Welche Haftungsgefahren drohen Geschäftsführern und

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Welche Haftungsgefahren drohen Geschäftsführern und
Welche Haftungsgefahren drohen Geschäftsführern und
­Gesellschaftern in der Krise und der Insolvenz unter
­Berücksichtigung des MoMiG?
von Rechtsanwalt Klaus Bales, Heidelberg*
Durch das am 1.11.2008 in Kraft getretene Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung
von Missbräuchen (MoMiG) sind für Geschäftsführer und Gesellschafter in Sachen Anforderungen und Verantwortlichkeiten in der Krise wichtige neue Regelungen zu beachten. Das Gesetz war die umfassendste Reform
des GmbH-Rechts seit Bestehen des GmbH-Gesetzes und verfolgte zum einen das Ziel der Modernisierung des
GmbH-Rechts und zum anderen eines effektiven Missbrauchschutzes.
Die nachfolgenden Ausführungen sollen insbesondere die zivil- und strafrechtlichen Haftungsrisiken der an
der Krise beteiligten Geschäftsführer und Gesellschafter systematisch aufzeigen und auch Hilfestellungen geben, um die persönliche Haftung zu vermeiden.
Grds. unterscheidet man für die Haftung des Geschäftsführers zwischen der sog. Innenhaftung, also der Haftung der Geschäftsführer gegenüber ihrer Gesellschaft und der sog. Außenhaftung, also der Haftung gegenüber Dritten, i.d.R. gegenüber Gläubigern der Gesellschaft.
Zur Insolvenzverschleppung nach
§ 15a InsO n.F.
Den Geschäftsführer einer GmbH treffen umfangreiche insolvenzrechtliche Prüfungspflichten, deren Ergebnis u.U. in der Pflicht zur Stellung des Insolvenzantrags mündet. Diese Insolvenzantragspflicht des
Geschäftsführers hat im Hinblick auf den in der InsO
statuierten Gläubigerschutz eine große Bedeutung.
Aufgrund des MoMiG wurde die Insolvenzantragspflicht nun einheitlich rechtsformübergreifend in die
InsO verlagert und erweitert. Die zuvor in den gesellschaftsrechtlichen Gesetzen enthaltenen Insolvenzantragspflichten wurden durch das am 1.11.2008 in
Kraft getretene MoMiG (BGBl. I 2008, S. 2026) in die
InsO eingefügt.
Nach der Neuregelung des § 15 a Abs. 1 InsO haben
die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber
3 Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit (§ 17
InsO) oder Überschuldung (§ 19 InsO), einen Insolvenzantrag zu stellen.
Nach den neuen Regelungen der InsO besteht die
Insolvenzantragspflicht auch dann, wenn der Geschäftsführer den Antrag „nicht richtig“ stellt (§ 15a
Abs. 4 InsO).
Mit der durch das MoMiG eingeführten Strafvorschrift
des § 15a Abs. 4 InsO ist demnach für die antragspflichtigen Geschäftsführer – auch strafrechtlich – von
Bedeutung, wie das Merkmal „nicht richtig“ auszulegen ist, d.h. welche formalen Anforderungen an die
Begründung eines Insolvenzantrags zu stellen sind.
Denn gem. § 15a Abs. 4 InsO macht sich strafbar,
„wer entgegen Abs. 1 Satz 1 […] einen Insolvenzantrag nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig stellt“.
Der Gesetzgeber hat offengelassen, was unter diesem Tatbestandsmerkmal zu verstehen ist. Ausdrück* Rechtsanwälte STRACK ET COLLEGAE, Heidelberg
liche Formvorschriften, die den Inhalt des Insolvenzantrags bestimmen, sind in der InsO nicht normiert.
Nach überwiegender Ansicht sind „nicht richtig“ gestellte Anträge nur solche, die inhaltlich nicht den
Mindestanforderungen genügen, um „zulässig“ im
Sinne der InsO zu sein (HambKomm-InsO/Borchardt,
3. Aufl. 2009, § 15a Abs. 4 Rn. 13).
Nach der Rechtsprechung des BGH zum Insolvenzantrag einer natürlichen Person muss der Insolvenzeröffnungsgrund in substanziierter, nachvollziehbarer
Form dargelegt werden (vgl. dazu BGH NJW 2003,
147; BGH ZInsO 2007, 887 m.w.N.; vgl. auch Weiss
ZInsO 2009, 1521). Hierfür sind die Tatsachen mitzuteilen, die die wesentlichen Merkmale eines Eröffnungsgrundes i.S.d. §§ 17,18 InsO erkennen lassen.
Der Schuldner muss seine Finanzlage zumindest
nachvollziehbar darstellen (HambKomm-InsO/Wehr,
3. Aufl. 2009, § 13 Rn. 30). Insbesondere muss zur
Fälligkeit der angeblichen bestehenden Verbindlichkeiten Stellung genommen werden. Außerdem darf
der Antrag keine falschen oder unvollständigen Angaben enthalten (HK-InsO/Kirchhof, § 15a Rn. 8).
Um eine Bestrafung des Geschäftsführers gem. § 15a
Abs. 4 InsO wegen „nicht richtiger“ Antragstellung
zu vermeiden, sollte er den Insolvenzantrag entsprechend den vorgenannten Anforderungen ausreichend
begründen. Sind ihm die Anforderungen an die Begründung eines Antrags nicht bekannt, kann er wegen fahrlässiger Insolvenzverschleppung nach § 15a
Abs. 5 InsO strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.
II.
3-Wochenfrist des § 15a Abs. 1 InsO
n.F.
Die 3-Wochenfrist des § 15a InsO beginnt mit nach
dem mit § 64 Abs. 1 GmbHG a.F., § 92 Abs. 2 AktG
a.F. inhaltsgleichen Gesetzeswortlaut objektiv mit
Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschul-
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InsbürO 2/2011
I.
dung. Nach der Rechtsprechung des BGH beginnt
die Antragsfrist mit Erkennbarkeit des Insolvenzgrundes der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung (BGH NJW 2000, 668 = LNR 1999, 17010)
nach a.A. im Zeitpunkt der positiven Kenntnis oder
böswilligen Unkenntnis des Vorstands vom Eintritt
der Überschuldung (so OLG Frankfurt/M. NZG 2004,
1157 = LNR 2004, 17459 für die Frist des § 92
Abs. 2 AktG a.F.; ähnlich OLG Koblenz ZIP 2005, 211
= ZInsO 2004, 1262): Die 3-Wochenfrist des § 92
Abs. 2 AktG (a.F.) beginnt im Zeitpunkt der positiven
Kenntnis des Vorstands vom Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung (Abgrenzung zu
BGH ZIP 2000, 184 = LNR 1999, 17010: „Erkennbare“ Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit), vgl.
zum Meinungsstand auch HambKomm-InsO/Wehr,
§ 15a Rn. 16).
Bei den 3 Wochen handelt es sich um die Höchstfrist, innerhalb der der Insolvenzantrag zu stellen
ist. Sie dient der ernstlichen Prüfung und Durchführung von außergerichtlichen Sanierungsmaßnahmen, darf jedoch nicht überschritten werden, selbst
wenn zu diesem Zeitpunkt noch Erfolg versprechende Sanierungsverhandlungen geführt werden (BGH
ZInsO 2007, 374, 376). Die 3-Wochenfrist darf der
Geschäftsführer nach alledem nur dann ausnutzen, wenn begründete Sanierungsaussicht oder
zumindest die begründete Aussicht besteht, den
Insolvenzantragsgrund innerhalb der Frist zu beseitigen (BGH DStR 2001, 1537). Gibt es also Erfolg
versprechende Sanierungsbemühungen, liegt in
der 3-Wochenfrist eine „letzte Chance“, d.h. der Geschäftsführer kann so lange von der Einleitung des
Insolvenzverfahrens absehen, wie die Sanierung
nicht gescheitert ist (Lutter/Hommelhoff, GmbHG,
§ 64 Rn. 27).
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InsbürO 2/2011
Die Insolvenzantragspflichten und auch die Haftungsfolgen für den Geschäftsführer einer GmbH knüpfen
grds. an den Tatbestand der Zahlungsunfähigkeit
und nicht an den der bloßen Zahlungsstockung an.
Letztere liegt nach h.M. vor, wenn der Schuldner lediglich einzelne Verbindlichkeiten vorübergehend
nicht begleicht, sich aber ausreichend Bankkredite
beschaffen kann (so z.B. Begründung RegE, abgdr.
in: Balz/Landfermann, Die neuen Insolvenzgesetze,
1995, 222 ff.).
Streitig war bisher jedoch, ob bestimmte Quoten der
fälligen Zahlungsverpflichtungen, als auch eine Frist,
innerhalb derer die erforderlichen Mittel zu beschaffen sind, zur Abgrenzung der Zahlungsstockung
von der Zahlungsunfähigkeit herangezogen werden
müssen (zum bisherigen Meinungsstand vgl. Braun,
InsO, 2002, § 17 Rn. 7 ff.). Nach Ansicht des BGH
(ZInsO 2005, 807). ist eine bloße Zahlungsstockung
anzunehmen, wenn der Schuldner eine auftretende
Liquiditätslücke innerhalb von 3 Wochen schließen
kann.
Ungeklärt war bisher auch, bis zu welcher Schwelle
noch von „ganz geringfügigen“ Liquiditätslücken gesprochen werden kann, die nicht zur Zahlungsunfähigkeit führen. In Rechtsprechung und Literatur wur-
den diesbezüglich Quoten zwischen 0 % und 25 % der
fälligen Zahlungspflichten diskutiert (Nachweise bei
Knolle/Tetzlaff ZInsO 2005, 897). Nach Auffassung
des BGH führt eine Liquiditätslücke von weniger als
10 % der fälligen Zahlungspflichten i.d.R. nicht zur
Zahlungsunfähigkeit, es sei denn, es ist bereits absehbar, dass die Lücke demnächst mehr als 10 % erreichen wird.
Beträgt die Liquiditätslücke des Schuldners demnach
10 % oder mehr, ist regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, sofern nicht ausnahmsweise mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt werden wird und
den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen
Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist (vgl. BGH
ZInsO 2005, 807). Anders ausgedrückt heißt das:
Eine Zahlungsunfähigkeit liegt nach der BGH-Rechtsprechung vor, wenn innerhalb von 21 Tagen weniger als 90 % der fälligen Verbindlichkeiten bezahlt
werden.
III. Insolvenzantragspflicht auch bei
Überschuldung nach § 19 Abs. 2
InsO
Die Antragspflicht nach § 15a InsO gilt auch im Fall
der Überschuldung. Durch das sog. Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FMStG) wurde der Überschuldungsbegriff des Insolvenzrechts geändert. Die Neuregelung, die zunächst bis zum 31.12.2010 befristet
war und nunmehr bis zum 31.12.2013 verlängert
wurde (vgl. Gesetz zur Erleichterung der Sanierung
von Unternehmen, in Kraft getreten am 30.9.2009,
BGBl. I, S. 3151), stellt eine Rückkehr zum sog. „zweistufigen Überschuldungsbegriff“ dar, wie ihn der BGH
bis zum Inkrafttreten der InsO 1999 vertreten hatte
(BGHZ 119, 201, 214 = LNR 1992, 14574). Nach dem
Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen wurde die ursprünglich bis 31.12.2010 befristete Änderung des Überschuldungsbegriffs in der
InsO um 3 Jahre verlängert. Damit führt auch nach
dem 1.1.2011 eine bilanzielle Überschuldung nicht
zur Insolvenz, wenn eine positive Fortführungsprognose besteht.
Die neue Fassung des § 19 Abs. 2 InsO verleiht
insbesondere der Fortführungsprognose bei der
Überschuldung erheblich höheres Gewicht im Vergleich zur alten Rechtslage. Während nach bisherigem Recht die positive Fortführungsprognose nur
eine dienende Funktion dahin gehend hatte, die
Bewertungsmaßstäbe bzgl. der vorhandenen Vermögenswerte festzulegen und zu bestimmen, ob
bei einem Vergleich von Vermögen und Verbindlichkeiten die in aller Regel höheren Fortführungswerte
oder Zerschlagungswerte maßgeblich sind, schließt
nunmehr eine positive Fortführungsprognose die
Überschuldung in jedem Fall aus (vgl. Büttner ZInsO
2009, 841, 844 m.w.N.). Sowohl nach neuem wie
nach altem Recht setzt sich der Überschuldungsbegriff aus zwei Elementen zusammen: Der Fortführungsprognose und der Überschuldungsbilanz.
Bislang bestimmte die Fortführungsprognose lediglich, wie die Aktiva des Unternehmens zu bewerten
waren.
Ermittlung des Überschuldungsstatus bei …
…positiver
Fortbestehensprognose
Ansatz
Im Rahmen der zweistufigen Prüfung ist für die Fortführungsprognose zunächst festzustellen, ob eine
Fortführung überhaupt möglich ist, also eine Fortführungsbereitschaft besteht und dieser keine rechtlichen oder tatsächlichen Gründe entgegenstehen (vgl.
Büttner ZInsO 2009, 841, 844 m.w.N.).
In der Fortführungsprognose muss die Geschäftsführung dokumentieren, dass die Fortführung der
Gesellschaft überwiegend wahrscheinlich ist. Dies
ist dahin gehend zu verstehen, dass auf mittel- bis
langfristige Sicht eine finanzielle Unterdeckung zu
vermeiden ist. Dies ist dann der Fall, wenn das Unternehmen innerhalb eines Prognosezeitraums von
ca. 2 – 3 Jahren alle bestehenden und künftig zu
erwartenden Verpflichtungen aus den vorhandenen
und erwarteten Finanzmitteln decken kann, oder anders ausgedrückt, ohne zahlungsunfähig zu werden
(Harz ZInsO 2001, 193, 199; Uhlenbruck, in: Schmidt/
Uhlenbruck, Die GmbH in der Krise, Sanierung und
Insolvenz, 2003, Rn. 878 f.).
Im Hinblick auf § 17 InsO ist mindestens erforderlich, dass das Unternehmen während des laufenden
und des nächsten Geschäftsjahres nicht zahlungsunfähig wird, was aufgrund eines dokumentierten,
aus Finanz- und Ertragsplan bestehenden Unternehmenskonzepts vorausschauend zu prüfen ist (vgl.
zu diesem Aspekt HK-InsO/Kirchhof, § 19 Rn. 12
m.w.N.).
A
K
T
I
V
A
P
A
S
S
I
V
A
y
…negativer
Fortbestehensprognose
Einbeziehung aller Vermögensgegenstände der Gesellschaft unabhängig
eines Ansatzes nach HGB
y
Einbeziehung aller Vermögensgegenstände der Gesellschaft unabhängig
eines Ansatzes nach HGB
Aber:
y Unter der Voraussetzung, dass diese
veräußerbar sind und einen Beitrag
zur Schuldendeckung leisten können
Bewertung
y
Liquidationskosten
y
Insolvenzkosten ohne Ansatz
y
Grundsätzlich Fortführungswerte, d.h. y
Wiederbeschaffungskosten (Neuwert
abzgl. kumulierter Abschreibungen)
Grundsätzlich Liquidationswerte
(entspricht dem Wert bei Einzelveräußerung)
y
Vorrang Veräußerungswert bei zu
liquidierenden Unternehmensteilen
Veräußerungserlös bei Unternehmensverkauf
y
Keine Übernahme handelsrechtlicher
Ansätze
y
y
Marktpreise als Obergrenze
Ansatz
y
Ansatz aller Verpflichtungen, wenn mit einer Inanspruchnahme der Gesellschaft
(ernsthaft) gerechnet werden muss
Bewertung
y
Beträge, die gegenüber der Gesellschaft geltend gemacht werden können
Abbildung: Leitlinien für die Ermittlung des Überschuldungsstatus
Abb.: Leitlinien für die Ermittlung des Überschuldungsstatus*
Inhaltliche Anforderungen an die
Fortbestehensprognose
Darlegungs- und Beweislast der
Geschäftsführung
mit
y
Qualitativ wertendes Gesamturteil über die
(Über-) Lebensfähigkeit des Unternehmens in
der vorhersehbaren Zukunft*
y
Für den Tatbestand der Insolvenzverschleppung ist die Erkennbarkeit der Insolvenzreife
für die Geschäftsführung ausreichend
y
Begründete Aussage darüber, dass das
Unternehmen nachhaltig seine geschäftlichen
Aktivitäten unter Einhaltung seiner Zahlungsverpflichtungen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit fortführen kann
y
Vermutung eines Verschuldens
y
Widerlegung der Vermutung durch überzeugende Darlegung einer positiven
Fortbestehens-/Überlebensprognose mit
begründeten Anhaltspunkten
100 %
y
Zweifel an der Weiterführung der
Unternehmenstätigkeit sind auszuräumen
Mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit
75 %
Mit deutlich höherer
Wahrscheinlichkeit
50 %
Mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit
Abstufung der
Fortbestehensprognose
Y Darlegungslast:
Plausibilität der Annahmen der
Fortbestehensprognose
Y Beweislast:
Fehlende Erkennbarkeit eines
Insolvenzgrundes
* immer auch als Prognose über die Zahlungsfähigkeit
Abbildung: Kriterien und Prüfungsinhalte bei der Fortbestehensprognose
Erstellen einer Liquidationsbilanz
nein
Weitere Überprüfung entfällt,
da keine Überschuldung
IV.Schadensersatzansprüche gegen die
Geschäftsführung
ja
Prüfung, ob eine Fortführung des
Unternehmens überwiegend wahrscheinlich ist
(Fortführungsprognose)
nein
Fortführung
wahrschl.?
Weitere Überprüfung entfällt,
da Überschuldung vorliegt;
Insolvenzantragspflicht liegt vor!
ja
Erstellen einer (Überschuldungs-)Bilanz
zu Fortführungswerten
Überschuldung?
nein
Keine weiteren Schritte,
da keine Überschuldung
ja
Entweder: 1. Geschäftsleitung muss Insolvenzantrag stellen
oder: 2. Einleitung von Sanierungsmaßnahmen, die die rechnerische,
verkehrswertbasierte Überschuldung beseitigen
Abbildung: Überschuldungsprüfung gem. § 19 Abs. 2 InsO
Abb.: Überschuldungsprüfung gem. § 19 Abs. 2
InsO*
Der Geschäftsführer haftet der Gesellschaft gegenüber
auf Ersatz desjenigen Schadens, der ihr durch die unterlassene, verspätete oder unrichtige Stellung des Insolvenzantrags entstanden ist (Innenhaftung). Darüber
hinaus haftet der Geschäftsführer den Gesellschaftsgläubigern gegenüber auf Schadensersatz gem. § 15a
InsO i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB (Außenhaftung).
Der Altgläubiger kann von den Geschäftsführern lediglich Ersatz des sog. Quotenschadens verlangen.
Quotenschaden ist derjenige Schaden, der in der Differenz zwischen der Quote besteht, die der betreffende Gläubiger bei rechtzeitiger Insolvenzantragstellung erhalten hätte und der Quote, die er nunmehr
nach verspäteter Insolvenzantragstellung erhält. Der
Quotenschaden der Altgläubiger wird durch den Insolvenzverwalter gegenüber den Geschäftsführern
geltend gemacht (BGH ZIP 1998, 776 = ZInsO 1998,
41).
* Abdruck mit freundlicher Genehmigung der FCH GmbH (www.fc-heidelberg.de)
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InsbürO 2/2011
Überschuldung?
Abb.: Kriterien und Prüfungsinhalte bei der Fortbestehensprognose*
Die Neugläubiger sind nicht auf den Quotenschaden
begrenzt, sondern haben die Möglichkeit, ihren Schaden in voller Höhe gegenüber den Geschäftsführern
geltend zu machen (BGH ZIP 1994, 1103 = LNR 1994,
15096), es sei denn, es handelt sich um Ansprüche
aus unerlaubter Handlung. Als Begründung hierfür
wird aufgeführt, dass sie bei rechtzeitiger Insolvenzantragstellung mit der Gesellschaft gar nicht erst die
betreffende Geschäftsbeziehung eingegangen wären.
Die Neugläubiger müssen ihren Schadensersatzanspruch gegenüber den Geschäftsführern selbst geltend machen; hierfür ist der Insolvenzverwalter nicht
zuständig (BGH ZIP 1998, 776 = ZInsO 1998, 41).
V.
Regelungsinhalt des § 43 GmbHG
Grundnorm der Innenhaftung ist § 43 GmbHG. Nach
Abs. 1 dieser Vorschrift haben die Geschäftsführer
in Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes zu beachten und
haften der Gesellschaft solidarisch für solche Schäden, die sie durch Verletzung ihrer Pflichten der Gesellschaft schuldhaft zugefügt haben. Darüber hinaus obliegt ihnen die weitergehende Sorgfalt eines
selbstständigen treuhänderischen Verwalters fremder Vermögensinteressen in verantwortlich leitender
Position (OLG Koblenz GmbHR 1991, 417).
VI. Rückzahlung der Stammeinlage
60
Nach § 43 Abs. 3 GmbHG ist der Geschäftsführer
zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er entgegen
den Vorschriften des § 30 GmbHG zuwider Zahlungen aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen der Gesellschaft gemacht hat.
Denn gem. § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG darf das Vermögen der GmbH, welche zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlich ist, nicht an die Gesellschafter
ausgezahlt werden.
InsbürO 2/2011
In der Krise der Gesellschaft müssen die Geschäftsführer also vor jeglichen Leistungen an die Gesellschafter prüfen, ob auch nach der Leistung das Vermögen
der Gesellschaft noch ausreicht, das Stammkapital
vollständig zu decken. Die Differenz zwischen dem
Vermögen der Gesellschaft nach der Leistung an die
Gesellschafter und den vorhandenen Verbindlichkeiten muss also mindestens die Höhe des Stammkapitals ergeben. Zu berücksichtigen ist, dass Leistungen
an die Gesellschafter nicht nur Geldleistungen, sondern auch sonstige Vermögensübertragungen oder
kostenlose Nutzungsüberlassungen sein können.
VII. Verlust der Hälfte des Stammkapitals
Gem. § 49 Abs. 3 GmbHG sind die Geschäftsführer
außerdem verpflichtet, die Gesellschafterversammlung unverzüglich einzuberufen, wenn sich aus der
Jahresbilanz oder aus einer im Lauf des Geschäftsjahres aufgestellten Bilanz ergibt, dass die Hälfte des
Stammkapitals verloren ist. Bei Verletzung dieser Verpflichtung haften sie der Gesellschaft gegenüber auf
Schadensersatz; außerdem liegt der Straftatbestand
des § 84 Abs. 1 GmbHG vor.
VIII.Zur Haftung des faktischen
­Geschäftsführers
Die dargelegten strengen Haftungen treffen nicht nur
die ordnungsgemäß bestellten und im Handelsregister eingetragenen Geschäftsführer, sondern auch diejenigen, die faktisch die Geschicke der Gesellschaft
bestimmen (= sog. faktische Geschäftsführer). Der
faktische Geschäftsführer einer GmbH ist nicht nur
zur rechtzeitigen Stellung des Insolvenzantrags nach
§ 15a InsO verpflichtet, sondern hat auch die haftungsrechtlichen Folgen einer Versäumung dieser
Pflicht, z.B. Ersatz von Zahlungen nach § 64 Satz 1
GmbHG zu tragen (BGH WM 2005, 1706 = ZInsO
2005, 878; BGH WM 2002, 960 = ZInsO 2002, 582).
Für die Stellung und Verantwortlichkeit einer Person als faktischer Geschäftsführer einer GmbH ist
es nach der Rechtsprechung erforderlich, dass der
Betreffende nach dem Gesamterscheinungsbild seines Auftretens die Geschicke der Gesellschaft – über
die interne Einwirkung auf die satzungsmäßige Geschäftsführung hinaus – durch eigenes Handeln im
Außenverhältnis, das die Tätigkeit des rechtlichen
Geschäftsführungsorgans nachhaltig prägt, maßgeblich in die Hand genommen hat (so BGH WM 2005,
1706 = ZInsO 2005, 878).
Faktische Geschäftsführung aufgrund tatsächlicher
Übernahme wesentlicher Tätigkeiten wird dann angenommen, wenn der faktische „Geschäftsführer“ –
ohne ausdrücklich zum Geschäftsführer bestellt zu
sein – bestimmenden Einfluss auf Geschäftsvorgänge
hat (BGH ZInsO 2002, 582; NJW 2000, 2285), d.h. tatsächliche Verfügungsmacht ausübt (BGH NJW 1983,
240 = LNR 1982, 11309) und im ausdrücklichen oder
vermuteten Einvernehmen mit den Gesellschaftern
und den Aufsichtsgremien handelt. Die Rechtsprechung hat eine faktische Geschäftsführung dann angenommen, wenn sechs von acht Kriterien vorliegen:
• Bestimmung der Unternehmenspolitik
• Bestimmung der Unternehmensorganisation
• Einstellung und Entlassung von Mitarbeitern
• Verhandlungen mit Kreditgebern
• Gestaltung der Geschäftsbeziehungen – einschließlich der Verhandlungen über die Zahlungsmodalitäten – zu Vertragspartnern
• Entscheidung in Steuerangelegenheiten
• Höhe des Gehaltes
• Steuerung der Buchhaltung (vgl. zum Ganzen,
BayObLG NJW 1997, 1936; ähnlich BGH NJW 1983,
240 = LNR 1982, 11309).
IX. Kein Antragsrecht des faktischen
Geschäftsführers
Nach der überwiegend vertretenen Meinung soll derjenige, der aufgrund „tatsächlichen Gerierens“ als
faktischer Gesellschafter der zivilrechtlichen (§ 64
GmbHG) und der strafrechtlichen Haftung unterliegt,
X.
Strafrechtliche Risiken der Geschäftsführer und Vorstände
Zu den Insolvenzstraftaten im engeren Sinne zählen
neben den außerhalb des StGB befindlichen und bereits behandelten Strafnormen der §§ 15a Abs. 4,
Abs. 5 InsO insbesondere die im Abschn. 24 des
Besonderen Teils des StGB normierten Vorschriften
der §§ 283 – 283d StGB. Insolvenzstraftaten in weiterem Sinne stellen alle Straftatbestände dar, die im
Zusammenhang mit einer bevorstehenden oder eingetretenen Insolvenz zum Nachteil von Gläubigern,
Staat und Dritten begangen werden (HambKommInsO/Borchardt, a.a.O., Vorbem. zum Insolvenzstrafrecht, Rn. 4.).
Neben den bereits behandelten Vergehen der Insolvenzverschleppung (§ 15a Abs. 4 InsO) sind noch
weitere Straftaten im Zusammenhang mit einer Krise
der Gesellschaft denkbar, die nachfolgend ebenfalls
dargestellt werden sollen.
Betrug (§ 263 StGB)
Untreue (§ 266 StGB)
Insolvenzverschleppung
nach § 15a Abs. 4 InsO
Bankrott (§ 283 StGB)
Vorenthalten von Arbeitnehmerbeiträgen zur
Sozialversicherung nach § 266a StGB
Verletzung von Buchführungspflichten
(§ 283b StGB)
Gläubigerbegünstigung
(§ 283c StGB)
Abbildung: Potentielle Strafbarkeitsrisiken für Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder
Abb.: Potenzielle Strafbarkeitsrisiken für Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder
XI. Strafbarkeit wegen Bankrotts
(§ 283 StGB)
Der Tatbestand des Bankrotts liegt u.a. vor, wenn der
Geschäftsführer bei Überschuldung oder bei drohender oder bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit
Bestandteile des Vermögens, die im Fall der Insolvenzeröffnung zur Insolvenzmasse gehören, beiseite
schafft oder verheimlicht oder in anderer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft wider-
sprechenden Weise zerstört, beschädigt oder unbrauchbar macht (§ 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB).
Ebenso wird bestraft, wer
2.in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise Verlustoder Spekulationsgeschäfte oder Differenzgeschäfte mit Waren oder Wertpapieren eingeht oder
durch unwirtschaftliche Ausgaben, Spiel oder Wette übermäßige Beträge verbraucht oder schuldig
wird,
3.Waren oder Wertpapiere auf Kredit beschafft und
sie oder die aus diesen Waren hergestellten Sachen
erheblich unter ihrem Wert in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise veräußert oder sonst abgibt,
4.Rechte anderer vortäuscht oder erdichtete Rechte
anerkennt,
5.Handelsbücher, zu deren Führung er gesetzlich
verpflichtet ist, zu führen unterlässt oder so führt
oder verändert, dass die Übersicht über seinen
Vermögensstand erschwert wird,
6.Handelsbücher oder sonstige Unterlagen, zu deren
Aufbewahrung ein Kaufmann nach Handelsrecht
verpflichtet ist, vor Ablauf der für Buchführungspflichtige bestehenden Aufbewahrungsfristen
beiseite schafft, verheimlicht, zerstört oder beschädigt und dadurch die Übersicht über seinen
Vermögensstand erschwert,
7.entgegen dem Handelsrecht a) Bilanzen so aufstellt, dass die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird, oder b) es unterlässt, die
Bilanz seines Vermögens oder das Inventar in der
vorgeschriebenen Zeit aufzustellen, oder
8.in einer anderen, den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft grob widersprechenden
Weise seinen Vermögensstand verringert oder seine wirklichen geschäftlichen Verhältnisse verheimlicht oder verschleiert.
Geschütztes Rechtsgut ist die Sicherung der Insolvenzmasse im Interesse der gesamten Gläubigergemeinschaft, wobei es ausreicht, dass ein Gläubiger
vorhanden ist (BGH ZInsO 2001, 666).
§ 283 Abs. 1 Nr. 1 – 4 und Nr. 8 sind Vermögensdelikte, während Abs. 1 Nr. 5 – 7 und § 283b StGB
Buchführungs- und Bilanzverstöße zum Gegenstand
haben. Täter des Abs. 1 ist diejenige Person, die sich
in der wirtschaftlichen Krise befindet. Daher kann jeder Schuldner Täter sein, mitwirkende Dritte können
lediglich Anstifter oder Gehilfen sein.
Voraussetzung für die Tathandlungen des § 283 StGB
ist, dass diese während einer Krise erfolgen, d.h. bei
Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung oder drohender
Zahlungsunfähigkeit (§§ 17, 19 InsO). Aufgrund der
Gleichheit der gesetzgeberischen Intention und des
Schutzzweckes der Normen kann von einer grds.
gleichen Auslegung der im Insolvenzrecht und im
Insolvenzstrafrecht verwendeten Begriffe der Über-
61
InsbürO 2/2011
trotz seiner Täterschaft kein Antragsrecht haben, da
es an einem förmlichen Bestellungsakt fehlt (zum
Meinungsstand, vgl. HambKomm-InsO/Wehr, § 15
Rn. 13 ff. m.w.N.). In diesem Fall reicht aus Gründen
der für das Antragsrecht unerlässlichen formalen
Rechtssicherheit- und klarheit die allein mit Billigung
der Gesellschafter erfolgte rein faktische Geschäftsführung nicht aus, um ein Antragsrecht zu begründen
(BGH ZInsO 2007, 97). Der faktische Geschäftsführer
hat vielmehr, wenn er sich nicht förmlich bestellen
lässt, dafür Sorge zu tragen, dass der Insolvenzantrag von dem formal bestellten Vertretungsorgan
oder – bei Führungslosigkeit – von einem Gesellschafter gestellt wird (vgl. HambKomm-InsO/Wehr,
§ 15a Rn. 14 m.w.N.). Hieran hat der Übergang von
der gesellschaftsrechtlichen (§ 64 Abs. 1 GmbHG a.F.)
zur insolvenzrechtlichen (§ 15a InsO) Antragspflicht
nichts geändert (vgl. HambKomm-InsO/Wehr, § 15a
Rn. 14a m.w.N.).
schuldung und Zahlungsunfähigkeit ausgegangen
werden, sodass auf diese verwiesen werden kann
(vgl. zur Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit die
Ausführungen unter II. und III.).
Tathandlungen nach § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB sind
das Beiseiteschaffen, Verheimlichen, Zerstören, Beschädigen sowie das Unbrauchbarmachen von Vermögensgegenständen des Schuldners, die im Fall der
Insolvenzeröffnung zur Insolvenzmasse oder während des Insolvenzverfahrens hinzu erlangt werden.
Die Rechtsprechung hat bei folgenden Fallgestaltungen den Tatbestand des Abs. 1 Nr. 1 bejaht (vgl.
zu den Rechtsprechungsbeispielen, HambKommInsO/Borchardt, § 283 StGB Rn. 13 und 15 mit den
jeweiligen Fundstellen):
• Veräußerung ohne (entsprechenden) Gegenwert
• Einziehung von Forderungen über fremde Konten
• Einziehung von Forderungen für den eigenen Verbrauch
• Übertragung eines Vermögenswerts ohne Gegenleistung auf ein zu diesem Zweck gegründetes Unternehmen im Eigentum des Täters
• nicht gerechtfertigte Sicherungsübereignung
• Überweisung von Geldern auf „schwarze“ Auslandskonten.
Praktische Relevanz hat auch die Norm des § 283
Abs. 1 Nr. 8, 2. Alt. StGB im Rahmen sog. Firmenbestattungen. Sie erfasst Fälle, in denen der Täter
bei Überschuldung bzw. drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit in einer den Anforderungen
eines ordnungsgemäßen Wirtschaftens grob widersprechenden Weise seine wirklichen geschäftlichen
Verhältnisse verheimlicht oder verschleiert.
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InsbürO 2/2011
Als geschäftliche Verhältnisse sind dabei alle auf das
schuldnerische Unternehmen bezogenen Umstände
anzusehen, die für die geschäftliche Einschätzung
des Unternehmens von Bedeutung sein können (vgl.
Tiedemann, Insolvenzstrafrecht, 2. Aufl. 1996, § 283
StGB Rn. 172).
Ausgehend von dieser Prämisse sind für die Beurteilung der Bonität und Kreditwürdigkeit des Unternehmens – insbesondere in der von § 283 Abs. 1 StGB
vorausgesetzten wirtschaftlichen Krise – neben den
Vermögensverhältnissen mittelbar auch die internen
Macht- bzw. Mehrheitsverhältnisse sowie die Person
des Geschäftsführers von Bedeutung.
Wenn sich ein Gesellschafter und Geschäftsführer
daher formell aus einer umfirmierten GmbH zurück
zieht, diese aber beherrscht und faktisch weiter leitet, kann dies ein Verheimlichen und Verschleiern der
wirklichen Verhältnisse i.S.d. § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB
darstellen (BGH ZIP 2010, 471 = StRR 2009, 310).
Insbesondere in den Konstellationen, in denen sich
das vertretungsberechtigte Organ der Gesellschaft
„auf dem Papier“ zwar aus der in der Krise befindlichen Gesellschaft zurückzieht, faktisch aber die
Geschäfte weiterhin führt, wird man daher ernsthaft
ein strafbares Verheimlichen der wirklichen geschäftlichen Verhältnisse prüfen müssen, insbesondere
wenn man davon ausgeht, dass die Generalklausel
des § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB eine (gewisse) Gesamtbetrachtung ermöglicht (zu diesem Aspekt vgl. BGH,
EWiR § 283 StGB 1/10, 265 (Floeth).
Die Tathandlungen des § 283 StGB sind aber nur dann
strafbar, wenn der Täter seine Zahlungen eingestellt
hat oder über sein Vermögen das Insolvenzverfahren
eröffnet oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist (§ 283 Abs. 6 StGB „sog.
objektive Strafbarkeitsbestimmung“). Die durch das
Insolvenzgericht insoweit getroffene Entscheidung
wirkt unmittelbar in das Strafverfahren hinein.
XII. Verletzung von Buchführungs­
pflichten
Gem. § 283b StGB wird bestraft, wer
1.Handelsbücher, zu deren Führung er gesetzlich
verpflichtet ist, zu führen unterlässt oder so führt
oder verändert, dass die Übersicht über seinen
Vermögensstand erschwert wird,
2.Handelsbücher oder sonstige Unterlagen, zu deren
Aufbewahrung er nach Handelsrecht verpflichtet
ist, vor Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen beiseite schafft, verheimlicht, zerstört oder
beschädigt und dadurch die Übersicht über seinen
Vermögensstand erschwert,
3.entgegen dem Handelsrecht a) Bilanzen so aufstellt, dass die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird, oder b) es unterlässt, die
Bilanz seines Vermögens oder das Inventar in der
vorgeschriebenen Zeit aufzustellen.
Die Vorschrift stellt einen Auffangtatbestand zu
§ 283 StGB dar und entspricht im Wesentlichen den
Vorschriften des § 283 Abs. 1 Nr. 5, 6 und 7, mit
dem Unterschied, dass ein Handeln in der Krise nicht
vorliegen muss oder nicht nachgewiesen zu werden
braucht.
XIII.Gläubigerbegünstigung (§ 283c StGB)
Wegen Gläubigerbegünstigung wird bestraft, wer in
Kenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit einem Gläubiger eine Sicherheit oder Befriedigung gewährt, die
dieser nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der
Zeit zu beanspruchen hat, und ihn dadurch absichtlich oder wissentlich vor den übrigen Gläubigern begünstigt.
Im Gegensatz zum Strafrahmen des § 283 StGB ist
die Norm des § 283c StGB ein den Täter privilegierender Tatbestand. Die Privilegierung ist damit zu begründen, dass durch die Tathandlung nicht das der
Gläubigergesamtheit zur Verfügung stehende Vermögen entzogen wird, sondern nur die nach den Insolvenzvorschriften vorgesehene Art der Verteilung
missachtet wird. Der Schuldner schafft zwar Vermögensgegenstände beiseite, verwendet diese aber zur
Befriedigung eines Gläubigers. Die Vorschrift ist da-
Gläubiger im Sinne der Vorschrift ist neben dem Insolvenzgläubiger sowohl der Absonderungsgläubiger gem. § 50 ff. InsO (z.B. Sicherungseigentümer)
als auch der Massegläubiger gem. § 53 ff. InsO.
Tathandlung ist das Gewähren einer Sicherheit (1.
Alt.) an einen Gläubiger oder die Befriedigung eines Gläubigers (2. Alt.), die dieser nicht oder nicht
in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen
hatte (inkongruente Deckung). Eine Sicherheit wird
einem Gläubiger gewährt, wenn ihm eine bevorzugte
Rechtsstellung hinsichtlich seiner Befriedigung eingeräumt wird, also wenn er eine Rechtsstellung erhält, die „ihm die Möglichkeit eröffnet, eher, besser
oder gewisser befriedigt zu werden, als er es zu beanspruchen hat“ (LK-StGB/Tiedemann, § 283c Rn. 13;
Tröndle/Fischer, a.a.O., § 283c Rn. 5.).
XIV. Betrug (§ 263 StGB)
Die wesentliche insolvenzrechtliche Bedeutung entwickelt der Betrugstatbestand bei drohender oder
bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit oder bei
Überschuldung (Krise).
In den nachfolgenden Ausführungen wird deshalb
die strafrechtliche Relevanz des § 263 StGB zunächst
auf den Zeitraum vom Beginn der Krise schuldnerischer Gesellschaften und Einzelunternehmen bis zur
Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beschränkt.
Eine weitere Beschränkung wird dahin gehend vorgenommen, dass gerade über die Krise der Gesellschaft in strafrechtlich relevanter Weise getäuscht
wurde. Daher wird der Betrugstatbestand in solchen
Fällen in Form des Lieferanten- bzw. Warenkreditbetrugs vorliegen, wenn weiterhin Waren oder Werkleistungen bei bereits eingetretener Krise bestellt
wurden. Diese Bestellungen erfolgen entweder in
der meist vagen Hoffnung, sich durch den Kauf von
Waren noch über Wasser zu halten und den Zusammenbruch zu vermeiden oder um Vermögenswerte beiseite zu schaffen. Jede Bestellung auf Ziel im
Zeitraum der Krise kann daher den Tatbestand des
§ 263 StGB verwirklichen, wenn die Befriedigung
des Lieferanten nicht mehr erfolgt (HambKommInsO/Borchardt, § 263 StGB Rn. 2).
Erklärt der Geschäftsführer bei Vertragsschluss
ausdrücklich oder konkludent gegenüber dem Lieferanten durch Vornahme der Bestellung, dass er
bei Fälligkeit der aus der Bestellung resultierenden
Rechnung zahlungsfähig und zahlungswillig sei, so
liegt darin die Täuschungshandlung im Sinne des
Betrugstatbestands. Der Täter täuscht damit letztlich über seine Kreditwürdigkeit (LK-StGB/Tiedemann,
§ 263 Rn. 38).
Ein bei dem Lieferanten hervorgerufener Irrtum liegt
regelmäßig dann vor, wenn er bei Eingehung des Ver-
trags davon ausgehen konnte, der Geschäftsführer
werde zum Zeitpunkt der Fälligkeit die Gegenleistung erbringen oder er zumindest das Ausfallrisiko
als gering einschätzt (HambKomm-InsO/Borchardt,
§ 263 StGB Rn. 7 m.w.N.). Besteht zum Zeitpunkt der
Bestellung bereits Zahlungsunfähigkeit oder tritt diese kurz danach ein, ist der Vermögensschaden i.a.R.
die offene Forderung, mit der der Lieferant ausfällt
(vgl. zum Tatbestandsmerkmal des Vermögensschadens, HambKomm-InsO/Borchardt, § 263 Rn. 9).
Wenn dem Geschäftsführer nachgewiesen werden
kann, dass die konkludent behauptete Prognose über
seine künftige Bonität objektiv falsch war und er subjektiv bei der Bestellung zumindest mit bedingtem
Vorsatz von seiner Zahlungsunfähigkeit ausgegangen ist, wird der Betrugstatbestand erfüllt sein.
XV. Untreue (§ 266 StGB)
Im Fall der Krise und der Insolvenz spielt auch die
Untreue (§ 266 StGB) eine Rolle. Die Vorschrift dient
nach seiner Zielrichtung – im Unterschied zu den
§§ 283 ff. StGB – nicht dem Gläubigerschutz, sondern
bezweckt allein den Schutz des Vermögens, das der
Pflichtige zu betreuen hat (BGH NJW 2001, 154). Insbesondere im Fall der Krise und Insolvenz juristischer
Personen schützt die Vorschrift das Gesellschaftsvermögen gegen Minderung von innen, regelmäßig
seitens des Geschäftsführers, und bei Personengesellschaften das Vermögen der Mitgesellschafter vor
derartigen Nachteilen.
Der Tatbestand setzt die Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht voraus, die immer dann vorliegt, wenn jemand aufgrund einer konkreten Pflicht
zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen
verpflichtet ist. Dabei muss es sich um eine Hauptpflicht oder zumindest um eine wesentliche Pflicht
von einiger Dauer und einem gewissen Umfang handeln (HambKomm-InsO/Borchardt, § 266 StGB Rn. 4
m.w.N.). Außerdem setzt § 266 StGB den Eintritt
eines Nachteils voraus. Darunter ist jede durch die
Tathandlung verursachte Vermögenseinbuße zu verstehen (Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, StGB,
§ 266 Rn. 40), wobei für einen Nachteil auch eine
schadensgleiche Vermögensgefährdung ausreichend
ist (BGH NJW 2003, 3717 = LNR 2003, 21884).
Bei nachfolgenden Fallgestaltungen hat die Rechtsprechung den Tatbestand der Untreue durch den
Geschäftsführer bejaht:
• Vermögensverschiebung nach Eintritt der Krise,
wenn der Geschäftsführer im eigenen Interesse
bzw. im Interesse eines nicht mit dem Schuldner identischen Dritten handelt (vgl. auch HambKomm-InsO/Borchardt, § 266 StGB Rn. 6 m.w.N.),
• Auszahlung entgegen § 30 GmbHG, wenn die
Existenz, die Liquidität oder besondere entgegenstehende Interessen der GmbH gefährdet werden
(BGH NJW 1989, 112 = LNR 1988, 12083) und sich
die GmbH in der Krise befindet oder diese durch
die Tathandlung herbeigeführt oder verstärkt wird
(BGH wistra 1984, 71). Dies ist insbesondere bei
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InsbürO 2/2011
mit lex specialis zu § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB (vgl. statt
aller Tröndle/Fischer, StGB, § 283c Rn. 2 m.w.N.).
Auch hier ist Voraussetzung, dass der Schuldner sich
in einer Krise befindet, wobei im Gegensatz zu § 283
Abs. 1 Nr. 1 StGB bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit vorliegen muss.
Gefährdung des Stammkapitals (BGH NStZ 1996,
540 = LNR 1996, 12192) oder bei konkreten existenzgefährdenden Eingriffen der Fall (vgl. BGH
NZG 2000, 307 = LNR 1999, 14430),
• Umleitung von Geldern auf ein heimliches Konto
(BGH NStZ 2000, 206 = LNR 1999, 14261),
• Nichteinforderung offener Stammeinlagen (BGH
NJW 1989, 112 = LNR 1988, 12083).
XVI.Neue Haftungstatbestände der
­Gesellschafter nach MoMiG
1.
Haftung der Gesellschafter für
­fehlerhafte Geschäftsführerauswahl
Mit dem MoMiG am 1.11.2008 gilt eine Haftung des
Gesellschafters für eine fehlerhafte Geschäftsführerauswahl. Nach § 6 Abs. 5 GmbHG n.F. haftet ein
Gesellschafter, der vorsätzlich oder grob fahrlässig
einer Person, die nicht Geschäftsführer sein kann, die
Führung der Gesellschaft zu überlassen, der Gesellschaft für den Schaden, der dadurch entsteht, dass
diese Person die ihr gegenüber der Gesellschaft bestehenden Obliegenheiten verletzt.
Die Neuregelung war im Vorfeld heftig kritisiert worden mit dem Argument, weil diese Binnenhaftung
dem Grundsatz des GmbH-Rechts widersprechen
würde, dass Alleingesellschafter oder einverständlich handelnde Gesellschafter für einen Schaden
nicht verantwortlich sind, den sie selbst oder mit ihrem Einverständnis handelnde Geschäftsführer ihrer
eigenen Gesellschaft zufügen. Mit der Neuregelung
sollen in erster Linie aber Strohmannkonstruktionen
zur Umgehung der genannten Ausschlussgründe verhindert werden.
64
2.
Insolvenzantragspflicht für Gesellschafter bei Führungslosigkeit
InsbürO 2/2011
Mit der Vorschrift des § 15a InsO wurde ein neuer
Straftatbestand für Gesellschafter einer GmbH, aber
auch für Mitglieder des Aufsichtsrats einer AG oder
einer Genossenschaft geschaffen. Nach § 15a Abs. 3
InsO obliegt dem Gesellschafter die Insolvenzantrags-
pflicht für den Fall, dass die Gesellschaft führungslos, also ohne Geschäftsführer ist. Auch bei einem
fahrlässigen Verstoß gegen die Antragspflicht droht
eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr.
Dabei ist nicht nur das Unterlassen des Insolvenzantrags, sondern auch das nicht rechtzeitige und vor
allem auch das nicht richtige Stellen des Insolvenzantrags ein Straftatbestand. Fehler bei der Antragstellung gehen somit zulasten des Gesellschafters.
Nach der Legaldefinition des § 10 Abs. 2 Satz 2 InsO
liegt Führungslosigkeit dann vor, wenn der gesetzliche Vertreter fehlt. Nicht ausreichend ist, wenn den
Gesellschaftern/Mitgliedern des Aufsichtsrats der
Aufenthalt des gesetzlichen Vertreters lediglich unbekannt oder dieser untergetaucht ist. Die Führungslosigkeit lässt sich auch nicht dadurch konstruieren,
dass das Untertauchen des Geschäftsführers bzw.
Vorstandes als „konkludente“ Amtsniederlegung
ausgelegt wird (vgl. HambKomm-InsO/Rüther, § 10
Rn. 11 m.w.N.). Wird eine Gesellschaft also in der
Krise „führungslos“, muss der Gesellschafter spätestens innerhalb von 3 Wochen prüfen, ob die Insolvenzgründe der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung vorliegen und dann ggf. innerhalb dieser
Frist einen ordnungsgemäßen Insolvenzantrag stellen. Dabei muss der Gesellschafter entweder Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit bzw. von der Überschuldung oder der Führungslosigkeit haben. Nach
der gesetzgeberischen Intention ist hier eine positive
Kenntnis der Führungslosigkeit oder der Insolvenzantragsgründe erforderlich; nur „Kennenmüssen“
dieser Umstände reicht grds. nicht aus, allerdings
dürfen sich Gesellschafter/Aufsichtsratsmitglieder
nicht der Kenntnisnahme verschließen. Für den Fall
der Kenntnis der Führungslosigkeit besteht Veranlassung, sich über die Vermögenslage kundig zu
machen, während bei Kenntnis der Überschuldung
oder Zahlungsunfähigkeit angesichts der originären
Antragspflicht des gesetzlichen Vertreters Veranlassung besteht, ob nicht der Fall der Führungslosigkeit vorliegt (vgl. HambKomm-InsO/Wehr, § 15a
Rn. 26). Die Beweislast für eine fehlende Kenntnis
oder mangelnde Veranlassung, sich Kenntnis zu verschaffen, trägt der antragspflichtige Gesellschafter.
Tagungsbericht zur 20. Verbraucherinsolvenzveranstaltung
von RechtsanwältinIFachanwältin für Insolvenzrecht Christine Mansius, Alfeld
Am 14.1.2011 fand die mittlerweile 20. Verbraucherinsolvenzveranstaltung* im Kölner Hilton Hotel
statt. Wie von der Arbeitsgruppe gewohnt, bot sich
den Teilnehmern auch diesmal ein breites Spektrum
an interessanten Beiträgen aus Lehre und Praxis sowie die ausführliche Gelegenheit zur kollegialen Aussprache über den eigenen Gerichtssprengel hinaus.
Der bisherige und neue Sprecher der Arbeitsgruppe,
Rechtsanwalt Kai Henning aus Hamm begrüßte die rd.
100 Teilnehmer aus den Bereichen Insolvenzverwaltung, Schuldnerberatung und Anwaltschaft, darunter
auch Vertreter des BMJ, und kündigte vor dem Hintergrund der Reformbestrebungen des Gesetzgebers ein
„für alle Beteiligten spannendes Jahr“ an. In diesem
* Eine Veranstaltung der Arbeitsgruppe Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung der ARGE Insolvenzrecht und Sanierung im DAV