Mosaik, Ausgabe 15 / Sommer 2015

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Mosaik, Ausgabe 15 / Sommer 2015
Heft 15 Sommer 2015 Salzburg 0,00 Euro
mosaik
Zeitschrift für Literatur und Kultur — von und für Narwale
impressum
H e r a u s g eber : Jos ef Kirc hner, Sarah Os wald
A u s g a b e 15 - Sommer 2 0 1 5
Ku r a t i o n : Felic itas Biller, Mar ko Dinic´
L ay o u t / S atz/ Graf ik/ I llus tration: Sarah Per ter ma n n
Au fla ge : 1000 S tü ck
Er sch e in u n gswe ise : 4 Au sga b e n /Ja h r
Er sch e in u n gso r t: S a lzb u rg
IS S N 2409-0220
mo sa ikze itsch rift.co m
mo sa ik@stu d lit.at
h i e r w e r d e n s i e k u r (at )i e r t
i n h a lt
jonis hartmann
4
martin fritz
5
martin piekar
8
jopa jotakin
9
birgit birnbacher
10
alke stachler
12
lea schneider
13
johanna wieser
14
désirée opela
15
philipp röding
16
tristan marquardt
17
robert prosser
18
ekaterina haider
20
´
marko dinic
21
gerd sulzenbacher
22
tobias roth
24
rick reuther
26
max czollek
27
Die Überschrift verrät: Hier handelt es sich
nicht um eine herkömmliche mosaik-Ausgabe.
Nicht herkömmlich im Sinne der HerausgeberInnen, die wir ins Ausland geschickt und
durch Narwal-Fänger ersetzt haben! Die fetten
und hornigen Meeressäuger wurden aber nicht
aufgrund des Klimawandels an die Salzburger
Küste geschwemmt, sondern sorgfältig erspäht,
gefangen, an Land gezogen und filetiert - Mahlzeit!
So! Schluss mit den Walmetaphern. Fakt ist:
Diese Ausgabe vereinigt unseres Erachtens die
spannendsten Stimmen junger Autorinnen
und Autoren aus Österreich, Schweiz und
Deutschland. Die Texte für die 15. Ausgabe der
mosaik sollen die Vielfältigkeit der derzeitigen
deutschsprachigen Literatur widerspiegeln: von
den experimentellen und konkreten Ansätzen
eines jopa jotakin bis hin zu den ungemein
sprachbewussten und ausdrucksstarken Sätzen
einer Birgit Birnbacher; von der spielerischen
Reduktion eines Tristan Marquardt bis hin zu
der kulturell tiefwurzelnden Dichtung eines
Max Czollek. Doch kommt man nicht umher,
auch mal Gänse zu treten und Papierschiffchen
zu falten, Olchis und Mutterfickern zu begegnen oder Schweinehirten oder Blutpenissen oder
Butt-Plugs oder oder (da steht etwas dazwischen)
oder... Bosnisch lernt man auch: Es handelt sich
hier also definitiv um eine Win-win-Situation –
sowohl für Euch als auch für uns!
Es bleibt noch den Menschen zu danken, die
diese Ausgabe ermöglicht haben: Den Autorinnen und Autoren, den ins Exil verbannten
HerausgeberInnen Oswald und Kirchner sowie
der bezaubernden Sarah Pertermann, die diese
Ausgabe aufs Vorzüglichste grafisch gestaltet hat.
Prost Ahoi!
Eure Narwal-Fänger
Felicitas Biller & Marko Dinić
3
steuerung zett
win win
Als die Uhr zwölf schlug, kam die kleine
Hassbacke um die Ecke. Sie suchte sich ein
Opfer und fand den kleinen Hinnerk, der auf
einer Schaukel schaukelte. Der kleine Hinnerk
schwang sich hoch und sprang dann auf der
Gegenseite ab, um mitten im Refektorium des
Klosterkomplexes aus Sand zu landen, den die
kleine Inga seit Stunden mit Spucke und Förmchen konstruierte. Die kleine Hassbacke sah zu,
wie der kalkulierte Sturz Wellen der Vergeltung
auslöste und war für einen Augenblick zufrieden.
Wenig später saß sie mir im Nacken. Aber ich
werde mich nicht beugen. Ich liebe die ganze
Welt, ich liebe jede verdammte Straßenbahn und
jeden einzelnen Joghurt. Nein, so einfach lasse
ich mich nicht bezwingen. Guten Tag, ich bin
eine freundliche Drohne.
An den Möwen hängt der Schiss – bevor er
fällt – wie die Paraglider unter ihrem Schirm.
Und wenn du ausgewählt wirst, bringt das Glück.
Unten schaut einer, gepunktet, strahlendes
Gesicht, den Schatten-Silhouetten hinterher
huschend. Er ist glücklich und die Welt bleibt
sauber.
gänse treten
Gestern hat mein Taschenrechner ausgerechnet,
dass ich in 234 Tagen und drei Stunden verenden werde. Heute ist Montag. Ich laufe am Ufer
entlang und kicke die Viecher ins Wasser, nur,
wenn ich auf der einen Seite fertig bin, ziehen
sie sich auf der anderen Seite schon wieder hoch.
j o n i s h a r t m a n n . De r Au to r wu rd e in Kö ln g e b o r e n ,
i n n o vat i v w i e a s c h e
An einem grauen Morgen, dessen Jahreszeit unerheblich ist, beging ich zum ersten Mal keinen
Fehler. Ich blieb im Bett. Mit den nicht vorhandenen Sonnenstrahlen im Hintergrund, stopfte
ich mir die Bettdecke in den Mund. Erst ging es
sehr langsam voran, dann irgendwann lief es wie
von selbst. Zu diesem Zeitpunkt war ich schon
Teil der immensen Belegschaft an der Apparatur,
die sich, angetrieben von jenem mächtigen Wort,
in Kreisen um den Schacht bewegt, um das
bisschen Erröten auf den Antlitzen der Sterne
zu erzeugen.
4
ist Trä ge r za h lre ich e r S tip e n d ie n . Le tzte Ve rö ffe n t l i ch u n g :
Mondo Kranko. Stories. (C h a o tic R eve lr y Ve r la g 2013)
w e a r e t h e 68% /
4% “ d e r g l ü c k l i c h e ”
ich habe kein verständnis wenn mein partner flirtet
in einer beziehung hatte ich auch schon affären
ich fühle mich herausgefordert wenn mein freund angeflirtet wird
wenn ich eifersüchtig bin, gerate ich außer kontrolle
es fällt mir schwer, volles vertrauen in meinen partner zu setzen
die liebe ist mir bisher immer zwanglos passiert
schwärmt mein partner für andere frauen, lästere ich über sie
ich hatte schon die wahl zwischen zwei bewerbern
in meiner fantasie sehe ich meinen partner beim sex mit anderen
für die liebe bleiben freunde auch einmal auf der strecke
wenn ich mir meines partners sicher sein kann, wird mir langweilig
ein seitensprung kann eine beziehung neu beleben
hat mein partner kontakt zu anderen frauen, droht das liebesende
ich komme oft zu dingen wie die jungfrau zum kind
das magische in der liebe sind geheimnisse
ob singledasein oder beziehung, ich bin nie ganz zufrieden
nebenbuhler habe ich immer auf meinem radar
bevor ich mich überflüssig fühle, suche ich lieber das weite
ich habe mehrere sexualkontakte
ich widme mich voll und ganz meinem partner
meine unabhängigkeit setze ich für niemanden aufs spiel
ich tische meiner familie regelmäßig ein festmahl auf
ein one-way-ticket gibt mir die chance, spontan zu sein
eigenständigkeit erhöht die dauer einer guten partnerschaft
ich möchte mich nicht länger unserem gesellschaftssystem aussetzen
in symbiose zu leben ist ein erotik-killer
einsame stunden vertreibe ich mir vorm fernseher
den freiraum, den ich brauche, gestehe ich auch anderen zu
ich liege wach im bett, wenn mein partner noch nicht zuhause ist
in einer beziehung darf man sich nicht ausruhen
ich arbeite lieber allein anstatt in einem team
meine freunde können mich jederzeit um hilfe bitten
in meiner freizeit verfolge ich viele interessen
weit weg von meiner familie würde mir die zuwendung fehlen
wenn mich die sehnsucht packt, gehe ich auf und davon
fernab vom alltag fülle ich meine ressourcen auf
ich habe kein verständnis, wenn ich mir meines partners sicher sein kann
in einer beziehung hatte ich auch die schon wahl zwischen zwei bewerbern
ich fühle mich herausgefordert wenn ich schon affären hatte
wenn ich eifersüchtig bin, droht das liebesende
die liebe ist mir bisher immer zwanglos passiert, wenn mein freund angeflirtet wird
wenn es mir schwer fällt, lästere ich über sie
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schwärmt mein partner für andere frauen, setze ich volles vertrauen in meinen partner
mein partner flirtet schon mit affären
in meiner fantasie sehe ich meinen partner auch einmal auf der strecke
für die liebe bleiben freunde beim sex mit anderen
gerate ich außer kontrolle, wird mir langweilig
bin ich nie ganz zufrieden, kann das eine beziehung neu beleben
hat mein partner kontakt zu anderen frauen wie die jungfrau zum kind, habe ich es immer auf meinem
radar
ich komme oft zu dingen wie geheimnissen
das magische in der liebe ist ein seitensprung
ob singledasein oder beziehung, ich suche lieber das weite
bevor ich mich überflüssig fühle, suche ich nebenbuhler
ich habe niemanden
ich widme mich voll und ganz der dauer einer guten partnerschaft
meine unabhängigkeit setze ich für mehrere sexualpartner aufs spiel
ich tische meiner familie regelmäßig meine ressourcen auf
das team, das ich brauche, gestehe ich auch anderen zu
ein one-way-ticket gibt mir meinen partner
eigenständigkeit erhöht die chance, spontan zu sein
in symbiose zu leben sind einsame stunden
erotik-killer vertreibe ich mir vorm fernseher
den freiraum möchte ich nicht länger unserem gesellschaftssystem aussetzen
in einer beziehung darf man sich nicht ausruhen, wenn mein partner noch nicht zuhause ist
ich arbeite lieber allein anstatt wach im bett zu liegen
meine freunde können mich jederzeit um ein festmahl bitten
in meiner freizeit verfolge ich hilfe
weit weg von meiner familie würde mir viele interessen fehlen
wenn mich die die zuwendung packt, gehe ich auf und davon
fernab vom alltag fülle ich meine sehnsucht auf
wenn ich eifersüchtig bin, habe ich kein verständnis
droht das liebesende, wird mir langweilig
droht verständnis, werde ich eifersüchtig
wenn es mir schwer fällt, kann das eine beziehung neu beleben
mein partner flirtet schon mit meinem verständnis
in meiner fantasie sehe ich meine schwerfälligkeit
für die liebe geraten freunde beim sex mit anderen außer kontrolle
ich bin nie ganz zufrieden, wenn ich eifersüchtig bin
das magische in der liebe ist außer kontrolle zu bleiben
ein seitensprung bietet freiraum für nebenbuhler
eigenständigkeit erhöht die chance, mehrere sexualpartner zu haben
droht das liebesende, erhöht das die chance, mehr verständnis zu haben
spontan zu sein ist ein erotik-killer für mehrere sexualpartner
mehr verständnis zu bedrohen, erhöht die chance mehrere freunde zu haben
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habe ich mehr kontrolle, droht langeweile
ich verstehe das liebesende, wenn ich nie ganz zufrieden bin
ich bin nie ganz zufrieden, wenn erotik-killer eine beziehung neu beleben
droht beim sex mit anderen kontrolle, flirte ich mit verständnis
das verständnis möchte ich länger unserem gesellschaftssystem aussetzen
unser gesellschaftssystem droht meiner freizeit mit eifersucht
die dauer einer guten beziehung möchte ich nicht länger unserem gesellschaftssystem
aussetzen
das ausruhen meines partners darf ich nicht länger mögen
meine freizeit möchte ich nicht länger unserem gesellschaftssystem aussetzen
darf sich mein partner nicht unserem gesellschaftssystem aussetzen, droht kontrolle
die dauer einer guten beziehung möchte ich nicht länger dem verständnis von eifersucht
aussetzen
die dauer einer guten freizeit möchte ich nicht länger der beziehung aussetzen
die dauer einer guten eifersucht möchte ich nicht länger dem verständnis aussetzen
mein verständnis möchte ich nicht länger unserem gesellschaftssystem aussetzen
meine nebenbuhler dürfen sich nicht ausruhen, wenn mein partner nicht zuhause ist
wenn meine nebenbuhler sich nicht ausruhen, darf mein partner mit keinem
verständnis drohen
meine freunde können jederzeit wach in meinem bett liegen
ich möchte mein gesellschaftssystem nicht länger meinen freunden aussetzen
ich habe keine langweile in unserem gesellschaftssystem
ich habe kein verständnis für meine phantasie
sondern für euch
m a r t i n f r i t z . D e r i n In n s b r u ck l e b e n d e A u t o r e r h i e l t
2010 d e n Ra u r i s e r Fö r d e r u n g s p r e i s . L e t zt e Ve r ö ffe n t l i ch u n g : int rins is c he s üßig k e it . Ge d ic ht e (Be r g e r Ve r l a g
2013)
7
gegenwarten
gar nix
War!
Fuck the system!
(System of a Down)
Ich war ein ziemlich fauler Bursche
als mich die Wirklichkeit erwischte
( Julián Herbert)
anti
Jetzt. Gegenwarten der Revolution.
Warten als Existenz
Erwartungshaltung ist Stase oder Tremens
Wenn ich Kiew suche
Weiß ich nicht in welche Zeit ich googlen soll
Brieföffner in Daten
Stochern im Bällchenpool
Wie in Networks
Gegenwarten gehen nie in
Nur an Gedichten verloren
Die Zeiten kennen unsere Haltung nicht
Im Newspot
Und kümmern sich nicht
Sie zu erfahren
Wenn wir verändern wollen
Ist es keine Frage der Zeit
Wann es abgeschlossen ist, Kids
Widererwarten Krieg
Wider Revolution
Ich weiß nicht wohin mit mir
Weil wir eine Generation sind
Die über nichts mehr schreiben
Können soll, Gegenwarten der Langeweile
Endstation, bitte nicht aussteigen
Das spart Zeit.
antii
Oder später. Aufbruch dagegen
Auf fb geteilte Angst ist
Ungeteilte Aufmerksamkeit, Ferneuphoristen
Bekommen keinen Wasserwerfer in die Fresse
Und manche bedauern es
Timelines nach Highlights gesichtet
Als Borderliner werden wir das Gedicht haben
Erzählerspotlights, ich schreibe
Auf Zeiten und kenne keine außer meiner
War nicht schon immer etwas los?
Aufstände werden gefunden, keiner biedert sich an,
Wie copypaste lose Festplatten wuchern lässt
Nachrichten sind darauf nicht nackt zu finden
Zum Dislikebutton ein klares Like
Online means public | social = republic?
Das Strahlen des Newsstream das Licht
Der Revolution im Obduktionssaal
Wenn wir vernünftig austreten UmStürze zu suchen oder zu doodlen
Finden wir nur offensichtliche Fälle von
Bürgerrechten auf dem Bürgersteig.
antiii
Irgendwann bald. Früher war alles
Heute ist alles anders soll ich glauben
Irgendwo streiten Freiheiten
Und sezieren Transparente, passivProgressiver Couchprotestler
Weil es angenehmer ist blinde Blitze zu reiten
Was sich da heranblinzelt erschrickt nicht
Durch heere Weiten, spontane Räume
Öffnen sich nicht im Newsfeed,
8
Faustgeschwollene Städte wo wildernde
Erwartungen die Zeit bereiten sollen
Sich zu ändern, die Sorge flößt mir Städte ein
Ich lerne davon, dass dort Menschen leben
Und hoffe es geht ihnen gut. Ich gluckse
Über meine Naivität für Menschen
Und die ewige Beschäftigung mit der Zukunft
Bis wir mittelalterlich zählen und wählen
Ungepflegte Traditionen: die Angst zeitlos zu sein.
antiiii
Nun oder. Ich weiß nicht
Wovon ich schreibe
Wenn ich über Aufstände schreibe
Die Existenzen ferner mir
In Gegenwarten öffnender Beziehungsstatus
Ich nenne es Kiew und meine Paris
Kairo Frankfurt Tripolis Istanbul
Iron Maidan - Fear of the Park
Streck die Hand aus und
Du greifst in Unwohl oder Unwahl
Nicht weil die Zeit dagegen ist
Ich bin gegen sie
Aufstand für Einwegprotestler
Ein Milchschaum
Für den anderen Horoskop
Revolutionäre fragen nicht danach
Und wir sprengen Türme der Kritik
Vernebeln uns mit Nachrichten
Am besten aus farfaraway
Um uns zu empören
Hier klärt sich nichts auf
Ich sehe nur noch den Himmel
Durch Lichtverschmutzung verdunkeln.
Für Jan Kuhlbrodt
m a r t i n p i e k a r . D e r i n Fr a n k fu r t a .M . l e b e n d e Ly r i ke r wa r G ew i n n e r d e s 20. O p e n M i ke We t t b ewe r b s .
Se i n D e b ü t - Ba n d Ba s t a rd E c ho e r s ch i e n 2014 i m
Ve r l a g s h a u s J .Fr a n k
9
unkonkret:
poesie
naja, halt so
schon in einer form
und eher so
rhythmisch eben
auch mit versen
versmaße gibt es
kann aber auch frei sein
vielleicht auch mit mehreren strophen
eventuell mit reim
muss aber auch nicht
unbedingt
gerade in letzter zeit eher verpönt
wenn dem reimen gefrönt
außer natürlich beim hiphop
den finden aber viele
eher unpoetisch
und diese ganzen gewaltaudrücke
und dass immer ficken vorkommt
is des a lyrik
würde jandl da
wohl
fragen
es kann das
gemüt erfreuen
oder auch nicht
so ein gedicht
wichtig ist
cirka irgendwie halt
dass quasi
so lyrisch und so
konkret:
so und nicht anders
punkt
10
j o pa j o ta k i n . De r Au to r trin kt ma n ch ma l e i n Bi e r a m
Wü r sch tlsta n d . S e in De b ü t-B a n d F ür die F is ch e r s ch i e n
2015 in d e r Ed itio n ch .
ein badewasserrest
Wie ich mit den Fingern über die angelaufene
Scheibe wischte, um genau hinschauen zu
können. Um die leere Stelle auf dem Rasen zu
sehen, den Abdruck. Wie ich vom Rücksitz
aus im Vorbeifahren sah, dass jemand die alte
Emaillebadewanne, die einmal weiß gewesen
war und rostbraune Stellen hatte, fortgeschoben,
weggezogen haben musste. Wie die Stelle aussah,
das Gras eingedrückt, gelb und verblichen, eine
Narbe. Dass ich mir sicher war, dass jemand das
nicht einfach so getan hatte, niemand entfernte
eine Badewanne einfach so, außer die Tiere
waren tot. Oder sonstwer, sonstwer war tot. Wie
ich wusste, dass man es wegen uns getan hatte.
Aus Scham oder, wie die Leute vielleicht gesagt
hätten, aus Anstand.
Ob es in Mutters Leben einmal etwas gegeben
hatte, was nicht matt war. Was ohne diese
Mattheit war, ohne die wir sie uns gar nicht
vorstellen konnten. Ob da einmal etwas gewesen
war, etwas Unüberlegtes vielleicht, ein Übermut.
Ob sie einmal eine Anstrengung unternommen
hatte, die belächelt, als sinnlos abgetan wurde.
Ob sie sich einmal gefürchtet hatte, so gefürchtet, dass ihr der Puls die letzten Ecken im Körper
ausgeklopft hatte. Ob sie gerade noch davongekommen war. Und ob sie das genossen hatte, auf
einer warmen Mauer liegend, das Rauschen des
eigenen Bluts in den Ohren.
Ob solche Momente zum Vorschein gekommen
wären, hätte ich einmal hineinschauen können
in ihren Kopf. Wie wir sie zusammen angeschaut hätten, wie ein Fotoalbum, Oberarm an
Oberarm, was wir gedacht, geredet hätten. Oder
ich, was ich gesagt hätte: Schau. Dein Herzschlag,
dein Schweiß, aber schau doch Mutter, deine Augen.
Du hast die Farbe im Gesicht und das Rauschen in
den Ohren. Und wer hat das einmal gesagt, hast du
das gesagt: Wem das Blut in den Ohren rauscht, der
lebt. Da: Wer Kirschen isst im Fahrtwind, lebt auch.
Und was war das, ein wässriges Fruchtfleisch im
Mund und Staub an den Zehen. Eine Kirsche essen
und Staub an den Zehen, den Zähnen haben, Sand.
Geht das zusammen? Aber so, wie du lachst, wild
und mit dem losen Zopf, war das der Wind?
Und wäre das so, wie hättest du, wie hätte sie
mich angeschaut dabei. Mit einem Gesicht von
früher? Oder wäre alles geblieben wie sonst: die
dunklen Augen wie schwarzes Glas im weißen
Zimmer. Der Blick unentschieden zuckend. Einmal scheint es, als sähe er Züge vorbeifahren, und
dann ruht er lang an der Wand. Einmal schließt
er mich aus, uns alle, dann zittert er, die Falte
über dem rechten Lid. Ist es eine Erinnerung?
An eine Frau von früher vielleicht, ein anderes
Leben? Vor uns.
Ich kann überlegen, was war, und sagen, dass
da ein Lied war. Dass ich vier war und Johanna
sieben, und dass das Lied ging: Ein Hund kam
in die Küche und stahl dem Koch ein Ei, da nahm
der Koch den Löffel und schlug den Hund zu Brei.
Wie Johanna etwas knetete, flocht und mir auf
die Hand schlug, weil ich den Teig aus der Faust
hervorquellen ließ. Wie Johanna bettelte, ob wir
einen Hund haben könnten. Wie ich rief:
Keinen Hund, oder etwas Ähnliches, keine Löffel.
Wie das Lied endlich bald aus war. Mutter, was
singt die Frau so hoch, was meint die Frau, meint sie
einen Kochlöffel, einen wie diesen, einen aus Holz?
Wie Johanna rief: Einen weißen, einen zottigen,
einen mit einer braunen Schnauze. Wir leinen ihn
an und gehen mit ihm hinaus und reiten auf ihm
und geben ihm jeden Tag einen anderen Namen.
Wie ich sagte: Bitte, Mutter, keinen Koch. Und
Johanna rief: Hier gibt es keinen Koch, ich bin der
Koch! Wie ich Mutters Gesicht sah und sagte:
Mutter, es ist nur ein Lied.
Dass etwas begann, kann ich sagen. Wie Vater
und ich einen Vogel sahen, als ich neben ihm
her stolperte, über Wurzeln stieg. Wie mir die
Waldluft kühl um das Gesicht zog. Dass Vater
mir die Hand über Nase und Mund legte und
sagte: Du bist kalt und deine Nase ist rot, gehen
wir zurück. Wie ich ihn sah, den Vogel, den
kreisenden Punkt. Den langsam kreisenden
Punkt im Weiß, dem Himmelweiß, das in den
Augen stach, so dass man sie zusammenkneifen
musste. Wie ich die Hand über die Augen legte
und stehen blieb, um ihm zuzuschauen, ihn
anzusehen. Wie er seine Bahnen zog, dass er
weit weg von mir war. Was zwischen uns war:
die stille Luft, Entfernung. Und wie mir davon
schwindlig wurde, etwas mit dieser Entfernung
geschah, diesem Raum zwischen mir und ihm,
dem Vogel da oben. Wie eine Völle in der Luft
entstand und mir von außen gegen die Ohren
drückte, still war. Wie diese Stille wuchs, bis
zu einer Undehnbarkeit groß wurde, grell. Wie
etwas platzen hätte müssen, aber nichts geschah.
b i r g i t b i r n b a c h e r . D i e Sa l zb u r g e r Au t o r i n e r h i e l t
2015 d e n Ra u r i s e r Fö r d e r u n g s p r e i s f ü r e i n e Er z ä h l u n g
zu m T h e m a M u t t e r s p r a ch e . E i n A u s z u g d a r a u s i st h i e r
a b g e d r u ck t .
11
der himmel ist so leer
die menschliche seele
der himmel ist so leer, dass er den atem absaugt,
dass man stockt, wenn man hinsieht und schnell
nach luft schnappt. aber er sich über den mund
legt. dass die augen an ihn stoßen wie an eine
plastikwand, dran stoßen und wieder in sich
selbst landen, fallen und springen wie knäuel
aus gummi oder draht. vor dem himmel stehen
bäume wie versteinerte insekten mit verdrehten
fühlern, die sich in dieses glatte grau schlitzen.
und man weiß nicht mehr, was zuerst da war:
die wand oder dieses gefühl, ein fels im fels im
felsen zu sein.
die menschliche seele wiegt 21 gramm: kann
man sie greifen, mit einem spaten im körper
tasten, wo sie klimpert, schaukelt und von innen
gegen die haut flattert wie ein panischer falter.
wo sie dir zuschaut von drinnen. hat sie die größe
eines pfirsichkerns, das gewicht einer schwalbe,
von 2 pralinen, einem standardbrief. auf fotos
ist sie dunkles fell, ein nebliger fleck, kaum zu
unterscheiden von einem hauch auf der linse.
ein winziges nest, ein trapez aus flokati oder
rauch. bewohnst du sie (ein bündel trippelnd
zwischen becken und zwerchfell, salziger kern,
bewegungen fedrig, im augenblick des todes
schlüpfst du hinaus aus ihr, spannst dich auf,
wirst fichtenschatten) oder sie dich.
i c h h a b e e i n b o o t g e fa lt e t
ich habe ein boot gefaltet aus papier. ich habe
das boot angefüllt und ins flusswasser gesetzt,
an einer seichten stelle, wo enten im gezackten
schatten saßen und uns lange musterten, mich
und mein taubenweißes blütenblättchen von
blasskariertem boot. es kippt sofort, ich weiß
nicht, ob die fracht zu schwer ist oder nur falsch
verteilt. sein bauch füllt sich mit schlierigem
minzigem achatfarbenem flusswasser, mit stücken von wolken, dazwischen schwankenden
zerschliffenen vögeln, die es sehr langsam
durchtrennt, bevor es grau wird und sinkt.
12
s ta c h l e r . Die Au to rin wu rd e in Ru m ä n i e n
ge b o re n u n d wo h n t d e rze it in Au gsb u rg . Z a h lr e i ch e Ve r ö ffe n tlich u n ge n in Z e itsch rifte n u n d An th o lo gien .
alke
ziegen. es gibt sie hier überall, wie einen
geruch, der aus dem boden kommt. zwischen
ihren hörnern verstecken sie je ein schwarzes
loch. an dieser stelle sind sie nicht besonders
tief und können ohne offizielle genehmigung
betrieben werden; man sollte sich ja auch nicht
an fakten halten, wenn es nur so wenige davon
gibt. die lokale bevölkerung weiß, wie man
mit lücken umgeht, kapital aus ihnen schlägt:
die futterbäume in der näheren umgebung
wurden bereits von der vorletzten generation
abgeerntet, daher das ziegenmonopol. wie jede
etablierte ideologie legitimiert es sich durch das
allge- meine vergessen seiner entstehung. die
gegen- wärtige situation entspricht also unveränderlich dem naturzustand, der eine lücke ist,
die man mit ziegen füllt. einmal im jahr werden
alle zusammengetrieben, ein großes erntefest
für die materie, die sich in ihnen verfangen hat.
ansonsten denkt man eher wenig darüber nach.
augen, babies, utopien, schmetterlinge: die
meiste angst habe ich vor sachen, die man leicht
zerstören kann. die, wenn kaputt, sofort für immer sind. ihre verletzlichkeit ist ein problem der
form, deshalb kann ich nichts daran ändern. es
ist ärgerlich, dass das nicht geht. dass insgesamt
so wenig großes stattfindet. ich muss niesen,
um mir die zeit zu vertreiben, und fühle mich
unterschätzt. als sei ich nur das seltene tier und
nicht die umfassende abhandlung, die ein zoologe darüber geschrie- ben hat; nur eine diode
und nicht der schaltplan. aber ohne abstraktion
keine handlungsmacht. dabei bräuchte ich bloß
genug autorität, um „liebe“ zu sagen. ein sehr
großes risiko, das – aus anderen gründen – belohnt wird. das entweder wirklich alles zerstört
(version: ewigkeit) oder alles repariert und einen
stabilisator einbaut, ein upgrade, mit dem man
es auch im alltag benutzen kann.
an manche ängste gewöhnt man sich. oblomophobie zum beispiel: die angst vor denken
und tun. sie entsteht aus der erkenntnis, dass
die meisten probleme sogar dann langweilig
sind, wenn man sie selber hat. man kann daher
nichts machen – was vielleicht funktioniert.
vielleicht zwischen barocken fragestellungen
(wie wirft man die schönsten falten, wie geht
gegensätzlichkeit) ein bühnenbild bewohnen,
stillleben mit sofa und schnaps. vielleicht mit
gegrilltem dazu. vielleicht ist es eine grillparty,
auf der er sich eröffnet, der zusammenhang von
langeweile und wahrheit: die eine ist bedingung der anderen, und die stellen dazwischen
hat man so lange nicht mehr geputzt, dass sie
mittlerweile verwachsen sind: ein vollgestopfter
kostümfundus, unseriös wie ein kaktus.
Chasing sheep is best left to shepherds.
(Michael Nyman)
l e a s c h n e i d e r . D i e i n Be r l i n l e b e n d e Au t o r i n e r h i e l t
2014 d e n p r e s t i g e t r ä ch t i g e n D r e s d n e r Ly r i k p r e i s. I h r
D e b ü t - Ba n d I nva s ion Rüc k wä r t s e r s ch i e n i m se l b e n J a h r
b e i m Ve r l a g s h a u s J .Fr a n k .
13
da steht etwas dazwischen
zensur
da steht was dazwischen.
Das Licht kommt aus dem Treppenhaus. Ich
hätte das scheiß Türfenster längst zunageln sollen. Wer braucht schon so ein Fenster, an einer
Türe, die ins Treppenhaus führt. Um mitzukriegen, wenn die anderen Spaß haben. (Wie bin
ich in den Flur gekommen. Warum stehe ich da.
Die Küche macht Lärm. Das Schlafzimmer ist
einsam ohne jemanden). Betrunken nach Hause
torkeln oder betrunken das Haus verlassen. Das
Treppenhaus: Ein einziger Rausch. Ich will ihre
Gesichter nicht sehen, will ihr lallendes Lachen
nicht hören. Die von oben. Treibt es bunt. Dass
sie jetzt auf die Akademie geht, hat sie gesagt.
Und dann tut sie immer so. Näckisch. Lächelt ihr
Grübchenlächeln: Du kannst dir ja mal meine
Sachen anschauen. Und dann gehen wir zusammen ins Bett. Ich will den Kopf-Geschwulst aus
mir herausdrücken. Fleischgewordener Irrsinn:
Dein böser Blick, hinter ihren Grübchen, ebenso
schön wie sternhagelbesoffen. Deine Worte hinter Auslassungszeichen, kristalline Konfusion aus
deinem Kopf, die du in meinen Kopf hineinschreist:
unter Tränen, die verraten, dass du am Ende bist,
dass du nicht mehr kannst. Dein Ich-will-aber
und dein Ich-kann-nicht. Deine Locken am
Morgen, abends, Kreise. Deine Mädchenbeine,
denen ich hinterher gelaufen bin, um mich zu
deinen Füßen zu betten. Da-nimm-mich. Dein
Und-wir-können-ja, dein manchmal-ist-maneben-traurig. Schau nicht in meinen Kopf. Fass
mich nicht an. Frag nicht immer (was ich denke).
Deine Paranoia. Deine Ängste. Stillstand. (Wut)
Aus deinen hervortretenden Augen. Sei ganz
ruhig, beruhige dich. Dein Nichts-wird-gut.
Beklemmung. Ratlosigkeit. Eine Platte, die du
auflegtest, als du nachts alleine nach Hause kamst.
H o w t o . Nachdem du alleine weg warst. Dein
tierwilder Mund beim Frühstück. Nochmal
zurück ins Bett: Deine Lust. Dein eiskalter Blick
beim Abendessen. Lass-mich. H o w t o . Deine
Sucht nach frisch gewaschener Wäsche. Unter
dem Fenster steht einer. Tut nichts, regt sich
nicht.
da rührt mich etwas zu Zeitwörtern
wo wir tun, als wären wir
dahinter,
da wächst was.
aber ziehe einen Stern in den Staub
und stoße mich an eindeutigen Bildern.
projizierte Orte tragen. nicht
dass ich je damit kokettierte, ich
schau durch den Winkel deiner Beine hindurch
und hör nicht mehr zu
unter Wasser Konflikte zu Momenten zu
überdehnen, wo mir der Ausdruck
in alle Richtungen zerfließt
im Schatten eine Allee, die nicht weiß
auf welche Seite er sich schlagen soll.
in einiger Richtung ein Pfahl, so scheint mir,
ein Pflock.
einen Aufprall vermeiden, vermutlich
zurück mich einzutrüben in einzigartige Lage
beinäher dem Boden, gebuckelt lehnen und
ferner da
hat sich herausgestellt, worum sich
was nicht selbst um anderes dreht.
zurück mich
auszuhalten verlangt
aufgerechte Neigung hindert ein
Klares beschlagen
j o h a n n a w i e s e r . Die A utorin s tudier t S p ra ch ku n st
a n d e r A ngewandten in Wien. Sie is t Mithe ra u sge b e rin
d e r L it e r a turzeits chrif t J ENNY.
14
Schaut er zu mir rauf ? Ich ducke mich, lehne
mich gegen die Heizung unter dem Fenster. Sie
röhrt. Ich drehe sie auf, drücke mich dagegen.
An den Schulterblättern brennt es ein wenig.
Stummelblätter. Zu nichts zu gebrauchen.
Meine Füße klaffen nach außen. Fallen einfach
auseinander, am Bein-Ende. Ich kann sie nicht
bewegen, sie stecken im Boden fest.
D i s a p p e a r . Hebe die krampfenden Hände.
Es redet zu schnell im Gehirn. C o m p l e t e l y .
Akustische Fehlleitung: Die Worte gehen anders.
Ich schwitze. Es stinkt. Im Bad ist das Spiegelbild erloschen. T h a t t h e r e , t h a t ’ s n o t
m e . Es kribbelt, ich muss mich bewegen, sofort.
Wiederholung. Repeat. T h i s i s n ’ t h a p p e n i n g . Der unter dem Fenster ist verschwunden.
Ich drehe mich um. Hinter mir steht die Stadt
in Flammen.
d é s i r é e o p e l a . D i e M ü n ch e n e r Au t o r i n st u d i e r t
d e r ze i t a m Sp r a ch i n s t i t u t i n L e i p zi g . I h r D e b ü t - B a n d
Koord ina t e n e r s ch i e n 2012 i m Te xt kon t o r Ve r l a g .
15
6.
achtzehnhundertsiebenundsechzig.morgengrauen.
Es ist grau und kalt und trüb und hoffnungslos
stürmisch und in der Luft ein Geräusch wie von
knatternden Fahnen im Wind irgendwo und
stumm wie eine Herde walzen Wolken über den
Atlantischen Ozean und der Mann ist ihnen egal,
der mit einer Drahtrolle den Strand entlanggeht,
ein Männlein mit Backenbart und flatternden
Rockschößen, ganz offensichtlich tief in Gedanken, mit einer Hand die Drahtrolle führend
mit der anderen Hand den seidenschwarzen
Zylinder fixierend, nervös vor sich hinmurmelnd,
magensauer. Den ganzen Morgen hatte der
Mann vor seiner taubstummen Mutter gesessen
die ihn zahnlos und blöde angegrinst hatte weil
sie nichts von dem hörte was er zu sagen hatte,
die grinste wie nur Leute grinsen können in
deren Kopf es am Rauschen ist und sie hörte
nicht als Graham ihr beschrieb wie er gedachte
jenen Apparat weiterzuentwickeln, den Antonio
Meucci vergeblich versucht hatte als Patent
anzumelden. Gleichsam in Fortführung seiner
eigenen Versuche mit dem harmonischen Telegraphen, die sein Gehalt als Taubstummenlehrer
seit Jahren schon empfindlich verkürzten. Er
beschrieb durch komplexe Bewegung seiner
zwei Hände der taubstummen Mutter wie er
diesen Apparat in eine un-glaub-li-che Geld-maschi-ne verwandeln würde, eine Maschine die in
der Lage sei jenen dringlichsten Wunsch der
Menschen erfüllen zu können und für die sie
folglich jeden Preis zu zahlen bereit wären.
Den Wunsch, so Bell vor seiner Mutter, die nicht
danach gefragt hatte, zu ko-mmu-ni-zieren.
Und Alexander Graham Bell geht über den
Strand und von den flaschengrünen Wellen
fetzt der Wind die Schaumkronen ab und ihm
ins Gesicht als ob die Natur ihre Sicht der
Dinge darstellen wolle gegenüber einem Mann
mit einem Kabel durch das man sprechen kann
miteinander. Vom Strand weg und in die Dünen
hinein führt der Weg den Bell jetzt geht, weiße,
16
zusammengebrochene Lattenzäune und Dünengras wie Nervenhaare eines gigantischen
Lebewesens unter dem Sand. Sein Kabel wickelt
sich ab, fünfhundert Meter zweier ineinander
verdrillter Lakritzschnüre. Am andern Ende
wartet ein Helfer und horcht in einen Trichter
hinein und spricht in einen anderen.
Alexander Grahams Bell Gesicht ist nicht in
der Lage das Ausmaß der Enttäuschung zu
kompilieren, das sich in seinem Innern entfaltet.
Sein Hass implodiert in einem zitternden, halbgeöffnetem Mund.
Wind. Holz, das versteinert in Zeitlupe. Schiffe
in Seenot, unverbunden, Salz.
Unbemerkt begann die lange Katastrophe sich
zu ereignen
Zusammengekniffene Augen, vor der Brust verschränkte Arme, Skepsis, Neugier, noch immer
Aberglaube und das Gefühl es sei Zauberei. Der
Mann den sie Jay nennen und dem schon seit
langem mehr niemand etwas glaubt sagt immer
wieder, dass sei doch nichts Neues, er sei seit
jeher mit allen Menschen verbunden, auch ohne
dieses lächerliche Kabel.
Aus einem kleinem, schellackschwarzen Trichter,
der aussieht wie eine Fahrradhupe sagt jemand
immer wieder Hallo, Hallo. Und jeder kann ihn
sich ans Ohr halten und etwas darauf erwidern
und vom anderen Ende knistert und rauscht es
gewaltig und auch ist da ein hohes Säuseln im
Hörer, wie von elektrischen Engeln, aber man
hört es trotzdem ganz deutlich, Hallo, Hallo, Es
funktioniert!
Bell selbst, er sieht zu wie Männer, die es nicht
gewohnt sind etwas zart anzufassen einander
den Schalltrichter reichen, dass er von Hand
zu Hand geht, wie eine Reliquie oder sonstwie
wundertätiges Ding. Bell sieht die Augen feucht
werden von Männern die das Weinen nie lernten,
wenn sie es hören und begreifen, dass jetzt die
Zeit gekommen ist in der die Menschen imstande sein würden ihre Stimme vom Körper zu
trennen und über Meere und Felder zu schicken,
dass sie etwas sagen können und dass es dann der
andere hört, einfach so.
p h i l i p p r ö d i n g . D e r A u t o r w u r d e i n St u t t g a r t g e b o r e n
u n d s ch r e i b t P r o s a u n d T h e a t e r s t ü cke . L e t zt e Ve r ö ffe n tl i ch u n g : D ie St il l e a m E nd e d e s F l ur s (L u ft s ch a ch t Ve r l a g
2013).
Hallo, Hallo, rufen sie in den Trichter hinein.
Es funktioniert. Es funk-tio-niert.
the darkness surrounds us
zweizeiler
(auszüge)
fragen der wahrnehmung
bilder von bildern
ist ein voller akku schwerer
als ein leerer?
wolken: an den himmel geworfen
schatten: liegen gelassen
legt sich, wenn man tippt, schwarz auf weiß schrift auf licht
oder schneidet schrift licht aus, wird schwarz unter weiß sichtbar?
wie verhalten sich licht und zeit:
ist es nachts abwesenheit, tags vergangenheit von dunkelheit?
wind: zeigefinger des wetters
hügel: blindenschrift des winds
dünger: beschleunigte erde
heu: entschleunigtes gras
m a r q u a r d t . Der in
M ü n ch e n u n d Z ü r i c h l e b e n d e Au t o r i st
Tr ä g e r d e s Fe l d ki r c h e r Ly r i k p r e i se s
2013. Se i n D e b ü t - B a n d da s a m o r t is ie r t s ic h nic ht e r sc h i e n 2 0 1 3 b e i
Ko o k b o o k s .
t r i s ta n
17
ur (aus einem manuskript im
entstehen)
Zum ersten Mal hörte ich Bosnisch von Sarah,
als sie in Tuzla die Parolen der Demonstranten
mitschrie. Ein Tag im Februar 2014, voller Premieren: für uns beide war‘s der erste Riot. Wir
waren in Bosniens Osten, um ihre Verwandte zu
besuchen, Salko und Refika, die Cousine ihrer
Mutter, und Sarah ganz erstaunt, wie groß Izmet
geworden war, der Sohn der beiden, Anfang
Zwanzig und Babyface, aber vom Kickboxen austrainiert, meine Fresse. Username: Tiger, stellte
er sich vor. Er nahm uns zu Partys mit, in einem
Hobbykeller oder auf dem Dach eines Wohnblocks, und einmal legte mir Sarah ihre Arme
um die Schultern, sog den Grasgeruch ein und
sagte aus der harzigen Wolke hervor: du fühlst
dich hier richtig wohl, nicht? Und sie hatte recht,
mir gefiel die Hiphop-Hauptstadt des Balkans,
die unzähligen Graffs, von denen manche über
zehn Jahre alt waren, die im Laufe der Feiern auf
Smartphones vorgespielten, ruckelnden Videos,
in Hinterhöfen mit der gesamten Crew gedreht,
harte Sprache, fickriger Flow, als hätte Rap
einen Sprung zurück nach Brooklyn Anfang der
90er gemacht, um neu zu beginnen und es dieses
mal wenn nicht richtig, so wenigstens anders zu
machen. Simsalabling: Tuzla die Pirateninsel des
Streetraps. Vor fünf Jahren hab ich begonnen,
ernsthaft zu sprayen. In diesen Zeitraum fallen
mehrere Namen, mehrere Stile, wie abgestoßene
Schlangenhäute, in Wien, in anderen Städten,
um möglichst präsent zu sein, auf Zügen,
Mauern, im WWW. Der wiederholte Name als
Beweis, dass ich hier war und mich getraut hab‘.
Ich glaub‘, dass Graffiti den Alltag unterläuft,
aushöhlt, Katakomben bildet. Imaginäre Bunker,
worin unsere Alter-Egos nonstop Freiheit feiern.
Niemand weiß, dass ich oder du hinter diesem
Schriftzug existieren, dass ich es bin, der dich
erkennt, dich lesen kann. Tigers Clikk bestand
aus Serben, Kroaten und Bosniaken, was uns
wie eine Sehenswürdigkeit vorgeführt wurde,
ich konnte mir nicht merken, wer wohin gehört,
18
zuviele Hände geschüttelt, zuviele Gesichter
gesehen. Username Rat, Username Fox, und
dauernd Smalltalk, wie schön Bosnien nicht sei,
wie gastfreundlich und wie gut das Essen, man
studiere Germanistik und hoffe auf einen Platz
an einer österreichischen Uni, oder, noch besser,
einer deutschen, ich hörte von den drei Monaten
Highlife, wegen des Schengenabkommens bei
einem Verwandten im Ausland, in Hamburg,
Kopenhagen oder Linz, und jetzt heißt`s warten,
auf die nächsten drei Monate, auf die nächste
Party, auf das nächste Fußballspiel. Einer, der seit
Jahren in Graz als Automechaniker lebt und wie
wir auf kreuzte mit Paletten Becks auf, so, wie
er sich gab, musste Graz eine Metropole sein, er
genoss den Urlaub und den heimlichen Neid
auf seine Original-Jeans und Lederjacke, Fuck,
sagte Tiger mit Blick auf ihn, wozu weg, weg
wohin, die Fresse im Spiegel ist immer die deine,
egal wo du bist, fuck, sagte er und pfefferte die
volle Flasche Becks übers Dach hinaus. Tiger
schluckte seinen Ärger runter und berichtete
von Straßenschlachten, wie gefürchtet der FCSloboda-Fanblock selbst in Sarajevo sei. So hat‘s
auch bei mir angefangen. Flutlichter. Verzerrte
Gesichter. Und ich am Asphalt, in der Menge.
Hab noch die 74 vorm Auge, auf den Hinterkopf
eines Neonazis tätowiert, der nicht weit entfernt
am Boden lag. Spätestens da war mir klar: ein
neues Hobby muss her. Obwohl, ich hab‘s
echt geliebt. Wie die Schlachtgesänge an- und
abschwellten, ging ich von der U-Bahn zum
Stadion, ja, kurz vor Anpfiff war ich drin im
Ausnahmezustand. Grünweißes Flirren im
Rauch, die Grenze zwischen Ich und Wir verwischt, wenn der Rausch einkickt wie ein Elfer
ins Kreuzeck. Fast taub vom Klatschen, Johlen,
vom Vorsänger dirigiert, Banner ausgerollt, von
den restlichen Tribünen Echos gefordert, die
abmontierte Nummerntafel eines Polizeiautos
mit Bier auf Ex begrüßt, 90 Minuten oder länger
stand und sang ich, 90 Minuten oder länger dank
der Trommeln, Stimmen im grünweißen Nebel
eine Gewalt in mir, die laut und deutlich zu
verstehen gab: Das bist du. Die Schlägerei nach
dem Testspiel Rapid versus Nürnberg war die
Bewährungsprobe, die ich als Neuzugang der
Ultras zu bestehen hatte. Irgendwie erinnerte
mich das Ganze an Braveheart, wenn sich die
Schotten und Engländer gegenüber stehen. Ich
in der ersten Reihe, eine Anspannung, als würd‘
sich ein riesiger Elektrotaser über die Straße
senken. Auf der Stadiontreppe die Einsatzkräfte
in schwarzer Montur. Tom, das Großmaul, hatte
angekündigt, den Gummiknüppel eines Polizisten zu ergattern, Jackpot total, weil weitaus
prestigeträchtiger als ein violetter AustrianerSchal. Das Spielergebnis? Nebensächlich. Die
Bedingungen waren seit Wochen fixiert: Keine
Waffen, nur Fäuste, Knie, Ellbogen, Füße, Kopf.
50 je Verein, egal welcher Fanclub, egal ob links
oder rechts. Das war alles. Wen wundert`s, dass
in Ägypten oder in der Ukraine Fußballfans
Teil der Revolutionen waren. In einem Stadion
triffst du Anarchos und Neonazis und Rastas,
alle haben was gegen Staat und Polizei, das
ist der gemeinsame Nenner. Ich frag mich, ob
es auch in Wien möglich wäre, das Potential
der Ultras in solche Kanäle zu lenken, wie in
London 2011 oder in Athen das Jahr darauf.
Mein Klassenkamerad Vinz erzählte mir von
der Westtribüne und schlug vor, dass ich Rapids
größtem Fanclub beitrete. In den Pausen oder
vorm Turnunterricht laberte er von Parties und
Fußballspielen, und es hörte sich an, als könnte
mich die Laola-Welle auch abseits der Tribüne
durchs Leben tragen. Als Neuer wurde ich Tom
zugeteilt, der mich mit auf nächtliche Touren
nahm. An Mauern sprayten wir den Schriftzug
UR‘88, Reviermarkierung, nannte es Tom, wir
sind die Hunde der Ultras. Diese Aktionen
gingen mir nicht aus dem Kopf: der Lackgeruch,
das Spähen und Warten, nervös und konzentriert. Ausgerechnet in Favoriten, dem Bezirk der
Austria, hatte ich erstmals eine Spraydose in der
Hand und taggte die Abkürzung für Ultras
Rapid und deren Gründungsjahr. 88, verstehst?
fragte Tom und lachte dreckig. Damals hatte
ich keine Ahnung, was da noch dahintersteckt.
Zwanzig Meter von den 2 Nürnbergern entfernt
machte ich einen Schritt nach vorn, ich wollte
weg, ich hatte so richtig Schiss. Die deutschen
Fans deuteten es als Zeichen zum Angriff, ein
Schrei setzte alle in Bewegung. Ich erinnere
mich an den chemische Geruch nach Pfefferspray, und zu allem Unglück kam der Wind aus
der falschen Richtung. Ein Schlag in den Magen
streckte mich nieder, ich wurde auf einen Polizeiposten verfrachtet, den ich, weil nicht volljährig,
mit einer Verwarnung wieder verließ. Aber ja,
besonders das Zugehen aufs Stadion hab ich
geliebt, immer den Weg über die Nordtribüne
genommen, am Trainingsplatz vorbei, die Stufen
hoch und rein in die Arena. Die eigene Stimme,
die eigene Gänsehaut Teil des Spektakels. Die
Schlägerei war nichts für mich, der Hunger nach
Nervenkitzel aber geweckt. Nichts besser, als
wenn das Adrenalin einknallt.
robert
p r o s s e r . D e r a u s T i r ol st a m m e n d e Au t o r
i s t Tr ä g e r za h l r e i ch e r A u s ze i ch n u n g e n , d a r u n t e r d e r
Re i n h a r d - P r i e s s n i t z- P r e i s 2014. L e t zt e Ve r ö f f e n t l i c h u n g :
Ge is t e r und Ta t t oos (Kl eve r Ve r l a g 201 3 ) .
19
postkarten
Richard liebt Paula. Ich liebe Richard. (Und
mich liebt niemand.)
Paula schickt Richard Postkarten, seine Küche
ist voll von ihnen. Auf den meisten sieht man
Wasser, Berge, Gewürzmärkte oder Palmen.
„Schau, da war sie in Italien. So richtig am Meer“
sagt Richard und deutet mit seiner Hand auf die
obere Hälfte vom Kühlschrank.
Richards Küche ist schmutzig. Wenn man sich
irgendwo anlehnt, bleibt einem auf der Hautstelle ein Fettfilm zurück.
„Wir werden irgendwann heiraten, ich sag’s dir.
Heiratest du mich Paula, habe ich sie gefragt. Sie
hat gelacht und gemeint irgendwanneinmal.“
Ich lächle und trinke Löskaffee mit Zucker.
Manche der Postkarten sind gelblich verfärbt
vom Zigarettenrauch. Neben den Postkarten
hängt ein längliches Poster, das in grellen Farben
eine sehr junge Frau mit großen nackten Brüsten,
und in einer Jeansunterhose zeigt.
Richard isst wenig, drei Scheiben Brot und eine
Dose Sardinen reichen ihm für zwei Tage. Dafür
trinkt er viel Wein. Manchmal kommen Menschen zu ihm in die Wohnung, dann trinken sie
gemeinsam.
Es läutet an der Tür. +Zwei junge Frauen. Eine
mit hohen halbkaputten Schuhen und eine mit
Glitzer-T-Shirt.
Sie küssen Richards Wangen und drücken mir
die Hand. Die eine hat pralle Brüste und die
andere lange Wimpern, die sie, nachdem sie
sich auf die Couch setzt, lange und mit offenem
Mund tuscht. Dann spuckt sie auf ihren kleinen
Finger und entfernt die Farbe von ihren Lidern.
Sie trinken Wein. Ich schaue zu.
„Die Paula“ fängt Richard an.
„Geh bitte. Nach vier Jahren. Noch immer?“ fragt
die mit den prallen Brüsten, verdreht die Augen
und lacht.
Das Lachen passt nicht, es wird still und plötzlich legt sich eine so schwere Sehnsucht in die
Luft, dass mir fast übel wird. Richard atmet laut
aus und schaut auf seine Hände. Wenn er das tut
20
sonderversuch
ist er meistens traurig. Ich schalte das Radio ein.
Später gehen die Mädchen, ich wasche mein
Gesicht mit Flüssigseife und lege mich ins Bett.
Richard putzt sich bei offener Badezimmertür
die Zähne, zieht sich aus und lässt das Gewand
auf dem Boden liegen.
Danach legt er sich zu mir. Zuerst neben mich
und dann auf mich drauf. Wir schlafen miteinander, die Luft um uns ist kalt und sein Atem
riecht nach Alkohol. Richard kommt schnell,
ich denke an Paula und die kaputten Schuhe der
Frau.
Als er von mir runter rutscht, sagt er
„Du weißt eh wie ich das mein oder?“
Ich sage nichts und schlafe ein.
Richards Beine fühlen sich an meinen warm an
und seine Haare sind struppig. Neben dem Bett
steht eine Bierdose auf dem Boden. Er nimmt
sie, öffnet sie und trinkt ein paar Schlucke.
Die Luft im Raum ist stickig. Es riecht nach
Schweiß, abgestandenem Rauch und schmutzigen Socken.
Ich mache Frühstück und betrachte die Postkarten. Die neueste glänzt und zeigt die Augen
eines asiatischen Kindes. Richard kommt in die
Küche und schaltet den Wasserkocher ein.
„Ich spare jetzt, weißt du. Seit einem halben Jahr
schon. Damit ich einmal mit ihr gemeinsam
reisen kann. Sie hat gesagt daswäreschön.“
„Du, aber wenn ich einmal genug habe, können
wir zwei vielleicht ja auch einmal irgendwohin
fahren.“ sagt er.
Ich habe Paula noch nie gesehen, Paula sind
Postkarten für mich. Sie ist ein großer Postkartenwirbel, und hin und wieder landet eine davon
bei Richard und starrt mich dann an.
„Im Februar kommt sie vielleicht für zwei Wochen nach Wien“ sagt er.
Das hat er schon oft gesagt, aber nie war sie da.
„Du weißt sie wird dir nie gehören“ sage ich.
„Ohja. Wir heiraten irgendwann, ich sag’s dir“.
e k at e r i n a h a i d e r . Die in Wie n le b e n d e A u t o r i n i s t
Trä ge rin d e s Exil-Lite ra tu r p re ise s 2012. Ih r D e b ü t - Ba n d
Meine s c höne Sc hwes ter e r sch ie n 2013 in de r E d i t i o n
Exil.
sonderversuch #, (eins) : out=of=the
EXperimenTIER:laune oder das DICTUM
I
in zeiten sinkender leserINNEN=zahlen (: abzüglich der eigentlichen zahl derer / die überhaupt
noch lesen können) noch die frechheit aufzufahren & literatouren in ZEIT:schriften:form auf
einen markt zu schleudern / der sich nur damit
rühmen kann / in österreich die LYRIK totgetrampelt zu haben / ja // : der kann auch gleich
den versuch unternehmen / dasselbe korrupte
system der markt=ver:leger-schaft von InNeN
zu inflitrieren & in die luft (…)
II
in zeiten / in denen die vollidioten regieren &
die pseudo:gescheit(-ert)en mund=faul gemacht
werden // : da ist es an der ZEIT (, dass es Zeit
wird), dass die improvisation als hingabe für die
sache & somit auch für den menschen & für das
leben ausgelegt wird / denn (…)
III
die „wirkliche Welt?“ : ist, in Wahrheit,
nur die Karikatur unserer Großn Romane
(undallesdrumherumnurdieklammereinesvonleerstellendurchsetztenganzen) = (&
die
leerstelle an sichzur kunst
zu
erhebenals
anmaßung
für jene/ die sichmit
uns
anlegenwollen!!!)
IV
wer will sich mit UNS anlegen :
A: die pseudoetablierten / die alles besser wissen
wollen / aber scheinbar niemals was DAZUUUUUUUUUUU (!!!)
B : I.N.S.T.I.T.U.T.I.O.N.E.N
C : der bürgermeister von salzburg (= innsbruckst.
pöltenwienlinzgrazeisenstadtklagenfurtmünchenkölnberlinhamburgbremenstuttgartbernbas
elzürich&gollingabtenau)
C´ : (die katze des nachbarn (nur bedingt))
D : jene / die die welt nicht als karikatur unserer
großn romane (& unserer dramen & unserer
gedichte) verstehen
.
V
wer ist dieses WIR :
:: ((((die antwort könnt ihr mir mailen unter :
marko.dinke@gmail.com)))) ::
VI
was macht dieses WIR :
1 : es lebt&liebt an&für&mit der sprache
2 : es arbeitet permantent an&für&mit der
sprache
3 : verurteilt die maulfaulheit & das
tag&nacht&tag&nacht&tag
4 … ES wähnt schräges / wenn ES denn träumt
// : (& wenn nicht / dann pfeift es nur im tact
verschiedener lieder / die ES mal vor langer
langer zeit selber noch wusste)
VII
BAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAM
´ . D e r i n Sa l zb u r g l e b e n d e Au t o r i st
dinic
M i t b e g r ü n d e r d e s Ku n s t ko l l e k t i vs Bu rea u du G r a n d M o t.
Z a h l r e i ch e Ve r ö ffe n t l i ch u n g e n i n A n t ho l o g i e n u n d L i t e r at u r ze i t s ch r i ft e n .
marko
21
blöke
„willst du um Referenzen wissen:
mein Name ist Hase,
nur das kann ich dir sagen.“
1
ich kann mich nur mehr erinnern.
ich kann mich nur mehr erinnern.
ich werfe einen Stuhl ins Koordinatensystem.
das Fleisch am Bein
wie das Gras am Stein.
Welt mit Loch, Reim.
der Linienvollzug.
scheißt man auf alles.
die Schwierigkeit
die passt.
diese Gesänge sind Tierlaute.
mein Rücken ist ein Teil von mir
ein längliches.
scheißt man sich in die Hose
eine Hose zu finden
du elfenbeinerner Turm.
du Sternkranz du Einhorn
Planetenlaufbahn.
die Fragen häuften
sich zu Heuhaufen.
22
party people.
Albatros.
Bezichtigung.
Pferde.
Entdeckung hinter Bergen
Bergen.
aliens.
wurden wie Wörter, zu.
Anführungszeichen in solchen Graden Anführungszeichen.
Brief und die
Brücke hält ein.
zerbricht bevor.
mein Bett ruft laut durch die Nacht.
du bist Katastrophe.
träume ich? bin ich wach?
gestatten: Frittaten.freut mich sehr, Preiselbeer.-
du kannst mir nichts sagen
Angst keinen Fehler zu machen.
der Stil ist etwas
das man in der Hand hat.
dabei ist nicht ausgeschlossen
einen Stock im Arsch zu haben.
2
wie in einer Geschichte.
ein Idiot der erkannt dass.
nicht wieder zurück kann.
die Olchis.
wir fuhren entlang der Riviera,
*klopf klopf.- /„Herein.“
„Grüß Gott -/Herr Schwein.“
Mutterficker,
den Kleidern.
davor Hang.
die Burg.
Sie wollen Poesie
und bekamen Penis.
im Fahrtwind.
g e r d s u l z e n b a c h e r . Der Autor wurde in Brunneck
i n Sü d t i r o l g e b o r e n . E r s t u d i e r t Sp r a c h k u n st a n d e r An g ewa n d t e n i n W i e n . E r wa r 2013 H .C. Ar t m a n n S t i p e n d i a t
d e r St a d t Sa l zb u r g .
23
teilsystem der bukolik
Endlich ist mir gleichgültig, wer ihr wirklich seid: und die
Luft wird zu Honig und Masken.
Es gibt ein Bild für tausend Umstände.
Bäume, die nur halben Schatten werfen,
Und aus Zeit geklöppelte Farne,
Da kreisen die Falter fassungslos,
Trifft uns der Schlag am Schrein der Amaltheia.
Ich höre den Nachbarn
Singen in unbekannten Sprachen
Durch die dünnen Wände.
Woher die Besessenheit des Orleanders?
Ich erkannte den Gesang der Vögel nicht,
Nur die Dämmerung um sie herum;
An Stadtstränden und im Klartraum,
Und Spaziergänge durch das Hochgebirge.
Ein Bild für tausend Umstände, so
Lasst uns alle ersticken unter heiligem Efeu.
So wache ich über Herden fliegender Fische
Und gelbmaskierter Vögel, geht mein
Blick von Insel zu Insel im Archipel.
So treibe ich die Schafe zwischen meinen
Schläfen Hochalmen unter Gletschern.
So thront über den Städten
Proteus mit nachlässigen Gesten:
Über all ihren Bezüglichkeiten,
Über dem leeren Raum wie offenes Meer:
Seine Robben kommen zur Weide,
Seine Menschen stauen sich.
Bald schlagen die Wellen wieder
Über euren Palmen zusammen,
Böen pressen sich auf meine Brust.
Während Italien wieder einmal untergeht.
Ein Bild für tausend Umstände.
Es Gibt nur eine Besinnung.
Die Kinder des Saturn im Wald seiner
Sicheln: Und auch wir fressen Steine,
Von uns selbst nicht zu unterscheiden.
Die See ist bedenkenlos ruhig,
Der Wald spricht ununterbrochen.
Gib uns, Bacchus, Delphine,
Verwandle unsere Verbrechen.
24
Führe uns auf die Weiden des Proteus.
Ein Name für tausend Bilder.
Fülle ist das Ziel und die Gefahr.
Frage die Riffe, das Leben an den Kanten,
In der Hinterhand der Abhänge.
Frage die Riffe, was siehst du,
Ein Bild von einem Massensterben
Von der Ballung im Zentrum aus.
Städte, die an Städten sterben.
Pflanzen, die auf Pflanzen wachsen.
Leuchtende Zwecke
In der Tatenlosigkeit der Weiden die große Tat
Und das Warten auf die Obstbäume den Wein
Und nichts anderes als eine Frau
Die mit der Sonne im Rücken aus dem Meer
steigt.
[...]
at iuvet in tota me nihil esse domo
[...]
t o b i a s r o t h . D e r i n M ü n ch e n g e b o r e n e A u t o r l e b t
i n Be r l i n , i s t Tr ä g e r d e s p r e s t i g e t r ä ch t i g e n Wo l fg a n g Weyr a u ch - Fö r d e r p r e i s e s b e i m L i t e r a r i s ch e n M ä r z. L e t zt e
Ve r ö ffe n t l i ch u n g : Aus Wa b e n (Ve r l a g s h a u s J . Fr a n k 2013).
25
nasswischen
„Nein, Sie täuschen sich, da steht doch gar nicht: Verführungsetage, da steht: Vorfrühlingstage.“
•@M_Rinck
nasswischen: fregar el suelo
sugarfree, so spitzensportler. überspringen stiefel,
bluse oder ballerinas, bangladeshi glitzer - die ezb
zieht ihre glock. amina koydum, ein grauer porsche:
cum to get us. vergiss dein reefer nicht, yokuzana
sumo - mit einem push kick, libido zur not. deeptroath bei mondschein, im nachtzug sehr unklar,
wessen schwanz wen, dein blutpenis die reine,
ananasgetränke abstraktion. A nadelwald, ne sonne,
ein post-totales sag-ja-dessou aus eisenstadt, haufen
weise flusspferde, dem anschein nach albinos.
wir: wie witwer tranken wir kiwi-möhren saft und
aßen crack mit rucola und stör. johannes r becher ging
uns krass am arsch vorbei, kein chabo, hach, to be
honest, er geht’s bis jetzt - mortal kombat, spätaussieder
donzek, stammheim, da so. ein gartenzwerg aus purer
wut. er kann our ex right haben, butt-plugs, rubin,
coltan und vereiste kondome, du bist 14, yolo $$$ wirst jetzt taliban und mohn, ziel. aber lan, was in raten,
die gebirgskette : sierra montañosa. also bitch dont kill
my vibe und trag was handschriftliches in frühlingsfarben,
reiz dein kursives rückgrat ruhig aus - die courage eines
bausparvertrags auf cipralex, ein streitgespräch in südtirol.
r i c k r e u t h e r . Der aus Hamburg s tam me n d e Au to r
s t u d i e r t Sprachkuns t an der A ngewandten in Wie n . Z a h lre i c h e P r o d u ktionen zwis c hen Text, Mus ik und Pe rfo r ma n ce .
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m o s a i s c h e s t r i p t yc h o n
wenn ich gross bin
einer lässt sich pejes wachsen
wenn ich groß bin
fürchte ich mich nicht
vor überlandflügen
einer wäre gern prophet
einer übt sich im händewaschen
spiele ich ein lied
auf der wirbelsäulenflöte
meiner ersten liebe
einer sagt: hättest du uns hinausgeführt
und nicht hinein
es wäre uns genug gewesen
wenn ich groß bin
fange ich dorftrottel
mit diesen vogelhänden
einer geht am schabbat heimlich tanzen
lasse sie eine autobahn
ausrollen auf das meer
für meine wolkenpanzer
einer kippt benzin über menschen
einer pfeift sein gebet
freunde, den talit brauche ich nicht
meine familie hat gelernt
nackt zu sterben
‫ַמ בּול‬
ich denke an menschen
die sterben bei unfällen
wie wettervorhersagen
an bibeltiere erschöpft
in den aufwachräumen
geglückter operationen
ich flute eine exegese
und hab vergessen wo
rettungsboote ankern
vor dem fenster opfert
einer schnapsflaschen
preist das morgenland
(für Joseph Koba 1878-1953)
t e s ta m e n t
wenn es schon enden muss
will ich ein massengrab
da liegt man zumindest nicht allein
ich hüte diesen ziegelstein
hängt mir vom herz in den bauch
durch den innenhof gespannte
weißwäsche des lebenslaufs
ich werde versuchen ohne benzin
den himmel zu erreichen
fremde länder nicht mehr
in den plastikmüll zu schmeißen
durch den drucker wandern wälder
werden anderswo vermisst
m a x c z o l l e k . D e r i n Be r l i n g e b o r e n e Au t o r i st n e b e n
M i ch a e l Fe h r u n d Ro b e r t P r o s s e r e i n er d e r Ku r a t o r e n v o n
Ba b e l s p re c h, d e r P l a t t fo r m fü r j u n g e d e u t sc h sp r a c h i g e
Lyr i k . D i e h i e r a b g e d r u ck t e n G e d i ch t e si n d i m B a n d
Jub e l j a hre e r s ch i e n e n (Ve r l a g s h a u s J . Fr a n k 2 0 1 5 ) .
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