individuellen Improvisation des Geigers Jean Luc Ponty. Auch die zweite Version
bietet ungeheuer vielfältige Improvisationen und spielt die Themen mit großer
Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit. Gegen Ende einer Welttournee ist die Band
Zappas sehr gut aufeinander eingespielt, so dass die schnellsten Unisonoläufe mit großer
Exaktheit vorgetragen werden und virtuos klingen. Die dritte Version ist allenfalls ein
Dokument, denn sie bietet nichts Neues, und es gibt keine Improvisation im Anschluss.
4.2.4 Modifikation für Boulez: The Perfect Stranger, 1984
CD 2, Tracknummer 4
Das ursprüngliche Stück wurde neu arrangiert und erhielt einige Änderungen.
Die rhythmische Phrase des Intros wird wieder viermal gespielt. Die erste und dritte
Phrase endet auf dem ersten Schlag des folgenden Taktes in einem Glissando zu den
Anfangstönen der Phrase. Somit wird die Fanfare zur nächsten Instrumentengruppe
weitergereicht.
Takt 1: Intro Durpee’s Paradise auf dem Album The Perfect Stanger
Es entsteht eine Art Klangfarbenmelodie, da die gleiche rhythmisch-melodische Phrase von den einzelnen Instrumentengruppen gespielt – eine deutlich andere Klangfarbe
besitzt.
Der Teil A
Im Teil A hat sich grundlegend das Taktgefüge verändert. Statt eines durchgehenden
10/8-Takt wird der Vordersatz in 2/4 + 6/8 notiert. Zwischen den Vorder- und
Nachsätzen wird statt des 10/8 aus den bisherigen Versionen ein 4/4-Takt eingefügt.
Das Taktgefüge des Vordersatzes ergibt sich aus dem der Fanfarenphrase (2/4 + 6/8)
plus dem 4/4-Takt. Der Nachsatz besitzt statt des 6/8- einen 9/8 -akt und besteht somit
aus 2/4 + 9/8 + 4/4. Da beide Teile noch einmal wiederholt werden, ist folgendes
Taktgefüge notiert:
Taktgefüge Takt 9 – 21, Dupree’s Paradise auf dem Album The Perfect Stranger
Vorder- und Nachsatz werden nicht exakt wiederholt, denn am Ende steht statt des 4/4
die beiden Takte 2/4 und 6/8. Der Teil ist durch die Takte in Blöcke geteilt, und man
wird durch das durch die Taktwechsel dominierte Notenbild an Strawinsky erinnert.169
Der 10/8 der alten Versionen zu 4/4 mutierte Takt besitzt ein neues Zwischenspiel. Der
erste und dritte 4/4-Takt (Takt 11 und 17) erscheint als leise, erste Erwiderung des
Vordersatzes. Der zweite 4/4 (Takt 14) ist eine verkürzte Version des
Fanfarenrhythmus. Nach dem letzten Nachsatz erklingt der Fanfarenrhythmus
vollständig, gespielt von Hörnern, Tuba und Schlagwerk (CD Nr.2, Track 4 bei
6:58min)
Dieser geänderte Takt ist in den frühen Versionen lediglich ein Fill-In der
Rhythmusgruppe. Dieses Fill-In, in dem die Spieler relative Improvisationsfreiheit
besitzen, wurde für The Perfect Stranger auskomponiert. Der im Jazzrock typische,
169
Vgl. bspw.: regelmäßig wiederkehrendes Taktgefüge bestehend aus 3/16, 2/16, 3/16, 2/8 in: Igor
dominante Schlagzeugrhythmus verschwindet zugunsten eines melodiösen Rhythmus’.
Teil B
Der Teil steht wie in der Ausgangsversion durchgehend im 9/8-Takt. Die Takte 22 bis
25 sind mit den Takten 26 bis 29 identisch. Wieder wird Taktweise der Klang
weitergereicht. Betont wird jeweils das fünfte, siebte und neunte Achtel entweder durch
Holz- oder Blechbläser.
Takt 22 bis 25: Teil B Dupree’s Paradise auf dem Album The Perfect Stranger
Nach zwei Takten ändert sich der Basston und darüberliegende None von D zu Es.
Teil C
Im Teil C sind mehr Stimmen hinzugekommen, es klingt teilweise dissonanter. Durch
das blockweise Gegenüberstellen verschiedener Instrumentengruppen (Blechbläser,
Perkussion, Streicher kombiniert mit Holzbläsern) ergeben sich größere Kontraste und
dynamische Unterschiede.
Im weiteren Verlauf des Stücks leiten zwei an verschiedenen Orten postierte Klaviere
den Teil A durch das Intro ein. Sie spielen abwechselnd jeweils eine Fanfare. Der Teil A
wird sodann mit anderer Instrumentierung eine kleine Sekunde höher wiederholt. Er
endet mit der vierfachen Wiederholung des Fanfarenrhythmus, der, lauter und
drängender werdend, plötzlich abbricht.
Nun erklingt ein Zwischenspiel, das teilweise wie eine lange, auskomponierte
Improvisation für ein Ensemble und teilweise wie eine Durchführung der Themen
erscheint. Immer wieder erklingen Fragmente aus den vorangegangenen Teilen und
Strawinsky: The Rite of Spring, darin: Sacrificial Dance
werden unterschiedlich beleuchtet. Vor allem der Rhythmus des Intros ist oft zu hören.
In der Mitte (bei 3:25min) ist eine atonale Klaviertonfolge im Achtelrhythmus mit einer
Begleitung von Bassinstrumenten zu hören, die LUDWIG als ein Beispiel der
Kontrastbildung anführt. 170 Violoncelli, Kontrabass, Posaunen, Tuba, Bassklarinette
und Kontrafagott spielen zu den Klavieren in ihren tiefsten Lagen Haltetöne, die
langsam in Bewegung geraten und dadurch mehr in Erscheinung treten. Die Klaviere
spielen zunächst die gleichen Töne und nach acht Takten im Abstand einer Oktave. Da
die Stelle ansonsten spärlich Instrumentiert ist, kommt der Kontrast stärker zum
Ausdruck.
Verschiedene Geräusche (z. B. ein Peitschenknall) erweitern das Klangspektrum.
Unvermittelt setzt die Reprise ein.
Reprise
Das Intro ist in jedem Takt anders instrumentiert. Den ersten spielen Klaviere und
Perkussion, den zweiten Holzbläser, den dritten wieder Klaviere und Perkussion und
den vierten die Blechbläser.
Neu in der Reprise ist der Überleitungstakt (gespielt von dem Marimbaphon) zwischen
Intro und Teil A, der schon in den früheren Versionen erklang. Auch wird nicht mehr
ein 4/4-Takt im A-Teil eingeschoben, sondern ein kompletter Introrhythmus, gespielt
von Klarinetten in hoher Lage. Wie in den früheren Versionen findet also kein
Taktwechsel an dieser Stelle statt. Der Nachsatz ist jedoch wie in Teil A im Gegensatz
zu früheren Versionen verlängert. Nach dem A-Teil endet die Reprise nach einem
Schlussteil mit Blechbläsern, Klarinetten, und Klangstäben in einem dissonanten
Akkord.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Version ist kaum mit den vorherigen zu
vergleichen ist. Natürlich sind die Themen noch genauso herauszuhören, doch weisen
sie zahlreiche kleine Veränderungen auf. Zum einen gibt es eine Art
Klangfarbenmelodie im Intro. Das Stück ist voll von Wiederholungen, doch sind in
dieser Version aufeinanderfolgende Takte mit gleichen Phrasen nie gleich orchestriert.
Ebenso differieren die Wiederholungen ganzer Teile und die Reprise. Zappa hätte auch
mit den Bands, die die anderen Versionen gespielt haben, die Möglichkeit gehabt,
170
f.
Vgl. Ludwig, Wolfgang: Untersuchungen zum musikalischen Schaffen von Frank Zappa. S. 167
sowie die Partitur im Anhang
Klangfarben zu wechseln, ohne auf sein beliebtes Unisono-Spiel zu verzichten. Statt
dessen kombiniert Zappa erst für die Perfect Stanger Version verschiedene Klangfarben
in den zahlreichen
Wiederholungen, vor allem in der Reprise, und verleiht ihnen immer wieder einen
anderen Charakter.
Des weiteren ist das Taktgefüge komplexer geworden. Zum Teil handelt es sich um die
von LUDWIG beschriebene Addition von Grundmetren, doch andere Takte hat Zappa für
diese Version verkürzt (Takt 11) oder verlängert (Takt 13). In den früheren Versionen
können den Teilen A, B, und C noch bestimmten Metren zugeordnet werden (10/8, 9/8
und 3/4), doch nun ist das Bild uneinheitlicher geworden. Das lange Zwischenspiel
entstammt nicht mehr der Inspiration der Musiker, sondern der Zappas. Leider ist ohne
Noten nicht nachvollziehbar, ob und wie viel die Musiker des Ensemble
Intercontemporain aufgefordert waren, selber zu improvisieren. Derartiges verlangt er in
anderen Stücken von den Orchestermusikern.
Der Takt zwischen Intro und Teil A, die schnelle Tonfolge der Perkussion aus den
ersten Versionen, erscheint nicht im ersten Durchgang, sondern erst in der Reprise, wo
er jedoch nicht so präzise klingt, wie in den anderen Versionen. Gleichfalls wie in
früheren Versionen ändert sich das Taktgefüge zwischen Vorder- und Nachsatz nicht.
Zappas Vorliebe für die Perkussion kommt durch drei Perkussionisten zum Tragen.
Eine weitere Besonderheit sind die an verschiedenen Orten postierte Klaviere. Er hat
dem Ensemble jedoch keine Rockinstrumente hinzugefügt.
Das Stück klingt durch seine gerade Phrasierung nicht wie Jazz, d.h. eine Spielweise
wie im Jazz mit z.B. vorgezogenen oder triolisch gespielten Noten, die kaum exakt zu
notieren sind, sah Zappa nicht vor. Trotzdem wirkt das Stück wegen Rhythmisierung
und Bläserdominanz ein wenig amerikanisch.
Frank Zappa: Make A Jazz Noise Here, 1988
CD 2, Tracknummer 5
Der Klangcharakter der Band ist ähnlich dem der 88er Version von Pound for a Brown.
Die kleine „Rock-Big-Band“ spielt rasante Bläserunisonos und die Version wegen der
Instrumentierung, der Phrasierung und der Akzentuierung dem Jazzrock zuzuordnen.
Das Arrangement gleicht eher dem aus den 70er Jahren, besitzt jedoch auch Elemente
der von BOULEZ dirigierten Version.
Von Keyboards werden im Intro taktweise verschiedene Klangfarben gespielt. Ein
Keyboardklang gleicht einer Trompete, obwohl diese zur Verfügung steht. Im Teil A
wird die Verlängerung des Taktes im Nachsatz übernommen. Jedoch wird nicht um drei
Achtel sondern um ein Viertel verlängert. Die Takte zwischen Vorder- und Nachsatz
stehen wie in den ersten Versionen im 10/8-Takt und werden von Schlagzeug und Bass
gefüllt, letzterer spielt eine Überleitung.
Glockenspiel und Keyboard spielen Teil B und Teil C erklingt vielstimmig von den
Bläsern. Es schließt wieder das Intro und Teil A an, identisch wie vorher gespielt. Die
Überleitung zu den Soli besteht aus dem Introrhythmus, über den je vier Takte ein
Akkord geblasen wird.
Die erste Improvisation wird von einem Bassostinato begleitet, das der Phrase des CTeils gleicht. Es steht im 9/8-Takt und wird vom Keyboard begleitet. Das Ostinato wird
nach vier Takten jeweils für vier Takte einen Ganzton tiefer gespielt.
Das Trompetensolo macht einen Abschluss und kurz darauf bricht der Rhythmus ab.
Die Posaune spielt nun längere Töne, begleitet von Klängen des Synclaviers. Als
nächstes folgt eine an den Free Jazz der 70er erinnernde Improvisation von Schlagzeug
Posaune, Keyboard und Bass. Die Posaune wird vom Tenorsaxophon abgelöst, bis eine
Phrase im 9/4 erklingt, die ein Überbleibsel aus dem vorherigen Stück Star Wars Won’t
Work darstellt.
Die gleiche Überleitung, bestehend aus dem Introrhythmus, die vorher zur
Improvisation übergeleitet hat, leitet nun wieder in die Reprise über. In dieser erklingen
identisch zum Anfang die Teile A, B und C. Am Ende von C schließt nahtlos das
nächste Stück an.
Mit dem vollen, mächtigen Sound einer kleinen Bigband Besetzung und den z.T.
wilden, impulsiven Improvisationen bietet die Version neuen Jazzrock. Aus der 84er
Version wird die Reprise und die Veränderung einiger Takte und das Klangfarbenspiel
des Intros übernommen. Der Mittelteil mit experimentellen Klängen am Synclavier
besitzt keinen Zusammenhang zum Thema und die Momente des schnellen Freejazz
haben nur den Oberbegriff Jazz gemeinsam. Auch in anderen Stücken der 88er Tournee
greift Zappa die Möglichkeit der freien Improvisation verschiedener Bandmitglieder auf,
wie er sie in den ersten Versionen von Pound for a Brown verwendet hat. In
Konzertvideos ist zu sehen, dass er diese Improvisationen gerne dirigierte.
4.2.5 Zusammenfassung
Das Stück existiert in zwei, unterschiedlichen Stilen zuzuordnenden Versionen. Was als
Jazzburleske begann, wurde durch umfangreiches Arrangieren zu einem Stück Neuer
Musik amerikanischen Einschlags. Die Version Make a Jazz Noise here, die eher dem
Jazzidiom zugeordnet werden kann, verzeichnet gegenüber der Urversion einige
Veränderungen im Taktgefüge und im Klangfarbenspiel, d.h. einige Veränderungen der
Perfect Stranger Version werden übernommen. Die intensive Auseinandersetzung mit
dem musikalischem Material des Stücks und das Auskomponieren von Überleitungen
und Füll-Takten hat erheblichen Einfluss auf die letzte Version (Make a Jazz Noise
here). Andererseits wurde in Make a Jazz Noise here die Reprise nicht mehr wie bei
Boulez verändert. Es handelt sich lediglich um eine Wiederholung der ersten Teile.
Da sich die Arrangements deutlich unterscheiden, kann man nicht wie bei Pound for a
Brown davon sprechen, dass das gleiche Stück durch differierende Instrumentierung und
Phrasierung unterschiedlichen Stilen zugeordnet werden kann. Es handelt sich eher um
das Verwenden gleichen Materials in unterschiedlichen Arrangements. Die
Improvisationen in den Jazzrock - Versionen haben mit der motivischen Arbeit im
Mittelteil der Perfect Stranger Version allenfalls gemeinsam, dass rhythmische
Elemente unterlegt oder verarbeitet werden. Melodische Motive erscheinen in den
Jazzimprovisationen nicht wieder. Die Art der Verarbeitung dieser Motive, der
klangliche Eindruck und die Struktur ist in den Versionen extrem divergent.
4.3 Das Stück Strictly Genteel
Strictly Genteel bietet die Möglichkeit, Zappas Spiel mit verschiedenen
Instrumentierungen und die Kombination von Orchester- und Rockinstrumenten zu
verfolgen, um in den einzelnen Versionen unterschiedliche klangliche Effekte zu
erzielen.
Tabelle: Die Versionen von Strictly Genteel:
Track
auf CD
Nr.2
6
Band
Schallplattentitel
Mothers of
Invention
7
Tatsächliche
Veröffentlichung171
200 Motels
Jahr der
Aufnahm
e
1971
Frank Zappa
Orchestral Favorites
1975
1979
8
Frank Zappa
You can’t do that on Stage anymore 1981
VI
1991
9
Frank Zappa
London Symphony Orchestra Vol. II 1983
1987
10
Frank Zappa
Make a Jazz Noise Here
1988
1991
11
Frank Zappa
Scherade Part 2 – Dortmund
1988
nicht offiziell
veröffentlicht
1971
Strictly Genteel wird anhand der ersten Version beschrieben. Im Anhang ist in einer
Tabelle die Instrumentierung der einzelnen Strophen und Liedzeilen verzeichnet
(Tabelle: Gliederung und Instrumentierung von Strictly Genteel).
4.3.1 Musikalische Persiflage: 200 Motels
CD 2, Tracknummer 6
Das Stück Strictly Genteel leitet den Schluss des Films 200 Motels ein (siehe Kapitel
2.5). WATSON schreibt:
At the conclusion, ‘Strictly Genteel’ tells the audience to ‘reach out your hand to
the girl in the dog book’; ‘have mercy on... the dykes and the weird little children
they grow’; ‘help everybody/so they all get some action/some love on the
weekend/some real satisfaction’.172
Er beschreibt damit in Kurzform den Inhalt des Titels. Der Sprecher, der die
einleitenden Worte spricht, wendet sich einige Male pikiert von der Szenerie ab, weil er
171
Tonträger, hinter denen offiziell veröffentlicht oder nicht offiziell veröffentlicht steht, waren bzw.
sind keine autorisierten Versionen, waren bzw. sind also nicht im Handel erhältlich.
172
Watson, Ben: The complete guide to the music of Frank Zappa. S. 45
glaubt, nicht beobachtet zu werden und singt davon, dass Gott Erbarmen mit dem
Schicksal des Films haben möge (siehe Text im Anhang). Währenddessen tanzen bunt
geschminkte Schauspieler und Chormitglieder auf der Bühne vor dem Orchester herum.
Die Szene gleicht dem Ausklang einer Fernsehsendung oder einem Musical, wenn alle
Beteiligten auf der Bühne noch einmal zusammenkommen. Die Bilder wechseln in
Überblendtechnik zwischen den Stürzen der Posaunen und den Personen auf der Bühne.
Ein Cellist wird öfter eingeblendet, der aus Angst um sein Instrument dieses mit einem
Filztuch abgedeckt hat. Die Szene ist voller Klischees, die persifliert werden sollen.
Desgleichen bedient sich die Musik verschiedener Klischees. Koloraturen lösen sich mit
absichtlich unreinem, hässlichem Gesang ab. Eine Sopranistin wird von Cembalo und
Streichern begleitet, den Barock Stil imitierend. Beatle Ringo Starr, der als Schauspieler
in dem Film mitwirkt, produziert blubbernde Geräusche, indem er in eine rauchende
Wunderlampe aus 1001 Nacht bläst. Schmetternde Blechbläser und Tenöre kündigen
bombastisch das Ende des Films an. Im Gegensatz dazu ist das Stück mit einigen
dissonanten Stellen und schnellen atonalen Läufen gespickt.
Passagen mit rein klassischen Instrumenten lösen sich ab mit anderen, in denen
Rockinstrumente dominieren. An anderen Stellen werden beide Instrumentengruppen
kombiniert (siehe im Anhang: Gliederung und Instrumentierung von Strictly Genteel).
Das Stück steht im 3/4-Takt - eventuell ebenfalls ein Klischee für festliche
Walzermusik. Es ist folgendermaßen aufgebaut: Die achttaktige Phrase des Anfangs
wird variierend wiederholt und erhält je nach SängerIn ein anderes Arrangement.
Zwischen den Phrasen stehen kurze überleitende Zwischenspiele, die eine Länge
zwischen zwei und vier Takten haben. Manchmal sind sie mit Perkussion und
Geräuschen gefüllt.
Das harmonische Schema einer Phrase sind meist die Dur-Akkorde D, A, E, Fis, D, G
und A oder D A G A, während in den Zwischenspielen oft E-Dur erklingt. Die
Akkordverbindungen sind relativ einfach, es gibt einige Dominant-TonikaVerbindungen, die Zappa nach eigener Aussage immer parodistisch einsetzt173. Der
Ausklang erfolgt über eine typische Rockbegleitung: D-Dur, A-Dur und zweimal EDur.174
173
siehe Kapitel 3.3.4
Bob Dylan hat die Begleitung mit dem Titel Knocking on Heavens Door (1972) und die Beatles
mit With a little Help from my Friends (1967) - jeweils moduliert - sehr bekannt gemacht.
174
Die Ursprungsversion des Films ist voll klanglicher Wechsel; Zappa kombiniert in einer
Phrase Cembalo und Streicher mit einer zarten Sopranstimme und in anderen Stellen
absichtlich hässlich oder einfach klingende Stimmen mit Orchesterinstrumenten,
Schlagzeug, Keyboard und E-Bass. Die festliche Stimmung zum Ausklang wird durch
kräftige Blechbläserpartien unterstützt.
Die Instrumentation entspricht dem von Zappa in den 60er Jahren entworfenen Ideal für
ein modernes Orchester175.
4.3.2 Orchestraler Rock: Orchestral Favorites
CD 2, Tracknummer 7
Leider ist dem Beiheft zur CD Name und Orchestrierung des Orchesters nicht zu
entnehmen. Lediglich der Dirigent, Michael Zearott, sowie die Rhythmus Sektion
bestehend aus Gitarre, Bass, Schlagzeug und Perkussion sind vermerkt. Neu in dieser
Version ist das Klavierintro, dessen Spielweise an einen Western-Salon erinnert. Ebenso
kann man die Mundharmonika mit dem Filmklischee eines Western assoziieren.
Die Instrumente der Rockmusik stehen in der Version sehr im Vordergrund. Diesen
Instrumenten wurden Blechbläser, Piccoloflöte und an vereinzelten Stellen Holzbläser
hinzugefügt. Der Instrumentalteil nach „Honey, how do it feel?“ wird in dieser und den
folgenden Versionen ausgeweitet und erhielt neben den Bläserfanfaren einen
aufwendigen Schlagzeugpart. Die Gesangsstimmen werden von Synthesizern und
Bläsern übernommen.
Die Version hat durch fehlenden Text und Gesang viel von ihrer Ironie eingebüßt. Doch
immer noch wirkt sie wie eine Filmmusik oder Teil eines Musicals.
4.3.3 You can’t do that on Stage anymore VI, 1981
CD 2, Tracknummer 8
In der Besetzung dieser Live-Version fehlen die Bläser. In den Passagen, die vorher von
strahlenden Trompeten dominiert werden, stehen die Synthesizer im Vordergrund.
Dadurch unterscheidet sich die Version sehr von den anderen. Zappa hat sich bemüht,
die unterschiedlichen Orchestrierungen der Strophen mit verschiedenen Klängen der
Synthesizer, Gitarren und der Perkussion wiederzugeben.
Die Beurteilung der Version wird zur Geschmacksfrage über den Sound der Synthesizer.
Dieses Instrument ist wie kaum ein anderes dem Wandel der Zeit unterworfen, da sehr
schnell dem Synthesizer immer mehr Sounds zur Verfügung standen. Die Sounds dieser
Version sind eindeutig den 80er Jahren zuzuordnen und klingen künstlich. Im Gegensatz
dazu gibt es Stellen, z.B. eine, die vorher vom Sopran gesungen wurde („And every
poor soul who's adrift in the storm“, siehe im Anhang Tabelle: Gliederung und
Instrumentierung von Strictly Genteel), die mit unverzerrter E-Gitarre und E-Bass
gespielt werden. Die Version spiegelt Zappas Vorliebe Anfang der 80er Jahre wieder,
Blasinstrumente durch Synthesizer zu ersetzen und die sonstige Vielfalt des Geräts
auszunutzen. Andererseits kann der Grund dafür auch in den Kosten liegen, auf
Konzerttourneen neben der sechs- bis neunköpfigen Band in den Jahren 1979 bis ’84
noch Bläser zu bezahlen.
4.3.4 Strictly Genteel goes Classic: London Symphony Orchestra Vol.
II
CD 2, Tracknummer 9
Die Aufnahme dieser Version gab Zappa den Anlass, sich über das „menschliche
Element“ in Symphonieorchestern zu ärgern, da die Blechbläser bei den
Aufnahmearbeiten zu spät aus der Pause zurück kamen, weil sie in einem Pub Bier
getrunken hatten. Dementsprechend verkürzte sich die Zeit für die Aufnahme, außerdem
spielten die Bläser unsauber. Das Stück musste nach Angaben Zappas 50 mal
geschnitten werden und klingt z.T. trotzdem noch fehlerhaft.176
Dem Orchester sind ein Schlagzeuger und ein Perkussionist beigefügt. Letzterer dringt
mit einem Glockenspiel häufig in den Vordergrund. Dies ist ein Beweis dafür, dass
Zappa „mikrophonisch“ dachte, denn ohne Verstärkung würde ein Glockenspiel vom
Orchester überdeckt werden177. Des weiteren spielt er Kastagnetten, die keineswegs an
die ursprünglich spanische Spielweise erinnern sollen, sondern genau dies parodieren
sollen. Auch in dieser Version werden einige Geräusche verwendet, die für Zappas
Ästhetik, Geräusche als Teil der Musik wahrzunehmen, sprechen.178
Das Tempo ist gemäßigter. Der Charakter des Stückes ist erhabener, u.a. weil das
Klavierintro weggefallen ist. Da lediglich das Schlagzeug vertreten ist, wirkt die
Version weniger wie ein Rockkonglomerat mit klassischen Instrumenten, sondern mehr
175
176
177
siehe Kapitel 2.5
vgl. Beiheft zur CD Frank Zappa: London Symphony Orchestra Vol. I & II
vgl. So formulierte es auch David Rezeen, siehe Kapitel 2.9.
wie die z.T. schauerlichen Alben Rock goes Classic oder beispielsweise London
Symphony Orchestra plays Jethro Tull. Bezeichnenderweise handelt es sich hierbei um
genau das Orchester, das sehr oft klassische Versionen von Rockstücken eingespielt hat.
Das Schlagzeug hat einen in der Rockmusik untypischen Hall erhalten und avanciert
scheinbar zu einem Instrument des Orchesters. Diese Version ist zu einer Weder-NochVersion geworden, das heißt, dass sie im negativen Sinne weder dem Rock noch der
Klassischen Musik zugeordnet werden kann, da sie weder die Intensität und das Gefühl
der Rockmusik transportiert, noch als klassische Musik mit einem dominanten,
hallenden Rockschlagzeug als klassische Musik genossen werden kann.
Das Stücks klingt so seriös, dass die Ironie nicht verstanden wird und es fast jeden Witz
verloren hat. Als neuer humoristischer Aspekt sind die Arpeggien von Harfe und
Glockenspiel am Anfang einzuordnen. Häufig werden von Trompeten und Posaunen
übermäßige Glissandi verlangt, doch klingen diese eher halbherzig und unsauber, als
wie eine gewollte Spielanweisung. In der Version Make a Jazz Noise here kann man
hören, wie diese Glissandi gemeint waren. Es scheint, als trauten sich die Musiker des
London Symphony Orchestra nicht, wirklich übermäßige Glissandi zu spielen. Hinzu
kommt, dass die Bläser an anderen Stellen, an denen es nicht verlangt ist, unsauber
spielen.
4.3.5 Make a Jazz Noise here und Scherade Part 2 - Dortmund, 1988
CD 2, Tracknummer 10 &11
Beide Versionen sind sehr ähnlich, die zweite ist nur der Vollständigkeit halber
aufgeführt. Vielfach werden Bläser eingesetzt, um in unterschiedlichen Kombinationen
die Klangfarben zu variieren. In jedem Abschnitt bekommt ein anderer Bläser die
Solostimme. Somit gleicht das Arrangement den anderen Stücken der 88er Band.
Der Sound des Keyboard fügt sich gut in den Gesamtklang. Im Vergleich zur Version
des London Symphony Orchestra hat das Tempo etwas angezogen, das Stück klingt
rasanter, hektischer und kräftiger. Die Klangfarben der Saxophone geben dem Stück
einen eigenen Charakter.
4.3.6 Zusammenfassung
Strictly Genteel ist für den Ausklang den Film 200 Motels geschrieben und in allen
178
vgl. Zwischenspiel bei 2:28min mit Hupe
Versionen behält es den Schlusscharakter bei. Anfangs stand die Persiflage und das
Vermischen verschiedener Stile im Vordergrund. In allen anderen Versionen fallen
jeweils bestimmte stilprägende Instrumentengruppen weg. In der ursprünglichen
Version (200 Motels) werden verschiedene stilistische Stereotypen auch in Kombination
persiflierend eingesetzt. Die weiteren Versionen kombinieren diese Elemente nicht mehr
derart, dass typische Rockinstrumentierungen sich mit Orchesterklängen ablösen,
sondern das ganze Stück wird entweder von einer Rockband mit Bläsern oder
Synthesizern oder von einem klassischen Orchester interpretiert. Grundsätzlich bleibt
das strophenweise Verwenden verschiedener Klangfarben durch Orchester und
Rockband.
Der musikalische Humor verliert sich nicht allein aufgrund des Wegfallens des Textes,
sondern auch, weil das Arrangement nicht mehr wie in der Filmversion voller Klischees
steckt. Zudem kann das London Symphony Orchestra in seiner akademischen
Spielweise den Humor kaum transportieren. Zappa gab dem Stück in seinen späteren
Arrangements einen ernsthafteren Gestus, weil das musikalische Material zumindest in
den Versionen der Rockbands ohne derart zu parodieren überzeugt.
5 Schlussbetrachtung
In Zappas Werken mischen sich scheinbar beliebig disparate Musikgenres. Dieser Hang
zu Vermengung hat seinen Ursprung z. T. schon in Zappas Jugend, in der er sich
einerseits von der Musik Varèses, Strawinskys und Weberns, andererseits aber von der
emotionalen Intensität, die im schwarzen Rhythm & Blues zum Ausdruck kommt,
beeindruckt zeigt. Da er für diese Musikrichtungen gleiches Interesse aufbringt und
zwischen ihnen keine qualitativen Abstufungen vornimmt, komponiert bzw. arrangiert
er, indem er scheinbar gegensätzliche stilistische Elemente aufgreift. Zappas Ästhetik
hat Bezug zu Komponisten, wie Strawinsky und Varèse, die weitgehend frei von
tradierten Regeln der Satzlehre und innovativ in ihrer Zeit komponierten.
In Musik und Bühnenshows begibt sich Zappa durch die Verwendung rockmusikuntypischer Elemente, Schockästhetik und durch Texte, die anstoßen bzw. kritisieren in
eine Außenseiterrolle. Er nutzt die Rockband für seine Kompositionen, um sich vor
einem breiteren Publikum Gehör zu verschaffen. Bspw. findet das Stück Pound for a
Brown Anklang, obwohl es mit dem Metrum und der Quartenharmonik abseits der
gewohnten Stilelemente der Rockmusik liegt, aber durch die
Rockmusikinstrumentierung den Geschmack mehrerer Rezipienten trifft. Allerdings
schreibt Zappa nicht für seine HörerInnen, sondern befindet sich in der glücklichen
Lage, an diese keine Zugeständnisse hinsichtlich seiner Kompositionen machen zu
müssen.
Für seine musikalischen Experimente nutzt Zappa im Studio und auf der Bühne alle
verfügbaren technischen Geräte, um neue Klänge zu erzeugen oder zu verfälschen.
Deshalb scheint für ihn das Synclavier wie geschaffen, da sich mit diesem Instrument
das zur Verfügung stehende Klangspektrum nahezu grenzenlos ausdehnt.
Ab Anfang der 80er Jahre widmet Zappa sich neben der Rockmusik Projekten, in denen
er sich um die Einspielung seiner Orchesterwerke bemüht, wobei er betont, dass seine
Kompositionen in dieser Richtung nicht als Ernste Musik verstanden werden sollen. Für
das London Symphony Orchestra unter der Leitung von Kent Nagano arrangiert er das
Stück Strictly Genteel, das einer Rock goes Classic-Fassung in ihren negativen
Auswüchsen ähnelt, da das Orchester die Intensität der musikalischen Persiflage und die
Ästhetik Zappas nur begrenzt transportieren kann.
Ein Jahr später dirigiert Pierre Boulez Zappas Dupree’s Paradise. Hat Zappa zuvor ein
Stück für Rockband umarrangiert, das er ursprünglich für Streichquartett schrieb, so
greift er hier eine für ihn typische Jazzrock-Burleske auf, um es für ein Ensemble
umzuarbeiten. Einige der Ideen dieses „Umkomponierens“ erscheinen in späteren
Fassungen dieses Stücks wieder.
In den folgenden Jahren greifen viele Orchester und Ensembles seine Stücke auf.
Schließlich tritt das Ensemble Modern an Zappa heran, um seine Stücke zu adaptieren.
Vielleicht aus der Tradition heraus, mit allen Bands das Stück Pound for a
Brown gespielt zu haben, arrangiert Zappa das Stück neu. Ergebnis ist ein und dasselbe
Stück, allerdings mit völlig neuem Charakter.
An den analysierten Musikbeispielen wird deutlich, dass Zappa mit seiner Musik, sowie
mit den verschiedenen Fassungen seiner Werke, stilistische Grenzen zwischen Rock,
Jazz und Neuer Musik überwunden hat.
6 Literatur
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München, 1980
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York, 1997
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Interview in der Los Angeles Times, 1.Oktober 1992
http://www.wins.uva.nl/~robbert/zappa/interviews/LA_Times.html
(Internetzugang:
8.12.1999)
Klier, Robert: Conceptional Continuity – Entwicklungen und Besonderheiten der Musik
Frank Zappas, Examensarbeit, Kassel, 1990
Lohner, Henning: Frank Zappa - Peefeeyatko. Fernsehfilm, Produziert von Henning
Lohner, Peter Lohner und Frank Zappa, 1991.
Ludwig, Wolfgang: Untersuchungen zum musikalischen Schaffen von Frank Zappa.
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Marschall, Bob: Interview mit Frank Zappa am 22.10.1988, Internetadresse:
http://www.wins.uva.nl/~robbert/zappa/interviews/Bob_Marshall/index.html
(Internetzugang:
8.12.1999)
Menn, Don/Groening, Matt: The Mother of All Interviews: Part 1 & 2 1992
http://www.catalog.com/mrm/zappa/html/zarticles.html
(Internetzugang: 5.12.1999)
Miles (Hrsg.): Frank Zappa - In eigenen Worten. Heidelberg: Palmyra, 1996
MUSIK-EXPRESS, Sounds-Verlag Hamburg, April 1980
Radiosendung: Klassik Zappa - Eine Collage von Michael Rüsenberg und Hans Ulrich
Werner, WDR Studio für Klangdesign
Rebell, Volker: Frank Zappa, Freak – Genius mit Frack – Habitus. In: Rock Session I,
Magazin der populären Musik, hrsg. von Gülden/Humann, Hamburg 1977
Ruhlmann, William: Frank Zappa: The present day composer. In: The Frank Zappa
Companion: Four decades of commentary. Edited by Richard Konstelanetz,
Schirmer Books, New York, 1997
Scherliess, Volker: Igor Strawinsky und seine Zeit, Laaber-Verlag, 1983
Sheff, David: Playboy Interview (1993). In: The Frank Zappa companion: Fourdecades
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Slonimsky, Nicolas: I enter the age of absurdity (1988). In The Frank Zappa companion
: Four decades of commentary. Edited by Richard Konstelanetz, Schirmer Books,
New York, 1997
Suer, Klaus: Konzeptionelles Denken in der Musik von Frank Zappa, Magisterarbeit,
vorgelegt von Klaus Suer, Osnabrück, 1993
Walley, David: No Commercial Potential. The Saga of Frank Zappa & the Mothers of
Invention. Outerbridge & Lazard, New York 1972
Watson, Ben: Frank Zappa as Dadaist: Recording Technology and the Power to Repeat
(1996), In: Zappa, Frank/Occhigrosso, Peter: The Real Frank Zappa Book. Pan
Books London 1989 (Titel der deutschen Ausgabe: I am the American dream. Aus
dem Amerikanischen von Thomas Ziegler. Goldmann, München 1991
Watson, Ben: The complete guide to the music of Frank Zappa. London, Omnibus, 1998
Varèse, Edgard: Die Befreiung des Klangs. In: Danuser, Hermann: Kämper Dietrich und
Terse Paul (Hrsg.): Amerikanische Musik seit Charles Ives - Interpretationen
Quellentexte Komponistenmonographien, Laaber Verlag, 1987
7 Anhang mit Anhangverzeichnis
Seite
- Partitur von Pound for a Brown des Ensemble Modern (Frankfurt/M)
A1
- Ostinato im Mittelteil von Pound for a Brown auf dem Album Uncle Meat;
A 17
CD Nr.1, Track Nr. 4
- Partitur von Dupree’s Paradise, Chamber Ensemble Score, Takte 1-33,
A 18
sowie Takte 151-182
- Tabelle: Gliederung und Instrumentierung von Strictly Genteel
A 23
Gliederung und Instrumentierung von Strictly Genteel
Version
Gliedrung/Text
Instrumentierung:
Bemerkungen:
Intro
Lord have mercy on the people in
England
For the terrible food this people
must eat
(Aaa... excuse me)
And may the Lord have mercy on
the fate of this movie
And God bless the mind of the man
in th stret
Zwischenspiel
200 Motels
Orchestral Favorites
YCDTOSA81
Symphonieorchester mit Blechbläser, Flöten,
Schlagzeug, Perkussion, Schlagzeug, Perkussion, EE-Bass, Klavier
Bass, Klavier
2 Keyboarder, 2 EGitarristen,
Schlagzeug,
Perkussion, E-Bass,
Einzige Version mit
Gesang des Textes
Streicher, Klavier
Bassstimme, Streicher,
Klavier
Schlagzeug und EBass durchgehend
Keyboards
Keyboard mit EKlavier Begleitung
Schlagzeug durchgehend
Klavier
Klavier spielt
improvisierende Einwürfe,
Schlagzeug, Keyboards
Zwischenspiel:
Posaunen
London Symphony
Orchestra
Streicher, 6 Perkuss. 6
Tromp. 8 Hörn. 5 Pos.
Tuba, 5 Flöt. 4 Oboen,
5Klar. 4 Fag.,Harfe1
Schlagzg. Keyb.
(Celest.piano)
Schlagzeug durchgehend
Make a Jazz Noise Here
Tromp. Posaune, Alt-,
Tenor-, Baritonsaxophon,
E-Bass, 2 E-Gitarren
2Keyboards, Perkussion,
Schlagzeug
Schlagzeug und E-Bass
durchgehend
Klavier
Baritonsaxophon
Klavier, Streicher
Tiefe Bläser mit
Harfenarpeggien
Klavier
Posaune, E-Bass,
Tiefe Bläser mit
Glockenbspiel-arpeggien leise:Saxophon, Keyboard
Klavier
Chor kommt hinzu
Bläser, Streicher,
Schlagzeug
Help all the rednecks and the
Knabenstimme,
flatfoot policemen
Schlagzeug Streicher,
Through the terrible functions they Blechbläser
all must perform
God help the winos, the junkies
Quäkige Männerstimme
and the weirdos
Kurze Überleitung zur nächsten,
Koloratur mit atonalen
Klängen
leisen Zeile
leise: tiefe Bläser,
Streicher, Piccolo-flöte
Blechbläser
Posaunen Trompeten
Trompeten und Keyboards, Keyboards und
Klaviereinwürfe
Vibraphon
Trompeten, Perkussion
Trompeten, Keyboards
Holzbläser mit
Trompeten-begleitung
Alle Bläser, Vibraphon, EBass
Flöten, Perkussion
Holzbläser, zwei
Perkussionisten
Trompete, Keyboard
Gitarre, Keyboard
und Vibraphon
unisono
And every poor soul who's adrift in Sopranistin
the storm
Flöten, Trompeten unisono, Gitarre, Keyboard
Keyboard zweite Stimme
und Vibraphon
unisono
Keyboard und
Vibraphon unisono
Blechbläser, E-Bass
Verzerrte E-gitarre
improvisiert
und Keyboard
Streicher, Harfe
Zwei Saxophone
Flöten
Marimba, Keyboard
Blechbläser
Trompete, Posaune
Sopranistin, Chor,
Cembalo, Streicher
Mundharmonika,
Klare E-Gitarre mit
Keyboard Begleitung
Holzbläser (Fagott)
Klare E-Gitarre und
Saxophon mit Keyboard
Begleitung
Schlagzeug Fill-in
Perkussionsgeräusche mit
Hupe
Trompete gleichberechtigt
neben Piccoloflöte und
anderen Klängen vom
Keyboard
Perkussion, EGitarren Geräusche
Keyboards,
Vibraphon
Perkussionsgeräusche
mit Hupe
Blechbläser unisono mit
Steichern
Perkussion, Hupe, Rufe
Alle SängerInnen
Dominante Blechbläser mit
Piccoloflöte vom Keyboard
Keyboards, verzerrte
E-Gitarre
Volles Orchester
Mark und Howard
Mundharmonika
Klare E-Gitarre mit
Keyboard Begleitung
Klarinetten begleitet von Saxophon mit
Fagotts, Perkussion
Saxophonbegleitung
Alle Instrumente
Volles Orchester,
Kastagnetten,
Trompeten unisono mit
Überleitung
Keyboard
Help everybody so they all get
some action
Some love on the weekend
Some real satisfaction
A room and a meal
And a garbage disposal
A lawn and a hose'll
Be strictly genteel
Überleitung
Männerstimme, Voller
Orchesterklang,
Schlagzeug
Reach out your hand
To the girl in the dog book
The girl in the pig book
And the one with the horse
Make sure they keep
All those businessmen happy
And the purple-lipped censors
And the Germans of course
Help everybody so they all get
some action
Some love on the weekend
Some real satisfaction
A sweedish apparatus
With a hood and a bludgeon
With a microwave oven
"Honey, how do it feel?"
Längerer Instrumentalteil
Außer bei 200 Motels ausgedehnt
und mit notiertem Schlagzeug Solo
Mark und Howard
(Männerstimmen)
Schlagzeug, E-Bass,
Klavier, Keyboard
Tenöre unisono mit
Mundharmonikasolo,
Vibraphon und Bläsern, Blechbläser, Perkussion
Posaunen begleiten
Dominantes Keyboard,
Bläserbegleitung
(Saxophon zweite Stimme)
Trompeten in hoher
Lage
Klangstäbe, Trompetein
hohen Lagen
Alle
Lord have mercy on the hippies
and faggots
And the dykes
And the weird little children they
grow
Atonales Zwischenspiel
Help the black man
Help the poor man
Help the milk man
Help the door man
Help the lonely
Neglected old farts that I know
Schlussakkorde:
Soloklarinette
Mark und Howard,
Klavier, Streicher; EBass
Cembalo, Bläser,
Klavier
Mark und Howard,
Perkussion, Klavier,
Streicher, Schlagzeug,
Glockenspiel
Posaunen, Hörner
Streicher
Bläser und Vibraphon
Mundhamonika
Stark veränderte
Stimme, die den Text
singt, klingt wie
Keyboard
Perkussion, Keyboard,
Flöten
Blechbläser, Flöten
E-Klavier, Perkussion entfällt
Saxophone, E-Bass
Alle
Blechbläser mit
Orchester
Alle
Streicher, Blechbläser,
Glockenspiel
Stimmen und alle
Instrumente
Vorstellung der Band
durch Zappa
Blechbläser dazu
Mark spricht
abschließende
Worte,Blechbläser, Hihat, Tenöre,
Syntheziser,
Flöten, Klavier, Schlagzeug Keyboard,
spielen Rhythmus, Bläser
Glockenspiel
Akkorde
Vorstellung der Band
durch Zappa
95
Ich versichere, dass ich diese Arbeit selbstständig verfasst, keine anderen als die
angegebenen Hilfsmittel verwendet und die Stellen, die anderen Werken im Wortlaut
oder dem Sinn nach entnommen sind, mit Quellenangaben kenntlich gemacht habe.
Kassel, den 9.12.1999
___________________________
Martin Langer
96
15. STRICTLY GENTEEL
THEODORE BIKEL: This, as you might have guessed, is the end of the movie. The entire cast is
assembled here at the Centerville Recreational Facility to bid farewell to you and to express thanks for
your attendance at this theater... This might seem old fashioned to some of you but I'd like to join in on
this song, it's the kind of sentimental song that you get at the end of a movie, it's the kind of a song that
people might sing to let you in the audience know that we really like you, we care about you, yeah.
Understand how hard it is to laugh these days with all the terrible problems in the world.
Lord have mercy on the people in England
For the terrible food this people must eat
(Aaa... excuse me)
And may the Lord have mercy on the fate of this movie
And God bless the mind of the man in the street
Help all the rednecks and the flatfoot policemen
Through the terrible functions they all must perform
God help the winos, the junkies and the weirdos
And every poor soul who's adrift in the storm
Help everybody so they all get some action
Some love on the weekend
Some real satisfaction
A room and a meal
And a garbage disposal
A lawn and a hose'll
Be strictly genteel
Reach out your hand
To the girl in the dog book
The girl in the pig book
And the one with the horse
Make sure they keep
All those businessmen happy
And the purple-lipped censors
And the Germans of course
Help everybody so they all get some action
Some love on the weekend
Some real satisfaction
A sweedish apparatus
With a hood and a bludgeon
With a microwave oven
"Honey, how do it feel?"
Lord have mercy on the hippies and faggots
And the dykes
And the weird little children they grow
Help the black man
Help the poor man
Help the milk man
97
Help the door man
Help the lonely
Neglected old farts that I know
MARK: It's been swell having you with us tonight, folks, but don't leave the theater yet,
'cause there's still more to come, and before we go on I wanna introduce to you my
friend and musical associate Howard Kaylan who's going to give a sort of final closing
benediction