Obdachlosenhilfe Sankt Bonifaz

Transcription

Obdachlosenhilfe Sankt Bonifaz
Obdachlosenhilfe
St. Bonifaz München
Jahresbericht 2015
Unser Team – Unser Projekt
Unsere Badeabteilung erstrahlt in neuem Glanz
Menschen „Es sind diese kleinen Dinge, die für die Menschen wichtig sind.“ –
Interview mit Dr. Gertraud Burkert, Sozialbürgermeisterin von München a. D.
Aktionen „München ist bunt“ – auch bei uns
2
|
Liebe Freunde
des Haneberghauses,
wir haben uns bemüht, den
Jahresbericht
2015
wieder
abwechslungsreich und informativ
zu gestalten. Wir hoffen, Sie
gewinnen manche neuen Einblicke
in unsere Arbeit und haben Freude
beim Lesen.
Ganz herzlichen Dank für Ihre
großzügige Unterstützung unserer
Arbeit – vor allem natürlich im
Namen aller der von uns betreuten
Gäste.
Der Eingang des Haneberghauses
mit der Bronzebüste des Ordensgründers
der Benediktiner (Benedikt von Nursia,
ca. 480-547) von Josef Henselmann
Foto: Frater Matthias Leidenberger OSB
Um Portokosten zu sparen,
haben wir uns wie immer entschlossen, auch diesen Jahresbericht
ohne Anschreiben zu versenden.
Wir hoffen, Sie haben dafür
Verständnis.
Bereits seit einigen Jahren
stellen wir den jeweils aktuellen
Jahresbericht aber auch als pdf zum
Download auf unserer Homepage
bereit. Sie finden ihn unter: www.
sankt-bonifaz.de/obdachlosenhilfe
Sollten Sie Ressourcen sparen
wollen und möchten daher ab dem
kommenden Jahresbericht 2016
von uns lieber nur ein digitales
Exemplar bekommen, so freuen
wir uns über eine kurze Nachricht
an unsere E-Mail-Adresse:
obdachlosenhilfe@
sankt-bonifaz.de
Haben Sie sehr herzlichen Dank
für Ihre Unterstützung!
Inhaltsverzeichnis |
Inhaltsverzeichnis
4
Grußwort Abt Johannes
6
Vorwort Frater Emmanuel
UNSER TEAM – UNSER PROJEKT
8
Das Team der Obdachlosenhilfe St. Bonifaz
10
Das Haneberghaus auf Reisen
12
Unsere Badeabteilung erstrahlt in neuem Glanz
14
Erst baden, dann zum Arzt
18
Die Gesichter ändern sich, die Armut bleibt
21
Mord im Klosterhof
22
Dach überm Kopf
24
Ein großer Dank an Frau Dr. Irene Frey-Mann ...
25
... und an Schwester Ogmunda Gabler
26
Wollen Sie unsere Arbeit dauerhaft unterstützen?
27
Ganz nah an der bayerischen Geschichte
28
In memoriam – wir gedenken
29
Erinnerung an einen guten Freund
30
Suppe & Begegnung – der MIttagstisch der MMK
32
Beste Grüße aus dem Vatikan
33
Ein herzlicher Dank gilt allen Sachspendern
MENSCHEN
34
„Es sind diese kleinen Dinge, die für die Menschen
wichtig sind.“ – Interview mit Dr. Gertraud Burkert
37
Mein Nachbar, der Obdachlose
38
Der lettische Patient
40
Von der Bühne ins Kloster und wieder zurück
AKTIONEN
42
„München ist bunt“ – auch bei uns
43
Tauschaktion zu unseren Gunsten
44
Süße Spende fürs Haneberghaus
45
Presseecho
STATISTIK
51
Die Arztpraxis weiterhin an der Kapazitätsgrenze
56
Immer vielfältigere Sozialberatungen
59
Impressum
3
4
| Grusswort Abt Johannes
Liebe Förderer und Freunde
des Haneberghauses,
vor Kurzem habe ich das Buch
„Die Empathie-Tests“ der USamerikanischen Autorin Leslie
Jamison gelesen, das 2014 zum
Bestseller wurde und 2015 auf
Deutsch erschienen ist. In verschiedenen Essays nähert sich die
junge Autorin dem Thema Empathie
– verstanden als Einfühlung in das
Leiden anderer Menschen. Dabei
bringt Jamison immer wieder auch
eigene Erfahrungen ein, berichtet
also von ihren Empathie-Tests
am eigenen Leib. Die Lektüre ist
sehr berührend, ja weckt zum Teil
auch schmerzlich Empathie bei
einem selber, wenn die Autorin
Krisensituationen ihres Lebens
schildert, in denen sie sich Empathie
wünschte.
Empathie, wörtlich ins Deutsche
übertragen, meint „Hinein-fühlen“.
Für Jamison ist Empathie wie das
Hineinbegeben in ein fremdes
Land, wobei man Grenzkontrollen
überschreiten muss. Um das
Land besser kennenzulernen, gilt
es, sich Fragen zu stellen, sich
hineinzubegeben in den Schmerz
eines anderen! Empathie ist
noch stärker als Sympathie – als
Mitleid! Das unterstreicht die
Covergestaltung des Buches, auf der
ein menschliches Herz abgebildet
ist! Empathie geht eben zu Herzen
dessen, der sie übt!
Mich bewegen diese Gedanken,
gerade im Blick auf unsere Arbeit
im Haneberghaus. Erst vor Kurzem
meinte ein Mitarbeiter, er müsse
sich immer wieder neu in die Welt
unserer Besucher hineinversetzen.
Dann könne er ganz anders – auch
mit der nötigen Gelassenheit – den
Menschen begegnen.
Eigentlich ist Empathie die
Bewegung Gottes zu uns Menschen,
wenn Gott selbst Mensch wird in
seinem Sohn, wenn in Jesus von
Nazareth sich Gott ganz und gar
hineinbegibt in unsere Welt. Jeden
Morgen, beim ersten Gebet der
Mönchsgemeinschaft,
bekennen
wir uns dazu, wenn wir einen
Vers aus dem Lukasevangelium
sprechen: „Durch die barmherzige
Liebe unsere Gottes wird uns besuchen
das aufstrahlende Licht aus der Höhe, um
allen zu leuchten, die in Finsternis sitzen
und im Schatten des Todes!“
Die „barmherzige Liebe“ –
im griechischen Urtext ist hier
von „splanchnon“ die Rede, was
ursprünglich „Eingeweide“ bedeutete. Diese galten in der Antike
als Sitz der Gefühle. Barmherzigkeit
ist also liebevolle Zuwendung
aus einem Bauchgefühl heraus.
Die lateinische Übersetzung, die
Vulgata unterstreicht dieses innere
Angerührtsein Gottes, wenn dort
von der „viscera misericordiae“ die
Rede ist. „Viscera“ bedeutet neben
Eingeweide auch „Mutterleib,
das eigene Fleisch und Blut“.
Dieses Wort nimmt Bezug auf das
hebräische Wort für Barmherzigkeit
„rachamim“, das Gebärmutter und
Mutterschoß heißt und mit „cham“
– Wärme verwandt ist.
Mit der Barmherzigkeit, mit
Grusswort Abt Johannes |
seinem hineinfühlenden Herzen
begegnen wir der Mütterlichkeit
Gottes: Er ist bergend und warmherzig, zärtlich sich hineinfühlend
in unser Leben, wie eine Mutter,
die ihr Kind im Schoß trägt und
dieses ein Leben lang im Herzen
trägt. „Kann denn eine Mutter ihr
Kind vergessen? – Und wenn sie es täte,
ich vergesse Dich nicht!“ heißt es im
Propheten Jesaja (49,14-15). Sein
hineinfühlendes Herz drängt ihn,
Grenzen zu überschreiten, sich
gleichsam in ein fremdes Land
hineinzubegeben, in eine andere
Wirklichkeit: Aus Empathie wurde
Gott Mensch!
Dr. Johannes Eckert OSB,
Abt der Abtei St. Bonifaz
in München und Andechs
Selbst in die Dunkelheiten
unseres Lebens begibt sich Gott
hinein, selbst in die Schatten des
Todes geht er – dafür steht das
Kreuz, um diese Schatten des Todes
mit seinem Licht zu erleuchten
– das ist Ostern! Durch seine
barmherzige Liebe – in seinem
hineinfühlenden Herzen nimmt
Gott uns Menschen ganz und gar
an, so wie wir sind: Er nimmt mich
an mit meinem Lebensglück, aber
auch mit meinen Verwundungen,
mit meinen Brüchen, mit meinen
Schwächen, mit meinen Schattenseiten, mit meinen Grenzen.
Wenn nun Gott barmherzig ist,
dann dürfen wir es auch sein. Dann
ist letztlich der Ansatz, den wir im
Haneberghaus verfolgen, dass jeder
Besucher, so wie er ist, willkommen
ist. Freilich werden auch unsere
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
bisweilen an ihre Grenzen geführt.
5
Auch das ist menschlich. Und
doch gilt es, immer wieder dem
Armen sein Herz zu geben, was
das lateinische Wort „misericordia“
zum Ausdruck bringt.
Daher wollen wir an dieser Stelle
allen recht herzlich danken, die
unsere soziale Arbeit in St. Bonifaz
auf irgendeine Weise unterstützen.
Ohne Ihre Hilfe wäre es uns
nicht möglich, diesen Dienst der
Barmherzigkeit in unserer Stadt zu
leisten.
Leslie Jamison hat ihrem Buch
den bekannten Satz von Terenz
vorweggestellt: „Ich bin ein Mensch,
nichts Menschliches, denke ich, ist mir
fremd.“ Das soll auch in unserem
Haneberghaus erfahrbar sein und so
hoffen wir, dass Sie auch zukünftig
unserer Arbeit gewogen sind.
Mit herzlichen Grüßen
Ihr
6
| Vorwort Frater Emmanuel
Liebe Freundinnen, liebe Freunde
unserer Obdachlosenhilfe
im Haneberghaus,
Ihr habt allezeit Arme bei euch
Denn die Armen habt ihr immer bei
euch, und ihr könnt ihnen Gutes tun, so
oft ihr wollt… Markus 14/7
Im Jahr 2016 können wir zwei
Jubiläen begehen: Vor 25 Jahren
begann ich gemeinsam mit einem
Mitbruder die niedrigschwellige
Arbeit mit obdachlosen Menschen
in unserer Stadt und vor 15 Jahren
konnten wir unser Haneberghaus
eröffnen. Damit wurde unser
Konzept verwirklicht, bedürftigen
Menschen, die auf der Straße leben,
alles was sie zum „Überleben“
benötigen oder gebrauchen unter
einem Dach anbieten zu können.
Wenn ich auf das Jahr 2015 in
unserer Obdachlosenhilfe von St.
Bonifaz zurückblicke, musste ich
wieder in viele Gesichter der Armut
sehen, mit der wir uns wohl so,
wie unsere Gesellschaft beschaffen
ist, abfinden müssen, leider. Des
Öfteren wurde ich gefragt, was
ich mir wünschen würde für unser
Haneberghaus. Meine stete Antwort
ist, dass ich gerne arbeitslos wäre –
das heißt, dass es keine Armen und
keine Armut mehr geben würde.
Dies bleibt wohl leider ein auf
immer unerfüllbarer Wunsch, was
uns auch der obige Vers aus dem
Markusevangelium mitteilen will.
Armut ist etwas sehr Vielschichtiges: Die Einsicht in
unsere Arbeit zeigt mir Armut,
die aus verschiedensten Ursachen
herrührt: durch Alkoholsucht,
Verlust
des
Arbeitsplatzes,
Gefängnisaufenthalte,
durch
Scheidung, Trennung vom Partner,
Flucht wegen Krieg, Terror
und Verfolgung, eine erfolglose
Arbeitsimmigration, den Verlust
nahestehender Personen oder durch
psychische Erkrankung. Armut
aus vielerlei Gründen, entstanden
durch materielle, existentielle und
körperlich-gesundheitliche
Notsituationen.
Eine weitere Sichtweise der
Armut zeigt mir das 53. Kapitel
„Die Aufnahme von Gästen“ aus
der Regel unseres Ordensgründers
Benedikt. Im Vers 15 heißt es dort:
Vor allem bei der Aufnahme von Armen
und Fremden zeige man Eifer und Sorge,
denn besonders in ihnen wird Christus
aufgenommen.
Indem wir Arme aufnehmen,
nehmen wir auch Christus auf,
der für uns Mensch wurde in allen
Höhen und Tiefen menschlichen
Lebens. Er wurde in Armut
geboren, weil kein Platz in der
Herberge war. Als Fremder, der
arm kam und arm wurde, nackt und
bloß in der Krippe.
oder Solidaritätsverlust. Der reiche
Arme, der Freundschaften kaufen
muss.
In der Verkündigungsbulle von
Papst Franziskus zum Jahr der
Barmherzigkeit heißt es: Entdecken
wir erneut die leiblichen Werke der
Barmherzigkeit: Hungrige speisen,
Durstigen zu trinken geben, Nackte
bekleiden, Fremde aufnehmen, Kranke
pflegen, Gefangene besuchen und die Toten
begraben.
Und vergessen wir nicht die
geistigen Werke der Barmherzigkeit:
den Zweifelnden recht raten, die
Unwissenden lehren, die Sünder
zurechtweisen,
die
Betrübten
trösten, Beleidigungen verzeihen,
die Lästigen geduldig ertragen und
für die Lebenden und Verstorbenen
zu Gott beten.
Es scheint für manchen schwer
nachvollziehbar, warum wir uns
im Haneberghaus auch und gerade
um die Menschen kümmern, die
Weiter heißt es im Vers 15: Das
Auftreten der Reichen verschafft sich ja
von selbst Beachtung.
Hier nun eine weitere Definition
von Armut, denn auch Reichtum
kann Armut bedeuten – arm, weil
man sich als überheblich erweist,
arm, weil man ungerecht ist, arm,
weil man immer mehr besitzen will,
arm, weil man verlernt loszulassen
– genügsam zu sein. Reichtum kann
Armut schaffen – durch Isolierung
Frater Emmanuel Rotter OSB, Gründer und
Leiter der Obdachlosenhilfe St. Bonifaz
Vorwort Frater Emmanuel |
als Fremde nach Deutschland
kommen und in Not leben. Dies
ist kein Selbstzweck, auch kein
Betriebsunfall, sondern Ausdruck
unserer tiefsten, christlichen und
benediktinisch geprägten Überzeugung und unseres niederschwelligen Konzeptes.
Darum möchte ich an dieser
Stelle nochmals nachdrücklich und
aus vollem Herzen betonen, dass
wir, auch wenn sich die Struktur
unserer Besucher im Haneberghaus
verändert hat, weiterhin unser
Augenmerk darauf richten werden,
dass unsere einheimischen und
ortsansässigen Obdachlosen nicht
„unter den Tisch fallen“.
Übrigens hat sich das in den
25 Jahren bzw. 15 Jahren unseres
Wirkens noch nie geändert. Keiner,
der zu uns kommt, wird bevorzugt
behandelt, keiner bekommt mehr
oder weniger, auch wenn sich
manche unserer Besucher permanent benachteiligt fühlen. Wir
müssen darauf achten, dass wir das,
was wir geben können, möglichst
gerecht verteilen – was leider dazu
führt, dass nicht jeder jederzeit alles
bekommt, was er will.
Dank für Ihre Unterstützung
Umso wichtiger ist für uns Ihre
Unterstützung, für die ich mich
hier nochmals bei Ihnen allen ganz
herzlich bedanken will.
Besonders möchte ich mich
an dieser Stelle bei zwei Mitarbeiterinnen
unserer
Arztpraxis
aufs Herzlichste bedanken, Frau
Dr. Irene Frey-Mann und Sr.
Ogmunda Maria Gabler, die nach
fast 20-jähriger Tätigkeit und
Pionierarbeit in der Arztpraxis zu
unserem großen Bedauern in den
verdienten Ruhestand gegangen
sind. In diesem Jahresbericht 2015
werden Sie zwei Seiten finden, in
der wir die Verdienste der beiden
gesondert würdigen (S. 24/25).
Bedanken möchte ich mich auch
im Besonderen für die finanzielle
Unterstützung zur Bewältigung
des Erweiterungsumbaus unserer
Bäderabteilung.
Unser
Dank
gilt hierfür der Schenkung von
Herrn und Frau Naton, der
Landeshauptstadt München, der
Daimler Benz AG und deren
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
sowie der Moshammer-Stiftung
„Licht für Obdachlose“, dem Projekt
„Hilf Mahl!“ und einer privaten
Spende von Herrn Reichlmeier.
Auch auf die Erweiterung unserer
Bäderabteilung werden wir in
diesem Jahresbericht gesondert
eingehen (S. 12/13).
Alle anderen Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter sowie Spenderinnen
und Spender möchte ich bitten,
sich nicht zurückgesetzt zu fühlen.
Die Aufzählung aller, die unsere
Arbeit unterstützen, sei es durch
ihre Arbeitskraft im Haupt- oder
Ehrenamt, sei es durch Geld- oder
Sachspenden, würden nicht nur
den Rahmen dieses Vorwortes,
sondern wohl auch des gesamten
Jahresberichts sprengen. Ihnen
allen nochmals herzlichen Dank!
Wir brauchen SIE!
Ich möchte Ihnen zum Schluss
aber einige Erkenntnisse aus unserer
Arbeit mit und für obdachlose
Frauen und Männer schildern:
Wer arm ist, ist nicht automatisch
unglücklich oder glücklich oder
sogar faul und nutzlos. Auch
der Reiche ist nicht automatisch
glücklicher oder unglücklicher oder
geizig und selbstsüchtig.
Alle Menschen haben immer
Anteil an dem, was SIE aus
ihrer Situation machen. So gibt
7
es arme und reiche Menschen,
die sich ehrenamtlich in unser
Haneberghaus einbringen. Und es
gibt arme und reiche Menschen, die
unsere Obdachlosenhilfe finanziell
unterstützen. Was schließlich alle
Spender vereint, ist die Erkenntnis,
etwas tun zu wollen, damit unsere
Gesellschaft – wenn auch nur einen
Hauch – gerechter und menschlicher wird.
Wird es uns gelingen, eine
Gesellschaft zu werden, in der
Menschen mit ganz verschiedenen
Überzeugungen, Weltanschauungen
und Religionen auf dieser unserer
Erde, die ja schließlich für uns
ALLE, egal ob reich oder arm,
geschaffen wurde, friedlich zusammenleben?
So verbleibe ich wie immer mit
den besten Wünschen und schließe
mit einem Zitat des römischen
Dichters Terenz aus dem Vorwort
von Abt Johannes: „Ich bin ein
Mensch, nichts Menschliches, denke ich,
ist mir fremd“
Gottes reichen Segen für Ihr
Leben in dieser unserer Welt, und
ein erfülltes Jubiläumsjahr, das wir
2016 begehen, wünscht Ihnen
Ihr
8
| Unser Team – Unser Projekt
Das Team der
Obdachlosenhilfe
St. Bonifaz im
Haneberghaus
Träger
Benediktinerabtei St. Bonifaz
München / Andechs
Hausleitung
Fr. Prior Emmanuel Rotter OSB
(Stand Juni 2016)
Haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter der Obdachlosenhilfe St. Bonifaz beim Betriebsausflug in Albaching im Juli 2015
Unser Team – Unser Projekt |
Infothek
Essensausgabe
Kleiderausgabe
Herbert Becke
Peter Döbbeler
Vinicio Violatto
Frauke Vineta Bülow
Gaudensia Degenhardt
Robert Grünewald
Angela Heckenbücker
Hans Heidelck
Mina Kaiser
Andreas Knüpffer
Heinrich Kohler
Mike Mende
Elke-Anna Müller
Sepp Rauch
Marcus Rumpf
Maria Rumpf
Thomas Staneker
Esther Wissel
Günther Wissel
Monika Wissel
Roman Krivsky
Dr. Hubert Bauer
Tanja Becker
Daniel Erdmann
Sr. Dolore Fischbacher
Manfred Karch
Kasim Mehmedovic
Sozialdienst
Robert Greiner
(Stellvertretende Hausleitung)
Sr. Monika Plank CS
Arztpraxis
Sr. Antonia Hippeli (Ärztin)
Irmgard Hüttinger
Rosa Keuter
Dr. Werner Karl Korb
Kirstin Lucia
Bernadette Riederer
Wolfgang Rother
Prof. Dr. Roswitha Thurmayr
Dr. Gabriele Zöllner
9
Bäderabteilung
Eduard Bielesch
Georg Neudecker
Foto: Andreas Knüpffer
10 | Unser Team – Unser Projekt
Das Haneberghaus auf Reisen
Der Betriebsausflug führte die Mitarbeiter des Haneberghauses nach
Wasserburg am Inn und in Frater Emmanuels Heimat, nach Albaching
Fast vier Jahre waren vergangen
seit dem Jubiläumsausflug des
Haneberghauses nach Kelheim,
Kloster Weltenburg und Kloster
Mallersdorf. Also war es höchste
Zeit, mal wieder ein wenig zu reisen.
Am Donnerstag, den 16. Juli
2015, machten sich mittags nach
getaner Arbeit – der Speisesaal
schließt um 12:30 h – vor der
Basilika 38 Personen mit dem
Bus auf zu einem vergnüglichen
Betriebsausflug.
Hauptund
ehrenamtliche
Mitarbeiter und
gute Freunde des Haneberghauses
waren froh gestimmt, denn das
Programm bot für jeden etwas und
die Sonne lachte sommerlich-warm
vom blauen Himmel.
Zunächst ging es nach Wasserburg
am Inn, wo eine kundige Führerin
bei einer 90-minütigen Führung
einen Überblick über die reiche
Geschichte und die eindrucksvollen
Kulturdenkmäler ihrer Heimatstadt
gab. Besonders die Lage der Altstadt
auf einer vom Inn fast vollständig
umflossenen Halbinsel und ihre
bis ins Mittelalter zurückreichende,
reiche Bausubstanz machen das
oberbayerische Städtchen mit
12.500 Einwohnern zu einem
lohnenden Ausflugsziel.
Nach einer kleinen Pause zur
freien Verfügung ging es mit dem
Bus 12 km weiter nach Nordwesten
bis nach Albaching, einer Gemeinde
ganz im Norden des Landreises
Rosenheim mit 35 Ortsteilen und
gut 1.700 Einwohnern.
Das berühmteste Bauwerk von
Albaching ist die eindrucksvolle
Pfarrkirche St. Nikolaus im
Ortszentrum, der die Gruppe aus
Blick auf die Altstadt von Wasserburg von der „Schönen Aussicht“ am Kellerbergweg
Foto: www.wasserburg.de
Am langen Tisch im Biergarten in Kalteneck
Foto: Andreas Knüpffer
Unser Team – Unser Projekt | 11
Ortskern der Gemeinde Albaching mit der Pfarrkirche St. Nikolaus
Foto: www.mapio.net
Innenansicht der reich ausgeschmückten Kirche St. Nikolaus in Albaching
Foto: www.chiemsee-alpenland.de
dem Haneberghaus ebenfalls einen
geführten Besuch abstattete. St.
Nikolaus entstand ursprünglich als
gotisches Altarhaus, im Spätbarock
wurde um 1790 ein Langhaus
mit Turm und Welscher Haube
angebaut und die Kirche reich
ausgeschmückt.
Bekannt ist Albaching den
Mitarbeitern des Haneberghauses
aber vor allem als Heimatdorf von
Fr. Emmanuel, zu dem er weiterhin
viel und engen Kontakt hält. Hier
leben seine Mutter und seine
ältere Schwester, hier verbringt er
manchen Urlaub, auch um sich
von Stress und Verantwortung im
Haneberghaus zu erholen.
Gegen 18 h ging es an diesem
schönen Tag dann mit dem Bus in
den Albachinger Ortsteil Kalteneck
zum gleichnamigen Wirtshaus
der Familie Steinacker, wo der
Ausflug mit einem guten Essen im
gemütlichen Biergarten ausklang.
Neben dem schönen Programm
war auch viel Zeit für einen regen
Austausch untereinander und viele
gute Gespräche. Erst gegen 22
h waren alle Teilnehmer wieder
glücklich und wohlbehalten zurück
in München, um am nächsten
Morgen pünktlich um 7 h das
Haneberghaus wieder für seine
vielen Gäste aufzusperren.
Vera Schäfer
Mit der Stadtführerin in der Frauenkirche in Wasserburg am Inn
Foto: Andreas Knüpffer
12 | Unser Team – Unser Projekt
Unsere Bäderabteilung erstrahlt in neuem Glanz
Bedürfnisse und Nachfrage haben sich verändert: Die komplett sanierte
Bäderabteilung bewältigt heute mit neun Duschen jeden Tag 80 Duschgäste.
Vieles hat sich geändert seit der
Planung des Haneberghauses, das
im Herbst 2001, vor fast 15 Jahren
eingeweiht wurde. Auch im privaten
Bereich werden heute weniger
Badewannen gebaut, weil wir alle
andere Bedürfnisse haben und
meist duschen: Das geht schneller,
verbraucht weniger Wasser und
kostet auch nicht so viel.
Das gilt natürlich auch im
Haneberghaus, aber bei uns kommt
hinzu, dass heute viel mehr Gäste
unsere Badeabteilung nutzen wollen
als noch vor einigen Jahren.
Zu den Obdachlosen deutscher
Herkunft sind viele Gäste gerade
aus Südosteuropa hinzugekommen,
die als Arbeitsmigranten auf
einen schlecht bezahlten Job
bei uns und trotzdem auf ein
besseres Leben hoffen. Viele von
ihnen sind praktisch obdachlos
oder
leben
angesichts
des
völlig
überhitzten
Münchner
Mietmarktes unter erbärmlichen
Bedingungen, eingepfercht in
heruntergekommenen Zimmern
oder gleich in Lagern im Wald.
Viele unserer Gäste wollen
sich bei uns sauber und frisch
machen, deswegen war unsere
Bäderabteilung schon seit einiger
Zeit ein Engpass und gelegentlich
sogar Ausgangspunkt für Ärger.
Angesichts begrenzter Kapazitäten und langer Wartezeiten
also höchste Zeit, für Besserung
zu sorgen. Aber eine Renovierung
der sanitären Anlagen braucht
einige Zeit und vor allem viel
Geld. Zuvor gab es in der von
Eduard Bielesch gemeinsam mit
Georg Neudecker verantworteten
Bäderabteilung zwei Wannenbäder,
eine Behindertendusche und eine
zusätzliche Dusche für Frauen, die
sich bei uns seltener frisch machen
wollen, zumal wir ja auch nur eine
Kleiderkammer für Männer haben.
Vor einer grundlegenden Verbesserung der Situation musste
aber nicht nur die mehrmonatige
Umbauzeit mit sehr viel Lärm und
Dreck überstanden werden. Es
galt auch, ein großes Projekt von
fast 200.000 Euro Gesamtkosten
finanziell zu stemmen. Dabei
bedanken wir uns von Herzen bei
der Landeshauptstadt München,
die uns über die Stiftung „Soziales
München“ großzügig unterstützte,
sowie bei der Edith-HaberlandWagner-Stiftung (Augustiner-Bräu),
Verantwortlich für
die Bäderabteilung
im Haneberghaus:
Georg Neudecker
(links) und
Eduard Bielesch
Foto: Andreas Knüpffer
Unser Team – Unser Projekt | 13
die ebenfalls einen Teil übernahm.
Auch ein privater Spender, der
nicht genannt werden will, ein
Betrag aus dem Vermächtnis des
2013/14 verstorbenen Ehepaars
Dr. Eckhard und Paula Dagmar
Naton, treuer Freunde des
Haneberghauses, eine Förderung
des Projekts „Hilf Mahl!“ sowie
eine Spende der „Initiative Daimler
ProCent“ (angeregt durch den
Ehemann unserer Mitarbeiterin in
der Personalabteilung in Andechs,
Claudia Bernhard) trugen dazu
bei, dass der Konvent den Rest der
Bauplan für die
Sanierung der
Badeabteilung im
Haneberghaus
Foto: Fa.
Hafenrichter GmbH
Vorher:
Zwei Badewannen
(links).
Nachher:
Acht Duschen
Fotos: Christoph
Schreglmann
Baukosten bewältigen konnte.
Nach der aufwändigen Sanierung verfügen wir nun über acht
separate Duschabteile und eine
Damendusche, zwei Toiletten mit
Waschtisch und einen Arbeitsraum
mit Waschmaschinen und Trocknern
für die enormen Wäscheberge.
Beste Voraussetzungen also, den
großen Ansturm auf die persönliche
Sauberkeit im Haneberghaus in
Zukunft zu bewältigen. Im Juni
2016 begrüßen wir an jedem
Öffnungstag etwa 80 Duschgäste.
Vera Schäfer
14 | Unser Team – Unser Projekt
Erst baden, dann zum Arzt
Das Haneberghaus im Kloster St. Bonifaz ist eine wichtige Anlaufstelle für
wohnungslose Menschen in München. Hier können sie essen, duschen und sich
aufwärmen, sie bekommen Kleidung und werden bei Bedarf ärztlich versorgt.
„im blickpunkt“ hat die Einrichtung besucht und traf Sr. M. Ogmunda Gabler, die
fast 20 Jahre lang im Haneberghaus als Krankenschwester gearbeitet hat.
Eine Wohnung ist mehr als ein
Dach über dem Kopf. Mehr als ein
Ort zum Schlafen, Kochen, Essen
und Duschen. Eine Wohnung zu
haben, heißt einen privaten Raum
zu besitzen, den man gestalten
kann, in dem man mit Familie und
Freunden zusammen ist. Einen
Rückzugsort, einen Ankerpunkt.
Ein Zuhause.
Wer heute eine Wohnung hat,
setzt alles daran, es sich dort
gemütlich zu machen. „Wohnst
du noch oder lebst du schon?“,
fragt der bekannte schwedische
Möbelkonzern. Zeitschriften und
Bücher bieten laufend neue Anregungen, die helfen wollen, die
eigenen vier Wände möglichst
individuell auszustatten. Dass, wer
eine Wohnung hat, wann immer
er will den Kühlschrank, den Herd
oder die Toilette benutzen kann, ist
für ihn selbstverständlich.
Wer keinen festen Wohnsitz hat,
dem fehlt es an der Möglichkeit,
seine einfachsten menschlichen
Grundbedürfnisse zu befriedigen.
Und es fehlt ihm an einem Zuhause.
Wer obdachlos ist, auf der Straße
lebt, bei dem geht es um die Existenz,
um ein menschenwürdiges Dasein,
oft ums nackte Überleben.
Jeder kann kommen
Eine der Einrichtungen, die sich
in München um die Obdachlosen
kümmert, ist das Haneberghaus des
Benediktinerklosters Sankt Bonifaz.
Im zentralen Stadtteil Maxvorstadt,
direkt neben einem Luxusquartier
mit
Wohnungen,
Restaurants
und Fünf-Sterne-Hotel, erhalten
Männer und Frauen ohne festen
Wohnsitz Rat und Unterstützung.
„Jeder kann kommen“, erklärt
der Leiter des Hauses Prior
Frater Emmanuel Rotter, der die
Obdachlosenarbeit von Sankt
Bonifaz vor 25 Jahren aufgebaut
hat und seitdem für diese Aufgabe
verantwortlich ist. „Bei uns muss
sich keiner ausweisen. Es wird nicht
gefragt, ob einer selbst schuld ist
oder Fremdschulden vorliegt. Es
ist Fakt, es ist so. Wer kommt, der
kommt.“
Zum Beispiel die zierliche, grauhaarige Frau in einem zu großen
Wollmantel, die gerade etwas
unschlüssig im Speiseraum vor der
Theke steht. „Guten Morgen“, lacht
Frater Emmanuel im Vorbeigehen
und gibt ihr schwungvoll die Hand.
„Guten Morgen“, antwortet die
Frau und lächelt zurück.
Der Speisesaal ist an diesem
sonnigen
Vormittag
Anfang
Februar gut gefüllt. Etwa 70
Besucher, hauptsächlich Männer,
sitzen in dem mit hellen Holztischen
und -stühlen ausgestatteten Raum.
Wenige reden. Die meisten haben
den Kopf auf die Tischplatte
gelegt und schlafen. Trotz normaler
Zimmertemperatur haben viele
der Gäste ihre Wintermäntel
angelassen. Auf dem Boden stehen
teils überquellende Plastiktüten und
Taschen. Es riecht nach Alkohol,
Schweiß und Urin.
Foto: Margret Paal
Arztpraxis im Haneberghaus
Unser Team – Unser Projekt | 15
Der Speiseraum ist täglich von 7
bis 12.30 Uhr geöffnet. Zwischen 8
und 10 Uhr wird Essen ausgegeben,
eine vegetarische Suppe und eine
Fleischsuppe, beides frisch aus der
Klosterküche. Außerdem werden
Brot, Kuchen, Tee und Kaffee
angeboten.
Ein eigenständiges Leben
Einer der Mitarbeiter ist Georg
Neudecker. Der große, korpulente
Mann, der eine dunkelblaue
Küchenschürze um den Bauch
und eine schwarze Strickmütze auf
dem Kopf trägt, präsentiert stolz
sein Reich: Warmhaltebehälter,
Großküchen-K affeemaschine,
Lebensmittelvorräte.
Neudecker
war selbst lange Jahre obdachlos
und ursprünglich als Hilfesuchender
ins Haneberghaus gekommen.
Heute hat er eine Festanstellung
in Vollzeit, eine Wohnung und ein
eigenständiges Leben.
Wie er sind vier weitere
ehemalige Besucher in der Einrichtung angestellt. Insgesamt hat
das Haneberghaus acht hauptamtliche
Mitarbeiter,
Frater
Emmanuel und mehr als 30 weitere
Mitarbeiter sind ehrenamtlich tätig.
Gemeinsam sorgen sie dafür, dass
der Betrieb funktioniert. Etwa 200
bis 250 Essen werden täglich im
Haneberghaus ausgegeben. Etwa
80 bis 90 Menschen pro Tag nutzen
Am Empfang der Arztpraxis
den Sanitärbereich, 130 erhalten
Kleidung. Die zur Einrichtung
gehörende Arztpraxis führt pro
Jahr rund 5.000 Behandlungen an
mehr als 1.700 Patienten durch.
Fast 750 Personen nutzen Sankt
Bonifaz als Postadresse, und etwa
110 haben ein Konto, das über die
Abtei läuft und im Haneberghaus
verwaltet wird. Zwei Sozialarbeiter
stehen für Fragen, Beratungen und
konkrete Hilfen, zum Beispiel beim
Ausfüllen von Formularen, zur
Verfügung.
Es ist 11 Uhr, und die meisten
Besucher drängen sich jetzt im
Untergeschoss. Hier sind die
Duschen, die Kleiderkammer und
die Arztpraxis untergebracht. In der
Praxis treffen wir Sr. M. Ogmunda
Gabler und Dr. Irene Frey-Mann.
Die Krankenschwester und die
Ärztin haben fast zwanzig Jahre
lang im Haneberghaus zusammen
gearbeitet und sind für das Gespräch
mit der Reporterin noch einmal
an ihre ehemalige Wirkungsstätte
zurückgekehrt. Zum Ende des
vergangenen Jahres haben sie aus
Altersgründen – Irene Frey-Mann
ist 69, Sr. M. Ogmunda 77 Jahre alt
– ihren Dienst beendet.
Während wir im hinteren Teil
des Büros miteinander sprechen,
begrüßt vorne am Empfangsfenster
eine Mitarbeiterin freundlich die
Patienten. Im Wartebereich sitzen
Foto: Margret Paal
16 | Unser Team – Unser Projekt
Dr. Irene Frey-Mann bei einer Untersuchung
Foto: Michael Westermann
zwei Männer, einer liegt schlafend
auf einer Bank. In einem der beiden
modernen, liebevoll dekorierten
Behandlungszimmer
bekommt
ein Mann einen Verband angelegt.
„Es ist eine Allgemeinarztpraxis
mit allen Fällen, die es sonst auch
gibt“, erklärt Irene Frey-Mann,
„aber mit mehr Suchtkrankheiten,
mehr
Gefäßkrankheiten
und
infizierten Wunden.“ Etwa die
Hälfte der Patienten hat keine
Krankenversicherung.
Ebenfalls
fast 50 Prozent sind nichtdeutscher Herkunft, was oft zu
Verständigungsproblemen führt.
Einige der Menschen, die am Fenster
ihre Beschwerden schildern, sind
so verwahrlost, dass sie erst einmal
gesäubert werden müssen, bevor
ein Arzt eine Diagnose stellen und
sie behandeln kann.
Sr. M. Ogmunda hat in den
vergangenen 20 Jahren Tausende
dieser Menschen versorgt, hat sie
gebadet, hat ihre Füße gepflegt,
ihre Wunden verbunden und ihnen
frische Kleidung gebracht. Hat
ihnen, wenn nötig, auch mal den
Marsch geblasen. „Ich bin dankbar,
dass ich hier arbeiten durfte“,
erklärt die Ordensfrau, „dass ich
Menschen in oft aussichtslosen
Situationen wieder einen Wert
geben konnte, ihnen zeigen konnte,
dass sie zu uns gehören, dass wir
sie ernst nehmen.“ Und leise fügt
sie hinzu: „Wenn man ihre Wunden
verbindet, dann darf man nach
einiger Zeit auch ihre inneren
Wunden anrühren. Man kriegt
einen Kontakt und kann sie besser
begleiten.“
Die Arbeit mit den Obdachlosen
habe sie verändert, sagt die
77-Jährige, habe ihr Leben und ihre
Spiritualität umgekrempelt: „Wenn
ich Menschen in dieser Form
begleite, dann merke ich haarscharf,
was Barmherzigkeit ist. Ich habe
erlebt und gefühlt, dass Gott auch
in diesen Menschen ist.“
Im Warteraum und in dem
schmalen Gang vor der Kleiderkammer ist jetzt kaum noch ein
Durchkommen. Sr. M. Dolore
Fischbacher, die ehrenamtlich in
der Kleiderausgabe mitarbeitet,
Die inneren Wunden anrühren
Sr. M. Ogmunda hat Fotos
mitgebracht, die sehr drastisch
zeigen, in welchem Zustand die
Obdachlosen oft in der Praxis
erscheinen. Die Aufnahmen von
blutverkrusteten, eitrigen Beinen,
von denen sich die Haut in Fetzen
schält oder von Menschen, die in
zerrissener und vor Schmutz und
Kot starrender Kleidung auf einer
Behandlungsliege sitzen, sind nur
schwer zu ertragen.
Unser Team – Unser Projekt | 17
Sr. Ogmunda im Einsatz in der Arztpraxis
versucht zu verstehen, was ein
russischsprachiges Paar ihr sagen
will, und bei den Duschen gibt es
Ärger, weil ein Mann schon wieder
die erlaubte Duschzeit von 20
Minuten überschritten hat. „Der
darf jetzt mal eine Woche Pause
machen“, raunzt der zuständige
Mitarbeiter.
Sr. M. Ogmunda macht derweil
noch eine Runde durchs Haus. Wo
auch immer sie auftaucht, wird
sie erfreut und mit dankbaren
Blicken
empfangen.
„Meine
Freunde“ nennt die Ordensfrau
ihre ehemaligen Schützlinge und
wechselt hier und da ein paar Worte
mit einem der Besucher. „Ja schau,
die Ogmunda!“, ruft ein kleiner,
glatzköpfiger Mann mit einem
kindlichen Gesicht. Sein zahnloses
Lächeln versteckt er hinter seiner
Hand. „Wie geht’s dir?“, antwortet
die Schwester und hört zu, was der
Mann ihr erzählt.
Das ist Barmherzigkeit
„Es ist ein harter Job“, sagt Frater
Emmanuel über die Arbeit in der
Einrichtung. „Die Mitarbeiter
müssen schon einiges aushalten.
Wenn einer sagt, du Arschloch oder
du Nazi-Sau, dann ist das für die
Mitarbeiter heftig. Das auszuhalten,
da drüber zu stehen, das ist Barmherzigkeit.“
Foto: Fabian Mohr
Im Speisesaal hängen noch ein
paar Männer auf ihren Stühlen und
schlafen. Um 12.30 Uhr schließt
das Haus, dann müssen sie raus.
Auf die Straße. Vielleicht in eine
der anderen Einrichtungen, die
dann öffnet. Im Haneberghaus
haben sie einen Vormittag lang ein
Dach über dem Kopf gefunden.
Etwas zu essen, Duschen, ein paar
freundliche Worte. Ein Zuhause
ist das nicht. Aber ein wenig
Entlastung, ein Stück Würde,
zumindest für ein paar Stunden.
Christina Tagerding
zuerst erschienen in
„im Blickpunkt“ der
Mallerdorfer Schwestern,
Ausgabe 1/2016
18 | Unser Team – Unser Projekt
Die Gesichter ändern sich, die Armut bleibt
Sozialpädagoge Robert Greiner berichtet, wie sehr sich die Arbeit im
Haneberghaus in den letzten Jahren verändert hat
Wenn man auf die nun fast 15
Jahre im Haneberghaus zurückblickt, bleibt wohl als einzig wirklich
konstantes Merkmal unserer Arbeit
die Unbeständigkeit. Nicht etwa
die unserer Mitarbeiter oder etwa
des Konvents, unseres Geldgebers,
sondern die stete Veränderung von
gesellschaftlichen und gesetzlichen
Rahmenbedingungen, die wir
nicht beeinflussen können, aber
die eine unmittelbare Auswirkung
auf unsere tägliche Arbeit haben.
Dies gilt umso mehr, als unsere
Arbeit rein privat, ohne staatliche
Zuschüsse finanziert wird. So
beschränken wir uns nicht auf
eine strikt definierte Zielgruppe,
was dazu führt, dass wir uns auch
mit Menschen beschäftigen, die
im staatlichen Wohlfahrtssystem
(noch) nicht sichtbar sind.
Die Herausforderungen haben
sich stetig verändert, wobei
Veränderung nicht immer (oder
auch nur selten) eine Verbesserung
bedeutet hat. So hatten wir in den
ersten Jahren eine relativ homogene
Besucherstruktur,
überwiegend
deutsche oder zumindest lang
hier ansässige Personen, die
meist von Sozialhilfe lebten oder
die Gelegenheit gehabt hätten,
staatliche Leistungen zu erhalten.
Ein Hauptproblem bestand zu
dieser Zeit darin, bei einem schon
damals schlechten Wohnungsmarkt
geeignete Unterbringungs- bzw.
Wohnmöglichkeiten zu finden. Ein
anderes darin, Menschen mit Suchtbzw. psychischen Erkrankungen
dazu zu motivieren, zielführende
therapeutische Hilfen in Anspruch
zu nehmen. Es ging also damals
vor allem darum, eine Verfestigung
von Obdachlosigkeit mit all ihren
negativen Begleiterscheinungen zu
vermeiden.
Erster Einschnitt in die „Idylle“
Ein erster echter Einschnitt in die
damalige „Idylle“ war die Reform
der Sozialgesetzgebung vor ca.
zehn Jahren mit der Einführung des
Arbeitslosengeldes II. Nach dem
Prinzip „Fördern und Fordern“
wurden die Anforderungen an
Bezieher von Sozialleistungen
erhöht, wobei das Fördern leider
vor lauter Begeisterung über
ein vermeintliches Jobwunder
ein wenig zu kurz kam. Gerade
für viele unserer Besucher, bei
denen eine Reintegration in den
ersten Arbeitsmarkt auch mit viel
Phantasie und gutem Willen nur
schwerlich vorstellbar ist, führt
dies zu einer Überforderung durch
bürokratisierte Abläufe. Als Folge
hiervon kommt es nun zu einer
vermehrten Anzahl von Sanktionen
gegenüber den Personen, die ihren
Pflichten nicht nachkommen,
etwa Kürzung oder Einstellung
der von vornherein nicht wirklich
(gerade in einer teuren Stadt wie
München) ausreichend bemessenen
Leistungen.
Für uns bedeutete dies eine
Erhöhung unsere Besucherzahlen
und eine Veränderung der Anforderungen, die an uns gestellt
wurden. In dieser Phase lag der
Fokus unserer Arbeit vor allem
darauf, unseren Besucher die
Tragweite dieser Veränderungen
klar zu machen und sie in die Lage
„Wer einem Armen ins Gesicht
sieht, erblickt das Antlitz Jesu.“
(Religionspädagoge bei einer
Führung durch das Haneberghaus)
Foto: Margret Paal
Vor der Kleiderkammer
Unser Team – Unser Projekt | 19
zu versetzen, ihnen gerecht werden
zu können, bzw., soweit dies nicht
möglich war, die für sie negativen
Folgen in einer geeigneten Art und
Weise aufzufangen.
Die nächste Veränderung
„Wer einem Armen ins Gesicht
sieht, der erblickt, wie Armut
deformiert.“
(Mitarbeiter der Obdachlosenhilfe
St. Bonifaz)
Die nächste grundsätzliche Veränderung der Ausgangssituation
unserer Arbeit stellte die Einführung der uneingeschränkten
Arbeitnehmerfreizügigkeit
für
die Bürger der Staaten Süd- und
Südosteuropas zum 1. Januar 2014
dar. Seither hat sich unsere Besucherstruktur nachhaltig verändert,
der Anteil unserer ausländischen
Besucher hat sich stark erhöht,
wobei viele von ihnen aufgrund
mangelnder Sprach-kenntnisse und
nicht ausreichender beruflicher
Qualifikation auch langfristig nur
geringe Chancen haben dürften,
eine Arbeit zu finden, die ihnen
ein auskömmliches Leben hier in
Deutschland ermöglichen würde.
Anzumerken ist hierbei, dass
diejenigen EU- Bürger, bei denen
eine Integration in den Arbeitsmarkt
gelingt, normalerweise nicht bei
uns landen. Bei den Menschen, die
uns aufsuchen, handelt sich es im
Normalfall eher um eine ArmutsAn der Essensausgabe
denn um eine Arbeitsimmigration.
Diese Menschen, die die pure
wirtschaftliche Not aus ihren
Heimatländern getrieben hat,
befinden sich in einem Teufelskreis,
denn ohne Arbeit bieten sich ihnen
sie nur geringe Möglichkeiten zur
Integration. Gleichzeitig haben sie
eben nur geringe Möglichkeiten,
eine solche reguläre Arbeit zu
finden. So bleiben sie oft in einer
Grauzone von ausbeuterischen
Arbeitsverhältnissen,
schlechten
Unterbringungsmöglichkeiten mit
fließendem Übergang in Obdachlosigkeit und schlechter bzw. nicht
vorhandener sozialer Absicherung
gefangen.
Das eigentlich Tragische daran
ist, dass sich die Fehlentwicklungen
aus den 60er bis 80er Jahren
wiederholen, als man davon
ausging, dass die Gastarbeiter
schon
irgendwann
wieder
zurückkehren werden und man
nach Jahren feststellen musste,
dass sich der Aufwand für eine
sinnvolle Integration exorbitant
erhöht hatte. Auch die Menschen
aus Südosteuropa werden wohl
zum Großteil bleiben. Heute an
ihrer Aus- bzw. Fortbildung zu
sparen und davon auszugehen,
dass sie ihre Integration schon
Foto: Margret Paal
20 | Unser Team – Unser Projekt
ohne
Hilfestellungen
selbst
bewerkstelligen werden, ist eine
Milchmädchenrechnung.
Für uns bedeutete diese neue
Entwicklung
einen
erneuten
Zwang zur Umorientierung: Da
den Zuwanderern in der Regel
der Zugang sowohl zu auskömmlicher Arbeit als auch zu
unserem
Sozialleistungssystem
nicht oder erst nach einem
längerem Zeitraum möglich ist,
rückt
der
Versorgungsaspekt
in den Vordergrund. So haben
wir durch einen Umbau unseres
Sanitärbereichs unsere Duschkapazitäten verdoppelt und durch
– für uns teilweise schmerzhafte
– Umstrukturierungen wie die
Aufgabe unseres kleinen Übernachtungsbereichs unsere Personalkapazitäten umgeschichtet, um den
sich stetig verstärkenden Zustrom
in unsere Einrichtung bewältigen
und kanalisieren zu können.
Heute haben wir durchschnittliche
tägliche Besucherzahlen von 200220 Personen, in der Startphase
des Haneberghauses waren dies
Spitzenwerte.
Sprachschwierigkeiten und ein
klar erhöhtes Aggressionspotenzial
aufgrund von oft drangvoller
Enge, aber auch Perspektivlosigkeit
und Frustration, ein höherer
Aufwand zur Deeskalation von
Konflikten, eine Unkenntnis über
Eigenheiten hier in Deutschland,
kulturelle Missverständnisse sowie
eine oft schwer nachvollziehbare
Erwartungshaltung prägen unsere
alltägliche Arbeit und fordern
allen unseren Mitarbeitern einen
Abschied von liebgewonnenen
Gewohnheiten und eine ständige
Umorientierung ab.
Kein Ruhmesblatt
Dies alles ereignet sich vor
dem Hintergrund einer seit
Jahren katastrophalen und sich
immer weiter verschärfenden
Wohnungsnot in München und
einer sich immer vertiefenden
Spaltung der Bevölkerung in arm
und reich. Es suchen uns auch
immer öfter Menschen auf, deren
Gehalt trotz Vollzeitarbeit nicht
reicht, um bis zum Monatsende
über die Runden zu kommen.
Die tatsächlichen Verbesserungen, die es in den letzten Jahren
gegeben hat (z.B. die Einrichtung
vieler neuer Wohnheime und
Beratungsstellen durch die Landeshauptstadt München) werden
durch die Zunahme der Zahl
armer Menschen aufgewogen. So
führte zum Beispiel in unserer
Arztpraxis die Einführung einer
Pflichtkrankenversicherung im Jahr
2007 zu einer signifikanten Absenkung der Zahl nicht versicherter
Personen. Heute sind wir aufgrund
der Zuwanderung wieder auf einem
Niveau, das höher ist als vor 2007.
Ein Grundproblem unsere Arbeit
besteht also darin, eine begrenzte
Menge an Ressourcen, seien es
materielle oder immaterielle, auf
immer mehr bedürftige Menschen
verteilen zu müssen.
Letztendlich ist es kein
Ruhmesblatt für einen reichen
Staat wie Deutschland, dass es so
etwas wie das Haneberghaus geben
muss. Der Konvent kann stolz
darauf sein, was er in den letzten
fast 15 Jahren durch seine eigenen
Anstrengungen unter Mithilfe von
vielen Spendern geschaffen hat. Für
uns andere bleibt doch manchmal
eine Erinnerung an das irgendwie
unbehagliche Gefühl, dass in
diesem Land etwas grundsätzlich
schief läuft.
Robert Greiner
Sozialpädagoge, stllv.
Hausleitung Haneberghaus
Robert Greiner
bei einer Sozialberatung
im Haneberghaus
Unser Team – Unser Projekt | 21
Mord im Klosterhof
„Verderben – Die Macht der Mörder“, das dritte Buch von Kommissar Josef
Wilfling. Die tz hat die Originalfälle vorgestellt, darunter den Klostermord.
Im kriminalistischen Sinne ist
er der klassische Wiederholungstäter – sehr zur Freude seiner
Fans: Am Montag veröffentlicht
der Heyne-Verlag das dritte Buch
des Bestsellerautors Josef Wilfling
(68), ehemals Chef der Münchner
Mordkommission und Kenner der
menschlichen Abgründe. Die tz
wird ab Montag vier authentische
Fälle aus dem neuen Bestseller
„Verderben – Die Macht der Mörder“
vorstellen. Alle Fälle stammen aus
der aktiven Zeit des Mordermittlers,
der seine Leser nicht verschont mit
zuweilen verstörenden Details und
Einblicken in die Täter-Psyche. Das
tz-Interview:
Was ist die Botschaft Ihres dritten
Buches?
Josef Wilfling: Mein erstes
Buch beschäftigte sich mit den
Mordmotiven. Das zweite mit
der Thematik, wie ein Mensch
zum Mörder werden kann. Und
jetzt geht es um die Zeit danach.
Was geschieht, wenn der Mord
passiert ist. Da stehen die Opfer
im Mittelpunkt und natürlich
die Aufklärung. Die ist für die
Angehörigen von Opfern und
Tätern sehr wichtig. Weil sie wissen
wollen, was passiert ist.
...
Ist dieses hier das letzte Buch? Oder
dürfen wir auf ein viertes hoffen?
J.W.: Man soll ja nie nie sagen.
Aber ein viertes Sachbuch wird
es wohl nicht geben, weil ja
irgendwann auch die interessanten
Fälle mal erschöpft sind. Und
erfinden will ich nichts.
Ende
August
1999
wurde auf dem Gelände
von St. Bonifaz tatsächlich
ein Obdachloser ermordet.
Ein Verdächtiger, ebenfalls
wohnungslos, wurde vor
Gericht
angeklagt,
aber
mangels Beweisen freigesprochen. Erst später fand
man seine Tatwaffe mit den
verräterischen Spuren.
Der„Klostermord“ war einer
der authentischen Mordfälle,
die der ehemalige Leiter der
Münchner Mordkommission
und erfolgreiche Autor Josef
Wilfling vorstellt.
Josef Wilfling, Jahrgang
1947, war 42 Jahre lang
im Polizeidienst tätig, 22
davon bei der Münchner
Mordkommission.
Der
Ver nehmungsspezialist
klärte
spektakuläre
Fälle
wie den Sedlmayr- und
den Moshammer-Mord auf,
schnappte Serientäter wie den
Frauenmörder Horst David und
verhörte Hunderte Kriminelle.
Josef Wilfling ist verheiratet
und lebt in München.
Nach dem Mord im Klosterhof Ende August 1999
Foto: Münchner Merkur
22 | Unser Team – Unser Projekt
Dach überm Kopf
Im Technologiepark östlich der Messe ist eine neue Wohnanlage für
Obdachlose entstanden. Um die Bewohner kümmern sich der Katholische
Männerfürsorgeverein und ein engagierter Helferkreis
Nicht nur ankommende Flüchtlinge muss die Stadt unterbringen,
auch Münchner Wohnungslose und
die anerkannten Asylbewerber, die
möglichst zügig aus den überfüllten
Gemeinschaftsunterkünften
ausziehen sollen, brauchen ein
Dach über dem Kopf. Daher ist im
Technologiepark östlich der Messe
eine Wohnanlage für Obdachlose
entstanden. Die ersten Bewohner
sind schon eingezogen, Birte Röhrig
und ihr Team vom Katholischen
Männerfürsorgeverein kümmern
sich um sie. Unterstützt werden
sie vom engagierten Helferkreis
der Messestadt, zu dem mit
dem ehemalige Sozialreferenten
Frieder Graffe auch ein stadtweit
prominentes Gesicht gehört. Graffe
macht ganz neue Erfahrungen.
Was für ein Kontrast
Kiesbrache, gegenüber das edle
Schuhbeck-Dinnershow-Zelt. Was
für ein Kontrast. „Fair Price“ steht
über dem Eingang der Unterkunft.
Es ist der Name der Firma, die die
Anlage laut Geschäftsführer Oliver
Ehrhardt für fünf Jahre hier im
Auftrag der Stadt baut und betreibt.
Es klingt ein wenig zynisch, weist es
doch darauf hin, was der Münchner
Wohnungsmarkt eben gar nicht
bietet – faire Preise. 246 Bettplätze
hat die Unterkunft. Draußen sitzen
ein paar Bewohner, die zahlreichen
Kippen zeugen davon, dass das
für viele schon zum Lieblingsplatz
geworden ist. Drinnen sind
Zigaretten
verboten,
ebenso
Drogen und Alkohol. Ein Kind
fährt Dreirad, in einem Zimmer
macht eine Familie Brotzeit,
ein Fernseher läuft. Aushänge
weisen auf Sprechzeiten hin, auf
Veranstaltungen und Angebote.
Noch ist die Anlage nicht voll,
aber erste Gebrauchsspuren an den
Wänden weist sie schon auf.
Birte Röhrigs Büro ist noch nicht
fertig eingerichtet, doch den Kontakt
mit den ersten Schützlingen hat sie
sofort aufgenommen. Sie erklärt die
Bedingungen: Ausschlusskriterium
„Fair Price“ steht
über der Unterkunft.
246 Betten
hat die Anlage.
Foto: Catherina Hess
Unser Team – Unser Projekt | 23
Birthe Röhrig vom
Männerfürsorgeverein,
Frieder Graffe vom Helferkreis
und Fair-Price-Geschäftsführer
Oliver Ehrhardt kümmern sich
um die Anlage
Foto: Catherina Hess
hier wäre nur eine Pflegestufe
oder Behinderung, der Schotter
rundum ist nicht Rolli-tauglich.
Früher hätten sich die Mitarbeiter
der Bezirkssozialarbeit auch um die
Wohnungslosen gekümmert, mit
einem Betreuerschlüssel von 1:200,
dann 1:100. Sie könne mehr tun,
denn hier gelte ein Schlüssel von
1:25.
Vielfältige Probleme
Die Probleme der Menschen, die
nur eine Tasche oder einen Koffer
dabeihaben, wenn sie ihr Bett in
den Zweibettzimmern beziehen
und ihren abschließbaren Spind
belegen, seien aber auch vielfältig.
Traumata bringen einige mit,
daher kommt einmal die Woche in
Psychiater zur Sprechstunde in die
Anlage. Andere haben einen Berg
von Schulden. Viele gehen aber
auch arbeiten und finden einfach
nur keine Wohnung. Birte Röhrig
hat aber auch ein großes Netzwerk,
kann manchmal Ausbildungen etwa
beim Kolpingswerk vermitteln.
Viele Sprachen werden hier
gesprochen: „Ich darf aber auf
die Dolmetscher der Stadt zurückgreifen“, freut sie sich. Sie kann
Integrationskurse anbieten, für die
Familien die Sprechstunde einer
Kinderkrankenschwester.
Im Vergleich zu Pensionen mit
Vierbettzimmern sei diese neue
Anlage „ein Quantensprung“, sagt
sie. Die Bewohner dürfen kostenlos
die Waschmaschine und den
Trockner nutzen, die Hausmeister
und Security-Mitarbeiter seien
zugewandt, verbänden etwa die
nötigen Kontrollen taktvoll mit
dem Austeilen der Post. Man könne
gut zusammenarbeiten.
Das, so sagt sie, gelte auch für
den Helferkreis der Messestadt.
Sie habe für eine alte Frau, die
sie schon an einen dauerhaften
Wohnplatz vermitteln konnte,
schon gezielt Kleidung bekommen.
Ein Neugeborenes werde von den
Helfern mit Windeln versorgt,
für einen älteren Herrn aus Syrien
habe jemand, der Arabisch kann,
eine Patenschaft übernommen.
Ein junger Mann gebe Nachhilfe in
Mathe. Eine Frau beaufsichtige die
Kinder während des Deutschkurses.
Graffe sagt, seine Frau habe
beim Helferkreis die gemeinsame
Nummer hinterlassen. Er halte sich
gerne im Hintergrund, habe aber
schon ein paar Einsätze drüben
in
der
Flüchtlingsunterkunft
hinter sich, die der Kreis auch
betreut. Dort habe er geholfen,
das Kinderzimmer auszustatten.
Er habe mit ein paar Frauen aus
dem Balkan gestritten, weil die viel
zu viel Waschmittel benutzten, bis
er gelernt habe: „Die haben keine
Vollwaschmittel.“ Dann habe er
gespendete Kleidung sortiert, doch
es gab keine Regale. Gar nicht so
einfach, das Helfersein. An Birte
Röhrig schätzt Graffe, „dass sie
den Bedarf gezielt formuliert“. Ein
Helfer komme „hereingestolpert
mit großen Herz und will zupacken,
weiß aber nicht, wie“, da sei der
Profi wichtig. „Es sind auch
spannende Fantasien da über die
Menschen hier“, erklärt Röhrig.
Doch die Vorsicht weiche schnell
der Offenheit.
Auf die Frage, was bei der
Arbeit hier ein Erfolg sei, antworten
Röhrig und Graffe verschieden.
„Ein Mietvertrag in einer eigenen
Wohnung“, sagt Graffe. Für
Röhrig ist es schon schön, wenn sie
echten Kontakt bekommt zu den
Bewohnern,
Lebensgeschichten
kennt, den Bedarf genau erkennen
kann, kleine Fortschritte erzielt wie
etwa ein Einzelzimmer für jemanden
in einer betreuten WG oder einem
Arbeiterwohnheim. Eine richtige,
erschwingliche Wohnung, die finde
sie selbst für ihre neuen Mitarbeiter
oft nur mit Mühe.
Renate Winkler-Schlang,
zuerst erschienen in
www.sueddeutsche.de
am 18. August 2015
24 | Unser Team – Unser Projekt
Ein großer Dank an Frau Dr. Irene Frey-Mann ...
Nach fast 20 Jahren als Leiterin der Arztpraxis im Haneberghaus hat uns Frau
Dr. Irene Frey-Mann in den wohlverdienten Ruhestand verlassen.
Eine Ära ging zu Ende
mit der vergang’nen Jahreswende.
Wohl schweren Herzens hat Frau Dr. Frey-Mann sich abgewendet
und die Leitung der Praxis bei uns beendet.
Sie hat ein Werk hier aufgebaut,
auf das ganz München mit Bewund‘rung schaut.
In fast zwei Jahrzehnten hat sie mit Vorausschau und Bedacht
aus uns’rer Praxis ein Vorzeigemodell gemacht.
Sie hat wohl Tausende von Wunden diagnostiziert,
und noch viel mehr Patienten therapiert,
hat sie von ihrem Leiden dann kuriert,
damit keiner mehr die Schmerzen spürt.
Für sie war es egal, ob versichert oder nicht,
nur zu helfen und zu heilen, das war ihre Pflicht.
An Medikamenten hat es nie gefehlt,
da diese rechtzeitig stets bestellt.
Auch hat sie die nöt’gen Geräte organisiert,
so dass unsre Praxis bestens ausstaffiert.
Dadurch und durch noch viel mehr,
das wir bewundern alle sehr,
hat sie uns eine optimale Praxis übergeben,
die von uns verlangt ein stetes Streben,
dass sie in ihrem Sinn wird weitergeführt,
als unser kleinster Dank, der ihr gebührt.
Den größten Dank kann nur der Herr ihr geben:
Er beschütze und lenke sie auf ihren weit‘ren Wegen,
damit sie den Ruhestand genießen kann,
unsre liebe Frau Dr. Frey-Mann,
vor der wir uns dankbar tief verneigen.
Sie wird uns stets in bester Erinnrung bleiben.
Beide Gecihte: Roman Krivsky
Frau Dr. Irene Frey-Mann Irene Frey-Mann wurde in
Heidelberg geboren und
setzte sich schon während
ihres Studiums der Medizin
für notleidende Menschen in
Tansania ein. Lange arbeitete
sie als Allgemeinärztin in
verschiedenen Städten, bevor
sie die berufliche Veränderung
ihres Mannes nach München
verschlug. Seit fast 20 Jahren
hat sie unsere Arztpraxis
aufgebaut und geleitet.
Foto: Margret Paal
Altabt Odilo Lechner OSB, Sr. Ogmunda Gabler, Dr. Iren
Unser Team – Unser Projekt | 25
... und an Schwester Ogmunda Gabler
Sr. Ogmunda Gabler war seit 18 Jahren die Seele unserer Arztpraxis. Als
Krankenschwester hat sie unzählige unserer Gäste gepflegt und verbunden.
Auch Schwester Ogmunda hat uns verlassen,
wir können es noch gar nicht fassen!
Seit dem Jahreswechsel war sie im Schwesternzimmer nicht zu sehn,
wie soll’s denn ohne sie nur weitergeh‘n?
Wer macht der noch so kleinsten Laus
mit Akribie den sicheren Garaus?
Wer wird sich um das Lager sorgen,
in dem so reiche Schätze sind verborgen?
Wo bleibt ihr Lächeln stets am Morgen?
Wer hat ein Ohr für alle Sorgen?
Wer wird die Wunden reinigen, verbinden?
Wer wird das passende G’wand für spezielle Kunden finden?
Wer leiht den Kunden ein geduldig‘ Ohr,
auch wenn sie betrunken, das kommt manchmal vor?
Wer schickt mit Strenge den Schmutzfink in die Wanne,
Und wer, ja wer hat so ein gutes Herz
leert dazu die Seife, Shampoo, am besten eine volle Kanne,
gepaart mit Verständnis und so manchem Scherz?
damit ein „neuer“ Mensch das Bad verlässt,
der nun sagt: „Das war für mich das Best!“
Sicherlich hat man jemanden gefunden,
nachdem Schwester Ogmunda ist verschwunden,
der versuchen wird, all das zu tun,
Sr. Ogmunda Gabler kommt
während sie nun beginnt, sich auszuruh‘n.
aus einem kleinen Dorf in der
Oberpfalz und ging mit 18
Jahren zu den Mallersdorfer
Schwestern ins Kloster. Sie ist
gelernte
Krankenschwester
und
Altenpflegerin,
war
Leiterin einer Sozialstation
und hat lange in der Sterbebegleitung gearbeitet. Mit 60
kam sie zu uns, jetzt geht sie
mit 77 Jahren in den wohlverdienten Ruhestand.
ne Frey-Mann, Fr. Emmanuel Rotter OSB (v.l.n.r.)
Nach fast zwei Jahrzehnten Aufopferung wohl verdient,
da es sich uns nun wohl geziemt,
ihr zu sagen, wir vermissen dich ganz schmerzlich
und danken dir für alles so sehr herzlich!
Der liebe Gott soll dich für dein Tun reichlich beschenken
und dich durch den Ruhestand schützend lenken.
Das wünschen wir unsrer lieben Schwester Ogmunda,
die uns stets vorkam wie „a Wunda“.
Sr. Ogmunda Gabler in unserer Arztpraxis
26 | Unser Team – Unser Projekt
Wollen Sie unsere Arbeit dauerhaft unterstützen?
Stärken Sie die Bonifatius-Haneberg-Stiftung mit Ihrer Spende oder Zustiftung
– oder bedenken Sie unsere Obdachlosenarbeit in Ihrem Testament
Mit Ihrer Zuwendung können Sie dazu beitragen,
unsere Arbeit mit obdachlosen und armen
Menschen auf eine wirtschaftlich dauerhaft
verlässliche Grundlage zu stellen – mit einer
Zustiftung, einer Spende oder indem Sie
unsere Obdachlosenarbeit in Ihrem Testament
bedenken.
Sollten Sie in Erwägung ziehen, sich durch eine
Zuwendung an der Bonifatius-Haneberg-Stiftung
zu beteiligen, so wenden Sie sich bitte an die
beiden Vorstände
Peter Haslacher
Tel.: 089 – 300 1819
peter.haslacher@t-online.de
oder
Fr. Prior Emmanuel Rotter OSB
Tel.: 089 – 55 17 10
obdachlosenhilfe@sankt-bonifaz.de
die Ihnen jederzeit für ein völlig unverbindliches,
ganz persönliches Informationsgespräch zur
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Ziel der Bonifatius-Haneberg-Stiftung ist eine
langfristige Absicherung der Obdachlosenarbeit
im Haneberghaus. Die Bonifatius-HanebergStiftung ist als gemeinnützig anerkannt, so dass
alle Zuwendungen steuerlich absetzbar sind.
Wir freuen uns über jede Zuwendung, jede
Summe ist uns willkommen. Bitte vergessen
Sie für eine Zuwendungsbestätigung nicht
Ihren Absender (Name + Adresse) im Textteil.
Bonifatius-Haneberg-Stiftung
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BLZ 702 501 50
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großzügige Unterstützung!
Als ehrenamtliche Vorstände der BonifatiusHaneberg-Stiftung fungieren:
Peter Haslacher
Vorstand
Fr. Prior Emmanuel Rotter OSB
Stellvertretender Vorstand
Dem natürlich ebenfalls ehrenamtlichen
Stiftungsrat gehören an:
Abt Dr. Johannes Eckert OSB
Dr. Jürgen Hanreich
Gerhard Johann Huber
Jürgen Langer
Fr. Marcus Riemer OSB
DE56 7025 0150 0009 9525 99
BYLADEM1KMS
Abt Dr. Daniel
Bonifazius
Haneberg OSB
(1816 - 1876),
Gemälde in
der Klausur des
Konventes von
St. Bonifaz
Unser Team – Unser Projekt | 27
Ganz nah an der bayerischen Geschichte
Die Sommerakademie 2015 widmete sich dem Thema „Das barocke Bayern“.
Im Sommer 2016 geht es thematisch um Abt Bonifaz von Haneberg.
Seit 2011 ist ein Höhepunkt
der Bildungsarbeit von St. Bonifaz
die „Sommerakademie“, die vom
Kuratorium der Freunde von St.
Bonifaz unter der Leitung und
Organisation von Herrn Prof. em.
Dr. Hans-Michael Körner, LudwigMaximilians-Universität, ins Leben
gerufen wurde. Rahmenthema ist
jeweils eine im Hinblick auf das
Verhältnis von Staat und Kirche in
Bayern speziell interessante Phase.
Der Säkularisation von 1803
und ihren Folgen (2011), dem
Verhältnis der Katholischen Kirche
zum Nationalsozialismus (2012),
dem Kulturkampf des ausgehenden
19. Jahrhunderts (2013) und dem
Konfessionellen Zeitalter (2014)
waren die ersten Sommerakademien
gewidmet.
Das barocke Bayern
Vom 23. Juni - 28. Juli 2015 fanden
sich unter dem Rahmenthema
„Das barocke Bayern“ nun schon
zum fünften Mal dienstags um
20 h die historisch interessierten
Freunde von St. Bonifaz ein, um
den Vorträgen von renommierten
Fachleuten zu lauschen.
Die ersten drei Vorträge konzentrierten sich auf Grundlagen und Voraussetzungen des
barocken Bayern. Prof. Dr. HansMichael Körner selbst wandte sich
der Begriffsgeschichte und den
epochenspezifischen Charakteristika zu. Dr. Johann Kirchinger
von der Uni Regensburg lenkte
die Aufmerksamkeit auf die
wirtschaftlichen
Grundlagen
des
kulturellen
Engagements
vornehmlich der landständischen
Bistums Passau), die „Die Bavaria
Sancta: Heimstätte von Bildung und
Gelehrsamkeit“ zum Thema hatte.
Den Abschlussvortrag hielt Prof. Dr.
Manfred Eder, Lehrstuhlinhaber für
Kirchengeschichte, Uni Osnabrück.
Er sprach zu „Volksfrömmigkeit
und Frömmigkeitsformen im
barocken Bayern“.
Flyer für die 6. Sommerakademie zum 200.
Geburtstag von Bonifaz von Haneberg
Klöster in Nieder- und Oberbayern.
Dr. Katherina Weigand von der
LMU konnte deutlich machen, dass
uns in der Abfolge der bayerischen
Herrscher von Kurfürst Maximilian
I. bis zu Kurfürst Karl Theodor
ganz unterschiedliche Charaktere
begegnen, sowohl ihr individuelles
Profil als auch ihre politischen Rolle.
Dr. Johannes Erichsen, vormals Präsident der Bayerischen
Schlösserverwaltung, sprach über
„Religion und Frömmigkeit in der
höfisch-adeligen Welt des 17. und
18. Jahrhunderts“. Daran schloss
sich der Vortrag von Frau PD Dr.
Hannelore Putz an (Archiv des
Bitte um Spenden
Auch 2015 hat Fr. Emmanuel im
Rahmen der Sommerakademie
die Gelegenheit genutzt, unsere
Obdachlosenarbeit
vorzustellen
und bei den zahlreichen Zuhörern
um Spenden zu bitten, denn nur
so kann im Haneberghaus jeden
Tag des Jahres unseren ärmsten
Mitmenschen geholfen werden. So
wird deutlich, dass in St. Bonifaz
nicht nur der Dreiklang von
Kirche, Wissenschaft und Kunst
gelebt wird, welchen sein Gründer,
Ludwig I., für das Bauensemble
rund um den Königsplatz im Sinn
hatte. Vielmehr nimmt die tätige
Nächstenliebe im Haneberghaus
längst einen zentralen Platz im
Wirken unserer Abtei ein.
Näheres zum Programm des
Colloquium Benedictinum und
speziell zur Sommerakademie 2016
finden Sie wie gewohnt unter www.
sankt-bonifaz.de. Diesmal wird es
auch für uns thematisch besonders
interessant: Im Zentrum der
Sommerakademie 2016 (21. Juni 26. Juli) werden Leben und Wirken
unseres Namensgebers Abt Bonifaz
von Haneberg stehen, dessen
Geburtstag sich im Jahr 2016 zum
200. Mal jährt.
Vera Schäfer
28 | Unser Team – Unser Projekt
In memoriam – wir gedenken
Verstorbene Gäste des
Haneberghauses in 2015
Edward Wojtkunat
Manfred Mitschke
Pantelija Nedeljkovic
Werner Günther
Cyrus Morteza
Holger Moselewski
Idris Ahmadu
KarlHeinz Ellenschneider
Erna Hagemann
Henia Walchshauser
Michael Schulze
Anto Kostie
Max Käufl
Klaus Dieter Kram
57 Jahre
70 Jahre
78 Jahre
69 Jahre
45 Jahre
65 Jahre
54 Jahre
70 Jahre
90 Jahre
60 Jahre
61 Jahre
82 Jahre
61 Jahre
57 Jahre
Foto: Dr. Reiner Fackler
Noch im September konnte
Frater Ansgar Mößmer, jahrzehntelang Gärtner und Senior
der klösterlichen Gemeinschaft,
seinen 95. Geburtstag feiern.
Nun ist er am 5. Dezember
2015 im Kreis der Mitbrüder
gestorben. Für viele Freunde
von Sankt Bonifaz war Frater
Ansgar, der im 65. Jahr seiner
Profess stand, eine „Institution“
im besten Sinne des Wortes,
auch wenn es in der letzten Zeit
ruhiger um ihn geworden war.
Bis wenige Tage vor seinem
Tod hat Frater Ansgar noch
Adventskränze gebunden und
sie für den Versand – auch
nach Rom – hergerichtet. Bei
einem auf seinen Wunsch hin
schlichten Requiem in der
Andechser
Wallfahrtskirche
nahmen Mitbrüder, Freunde
und Weggefährten Abschied.
Abschied von Fr. Ansgar Mößmer in Andechs
Unser Team – Unser Projekt | 29
Erinnerung an einen guten Freund
Am 14. Januar 2015 jährte sich zum zehnten Mal der Todestag von Rudolph
Moshammer, der vielen Obdachlosen in München ein treuer Freund war
Zehn Jahre sind schon vergangen,
seit das Münchner Original Rudolph
Moshammer in einer kalten Januarnacht
2005 in seiner Grünwalder Villa von
einem Liebhaber ermordet wurde, den
er sich in der Bahnhofsgegend gesucht
hatte.
Mosi, 1940 in München geboren,
war Promi-Schneider, Boulevardfigur und Paradiesvogel, aber er
war auch ein treuer Freund der
besonders Bedürftigen in unserer
Stadt. Moshammers Vater hatte
finanziell Schiffbruch erlitten und
war
vom
Versicherungsdirektor
zum wohnungslosen Alkoholiker
abgerutscht. Aufgrund dieser Kindheitserfahrungen fühlte sein Sohn
Rudolph sich den obdachlosen
Gedenkfeier zum
10-jährigen Todestag von
Rudolph Moshammer in
der Abtei St. Bonifaz
Übergabe der
Spendenschecks an die
Obdachlosenhilfe, die
Teestube „komm“ und an
BISS (v.l.n.r.)
Menschen stets verbunden, er lud sie
zum Weihnachtsessen ein, beschenkte
und besuchte sie unter den Isarbrücken,
durchaus mit medialer Begleitung.
Moshammer unterstützte die
Straßenzeitung
BISS
und
die
Obdachlosenhilfe St. Bonifaz und
gründete im Sommer 2000 die Stiftung
„Licht für Obdachlose“, die nach
seinem Tod in „Rudolph Moshammer
Verein Licht für Obdachlose e.V.“
umbenannt wurde. Ihm sitzt der
Rechtsanwalt Florian Besold vor
und er ist es, der alles daran setzt,
die Erinnerung und damit den Wert
der Marke Rudolph Moshammer zu
erhalten, um beides zugunsten der
Obdachlosen in München zu nutzen.
So lud der Verein auch zum
10-jährigen Todestag von Mosi ein und
legte zunächst einen Kranz an seinem
Mausoleum auf dem Ostfriedhof
nieder. Bei der anschließenden
Gedenkfeier in der Abtei St. Bonifaz
würdigten
Schriftsteller
Gerd
Holzheimer und Schauspieler Peter
Weiß den Modezaren mit einer Lesung.
Der Verein „Licht für Obdachlose”
spendete zu diesem Anlass insgesamt
23.000 Euro an die Straßenzeitung
BISS, die Obdachlosenarbeit der
Abtei St. Bonifaz sowie an die
Teestube „komm” des Evangelischen
Hilfswerks. Im Anschluss spendierte
man im Pfarrsaal von St. Bonifaz ein
Weißwurstessen für Obdachlose.
Vera Schäfer
30 | Unser Team – Unser Projekt
Suppe & Begegnung – der Mittagstisch der MMK
Die Marianische Männerkongregation hat am 4. Mai 2015 ihren neuen
„Mittagstisch am Bürgersaal“ in der Kapellenstraße eröffnet
Der neu eröffnete Mittagstisch
in der Bürgersaalkirche hat einen
ganz besonderen Lieferanten:
Das Hofbräuhaus (aktuell: „Zum
Augustiner“ in der Neuhauser
Str.; die Red.). Doch es geht
nicht nur darum, den Hunger
zu stillen. Heutzutage gibt es
viele Menschen, die einsam sind.
Daher soll es auch genügend Zeit
für Gespräche geben.
Mitten in der Münchner
Innenstadt hat in dieser Woche der
neue Mittagstisch der Marianischen
Männerkongregation (MMK) eröffnet. Im Sinne des Seligen Pater
Rupert Mayer gehe es darum,
niemanden auszuschließen, so
MMK-Präfekt Matthias Hoffmann.
Der Mittagstisch solle aber nicht
allein den leiblichen Bedürfnissen
dienen. Heutzutage gäbe es ganz
andere Nöte: Viele Menschen seien
einsam und hätten niemanden, der
ihnen zuhört. Beim Mittagstisch
seien alle Menschen willkommen.
Es gehe darum, die Möglichkeit zur
MMK-Präfekt
Matthias Hoffmann
und Bischofsvikar
Rupert Graf zu
Stolberg haben
den ersten Teller
ausgeteilt
Foto: Kiderle
zwischenmenschlichen Begegnung
und zum Gespräch zu bieten.
Außerdem sollen die Menschen die
Marianische Männerkongregation
besser kennenlernen, so Hoffmann.
Die offizielle Eröffnung fand am
Donnerstag mit einem Gottesdienst
in der Bürgersaalkirche statt.
Zelebrant war Bischofsvikar Rupert
Graf zu Stolberg, der im Anschluss die neuen, hellen Räume
segnete. Sie befinden sich im
komplett neu erbauten Anwesen
der Kapellenstraße 1, hinter der
Bürgersaalkirche. Für München
sei das ein sehr wichtiger Ort,
sagte Stolberg den Münchner
Kirchennachrichten. In einer Stadt,
die zu den teuersten in Deutschland
gehört, sei es wichtig, andere
Akzente zu setzen und auf die zu
schauen, die nicht Schritt halten
können.
Eine ältere Dame sitzt an einem
der gemütlichen Holztische und isst
die angebotene Gulaschsuppe. Sie
ist von dem Angebot begeistert:
„Ich bin alleinstehend. Wenn ich
mittags in die Kirche gehe und
bis ich dann heimkomme und mir
eine Kleinigkeit zu essen mache,
ist es vier Uhr und ich bin wieder
alleine. Und so komme ich in
ein Gespräch“. Das Essen liefert
täglich das Münchner Hofbräuhaus.
Sie stellen es für die gute Sache
kostenlos zur Verfügung.
Geöffnet ist der Mittagstisch von
Montag bis Freitag von 13 Uhr bis
14.15 Uhr (letzte Essensausgabe).
Die Räume befinden sich in der
Kapellenstraße 1 in der Münchner
Innenstadt.
Das Jahr 2015 steht bei der
Marianischen Männerkongregation
am Bürgersaal zu München ganz
im Zeichen des Gedenkens an
den 70. Todestag des seligen
Pater Rupert Mayer SJ am 1.
November. Denn Pater Mayer
war von 1921 bis 1945 ihr Präses.
Münchner Kirchennachrichten,
8. Mai 2015, (kas/flo)
Unser Team – Unser Projekt | 31
Stimmen zum neuen Mittagstisch am Bürgersaal – Beim BR und in der
„Sodalen-Brücke“ der MMK wird berichtet
(...) Ja, ich möchte sagen, es ist
ein Lichtblick im geschäftlichen
Treiben der Münchener Innenstadt,
wenn wir heute die Räumlichkeiten
für
den
„Mittagstisch
am
Bürgersaal“ offiziell eröffnen und
den Segen Gottes dafür erbitten.
(...) Und dies umso mehr, als dieser
Mittagstisch ja nicht nur eine reine
Abspeisung sein, sondern zu einer
Begegnungsstätte werden soll, (...),
zu einem Ort der Menschlichkeit und
zu einem wichtigen Ort kirchlicher
Präsenz in der Innenstadt. (...)
Dieser Farbtupfer wird am
heutigen Tag durch die Eröffnung
des Mittagstisches am Bürgersaal
verstärkt und gibt so vielleicht ein
ausgewogeneres buntes Bild von
Kirch hier in München ab. (...)
Bischofsvikar Rupert Graf zu
Stolberg bei der Eröffnung
(...) Ein kostenloses Mittagessen
– immer mehr Menschen sind auf
Die Münchner Bürgersaalkirche der
Marianischen Männerkongregation in der
Neuhauser Straße
Foto: flickr.com
diese Hilfe angewiesen. Mitten
in der Münchner Fußgängerzone
gibt es daher Suppe und Brot für
Bedürftige. Willkommen ist jeder.
(...) Mehr als 20 Essensausgaben
für bedürftige Münchner gibt es
derzeit in der Landeshauptstadt.
Sie werden dringend benötigt und
dankbar angenommen. Dabei geht
es um weit mehr als ein wenig
kostenlose Suppe und Brot. Platz
nehmen an einem gedeckten Tisch
mit anderen Gästen, erzählen und
zuhören können – angenommen
werden, einfach als Mensch. (...)
BR, stationen, 27.Oktober 2015
(...) Mit Beginn des für jedermann
kostenlosen Mittagstisches startete
eine sehr spannende und für uns
völlig neue Herausforderung im
kurz zuvor fertiggestellten Neubau
hinter der Bürgersaalkirche.. (...)
Dabei stellte sich rasch heraus,
dass unser Angebot von einfachem
Essen in Form von Suppe und Brot,
vor allem aber die Möglichkeit zum
Verweilen für einen gegenseitigen
Gedankenaustausch
und
ein
Gespräch sehr gut ankommt. (...)
Matthias Hoffmann, Präfekt
(...) Bezüglich der Arbeit unseres
Mittagstisches sind Ähnlichkieten
beim Handeln von Klöstern an ihren
Gästen auszumachen. So können
Klöster, die seit Jahrhunderten
nach den Regeln des Heiligen
Benedikt geleitet werden und ihren
Gästen gegenüber eine GastgeberKultur entwickelt haben, auch uns
Leitlinien bieten. (...)
Dr. Ingulf Planeth
in der Sodalen-Brücke 2/2015
32 | Unser Team – Unser Projekt
Beste Grüße aus dem Vatikan
Ende Oktober 2015 hatte Fr. Emmanuel an den Papst geschrieben und von der
Arbeit im Haneberghaus berichtet – Anfang Dezember kam die Antwort
Jorge Mario Bergoglio SJ ist
seit dem 13. März 2013 als Papst
Franziskus der 266. Bischof von
Rom und damit Oberhaupt der
katholischen Kirche. Der 1936
geborene Argentinier italienischer
Herkunft ist der erste Amerikaner
und erste Jesuit auf dem Heiligen
Stuhl, auf den zuletzt 167 Jahre zuvor
ein Ordensangehöriger gewählt
wurde. Er war Chemietechniker,
bevor er 1958 in den Jesuitenorden
eintrat und später ein Studium der
Geisteswissenschaften (1960) und
Theologie (1970) abschloss. 1969
wurde Bergoglio Priester, 1998
Erzbischof von Buenos Aires und
2001 Kardinal.
Seinen Namen „Franziskus“
nach dem heiligen Franz von Assisi
wählte der neue Papst mit Bedacht.
Franz von Assisi ist für ihn ein
Vorbild als Mann der Armut und
des Friedens, der die Schöpfung
liebte und bewahrte. Ganz in seinem
Sinne gibt sich Bergoglio als Papst
demütig und bescheiden, er steht
der Seite der Armen und hat ein
Herz für Obdachlose. Für sie ließ er
rund um den Petersplatz Duschen
bauen und Schlafsäcke verteilen.
Am zweiten Jahrestag seiner
Papstwahl kündigte Franziskus ein
außerordentliches Heiliges Jahr
der Barmherzigkeit an, das am
8. Dezember 2015, dem Fest der
Unbefleckten Empfängnis, mit der
Öffnung der Heiligen Pforte im
Petersdom eröffnet wurde.
Pünktlich zu dessen Beginn
antwortete das Staatssekretariat,
zentrales Amt der Kurie, im Auftrag
von Papst Franziskus auf den
Brief von Fr. Emmanuel, in dem
er mit Film und Jahresbericht vom
Haneberghaus berichtet hatte, und
dankte allen Beteiligten für die dort
geleistete Arbeit.
Vera Schäfer
Antwortschreiben
aus dem
Staatssekretariat
im Vatikan
Unser Team – Unser Projekt | 33
Ein herzlicher Dank gilt allen Sachspendern
Unsere Obdachlosenhilfe erhält von zahlreichen Sachspendern vielfältige
Unterstützung – ihnen wollen wir von Herzen danken!
Damit es keine Missverständnisse
gibt, wollen wir auch diesmal wieder,
genau wie im Jahresbericht 2014 im
vergangenen Jahr, keine einzelnen
Namen nennen, sondern nur allen
Sachspendern von Herzen danken.
Auch Ihr Beitrag ist entscheidend
für das Gelingen der Obdachlosenarbeit im Haneberghaus. Darum ein
herzliches „Vergelt‘s Gott“!
Wir freuen uns immer über
saubere gebrauchte Herrenbekleidung, vor allem über Jeans
in kleinen Herren-Größen sowie
über neue Unterwäsche und
Socken, aber auch über Körperpflegeartikel und (bitte nur nach
Absprache) über Lebensmittelund Medikamentenspenden.
Fr. Emmanuel Rotter OSB
Wir danken insbesondere ...
• den zahlreichen Stiftungen, Vereinen und
kommunalen Organen
• einer ganzen Reihe von Unternehmen für
ihre Sachspenden
• befreundeten Klöstern v.a. für ihre
Kleiderspenden
• den Spendern von Kleiderspenden
im großen Stil und den vielen kleinen
Spendern
• unseren Freunden und Förderern für Brot,
Gebäck, Kuchen und Gemüse
• und allen unseren sonstigen Sachspendern
Kloster und Benediktus-Brunnen Foto: www.wikipedia.de
34 | Menschen
„Es sind diese kleinen Dinge, die für die Menschen
wichtig sind.“
Dr. Gertraud Burkert, im Kuratorium des Fördervereins „Freunde der Benediktinerabtei St. Bonifaz e.V.“ verantwortlich für Soziales, über das Haneberghaus
Über viele Jahre hinweg galt sie als das soziale
Gewissen der wohlhabenden Stadt München:
Gertraud Burkert. Von 1993 bis 2005 hatte die
gebürtige Münchnerin als 2. Bürgermeisterin die
Verantwortung für alles Soziale, für Schule, Sport
und Bürgerangelegenheiten. Ihre gesundheitlicher
Zustand zwang sie damals vorzeitig den – wie sie
Was empfinden Sie, wenn Sie ans
Haneberghaus kommen, wenn Sie die
Menschen dort sehen?
Gertraud Burkert: Meine
Gefühle sind gespalten: Einerseits
freue ich mich über die Arbeit, die
dort geleistet wird, andererseits
verfolge ich die Entwicklung der
Wohnungslosigkeit mit Sorge. Denn
seit längerem sehe ich zunehmend
mehr Menschen, die keine
Wohnung, die kein Obdach haben
in München und sehe auch, wie
ihre Zahl stetig steigt, wie sie immer
jünger werden und wie immer mehr
dabei sind, von denen ich überzeugt
bin, dass sie sich nichts sehnlicher
wünschen als Dach über dem Kopf.
Rührt Sie die Not der Menschen
auch noch nach so vielen Jahren des
professionellen Umgangs mit derselben?
GB: Man kann damit nur
professionell umgehen, wenn man
sich die Dinge vor Ort anschaut,
vor allem den notleidenden
Menschen direkt begegnet, dann
hat man auch andere Prioritäten
in der Politik. Grundsätzlich sind
viele dieser Begegnungen aber nicht
sagt – „schönsten Job der Welt“ aufzugeben. Doch
ruhig ist es seitdem nicht wirklich geworden für die
Ruheständlerin. Die Familie und vor allem ihre vielen
Enkel halten sie auf Trapp, wie sie sagt; und natürlich
das Ehrenamt, z.B. ihr Engagement für Sankt Bonifaz
und das Haneberghaus. Clemens Finzer hat Dr.
Gertraud Burkert getroffen.
einfach. Zwar fällt es mir als Frau
leichter auf Frauen zuzugehen,
z.B. in der Einrichtung Karla 51
in der Karlstraße, vor allem, wenn
noch Kinder da sind, dann ist es
ziemlich unkompliziert, man redet
dann von Mutter zu Mutter oder
Oma zu Mutter. Bei Männern ist
das ein wenig schwieriger, obwohl
es leichter wird, wenn man älter
ist. Ich stelle auch fest, dass gerade
Männer aus anderen Ländern
ältere Frauen relativ respektvoll
behandeln, respektvoller bisweilen
als viele es bei uns tun. Das geht
mit dem Sitzplatzangebot in der
U-Bahn los, beim Türe-Aufhalten,
beim Kontakt, es ist grundsätzlich
einfach mehr Achtung vor dem
Alter da.
Was bedeutet die Obdachlosenhilfe in
Sankt Bonifaz für die Stadt München?
GB: Ich denke, dass gerade
das Haneberghaus eine ganz
wichtige Einrichtung ist innerhalb
der
Wohnungslosenfürsorge.
München hat eine ganze Reihe
von Institutionen, die sich um
Wohnungslose kümmern, aber das
Dr. Getraud Burkert, Sozial-Bürgermeisterin von München a.D., Freundin des Haneberghauses
Menschen | 35
Besondere am Haneberghaus ist,
dass man eben nicht seinen Ausweis
vorzeigen muss, denn es gibt eben
Menschen, die – aus welchen
Gründen auch immer – dieses nicht
können, nicht wollen. Ein Zweites
ist, dass hier – ich will dabei den
anderen Einrichtungen nichts
absprechen – durch die vielen
Ehrenamtlichen doch eine ganz
starke Zuwendung spürbar ist. Es
genügt oft ein Lächeln, oder dass
jemand sagt, Schwester Monika
z.B. „Ach, sind Sie wieder da?
Freut mich, wie geht’s?“ Das sind
diese kleinen Dinge, aber für diese
Menschen sind sie ganz wichtig.
Knappes Gut Wohnraum
München ist eine reiche Stadt – tut sich
die Stadt gegenüber den Armen besonders
schwer?
GB: Besonders schwer ist es
natürlich dadurch, dass München
einen enormen Zuzug hat. Wir
hatten Anfang der 90er Jahre 1,3
Million Einwohner, heute haben
wir 1,5 und die Menschen wollen
untergebracht werden. München
hat zum Glück noch städtische
Wo h nu n g s b a u g e s e l l s ch a f t e n ,
andere Städte haben die ja verkauft
und für einen Investor ist es
natürlich sehr lohnend, Wohnungen
zu kaufen und hohe Mieten zu
verlangen.
Ich habe immer ein Problem,
dass der Boden ein Gut ist, das
jeder braucht, nämlich mit einer
Wohngelegenheit darauf, und
das dieser Boden nicht beliebig
vermehrbar ist. Bei manchen
Dingen, die nicht für jeden
notwendig sind, da kann man
verlangen, was man will und wenn
genügend vorhanden ist, sinkt der
Preis ohnehin. Aber begrenzter
Boden und freie Marktwirtschaft ist
für mich ein Problem.
Welche Herausforderung bringen
Asylsuchende für die Wohnungslosenarbeit?
GB: Wenn wir über den
Wohnungsmarkt reden, dann
stimmt es, dass die Asylsuchenden,
die anerkannt und geduldet sind, ein
Recht auf Wohnung haben; und es
gibt zweifellos Wohnungslose, die
das als Konkurrenz sehen. Die Stadt
könnte ungeachtet der Vorschriften
einfachere
Wohnungen
zur
Verfügung stellen, z.B. für wohnungslose Männer. Diese sind oft
schon glücklich mit einfacheren
Begebenheiten, einem kleineren
Zuhause z.B. wie im Ledigenheim,
wo die Bewohner ein Zimmer
haben, eine Gemeinschaftsküche,
sie wollen da gar nicht raus.
D.h. wir sollten uns vielleicht auch
im Wohnungsbau auf Einfacheres
einstellen ohne zu sagen, „für die
tut es das schon“; eher aus dem
pragmatischen Gedanken heraus,
manche brauchen und wollen
gar nicht mehr. Wenn ich denke,
viele Studentinnen und Studenten
organisieren sich ihre Möbel und
Einrichtungsgegenstände auf dem
Flohmarkt, so auch unsere Tochter
– und ihre Küche ist sehr gemütlich.
Was hat sich Ihrer Meinung in den
letzten Jahren für das Haneberghaus
geändert?
GB: Das Haneberghaus hatte
zum Beispiel einige Bäder, die für
die Obdachlosen früherer Zeiten
ausreichten. Jetzt wurden es aber
viel zu wenige, wenn junge Männer
– vor allem aus Osteuropa - in
der Frühe kommen, die duschen
wollen und Arbeit suchen. Sie sind
gut angezogen, gepflegt, nicht
das, was man traditionell unter
Gertraud Burkert wurde
am 21. März 1940 in München
geboren, sie studierte Germanistik, Altphilologie und
Geschichte in München und
Wien und promovierte zum Dr.
phil. an der LMU.
Über 20 Jahre engagierte
sie sich im Bezirksausschuss 16
Ramersdorf - Perlach, bevor sie
1990 ehrenamtliche Stadträtin
der SPD wurde. Von 1993 bis
2005 war sie unter Christian Ude
2. Bürgermeisterin der Stadt
München und damit zuständig
für die Sozialausschüsse, die
Ausschüsse f. Schule und Sport,
den
Kommunalausschuss,
für
Bürgerangelegenheiten
und die Bezirksausschüsse.
Zugleich war Gertraud Burkert
Aufsichtsratsvorsitzende des
Münchner Tierparks und des
Münchenstifts.
Wegen einer Herzerkrankung musste sie 2006 vorzeitig
aus dem Amt ausscheiden, aber
sie engagiert sich weiterhin
in vielfältiger Hinsicht ehrenamtlich, u.a. in der Lebenshilfe,
im Diözesanrat der Katholiken,
in der bischöflichen Frauenkommission, aber auch im
Kuratorium der „Freunde der
Benediktinerabtei St. Bonifaz
e.V., unserem Förderverein,
wo sie dem Arbeitskreis
„Soziales“ vorsteht. Neben all
den Ehrenämtern ist Gertraud
Burkert eine sehr engagierte
Großmutter, die zusammen
mit ihrem Mann zwei ihrer
sechs Enkel täglich betreut.
Anfang
2014
wurde
Dr. Gertraud Burkert vom
Münchner Stadtrat für ihren
langjährigen Einsatz für ein
soziales München die Ehrenbürgerwürde verliehen. Dazu
und zu ihrem 75. Geburtstag
im März 2015 gratulieren wir
von Herzen!
V.S.
36 | Menschen
den „Männer unter der Brücke“
versteht, sondern, die gehen
dann und suchen oft verzweifelt
Arbeit und werden teilweise brutal
ausgenutzt mit einem Stundenlohn
von 5 Euro. Das ist ein Problem;
aber sie versuchen hier auf die
Beine zu kommen und dabei noch
Geld zu sparen, um es nach Hause
zu schicken.
Sozialpolitik gefordert
Wen sehen Sie da vor allem gefordert?
GB: In München ist natürlich
weiterhin die Sozialpolitik der Stadt
gefordert. Sehr dankbar bin ich
dafür, dass die Landeshauptstadt
das
Haneberghaus
mit
ins
Programm aufgenommen hat,
und beispielsweise den Ausbau
der Duschen mit einem größeren
Betrag förderte und auch bei
einer Renovierung das Kloster
unterstützt.
Lange
Zeit
wurde
das
Haneberghaus von der Landeshauptstadt nicht gesehen. Jetzt sieht
man aber, dass dort entsprechend
der christlichen Werte gehandelt
wird, indem keine Fragen gestellt
werden, wer kommt oder ob
derjenige schuld ist an seiner
Wohnungslosigkeit, ob er sich
bemüht um eine Wohnung oder
nicht, sondern, dass den Menschen
geholfen wird, jetzt, hier und in
diesem Augenblick und da gibt
es wenige Einrichtungen, die so
vorgehen.
Welche
Rolle
spielen
die
Ehrenamtlichen bei all dem?
GB: Ohne die Ehrenamtlichen
geht nichts und ich bin auch
überzeugt, München hat – auch
zum Teil durch die kirchlichen
Traditionen – eine besondere Kultur
der Ehrenamtlichen. Dass auch die
Flüchtlingssituation so gut bewältigt
wurde, hängt sicher auch damit
zusammen, dass es hier schon seit
langem eine Ehrenamtskultur gibt,
die auch von der Stadt unterstützt
wurde; denn die Stadt weiß auch:
Ohne Ehrenamt geht nichts! Aber
Ehrenamt braucht auch Hauptamt,
sonst wird es schwierig.
Sind Sie als Münchnerin auch etwas
stolz darauf?
GB: Wir Münchner können alle
ein wenig stolz darauf sein, dass
die Stadt in ihrer Hilfsbereitschaft
im letzten Sommer und Herbst
weltweit bewundert wurde. Es gibt
diese Traditionen, eben solche, wie
sie auch am Haneberghaus schon
seit langem gepflegt werden: Wo
Hilfe benötigt werden, fragen wir
nicht lange, sondern packen zu!
Was wünschen Sie dem Haneberghaus
und seinem Team?
GB: Einerseits, dass es in
absehbarer Zeit überflüssig wird,
dass man hier nur noch feiert mit
Ehemaligen, das wäre ein toller
Wunsch. Gleichzeitig wünsche
ich Frater Emmanuel und seinem
Team noch mehr Freundinnen und
Freunde, Menschen, die bereits
sind, für das Haneberghaus Zeit
und/oder finanzielle Unterstützung
einzubringen. Und dass die Stadt
natürlich weiterhin die Notwendigkeit dieser Einrichtung erkennt und
sich auch entsprechend engagiert.
Interview:
Clemens Finzer,
Bayerischer Rundfunk
Vorsitzender des
Pfarrgemeinderats St. Bonifaz
Dr. Gertraud Burkert
Foto: www.muenchenstift.de
Menschen | 37
Mein Nachbar, der Obdachlose
In Martinsried ist ein Obdachloser an einer Bushaltestelle verstorben. Einige
Anwohner vermissen ihn und schrieben einen Leserbrief an den Wochenanzeiger
Am 10. Oktober 2015 verstarb
Reinhard Altreuter an einer Bushaltestelle. Er war ein Obdachloser, der in Martinsried von
vielen Menschen geschätzt
wurde. Die Umstände seines
Todes veranlassten die Nachbarn dazu, die Leser der
Münchner
Wochenanzeiger
darauf aufmerksam zu machen,
gerade zur kalten Jahreszeit
Menschen ohne Dach über dem
Kopf die Hand zu reichen und
ihnen zu helfen – auch wenn das
oft nicht einfach ist. Katharina
Sebestyen schrieb folgenden
Abschiedsbrief im Namen der
betroffenen Nachbarn:
Die Nachbarn kannten ihn, wie er
mit seinem langen Haar und seinem
langen Bart, bepackt mit unzähligen
Taschen, durch Martinsried und
Planegg spazierte. Sprach man ihn
an, war er zurückhaltend, doch
stets höflich. Er kam mir fast ein
wenig überfordert vor, als ich ihn
eines Tages fragte, ob er etwas
bräuchte. Nie hat er gebettelt oder
gar um Geld gebeten. Da gebe es
ein paar Leute, die ihn mit Essen
und Trinken versorgten (wie ich
später erfuhrt, waren es sogar die
Nachbarskinder, die mit ihm ihre
Schokolade teilten).
Das Wohnheim in der Pilgersheimer Straße kenne er wohl, doch
er beschwerte sich über die dortigen
Verhältnisse. Einen Fernseher im
Zimmer, das wolle er nicht, das sei
er nicht mehr gewohnt, da bleibe
er lieber hier draußen! Die letzten
Tage hatte er unser Bushäuschen
als sein Schlafquartier gewählt. Als
Münchner Bushaltestelle
Foto: www.tz.de
die Tage kürzer und die Nächte
kälter wurden, machte ich mir doch
langsam Sorgen um ihn, doch nicht
nur ich. Die Gemeinde Planegg
wurde immer öfter von besorgten
Bürgern angerufen, aber es war
schwierig, ihm zu helfen. Um in
einer Unterkunft für Obdachlose
übernachten zu können, hätte
Reinhard sich einer ärztlichen Untersuchung unterziehen müssen, doch
hat er dies verweigert.
Anfang Oktober hat er dann
doch Passanten um Hilfe gebeten,
da es ihm nicht gut ging. Er
beklagte sich über andauernde
Übelkeit. Doch die gerufene Polizei
und Sanitäter konnten keinen
akuten Notfall erkennen, weder
war er betrunken noch kurz vor
einem Zusammenbruch. Alkohol
sah und roch man tatsächlich nie
bei ihm. Da Reinhard auch nicht
mehr gesetzlich krankenversichert
war, wäre ärztliche Betreuung auch
im Krankenhaus nicht garantiert
gewesen.
Als ich ihn die letzten Abende in
seiner Bushaltestelle besucht habe,
hat er sich sehr über eine deftige
Gemüsesuppe und einen heißen
Früchtetee
gefreut.
Reinhard
wollte Hilfe, doch nicht unter jeder
Bedingung. Er war ein Mann mit
Stolz, der sich unserem System
nicht mehr anpassen konnte.
Es war ein Samstag, als Reinhard
seine Bushaltestelle nicht mehr
verlassen hat. Ich vermutete, er
habe einen „faulen Tag“. Am
Abend wollten mein Mann und ich
nochmal nach ihm schauen, es kam
uns seltsam vor, dass er den ganzen
Tag dort gelegen hatte. Doch als er
nicht auf uns reagierte, da wurde
uns langsam klar, welch hohen Preis
Reinhard gezahlt hatte ...
Am Samstag, den 10. Oktober
2015, ist Reinhard in einer
Bushaltestelle
in
Martinsried
gestorben, er ist nur 58 Jahre alt
geworden. Die Nachbarn nehmen
nun Abschied und haben ein
paar Kerzen und Blumen in seine
Bushaltestelle gelegt. Nachdem
Obdachlose anonym bestattet
werden, wird hier die letzte Gedenkstätte an Reinhard Altreuter für die
Martinsrieder Nachbarn sein. Die
Anteilnahme und Hilfsbereitschaft
in unserer Nachbarschaft hat alle
Anwohner gerührt.
Im Namen von Reinhard können
wir nur bitten: Verschließen auch
Sie nicht die Augen vor der Not, die
direkt vor Ihrer Haustüre herrscht!
Vertrauen Sie nicht darauf, dass
irgendwer schon helfen wird oder
die Person das so wolle. Seien Sie
selbst derjenige, der hilft! Es bedarf
keiner großen Taten, oft ist schon
ein Wort der erste Schritt.
Katharina Sebestyien
mit Sylvia und Ernst Hornig
38 | Menschen
Der lettische Patient
Manche unserer Gäste sind nicht nur obdach- und mittellos. Sie sind auch
schwer krank und ohne irgendwelche Angehörigen. Hier eine Geschichte von
der Bahnhofsmission, die so auch im Haneberghaus passiert sein könnte.
An einem Freitagabend Anfang
April um 18 h wurde ein Klient
von der Polizei zu uns in die
Bahnhofsmission gebracht. Er
hatte ein Schreiben in Form eines
vorläufigen Arztbriefes – gerichtet
an den weiterbehandelnden Arzt
– bei sich, als Meldeadresse bzw.
Wohnort wurde die Bahnhofsmission genannt.
Die Polizei teilte uns mit, das
Krankenhaus, eine Klinik in privater
Trägerschaft in München, hätte um
den Transport zur Bahnhofsmission
gebeten, da der Patient – es wurde
bei ihm ein fortgeschrittenes und
metastasierendes Lungenkarzinom
diagnostiziert – bei ihnen nicht mehr
länger stationär behandelt werden
könne. Grund: Die ungeklärte
Kostenübernahme. Die Klinik bitte
des Weiteren um Unterbringung
in einer Obdachloseneinrichtung.
Der
Krankenhaus-Sozialdienst
habe bereits das lettische Konsulat
kontaktiert – dieses verweigere
jedoch jegliche Zuständigkeit.
Unserer Datenbank konnte
ich folgendes entnehmen: Herr V.
ist lettischer Staatsbürger, er hielt
sich seit Januar 2013 zum Zwecke
der Arbeitssuche in München auf.
Von der Bahnhofsmission war er
mehrmals über die Kälteschutzanweisung der Stadt München in
der Bayernkaserne untergebracht
worden.
Zwei Plastiktüten und Morphium
Am Freitagabend befand sich Herr
V. in einem äußerst schlechten
gesundheitlichen Zustand. Er
war stark abgemagert und hatte
Atemprobleme. Geduldig und
ergeben wartete er ab, was weiter
passieren würde. Seine persönliche
Habe bestand aus zwei Plastiktüten,
obenauf lag eine Blisterpackung
mit Morphiumtabletten.
Wir kontaktierten sofort eine
Russisch sprechende Mitarbeiterin,
da eine Verständigung mit Herrn V.
in keiner anderen Sprache möglich
war. Als lettischer Staasbürger,
Foto: Fabian Mohr
Erschöpfte Gäste im Aufenthaltsraum des Haneberghauses
Menschen | 39
erst seit kurzer Zeit in München
arbeitssuchend, ergaben sich für
Herrn V. in Deutschland keinerlei
Ansprüche auf Unterbringung
oder sonstige Leistungen.
Vor allem war für uns aber
sofort klar, dass Herr V. dringend
weiter medizinische Versorgung
brauchte. Wir kontaktierten sofort
ein Krankenhaus in kirchlicher
Trägerschaft. Dieses sagte uns
nach längerer Rücksprache mit der
ärztlichen Leitung die stationäre
Aufnahme zu. Bedingung hierfür
war jedoch ein klärendes Gespräch
mit der Klinik, die den Patienten
in die Bahnhofsmission geschickt
hatte.
Von Dienstarzt zu Dienstarzt
wurde daraufhin die Wiederaufnahme von Herrn V. zugesagt
und wir schickten den Klienten
um 21:30 h mit dem Taxi
(finanziert aus Spendenmitteln
der Bahnhofsmission) zurück zur
entlassenden Klinik. Zwei Stunden
später rief die diensthabende
Aufnahmeärztin von dort wieder in
der Bahnhofsmission an und teilte
mit, sie könne den Patienten aus
den bereits bekannten Gründen
nicht aufnehmen und würde erneut
die Polizei holen.
Nach mühseligen Recherchen
am nächsten Tag erfuhren wir,
dass Herr V. von der Polizei in
das städtische Unterkunftsheim in
der Pilgersheimer Straße gebracht
worden war. Er verbrachte die
restliche Nacht im Zimmer neben
der Pforte, weil es dem Pförtner
zu unsicher war, ihm in seinem
schlechten Zustand ein weiter
entferntes Zimmer zuzuweisen.
Am Samstagnachmittag nahm
ich Kontakt mit der diensthabenden Sozialarbeiterin in der
Pilgersheimer Straße auf und
bemühte mich daraufhin nochmals
um eine Einweisung in das kirchliche
Krankenhaus. Dies klappte dann
recht schnell, wir organisierten
den Transport von Herrn V. in die
Klinik und gaben ihm einen Brief
für die behandelnden Ärzte und den
Sozialdienst mit Informationen und
unseren Kontaktdaten inklusive
der
Telefonnummer
unserer
Dolmetscherin mit.
Palliativ statt „Coming Home“
Am Montag kontaktierte uns
der Krankenhaus-Sozialdienst und
wir vermittelten den Kontakt zu
„Coming Home“, dem Büro für
Rückkehrhilfen im Sozialreferat
der Landeshauptstadt. Bei ärztlich
bescheinigter Reisefähigkeit hätte
Coming Home die Rückreise nach
Lettland organisiert, Herr V. hatte
uns gegenüber bereits den Wunsch
geäußert, in sein Heimatland
zurückkehren zu wollen.
Am Dienstag bekamen wir die
Nachricht, dass Herr V. auf die
Palliativstation verlegt wurde und im
Sterben liege. Am darauffolgenden
Donnerstag ist Herr V. dann auf
der Palliativstation verstorben.
Die Recherchen des Städtischen
Bestattungsdienstes ergaben dann,
dass Herr V. in Lettland keine
Angehörigen hat. Daraufhin wurde
Herr V. drei Wochen nach seinem
Tod in einem Sammelurnengrab in
München beerdigt.
Bettina Spahn,
Krankenschwester
Hauptamtliche Leiterin der
Katholischen Bahnhofsmission
am Hauptbahnhof München
Vor der Arztpraxis im Haneberghaus
Foto: Fabian Mohr
40 | Menschen
Von der Bühne ins Kloster und wieder zurück
Michael Patrick Kelly war charismatischer Bandleader der Kelly Family und
Teenagerschwarm. Dann ging er für sechs Jahre ins Kloster. Seit 2010 ist er
als Solokünstler unterwegs. Ende 2015 kam er mit einem Filmteam des ORF
zu St. Bonifaz, sprach mit Abt Johannes und besuchte das Haneberghaus.
Mit 15 Jahren komponierte „Paddy Kelly“, wie sich
Michael Patrick Kelly damals nannte, den Hit „An
Angel“, der sich ein Jahr lang in den deutschen
Charts hielt. Das war am Höhepunkt der Karriere
der Kelly Family. Sie gehörten in den 1990er
„Der rote Faden meines Lebens
ist die Suche“, sagt Michael Patrick.
2003 zog er sich in ein Kloster nach
Burgund zurück. Als Bruder John
Paul Mary lebte er dort als Mönch
in der Johannes-Gemeinschaft mit,
studierte Theologie und Philosophie.
„Ich habe in meinem Leben
immer nach Glück und Sinn gesucht.
Erst später wurde mir bewusst, dass
ich eigentlich immer Gott gesucht
habe“, erzählt der heute 37-jährige
Michael Patrick Kelly. „Ich bin
ins Kloster eingetreten, ohne
Jahren mit mehr als 20 Millionen verkauften
Alben zu den erfolgreichsten Bands Europas.
Seit damals hat sich jedoch viel verändert. Heute
sagt er: „Der Höhepunkt in meiner Karriere war auch
der Tiefpunkt in meiner Seele.“
zu wissen, wie lange ich bleiben
werde – drei Monate, drei Jahre,
ein ganzes Leben? Ich wusste nur,
ich muss diesen Schritt machen, um
gewisse Dinge für mich persönlich
zu klären, auch um zu mir selbst
zu finden. Vor allem aber wollte
ich einen Lebensstil führen, wo ich
mich wirklich mit der Gottesfrage
beschäftigen konnte.“
Sechs Jahre lang blieb Michael
Patrick Kelly im Kloster. Doch
letztlich habe er sich nicht zum
Leben als Mönch berufen gefühlt.
„Wenn eine Gitarre nicht in der
Michael Patrick Kelly bei seinem Besuch in Santkt Bonifaz
Foto: ORF
richtigen Stimmung ist, dann muss
man sie nachstimmen. Und diese
Zeit im Kloster war für mich
auch eine Art Nachstimmung und
Einstimmung auf die Frequenz,
wo ich am besten klinge. Und jetzt
kommt die Frucht sozusagen aus
dieser Einstimmung in den Liedern,
die ich heute mache.“
Heute steht Michael Patrick Kelly
wieder auf der Bühne. Nun jedoch
als Solo-Sänger. Mit seinem neuen
Album „Human“ versucht er „einige
Facetten der Menschlichkeit“ zu
ergründen: „Mein Album ‚Human‘
Menschen | 41
ist nicht nur ein Albumtitel, sondern
Programm. Für mich ist eine der
größten Faszinationen des Lebens
der Mensch.
In dem Album geht es um den
Menschen und um Menschlichkeit.
Es ist nicht in erster Linie ein
religiöses Album, aber natürlich
hat mich die Zeit im Kloster sehr
geprägt und in den Texten sind auch
viele meiner Fragen und Antworten
über das Menschsein und den Sinn
des Lebens zu finden.“
Ein FeierAbend-Team begleitet
Michael Patrick Kelly bei einem
Besuch in der Münchner Abtei
St. Bonifaz/Andechs und der
angeschlossenen Obdachlosen-Einrichtung. Dort trifft der Musiker auf
den Abt des Klosters und auf einen
befreundeten Obdachlosen. Schon
zu Zeiten der „Kelly Family“ hat
Michael Patrick Kelly gemeinsam
mit seinen Geschwistern für Obdachlose gesungen – eine Tradition,
die der Künstler bis heute pflegt.
„Als ich früher mit meinen
Geschwistern auf der Straße
gesungen
habe,
waren
oft
Obdachlose unsere größten Fans.
Oft haben uns Obdachlose vor der
Polizei in Schutz genommen, wenn
wir ohne Genehmigung auf der
Straße gespielt haben. Sie haben
die Polizei abgelenkt, damit die
sich nicht weiter um uns kümmern
konnte“, erzählt Michael Patrick
Kelly.
ORF 2, http://religion.orf.at/
tv/stories/2749399/
Michael Patrick Kelly bei seinem Besuch in St. Bonifaz und im Haneberghaus
Fotos: ORF
42 | Aktionen
München ist bunt – auch bei uns
Die benachbarten Schulen für Farbe und Gestaltung haben einen Projekttag
„München ist bunt“ auf die Beine gestellt – das Haneberghaus war dabei
St. Bonifaz und das Haneberghaus liegen mitten im Zentrum
von München, gleich um die Ecke
von Hauptbahnhof, Stachus und
Altem Botanischen Garten. Gleich
in unserer Nachbarschaft an der
Luisenstraße 9-11 ist auch das
Berufliche Schulzentrum Thomas
Wimmer. Dort befinden sich die
Städtischen Fach-, Meister- und
Berufsschulen für Farbe und
Gestaltung, an denen zukünftige
Maler, Lackierer und Gestalter
für visuelles Marketing, aber auch
Vergolder
und
Kirchenmaler
ausgebildet werden. Die von den
Schülern kreativ und professionell
gestalteten Schaufenster sind immer
ein besonderes Vergnügen auf dem
kurzen Fußweg vom Bahnhof zum
Kloster.
Seit 2011 sind die Schulen für
Farbe und Gestaltung Mitglied bei
„Schule ohne Rassismus – Schule
mit Courage“, einem Projekt von
und für Schüler*innen und mit
über 2.000 teilnehmenden Schulen
das größten Schulnetzwerk in
Deutschland. Es bietet Kindern
und Jugendlichen die Möglichkeit,
das Klima an ihrer Schule aktiv
mitzugestalten, indem sie sich
bewusst gegen jede Form von
Diskriminierung, Mobbing und
Gewalt wenden. Jede Schule
kann Mitglied werden, wenn sie
folgende Voraussetzungen erfüllt:
Mindestens 70 Prozent aller Menschen, die in einer Schule lernen und
arbeiten, verpflichten sich mit ihrer
Unterschrift, sich künftig gegen
jede Form von Diskriminierung
an ihrer Schule aktiv einzusetzen,
bei Konflikten einzugreifen und
regelmäßig Projekttage zum Thema
durchzuführen.
Der diesjährige Projekttag der
Schulen für Farbe und Gestaltung
fand am 22. Juli 2015 unter dem
Motto „München ist bunt“ statt
und bot von 8 - 16 h ein vielseitiges
Programm. Der Tag begann mit
zwölf vielfältigen Workshops,
darunter:
Zeitzeugengespräch,
Flüchtlinge in Europa, Flüchtlinge
in Deutschland, medienkritischer
Workshop zum web 2.0, Muslime
in München, jüdisches Leben in
München und Fußballturnier mit
„Bunt kickt gut“, der interkulturellen
Fußball-Straßen-Liga.
Ein Workshop des Projekttages
war einem Besuch in St. Bonifaz
und speziell im Haneberghaus
gewidmet. Ein Lehrer, Herr Kainz,
kam mit 20 jungen Erwachsenen,
die sich über Leben und Arbeiten
in einem christlichen Kloster im
Zentrum der Stadt informieren
wollten. Es ging auch um die
Seelsorge in der Gemeinde und
die Jugendarbeit, vor allem aber
wollten die Berufsschüler von
Frater Emmanuel viel erfahren über
die Begegnung mit obdachlosen
Menschen aus aller Herren Länder,
wie sie im Haneberghaus tagtäglich
stattfindet. Denn schon im Programmangebot der Workshops für
die Schüler wurde Frater Emmanuel
so zitiert: „Anteilnahme, Mitgefühl,
Wertschätzung sind für uns die
Grundlage unserer Arbeit.“
Höhepunkt des Projekttages
war eine Demonstration entlang
der Luisenstraße zum Königsplatz,
auf dem rund 900 Schülerinnen,
Schüler und Lehrkräfte von vier
beteiligten Schulen den Schriftzug
„München ist bunt“ mit farbigen
Regenschirmen stellten. Danach
besuchten die Schüler der Schulen
Abschluss-Aktion „München ist bunt“ auf dem Königsplatz
Foto: www.sor-smc-bayern.de
Aktionen | 43
Tauschaktion zu unseren Gunsten
Fachhändler auf der ISPO tauschten 300 gebrauchte Winterjacken gegen neue von PrimaLoft
für Farbe und Gestaltung noch das
NS-Dokumentationszentrum, wo
auch die Schlussveranstaltung des
Projekttages stattfand.
Im Nachgang zum Aktionstag
„München ist bunt“ fand eine
Gesprächsrunde von Schüler*innen
mit den beiden Zeitzeugen
Charlotte Knobloch, Präsidentin
der israelitischen Kultusgemeinde
München, und Ernst Grube zum
Thema „Vorurteile und Rassismus“
statt. Anlass für diesen intensiven
Meinungsaustausch waren provokante Slogans zu „Vorurteile“ und
„Rassismus beginnt im Kopf“, mit
denen Schüler die 14 Schaufenster
des Beruflichen Schulzentrums
entlang der der Luisen-/Karlstraße
gestaltet hatten. Frau Dr. Knobloch
bedankte sich bei der Schulfamilie
für das gesellschaftspolitische
Engagement und sprach eine
Einladung in das jüdische Zentrum
am Jakobsplatz aus.
Vera Schäfer
mit Material der BS Farbe
Demo „München ist bunt“ Foto: www.br.de
Übergabe der Jacken durch Irina Mock und Kathrin Pildner von Primaloft an Fr. Emmanuel
Foto: PrimaLoft
Dank der großzügigen Kleiderspenden von vielen
Privatleuten und befreundeten Klöstern können wir in
unserer Kleiderkammer meistens ein komplettes Angebot
von gut erhaltener Herrenbekleidung bereithalten.
Nur bei neuer Unterwäsche und Socken gibt es aktuell
Engpässe. Aber auch warme Jacken und Schlafsäcke sind
in der kalten Jahreszeit sehr begehrt. Dieses Jahr hat eine
besondere Aktion der Firma PrimaLoft unser Angebot
spürbar verbessert.
PrimaLoft nennt sich „Isolationsspezialist“ und
stellt Funktionstextilien mit synthetischen Mikrofasern
her, welche wie Daunen isolieren, aber unempfindlich
gegenüber Nässe sind. Diese „synthetischen Daunen“
werden bei Outdoorbekleidung/-ausrüstung verwendet,
deswegen ist PrimaLoft bei der ISPO vertreten, der
Intern. Fachmesse für Sportartikel und Sportmode.
Nach dem Vorbild einer 2014 erfolgreich abgelaufenen
Aktion in den USA („Retailer Coat Swap“) hatte sich
PrimaLoft für die ISPO Munich im Februar 2015 eine
Charity-Tauschaktion für Einzelhändler ausgedacht. Die
waren zum Messestand geladen, um ihre gebrauchten
– aber sauberen und in gutem Zustand erhaltenen
– Winterjacken und -mäntel gegen eine Jacke aus
„PrimaLoft Gold Insulation Down Blend“ einzutauschen
und sich von deren Trageeigenschaften zu überzeugen.
Zahlreiche Händler kamen dieser Einladung gerne nach
und so kamen 300 warme Jacken zusammen, die gleich
im Anschluss an die Messe für die Kleiderkammer im
Haneberghaus an Frater Emmanuel übergeben wurden,
denn Messe und europäisches Hauptquartier von
PrimaLoft sind beide in München.
Vera Schäfer
44 | Aktionen
Süße Spende fürs Haneberghaus
Besuch vom AsamGymnasium München
Jedes Jahr zu Weihnachten spendet die BäckerInnung München/Landsberg 100 Kindl-Stollen an
eine Einrichtung – diesmal an das Haneberghaus
Hier
können
Obdachlose
duschen, etwas essen und sich
Kleidung holen. Das Haneberghaus
von St. Bonifaz in München,
Karlstraße, ist das Lebenswerk
von Frater Emmanuel Rotter. Er
lebt seit 25 Jahren in München und
kommt ursprünglich aus der Nähe
von Wasserburg am Inn. Anfang der
Neunziger hat er mit einem anderen
Benediktiner die Gegend rund um
den Königsplatz, den Botanischen
Garten und die Innenstadt
abgesucht und Obdachlose nach
ihren Grundbedürfnissen befragt.
Die meisten von ihnen klagten
darüber, dass sie keinen Ort finden,
an dem sie »tagsüber für ein paar
Stunden sein können«, berichtet
Frater Emmanuel. Mit diesen
Erkenntnissen ausgestattet begann
er die Obdachlosenarbeit. 2001
wurde das Haneberghaus eröffnet.
Seitdem können Obdachlose hier
von sieben bis zwölf Uhr dreißig
kostenlos eine warme Mahlzeit
zu sich nehmen, duschen und bei
Bedarf kostenlos eine Arztpraxis
aufsuchen. Mehr als 200 Obdachlose
nehmen pro Tag das Angebot in St.
Bonifaz an.
Mit der Weihnachts-Spende
wollen wir »das Engagement von
Frater Emmanuel Rotter würdigen
und den Obdachlosen ein süßes
Frühstück zukommen lassen«,
Innungs-Obermeister Heinz Hoffmann. Im reichen München gebe
es auch viel Armut, so Heinz
Hoffmann: »Daher wollen die
Münchner Bäcker einmal jährlich
einen kleinen Beitrag zur Hilfe
leisten.«
Münchner Wochenanzeiger,
Samstagsblatt, 51/2015,
19.12.2015, S. 11
Heinrich Traublinger jr., Fr. Emmanuel Rotter und Heinz Hoffman mit einem Teil der Spende
Foto: Bäcker-Innung
Im Rahmen ihres Religionsunterrichts hat eine Gruppe des
Asam-Gymnasiums in München
-Giesing das Haneberghaus besucht
und sich informiert. Die Schüler
brachten gesammelte Kleider und
selbst gebackenen Kuchen.
Vierte Schlafsack-Aktion
Die Firma Globetrotter hat sich
heuer schon zum vierten Mal mit
einer Schlafsack-Aktion engagiert.
Wieder kamen etwa 150 gebrauchte,
aber noch einwandfreie Schlafsäcke
zusammen, die Kunden beim
Kauf eines neuen eingetauscht
hatten. Ergänzt um zahlreiche
warme Winterjacken kamen sie
kurz vor Weihnachten unserer
Kleiderkammer zugute und haben
bei vielen Gäste Freude bereitet.
Presseecho | 45
Heimat im Kloster
Der BR berichtete im Format „Geld und Leben“ auführlich von früheren Gästen,
die heute im Haneberghaus fest angestellt sind – zum Beispiel Herbert
Am 8. Oktober 2015 berichtete
das BR Fernsehen in seinem
wöchentlichen Ratgeber „Geld
und Leben“ (Donnerstag, 19 h)
ausführlich über die Obdachlosenhilfe im Haneberghaus.
Im Fokus waren diesmal unsere
Mitarbeiter, die früher selbst
Gäste waren.
Seit 13 Jahren ist er hier bei
St. Bonifaz, erzählt mir Herbert.
Er ist einer von vier ehemaligen
Obdachlosen, die im Haneberghaus
eine feste Anstellung gefunden
haben. Das Geld reicht ihm für
ein eigenständiges Leben. Der Weg
dorthin war oftmals langwierig.
In den ersten Jahren hat
Herbert hier als Nachtwächter
gearbeitet. Heute faltet er Pullis
und Hosen, sortiert Unterhosen
und hängt Mäntel und Jacken für
die Bedürftigen bereit. 1100 € netto
verdient er im Monat. Rund 600
€ gehen für seine Wohnung weg.
Sozialpädagoge Robert Greiner
erzählt mir, dass die „Ehemaligen“
sich schwer tun mit den geordneten,
regulierten Abläufen und lange
brauchen, bis sie die Straße wirklich
hinter sich lassen.
Die Arbeitsroutine fällt Herbert
nicht schwer. Von 7.00 – 15.00 Uhr
arbeitet er täglich. Meist ist er sogar
schon vor sechs Uhr in der Früh
da. Die festen Strukturen geben
ihm Halt. Und hier hat er soziale
Ansprache. Als ich frage, was er
nach Feierabend macht antwortet
er: „Lesen, Fernsehen und Kochen.
Ich bin berühmt-berüchtigt für
mein Gulasch.“
Nur probiert hat das Gulasch
eigentlich noch niemand. Das bekomme ich im Laufe des Gesprächs
aus Herbert heraus. Denn weder
Nachbarn noch seine Kollegen
waren bisher zu Besuch bei ihm.
Knapp sind seine Antworten auf
die „Warum“-Frage. „Weil ich
meine Ruhe haben mag.“
Bei den Dreharbeiten in
seiner Wohnung sehen wir dann,
dass Herbert auch gar nicht auf
Besuch eingerichtet ist. Was
Wohnzeitschriften und Möbelhausprospekte als „Zuhause“, als
„Trautes Heim“ verkaufen, hat mit
Herberts Welt nichts zu tun. Auf
Besuch ist er auch nach Jahren
nicht eingerichtet. Eine Matratze,
ein Fernseher, Türme von Kleidern,
aber keine Schränke, kein Tisch.
Der Einzelkämpfer der Straße –
hier ist er noch zu spüren.
Dennoch fühlt sich Herbert
„daheim“. Hier ist er sein eigener
Herr, hier redet ihm keiner rein.
Für Herbert ist seine neue Bleibe
ein Rückzugsort. „Ich brauch nicht
andauernd Leute um mich herum.“
Barbara Fuss , BR
http://www.br.de/br-fernsehen/
sendungen/geld-und-leben/obdachlosenhilfe-heimat-100.html
46 | Presseecho
Machen Sie als Mönch auch mal Urlaub?
Frater Emmanuel Rotter leitet die Obdachlosenhilfe von St. Bonifaz im Herzen
Münchens. Im großen tz-Sommerinterview haben wir ihn gefragt, ob ein
Mönch eigentlich auch mal Urlaub machen darf.
Heute reden wir in unserem
Sommerinterview
mit
Frater
Prior Emmanuel Rotter (48). Der
Benediktinermönch
leitet
die
Obdachlosenhilfe von St. Bonifaz.
Im Herzen der Stadt liegt das
Kloster mit dem im Jahr 2001
gebauten Haneberghaus. Dort
bekommen Obdachlose kostenloses
Essen, ärztliche Hilfe und Kleidung.
Frater Emmanuel ist mit 23 Jahren
ins Kloster eingetreten, vorher hat
er eine Lehre als Schreiner gemacht
und Krankenpfleger gelernt.
Wir haben ihn gefragt, ob
er als Mönch auch mal Urlaub
machen darf und wie es heute für
ihn ist, wieder in sein Heimatdorf
Albaching (Landkreis Rosenheim)
zurückzukehren. Und warum ihm
das Aufstehen im Kloster manchmal
schwerfällt.
Entspannend ist’s hier im Klostergarten,
Frater Emmanuel. Trotzdem sind Sie
im Kloster stark eingebunden. Gibt’s als
Mönch auch so etwas wie Urlaub?
Fr. E.: Klar, das haben wir auch.
Manche Mitbrüder sagen Urlaub,
manche Ferien. Drei Wochen
bekommt jeder von uns im Jahr frei.
Aber wenn es eine vierte braucht,
dann können wir darüber mit
unserem Abt reden.
sind mit einer Zwillingsschwester und zwei
weiteren Schwestern aufgewachsen. Mögen
Sie Frauen nach dieser Zeit überhaupt
noch?
Fr. E.: Ich hatte eine schöne
Kindheit. Und hab mich mit meinen
Schwestern gut vertragen. Außer
wenn ich im Sommer beim Spielen
im Garten mal eine Spezi-Flasche
ergattert habe. Die habe ich bis aufs
Letzte verteidigt.
Was treiben Sie dann?
Fr. E.: Dann bin ich mal nicht
eingebunden in den Gemeinschaftsbetrieb. Und fahre, wie
gerade erst, zum Beispiel in meinen
Heimatort Albaching. Dort habe
ich meine Mutter und eine meiner
Schwestern besucht.
Wie ist es dann so, wieder in der
Heimat zu sein?
Fr. E.: Viele Leute kennen
mich noch. Ich war ja damals in der
Feuerwehr, beim Schützenverein
und auch in der Blaskapelle.
Daheim bin ich auch immer noch
der Bernhard, mein weltlicher
Name. Meine Freunde haben am
Anfang gefragt, ob sie Emmanuel
sagen sollen. Aber das passt schon
so. Für meine Mutter bin ich ganz
einfach der Bernd.
Schwestern ist ein gutes Stichwort: Sie
Fr. Emmanuel im Klostergarten von St. Bonifaz
Foto: tz
Auf alten Fotos aus Ihrer Kindheit
ist immer eine ganze Meute von Spielkameraden zu sehen. Sieht aus, als hätten
Sie Spaß gehabt.
Fr. E.: Wir waren zu Hause
vier Geschwister – da konnten sich
unsere Eltern keinen großen Urlaub
leisten. Wir haben die Ferien daheim
auf dem Dorf verbracht. Immer
draußen, immer beim Spielen. Für
uns Kinder war das super. Komisch
war’s nur manchmal: wenn die
Schulkameraden etwa vom Urlaub
im damaligen Jugoslawien erzählt
haben.
Presseecho | 47
Wann konnten Sie das erste Mal mit
einer Reise angeben?
Fr. E.: Meine zweitälteste
Schwester und ihr Mann haben
mich und meine Zwillingsschwester
mit in den Urlaub nach Zagreb
genommen. Dort bin ich das erste
Mal Wasserski gefahren. Prompt
ist meinem Schwager das Benzin
fürs Motorboot ausgegangen. Ich
lag mit meinen Skiern im Wasser.
Blöd, dass ich vorher den Film „Der
weiße Hai“ gesehen hatte.
Danach hat es Sie immer wieder in die
Ferne gezogen.
Fr. E.: Während meiner Zeit
im Kloster war ich etwa bei meiner
Großtante in Südafrika, in den
USA und für einen Englischkurs
in London. Die erste Reise ohne
Familie war während meiner Ausbildung als Krankenpfleger nach
Griechenland. Da war ich mit sechs
Krankenschwestern
unterwegs.
Der Hahn im Korb sein – super!
Anscheinend habe ich aber keine
gefunden, deswegen bin ich ins
Kloster (lacht).
Naja. Sie sollen in ihrer Jugendzeit ein
kleiner Casanova gewesen sein …
Fr. E.: Ein Bekannter hat mal
gesagt, der Nasenbach in meinem
Heimatort hatte Hochwasser, als
ich ins Kloster eingetreten bin. Von
den Tränen der Frauen. Das ist
natürlich eine Unterstellung.
Warum sind Sie ins Kloster
eingetreten?
Fr. E.: Ab dem 15. Lebensjahr
war ich immer zwei Wochen in
den Ferien im Kloster Andechs zu
„Kloster auf Zeit“. Dort lernen
junge Leute das Leben im Kloster
kennen. Und da habe ich gemerkt,
dass mir die Gemeinschaft und das
gemeinsame Arbeiten gut gefällt.
Und Ihre Freunde – mussten Sie sich
viele dumme Kommentare anhören?
Fr. E.: Die haben, als ich noch
in der Blaskapelle war, miterlebt,
dass ich feiern kann. Darum war das
für die nicht komisch, dass ich ein
paar Wochen im Kloster war. Auch
später haben sie die Entscheidung
akzeptiert.
Heute leiten Sie die Obdachlosenarbeit
von St. Bonifaz. Wie kam’s dazu?
Fr. E.: Anfangs hatte ich Vorurteile gegen Obdachlose. Auf dem
Dorf hatten wir nie Kontakt zu
Menschen, die keine Bleibe haben.
Am Stammtisch hieß es „I wor z‘
Minga oben, und da san s‘ wieder
rumglegen – die kenntn doch arbeiten.“ Da habe ich immer eifrig
mitgeredet. Als ich in München war,
habe ich aber gemerkt, dass diese
Leute ganz normal sind. Sie sind
nur an einer Stelle in ihrem Leben
gescheitert.
Sie versorgen täglich bis zu 200
Obdachlose. Was ist am schwierigsten?
Fr. E.: Wir müssen uns um
immer mehr Leute kümmern. Wir
brauchen dringend Unterwäsche,
Socken und Schuhe für Männer!
Wer helfen mag, kann gerne Sachen
an der Klosterpforte oder im
Haneberghaus abgeben.
Auch immer mehr Menschen aus den
Balkanstaaten kommen zu Ihnen. Wie
stehen Sie dazu?
Fr. E.: Diese Menschen würden
nicht freiwillig aus ihren Ländern
weggehen, wenn dort alles gut wäre.
Es ist schlicht falsch, dass die nur
kommen, um unsere Sozialkassen
zu plündern. Zum Beispiel können
sie erst nach fünf Jahren, die sie in
München leben, eine Sozialwohnung
beantragen.
Aus dem Fotoalbum von Fr. Emmanuel
Tipps für den Sommer von Fr. Emmanuel
Bei so viel Arbeit braucht‘s auch
Erholung. Wann steht der nächste Urlaub
an?
Fr. E.: In ein paar Wochen
geht’s nach Israel. Da war ich schon
mal – meine bisher schönste Reise.
Das Beste: Im Urlaub kann ich ab
und zu ausschlafen. Eigentlich bin
ich nämlich Langschläfer. Vor 10
Uhr geht da nichts.
Ramona Weise
erschienen in der tz und
bei www.tz.de, 18. August 2015
48 | Presseecho
Rund um den Nasenbach,
11/2015
Rund um den Nasenbach, 01/2016
Presseecho | 49
Münchner
Kirchenzeitung,
Januar 2016
Münchner Merkur, 23. November 2015
Rund um den Nasenbach, 01/2016
50 | Presseecho
Statistik | 51
Die Arztpraxis weiterhin an der Kapazitätsgrenze
Erneut über 5.000 Behandlungen an fast 1.750 Patienten – 79% sind Männer,
der überwiegende Anteil zwischen 40 und 60 Jahre alt
,
Anzahl der Patienten:
Anzahl der Behandlungen:
1.748
5.126
Entwicklung
Die Gesamtzahl der Patienten und
Behandlungen liegt noch etwas höher
als im Vorjahr und zeigt, dass wir an
unserer Kapazitätsgrenze angelangt
sind.
Immer wieder müssen wir Patienten
an andere Stellen der medizinischen
Versorgung weiterverweisen.
Fast 80% unserer Patienten sind
Männer.
Die Patienten kommen aus allen
Altersgruppen, der Schwerpunkt liegt
aber zwischen 40 und 60 Jahren.
Geschlecht
Geschlecht
Männer
76%
Frauen
Frauen
21%
24%
Männer
79%
Altersverteilung
Anzahl
Patienten
550
485
473
450
350
282
250
224
142
150
118
50
1
0-10
23
11-20
21-30
31-40
41-50
51-60
61-70
>70
-50
Das Team unserer Arztpraxis
bis Ende 2015 (v.l.n.r.):
Maria Fichtinger
Irmgard Hüttinger
Sr. Antonia Hippeli
Dr. Irene Frey-Mann
Bernadette Riederer
Waltraud Stettner
Sr. Ogmunda Gabler
Prof. Dr. Roswitha Thurmayr (verdeckt)
Fr. Stettner sen.
Prof. Dr. Hans Lauer
52 | Statistik
Inzwischen leben 53% unserer Patienten auf der Straße, 46% sind ohne jede
Versicherung, 62% kommen aus dem Ausland
Unterkunftsstatus
Haben Schlafgelegenheit
47%
53%
Leben auf der
Straße
Versicherungsstatus
Mit Krankenversicherung
oder durch
Sozialamt
46%
54%
Nicht versichert
Staatsangehörigkeit
38%
62%
Deutschland
Deutschland
Andere Länder
Andere Länder
Foto: Margret Paal
Statistik | 53
Die Struktur unserer Patienten verändert sich stark: Immer mehr ohne Obdach,
unversichert und aus anderen Ländern
Entwicklung Unterkunft
100%
80%
30%
25%
17%
22%
25%
29%
27%
41%
45%
53%
59%
55%
47%
2013
2014
2015
60%
40%
70%
75%
83%
78%
75%
71%
73%
20%
0%
2006
2007
2008
2009
2010
Bett
2011
2012
Straße
Entwicklung Versicherungsstatus
100%
12%
13%
17%
80%
22%
24%
24%
28%
39%
40%
46%
60%
40%
88%
87%
83%
Entwicklung
78%
76%
76%
72%
61%
60%
54%
2013
2014
2015
20%
0%
2006
2007
2008
2009
2010
Versichert
2011
2012
Nicht versichert
Entwicklung Staatsangehörigkeit
100%
80%
25%
27%
27%
31%
33%
33%
40%
50%
55%
62%
50%
45%
38%
2013
2014
2015
60%
40%
75%
73%
73%
69%
67%
67%
60%
20%
0%
2006
2007
2008
2009
2010
Deutschland
2011
2012
Andere Länder
Ein Blick auf die drei Merkmale Unterkunft, Versichertenstatus und Staatsangehörigkeit im Zeitverlauf zeigt, dass
die Struktur unserer Gäste sich über die
Jahre grundlegend verändert hat:
Noch nie lebte ein so großer Anteil
unserer Patienten auf der Straße, waren
so viele von ihnen ohne Versicherung,
noch nie so viele nicht-deutscher
Herkunft.
Diese tiefgehende Veränderung der
letzten Jahre ist zum Großteil auf
Zuwanderer aus (Süd-)Osteueropa
zurückzuführen, viele von ihnen aus
Ländern der letzten EU-Erweiterung,
die in öffentlichen Statistiken nicht
erscheinen, da sie nirgends registriert
sind.
Die Texte weiter vorne in diesem
Jahresbericht, z.B. S. 14, 18 oder 38,
erzählen ihre Geschichten.
54 | Statistik
Wie immer großer Schwerpunkt bei inneren Krankheiten, aber auch Haut-,
Sucht-, chirurgische und psychische Probleme
Diagnosestatistik 2015
Anzahl
Innere Krankheiten
Herz-Kreislauf, Blut
Diabetes, Fett, Gicht
Lunge
Magen, Darm
Leber, Galle, Pankreas
Adipositas
Schilddrüse
Infektionskrankh., Grippe
Niere
Onkologisch
Rheumatisch
2.246
602
404
257
223
182
178
150
97
84
43
26
Hautkrankheiten
646
Sucht
520
Chirurgische Krankheiten
514
Psychisch
392
Neurologisch
256
Urologisch
128
Gynäkologisch
25
Impressionen aus der Arztpraxis im Haneberghaus
Fotos: Margret Paal
Statistik | 55
Aber auch ein breites Spektrum von Pflegemaßnahmen spielt in der Arztpraxis
des Haneberghauses eine wichtige Rolle
Pflegestatistik 2015
Fälle Pflegeversorgung
Anzahl
697
Große Wundbehandlung
Kleine Wundbehandlung
349
348
Einreibung
Fußpilzbehandlung
Kompressionsverband
383
166
289
Dusche
Handbad
Fußbad
Fußpflege
Vollbad selbstständig
Vollbad mit Hilfe
Hilfe beim An- und Ausziehen
Entlausung
Krätze-Behandlung
Haare waschen
Haare schneiden
Bart schneiden
Rasur
Kleider richten, auch für KH
Socken
Schuhe
Brille
Medikamente richten
Ohrspülung
82
102
394
185
40
18
7
24
4
33
15
9
5
273
442
224
48
480
15
Behandlungsort außer Haus
Besuch im KH, Altenheim u.a.
Besuch ‚zu Hause‘
Suchen auf der Straße
Telefongespräch in KH u.a.
Verbandmaterial mitgegeben
165
28
10
1
20
106
56 | Statistik
Immer vielfältigere Sozialberatungen
Die Zahlen des Sozialdienstes sagen: Die Gäste, die Beratung suchen, werden
internationaler, älter und weiblicher.
2015AnteilVerände-
absolut
in %
rung gegen-
über 2014
Anzahl beratener Gäste 951 + 2,7%
Zugänge +
226
Abgänge –201
Kontoliste 110 –19,1%
Postadresse 743+17,6%
Nationalität
Deutsch 37139,0+ 8,5%
EU, Mittel-/Osteuropa 368
38,7
– 6,8%
davon Polen
84
Bulgarien
83
Rumänien
79
Ungarn
64
Sonstige
58
Sonstige EU
58
6,1
– 1,7%
Außerhalb EU 154 16,2
+18,5%
Unterbringungen 15
Unterkunftsstatus
Mit Unterkunft32734,4 +12,8%
Überwiegend obdachlos32133,8 + 6,6%
Unterkunftsstatus unklar30331,8 – 9,6%
Altersstrukur
bis 25
48
5,0
+ 2,1%
26 - 2516217,0+ 3,8%
26 - 5037739,7– 2,6%
51 - 6023224,4+ 4,0%
ab 6113213,9+16,8%
Geschlecht
Männlich79283,3+ 0,5%
Weiblich15916,7+ 15,2%
Anmerkungen
Postadresse
Aufgrund der Vorgaben
des Jobcenters München
werden Privatadressen
bei anderen Personen
nicht als Postadressen
akzeptiert. Dies führt dazu,
dass auch Personen, die im
eigentlichen Sinne nicht
akut wohnungslos sind, in
unserer Einrichtung eine
Postadresse haben.
Unterkunftsstatus
Unter ‚unklar‘ sind alle
Personen aufgeführt,
über die aufgrund von
Sprachproblemen,
wechselnder Unterkunftssituation oder
mangelndem Informationsstand keine eindeutigen
aktuellen Aussagen
getroffen werden können.
Bemerkungen zur Statistik des Sozialdienstes
• Nur ein kleiner Teil der Besucher des Haneberghauses (< 20%) will eine Sozialberatung.
• In dieser Statistik ist nur enthalten, wessen Grunddaten erfasst wurden, weil er beim Sozialdienst zur
Beratung war.
• Im Servicebereich des Haneberghauses (Essen, Bäder, Kleiderkammer) liegt der Anteil von Gästen aus
dem Ausland, v. a. Süd-/Osteuropa, erheblich höher, vermutlich bei etwa 80%.
Notizen | 57
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58 | Werbung
Impressum | 59
Impressum
Das Haneberghaus ist eine Einrichtung
der Benediktinerabtei St. Bonifaz
Karlstr. 34, 80333 München
Tel. 089/55 171 – 300
Fax
089/55 171 – 302
E-Mail: obdachlosenhilfe@sankt-bonifaz.de
Homepage: www.sankt-bonifaz.de
Herausgeber
Benediktinerabtei St. Bonifaz
Vertreten durch
Frater Prior Emmanuel Rotter OSB
Redaktion und Layout
Frater Prior Emmanuel Rotter OSB
Dr. Vera Schäfer
Fotos
Margret Paal (auch Titelbild)
Benediktinerabtei St. Bonifaz
Frater Matthias Leidenberger OSB
Unser besonderer Dank gilt
Allen Autoren
sowie für den Druck:
Agentur Beckenbauer mit
F & W Mediencenter
Finanzielle Unterstützung,
die natürlich steuerlich abzugsfähig ist,
erbitten wir auf das Spendenkonto
Liga-Bank eG München
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Sozialdienst/-beratung*
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Täglich 7 – 15 h
Täglich 7 – 12.30 h
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Mo – Fr 7 – 15 h
Wir haben keine Vorschriften
zu machen, sondern Türen aufzutun.
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Bor
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tr.
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