Neandertaler in Europa

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Neandertaler in Europa
PRESSEINFORMATION
anlässlich der Ausstellungseröffnung
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Ab 12. November 2009 begibt man sich im Haus der Natur auf eine Zeitreise der
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der Menschheit und verweilt dabei in einer bis heute rätselhaften Epoche, der Ära der
Neandertaler.
Die aus Belgien stammende Sonderschau ͣŝĞ EĞĂŶĚĞƌƚĂůĞƌ ŝŶ ƵƌŽƉĂ͞ erzählt in
berührender Weise vom Leben und Schaffen einer Neandertalergemeinschaft. Szenische
Darstellungen beschreiben die Neandertaler als soziale Wesen, zeichnen ein Bild ihrer
Ängste und Sorgen, aber auch ihres Zusammenhaltes. Von der Herstellung ausgefeilter
Werkzeuge und Waffen oder den Gefahren bei der Großwildjagd, von rituellen Handlungen
bis hin zum alltäglichen Zusammenleben in der Gruppe, wirft diese Ausstellung einen sehr
menschlichen Blick auf den Homo neanderthalensis und seine kargen Lebensbedingungen.
Geheimnisvoller Weggefährte
Die Neandertaler lebten vor 200.000 bis etwa 30.000 Jahren in Europa und dem Nahen
Osten. Ihre kräftigen Körper waren an das eiszeitliche Klima angepasst, sie besaßen
ausgereifte Jagdtechniken und waren ʹ nach neuen Erkenntnissen ʹ zur Sprache befähigt.
Bevor sie vor etwa 30.000 Jahren spurlos verschwanden, teilten sich Homo neanderthalensis
und Homo sapiens, der moderne Mensch, den gleichen Lebensraum. Beide waren auf
dieselben Nahrungsquellen und Rohstoffe angewiesen. Es ist möglich, dass der Neandertaler
den Kampf um die überlebenswichtigen Ressourcen einfach verloren hat. Es ist aber auch
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Sieben Millionen Jahre Menschheitsgeschichte ʹ eine bunte Ahnengalerie
Was führte zum Aussterben der Neandertaler? Im Haus der Natur hat man sich intensiv mit
dieser und anderen Fragen rund um die menschliche Evolution beschäftigt und deshalb die
Ausstellung Ƶŵ ĞŝŶĞŶ ĞŝŐĞŶĞŶ ĞƌĞŝĐŚ ĞƌǁĞŝƚĞƌƚ͗ ͙ͣƵŶĚ ǁŝĞ ǁŝƌ DĞŶƐĐŚĞŶ ǁƵƌĚĞŶ͞ ĨƌĂŐƚ
nach den biologischen und kulturellen Wurzeln des Menschseins.
Wer sind unsere Vorfahren, wer unsere nächsten Verwandten? Warum begab sich die
Gattung Mensch auf Wanderung und besiedelte schließlich den ganzen Planeten? Und
natürlich - was passierte beim Aufeinandertreffen von Neandertalern mit dem modernen
Menschen? Die Entwicklung des Menschen im Laufe der Jahrmillionen ist und bleibt wohl
das spannendste Puzzle, an dessen Zusammensetzung in Fachkreisen gearbeitet wird.
Vieles ist bis heute ungeklärt. Die Wissenschaft ist auf einige wenige Knochenfunde und
Werkzeugreste angewiesen und versucht aus diesen Mosaiksteinen ein sinnvolles Bild, einen
Stammbaum der Menschwerdung zu formen. Die Grenze zwischen erwiesenen Fakten und
Interpretationen verschwimmt dabei. Die Ausstellung ͣŝĞEĞĂŶĚĞƌƚĂůĞƌŝŶƵƌŽƉĂ͙ƵŶĚǁŝĞ
ǁŝƌDĞŶƐĐŚĞŶǁƵƌĚĞŶ͞ versucht hier die Gratwanderung: zeigen, was fest steht und denken,
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Daten und Fakten
Ausstellungszeitraum: 13. November 2009 bis Oktober 2010
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im Haus der Natur integriert.
Ausstellungsort: Haus der Natur, Sonderschauhalle im Science-Gebäude, 1. Stock
Ausstellungsumfang: Szenische Darstellungen einer Neandertalergemeinschaft, Exponate
aus den bedeutendsten Fundstellen zwischen dem Atlantik und dem Nahen Osten: Schädel
von Homo habilis, Homo erectus, Homo sapiens, Homo neanderthalensis, Australopithecus
africanus; Skelette von Homo neanderthalensis; Faustkeile, Wurfspeere, Stoßlanzen, Pfrieme
und andere Werkzeuge und Waffen; Grab von Homo neanderthalensis, Schmuck- und
Gebrauchsgegenstände aus Knochen, Gesichtsrekonstruktionen von Homo neanderthalensis;
Knochenfunde eiszeitlicher Säugetiere.
Ausstellungskonzept: ͣŝĞ EĞĂŶĚĞƌƚĂůĞƌ ŝŶ ƵƌŽƉĂ͞ ʹ Gallo-Romeins-Museum, Tongeren,
Belgien 2003; ͙ͣƵŶĚǁŝĞǁŝƌDĞŶƐĐŚĞŶǁƵƌĚĞŶ͞- Haus der Natur, Salzburg 2009
Kontakt:
Charlotte Kraus
Tel: 0662 ʹ 84 26 53 ʹ 246
E-Mail: charlotte.kraus@hausdernatur.at
ZUSATZINFORMATIONEN
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Vor 7 Millionen Jahren ʹ der aufrechte Gang entsteht
Lange vor den ersten echten Menschen schritten bereits Sahelanthropus tchadensis und Ardipithecus ramidus
auf zwei Beinen. Die Zahnform dieser beiden Hominiden lässt darauf schließen, dass sie sich in erster Linie von
Waldfrüchten ernährten. Damit wurde die Theorie, dass der aufrechte Gang als Anpassung an ein Leben in der
offenen Savanne entstanden ist, in Frage gestellt.
Vor 3 bis 4 Millionen Jahren ʹ Blütezeit der Vormenschen
Zeitweilig lebten in Afrika bis zu drei Vormenschenarten gleichzeitig. Auch sie gingen aufrecht, ihr Gehirn war
ĂďĞƌ ŬĂƵŵ ŐƌƂƘĞƌ ĂůƐ ĚĂƐ ĞŝŶĞƐ ^ĐŚŝŵƉĂŶƐĞŶ͘ ŝĞ ͣƌŽďƵƐƚĞŶ͞ sŽƌŵĞŶƐĐŚĞŶ starben vor rund 1,1 Millionen
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Australopithecus afarensis ;ďĞƌƺŚŵƚĞƐƚĞsĞƌƚƌĞƚĞƌŝŶ͗ͣ>ƵĐLJ͞Ϳ und Australopithecus africanus.
Vor 2,5 Millionen Jahren ʹ Urmenschen erscheinen
Vor rund 2,5 Millionen Jahren lebte Homo rudolfensis und damit der erste bekannte Vertreter der Gattung
Homo ʹ ͣDĞŶƐĐŚ͞ - in Afrika. Ihm folgte Homo habilis, doch wer die direkten Vorgänger der beiden Urmenschen waren, ist bis heute noch nicht eindeutig geklärt.
Vor 2 Millionen Jahren ʹ die große Wanderschaft beginnt
Vor knapp zwei Millionen Jahren entstand in Afrika wieder eine neue Menschenart: Homo ergaster. Auf der
Suche nach ergiebigen Nahrungsquellen wanderte er Richtung Asien und Europa. Aus Homo ergaster entwickelte sich im Laufe der Zeit Homo erectus, der in Asien wahrscheinlich bis vor rund 300.000 Jahren überlebte.
In Europa starb er bereits vor 400.000 Jahren aus.
Vor 1,5 Millionen Jahren ʹ unsere direkten Vorfahren erscheinen
Vor rund 1,5 Millionen Jahren entwickelten sich die ersten Vorformen des modernen Menschen. Ob der Homo
heidelbergensis in Europa aus Homo antecessor oder bereits in Afrika aus Homo erectus hervorging, ist noch
unklar.
Vor 200.000 Jahren ʹ Neandertaler besiedeln Europa
Homo neanderthalensis trat erstmals vor rund 200.000 Jahren in Europa auf. Wahrscheinlich ist er ein Nachfahre des Heidelbergmenschen. In den folgenden 100.000 Jahren besiedelte der Neandertaler ganz Europa und
Kleinasien. Irgendwo in Kleinasien kam es vielleicht zur ersten Begegnung zwischen Neandertalern und dem
modernen Menschen.
Vor 195.000 Jahren ʹ der moderne Mensch entsteht
Die Geschichte des Homo sapiens begann vor knapp 200.000 Jahren in Afrika, im Gebiet des heutigen Äthiopien. Vermutlich war Homo erectus unser direkter Vorfahr. Vor rund 100.000 Jahren begann Homo sapiens die
Welt zu erobern. In Europa und Kleinasien lebte er wahrscheinlich einige Jahrtausende lang gemeinsam mit
dem Neandertaler, bis dieser vor etwa 30.000 Jahren verschwand.
Kontakt: Haus der Natur ͻCharlotte Kraus ͻTel: 0662 ʹ 84 26 53 ʹ 246 ͻE-Mail: charlotte.kraus@hausdernatur.at
Begegnung mit Folgen
Weitaus mehr als 100.000 Jahre lang lebten die Neandertaler erfolgreich im Europa der letzten Eiszeit. Vor
etwa 40.000 Jahren ist hier auch der moderne Mensch eingetroffen und hat zumindest 10.000 Jahre lang gemeinsam mit dem Neandertaler gelebt. Dieser ist dann spurlos verschwunden. Die letzten bekannten Überreste, die Neandertalern zugeordnet werden, sind etwa 30.000 Jahre alt. - Was ist mit diesen Menschen geschehen?
Viele Meinungen ʹ keine Gewissheit!
Kälte?
Vor 30.000 Jahren wurde das Klima rauer. Sowohl Neandertaler als auch moderne Menschen wichen nach
Süden aus. Beide Gruppen starben im Kampf um die knappen Lebensgrundlagen aus. Weiter entwickelte moderne Menschen besiedelten das Land daraufhin aus dem Osten. (Tjeerd van Andel, Universität Cambridge,
2004)
Zu wenig Menschen?
Wahrscheinlich lebten am Ende ihrer Zeit kaum mehr als 10.000 Neandertaler in Europa. Hunger oder Krankheitsepidemien können rasch das Ende einer so kleinen Bevölkerungsgruppe bedeuten.
Kannibalismus?
Am Kieferknochen eines vermutlichen Neandertalerkindes aus Frankreich wurden Spuren von Steinwerkzeugen
festgestellt. Das Fleisch wurde wie bei Tieren vom Knochen gelöst. Es ist möglich, dass der moderne Mensch
wenigstens zeitweise Neandertalerfleisch gegessen hat. (Fernando Rozzi, Centre National de la Recherche
Scientifique, Paris, 2009)
Es gibt Hinweise darauf, dass Neandertaler selbst Artgenossen verzehrten. Dadurch könnte eine tödliche Infektion ähnlich der Creutzfeld-Jacob-KranŬŚĞŝƚ;ͣ^͞ďĞŝŵDĞŶƐĐŚĞŶͿƺďĞƌƚƌĂŐĞŶǁŽƌĚĞŶƐĞŝŶ͕ĚŝĞĚĂƐƵƐƐƚĞrben beschleunigte. (Simon Underdown, Oxford Brookes University, England, 2008)
Vermischung mit dem modernen Menschen?
In Portugal wurde ein Kinderskelett gefunden, das anatomisch modern aussieht, aber die kurzen Unterschenkel
und das fliehende Kinn eines Neandertalers besitzt. Der Neandertaler könnte in der größeren Bevölkerungsgruppe der modernen Menschen aufgegangen sein. (Erik Trinkaus, University of Pennsylvania, 2007)
Aufeinander treffen
Damals wie heute ʹ Heute wie damals?
So wie die Neandertaler und der moderne Mensch sind im Lauf unserer Millionen Jahre währenden Geschichte
immer wieder unterschiedliche Menschen aufeinander getroffen. Was dabei geschehen kann, ist zumindest aus
der jüngeren Menschheitsgeschichte bekannt. Gut dokumentiert sind die Folgen des Aufeinander Treffens
zwischen den Europäern und den Indianern in Nordamerika.
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völlig eigenständig und bewohnten in zahlreichen Stämmen den ganzen Kontinent. Danach ist alles eingetreten, was beim Aufeinander Treffen verschiedener Völker und Kulturen eintreten kann: Vertreibung, Schlachten,
Massaker und tödliche Infektionskrankheiten, aber auch genetische Vermischung und die zunehmende Eingliederung in die weiße Bevölkerungsmehrheit.
Ereilte die Neandertaler vor 30.000 Jahren ein ähnliches Schicksal? Wir werden es wohl kaum erfahren. Denn ʹ
versetzen wir uns in die Zukunft: Werden die Indianer Nordamerikas in 30.000 oder 100.000 Jahren noch als
Ethnie erkennbar sein?
Kontakt: Haus der Natur ͻCharlotte Kraus ͻTel: 0662 ʹ 84 26 53 ʹ 246 ͻE-Mail: charlotte.kraus@hausdernatur.at