Schlecker ist überall - und Sozialwesen

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Schlecker ist überall - und Sozialwesen
Nr. 33_März 2010
www.verdi-drei.de VER.DI FACHBEREICH 3 – GESUNDHEIT, SOZIALE DIENSTE, WOHLFAHRT UND KIRCHEN
d re i
33
Schlecker ist überall
Auch im Gesundheitswesen grassiert das Lohndumping durch Gründung eigener Leiharbeitsfirmen
Die Drogeriekette Schlecker hat viele
negative Schlagzeilen gemacht – zuerst mit ihren Bespitzelungen, später
mit Lohndumping durch die Entlassung
Tausender Mitarbeiterinnen, um sie als
Leiharbeiterinnen mit erheblichen
Lohneinbußen weiter zu beschäftigen.
Von Medien und Politik geächtet, will
Schlecker nun von Leiharbeit Abstand
nehmen. Größtenteils unbeachtet von
der Öffentlichkeit jedoch greift das
»System Schlecker« in breiten Teilen
der Wirtschaft um sich: Bei Handelsketten, Abfallbetrieben, Zeitungsverlagen und sogar Krankenhäusern
und sozialen Einrichtungen. Beispiel
Asklepios: Der private Klinikkonzern
umgeht die in der Pflege gültigen
Tarife für gelerntes Pflegepersonal
(TVöD) mit den unternehmenseigenen
Zeitarbeitsfirmen »Agentur für Gesundheitsfachberufe« und »Personalagentur
für Gesundheit«. Neue Beschäftigte
werden überwiegend über diese Zeitarbeitsfirmen eingestellt. Dort wird
der Tarifvertrag für Leiharbeit IGZ
angewendet, der einen Stundenlohn
von durchschnittlich 9,48 Euro (West) /
8,20 Euro (Ost) vorsieht – etwa die
Hälfte als für die Asklepios-Beschäftigten. Gerade in ländlichen Regionen
nutzt der Konzern eigene Leiharbeitsfirmen, um qualifizierte Arbeitskräfte
billig zu beschäftigen. Gabriele
Gröschl-Bahr, ver.di-Expertin für Tarifpolitik, sagt: »Asklepios ist der Schlecker unter den Klinikbetreibern.«
Uniklinik Essen
Auch anderswo regiert das »System
Schlecker«. Beispiel Universitätsklinikum Essen (UKE): »Rund 5.500
Mitarbeiter arbeiten hier in den verschiedensten Berufen – darunter Ärzte,
Wissenschaftler und Pflegende, aber
auch Physiotherapeuten, Ingenieure
und Köche«, heißt es auf der Homepage. Dass 240 von ihnen bei der
klinikeigenen Personalservice GmbH
(PSG) zwischen 200 und 400 Euro unter dem Tariflohn arbeiten, bis zu sechs
Tage weniger Jahresurlaub
haben, auf Weihnachts- und Urlaubsgeld oder betriebliche Altersvorsorge
verzichten müssen, wird verschwiegen.
Offiziell war die PSG im Jahr 2005 zur
»Sicherung von Beschäftigung und
Qualität« gegründet worden. »Nur so
können wir mit einem gedeckelten
Budget wirtschaftlich arbeiten und die
Qualität unserer Arbeit sicherstellen«,
so der Vorstandsvorsitzende des UKE,
Gerald Holtmann. Alle Berufsgruppen
außer Ärzten und Pflegekräften sollen
künftig grundsätzlich über die PSG
beschäftigt werden. Personalratsvorsitzende Alexandra Willer macht seit
Jahren Politik und Medien auf dieses
Lohndumping aufmerksam. »Eine
Vollzeitbeschäftigte, die im Herzzentrum Instrumente sterilisiert, verdient
bei PSG 945 Euro Netto. Viele müssen Zusatzleistungen beim Jobcenter
beantragen«, weiß sie. NRW-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP)
sicherte schriftlich zu, dass Leiharbeit
nur legitim sei, um punktuell »Auftragsspitzen abzufangen«. Mittlerweile
bemüht sich der im NRW-Arbeitsministerium angesiedelte Landesschlichter um einen Kompromiss zwischen
Klinikleitung und ver.di.
aber nicht drin«, weiß Rechtsanwalt
Bernhard Baumann-Czichon, Experte
für Kirchenrecht. »Zwischen hoch qualifizierten Fachkräften auf der einen
und Servicebeschäftigten auf der anderen Seite klaffen immer tiefere Einkommensgräben. Die Tariflandschaft
wird immer mehr zerrissen.«
Im Februar 2008 reichte die agile
Friedehorster MAV eine Petition beim
Deutschen Bundestag ein. Ziel ist eine
Grundgesetzänderung, die das besondere Selbstbestimmungsrecht der Kirchen hinsichtlich der Arbeitsbedingungen ihrer Beschäftigten einschränken
soll. Über die Petition hat der Bundestag bislang nicht entschieden.
Caritas Würzburg
Dass es wirkungsvolle Waffen gegen
das »System Schlecker« gibt, zeigt das
Beispiel St. Josefs-Stift in Eisingen bei
Würzburg: Dort hatte sich die mehrheitlich in ver.di organisierte MAV
vehement gewehrt, als Anfang 2008
eine Service-GmbH zur Sanierung der
Finanzlage gegründet worden war, die
dort neu eingestellten »Leiharbeiter/
innen« deutlich weniger als die
Stammbelegschaft verdienten und
Befristungen ihrer Verträge hinnehmen
mussten. Bis zu 90 der rund 550 BeDiakonie Bremen
schäftigten wurden so zu »MitarbeiBeispiel Friedehorst: Die Einrichtung
tern zweiter Klasse«. Die MAV baute
des Diakonischen Werks mit rund
1.400 Beschäftigten in den Hilfefeldern öffentlichen Druck auf, zog sogar vors
Alten- und Behindertenhilfe, Berufsför- Kirchengericht. Der kirchliche Dienstderung und Neurologische Rehabilitati- geber lenkte schließlich ein und löste
die GmbH zum Ende Juni 2009 auf.
on hatte 2005 eine Leiharbeitsfirma
»Alle betroffenen Beschäftigten bekanamens »parat« gegründet, in der die
dort eingestellten Beschäftigten für bis men einen ordentlichen Nachteilsausgleich, wurden wieder in die St. Josefszu 30 Prozent weniger Lohn arbeiten
Stift gGmbH zurückgeführt und damit
mussten. Die Mitarbeitervertretung
auch in die Arbeitsvertragsrichtlinien
(MAV) klagte dagegen und bekam im
Oktober 2006 vom Kirchengerichtshof des Deutschen Caritasverbandes«,
berichtet MAV-Vorsitzender Christof
Recht. Damit waren dem Einsatz von
Mock.
Leiharbeit bei kirchlich-diakonischen
Arbeitgebern enge Grenzen gesetzt.
GuNdula lasch
Nun stoppte die Friedehorster Leitung
das Projekt »parat« und zerlegte die
Leiharbeit und Lohndumping unter:
Einrichtung in Einzelgesellschaften
https://gesundheit-soziales.verdi.de/
nach Sparten. »Auf den Verträgen der
themen
Beschäftigten steht zwar AVR drauf, ist
Klinik Bielefeld hat
Geld für Fußballer
Das hat es in Deutschlands Fußballgeschichte noch nie gegeben: Ein kommunales Krankenhaus macht Geschäfte mit einem Fußballverein. Das
städtische Klinikum Bielefeld vergibt
einen Kredit von 250.000 Euro an den
Zweitligisten DSC Arminia Bielefeld.
Nur zwei Prozent Zinsen sind für die
Kreditlaufzeit von drei Jahren vereinbart – die Gegenleistung von Arminia
soll darin bestehen, alle Spieler über
17 Jahren zur Sporteingangsuntersuchung und alle verletzten Spieler im
Bielefelder Krankenhaus vorzustellen.
In der dortigen Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie warten Chefarzt
Alexander Rübberdt und der neue
Sportmediziner Ingo Meyer schon auf
stramme Waden.
Beide Seiten zeigen sich euphorisch: Bei der finanziell gebeutelten
Arminia heißt es, ein »Geist der Partnerschaft« schwebe über der Zusammenarbeit. Das zinsgünstige Darlehen
habe – als erstes Ergebnis – die kurzfristigen Verpflichtungen von Torhüter
Patrick Platins und Außenverteidiger
Assimiou Touré ermöglicht. Mehr
noch: »Durch die Zusammenarbeit
können wir zudem die gesundheitliche
Basis für alle optimieren«, hatte Sport-
geschäftsführer Detlev
Dammeier erklärt.
In der offiziellen Erklärung des
städtischen Krankenhauses heißt es
u.a., die Kooperation mit Arminia sei
eine große Chance für das Klinikum.
Könne man doch so die absolute medizinische Kompetenz auch in der Sportmedizin für Spitzen- und Breitensportler unter Beweis stellen. Welche
Auswirkungen der Deal hingegen auf
die Beschäftigten haben könnte, will
man lieber intern in einer Mitarbeiterversammlung klären. Gleichzeitig läuft
die Tarifrunde für den öffentlichen
Dienst – im tarifgebundenen Klinikum
Bielefeld wurde erst im Spätsommer
2009 eine »Notlagenvereinbarung«
getroffen. Thomas Trittin von ver.di
Bielefeld/Paderborn findet das angesichts der aktuellen Entwicklung eigenartig: »Letztes Jahr war die Klinik angeblich noch Not leidend – jetzt agiert
sie als Kreditgeber. Wie passt das
zusammen?« Eine Stimme im Blog
http://almabu.wordpress.com bringt
es auf den Punkt: »Ein kommunales
Krankenhaus, das Profi-Fußballer
finanziert – das ist sozusagen ein politischer Elfmeter!«
-Gl
In dIeser AusgAbe
Meine betriebszeitung: Vorlagenlayouts für die eigene Zeitung
Seite 2
Kontrovers: Widersprüche der Ökonomisierung
Seite 2
standpunkt: Gesundheit als Ware
Seite 3
schwarzes brett: Einspringen im Frei – Freiwillige gesucht
Seiten 4 und 5
Aktiv: Betriebsgruppe im Klinikum Chemnitz
Seite 6
berufspolitik: Wieviel ist mein Berufsabschluss wert?
Seite 7
urteil: Kein Streik in Gottes Reich
Seite 7
2
drei 33_März 2010
Dialog
4
Der Blindtext – ver.di-Betriebsgruppe Kachtenhausen – No 23
Das Letzte
MeIne betrIebsZeItung
Kurz um
Unmöglich!
Ficimin ctecerchitat ex eos quis audae-
Meine Betriebszeitung – im Eigenbau mit Vorlagelayouts
Der Blindtext – ver.di-Betriebsgruppe Kachtenhausen – No 23
Unterzeile für zusätzliche Informationen zum Betrieb
Das Letzte
Kurz um
Unmöglich!
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Ihil eumene vent aut es utem rae. Us
volum quuntem que paris denditiis is
voluptae proribus, con esciis eatiat excest
quiati sequam es et officidis re, quist re
et que volum aspidem rereiciis repre
est, te que paris denditiis is et que volum
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voluptae proribus, con esciis eatiat excest
Ficimin ctecerchitat ex eos quis audae-
Itate doluptat experum et molora quisciis
Ficimin ctecerchitat ex eos quis audaerum
eaque quibus at quunt occusda sinvent
quibus, sit res estioresci ommolor
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quodi omnis exces aci dolor alita sunt.
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Eine eigene Zeitung – gespickt mit
aktuellen Informationen rund um das
eigene Arbeitsumfeld. Darin Inhalte,
die den Kolleginnen und Kollegen vor
Ort unter den Nägeln brennen. Nur
ein Traum?
»Klinikus«, »Buschtrommler«,
»Info-Spritze« oder »ein Griff.« – die
eine oder andere Betriebszeitung
haben wir in der drei bereits vorgestellt. Einige Betriebsgruppen engagieren sich schon seit Jahren durch
erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit für
ihr direktes Arbeitsumfeld. Allerdings
– da sind sich die Macher einig – der
Aufwand ist nicht zu unterschätzen:
Ein Redaktionsteam zusammenstellen,
diskutieren, Inhalte recherchieren und
aufbereiten, Interviews führen, Fotos
machen – und dann noch der Kampf
mit Optik und Technik.
Jedoch weiß Erika Roth von der
Betriebszeitung »Empistos« am Stadtkrankenhaus Worms zu berichten:
»Wenn wir unsere fertige Zeitung
verteilen können und feststellen, dass
Kollegen und Kolleginnen reagieren,
Diskussionen entfachen oder mit anderen Strategien in Taten umsetzen, sind
wir uns alle ganz sicher: Die Mühe
lohnt sich.«
Hilfe naht!
Um alle Unerschrockenen zu unterstützen, bietet jetzt der Fachbereich Vorlagelayouts für den Computer in DIN A4
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zum Download an. Das sind vorgestaltete Seiten in InDesign oder Scribus,
in die die Inhalte und Bilder eingearbeitet werden können. InDesign ist
eine professionelle und kostenpflichtige Layoutsoftware. Übrigens: ver.diMitglieder erhalten Prozente auf die
Software – Infos unter: http://www.
verdi-mitgliederservice.de. Scribus ist
die kostenlose Alternative.
Der Fachbereich hat zu den jeweiligen Vorlagelayouts auch Handlungsleitfäden entwickeln lassen, in denen
Schritt für Schritt ganz praxisnah in
das Programm eingeführt wird.
Die vorgestalteten Musterseiten sind
in DIN A4 für vier- und achtseitige
Betriebszeitungen angelegt. Die ferti-
ge Zeitung kann
später als E-MailAnhang im PDFFormat verschickt
oder ausgedruckt
vor Ort verteilt
werden.
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dolor alita sunt.
No 23 | 28 November 2010
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antor anisime conest, audi nos placcat
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et, quo corpore peratus magnimod quam
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voloraeris reptat volore pro est, soluptate
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Den 12.Februar schpon mal
vormerken!
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sinvent quodi omnis exces aci dolor alita
nissum cum laut exerum ressi invelesto
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velendi gnisque num voluptam quia quo-
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ver.di fachbereich 3 – gesundheit, soziale
Dienste, wohlfahrt und Kirchen
Ihil eumene vent aut es utem rae. Us
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pere que paris denditiis is et que volum
quuntem aspidem rereiciis repre voluptae
tende, aufgeregte
oder Federn ausreißende BuVos stehen Euch ab
jetzt zur Verfügung. Vielleicht
können wir in der nächsten drei
schon Eure Zeitung vorstellen?
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Jetzt wird’s
bunt!
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volum quuntem molora quisciis eaque
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volum quiaeris delendiamus doluptat
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Der Blindtext
Headline zu einem
Schwerpunktthema
KoLummne
Head
tat magnate mquiam, sequasi dolores unt
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Headline zu einem
Schwerpunktthema
que paris denditiis is et que volum aut
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Blindtext
rum quibus, sit res estioresci ommolor
Der Blindtext
Ficimin ctecerchitat ex eos quis audaerum
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tüffteLn unD gewinnen
4
No 23 | 28 November 2010
Blindtext
Itate doluptat experum et molora quisciis
rum quibus, sit res estioresci ommolor
eptaspere que paris denditiis is et que
volum quuntem aspidem rereiciis repre
Bleistift spitzen, Computer an und los
Unterzeile für zusätzliche Informationen zum Betrieb
Den 12.Februar schpon mal
vormerken!
So wird’s gemacht
Der Werkzeugkasten für Betriebszeitungen steht allen Betriebsgruppen zur Verfügung. Auf den Internetseiten des Fachbereichs – http://
gesundheit-soziales.verdi.de/betriebsgruppen – könnt Ihr Euch unter »Austausch und Vernetzung« anmelden.
Zugang haben alle Vertrauensleute, die
in ver.di registriert sind. Noch Fragen?
Dann Mail an: redaktion.drei@verdi.de
ver.di fachbereich 3 – gesundheit, soziale
Dienste, wohlfahrt und Kirchen
Damit die Inhalte auch sichtbar werden, gibt es eine dicke Materialkiste –
gespickt mit Piktogrammen und Symbolen rund um das Gesundheitswesen.
Außerdem könnt Ihr dem BuVo
(dem Bunten Vogel des Fachbereichs
3) die eine oder andere bissige Bemerkung an seinen Schnabel heften. Wü-
KontroVers
Rationierung und Leistungserweiterung
Widersprüche der Ökonomisierung des Gesundheitswesens
Ärztekammerpräsident Hoppe hat vor
Kurzem wieder auf die Tagesordnung
gebracht, was manche Gesundheitsökonomen schon seit Längerem diskutieren: das Thema Rationierung oder,
wie er es nennt: Priorisierung. »Angesichts chronisch leerer Kassen« müsse
die Politik nun entscheiden, welche
medizinischen Leistungen in Zukunft
aus dem Katalog der gesetzlichen
Krankenversicherung gestrichen werden müssten. Entweder wir brauchen
viel mehr Geld oder es wird auf Rationierung hinauslaufen, so diese vermeintliche Sachzwanglogik. Als Krankenhauspatient, der ohne die Hilfe
von Angehörigen oder Freunden inzwischen aufgeschmissen wäre, könnte
man die Analyse von Hoppe oder irgendwelchen Gesundheitsökonomen
auf den ersten Blick plausibel finden.
Und erst Recht als Beschäftigter im
Krankenhaus mit chronisch unterbesetzten Stationen und miesem Gehalt.
Aber halt! Erst noch mal nachdenken!
uMfrAge
Kann das denn sein? Hat Deutschland
nicht das drittteuerste Gesundheitswesen der Welt? Rechnen uns nicht
jedes Jahr aufs Neue die Leute vom
alternativen »Arzneimittelreport« vor,
dass man einige Milliarden Euro sparen
könnte, wenn statt der Scheininnovationen die altbewährten Medikamente
verschrieben (und bezahlt) würden? Ist
es nicht so, dass es in Deutschland
überdurchschnittlich viele technische
Leistungen (Röntgen, CT-Untersuchungen, Herzkatheteruntersuchungen etc.)
gibt? Hat sich die Zahl der Ärzte in den
letzten 30 Jahren nicht verdoppelt?
Führt die Ökonomisierung des Gesundheitswesens also nicht bloß zu versteckter Rationierung, sondern auch zu
Überversorgung?
Die Lage ist also widersprüchlicher;
darauf deutet vieles hin. Es werden zu
viele, nämlich medizinisch nicht notwendige, aber betriebswirtschaftlich
rentable Leistungen erbracht – im
ambulanten Sektor wie im Kranken-
haus. Dort steigen die Fallzahlen seit
Einführung der DRG an; es werden
Fälle produziert, wenn es sich für das
Krankenhaus lohnt. Der Patient muss
darauf vertrauen, dass das, was mit
ihm gemacht wird, gut für ihn ist und
medizinisch notwendig. Wenn er erst
mal stationär aufgenommen ist, kann
es durchaus sein, dass er die Situation dann als mangelhaft erlebt, weil
die Station viel zu wenige Pflegekräfte hat und erst Stunden nach dem
Klingeln jemand kommt. Es dürfte
nicht unwahrscheinlich sein, dass der
Patient in einem Krankenhaus in
privater Trägerschaft das noch drastischer erlebt. Die Erfahrungen zum
Beispiel an der privatisierten Uniklinik
Gießen-Marburg bestätigen das, die
Statistiken zu Personalzahlen ebenfalls.
Wir sollten uns also nicht vorschnell einreden lassen, dass unsere
(jedes Jahr steigenden) GKV-Beiträge
nicht ausreichen für eine qualitativ
von Dr. Nadja Rakowitz
gute Versorgung für alle Menschen im
Lande durch eine ausreichende Anzahl
an ordentlich bezahlten Fachkräften.
Wir sollten uns ebenso wenig vorschnell bereit erklären, den »Sachzwang« der Rationierung zu akzeptieren – und den Rest an medizinisch
notwendigen Leistungen dann privat
bezahlen: entweder über private Zusatzversicherungen oder direkt an
private ärztliche Kleinunternehmer
(zum Beispiel in Gestalt von Individuellen Gesundheitsleistungen, IGeL).
Wir Arbeitnehmer/innen sollten
den Ball zurückspielen und die Verantwortlichen darauf verpflichten, erst
mal ihre Hausaufgaben zu machen
und dafür zu sorgen, dass nur das
medizinisch Notwendige gemacht
wird und nicht mehr. So könnten viele
Ressourcen gespart bzw. für zum
Beispiel mehr Personal statt für noch
mehr Apparate oder teure Scheininnovationen zum Wohle der Pharmaindustrie ausgegeben werden. Auch
dr. Nadja Rakowitz, Geschäftsführerin,
Verband Demokratischer
Ärztinnen und Ärzte
könnte man per Steuergesetzgebung die öffentliche Hand, die man
bewusst hat ausbluten lassen, finanziell wieder in die Lage versetzen, Geld
für die notwendigen Investitionen in
Krankenhäuser aufzubringen. Den
Hoppes und Röslers müssen wir entgegnen: Keine Rationierung, solange
unsere Beiträge für Überflüssiges und
Unsinniges ausgegeben werden!
Darf der Bischof meinen Lohn festsetzen?
einige katholische bischöfe haben Peter Weidenbach,
für ihre diözesen arbeitsrechtli-
Mitglied der Arbeitsrechtlichen
Kommission Caritas
sabine schiedermair, Stv. MAV-Vorsitzende im Bischöflichen Ordinariat
Würzburg
herbert deppisch, MAV-Vorsitzender
Diakonisches Werk Würzburg
Kathrin Weiß, MAV Diakonie
Neuendettelsau, Klinik Hallerwiese/
Cnopf´sche Kinderklinik
» Die Kirche hat zwar historisch
che regelungen in Kraft gesetzt,
die bei Minijobs einen anteilig
niedrigeren stundenlohn als bei
Vollzeitbeschäftigten vorsehen.
begründet wird dies mit der
sorge um den fortbestand von
Caritas-einrichtungen im »Markt«.
Wir fragten beschäftigte in katholischen einrichtungen, was sie
davon halten.
» Ein Bischof darf eigentlich alles
» Es ist unglaublich, welche Macht
» Die Kirchen vergessen, sich um
IMPREssuM
– kirchenrechtlich! Aber von mei-
bedingte Sonderrechte, bewegt
katholische Bischöfe im 21. Jahr-
ihre Mitarbeiter zu sorgen. Die
drei – die Zeitung des Fachbereichs 3 – erscheint
für die Mitglieder im Bereich Gesundheit, Soziale
Dienste, Wohlfahrt und Kirchen als Beilage zur
ver.di-PUBLIK viermal jährlich.
Herausgeber: Ellen Paschke, ver.di-Bundesvorstand
redaktion: Ute Preuninger (verantw.), Gerd Dielmann,
Hilmar Ernst, Freya Hertling, Gundula Lasch,
Tobias Michel, Volker Mörbe, Michael Quetting,
Ruth Schauder, Erich Sczepanski
Tel.: (030) 69 56-18 04, E-Mail: redaktion.drei@verdi.de
redaktionsschluss für Ausgabe 34: 11.6.2010
design und Vorstufe: werkzwei, Detmold
druck: apm AG Darmstadt, Kleyerstraße 3,
64295 Darmstadt, www.alpha-print-medien.de
www.verdi-drei.de
ner Gehaltshöhe hat er die Fin-
sich aber nicht im rechtsfreien
hundert noch haben. Man könnte
Sorgen um die Einrichtungen sind
ger zu lassen. Die Bischöfe tun
Raum. ›3. Weg‹ heißt in Bayern:
denken, wir seien im Mittelalter.
größer, aber ohne uns geht es
mit ihrem Eingreifen in das Tarif-
Dank Vergütungsautomatik ha-
Diese Behandlung geringfügig
nicht. Die guten alten Zeiten, in
geschäft etwas Gutes: Sie betäti-
ben wir dieselben Löhne wie im
Beschäftigter bei der Caritas ist
denen man bei der Kirche gut
gen sich als Totengräber des
TVöD. ›Dienstgemeinschaft‹ heißt
unchristlich. Als ob die Bischöfe
versorgt war, sind vorbei. Wir
›kirchlichen Sonderweges‹ (3.
geben und nehmen. Kirche muss
das gesetzliche Diskriminierungs-
müssen aufstehen und für uns
Weg). Liebe Bischöfe, entlasst
sich messen lassen an Solidarität
verbot für Teilzeitbeschäftigte
selbst sorgen. Und wir müssen
uns ins Tarifvertragsmodell, wo
und Gerechtigkeit. Einen Allein-
einfach missachten könnten. Mir
zeigen, dass wir erwachsen ge-
wir uns organisieren und für
gang des Bischofs in Sachen Lohn
fehlen da schlichtweg die Worte!«
worden sind.«
unsere Rechte kämpfen können!«
darf es nicht geben.«
Informationen für den Fachbereich Gesundheit, soziale dienste, Wohlfahrt und Kirchen redaktion.drei@verdi.de
drei 33_März 2010
StanDPunkt
3
reforM
Tagespauschalen in psychiatrischen Kliniken
ver.di schlägt Alarm. Die geplanten
Tagespauschalen, die von 2012 an in
allen psychiatrischen Kliniken gelten
sollen, werden den Bedürfnissen der
psychisch Kranken nicht gerecht. Im
Gegenteil: Letztendlich werden die
Pauschalen, wie sie derzeit geplant
sind, die Versorgung der psychisch
Kranken verschlechtern. Neben den
Patientinnen und Patienten sind die
Beschäftigten die Verlierer der neuen
Regelungen. Denn bereits jetzt haben
die psychiatrischen Kliniken Personal
abgebaut. ver.di und die Beschäftigten befürchten, dass mit dem Start
der neuen Finanzierung die Psychiat-
rie-Personalverordnung noch weniger
umgesetzt wird als bisher.
Politischer Wille ist, die Verweildauer in den Kliniken zu reduzieren und
dadurch Kosten zu sparen. Wie in
somatischen Kliniken soll auch in der
Psychiatrie ein größerer Teil der Behandlung ambulant erfolgen – obwohl
derzeit nur in einigen Bundesländern
eine Infrastruktur für eine ambulante
Versorgung psychisch Kranker existiert.
Gesucht werden nun Kliniken, die
zusammen mit den Krankenversicherungen und der Kranken- hausgesellschaft die genauen Modalitäten der
Tagespauschalen sozusagen in der
Praxis ermitteln. Anders als in der Somatik werden aber keine Fallpauschalen je nach Diagnose gelten, sondern
tagesgleiche Entgelte, die den Schweregrad der jeweiligen Erkrankung abdecken sollen. Ob damit Therapie und
Betreuung gut abgebildet werden,
muss die Praxis zeigen. Klar aber ist
heute schon: Der bürokratische Aufwand wird zunehmen, denn die Auswirkungen einer psychischen Erkrankung können von Tag zu Tag variieren.
ver.di befürchtet, dass psychiatrische
Kliniken kein Interesse daran haben
werden, schwierige Fälle zu behandeln. Vielmehr werden die Kliniken um
die leichteren Fälle buhlen. Denn für
die komplexeren Fälle wird das gesamte kostenintensive Therapieteam benötigt, also nicht nur Ärztinnen und Ärzte, sondern auch Psychologen,
Ergotherapeuten, Sozialarbeiter und
Krankenschwestern und Krankenpfleger sowie andere Berufsgruppen – je
nach Klinikkonzept. Deshalb fordert
Gesundheit als Ware
Schwarz-gelbe Politik
Markt für Versicherungen
Was will die Bundesregierung? Offensichtlich soll das profitable Geschäftsmodell ausgebaut werden. Weitere
Verbesserungen in Diagnostik und
Behandlungen sollen über ein System
von Zusatzversicherungen und individuellen Zuzahlungen genutzt werden,
um unterschiedliche Angebote machen
zu können. Ein »Gesundheitsökonom«
erklärte das einmal so: »Das Prinzip,
›wenn Du arm bist, musst Du früher
sterben‹, ist doch nichts Ungewöhnliches in unserer Gesellschaft. Wer in
einen Unfall verwickelt wird, stirbt
auch schneller, wenn er statt in einem
Mercedes in einem Golf sitzt.«
Im Zentrum steht das Ziel, schrittweise eine einheitliche Gesundheitsprämie unabhängig vom Einkommen
einzuführen. Gutverdiener werden
entlastet, Geringverdiener zusätzlich
belastet. Damit würde die gesicherte
finanzielle Grundlage für eine ordentliche Versorgung aller wegbrechen.
Der Weg wäre frei, dass sich die
Leistungsanbieter auf dem Markt nach
finanzkräftigen Kunden umschauen
müssen und dass Reiche exklusiv von
medizinischen Innovationen profitieren
können. »Mehr Wahlfreiheit« heißt
das zynisch.
Pro-Kopf-Prämie
Eine einheitliche Prämie – für den Chef
genauso hoch wie für die Sekretärin
oder den Arbeitslosen? Aber es soll ja
für Geringverdiener staatliche Transferleistungen geben. Wer jetzt miterlebt,
wie Bezieher staatlicher Leistungen,
JaNa BENdER
KoMMentAr
gesundHeItsPoLItIK
Wohin soll die Reise gehen? Wird die
Gesundheitsversorgung als öffentliches
Gut, als unser gemeinsames soziales
Eigentum organisiert oder als profitables Geschäftsmodell mit »hervorragenden Wachstumsmöglichkeiten«?
Öffentliches Gut heißt: Alle sind
versichert. Jeder zahlt entsprechend
seinen finanziellen Möglichkeiten ein
und erwirbt damit den gleichen Anspruch auf Versorgung nach den
medizinisch-pflegerischen Notwendigkeiten. Arbeitnehmer und Arbeitgeber
werden gleich belastet.
Einträgliches Geschäftsmodell
heißt: Ausnutzung der hohen Bereitschaft, viel Geld, so vorhanden, für die
eigene Gesundheit auszugeben. Und
mit unterschiedlicher Behandlung kann
Kasse gemacht werden. Nur dann
sind zahlungskräftige »Kunden« bereit,
mehr Geld auszugeben. Leistungsangebote werden sich dann zunehmend
eher am Geldbeutel als am medizinischen Bedarf orientieren. Fatal in Zeiten, da die Schere zwischen Arm und
Reich immer weiter auseinandergeht.
ver.di, dass die Personalverordnung
für die Psychiatrie voll in den Tagespauschalen berücksichtigt wird. Nur
dann kann es auch eine gute Versorgung der psychisch Kranken geben.
Mehr Informationen unter:
http://www.finanzierungpsychiatrie.verdi.de
z.B. Hartz-IV-Empfänger, in der Öffentlichkeit kriminalisiert und verhöhnt
(»staatliche Transferleistungen führen
zu spätrömischer Dekadenz«) werden,
sie ihre persönlichen Verhältnisse
offenlegen müssen und mit Kontrollen
drangsaliert werden, kann sich kaum
damit abfinden, wegen der Einheitsprämie als Bittsteller auf staatliche
Leistungen angewiesen zu sein. Erst
jetzt – Ende Februar 2010 – hat der
Präsident des CDU-Wirtschaftsrates
gefordert, Einsparungen im Sozialbereich vorzunehmen. Das betrifft
insbesondere die staatlichen Zuschüsse
für die Krankenversicherungen. Und
dann soll sich dieser Zuschuss für
die Unterstützung auf Dauer vervielfachen? Die Fortentwicklung unseres
Gesundheitssystems zu einem »einträgliches Geschäftsmodell mit hervorragenden Wachstumschancen«
bedeutet für Arbeitslose und Beschäftigte Mehrbelastung, Entwürdigung
und schlechtere Gesundheitsversorgung. Um andererseits für die Reichen
Anreize zu schaffen, mehr Geld auszugeben.
Gesundheit als Ware
Das Krankheitsrisiko wird privatisiert
und soll zunehmend vom persönlichen
Geldbeutel abhängig gemacht werden.
Eine Entwicklung, die wir in unserem
gemeinsamen Interesse nicht zulassen
dürfen. Umverteilungen sind sehr
schwer wieder rückgängig zu machen.
Unser Gesundheitssystem muss in die
andere Richtung weiterentwickelt
werden. Billiger und besser ist eine
solidarische Bürgerversicherung, die
die paritätische Finanzierung von
Arbeitgebern und Arbeitnehmern wieder einführt und die alle Einkommensarten und alle Einkommenshöhen in
die Beitragshöhe einbezieht. Freibeträge können für untere Einkommen
Entlastung schaffen und würden für
mittlere Löhne eine zusätzliche Belastung verhindern. Trotzdem wäre die
finanzielle Grundlage der Gesundheitsversorgung aller gewährleistet. Dazu
müssen wir gemeinsam und öffentlich
agieren. Wir Beschäftigte im Gesundheitswesen können zusammen mit
unseren Gewerkschaftskollegen, mit
Sozialverbänden und anderen Organisationen, dafür sorgen diese Pläne zu
stoppen. Eine solidarische Gesundheitsversorgung muss sich gegen ein
unverantwortliches Geschäftsmodell
durchsetzen. Wir dürfen uns das öffentliche Gut Gesundheitsversorgung
nicht von den Kaufleuten wegnehmen
lassen. Gesundheitsversorgung darf
nicht marktgerecht erfolgen. Gesundheit ist keine Ware.
VolKER MöRBE
Positionierung
Marktdenken ist fehl am Platze, wenn es um leib und
leben von Menschen geht. Darum beziehen eine
ganze Reihe von organisationen klar Stellung für ein
solidarisch finanziertes gesundheitssystem in Deutschland.
soVd – sozialverband deutschland: Nicht marktorientiertes Denken, sondern allein die bedarfsgerechte
Patientenversorgung darf der Maßstab für die Gesundheitsversorgung sein. Ähnlich wie beim »Gender Mainstreaming« sollten alle Maßnahmen daran gemessen
werden, dass sie einen gleichen Zugang aller Menschen
zu den gesundheitlichen Leistungen erreichen und gesundheitliche Ungleichheit abbauen.
sozialverband VdK deutschland: Wer angesichts
eines riesigen Haushaltsdefizits von 100 Milliarden Euro
im nächsten Jahr den Ausgleich zwischen Arm und Reich
ins Steuersystem verschieben will, der gefährdet unser
Sozialsystem. Ob Niedrigverdiener und Rentner in Zukunft noch ihre Gesundheitsprämie bezahlen können,
wird dann von der krisenhaften Entwicklung des Haushalts abhängig sein.
attac: Wir brauchen soziale Sicherungssysteme zur Erfüllung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben, an deren
Finanzierung sich alle Bürger solidarisch beteiligen müssen. Wir brauchen keine Privatversicherungen und auch
keinen Wettbewerb im Gesundheitswesen, denn Gesundheit ist keine Ware!
medico international: Kapitalverwertung ist zunehmend auf Prozesse der Enteignung angewiesen: auf den
Raubbau an Gemeingütern, die Enteignung von Wissen,
die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen, die Kapitalisierung sozialer Sicherungssysteme – mit anderen
Worten: die Enteignung sozialen Eigentums.
dBG – deutscher Gewerkschaftsbund: Der Deutsche
Gewerkschaftsbund (DGB) setzt eine eigene Reformkommission für ein »Solidarisches Gesundheitssystem der
Zukunft« ein. Die DGB-Kommission wird gemeinsam mit
Sozial- und Wohlfahrtsverbänden, Wissenschaftlern und
weiteren gesellschaftlichen Organisationen bis zum
Herbst 2010 eigene Vorschläge zur Weiterentwicklung
der solidarischen Krankenversicherung ausarbeiten.
VdÄÄ – Verein demokratischer Ärztinnen und
Ärzte: Das Prinzip der Umlage, dass Junge für Alte,
Gesunde für Pflegebedürftige und Besserverdienende
für Einkommensschwache aufkommen, wird mit den
Vorhaben der schwarz-gelben Bundesregierung aufgekündigt. Gleichzeitig eröffnet die Koalition ein weiteres
Geschäftsfeld für die private Versicherungswirtschaft.
campact: Aufruf für eine gerechte und solidarische
Gesundheitsversorgung im Internet:
https://www.campact.de
Medizinische Hilfe für die
Arminia – ungelöste Fragen
Das Klinikum Mitte, eine gemeinnützige GmbH im Besitz
der Stadt Bielefeld, gewährt den Profikickern von Arminia
Bielefeld einen niedrig verzinsten Kredit über 250.000
Euro. Na gut, Fußballleidenschaft kann zuweilen teuer
sein. Aber das könnten die Klinikchefs ja auch aus ihrer
eigenen Tasche bezahlen. Russische Oligarchen und arabische Ölscheichs kaufen sich ja auch den einen oder anderen Bolzplatzstar. Doch auf der Alm wird in spezieller
Weise gesündigt: Die Kicker erhalten ihre Stütze aus dem
laufenden Geschäftshaushalt der Klinik. In diesem Fall ist
es jedoch gut möglich, ja sogar zu hoffen, dass die Leidenschaft der Beschäftigten für gute Arbeit und gerechte
Bezahlung deutlich feuriger ausfällt als die für Fußball. Für
Entlastungen bei der Arbeit und höhere Einkommen ist in
der aktuellen Tarifrunde angeblich keine Kohle da, zum
Aufpäppeln der von Schulden geplagten Profiabteilung
der Arminia aber schon. Das ergibt doch ein schönes
Warnstreikplakat: »Mehr Geld für uns – oder wir lassen
die Arminia absteigen«.
Nun ist allerdings zu hören, der Kredit wäre nicht aus
Leidenschaft, sondern aus Geschäftstüchtigkeit gegeben
worden. Das sei eine »sich in kürzester Zeit« rechnende
Investition, ein Schachzug, um neue Privatpatienten mit
sportbedingten Blessuren zu gewinnen. Der Fußballclub
hätte sich nämlich verpflichtet, alle Sportuntersuchungen
und Behandlungen in Zukunft in der städtischen Klinik
vornehmen zu lassen. Ob auch noch ein paar Karten für
die VIP-Lounge über den Tisch gegangen sind, ist nicht
bekannt. Ein solcher Kredit, so Klinikboss Kramer, ginge
»in Ordnung, wenn eine entsprechende Gegenleistung da
ist.« Die Rechtfertigungsreden im Rückwärtsgang durch
die Klinikleitung werfen jedoch viele neue Fragen auf.
»Spitzensport und Spitzenmedizin gehören zusammen«,
meint Herr Kramer. Ist das in Zeiten von Dr. Fuentes und
sonstigen Dopingaffären nicht zumindest etwas doppeldeutig? Und sitzt jetzt in Zukunft ein Arzt des Klinikums
mit auf der Arminia-Bank, um sofort die Aufnahme möglicher neuer Patienten zu regeln? Wenn sich die Investition
in kürzester Zeit »rechnen« soll, wäre ja auch daran zu
denken, dass ein veritables Interesse heranwächst, dass
möglichst viele Kreuzbandrisse und Adduktorenzerrungen
pro Spiel eintreten. Die als medizinische Hilfe verkleidete
Geschäftsbeziehung zwischen Klinik und Klub kollidiert
dann mit den sportlichen Ambitionen der Arminia, schnell
wieder in die erste Liga aufzusteigen. Sind die Klinikverantwortlichen etwa von Greuther Fürth und Duisburg
oder anderen Liga-Konkurrenten animiert worden, diesen
Kredit zu geben? Mit dem Leid anderer Menschen Profit
zu machen – das ist die moralische Krux jeder privatisierten Medizinversorgung, die früher oder später immer zu
Patienten wie Beschäftigte unwürdig behandelnden,
wenn nicht kriminellen Praktiken führt. Tappt eine gemeinnützige GmbH aus Westfalen auf solchen Wegen,
dann kommt immer noch eine Posse auf Kosten derjenigen heraus, die das schöne Geld viel nötiger hätten.
ThIEs GlEIss, BETRIEBsRaT
IN dER MaschINENBauINdusTRIE, IG-METall-KollEGE
4
drei 33_März 2010
SchwaRzeS BRett
unmöglichkeit: »Der anspruch auf leistung ist ausgeschlossen, soweit diese
für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.« ( BGB § 275 Abs. 1)
Einspringen im Frei
Freiwillige gesucht!
dienstverpflichtung:
zwangsarbeit darf nur
durch das Parlament
angeordnet werden – im
kriegs- oder Spannungsfall
(Grundgesetz Artikel 12a).
anordnung:
Mit der anordnung
des Schichtplans
ist dieser verbindlich. Das Direktionsrecht (§106
Gewerbeordnung)
ist damit verbraucht.
drei 33_März 2010
SchwaRzeS BRett
5
Urteile
Teilzeitbeschäftigung, Überstunden
Gegenüber einer Teilzeitkraft ist die Anordnung
von Überstunden jedenfalls dann grundsätzlich
unzulässig, wenn die Teilzeitvereinbarung durch
die persönlichen Interessen des Arbeitnehmers
und nicht aus betrieblichen Gründen veranlasst
wurde.
(landesarbeitsgericht Frankfurt zu §§ 17abs. 1,34 abs. 1 Satz 2
Bat, 28. 01. 1988 ~ 9 Sa ga 1662/87- )
Einstweilige Verfügung gegen
dienstplanänderung
Idee und Text: Tobias Michel
Illustrationen: Matthias Berghahn
Im Dienstplan ausgewiesene freie Tage lassen
sich im Wege der einstweiligen Verfügung verteidigen. Einer Krankenschwester (Teilzeit mit 75 %)
war mitgeteilt worden, dass die HNO-Station, auf
der sie tätig war, zwischen dem 22.12.1989 und
dem 08.01.1990 geschlossen werden soll. Ihr
Dienstplan sah vom 23.12. bis zum Jahresende
keinen Dienst vor. Sie plante mit ihrem Ehemann
einen Urlaub in der Schweiz. Am 20.12. bekam
die Krankenschwester von der Pflegedienstleitung
die Anweisung, vom 23.12. bis zum 27.12.1989
auf der Chirurgischen Klinikstation 1a Dienst zu
tun. Das Arbeitsgericht erließ ohne mündliche
Verhandlung eine einstweilige Verfügung, Freizeit
vom 23.12. bis zum 02.01. zu gewähren. Im Falle
der Zuwiderhandlung wurde dem Krankenhaus
ein Zwangsgeld bis zur Höhe von 5.000 DM angedroht.
unzumutbar »Der Schuldner
kann die leistung
ferner verweigern,
wenn er die leistung
persönlich zu erbringen hat und sie ihm
unter abwägung des
seiner leistung entgegenstehenden
hindernisses mit dem
leistungsinteresse
des gläubigers nicht
zugemutet werden
kann.« (BGB § 275:
Absatz 3)
(arbg Bremen 1ga 93/89 vom 21.12.1989)
Betriebsrat stellt Bedingungen
Der Arbeitgeber kann Überstunden nur mit Zustimmung des Betriebsrates anordnen. Wird diese
nicht erteilt, muss er die Einigungsstelle anrufen.
Eine Zustimmungsverweigerung ist auch dann
nicht rechtsmissbräuchlich und damit unbeachtlich, wenn der Betriebsrat seine Zustimmung zu
den beantragten Überstunden von der Zahlung
einer Lärmzulage abhängig macht.
(landesarbeitsgericht nürnberg 06.11.1990 – 4 taBV 13/90)
Personalrat bestimmt mit bei Überstunden
1. Das Mitbestimmungsrecht des Personalrats
nach § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG erstreckt sich
auch auf die Entscheidung, ob und in welchem
Umfang Mehrarbeit oder Überstunden angeordnet werden.
2. Deklariert der Dienststellenleiter in der Überstundenanordnung die Ableistung der Überstunden als freiwillig, so wird damit der in § 75 Abs. 3
Nr. 1 BPersVG vorausgesetzte kollektive Tatbestand nicht in Frage gestellt.
(BVerwg vom 30.06.2005 – 6 P 9/04)
Seminare
»Mein Frei gehört mir«
• 15.4.2010 Dortmund
• 9.9.2010 Dortmund
Rufbereitschaft: Vom losfahren zur
arbeit bis zur heimkehr wird die gesamte zeit wie Überstunden bezahlt, zusätzlich gibt
es einen 12,5%igen aufschlag. und zeitzuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder nachtarbeit.
teilzeitbeschäftigte stehen sich nicht schlechter.
Mitbestimmung bei kurzfristigen Änderungen des
Schichtplans und Übergriffen auf die geplante
Freizeit: Anhand von Fallbeispielen und Übungen
mit Berücksichtigung des Arbeitszeitgesetzes und
der einschlägigen Tarifregelungen werden die
Möglichkeiten der Mitbestimmung rund um das
»Einspringen« und die unvermittelten Anordnungen deutlich, ebenso die Folgen einer Weigerung.
• Dienstverpflichtung (Grundgesetz Artikel 12a
und 80a)
• Notfälle, Treuepflicht, Rücksichtnahme
(§241 II BGB)
• Beschränkung des Direktionsrechts (§106
GewO) – billiges Ermessen (§ 315 BGB) –
Gesetze – Tarifvertrag – Arbeitsvertrag
• Anordnen am Arbeitsplatz, in der
Freizeit und an beschäftigungsfreien
Ruhetagen
•
Sonderfall: Arbeit auf Abruf (§ 12 TzBfG)
• Sonderfall: Rufbereitschaft
• »Einspringen« im Unterschied zu Mehrarbeit
und Überstunden
• Mitbestimmen im Eilfall
• Mitbestimmen bei freiwilligem Einspringen
• Bausteine für betriebliche Regelungen
Mehr unter: www.seminare.schichtplanfibel.de
6
MeLdungen
Arzthelferinnen
Kompetente Medizinische Fachangestellte suchen Arzt (m/w) zwecks
Anstellung
Aufgabengebiet:
• Medizinische Versorgung in unserer
allgemeinmedizinischen Facharztpraxis OHNE Verwaltungstätigkeiten
Wir bieten:
• Überdurchschnittlich gutes Arbeitsklima
• Geregelte Arbeitszeiten
• Neues Praxiskonzept (finanzielle
Beteiligung möglich)
Bei Interesse melden Sie sich bitte
zum Seminar »Arbeitsplatz Arztpraxis« vom 1. bis 5. Dezember
2010 in der ver.di-Bildungsstätte
in Undeloh an.
Der reibungslose Ablauf einer Arztpraxis
steht und fällt mit dem medizinischen
Fachpersonal. Der Praxisinhaber ist
medizinischer Experte, hat aber selten
fundierte Kenntnisse über Organisation
und Mitarbeiterführung. Die Medizinischen Fachangestellten (MFA) – früher:
Arzthelferin – sind nach ihrem Erfahrungsaustausch auf dem Seminar davon
überzeugt, dass die Anwendung ihrer
Kompetenzen zu einem reibungsloseren
Ablauf in der Praxisorganisation führen
würde. https://gesundheit-soziales.verdi.
de/seminare_tagungen
EB-G
Vergabe im Rettungsdienst
ver.di kritisiert die Ausschreibung von
Rettungsdienstleistungen. Das Vergabeverfahren führt regional zu Chaos in den
Landkreisen und begünstigt Lohndumping. Viele Entscheidungen werden im
politischen Prozess in den Städten und
Gemeinden getroffen und durch Gerichte
bestätigt oder verworfen.
Ist der Rettungsdienst eine hoheitliche Aufgabe? Diese Frage war Gegenstand der politischen Auseinandersetzung
in Niedersachsen. Ist der Rettungsdienst
im Konzessionsmodell auszuschreiben?
Diese Frage beschäftigte die bayerischen
Verwaltungsgerichte. Bei ver.di gibt es
einen Leitfaden zur Vergabe im Rettungsdienst. Dieser Leitfaden bietet eine
praxisorientierte Unterstützung für
gewerkschaftliche Interessenvertretungen, um Forderungen nach gerechten
Löhnen, nach Tariftreue, nach Einhaltung
von sozialen Standards und Qualitätsstandards bei den Arbeitsbedingungen und in
der Patientenversorgung durchzusetzen.
https://gesundheitspolitik.verdi.de/
internationales
MsT
ver.di-Ärzte/Ärztinnen für
ein solidarisches System
Die ver.di-Fachkommission Ärztinnen und
Ärzte fordert ein solidarisch finanziertes
Gesundheitssystem, bei dem die Rechte
aller Beschäftigten im Gesundheitswesen
gleichberechtigt mit dem Recht der
Bevölkerung auf eine umfassende und
angemessene Versorgung im Vordergrund
stehen.
Sie lehnt die Pläne von Schwarz-Gelb
zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich ab. »Die
vorgesehene Einführung einer Kopfpauschale führt zur weiteren Aufhebung der
solidarischen Finanzierung des Gesundheitswesens und wird ebenso abgelehnt
wie alle weiteren geplanten Schritte,
die zu einem erneuten Wettbewerb der
Krankenkassen um die ›besten Risiken‹
führen und damit zu einer schlechteren
medizinischen Versorgung der an sich
schon Benachteiligten.«, heißt es unter
anderem in der Erklärung der Fachkommission.
Bessere Arbeitsbedingungen in
Krankenhäusern und die Aufstockung der
Studienplätze für Mediziner könnten
dem Ärztemangel entgegen wirken. Mehr
unter: https://gesundheit-soziales.verdi.
de/beruf
Gd
drei 33_März 2010
aktiV
KLInIKuM CHeMnItZ
ver.di-Betriebsgruppe im Klinikum Chemnitz
»Wir lassen uns nicht entmutigen«
Herzlich empfangen uns die Mitglieder der ver.di-Betriebsgruppe des
Klinikums Chemnitz in einem Restaurant in der Innenstadt. »Wir wollten
mal eine andere, gemütliche Atmosphäre«, erklärt ver.di-Fachbereichssekretär Harald Krause.
Neun ver.di-Aktive, darunter auch
die Betriebsratsvorsitzende Heike
Thoms, sind zum Treffen gekommen
– andere sind noch im Dienst oder
haben familiäre Verpflichtungen.
Insgesamt sind rund 500 Frauen und
Männer der rund 2.900 Beschäftigten
im Klinikum in ver.di organisiert.
Jana, Damian und André waren
gerade mit den Unterstützerlisten für
die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat auf den Stationen und in
den Bereichen des Klinikums unter-
harald Krause, Gewerkschaftssekretär
wegs. Leider, so berichten sie, sind
viele der Mitglieder nicht sichtbar: »Sie
outen sich nicht, weil sie Angst vor
Nachteilen haben oder sich nicht engagieren wollen.« Andere, noch nicht
Organisierte, haben Vorbehalte gegen
die Gewerkschaft; viele wollen einfach
Geld sparen. Die Aktiven der Betriebsgruppe möchten das ändern. »Wir
sprechen die Kolleginnen und Kollegen
in unserem Umfeld an, diskutieren mit
ihnen und versuchen, sie davon zu
überzeugen, dass sie eintreten und
mitmachen müssen, wenn wir Erfolge
haben wollen«, erklärt Damian. Eigentlich müsste das allen Beschäftigten
längst klar sein, denn seit 2005 wird
das Klinikum mehr und mehr zerstückelt, trat sogar aus dem kommunalen
Arbeitgeberverband aus. Die Stadt als
Gesellschafter reagierte bislang nicht.
»Mehrklassen-Arbeitsrechte interessierten im Stadtrat offenbar keinen mehr
– die Politik ist nicht mehr für die Menschen da«, macht Elke ihrem Ärger
Luft. Es sei noch viel zu ruhig in der
Belegschaft. »Aber wir lassen uns nicht
entmutigen«, sagt Bettina. Die erfahrene Anästhesie-Schwester hat
Auseinandersetzungen am Arbeitsplatz
noch nie gescheut.
HeIdeLberg
Für mehr Tarifgerechtigkeit
Derzeit hat das Klinikum 13 Tochtergesellschaften und nähme man die Belegschaften zusammen, käme man auf
insgesamt rund 4.500 Beschäftigte,
die im und fürs Klinikum Chemnitz
arbeiten. Zwischen Alt- und Neubeschäftigten klaffen riesige Gehaltslücken, weitere zwischen den Beschäftigten bei der Mutter- oder den
zahlreichen Tochtergesellschaften
Arbeitenden. Da es keine Tarifbindung
mehr gibt, herrscht Wildwuchs. »Das
ist ungerecht!«, bringt es Jana auf den
Punkt. »Es muss Schluss sein mit der
Drei-Klassen-Beschäftigung im nicht
ärztlichen Bereich. Wir wollen einen
frAnKfurt/oder
BR-Wahl im Servicebereich
Die Kolleginnen und Kollegen der
ver.di-Liste der Bethanien Service &
Wohnen GmbH (BSW) haben allen
Grund, stolz zu sein: Gegen alle Widerstände haben sie ihren Betriebsrat
mitten in eine kirchliche Einrichtung
gesetzt, die mit Betriebsräten oder gar
mit Gewerkschaften nichts zu tun
haben will.
Die BSW ist der ausgegliederte
logistische Dienst (Küche, Reinigung,
Stationshilfen und -sekretärinnen,
EDV, Technik, Verwaltung) eines
Krankenhauses und mehrerer Altenpflegeheime in Heidelberg, Wiesloch
und Mauer.
Alle diese Einrichtungen gehören
zum Agaplesion-Konzern (Sitz in
Frankfurt/M.), der Arbeitsrechtsrichtlinien und Bezahlung der hessischnassauischen Diakonie anwendet und
ca. zehn Prozent unterhalb des Niveaus des öffentlichen Dienstes zahlt.
Die fast 200 Kollegen/innen bei BSW
werden noch unter diesem Niveau
bezahlt. Besonders skandalös ist die
Koppelung der Bezahlung von Weih-
Bettina zählt die notwendigen schritte auf
Tarifvertrag für alle und die Angleichung der Löhne und Gehälter an 100
Prozent des TVöD.« Betriebsratsvorsitzende Thoms: »Auch bei den Arbeitsbedingungen muss es dringend Verbesserungen geben.«
Die Mitglieder der Chemnitzer
Betriebsgruppe stellen sich für die zu
erwartenden Auseinandersetzungen
im Klinikum und im Rahmen der Tarifrunde im öffentlichen Dienst auf,
wollen ihre Mitglieder aktivieren und
viele neue Verbündete finden.
Ein wichtiger Schritt auf diesem
Weg ist die aktuelle Befragung unter
allen nicht ärztlichen Klinikbeschäftigten – auch den nicht organisierten.
Darin geht es unter anderem um Erwartungen an Tarifgebundenheit,
konkrete Lohnerhöhungen und die
Bereitschaft zum Streik. »Ein guter
Anlass, wieder mit den Kolleginnen
und Kollegen zu reden und als Betriebsgruppe Gesicht zu zeigen«, sagt
André. Gesicht zeigen, das wollen die
ver.dianer/innen in Kürze auch, indem
sie sich als Betriebsgruppe mit Foto
und Namen im Klinikum präsentieren.
»Wir verstecken uns nicht und bleiben
dran, auch wenn es schwierig ist«,
sagen sie.
GuNdula lasch
Neue Mitglieder für einen Tarifvertrag
nachtsgeld an Krankentage. Das muss
aufhören! Daher brauchen Beschäftigte einen Tarifvertrag.
GuNdula lasch
Gute Arbeit kannst
Du wählen!
Bedingungsgebundene Gewerkschaftsarbeit (wir berichteten u.a. in drei.32)
sorgt auch im äußersten Osten der
Republik für Erfolgsmeldungen:
Im Klinikum Frankfurt/Oder, einer
100-Prozent-Tochter der Rhön-AG,
stieg die Zahl der Mitglieder binnen
weniger Monate von rund 150 auf
mittlerweile 420. »Und es werden
täglich mehr«, berichtet Oliver Dilcher,
ver.di-Tarifkoordinator für Rhön.
Nach der Privatisierung des ehemaligen Kreiskrankenhauses hatten die
rund 1.000 Beschäftigten einen Haustarifvertrag, mit dem sie alles andere
als zufrieden waren. »Bei einem Tarifworkshop haben die Kollegen/innen
der Tarifkommission ihre betriebliche
Ziele und Erfolgsbedingungen entwickelt und daraus ergab sich eine konkrete Strategie- und Arbeitsplanung«,
so Dilcher.
Seine klare Ansage, nur erfolgreich
verhandeln zu können, wenn es ein
tragfähiges Mandat aus der Belegschaft gibt, kam an: Eine Eintrittswelle
sorgte für die nötige Legitimation und
Durchsetzungsfähigkeit der ver.diTarifkommission.
Die erste Verhandlungsrunde über
einen neuen Haustarifvertrag ist bereits gelaufen und war für die beteiligten Beschäftigten ein Aha-Erlebnis:
Man begegnete sich mit Respekt, führte Sachdebatten und schuf paritätisch
besetzte Arbeitsgruppen, die sich mit
den verschiedenen Tarifbereichen beschäftigen. »Wir waren es früher gewohnt, von der Geschäftsführung
abserviert zu werden. Das ist mit so
vielen gewerkschaftlich Organisierten
im Rücken endlich Geschichte«, freut
sich eine aktive Kollegin.
Derzeit läuft eine Mitgliederbefragung, um mit den Forderungen ganz
eng an den Bedürfnissen der Kollegen/
innen zu bleiben. Und im Sommer, so
hoffen die Frankfurter, werden sie
einen Haustarifvertrag mit deutlichen
Verbesserungen abschließen können.
Bis dahin, so sind sie sicher, wird ihr
Organisationsgrad auf mehr als 50
Prozent gestiegen sein.
GuNdula lasch
tVÖd
Das bekommen die Beschäftigten des
öffentlichen Dienstes bei Bund und Kommunen
Entgelterhöhung: 2010 steigen die Gehälter um 1,2 %;
zum 1.1.2011 um weitere 0,6 % und zum 1.8. 2011 nochmals um 0,5 %. Hinzu kommt im Januar 2011 eine Einmalzahlung in Höhe von 240 Euro. Nach 26 Monaten erhöhen
sich damit die Gehälter um insgesamt 2,3 %. Das gilt auch
für Auszubildende und Praktikanten. Sie erhalten jedoch nur
50 Euro Einmalzahlung.
leistungsentgelt (in Komunen): In den Krankenhäusern
gab es bisher keinen Leistungstopf. Er wird schrittweise bis
2013 auf ein Prozent aufgefüllt. Ausgeschüttet wird erst ab
2011 und zwar 0,75 %, im Jahr 2012 noch einmal 0,75 %
und ab 2013 dann 1 %. Für Kliniken in Baden-Württemberg
gilt die bisher schon vereinbarte Sonderregelung wie im
Allgemeinen Teil des Tarifvertrages. Damit erhöhen 0,25 %
für 2010 das Volumen des Leistungsentgelts auf 1,25 %.
2011, 2012 und 2013 wird jährlich um 0,25 % erhöht. Ab
2013 kommen dann 2 % zur Ausschüttung. Dies gilt auch
für die Ostbereiche und alle Pflegeeinrichtungen.
altersteilzeit: 2,5 Prozent der Beschäftigten können ab
60 Jahren die neue Altersteilzeitregelung beanspruchen,
dabei wird um 20 Prozent aufgestockt auf insgesamt 70
Prozent.
Entgeltordnung: Beschäftigte der Entgeltgruppen 2 bis 8,
die nach dem Oktober 2005 eingestellt wurden, erhalten
wegen eines eventuell verpassten Aufstiegs einmalig
240 Euro im Juli 2010. Bei Höhergruppierungen wird der
Mindestgarantiebetrag der Erhöhung um 20 Euro erhöht.
Prozeßvereinbarung für neue Entgeltordnung verabschiedet.
Bereitschaftsdienst und Nachtzuschlag: In den Krankenhäusern steigen die Bereitschaftsdienstentgelte wie das Entgelt und werden zukünftig automatisch angehoben. Der
Nachtdienstzuschlag wird von 1,28 Euro auf 15 % je Stunde
erhöht.
Weitere Informationen: http://tarif-oed.verdi.de
»Für mich ist ein Erfolg, dass wir bei
den Zeitzuschlägen für Nachtarbeit
und den Bereitschaftsdienstentgelten einen Schritt vorangekommen
sind.«
Hildegard Schwering, Klinikum Augsburg
»Was wir jetzt erreicht haben, zeigt:
Die Arbeitgeber mussten mehr
Positionen räumen als wir. Und das
zählt für mich.«
Karola Fuchs, Klinikum Idar-Oberstein
»Der Nasenprämie hätte man nicht
zustimmen dürfen. Die Krankenhäuser brauchen kein Leistungsentgelt.
Ich werde mich zukünftig dafür
stark machen, dass dieses Geld für
alle Beschäftigten tabellenwirksam
wird.«
Anne Henkel, Klinikum Fulda
drei 33_März 2010
7
Überflieger?
Aber auf hohem Niveau!
dQr – deutsCHer QuALIfIKAtIonsrAHMen
tArIfInfos
Wie viel ist mein
Berufsabschluss wert?
Im Februar 2009 hat der von einer
Bund-Länder-Koordinierungsgruppe
eingesetzte Arbeitskreis den Diskussionsvorschlag eines Deutschen Qualifikationsrahmens für lebenslanges Lernen (DQR) veröffentlicht. Mit diesem
nationalen Qualifikationsrahmen sollen
EU-Empfehlungen umgesetzt werden,
den Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR) vom 23. April 2008 als
Referenzinstrument für die nationalen
Bildungssysteme zu verwenden.
Zielsetzung ist es, jeden Bildungsabschluss, sei er allgemeinbildender
oder berufsbildender Art, im Qualifikationsrahmen einer von acht Niveaustufen zuzuordnen. Bis Ende 2012 sollen
alle Qualifikationsbescheinigungen mit
einem Verweis versehen werden. Die
Niveauzuordnung im DQR soll ihre
Entsprechung im EQR finden. Durch
mehr Transparenz der Bildungsabschlüsse will man die Freizügigkeit der
Arbeitskräfte und Niederlassungsfreiheit in Europa erleichtern.
Im Frühjahr 2009 waren Arbeitsgruppen (AGen) für vier Berufsbereiche
gebildet worden: Gesundheit, Handel,
IT, Metall/Elektro. Aufgabe der AGen
war es, bis Ende Januar 2010 das Instrument des DQR zu erproben. Exemplarisch sollten Bildungs- und Berufsabschlüsse aller Niveaus anhand von
Indikatoren und Kompetenzbeschreibungen dem jeweiligen Niveau zugeordnet werden. Die Zuordnung erfolgt
anhand der verfügbaren Ordnungsmittel (Berufsgesetze, Ausbildungsordnungen, Lehrplanrichtlinien usw.).
Der Versuch, jeden Bildungsabschluss einem von acht Kompetenzniveaus zuzuordnen, ist mit vielfältigen
Mitbestimmung bei der
Stufenzuordnung im TV-L
Niveauindikator
Anforderungsstruktur
Fachkompetenz
Personale Kompetenz
Wissen
Fertigkeiten
Sozialkompetenz
Selbstkompetenz
Tiefe und Breite
Instrumentelle und systemische Fertigkeiten,
Beurteilungsfähigkeit
Team-/Führungsfähigkeit,
Mitgestaltung und Kommunikation
Selbstständigkeit/Verantwortung, Reflexivität und Lernkompetenz
Problemen verbunden. Immerhin ist
der Entwurf des Deutschen Qualifikationsrahmens im Vergleich zum EQR
differenzierter bei den Kompetenzbeschreibungen und durchlässiger. Er
unterscheidet Fachkompetenz (Wissen
und Fertigkeiten)und Personale Kompetenz (Sozialkompetenz und Selbstkompetenz). Die Matrix besteht also
aus jeweils vier Kompetenzbereichen
auf acht Niveaustufen.
Der EQR kennt ebenfalls acht Niveaustufen, aber nur drei Kompetenzbereiche, nämlich Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenz. Kompetenz
wird hier im Sinne der Übernahme von
Verantwortung und als Grad der
Selbstständigkeit verstanden.
Beruflich Erfahrung
Ein zentrales Problem des DQR ist es,
dass er sich nur auf geregelte Bildungs- und Berufsabschlüsse bezieht.
Berufserfahrung oder andere informell
erworbene Kompetenzen spielen bei
der Niveauzuordnung keine Rolle.
Dadurch sowie durch die Kompetenz-
bAg-urteIL
beschreibungen kommt es tendenziell
zu einer Unterbewertung beruflich
erworbener Kompetenzen. So wird
etwa der frisch approbierte Assistenzarzt mit Promotion einem höheren
Qualifikationsniveau (Stufe 8) zugeordnet als der langjährig weitergebildete
und berufserfahrene Facharzt (Stufe 7)
ohne Doktortitel. Eine berufserfahrene
Fachpflegerin für Intensivkrankenpflege wird u.U. niedriger eingestuft als
eine Gesundheits- und Krankenpflegerin mit Bachelorabschluss.
Für die hochschulischen Bildungsabschlüsse wurden bereits Zuordnungen getroffen. Demnach sollen
Bachelorabschlüsse dem Niveau 6,
Masterabschlüsse dem Niveau 7 und
Promovierte dem Niveau 8 zugeordnet
werden. Strittig ist bei den allgemeinbildenden Abschlüssen noch, ob das
Abitur dem Niveau 4 oder 5 zugeordnet werden wird. Die Entscheidung
liegt bei der Kultusministerkonferenz.
Sie wird Auswirkungen auf die Zuordnung der berufsbildenden Abschlüsse
haben.
Soziale Kompetenz
Für die Sozial- und Gesundheitsberufe
besonders gravierend ist die unzulängliche Beschreibung von »Sozialkompetenz« in den einzelnen Niveaustufen.
Die beruflichen Anforderungen, zielgruppengerecht mit Kindern, Kranken
oder alten Menschen umgehen zu
können, finden sich dort nicht wieder.
Hier muss dringend nachgebessert
werden. Nach Vorlage der Abschlussberichte der Arbeitsgruppen wird über
eine mögliche Überarbeitung des Instrumentariums zu entscheiden sein. In
der breiten Öffentlichkeit soll über Sinn
und Funktionsweise des DQR diskutiert
werden. Da über die Niveauzuordnung
sowohl der allgemeinbildenden Abschlüsse als auch der Berufsabschlüsse
letztlich politisch entschieden wird,
wird ver.di auf eine angemessene Berücksichtigung beruflich erworbener
Kompetenzen drängen und eine sachgerechte Niveauzuordnung aller Berufe
einfordern.
GERd dIElMaNN,
BEREIchslEITER BERuFsPolITIK IN dER
VER.dI-BuNdEsVERWalTuNG
InterVIeW
Bereitschaftsdienst
ist Nachtarbeit!
»AWO Schleswig-Holstein
ist ein gutes Beispiel«
das bundesarbeitsgericht hat am 15. Juli 2009
tarifcheck zur gleichstellung von Lebenspartnerschaften
entschieden: es gibt zusätzliche freie tage als
Ein Beschluss des letzten ver.di-Bundeskongresses lautete, keine neuen
Tarifverträge abzuschließen, die die
Punkte zur Gleichstellung von Lebenspartnerschaften nicht erfüllen,
bzw. bereits bestehende Tarifverträge
entsprechend anzupassen.
Der ver.di-Bundesarbeitskreis Lesben,
Schwule, Bisexuelle und Transgender
(BAK LSBT) hatte daraufhin einen Tarifcheck aller ver.di-Tarifverträge gestartet und festgestellt: Von 4.325 Tarifverträgen mit Regelungen für Eheleute
waren nur 1.702 für die Gleichstellung
von Lebenspartnerschaften geöffnet.
Damit sich das in absehbarer Zeit ändert, schauen sich die Mitglieder der
regionalen AK Tarifverträge in ihrem
Umfeld genau an. Wir sprachen mit
Jörundur Olafsson, der sich in der AG
Tarif des AK - SBT in Hamburg engagiert. Der gebürtige Isländer ist Sozialpädagoge und arbeitet seit rund zwölf
Jahren bei der ambulanten Erziehungshilfe Unterelbe, die zur AWO Schleswig-Holstein (SH) gehört.
Ausgleich für nachtarbeit, auch wenn sie »nur«
als bereitschaftsdienst geleistet wird.
Vor fast fünf Jahren hatten wir in
der drei.15 (Seite 3) genau das
Nachts arbeiten und
vorausgesagt. Wenn die Arbeitbezahlt ausschlafen!
geber Nachtarbeit in Form von
Bereitschaft ausdrücklich ausschließen bei Zuschlägen und Zusatzurlaub,
Zusatzurlaub um. Der kann – wie nordann ist dies gesetzwidrig. Das Urteil
maler Urlaub – schon unbemerkt am
mit dem Aktenzeichen 5 AZR 867/08
Ende des Kalenderjahrs verfallen. Darbezieht sich zunächst auf den BAT-KF,
um braucht es eine rasche Geltendmaeine Richtlinie für einzelne Arbeitsverchung. Die kann auch gemeinsam
träge der evangelischen Kirche und
aufgesetzt und unterschrieben werihrer Einrichtungen in NRW. Doch es
den:
reicht viel weiter. Denn viele Beschäf»Wir sind Nachtarbeitnehmer/innen,
tigte in Kliniken und Heimen bleiben
weil wir
bislang trotz erheblicher Nachtarbeit
• in Schichtarbeit
ohne angemessenen Ausgleich. Und
die hier ausgeurteilten Passagen haben • im Monatsdurchschnitt über das
Kalenderjahr mehr als vier Bereitdie Küster und Kirchenmusiker wortgleich beim TVöD-B und TVöD-K abge- schaftsdienste leisten, die auch über
die Zeit von 23 bis 6 Uhr reichen. Sie
schrieben.
zahlen uns keinen Zeitzuschlag für
Die höchsten Arbeitsrichter waren
unsere Nachtarbeit.
sich am 5. September 2002 (9 AZR
Sie berücksichtigen diese Belastung
202/01) noch sicher: Zunächst muss
auch nicht für zusätzliche Ausgleichsder Arbeitgeber sich beim angemesseoder Urlaubstage. Bitte legen Sie darnen Ausgleich für Nachtarbeit festleum unseren angemessenen Ausgleich
gen. Er entscheidet, Zuschläge zu zahgemäß § 6 (5) ArbZG fest. Bitte belen oder zusätzliche freie Tage zu
rücksichtigen Sie dabei die Mitbestimgeben. Danach erst kann dieser Anmungsrechte unserer Interessenvertrespruch verfallen. Die neue Rechtspretung.«
chung zu § 6 (5) Arbeitszeitgesetz
deutet die Ausgleichstage in einen
ToBIas MIchEl
drei: Welche Kriterien habt ihr für den
Tarifcheck aufgestellt?
Jörundur olafsson: Wir haben einen
Katalog aufgestellt, in dem neun beispielhafte Kriterien aufgelistet sind.
Zum Beispiel Familienzuschläge wie
erhöhter Orts- oder Kinderzuschlag,
Freistellungs- und Teilzeitregelungen,
Trennungs-, Sterbegeld, Zusatzversorgung usw.
Du hast für die AWO SH den Tarifcheck
gemacht. Was ist dabei herausgekommen?
Dieser Haustarifvertrag hat die Prüfung
insgesamt prima bestanden. Eigentlich
gelten die Regelungen darin auch für
den TVöD, denn wir haben uns in den
Tarifverhandlungen am TVöD orientiert
und so wurde auch abgeschlossen. Die
Regelungen bei der AWO SH können
also ein gutes Beispiel für andere Tarifverträge sein.
Und wie geht es bundesweit weiter?
Eine Clearingstelle, die bei der tarifpolitischen Grundsatzabteilung des Bundesvorstandes angesiedelt ist, nimmt
sich der Gleichstellungsprobleme in
Tarifverträgen an und versucht, Lösungen zu finden. Und wir bleiben natürlich weiterhin dran und werden auch
mit Aktionen immer wieder auf die
Problematik aufmerksam machen. Es
geht ja insgesamt um die Gleichstellung von Lebenspartnerschaften –
ganz gleich ob sie hetero- oder homosexuell sind, sowie Gruppenformen
des Zusammenlebens wie z.B. sogenannte Regenbogenfamilien.
Kontakt und Informationen: www.
regenbogen.hamburg.ver.di.de oder
martin.stauber@web.de
INTERVIEW GuNdula lasch
Die Mitbestimmung der Mitarbeitervertretung bei der Eingruppierung neu einzustellender Arbeitnehmer/innen erstreckt sich
auch auf die Stufenzuordnung in der
Entgeltgruppe. Das stellte die Schiedsstelle
der Konföderation evangelischer Kirchen in
Niedersachsen fest (Az.: 4 K 11/09, vom
14.12.2009, zu §16 Abs. 2 TV-L. Ähnlich
auch – jedoch zu den AVR der Caritas – das
Urteil des kirchlichen Arbeitsgerichts für die
bayerischen Diözesen vom 01.07.2009, AZ.
07 MV 09).
Da kommt zukünftig viel lohnende
Arbeit auf die kirchlichen Mitarbeitervertretungen zu. Denn nachträglich überprüfen
nun die Mitarbeitervertretungen Tausende
von Einstellungen noch einmal. Die Arbeitgeber gingen bislang im Bereich kirchlicher
Beschäftigungsverhältnisse ausdrücklich
nicht von einem Mitbestimmungsrecht bei
der Stufenzuordnung aus (Urteil des Kirchengerichtshofes vom 14.01.2008).
Die Schiedsstelle in Hannover folgt mit
der neuen Entscheidung dieser innerkirchlichen Rechtsprechung ausdrücklich nicht.
Sie wirkt damit über Niedersachsen hinaus
auf den gesamten Bereich der verfassten
Kirche und ihrer diakonischen Einrichtungen
in Deutschland (EDK). Dort wird in etlichen
Arbeitsfeldern der TV-L oder der TVöD
angewandt. Und es gibt ja auch andere
kirchliche Lohnsysteme mit Stufenzuordnungen. Wo der Arbeitgeber einen Entscheidungsspielraum hat, muss die Interessenvertretung ihr Kontrollrecht ausüben dürfen!
hIlMaR ERNsT
Streikgeld online berechnen
Mit dem online-Streikgeldrechner lässt
sich schnell überprüfen, wie hoch die
Streikunterstützung im Falle eines Streiks
voraussichtlich ausfallen würde. Den
Streikgeldrechner gibt es im ver.di-Mitgliedernetz in unterschiedlichen Formaten
zum Download.
Tarifverträge TVöD und TV-L
ver.di-Mitglieder im Gesundheits- und
Sozialwesen bekommen ihren Tarifvertrag
TVöD oder TV-L mit dem Branchenteil
Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen
kostenlos in den ver.di-Geschäftsstellen
oder fordern ihn an:
redaktion.drei@verdi.de
Urteil: Kein Streik in Gottes
Reich
Angestellte von Kirchen haben weniger
Rechte. Sie dürfen ihre Arbeit nicht
niederlegen. Das hat das Arbeitsgericht
Bielefeld am 3. März 2010 geurteilt.
Das Streikverbot gilt in zwei Landeskirchen, in der Evangelischen Kirche von
Westfalen und deren Einrichtungen der
Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe
sowie in der Evangelisch-lutherischen
Landeskirche Hannover mit ihren diakonischen Einrichtungen.
Unabhängig vom Gerichtsverfahren
geht die Auseinandersetzung um Löhne
weiter. Andere diakonische Arbeitgeber
haben nicht geklagt. So sind weitere
Streiks möglich.
Die ver.di-Arbeitsniederlegungen im
Mai und September 2009 hatten die
Arbeitgeber beim Diakonischen Werk der
EKD so unter Druck gebracht, dass sie in
der Arbeitsrechtlichen Kommission am
19.11.2009 schließlich deutlich höheren
Löhnen zustimmten. Damit die Diakoniebeschäftigten nie wieder so viel Druck
ausüben können, haben die Arbeitgeber
das weltliche Arbeitsgericht angerufen,
um ihnen das Streiken auf alle Zeiten
verbieten zu lassen. Diakonie-MitarbeiterInnen sollen in Lohnkonflikten dauerhaft
unterlegen sein.
Endgültig entschieden ist jedoch noch
nichts. ver.di wird Berufung gegen das
Urteil einlegen. Notfalls geht der Streit
bis zum Bundesverfassungsgericht.
Mehr Informationen: https://gesundheitsoziales.verdi.de/kirchen_diakonie_
caritas
8
drei 33_März 2010
Ausblick
RUNDUM
Reinlesen
Rationalisierte Realität
USA: Böses Blut
»Das kann doch jeder Affe besser …« Eine landesweite Untersuchung unter Ärzten und Krankenschwestern fragte,
wer unkollegiales Benehmen untereinander beobachtet habe. Von hundert Befragten erlebten:
Abwertende Kommentare und Beleidigungen
Das Buch »Privatisierung von Krankenhäusern«
beschäftigt sich mit den verschlechterten Arbeitsbedingungen in privatisierten Kliniken
84,5
Anbrüllen
73,3
Fluchen
49,4
Unangemessene Witzeleien
45,5
Verweigerung der Zusammenarbeit
38,4
Verweigerung des Gesprächs
34,3
Versuch einer ungerechten Disziplinierung
32,3
Gegenstände werfen
18,9
Gerüchte verbreiten
17,1
Sexuelle Belästigung
13,4
Körperliche Übergriffe
2,8
0
20
40
60
80
100
Quelle: http://www.ama-assn.org/amednews/2009/11/16/prl11116.htm; »Böses Blut: Doctor-Nurse Behavior Problems Impact Patient Care«, American College of
Physician Executives 2009 Doctor-Nurse Behavior Survey, Physician Executive Journal, November/December
Eure Arbeitsplätze
Habt Ihr noch Fotos, die
zeigen?
vor 40, 60 oder 100 Jahren
sendung!
Ein
Wir freuen uns über jede
Unvergessen
Bislang hat sich die Wissenschaft »kaum
mit den Auswirkungen von Privatisierungen auf die Beschäftigten im Krankenhaus« befasst, heißt es im Vorwort der
jüngst erschienenen Aufsatzsammlung
»Privatisierung von Krankenhäusern«.
Dabei steht der Personalkostenetat bei
den Klinikkonzernen im Fokus, wenn
es ums Sparen geht – macht er doch
60 Prozent der Kosten aus. Was bedeutet es für die Beschäftigten, bei Ketten
wie Sana, Helios, Asklepios oder der
Rhön-Klinikum AG zu arbeiten, die
mittlerweile 16 Prozent aller Krankenhausbetten in Deutschland bewirtschaften?
Die Herausgeber, darunter der
Medizinsoziologe Thomas Gerlinger,
haben für ihre gelungene Übersicht
neben internationalen Forschungsergebnissen auch die Privatisierungserfahrungen von Betriebsräten und Gewerkschaftern zusammengestellt. Nur eine
Kostprobe: Ärzte müssen massiv Überstunden leisten. Im Pflegebereich wird
die Personaldecke bis zum Zerreißen
ausgedünnt. Und einst reguläre Mitarbeiter/innen werden als Leiharbeitneh-
mer/innen wieder
eingestellt – zu
eklatant schlechteren Arbeitsbedingungen.
Doch das Buch beschränkt sich nicht
auf die Darstellung der rationalisierten
Realität. Es werden gewerkschaftliche
Strategien gegen Privatisierungsvorhaben entwickelt (konfliktbereite Belegschaft!) und ebenso ein erfolgreiches
Bürgerbegehren beschrieben, das die
Übernahme von vier Kreiskrankenhäusern
in Sachsen verhindert hat.
»Privatisierung von Krankenhäusern«
ist Pflichtlektüre für all jene, die sich mit
der Arbeit und Patientenversorgung im
Krankenhaus beschäftigen – und sie
sollte es auch für alle Privatisierungsgläubigen sein.
Uta von Schrenk
Nils Böhlke/Thomas Gerlinger/Kai Mosebach/Rolf Schmucker/Thorsten Schulten
(Hrsg.): Privatisierung von Krankenhäusern. Erfahrungen und Perspektiven aus
Sicht der Beschäftigten.
Hamburg 2009, VSA-Verlag.
256 Seiten, 18,80 Euro.
Foto: Historisches Archiv Krupp, Essen, Fotograf: Ralf Döring
Gewinnerteam
Ab 1966 warben private Vermittler, Reisebüros und Fluggesellschaften junge Krankenschwestern aus Korea (Ostasien) an. Angesichts eines Pflegenotstands schleuste das
gemeinsame Regierungsabkommen vom 26. Juli 1971 in
den Folgejahren insgesamt etwa 20.000 Kolleginnen hierher. In Korea wurde für diesen Export eine Berufsausbildung zur Pflegehelferin neu eingerichtet. Die deutschen
Krankenhäuser interessierte weit mehr der befristete Einsatz von hochqualifizierten, um sie dann aber in der
Grundpflege einzusetzen. Die Presse idealisierte sie als
»lächelnde Lotusblüten« oder gar als »mandeläugige Engel
am Krankenbett«. Ihre deutschen Kolleginnen sprachen
hinter vorgehaltener Hand über die »Glückskekse«. Doch
mit dem Ruf »wir gehen zurück, wann wir wollen« setzten
sie Mitte 1977 ihr Bleiberecht durch. Heute, beim Wechsel
in die Altersteilzeit oder die Rente, ist die Verwunderung
groß. Durch Sondergesetze von der Mitgliedschaft in der
Rentenversicherung freigestellt, haben Arbeitgeber seit
Jahrzehnten stattdessen in kapitalgedeckte Lebensversicherungen eingezahlt. Das hat sich nicht gelohnt.
Gemeinsam rätseln – gemeinsam feiern
Maxine Musterfrauund ihr Team freuten sich riesig: »Wir werden das Geld anlässlich
meines 25-jährigen Berufs- und Dienstjubiläums am 1. April gemeinsam lecker
verköstigen. Gut zusammen essen hält nicht nur Leib und Seele zusammen, sondern
schafft auch ein gutes Arbeitsklima und kollegiales Miteinander!«
Die fünf Sozialarbeiter/innen und -pädagogen/innen sind in der qualifizierten
Akutbehandlung des Suchtmedizinischen Gesundheitszentrums Fachklinik St. Camillus Duisburg tätig. Maxine ist für den gesamten Bereich mit ca. 40 Mitarbeitenden
verantwortlich. »Zwei Kollegen/innen sind in der MAV aktiv und ich bin seit 1986
Gewerkschaftsmitglied, weil wir auch bei einem katholischen Dienstgeber unser
Arbeitnehmerrecht gut vertreten wissen wollen.«
Hinsehen
Viele Augen sehen mehr …
Auf den ersten Blick sind beide Bilder gleich.
Doch wer genau hinschaut, wird im rechten
Bild zehn Fehler erkennen.
Unter den Einsender/innen verlosen wir:
1. Teampreis: 200 Euro für die
Gemeinschaftskasse
2. Preis: ver.di-Notfallkoffer
3.–5. Preis: ver.di-Sammeltassen,
limitierte Auflage
Teilnehmen können alle ver.di-Mitglieder. Den
Teampreis gibt es, wenn Ihr mindestens zu fünft
seid. Bitte schickt mit der Lösung gleich ein Foto
von Eurem Team, Eurer Station oder Eurem
Freundeskreis. Namen, Kontaktadresse und
Telefon bitte nicht vergessen!
ver.di-Bundesverwaltung
Fachbereich 3: »Preisrätsel«
Paula-Thiede-Ufer 10
10179 Berlin
Einsendeschluss: 30. April 2010
Informationen für den Fachbereich Gesundheit, Soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen
Die Gewinner des Preisrätsels in drei.32:
1. Maxine Musterfrau, 40885 Ratingen (Teampreis für fünf Sozialarbeiter/innen, Fachklinik St.
Camillus Duisburg, 200 Euro)
2. Max Mustermann, 79312 Emmendingen,
(Fingerpuppen: Berufe im Krankenhaus)
3.–5. Preis: Max Mustermann, 20253 Hamburg; Max Muster, 82467 Garmisch-Partenkirchen; Max Mustermann, 38820 Halberstadt;
(je eine ver.di-Tasse, limitierte Auflage)