Dvořáks und Kvapils Rusalka

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Dvořáks und Kvapils Rusalka
Dvořáks und Kvapils Rusalka
und das Lebensgefühl des fin de siècle
von
Jarmila Gabrielová, Prag
Antonín Dvořáks vorletzte Oper Rusalka, auf das Libretto von Jaroslav Kvapil
komponiert, erfreut sich seit ihrer Uraufführung außerordentlicher Popularität und gehört
mit Recht zu den Grundsteinen des tschechischen Opernrepertoires. Für die meisten
Hörer und Interpreten stellt sie immerhin ein schlichtes, rührendes und sentimentales
(vielleicht auch schon etwas altmodisches) Volksmärchen mit komischen Episoden und
traurigem Ende dar, für manche dann eine tragische Geschichte vom treuliebenden und
sich opfernden Weib, die man in zahlreichen Varianten in der gesamten Opernliteratur
des 19. Jahrhunderts finden kann. Außerdem gibt es auch die Meinung, daß es sich hier
um die Darstellung einer „östlichen“ Seele, der typisch slawischen, unterwürfigen und
passiven, gequälten und leidenden weiblichen Gestalt handelt, sowie um die typisch
„östliche“ Auffassung der unbarmherzigen und geheimnisvollen Macht der Natur und des
1
Schicksals.
Meine Auffassung und meine Perspektive sind anders. In Anknüpfung an die
2
Untersuchungen aus der letzten Zeit komme ich zur Überzeugung, Rusalka sei ein
Werk, welches keineswegs nur in den Zusammenhang der Operntradition des 19.
Jahrhunderts angehört, sondern ein Werk, welches mindestens an der Epochengrenze
steht, und zwar schon wegen seiner Entstehungs- und Uraufführungszeit – die Partitur
wurde wie bekannt am 27. November 1900 beendet, die Uraufführung im Prager
Nationaltheater fand dann am 31. März 1901 statt – die sie in zeitliche Nähe von Werken
wie Debussys Pelléas und Mélisande (komponiert etwa seit 1893, uraufgeführt am 27.
April 1902) oder Janáčeks Jenufa (komponiert 1894-1903, uraufgeführt am 21. Januar
1904) stellt. Wichtig ist meiner Meinung nach auch die Tatsache, daß es sich hier um ein
Werk handelt, an dem sich zwei Künstler von zwei verschiedenen Generationen
schöpferisch beteiligt haben, nämlich der fast sechzigjährige Komponist, dessen Lebensund Kunsterfahrung in den Bedingungen und Zusammenhängen des 19. Jahrhunderts
verankert wurde, und der damals kaum dreißigjährige Dichter, der gegenüber den meisten
neuen Ideen und stilistischen Strömungen der Jahrhundertwende sehr offen stand und mit
seinem Leben und Schaffen größtenteils dem 20. Jahrhundert gehörte.
Mittels der dramaturgischen und musikalischen Analyse versuche ich zu zeigen,
wie sich diese Ambivalenz, diese Situation „auf dem Scheidewege“, die von Anfang an
bestand und schon bei der Entstehung des Werkes Pate stand, in seine Gesamtanlage und
Schlußwirkung projiziert. Ich will demnach vorwiegend diejenigen Züge unterstreichen,
die Dvořáks und Kvapils Rusalka eher in den Kontext des Opernschaffens des früheren
20. Jahrhunderts stellen. Von diesem Standpunkt aus verstehe ich diese Oper als ein
Drama der menschlichen (Frauen-!)Emanzipation und des schmerzvollen Weges zum
vollwertigen und freien menschlichen Dasein und zugleich als großartiges und
hinreißendes Gleichnis oder Metapher des Menschenschicksals, das gleichsam im Sinne
von Existenzphilosophie zu lesen und von der Auffassung eines Albert Camus nicht so
3
weit entfernt ist. Meine Ausführungen über die Rusalka sind insofern fragmentarisch
und als bloße Randbemerkungen zu nehmen, als ich mich hier fast ausschließlich auf die
Titelheldin und auf den letzten Akt begrenze. Die Argumente, auf die ich mich in meiner
Interpretation stütze, finde ich jedoch keineswegs nur in Kvapils Text, sondern vor allem
in Dvořáks Vertonung von diesem Text und dessen Deutung durch die Musik, d.h. in
seiner Operndramaturgie.
1
I.
Die Emanzipation: Rusalkas Geste der Befreiung
Den Ausgangspunkt von meinen Ausführungen stellt Rusalkas Arie „O welches
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Grauen! Laß mich, geh!“ aus dem dritten Akt dar. Dieser kurze und vom Standpunkt der
Form unvollständige Monolog macht in der Tat Bestandteil von einem größeren Kontext
aus, nämlich von dem längeren Auftritt (= Dialog) der Rusalka und der Hexe, welcher in
dem ersten Teil kurz nach dem Anfang von diesem Akt plaziert wird.
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Jürgen Schläder und nach ihm auch Ivan Vojtěch haben auf den streng
symmetrischen Aufbau der Handlung (= des Librettos) der Rusalka aufmerksam gemacht,
wobei der zweite Akt auf dem Schloß eine Mitte und Achse bildet, während der erste und
der dritte Akt fast wie ein Spiegelbild wirken, was die Szenerie (ein Wiesengrund auf
dem Ufer eines Waldsees), Lichtdramaturgie (1. Akt: von dem Abend bis zur
Morgendämmerung, 3. Akt: von der Dämmerung bis zur Nacht), aber auch die
Szenenfolge betrifft. Im ersten Akt sind es zuerst die Elfen, die auf dem Gras erscheinen
und mit dem Wassermann scherzen, dann kommt die traurige Rusalka in den
Vordergrund, die sich nach ihrem Prinzen sehnt und dem erschrockenen Wassermann
ihren Wunsch vertraut, zum Menschen zu werden, es folgen Rusalkas Arie an den Mond
und unmittelbar darauf die Szene der Rusalka mit der Hexe und dann – nach der
Verwandlung, die musikalisch durch das Jägerlied markiert wird – das Zusammentreffen
der Rusalka mit dem Prinzen. Der dritte Akt fängt dagegen mit der Szene und Arie der
Rusalka an („Fühllos für all’ meine Schmerzen…“), es folgt der erwähnte zweite Auftritt
der Rusalka mit der Hexe, nach dem Intermezzo des Hegers und des Küchenjungen
erscheinen wieder die Elfen mit dem Wassermann – auf die nun im Unterschied zum
ersten Akt der Schatten von Rusalkas Tragödie fällt – und der Schluß gehört wiederum
der Rusalka und dem Prinzen.
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Jürgen Schläder hat fernerhin die Sonderstellung und zugleich auffallende
innere Ähnlichkeit von beiden Auftritten der Rusalka mit der Hexe hervorgehoben, deren
Funktion darin liegt, daß sie Rusalkas schicksalshafte existentiale Entscheidungen
artikulieren und szenisch vergegenwärtigen: einerseits zum Menschenwesen zu werden
und andererseits sich dem unwiderruflichen Fluch zu unterwerfen. Meiner Meinung nach
gibt es doch einen wesentlichen inneren Unterschied zwischen beiden Auftritten: Im
ersten Akt nämlich hatte Rusalka schon vorher ihre Entscheidung getroffen, bevor sie
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nach der Hexe rief, und in ihrer berühmten Arie an den Mond hat sie ihrem emotionellen
Zustand, ihrer Angst und Sehnsucht Ausdruck verliehen. Im darauffolgenden Dialog mit
der Hexe bestätigt sie dann nur ihre Entscheidung in kurzen rezitativischen Einwürfen,
zuerst entschieden und ohne Zögern („Was ich hab’, sei dein, aber laß Mensch mich
sein!“) und dann mit Angst und wachsender Unruhe („Deinem Geist ich nichts verhehle,
gib mir Menschenkörper, Menschenseele!“). Im dritten Akt dagegen kehrt sie einsam und
verzweifelt zur Hexe zurück und fragt zuerst, ob es für sie doch irgendein Rat, irgendeine
Hilfe gäbe („Gute Base mein, dich bitt’ ich sehr, sag, gibt es keineHilfe mehr?”). Und sie
trifft demnach ihre verhängnisvolle Entscheidung erst in demjenigen Augenblick, in dem
sie die Antwort der Hexe hört und von ihr das Messer bekommt, um den Prinzen töten
und sich in seinem Blut waschen zu können. Mit anderen Worten, nur in diesem zweiten
Auftritt wird die Entscheidung Rusalkas tatsächlich szenisch vergegenwärtigt, und zwar
eben in dem erwähnten arienartigen Verweilen.
Der Librettist hat dieses Schlüsselmoment von Rusalkas Entscheidung in sechs
kurzen Verszeilen zusammengefaßt, und auch Dvořák ist in seiner Vertonung oder eher
musikalisch-szenischen und gestischen Darstellung der Handlung ziemlich knapp.
Rusalka spricht zuerst ihr Entsetzen aus („O welches Grauen! Laß mich, geh!”, die erste
Zeile der sechszeiligen Strophe), was im Orchester durch den althergebrachten, Anno
1900 schon recht abgedroschenen verminderten Septakkord in den Posaunen ausgedrückt
wird, kombiniert mit den kurzen scharfen Akzenten des Schlagzeugs (Becken) und den
schnellen dissonanten Spielfiguren der Streicher und Holzbläser – und dann macht sie
ihre großartige Geste: Sie wirft das Messer weit in den See (siehe die betreffende
2
szenische Bemerkung), was wiederum musikalisch sehr auffallend und eindeutig
dargestellt wird, nämlich mit dem plötzlich eintretenden jubelnden Quartsextakkord BDur im Orchestertutti und im Ausmaß von zwei Takten. Der Rest des Monologs (d.h. die
übriggebliebenen fünf Verszeilen, die über Rusalkas Verzweiflung und Entschlossenheit
zum Leiden sprechen: „Will ewig leiden Erdenqual, Menschenweh, mein Herzensleid
will tragen…”) behält und verlängert dann eigentlich nur diesen szenischen Augenblick
und hebt demnach seine dramatische Bedeutung hervor.
Dieser kurze Abschnitt wirkt dabei im Ganzen – was die Art oder den Stil der
Vertonung betrifft sowie den Kontext, in dem er sich befindet – wie eine merkwürdige
und zugleich isolierte „Insel der Konvention”. Der Unterschied gegenüber die Stilebene,
die dem übernatürlichen Reich der Wald- und Wassermächte (= der überwiegende Teil
von Rusalkas Musik, der Wassermann, die Hexe) vorbehalten wird, aber auch gegenüber
die der (Märchen-)Welt der Menschen (insbesondere im zweiten Akt: das Schloß, der
Ball, die fremde Fürstin, der Heger und der Küchenjunge) ist meiner Meinung nach sehr
auffallend und tritt sowohl in der Melodik und Harmonik als auch in der
Orchesterbesetzung und Instrumentierung in Erscheinung. Was die äußere Form betrifft,
handelt es sich hier eigentlich um eine kurzgefaßte, geschrumpfte zweisätzgie Arie, in
welcher der ursprüngliche erste (Cantabile-)Satz völlig fehlt und nur noch die
rezitativische Überleitung und der schnelle Cabaletta-Satz (ohne Wiederholung)
übrigbleiben. Zugleich jedoch – in paradoxer Weise – wird eben durch diesen
Stilkontrast, durch diese gewissermaßen unerwartete und überraschende Verwendung von
althergebrachten kompositorischen Mitteln der Eindruck des außerordentlichen Gewichts
von dieser Stelle für das Ganze der Oper oder mindestens des dritten Akts bestätigt und
verstärkt.
Auch die Texte und dramatischen Gesten, die mit diesem Cabaletta-Typus
traditionell verbunden werden, sprechen meistens wichtige und unwiderrufliche
Entscheidungen oder schicksalshafte Wendungen aus, sowie die darauffolgende
Erregung, hoffnungsvolle Erwartung, entschlossene Energie aus – aber auch den Schritt
ins Unbekannte, Verzicht an jegliche irdische Hoffnung, wahnsinnigen Mut (Befreiung!)
angesichts des Todes. Von den zahlreichen Beispielen, die wir in der Opernliteratur des
19. Jahrhunderts finden können und die für die Vertonung Dvořáks von Bedeutung
gewesen sein mögen, seien hier mindestens zwei bekannteste und berühmteste erwähnt:
Szene und Duett von Leonora und Graf Luna aus dem letzten Akt von Verdis Trovatore
(1853) und die Szene von Leonora und Alvaro aus dem einleitenden Akt seiner Oper Die
Macht des Schicksals (1862). In der erwähnten Trovatore-Szene (Akt 4,2) kommt Graf
Luna der flehenden Bitte Leonoras entgegen und gibt den Wächtern das Befehl, Manrico
zu entlassen. Leonora trinkt inzwischen mit einem einzigen entschlossenen Schluck die
Gift aus und gleich danach singt sie ihre triumphierende Cabaletta. In der betreffenden
Szene aus der Oper Oper Die Macht des Schicksals (Akt 1,3) ist für unsere Betrachtungen
auch die Situation wichtig, die dem eigentlichen Akt der Entscheidung unmittelbar
vorausgeht. Während die Leonora aus dem Trovatore wiederum schon vorher zu ihrer Tat
bereit war und in dem entscheidenden Augenblick nicht gezögert hat, schwankt zuerst die
gleichnamige Heldin in der späteren Oper, sie hat Angst, ihren Vater und ihren Heim für
immer zu verlassen und mit dem geheimnisvollen Alvaro zu fliehen. Erst nachdem er sie
dadurch gepreßt hat, daß er ihre Liebe bezweifelte und sie zu verlassen drohte, macht sie
jene hastige Entscheidung, die die ganze Maschinerie des Schicksalsdramas in Bewegung
setzt.
Der Unterschied zwischen den beiden erwähnten Szenen Verdis und dem
betreffenden Abschnitt aus Dvořáks Rusalka liegt meiner Meinung nach vor allem darin,
daß hier – aufgrund der erwähnten Kürzung und dem Kontext, in dem er sich befindet –
das Gesamtgewicht der dramatischen Aussage eben auf seinen Anfang fällt, auf jene
stumme und dabei so sprechende Geste, jenes kurze „tönende Schweigen”, wo die Musik
(= das Orchester) das Wort greift. Der flüchtige und vergängliche szenische Augenblick
bedeutet hier kaum etwas Geringeres als Rusalkas Befreiung vom Druck der äußeren
Autoritäten und von ihrer Angst und Furcht, drückt ihr menschliches Gereift- und
3
Erwachsenwerden, Vollendung von ihrer Autonomie und ihrer Individuation, die Fülle
8
ihrer Menschenexistenz aus. Alles, was an dieser Stelle folgt und mit dem gesungenen
Wort benannt wird, kann dann wie gesagt für jene typisch opernhafte irreale
Verlängerung der „realen Zeit” der szenischen Handlung gehalten werden, die die
Bedeutung und das Gewicht von diesem dramatischen Schlüsselmoment potenziert.
Der energische und jubelnde Ton der Musik, den Dvořák für diesen Abschnitt
wählt, hat übrigens mit den erwähnten Cabaletta-Sätzen Verdis wenig zu tun. Die
auffallenden steigenden melodischen Wellen, die an den Höhepunkt kurz vor dem Schluß
zielen, die in ähnliche Richtung zielenden dynamischen Steigerungen sowie die
Bewegung der Begleitfiguren im Orchester erinnern eher an Miladas Arie „Wie ist
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mir?…O Himmel…” aus dem zweiten Akt von Smetanas Dalibor (1868) , oder zum
Beispiel – wenn auch etwas mehr entfernt – an Klärchens Lied (oder genauer Ariette) aus
Goethes Egmont von Franz Schubert („Freudvoll und leidvoll…“, D 210, 1815), die eine
ähnliche emotionelle Situation vertont und sogar dieselbe Tonart B-Dur benutzt. Beide
Beispiele weisen demnach auf den Tatbestand hin, daß Dvořáks musikalische Auffassung
des betreffenden dramatischen Augenblicks in eine längere Traditionskette hingehört, die
vermutlich bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts zurückreicht.
Unser Interpretationsversuch über die Arie Rusalkas „O welches Grauen! Laß
mich, geh!“ läßt sich schließlich – obwohl nur vorsichtig und mit gewissen Vorbehalten –
durch den Hinweis auf die Semantik der Leitmotive bei Dvořák unterstützen. Gehen wir
10
nämlich nochmals von der Nomenklatur Jürgen Schläders aus, können wir feststellen,
daß der betreffende Abschnitt, d.h. Rusalkas beredte Geste am Anfang und der
darauffolgende Rest von ihrem Monolog im Orchester so gut wie ausschließlich mit dem
S c h i c k s a l s m o t i v begleitet wird – mit demjenigen Motiv, welches in der gesamten
Oper sehr wichtige Rolle spielt und welches hier übrigens nicht in seiner ursprünglichen
Gestalt und explizit, sondern eher als schnelle und in der Tat kaum hörbare Spielfigur
erklingt. Auffallend ist jedoch der Sachverhalt, daß hier dieses Motiv – und zwar zum
erstenmal im bisherigen Verlauf der Oper – in der Dur-Variante, d.h. wiederum (in der
traditionellen Deutung, mag es noch so paradox klingen) in der „positiven“ und
bejahenden, selbstbekräftigenden und hoffnungsvollen Gestalt oder Umformung
erscheint.
II.
Die Existenzproblematik
Die ebenerwähnten flüchtigen analytischen Betrachtungen und Kommentare zu
Rusalkas Arie „O welches Grauen…“, in der ich vom Standpunkt der Entwicklung der
Titelheldin den wichtigsten dramatischen Wendepunkt der Handlung erblicke, machen
zugleich die unmittelbare Vorstufe und Voraussetzung für die Analyse und Interpretation
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der Finalszene von Dvořáks und Kvapils Rusalka aus. Die überlieferte Auffassung, die
diese Oper eindeutig im Zusammenhang des 19. Jahrhunderts sieht, bietet für ihr
tragisches Finale Begriffe oder Kategorien wie E r l ö s u n g und L i e b e s t o d dar. Daß
der Schluß von Rusalka in der Tat sehr problematisch und ambivalent ist und von der
Tradition derjenigen Opernfinali stark abweicht, welche die letzte Begegnung und
rührende Verabschiedung der Liebenden inszenieren, deren Liebe durch die Umstände
tragisch unerbrochen und ihre Erfüllung nicht zustandegebracht wurde, hat als Erster
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wiederum Jürgen Schläder erkannt.
Gewiß: Jene verhängnisvolle und dabei befreiende Entscheidung, die Rusalka
kurz vorher getroffen hat, um das Leben ihres Prinzen zu retten, ist keine Entscheidung
zu sterben, eigenes Leben zu opfern, damit er leben und die Versöhnung und Seelenruhe
erreichen kann; die Perspektive, die sich nun vor ihr eröffnet, bringt kein Ende vom
irdischen Pein, kein Scheiden aus dieser Welt in der Hoffnung aufs ewige Leben, aufs
Zusammentreffen und Erreichen des überirdischen Glücks, das den Liebenden im
irdischen Leben verweigert wurde. Die Mehrdeutigkeit, Ironie und zugleich
M o d e r n i t ä t , mit anderen Worten: die Existenzdimension von Rusalkas Schicksal, die
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das Finale der Oper ausspricht und zutagebringt, liegt darin, daß sie durch ihre
Entscheidung sozusagen z u m L e b e n v e r u r t e i l t wird: zum „Erdenqual“,
„Menschenweh“ und „Herzensleid“ ohne Ende, zum Leben in der tiefsten, gleichsam
kosmischen Einsamkeit inmitten der kühlen, dunklen, starren Welt, zur Absurdität der
Existenz, die nichts Anderes als ein Irren in der Dunkelheit heißt. Von der Situation, in
die sie nun geworfen wird, gibt es keinen Ausweg mehr. Im Unterschied zu dem Prinzen
wird ihr eben nicht die Gnade des seligen Todes gegönnt – es gilt für sie zu leben, ohne
die Hoffnung auf Gottes Barmherzigkeit, es gilt, ihre Liebe zu überleben und zu
begraben. Das Verhängnisvolle wird hier übrigens wiederum durch das
S c h i c k s a l s m o t i v ausgedrückt, das hier – diesmal in seiner ursprünglichen,
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düsteren, drohenden Moll-Gestalt – zu Rusalkas Klage „Geb mir ein Grab“ am Anfang
des dritten Aktes erklingt.
Rusalkas Situation scheint demnach von Anfang an auswegslos zu sein,
t r a g i s c h im tiefsten Sinne des Wortes – Inbegriff der Tragik, der Elendigkeit der
menschlichen Existenz in dieser Welt. Die einzige Möglichkeit, die ihr übrigbleibt, ist
eben, daß sie ihr Los nicht gebeugt und passiv erträgt, sondern daß sie es als bewußte und
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freie Wahl an sich nimmt. Das heißt auch, daß sie gerade in dem Augenblick ihr Ziel
erreicht, ihren Kampf gewonnen, als sie diese Wahl, diese Entscheidung getroffen hat.
Und damit komme ich zum Ausgangspunkt von meinen Ausführungen zurück, zu
Rusalkas tönendem Schweigen, zu ihrer schlichten und beredten Geste der Befreiung.
Nachdem sie das getan, nachdem si sich von dem Druck der allgegenwärtigen
Elternautoritäten (die hier – wiederum in einer eher untypischen Polarität des gutmütigen
sorgfaltigen Vaters und der strengen gebieterischen Mutter – von „Väterchen“
Wassermann und „Base“ Hexe verkörpert werden) sowie von eigenen Hemmungen
befreit hat, hat sie die Möglichkeit gewonnen, über sich selbst zu entscheiden, ihr
Schicksal in eigene Hände zu nehmen, ihm zu trotzen und – obwohl es immer wieder als
Paradox klingt – es zu überwinden. Meiner Meinung nach ist es eben diese Botschaft, die
– unter anderem – auch in der Schlußszene durch jene steigende, fröhlich jubelnde und
triumphierende (Dur-)Umkehrung des Schicksalsmotivs zum Ausdruck gebracht wird.
Dvořáks und Kvapils Rusalka stellt in meiner Auffassung eine Heldin dar, die sich –
abgesehen von einigen gemeinsamen äußeren Attributen – in der Tat schon ganz
wesentlich von jenen passiven und unterwürfigen weiblichen Gestalten entfernt, von den
am Anfang die Rede war, von den Figuren, die für die Oper, aber auch für die Literatur
und gesprochenes Drama des überwiegenden Teils des 19. Jahrhunderts so typisch sind
und für die es anscheinend nur einen einzigen Weg, nämlich den der Selbstopferung und
15
des Todes gibt.
Die Befreiung, das Erreichen der Individuation und Emanzipation, zu denen
sich Rusalka mühsam erarbeitet und die sie dann durch eine einzige energische Geste
verwirklicht hat, wird dann in der Schlußszene der Oper noch einmal, in einer
wesentlichen und großartigen dramatischen Wendung gekrönt. Nachdem sie nämlich den
entscheidenden Schritt gewagt, nachdem sie den Abgrund übertreten und sich selbst
befreit hat, ist ihr gegönnt, einmal und unwiederholbar, in einem einzigen isolierten
Fragment der Ewigkeit – oder der Zeitlosigkeit – die Erfahrung, die Gabe des
Zusammentreffens mit einem anderen Menschenwesen zu erleben: Erst an dieser Stelle,
kurz vor dem Schluß der Oper, ist sie plötzlich imstande – zum erstenmal und zum
letztenmal – mit ihrem Prinzen zu s p r e c h e n , ihn anzusprechen mit der Stimme, die
16
er hören und mit den Worten, die er verstehen kann.
***
Dvořáks und Kvapils Rusalka wurde bisher wie gesagt so gut wie ausschließlich im
Zusammenhang der Operngeschichte des 19. Jahrhunderts wahrgenommen und
interpretiert. Nun möchte ich zum Schluß auf ihre auffallende und verblüffende Nähe zu
einem Werk aufmerksam machen, das umgekehrt eindeutig und natürlich mit Recht im
5
Kontext der Musik des (frühen) 20. Jahrhunderts betrachtet und wahrgenommen wird –
nämlich zu Béla Bartóks Einakter Herzog Blaubarts Burg (beendet 1911, uraufgeführt
17
jedoch erst am 24. Mai 1918). Ich bin der Meinung bzw. stimme der Meinung zu , daß
man dieses merkwürdige Werk nicht so sehr als Darstellung von düsterer und
ausschweifender Erotik des fin de siècle verstehen soll, sondern viel mehr als ein
(Sinn)Bild von tiefer Vereinsamung, von schwermütiger, existentialer Einsamkeit der
Seele – der Menschenseele, die sich vergeblich nach der Verwandschaft, nach der
Vereinbarung mit einer anderen Seele sehnt: ein Spiegelbild der Problematik von Rusalka
insofern, daß hier eine männliche Person im Zentrum steht. (Andererseits dürfte man ja
auch den Schluß von Rusalka – die Verschränkung von Eros und Tod, Rusalkas tötende
Umarmung und Kuß und die schmerzhaft schöne Musik, die diese Handlung begleitet, als
monströs empfinden, nicht so sehr entfernt etwa von Alban Bergs Lulu.) Im Unterschied
zu Rusalka haben hier zwar beide Partner ihre Stimme und ihre Worte und können
(miteinander)reden. Ihre Worte, ihre Reden gehen jedoch vorbei, gehen ins Leere, was
sie sagen, kann den Anderen nicht erreichen.
Vor allem die Schlußszenen von beiden Opern weisen auffällige Ähnlichkeiten auf:
ein Kuß zum Abschied, Danksagung (Rusalka: „Um der Liebe willen, um der Schönheit
dein, um der Untreu selbst und aller Pein, rufe ich für Dich das Heil herbei –
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Menschenseele, Gott dir gnädig sei!“ – und Blaubart: „Weiß dein Antlitz war mir
Leuchte, braun dein Haar die Wolken scheuchte, alle Nacht fortan ist deine… Herrlich,
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herrlich, schönheitstrahlend, du warst meiner Frauen schönste, die allerschönste!“ ) und
Versenkung in ewige, hoffnungslose, tiefe Nacht. Und die Musik, die Mitleid ausspricht
und Verklärung bringt, und die Erkenntnis, daß Versöhnung, daß Katharsis in dem
tiefsten und ursprünglichsten Sinne des Wortes nur noch in der Musik und durch die
Musik möglich sind.
Beide Verfasser, Béla Bartók und sein Librettist Béla Balász, 1881 bzw. 1884
geboren, sind wiederum fast um eine Generation jünger als Dvořáks Librettist Jaroslav
Kvapil gewesen, ihr Werk ist zehn Jahre nach der Uraufführung von Rusalka entstanden.
Ob und inwieweit hier auch der genius loci, der Geist und das Lebensgefühl der letzten
Jahre der habsburgischen Monarchie mitspielten, sei dahingestellt. (Die
Wesensverwandschaft der Stimmung, des vergeblichen Sehnens und Zugrundegehens
und der – eigentlich nicht mehr christlich gefärbten – verklärenden Rolle der Musik
dürfte man übrigens bis zu Gustav Mahlers Lied von der Erde und Alexander Zemlinskys
Lyrischer Symphonie nachspüren.) Zu Kvapils und Dvořáks Rusalka läßt sich wohl
zusammenfassend nur noch sagen, daß sie tatsächlich die glückliche Stunde der
tschechischen Operndramatik geschlagen hat, ein fruchtbares und gesegnetes
Zusammentreffen des jungen Dichters, der in seinen Text (vermutlich eher unwillkürlich
als zielbewußt) die erwähnten sowie anderen zukunftsweisenden Impulse und Motive
hineingebracht hat, und des nicht mehr jungen Komponisten, der imstande war, all die
verborgenen Momente unmißverständlich zu erkennen und ergreifen, um ihnen eben
durch seine überlieferten, bewahrten und allgemein verständlichen Kompositionsmittel
und seine Operndramaturgie Überzeugungskraft und Dringlichkeit zu verleihen, die sie
sonst nicht besitzen hätten. Am Ende seiner schöpferischer Laufbahn und im Zenit seiner
Kräfte vermochte Dvořák noch einmal gewissermaßen sich selbst zu übertreffen, den
Horizont von seiner eigenen künstlerischen Erfahrung und Lebensauffassung zu
übertreten und ein Werk zu liefern, das zu uns fast nach hundert Jahren seit seiner
Entstehung immer wieder auf neue und sehr intensive Weise sprechen und erklingen
kann.
Mai – August 1999
6
Anmerkungen:
1
Vgl. WÖRNER, K. H. Das Zeitalter der thematischen Prozesse in der Geschichte
der Musik. Studien zur Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts Bd. 18. Regensburg :
Bosse, 1969, S. 141-146. Unabhängig von ihm auch TYRRELL, J. Czech Opera.
Cambridge : Cambridge University Press, 1988, S. 150-151 u.a. zurück
2
Die Anregungen zu dieser andersartigen Deutung von Rusalka nehme ich u.a. von
den folgenden Aufsätzen SCHLÄDER, Jürgen. Märchenoper oder symbolistisches
Musikdrama? Zum Interpretationsrahmen der Titelrolle in Dvořáks „Rusalka“. Die
Musikforschung, 1981, Jahrgang 34, Heft 1, S. 25-39; VOJTĚCH, Ivan. Rusalka. Pipers
Enzyklopädie des Musiktheaters. Oper – Operette – Musical – Ballett. Hrsg. von C.
DAHLHAUS und S. DÖHRING. Bd. 2. München : Piper, 1987, S. 101-106; HAESLER,
Ludwig. Zur psychischen Entwicklung und Dynamik in Dvořáks Rusalka. Report of the
International Musicological Congress Dobříš 17th-20th September 1991. Hrsg. von M.
OTTLOVÁ und M. POSPÍŠIL. Praha : Ústav pro hudební vědu AV ČR, 1994, S. 171181; STICH, Alexandr. Kvapils Rusalka als ein sprachliches, stilistisches und
literarisches Phänomen. Ibid., S. 129-170. Fernerhin sei hier die berühmte und
kontroverse Einstudierung von Dvořáks Oper in English National Opera London aus dem
Jahre 1983 (Regie David Pountney, Bühnenbild Stefanos Lazaridis) erwähnt, sowie auch
ausgewählte neuere Analysen der Werke von G. Verdi, B. Bartók u.a. (siehe unten Anm.
15 und 17). zurück
3
Vgl. ŽILINA, Miloslav. Absurdno a angažovanost [Absurdität und Engagiertheit].
In CAMUS, A. Romány a povídky [Romane und Novellen]. Praha : Odeon, 1969, S. 457462. zurück
4
Partitur (DVOŘÁK, A. Rusalka op. 114. Kritische Ausgabe nach dem Manuskript
des Komponisten, Praha : Státní hudební vydavatelství, 1960) S. 443-453. Vgl. auch den
Textanhang. zurück
5
Wie Anm. 2. zurück
6
Wie Anm. 2; K. H. WÖRNER (wie Anm. 1) und andere Verfasser halten übrigens
Dvořáks und Kvapils Rusalka für eine dramatische Person, die von Anfang an mit der
„Menschenseele” ausgestattet wird, die – im Unterschied zu den gleichnamigen Gestalten
aus den Opern von E. T. A. Hoffmann (Undine, 1816), A. Lortzing (Undine, 1845) oder
A. Dargomyshski (Rusalka, 1856) – von Anfang an als genuines Menschenwesen fühlt
und handelt, und nicht eventuell erst nachdem sie durch die Ehe, durch den Mann
„vermenschlicht” wurde. Ich brauche wohl nicht zu betonen, daß ich dieser Ansicht
zustimme und sie zum Ausgangspunkt von meinen eigenen Ausführungen mache. zurück
7
Mit ihren formalen Zügen (strophisches Aufbau, dreizähliges Metrum) und mit
ihrer dramaturgischen Funktion weist jedoch diese Arie eindeutig zur Tradition der
Opernballade zurück. Vgl. POSPÍŠIL, Milan. Balada v české opeře 19. století [Die
Ballade ind der tschechischen Oper des 19. Jahrhunderts]. Hudební věda, 1979, Jahrgang
16, Heft 1, S. 3-25. zurück
8
An dieser Stelle und im Folgenden weiche ich diametral ab von der Deutung des
Psychologen und Psychoanalytikers Ludwig HAESLER (wie Anm. 2), die ich sonst sehr
schätze, die jedoch so gut wie ausschließlich aufgrund des Librettos argumentiert. zurück
9
Zweiter Akt, Auftritt 4. Es handelt sich hier übrigens auch (was die Form betrifft)
um ein Torso der großen zweisätzigen Arie, wo nur noch der Cabaletta-Schlußsatz
übrigbleibt bzw. wo der langsame Cantabile-Satz durch den vorangehenden Auftritt von
Beneš „Ach des Kerkermeisters Leben…” (= Auftritt 2) ersetzt wird. zurück
10
Wie Anm. 2; vgl. auch den Notenanhang. Otakar ŠOUREK (Život a dílo
Antonína Dvořáka [Leben und Werk von Antonín Dvořák]. Bd. 4. Praha : SNKLHU,
1957, S. 129-145) nennt dagegen dieses Motiv „Wassermacht-“ bzw.
„Wasserzaubermotiv”. Verallgemeinend kann man sagen, daß die Semantik der
Leitmotive bei Dvořák nicht eindeutig ist und sogar gegensätzliche Deutungen zuläßt.
Dvořák ist primär ein Instrumentalkomponist, er arbeitet mit seinen Leitmotiven
7
vorwiegend in dem Sinne von autonomer („absoluter”) Musik und sorgt nicht so sehr um
den betreffenden semantischen oder dramaturgischen Kontext bzw. ist in dieser Hinsicht
nicht immer folgerichtig. zurück
11
Partitur (wie Anm. 4) S. 558-594. zurück
12
Wie Anm. 2. Vgl. auch KATZ, Derek. Janáček and the Ordinary. Ein Vortrag im
Rahmen des Colloquiums in Bohuslav Martinů-Stiftung und Studienzentrum. Prag,
Dezember 1997. Tschechisch als: Janáček a tradice. Übs. von J. Gabrielová. Hudební
věda, 1998, Jahrgang 35, Heft 4, S. 360-376. zurück
13
Partitur (wie Anm. 4) S. 408-415. zurück
14
Vgl. Anm. 3. zurück
15
Vgl. GERHARD, A. Die Verstädterung der Oper. Paris und das Musiktheater
des 19. Jahrhunderts. Stuttgart und Weimar : Metzler, 1992, S. 158-162, 190-194 u.a. –
Die aktiven, selbständig handelnden weiblichen Figuren tauchen allmählich unter den
Neben- bzw. negativen Rollen und (oder) im Mezzosopranfach auf. Vgl. dazu ANDRÉ,
Naomi. Power, Judgment and Ritual: Amneris and the subversion of convention in Aida,
act four, scene one. Ein Vorträg im Rahmen von Tenth International Conference on 19thCentury Music. Bristol, Juli 1998; u.a. Rusalka als die positive Titel- und Sopranrolle
bedeutet in dieser Hinsicht wiederum eine Ausnahme oder eher einen weiteren Schritt in
der angedeuteten Richtung. Es ist übrigens charakteristisch, daß es sich hier um das
jungdramatische und nicht lyrische oder Koloratur-Sopranfach handelt. Vgl. auch
SCHLÄDER, J. (wie Anm. 2). zurück
16
Vgl. auch STICH, A. (wie Anm. 2). zurück
17
Vgl. FRIGYESI, J. Béla Bartók and Turn-of-the-Century Budapest. Berkeley;
Los Angeles; London : University of California Press, 1998. Kap. 7, Loneliness and
Love. The Literary Context of Bluebeard’s Castle, S. 196-229. zurück
18
Partitur (wie Anm. 4) S. 590-592. zurück
19
Klavierauszug (BARTÓK, B. Herzog Blaubarts Burg op. 11. Wien; New York:
Universal Edition, 1922) S. 68-70. zurück
8
Textanhang
Antonín Dvořák – Jaroslav Kvapil: Rusalka
3. dějství
3. Akt
RUSALKA
Necitelná vodní moci,
stáhlas mne zas v hlubinu –
proč v tom chladu bez pomoci
nezhynu, ach, nezhynu?
Mladosti své pozbavena,
bez radosti sester svých,
pro svou lásku odsouzena
teskním v proudech studených.
Ztrativši svůj půvab sladký,
miláčkem svým prokleta,
marně toužím k sestrám zpátky,
marně toužím do světa.
Kde jste, kouzla letních nocí
nad kalichy leknínů?
Proč v tom chladu bez pomoci
nezhynu, ach, nezhynu?
RUSALKA
Fühllos für all’ meine Schmerzen
zogt ihr wieder mich hinab –
kalte Fluten Ruh’ gönnt meinem Herzen,
gebt ihm ein Grab!
Nimmermehr frei, grausam verbannt
aus der Schwestern frohen Reih’n,
für meine Liebe Undank ich fand,
ewig soll ich verbannt nun sein.
Was kann ich tun? Stets nur weinen,
bin von des Liebsten Brust verbannt,
vergebens will zurück zu den Meinen,
ach, vergebens hin zum Land.
Wo seid ihr, ihr Zaubernächte,
Träume, die dahin ich gab?
Gebt doch endlich ihr fühllosen Mächte,
gebt mir ein Grab, gebt mir ein Grab!
JEŽIBABA
(vyjde z chalupy)
Aj, aj? Už jsi se navrátila!
No, tos tam dlouho nepobyla!
A jak máš bledé tvářičky,
a jak tu truchlíš o samotě!
Což nechutnaly hubičky
a lidské lože nehřálo tě?
HEXE
(kommt aus der Hütte)
Ei, ei! Mein Nixlein schon zurück?
Nun, nun, das war ein kurzes Glück!
Wie bleich, ei, sind die Wängelein,
bist wieder traurig und ganz allein?
So schmeckten nicht die Küßchen fein,
die Lieb’ gar brachte Qual dir und Pein?
RUSALKA
Ach, běda tetko rozmilá,
vše zradilo mne, vše jsem ztratila!
RUSALKA
Ach wehe, wehe, gute Base mein,
verloren alles, verdammt muß ich sein!
JEŽIBABA
Krátké bylo milování,
dlouhé bude naříkání,
po hubičkách mužských úst
nekonečný, věčný půst!
Člověk je člověk, živlů vyvrhel,
z kořenů země dávno vyvrácen,
běda, kdo jeho lásku poznat chtěl,
jeho kdo zradou je teď zatracen!
HEXE
Kurz war nur die Liebesfreude,
lang jetzt Schmerz und Qual erleide,
nach dem Kuß von Mannesmund,
ewig bleibt das Herz dir wund
Mensch bleibt nur Mensch, lebt von uns
abgewandt,
ist seinem Urkeim längst entfremdet schon,
weh dem, der seine Liebe hat erkannt,
Fluch ist sein Schicksal, Fluch der Treue Lohn!
RUSALKA
Tetko má moudrá, tetko, rci,
není mi, není pomoci?
RUSALKA
Gute Base mein, dich bitt’ ich sehr,
sag, gibt es keine, keine Hilfe mehr?
JEŽIBABA
Miláček tě zavrh’, přestal tě mít rád –
a teď Ježibaba má zas pomáhat?
Po záletech světských, dcerko rozmilá,
HEXE
Da der Liebste treulos, kalt verlassen dich –
ist die alte Hexe gut, zu retten dich?
Nach den Weltenfreunden, nach der Erdenglut
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bys teď k sestrám ráda se zas vrátila?
Inu, mám já radu, dobrou radu mám –
ale poslechneš-li, ví to rarach sám!
Lidskou krví musíš smýti
živlů prokletí
za lásku, již chtělas míti
v lidském objetí!
Budeš zas, číms byla prve,
než tě zklamal svět –
ale horkem lidské krve
lze jen ozdravět.
Opustí tě všechna muka,
budeš šťastná hned,
zahubí-li tvoje ruka
toho, jenž tě oklamal,
toho, jenž tě sved!
möcht’st du zu den Schwestern wieder in die Flut?
Nun ich weiß ein Mittel, geb’ dir guten Rat –
sicherlich gelingt es, der Teufel hilft zur Tat!
Menschenblut nur kann dir helfen,
dich vom Schmerz befrei’n,
selbst töten mußt du deinen Liebsten,
dann wirst frei du sein!
Wieder froh wirst du wie ehe,
und vergißt, wie dich verriet die Welt –
nur durch heißes Menschenblut
dein Leid in Nichts zerfällt.
Alle Qual wird dich verlassen,
wieder glücklich wirst du sein,
doch der Liebste muß sein Leben
lassen, es muß sein!
RUSALKA
(zděšeně)
Ježibabo, běda, co to chceš?
RUSALKA
(entsetzt)
Zaubertraute, wehe, welche Tat!
JEŽIBABA
(podává jí nůž ze záňadří)
Ten vezmi nůž a slib, že poslechneš!
HEXE
(reicht ihr ein Messer, welches sie im Busentuch
verborgen hat)
Das Messer nimm, laß Mut und folg’ dem Rat!
RUSALKA
(zahodí nůž do jezera:)
Jde z tebe hrůza, nech mne, nech!
Chci věčně trpět v úzkostech,
chci věčně cítit kletbu svou,
svou celou lásku zhrzenou,
svou beznaděj chci všechnu zřít –
leč on, on musí šťasten být!
RUSALKA
(wirft das Messer in den See:)
O, welches Grauen! Laß mich, geh!
Will ewig leiden Erdenqual, Menschenweh,
Mein Herzensleid will tragen ewig ich
und Höllenqualen fürchterlich,
gern trag ich Qual und Pein –
nur er, nur er soll glücklich sein!
JEŽIBABA
(rozchechtá se)
V lidský život potměšilý
touha tvá tě vábila –
a teď nemáš tolik síly,
bys krev lidskou prolila?
Člověk je člověkem teprve,
HEXE
(lacht höhnisch auf)
Unter Menschen voll Lug und Trug
lockt’ dich heißer Übermut –
und nun hast du nicht die Kräfte
zu opfern sein menschlich Blut?
Mensch wird Mensch erst, wenn er morden
kann,
und in Blut er taucht die Hände,
sein Glück im Blutrausch sucht er dann,
ewige Blutgier ohn’ Ende.
Und du wolltest sein ein Menschenkind
mit deinem Herzchen sanft und lind?
Bläschen du kleines, so hohl und leer,
müßig nur sitzt du, schauest umher!
Geh, geh und leide nur in Ewigkeit,
vergeh’ in Sehnsucht um dein Menschenleid!
Hinkt in die Hütte ab.
v cizí krev ruku když stopil,
zbrocen když vášní do krve
bližního krví se opil.
Pak žes chtěla člověkem být
a člověka vášní omámit?
Prázdná ty vodní bublinečko,
měsíční bledá zahalečko!
Jdi, trp si z věků do věků –
a seschni touhou po svém člověku!
Odbelhá se do chalupy.
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