breizh.de, September 2005

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breizh.de, September 2005
http://www.breizh.de/literatur/grall_05.htm
XAVIER GRALL
"ANGST UND ZAUBER"
Conte Verlag
(Roman, deutsch, 151 Seiten, 2005)
Preis: 14,90 €
Erhältlich im Buchhandel und bei
www.amazon.de
Conte Verlag
Am Ludwigsberg 80-84
D-66113 Saarbrücken
Tel: +49-(0)681-416 24 28
Fax: +49-(0)681-416 24 44
e-mail: info@conte-verlag.de
Internet: www.conte-verlag.de
BESPRECHUNG
Endlich ist eines der vielen Bücher des bretonischen Dichters
und Romanciers Xavier GRALL (1930-1980) in einer
deutschen Übersetzung erhältlich:
"Angst und Zauber" (X. Gralls Arbeitstitel für "Cantique à
Melilla", so der französische Originaltitel, der in Absprache
mit dessen Frau und dem deutschen CONTE Verlag für die
deutsche Ausgabe gewählt wurde) schildert die Flucht des
Bretonen Enrico, der in den 50er Jahren für die französische
Geheimorganisation OS ein Attentat verüben soll. Die Aktion
gerät zum Blutbad und Enrico muss vor den eigenen Leuten
fliehen, die einen gedungenen Mörder auf ihn als Verräter
ansetzen. Er flieht vor dem Killer und seinem eigenen
Gewissen quer durch Nordafrika.
Soviel zur oberflächlichen Handlung eines Romans, der
letzten Endes vor allem die Konflikte des Autors selber
angesichts seiner eigenen Verwicklungen in den
Algerienkrieg aufarbeitet. Grall wurde wie sein Protagonist als
Reservist zum Algerienkrieg eingezogen. In dem Buch greift er das Thema Schuld, das ganz
Frankreich bis heute nach dem Algerienkrieg erfolglos zu verdrängen versucht, auf und beschreibt
in vielen Passagen seine eigene Verzweiflung ob der Erlebnisse, die ihn noch lange nach dem
Ende seines Dienstes verfolgten und die ihn an der Menschheit (ver-)zweifeln liessen.
Da menschliche Pendeln zwischen Gut und Böse, zwischen Moral und Morallosigkeit, Schönheit
und Verderbheit am Beispiel seines Helden Enrico, der in einem fortwährenden inneren Dialog
Vergangenheit und Gegenwart reflektiert und zu bewerten versucht, ist eines der zentralen
Themen des Buches.
Die schon philosophisch zu nennende Auseinandersetzung mit seinen eigenen Taten und
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Handlungen, das schwanken zwischen Traum und Realität lassen mitunter an die Athmosphäre
der Romane von Kafka denken und zeigt deutlich Gralls Orientierung an seinem Lehrmeister A.
Rimbaud.
"Wir tauchen ein in eine Art tragische Litanei, wo die Bilder uns umwerfen, uns mitreißen, uns
keine Erholungspause lassen. (...) Das Klima von Xavier Grall ist das der keltischen Länder. Ein
walisischer Barde, ein irischer Poet hätte - genauso wie er - dieses schwere und traurige Epos
geschrieben (...)"
La Chronique d'Alain Bosquet, Combat du 8.10.1964
Und immer wieder tauchen gleichsam als Allegorien die
Erinnerungen Enricos an die Bretagne auf, an seine
Bretagne, wie er sie mit sich im Herzen trägt. Das Meer und
der Gedanke an das Paradies der untergegangenen
legendären Stadt YS. Und immer wieder das Meer. Er will
sich ein Boot kaufen und auf das Meer entkommen, wo er
das universelle Vergessen in der blauen Endlosigkeit erhofft.
Doch das Leben ist anders, ist grausam und immer wieder
wird Enrico mit dem Tod, mit dem Killer konfrontiert, der ihm
schon beinahe zum guten alten Bekannten wird im Zuge der
knapp 140 Seiten langen Verfolgung.
Und das afrikanische Paris Melilla, das er zu erreichen
versucht, in der Hoffnung dort die (europäischen) Sünden
und Untaten vergessen zu können. Von dieser Sehnsucht
nach Melilla leitet sich auch der Originaltitel ab.
Ein großes Lob dem Übersetzer dieses Buches, Holger
Naujokat. Die bildreiche und langatmige Sprache des
Autoren haben ihn mit Sicherheit nicht selten vor enorme
Probleme gestellt, die Gedanken- und Gefühlswelt von
Enrico / Xavier Grall angemessen ins Deutsche zu übertragen, was ihm jedoch hervorragend
gelungen ist.
"Angst und Zauber" ist ein Buch, das einen nicht mehr losläßt, wenn man sich erst einmal auf die
Schilderungen dieser verzweifelten Suche nach Leben, Schönheit, Schuld und Vergebung
eingelassen hat.
Als Ergänzung zum besprochenen Buch seien mir an dieser Stelle noch zwei Hinweise in Sachen
Xavier Grall gestattet:
Bei SKOL VREIZH ist Ende der 90er Jahre eine umfangreiche, reichhaltig illustrierte Biographie
des Schriftstellers in 2 Bänden erschienen Xavier Grall und der bretonische Sänger und Musiker
Dan AR BRAZ hat bereits im Jahr 1992 einige der Texte und Gedichte von Xavier Grall vertont
und gesungen auf seinem Album Xavier Grall chanté par Dan Ar Braz