3X014-12 - Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung BFU

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3X014-12 - Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung BFU
Bundesstelle für
Flugunfalluntersuchung
Untersuchungsbericht
Identifikation
Art des Ereignisses:
Unfall
Datum:
25. März 2012
Ort:
nahe Grafschaft Gelsdorf
Luftfahrzeug:
Hubschrauber
Hersteller / Muster:
Aerospatiale / AS 350B2
Personenschaden:
Pilot schwer verletzt, drei Passagiere und
ein Bodenhelfer leicht verletzt
Sachschaden:
Luftfahrzeug schwer beschädigt
Drittschaden:
Flurschaden
Informationsquelle:
Untersuchung durch Beauftragten und Mitarbeiter der BFU
Aktenzeichen:
BFU 3X014-12
Sachverhalt
Ereignisse und Flugverlauf
Am Unfalltag sollten Rundflüge im Rahmen eines Frühlingsfestes des örtlichen
Landwirtschaftshandels mit dem Hubschrauber AS 350B2 durchgeführt werden.
Nach mehreren Rundflügen kam es beim Start, kurz nach dem Abheben beim Drehen um die Hochachse nach rechts in Abflugrichtung in einer Flughöhe von ca. 5 m
zu einer Triebwerkstörung. Der Hubschrauber begann zu sinken und kam um
Untersuchungsbericht BFU 3X014-12
ca. 11:48 Uhr1 am Rand eines Löschteiches auf dem Rumpfboden zum Liegen. Der
Pilot und die fünf Passagiere konnten den Hubschrauber selbstständig verlassen.
Übersicht Startplatz, Unfallstelle und Löschteich
Foto: BFU
Der Pilot gab gegenüber der Polizei an, dass er nach der Triebwerkstörung noch
versucht habe, den vor ihm gelegenen Zaun zu überfliegen und den Hubschrauber in
den vorausliegenden Löschteich abzusetzen.
Angaben zu Personen
Der 62-jährige Pilot war im Besitz einer deutschen Berufspilotenlizenz für Hubschrauber (CPL(H)), ausgestellt nach den Regelungen JAR-FCL 2, gültig bis
18.09.2014. In die Lizenz waren die gültigen Musterberechtigungen als verantwortlicher Luftfahrzeugführer auf AS350/350B3, HU369/MD500N/600 und HU269 eingetragen. Weiter besaß er die Streu- und Sprühberechtigung. Er verfügte über ein
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Alle angegebenen Zeiten, soweit nicht anders bezeichnet,
entsprechen Ortszeit
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Flugtauglichkeitszeugnis Klasse 1 nach JAR-FCL 3 mit Auflagen, gültig bis
19.08.2012.
Seine Gesamtflugerfahrung betrug ca. 24 367 Stunden, hiervon mehr als 1 000 Stunden auf dem betroffenen Muster. Er war fest angestellter Pilot beim Halter des Hubschraubers.
Angaben zum Luftfahrzeug
Der einmotorige Hubschrauber AS 350B2 des damaligen Herstellers Aerospatiale ist
ein leichter Mehrzweckhubschrauber für bis zu sieben Insassen. Er wurde 1989 nach
FAR/JAR Part 27 zugelassen. Er verfügt standardmäßig über ein Triebwerk Turbomeca Arriel 1D1, einen Dreiblatthauptrotor, ein Kufenlandegestell und einen Heckrotor für den Drehmomentausgleich um die Hochachse. Die maximal zulässige Abflugmasse beträgt 2 250 kg. Entsprechend der ergänzenden Musterzulassung (STC
No. SR01647SE) ist die Ausstattung des Hubschraubers mit einem Triebwerk Honeywell LTS 101-700D-2 zulässig.
Der verunfallte Hubschrauber, Baujahr 1990, hatte die Werknummer 2371. Die Betriebsleermasse betrug ca. 1 273 kg, die Flugmasse zum Unfallzeitpunkt ca.
2 056 kg. Der Schwerpunkt lag im zulässigen Bereich. Der Hubschrauber wurde im
Jahr 2010 mit einem Triebwerk Honeywell LTS 101-700D-2 ausgerüstet. Die letzte
Jahresnachprüfung fand am 09.05.2011 bei 8 480 Betriebsstunden statt. Zum Unfallzeitpunkt hatte der Hubschrauber eine Gesamtbetriebszeit von ca. 9 135 Stunden.
Das verwendete Triebwerk war Baujahr 1990. Es wurde im Jahr 2009 bei einer Betriebszeit von 6 834 Stunden vom Hersteller in den USA überholt. Anschließend wurde es am 30.04.2010 im betroffenen Hubschrauber installiert. Bis zur Triebwerksstörung wurde es seit der Überholung 1 282 Stunden betrieben. Die letzte 150- und
600-Stunden-Kontrolle am Triebwerk wurde am 06.03.2012 bescheinigt.
Der Hubschrauber hatte bereits im Jahr 2004 einen Unfall (Az.: BFU 3X051-0/04).
Aufgrund eines Problems mit der Steuerung war er in einen Wald gestürzt und
schwer beschädigt worden.
Der Hubschrauber war in Deutschland zum Verkehr zugelassen. Der Halter war ein
vom Luftfahrt-Bundesamt (LBA) nach JAR-OPS 3 genehmigtes Luftfahrtunternehmen.
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Meteorologische Informationen
Nach der Routinewettermeldung (METAR) des ca. 18 nautische Meilen entfernten
Verkehrsflughafens Köln-Bonn (EDDK) herrschten zur Unfallzeit Sichtweiten von
mehr als 10 km, Wind aus 270 Grad mit 7 kt, keine Bewölkung unterhalb
5 000 ft AGND (CAVOK) und eine Temperatur von 18 °C bei einem Taupunkt von
5 °C. Der Luftdruck (QNH) betrug 1 030 hPa.
Angaben zum Startplatz
Der Startplatz zum geplanten Rundflug lag im hinteren Grundstücksbereich eines
Landwirtschaftshandels in der Grafschaft Gelsdorf. Umgeben war das gesamte
Grundstück von einem ca. 2 m hohen Drahtzaun. Direkt um den Bereich des Startplatzes lagen gestapelte Verkaufsgüter, Baumaterialien, leere Holzpaletten und lose
Gegenstände. Der Startplatz war durch eine rot-weiße Kunststoffkette abgesperrt.
Überblick Startplatz und umgebende Gegenstände
Fotos (2): BFU
Flugdatenaufzeichnung
Der Hubschrauber war nicht mit einem Flight Data Recorder (FDR) oder Cockpit
Voice Recorder (CVR) ausgerüstet. Diese Aufzeichnungsgeräte waren entsprechend
den gültigen Luftfahrtvorschriften nicht gefordert.
Der Flug vom Start bis kurz vor dem Aufschlag wurde von einem Zuschauer gefilmt.
Das Video lag der BFU zur Auswertung vor. Auf dem Video war ca. drei Sekunden
nach dem Start eine Stichflamme im Bereich des Abgasrohres des Triebwerks zu
sehen. Während des folgenden Sinkfluges züngelten Flammen oberhalb des Abgas-
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rohres aus der Triebwerksverkleidung. Vom Abheben bis zum Aufschlag vergingen
insgesamt neun Sekunden.
Unfallstelle und Feststellungen am Luftfahrzeug
Die Unfallstelle befand sich nördlich der Hallen des örtlichen Landwirtschaftshandels
in der Grafschaft Gelsdorf. Der Hubschrauber lag auf dem Rumpfboden. Das Kufenlandegestell war zerstört und der hintere Teil des Heckauslegers war ca. 30° nach
unten und zur Seite abgeknickt. An der vertikalen Finne waren im unteren Teil grüne
Farbantragungen. Die Heckrotorwelle war im vorderen Bereich der Steckverbindung
getrennt und auf Höhe des Leitwerks abgerissen. Teile der Welle und der Anlenkungsstange für den Heckrotor lagen vom Wrack entfernt. Am Rotorkopf war der
Starflex zum „blauen“ Hauptrotorblatt gebrochen. Die Hauptrotorblätter waren zum
Teil beschädigt. Das Hauptgetriebe zeigte keine Auffälligkeiten.
Der Triebwerksölstand war bis auf ca. 15% Restmenge reduziert. Im Verdichter und
im Abgasrohr befand sich Löschpulver aus Handfeuerlöschern. Der Verdichter und
die Arbeitsturbine konnten nicht von Hand gedreht werden und beide waren verölt.
Alle Anlenkungskabel zur Regelung des Triebwerks waren angeschlossen und im
Regelbereich verstellbar. Das Kraftstoffsystem war bis zur Einspritzung in die Brennkammer mit Kraftstoff gefüllt. Der Tank enthielt ca. 360 kg Kraftstoff, dieser wurde vor
Ort abgepumpt. Es wurde eine Kraftstoffprobe entnommen, die anschließend am
Wehrwissenschaftlichen Institut für Werk- und Betriebsstoffe (WIWeB) untersucht
wurde. Hierbei wurden keinerlei Auffälligkeiten mit Infrarotspektroskopie und Gaschromatographie festgestellt, die Probe entsprach den Anforderungen der Spezifikationen im vollen Umfang.
Am Kraftstoffeinspritzring um die Brennkammer der Turbine waren zwei Schrauben
des so genannten „Fuel Dividers“ gelöst vorgefunden worden. Der Divider ließ sich
ca. 3 mm anheben. Von zwei Dichtungen im Divider fehlte eine. Im Bereich des Dividers und der Triebwerkverkleidung befanden sich Brandspuren.
Nach der Bergung des Hubschraubers wurde in einem Luftfahrttechnischen Betrieb
das Triebwerk für eine Untersuchung beim Triebwerkhersteller in den USA ausgebaut.
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Triebwerksuntersuchung beim Hersteller
Beim Triebwerkhersteller wurde unter der Teilnahme eines Vertreters des Halters
und des Hubschrauberherstellers eine Eingangsuntersuchung durchgeführt. Danach
wurde das Triebwerk zerlegt und einzelne Komponenten zusätzlich untersucht, anschließend wurden zum Teil metallurgische Gutachten in Auftrag gegeben. Die Untersuchung wurde vom Hersteller abschließend in einem 197-seitigen Triebwerksuntersuchungsbericht dokumentiert.
Die Eingangsuntersuchung ergab, dass das Triebwerk sich nicht von Hand durchdrehen ließ. Außen am Triebwerk und innen befanden sich zum Teil deutliche Mengen an Feuerlöschmittel. Der Öl- bzw. der Kraftstofffilter und der Chipdetektor im Ölkreislauf waren frei von Schmutz bzw. Spänen. Die Öldruckgeberhalterung war lose.
Von den acht Kraftstoffeinspritzdüsen (Fuel Nozzles) war nur die am Fuel Divider lose. Bei einem Druckluftcheck wurden Undichtigkeiten am T1 Compensator, am Fuel
Control Housing, Pg Accumulator und am Pr Accumulator festgestellt.
Verschmutzung durch Löschmittel und lose Verbindungen am Divider
Fotos (2): Honeywell
Nach der Eingangsuntersuchung wurde das Triebwerk in seine Module zerlegt. Das
Getriebe ließ sich von Hand durchdrehen und es bestand Kraftschluss im N1 (Gas
Producer) und N2 (Power Turbine) Antriebsstrang. Der Freilauf funktionierte sinnrichtig. Der Ölpumpenantrieb drehte sich.
Der Kompressor zeigte sowohl im axialen als auch im radialen Bereich Kontaktspuren der Schaufeln mit der Außenwand. Entsprechende Schleifspuren fanden sich an
der Außenwand des Kompressors. Alle Lauf- bzw. Luftleitschaufeln waren vorhanden.
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Axial- und Radialkompressorschaufeln mit Anlaufschäden
Fotos (2): Honeywell
Das Gas Producer Module (N1) wurde zerlegt, dabei wurden Schäden an den Leitschaufeln (Tubine Nozzles) gefunden. Am Gas-Producer-Turbinenrad war eine
Schaufel an der Tannenbaumverzahnung abgerissen.
Schäden an den Leitschaufeln und fehlende Turbinenschaufel
Fotos (2): Honeywell
Die Halterung des hinteren Hauptlagers (Rear Bearing Support Housing) der Turbine
war lose und um ca. 180 Grad verdreht. Am Hauptlager Nr. 2 waren die Lagerschalen intakt, jedoch die Rollenelemente abgeschliffen. Das Power Turbine Module war
vergleichsweise intakt, einzelne Schaufeln wiesen Schäden im Nasenbereich auf.
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Schäden am hinteren Hauptlager und an der Power Turbine
Fotos (2): Honeywell
Aufgrund der Feststellungen wurden weitere Untersuchungen an der Lagerhalterung
(Rear Bearing Support Housing Material Analysis), der Kraftstoffverteilung (Fuel Manifold Assembly Material Analysis), der Kraftstoffeinspritzung (Fuel Manifold Flow
Test), am N1 Turbinenrad (Gas Producer Turbine Blade Material Analysis) und der
Ölversorgung durchgeführt.
Hierbei wurde festgestellt, dass mit sich großer Wahrscheinlichkeit die Schrauben
des Fuel Divider bzw. Fuel Nozzle No. 1 aufgrund der Unwucht und Vibrationen nach
dem Turbinenschaufelabriss lösten. In der Dokumentation der Überholung des
Triebwerks war die Überprüfung auf festen Sitz mit dem richtigen Tourque-Moment
von 25 in-lbf entsprechend Service Bulletin LTS101-73-10-0240 abgezeichnet. Beim
Funktionstest der Kraftstoffeinspritzung waren alle gemessenen Werte innerhalb der
Sollgrenzen.
Das hintere Hauptlager sitzt normalerweise in einem Lagerhaltergehäuse, das mit 18
Schweißpunkten mit dem äußeren Turbinengehäuse verbunden ist. Das Lagerhaltergehäuse war losgerissen und um 180 Grad verdreht, die Ölzuleitungen und Ölableitungen waren abgerissen. An drei von vier untersuchten abgerissenen Schweißverbindungen ergaben sich Anzeichen für beginnende Ermüdungsbrüche. Die
Untersuchung war aus Sicht des durchführenden Labors problematisch, da die
Bruchoberflächen großflächig „verschmiert“ bzw. beschädigt waren.
Das Ölschmiersystem zeigte keine Auffälligkeiten. Im Filtergehäuse befand sich Öl,
der Ölfilter war sauber und der Bypass war nicht geöffnet. Der Ölpumpenantrieb war
von Hand drehbar. Am Metallspäne-Detektor im Ölkreislauf befanden sich keine
Späne. Der Ölspritzring für das Hauptlager Nr. 2 und Nr. 3 war zum Teil verschmutzt.
Eine Durchflussmessung ergab 216 pph. Dieser Wert lag 10% unter der Mindestsoll-
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Durchflussmenge. Nach Reinigung des Ölspritzringes zeigte dieser eine Durchflussmenge im Sollbereich (263 pph).
Die Untersuchung der Reste der abgerissenen Schaufel aus der Gas-ProducerTurbine ergab einen Ermüdungsbruch (High Cycle Fatigue) als Abrissursache. Der
Ermüdungsbruch begann in einem Bereich der inneren Kühlluftführung, an dem die
Beschichtung brüchig war oder ganz fehlte (siehe Detailbilder der Untersuchung in
Anlage 4). Aufgrund dieser Feststellung wurden weitere Schaufeln der Gas Producer
Turbine aus dem gleichen Produktionslos untersucht, hierbei wurden keine Auffälligkeiten bzw. Mängel in der Beschichtung festgestellt.
Abschließend kam der Triebwerkshersteller laut Triebwerksuntersuchungsbericht zu
dem Ergebnis:
Teardown and inspection of engine LE-49061C disclosed that the loss of engine
power was due to a high cycle fatigue separation of a single gas producer turbine rotor blade. The HCF separation is believed to be due to abnormalities in the blade
coating.
When the gas producer turbine blade separated, the resulting rotor imbalance and
vibration caused the bolts fastening the flow divider to the #1 fuel nozzle to loosen
and fuel to leak from the joint, resulting in a fire in the engine nacelle. The rotor imbalance and vibration also caused the rear bearing support housing stitch welds to
fracture and flatten the No. 2 bearing roller elements.
Brand
Oberhalb des Triebwerks waren Brandspuren auf der Innenseite der Triebwerkverkleidung.
Organisationen und deren Verfahren
Der Halter war ein vom Luftfahrt-Bundesamt (LBA) nach JAR-OPS 3 genehmigtes
Luftfahrtunternehmen mit Flugschule und eigenem Instandhaltungsbetrieb.
Das Luftfahrtunternehmen bot jegliche Art Hubschrauberflüge inklusive Flugausbildung an. Insbesondere war es auf die Durchführung von sogenannten Arbeitsflügen
mit Hubschraubern spezialisiert. Der Halter betrieb mehrere Hubschrauber verschiedener Muster. Neben dem betroffenen Hubschrauber betrieb er noch einen weiteren
Hubschrauber AS 350B2 mit einer Honeywell-Turbine.
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Der betroffene Hubschrauber war im Auftrag des Halters von einem in Kooperation
stehenden Instandhaltungsbetrieb mit der betroffenen Turbine ausgerüstet und anschließend dort auch instand gehalten worden.
Genehmigung Außenstart- und Außenlandegenehmigung
Für die Rundflugaktion lag eine Außenstart- und Außenlandegenehmigung der zuständigen Landesluftfahrtbehörde, dem Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz
(LBM), vor. In der Genehmigung wurde ein Startplatz von 40 m x 40 m oder 40 m
Durchmesser frei von jeglichen Hindernissen und jederzeitig erreichbaren Notlandeflächen gefordert. Es war ein an den Landwirtschaftshandel angrenzendes Feld als
Startplatz festgelegt worden.
Das in der Genehmigung vorgesehene Feld sei nach Angaben des Geschäftsführers
des Landwirtschaftshandels aufgrund der Staubentwicklung und Beeinträchtigung
der angrenzenden Verkaufsstände nicht benutzt worden. Stattdessen wurde von
dem hinteren Bereich des Grundstückes des Landwirtschaftshandels aus gestartet.
Nach Angaben des Piloten sei eine Begehung des gewählten Start- und Landeplatzes vor Aufnahme des Flugbetriebs durchgeführt worden. Hierbei seien keine losen
Gegenstände als Gefährdung festgestellt worden. Auch habe es bei den 13 Starts
und Landungen am Vortag und den drei Starts am Unfalltag keine Aufwirbelungen
von losen Gegenständen gegeben.
Zusätzliche Informationen
Bei einmotorigen Hubschraubern gibt es Kombinationen aus Flughöhe und Fluggeschwindigkeit, die nicht geeignet sind im Falle einer Triebwerkstörung, eine sichere
Autorotation zu gewährleisten. Die Hersteller der Hubschrauber beschreiben mit einem Geschwindigkeits-Höhen-Diagramm (sogenannte dead man's curve) Bereiche,
die im Flugbetrieb gemieden werden sollten und empfehlen Abflug- bzw. Anflugprofile. Mit dem betroffenen Hubschraubermuster AS 350B2 sollte bis zum Erreichen einer Geschwindigkeit von 40 kt nicht höher als 9 m geflogen werden. Erst ab dieser
Kombination sollte mit weiter zunehmender Geschwindigkeit gestiegen werden (siehe Anlage).
Aufgrund mehrfacher Flugunfälle in der Vergangenheit nach Triebwerkausfällen im
Flugbetrieb kommerziell genutzter einmotoriger Hubschrauber empfahl die BFU mit
der Sicherheitsempfehlung Nr. 18/2012:
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Untersuchungsbericht BFU 3X014-12
Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) sollte zusammen mit dem Luftfahrt-Bundesamt (LBA) und den Luftfahrtbehörden der Länder
sicherstellen, dass für Flugeinsätze, bei denen nicht jederzeit eine Notlandung im
Falle einer Triebwerkstörung möglich ist oder eine Gefährdung Dritter nicht ausgeschlossen werden kann, Luftfahrtunternehmen nur Hubschrauber der Flugleistungsklasse 1 unter Berücksichtigung der Kategorie-A-Verfahren einsetzen.
Beurteilung
Das vorhandene Video zu dem Flugverlauf zeigte den Start, den Ausfall der Turbine
und den anschließenden Sinkflug. Die Turbine fiel in einem Moment aus, in dem die
erreichte Flughöhe und -geschwindigkeit ungünstig waren für eine kontrollierte erfolgreiche Autorotation bzw. Notlandung.
Der Pilot war gemessen an seiner Gesamtflugerfahrung und Mustererfahrung außergewöhnlich erfahren. Er war im Besitz der nötigen Lizenzen und Berechtigungen.
Der Hubschrauber war entsprechend den gesetzlichen Regularien instand gehalten.
Während der Untersuchung vor Ort ergaben sich keine Hinweise auf eine Funktionsstörung der Steuerung des Hubschraubers oder bei der Kraftstoffversorgung des
Triebwerks. Der Schwerpunkt und die Abflugmasse lagen innerhalb der zulässigen
Grenzwerte.
Die Triebwerkuntersuchung beim Hersteller des Triebwerkes ergab, dass eine
Schaufel der Gas Producer Turbine abgerissen war und zum Ausfall des Triebwerks
führte. Die vielen losen Schraubverbindungen und der massive Lagerschaden, die
bei der weitergehenden Triebwerkuntersuchung vorgefunden wurden, waren mit
großer Wahrscheinlichkeit eine Folge der entstandenen kurzfristigen Unwucht und
folgenden Vibrationen bis zum Ausfall des Triebwerks. Hierfür sprechen die Tatsachen, dass das Triebwerk seit der Grundüberholung mehr als 1 200 Stunden normal
betrieben wurde und Erfahrungen des Triebwerkherstellers aus Zulassungs-Testläufen. Mit den vorgefundenen losen Verbindungen wäre ein Betrieb aufgrund Druckund Kraftstoffverlustes nicht möglich gewesen und ein sich schon länger entwickelnder Lagerschaden hätte Späne und erheblichen Metallabrieb produziert. Die Ölversorgung war jedoch frei von Spänen. Die weitere Untersuchung des verbliebenen
Schaufelsockels ergab eindeutige Anzeichen für einen Ermüdungsbruch, „High Cycle
Fatigue“, wahrscheinlich verursacht durch eine fehlerhafte Beschichtung im Kühlkanal innerhalb der Schaufel.
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Das Flugwetter war gut und hatte auf den Unfallverlauf oder die Leistungsfähigkeit
der Turbine keinen Einfluss. Lediglich die An- und Abflugrichtung des Hubschraubers
wurde durch die Windrichtung bestimmt.
Das gewählte Außenstart- und Außenlandegelände war nur bedingt geeignet. Der
Platz hinter dem Landwirtschaftshandel war umgeben von zum Teil losen Verkaufsgütern. Es bestand jederzeit während der Starts und der Landungen die Gefahr, dass
durch den Rotorabwind Gegenstände aufgewirbelt werden und diese ggf. Zuschauer
verletzen oder in den Rotor eingesogen werden konnten. Auch war der An- und Abflug nicht hindernisfrei. Dies führte dazu, dass sowohl beim Start als auch bei der
Landung ein steiles An- und Abflugprofil gewählt werden musste. Somit befand sich
der Hubschrauber jeweils kurzfristig in Höhen- und Geschwindigkeitsbereichen, die
laut Flughandbuch problematisch waren für eine erfolgreiche Autorotation im Falle
einer Triebwerkstörung. Der gewählte Platz entsprach nicht dem in der Genehmigung für die Rundflugveranstaltung vorgegebenen Ort.
Bereits in der Vergangenheit gab es eine Reihe von Flugunfällen mit einmotorigen
Hubschraubern. Ursächlich war dafür häufig, dass die Hubschrauber in Flugbereichen betrieben wurden, die ungeeignet waren für eine sichere Autorotation im Falle
einer Triebwerkstörung. Betreiber von Hubschraubern sollten bei der Planung prüfen,
ob ein Flugvorhaben mit dem verwendeten Hubschrauber jederzeit sicher durchgeführt werden kann. Aber auch die Piloten haben letztendlich die Verpflichtung auf
kurzfristige Veränderungen gegenüber der Planung im Sinne der Sicherheit für den
Flugbetrieb zu entscheiden, ob ein Flug durchgeführt werden kann oder nicht. Hierbei sollten nicht dauerhaft unnötige Risiken in Kauf genommen werden.
Schlussfolgerungen
Der Flugunfall ist auf eine harte Landung beim Versuch einer Notlandung infolge eines mechanisch verursachten Triebwerkausfalls kurz nach dem Abheben zurückzuführen. Beigetragen zur Schwere der Schäden hat die Wahl des ungeeigneten Außenstart- und Außenlandegeländes und das damit verbundene ungünstige
Abflugprofil.
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Untersuchungsbericht BFU 3X014-12
Sicherheitsempfehlungen
Maßnahmen des Triebwerkherstellers
Der Triebwerkhersteller hat aufgrund der Untersuchungsergebnisse eine Beurteilung
für die Betriebssicherheit des betroffenen Triebwerkmusters aus seiner Sicht durchgeführt.
Die gelöste Schraubverbindung am Fuel Divider aufgrund der Vibrationen nach dem
Turbinenschaufelabriss wurde als Sicherheitsproblem klassifiziert. Eine technische
Änderung ist in der Einführung. In Zukunft soll zusätzlich Sicherungsdraht das Lösen
der Schraubverbindungen verhindern.
Die festgestellten beginnenden Ermüdungsbrüche in den Schweißpunkten der hinteren Hauptlagerhalterung wurden als ein Qualitätsproblem klassifiziert. Die Ursachen
hierfür und Korrekturmaßnahmen werden mit dem Zulieferer der Komponenten gesucht.
Dir Firma Honeywell Aerospace, verantwortlich für die Beschichtung der Turbinenschaufeln, führte Versuchsreihen durch, die klären sollten, warum die betroffene
Schaufel fehlerhaft beschichtet war. Hierbei wurde u. a. Beschichtungsmaterial in
den inneren Kühlkanal gefüllt. Durch die Versuche konnte eine vergleichbare fehlerhafte Beschichtung bezüglich Stärke und Aluminiumgehalt reproduziert werden. Als
wahrscheinlichste Ursache wurde eine aus Versehen in das Beschichtungsmaterial
gefallene Turbinenschaufel mit verbleibendem Material im inneren Kühlkanal identifiziert. In 2008 wurde das Produktionsverfahren geändert und ein vergleichbarer Beschichtungsmangel sei seitdem auszuschließen. Alle weiteren Turbinenschaufeln
aus dem betroffenen Produktionslos wurden identifiziert und 2013 aus dem Flugbetrieb genommen.
Untersuchungsführer:
Axel Rokohl
Mitwirkung:
Thomas Karge
Untersuchung vor Ort:
Klaus-Uwe Fuchs, Christian Baudorff
Braunschweig, 24. Mai 2013
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Anlagen
1.
empfohlenes Geschwindigkeits-Höhen-Diagramm des Herstellers
2.
Schnittbild LTS 101 Turbine
3.
Übersicht Ng (N1) und Np (N2) System des Triebwerks
4.
Bilder der Untersuchung der abgerissenen Turbinenschaufel
Anlage 1: empfohlenes Geschwindigkeits-Höhen-Diagramm des Herstellers
Quelle: Auszug aus dem Flughandbuch
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Anlage 2: Schnittbild LTS101Turbine
Schaufelbruch
Anlage 3: Übersicht Ng (N1) und Np (N2) System des Triebwerks
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Anlage 4: Bilder der Untersuchung der abgerissenen Turbinenschaufel (N1)
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Die Untersuchung wurde in Übereinstimmung mit der Verordnung (EU)
Nr. 996/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2010 über die Untersuchung und Verhütung von Unfällen und Störungen in der Zivilluftfahrt und dem Gesetz über die Untersuchung von Unfällen und Störungen beim Betrieb ziviler Luftfahrzeuge (Flugunfall-Untersuchungs-Gesetz - FlUUG) vom 26. August 1998 durchgeführt.
Danach ist das alleinige Ziel der Untersuchung die Verhütung künftiger
Unfälle und Störungen. Die Untersuchung dient nicht der Feststellung des
Verschuldens, der Haftung oder von Ansprüchen.
Herausgeber
Bundesstelle für
Flugunfalluntersuchung
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