Welche Haftungsgefahren drohen Geschäftsführern und
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Welche Haftungsgefahren drohen Geschäftsführern und
Welche Haftungsgefahren drohen Geschäftsführern und Gesellschaftern in der Krise und der Insolvenz unter Berücksichtigung des MoMiG? von Rechtsanwalt Klaus Bales, Heidelberg* Durch das am 1.11.2008 in Kraft getretene Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) sind für Geschäftsführer und Gesellschafter in Sachen Anforderungen und Verantwortlichkeiten in der Krise wichtige neue Regelungen zu beachten. Das Gesetz war die umfassendste Reform des GmbH-Rechts seit Bestehen des GmbH-Gesetzes und verfolgte zum einen das Ziel der Modernisierung des GmbH-Rechts und zum anderen eines effektiven Missbrauchschutzes. Die nachfolgenden Ausführungen sollen insbesondere die zivil- und strafrechtlichen Haftungsrisiken der an der Krise beteiligten Geschäftsführer und Gesellschafter systematisch aufzeigen und auch Hilfestellungen geben, um die persönliche Haftung zu vermeiden. Grds. unterscheidet man für die Haftung des Geschäftsführers zwischen der sog. Innenhaftung, also der Haftung der Geschäftsführer gegenüber ihrer Gesellschaft und der sog. Außenhaftung, also der Haftung gegenüber Dritten, i.d.R. gegenüber Gläubigern der Gesellschaft. Zur Insolvenzverschleppung nach § 15a InsO n.F. Den Geschäftsführer einer GmbH treffen umfangreiche insolvenzrechtliche Prüfungspflichten, deren Ergebnis u.U. in der Pflicht zur Stellung des Insolvenzantrags mündet. Diese Insolvenzantragspflicht des Geschäftsführers hat im Hinblick auf den in der InsO statuierten Gläubigerschutz eine große Bedeutung. Aufgrund des MoMiG wurde die Insolvenzantragspflicht nun einheitlich rechtsformübergreifend in die InsO verlagert und erweitert. Die zuvor in den gesellschaftsrechtlichen Gesetzen enthaltenen Insolvenzantragspflichten wurden durch das am 1.11.2008 in Kraft getretene MoMiG (BGBl. I 2008, S. 2026) in die InsO eingefügt. Nach der Neuregelung des § 15 a Abs. 1 InsO haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber 3 Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) oder Überschuldung (§ 19 InsO), einen Insolvenzantrag zu stellen. Nach den neuen Regelungen der InsO besteht die Insolvenzantragspflicht auch dann, wenn der Geschäftsführer den Antrag „nicht richtig“ stellt (§ 15a Abs. 4 InsO). Mit der durch das MoMiG eingeführten Strafvorschrift des § 15a Abs. 4 InsO ist demnach für die antragspflichtigen Geschäftsführer – auch strafrechtlich – von Bedeutung, wie das Merkmal „nicht richtig“ auszulegen ist, d.h. welche formalen Anforderungen an die Begründung eines Insolvenzantrags zu stellen sind. Denn gem. § 15a Abs. 4 InsO macht sich strafbar, „wer entgegen Abs. 1 Satz 1 […] einen Insolvenzantrag nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig stellt“. Der Gesetzgeber hat offengelassen, was unter diesem Tatbestandsmerkmal zu verstehen ist. Ausdrück* Rechtsanwälte STRACK ET COLLEGAE, Heidelberg liche Formvorschriften, die den Inhalt des Insolvenzantrags bestimmen, sind in der InsO nicht normiert. Nach überwiegender Ansicht sind „nicht richtig“ gestellte Anträge nur solche, die inhaltlich nicht den Mindestanforderungen genügen, um „zulässig“ im Sinne der InsO zu sein (HambKomm-InsO/Borchardt, 3. Aufl. 2009, § 15a Abs. 4 Rn. 13). Nach der Rechtsprechung des BGH zum Insolvenzantrag einer natürlichen Person muss der Insolvenzeröffnungsgrund in substanziierter, nachvollziehbarer Form dargelegt werden (vgl. dazu BGH NJW 2003, 147; BGH ZInsO 2007, 887 m.w.N.; vgl. auch Weiss ZInsO 2009, 1521). Hierfür sind die Tatsachen mitzuteilen, die die wesentlichen Merkmale eines Eröffnungsgrundes i.S.d. §§ 17,18 InsO erkennen lassen. Der Schuldner muss seine Finanzlage zumindest nachvollziehbar darstellen (HambKomm-InsO/Wehr, 3. Aufl. 2009, § 13 Rn. 30). Insbesondere muss zur Fälligkeit der angeblichen bestehenden Verbindlichkeiten Stellung genommen werden. Außerdem darf der Antrag keine falschen oder unvollständigen Angaben enthalten (HK-InsO/Kirchhof, § 15a Rn. 8). Um eine Bestrafung des Geschäftsführers gem. § 15a Abs. 4 InsO wegen „nicht richtiger“ Antragstellung zu vermeiden, sollte er den Insolvenzantrag entsprechend den vorgenannten Anforderungen ausreichend begründen. Sind ihm die Anforderungen an die Begründung eines Antrags nicht bekannt, kann er wegen fahrlässiger Insolvenzverschleppung nach § 15a Abs. 5 InsO strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. II. 3-Wochenfrist des § 15a Abs. 1 InsO n.F. Die 3-Wochenfrist des § 15a InsO beginnt mit nach dem mit § 64 Abs. 1 GmbHG a.F., § 92 Abs. 2 AktG a.F. inhaltsgleichen Gesetzeswortlaut objektiv mit Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschul- 57 InsbürO 2/2011 I. dung. Nach der Rechtsprechung des BGH beginnt die Antragsfrist mit Erkennbarkeit des Insolvenzgrundes der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung (BGH NJW 2000, 668 = LNR 1999, 17010) nach a.A. im Zeitpunkt der positiven Kenntnis oder böswilligen Unkenntnis des Vorstands vom Eintritt der Überschuldung (so OLG Frankfurt/M. NZG 2004, 1157 = LNR 2004, 17459 für die Frist des § 92 Abs. 2 AktG a.F.; ähnlich OLG Koblenz ZIP 2005, 211 = ZInsO 2004, 1262): Die 3-Wochenfrist des § 92 Abs. 2 AktG (a.F.) beginnt im Zeitpunkt der positiven Kenntnis des Vorstands vom Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung (Abgrenzung zu BGH ZIP 2000, 184 = LNR 1999, 17010: „Erkennbare“ Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit), vgl. zum Meinungsstand auch HambKomm-InsO/Wehr, § 15a Rn. 16). Bei den 3 Wochen handelt es sich um die Höchstfrist, innerhalb der der Insolvenzantrag zu stellen ist. Sie dient der ernstlichen Prüfung und Durchführung von außergerichtlichen Sanierungsmaßnahmen, darf jedoch nicht überschritten werden, selbst wenn zu diesem Zeitpunkt noch Erfolg versprechende Sanierungsverhandlungen geführt werden (BGH ZInsO 2007, 374, 376). Die 3-Wochenfrist darf der Geschäftsführer nach alledem nur dann ausnutzen, wenn begründete Sanierungsaussicht oder zumindest die begründete Aussicht besteht, den Insolvenzantragsgrund innerhalb der Frist zu beseitigen (BGH DStR 2001, 1537). Gibt es also Erfolg versprechende Sanierungsbemühungen, liegt in der 3-Wochenfrist eine „letzte Chance“, d.h. der Geschäftsführer kann so lange von der Einleitung des Insolvenzverfahrens absehen, wie die Sanierung nicht gescheitert ist (Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 64 Rn. 27). 58 InsbürO 2/2011 Die Insolvenzantragspflichten und auch die Haftungsfolgen für den Geschäftsführer einer GmbH knüpfen grds. an den Tatbestand der Zahlungsunfähigkeit und nicht an den der bloßen Zahlungsstockung an. Letztere liegt nach h.M. vor, wenn der Schuldner lediglich einzelne Verbindlichkeiten vorübergehend nicht begleicht, sich aber ausreichend Bankkredite beschaffen kann (so z.B. Begründung RegE, abgdr. in: Balz/Landfermann, Die neuen Insolvenzgesetze, 1995, 222 ff.). Streitig war bisher jedoch, ob bestimmte Quoten der fälligen Zahlungsverpflichtungen, als auch eine Frist, innerhalb derer die erforderlichen Mittel zu beschaffen sind, zur Abgrenzung der Zahlungsstockung von der Zahlungsunfähigkeit herangezogen werden müssen (zum bisherigen Meinungsstand vgl. Braun, InsO, 2002, § 17 Rn. 7 ff.). Nach Ansicht des BGH (ZInsO 2005, 807). ist eine bloße Zahlungsstockung anzunehmen, wenn der Schuldner eine auftretende Liquiditätslücke innerhalb von 3 Wochen schließen kann. Ungeklärt war bisher auch, bis zu welcher Schwelle noch von „ganz geringfügigen“ Liquiditätslücken gesprochen werden kann, die nicht zur Zahlungsunfähigkeit führen. In Rechtsprechung und Literatur wur- den diesbezüglich Quoten zwischen 0 % und 25 % der fälligen Zahlungspflichten diskutiert (Nachweise bei Knolle/Tetzlaff ZInsO 2005, 897). Nach Auffassung des BGH führt eine Liquiditätslücke von weniger als 10 % der fälligen Zahlungspflichten i.d.R. nicht zur Zahlungsunfähigkeit, es sei denn, es ist bereits absehbar, dass die Lücke demnächst mehr als 10 % erreichen wird. Beträgt die Liquiditätslücke des Schuldners demnach 10 % oder mehr, ist regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist (vgl. BGH ZInsO 2005, 807). Anders ausgedrückt heißt das: Eine Zahlungsunfähigkeit liegt nach der BGH-Rechtsprechung vor, wenn innerhalb von 21 Tagen weniger als 90 % der fälligen Verbindlichkeiten bezahlt werden. III. Insolvenzantragspflicht auch bei Überschuldung nach § 19 Abs. 2 InsO Die Antragspflicht nach § 15a InsO gilt auch im Fall der Überschuldung. Durch das sog. Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FMStG) wurde der Überschuldungsbegriff des Insolvenzrechts geändert. Die Neuregelung, die zunächst bis zum 31.12.2010 befristet war und nunmehr bis zum 31.12.2013 verlängert wurde (vgl. Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, in Kraft getreten am 30.9.2009, BGBl. I, S. 3151), stellt eine Rückkehr zum sog. „zweistufigen Überschuldungsbegriff“ dar, wie ihn der BGH bis zum Inkrafttreten der InsO 1999 vertreten hatte (BGHZ 119, 201, 214 = LNR 1992, 14574). Nach dem Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen wurde die ursprünglich bis 31.12.2010 befristete Änderung des Überschuldungsbegriffs in der InsO um 3 Jahre verlängert. Damit führt auch nach dem 1.1.2011 eine bilanzielle Überschuldung nicht zur Insolvenz, wenn eine positive Fortführungsprognose besteht. Die neue Fassung des § 19 Abs. 2 InsO verleiht insbesondere der Fortführungsprognose bei der Überschuldung erheblich höheres Gewicht im Vergleich zur alten Rechtslage. Während nach bisherigem Recht die positive Fortführungsprognose nur eine dienende Funktion dahin gehend hatte, die Bewertungsmaßstäbe bzgl. der vorhandenen Vermögenswerte festzulegen und zu bestimmen, ob bei einem Vergleich von Vermögen und Verbindlichkeiten die in aller Regel höheren Fortführungswerte oder Zerschlagungswerte maßgeblich sind, schließt nunmehr eine positive Fortführungsprognose die Überschuldung in jedem Fall aus (vgl. Büttner ZInsO 2009, 841, 844 m.w.N.). Sowohl nach neuem wie nach altem Recht setzt sich der Überschuldungsbegriff aus zwei Elementen zusammen: Der Fortführungsprognose und der Überschuldungsbilanz. Bislang bestimmte die Fortführungsprognose lediglich, wie die Aktiva des Unternehmens zu bewerten waren. Ermittlung des Überschuldungsstatus bei … …positiver Fortbestehensprognose Ansatz Im Rahmen der zweistufigen Prüfung ist für die Fortführungsprognose zunächst festzustellen, ob eine Fortführung überhaupt möglich ist, also eine Fortführungsbereitschaft besteht und dieser keine rechtlichen oder tatsächlichen Gründe entgegenstehen (vgl. Büttner ZInsO 2009, 841, 844 m.w.N.). In der Fortführungsprognose muss die Geschäftsführung dokumentieren, dass die Fortführung der Gesellschaft überwiegend wahrscheinlich ist. Dies ist dahin gehend zu verstehen, dass auf mittel- bis langfristige Sicht eine finanzielle Unterdeckung zu vermeiden ist. Dies ist dann der Fall, wenn das Unternehmen innerhalb eines Prognosezeitraums von ca. 2 – 3 Jahren alle bestehenden und künftig zu erwartenden Verpflichtungen aus den vorhandenen und erwarteten Finanzmitteln decken kann, oder anders ausgedrückt, ohne zahlungsunfähig zu werden (Harz ZInsO 2001, 193, 199; Uhlenbruck, in: Schmidt/ Uhlenbruck, Die GmbH in der Krise, Sanierung und Insolvenz, 2003, Rn. 878 f.). Im Hinblick auf § 17 InsO ist mindestens erforderlich, dass das Unternehmen während des laufenden und des nächsten Geschäftsjahres nicht zahlungsunfähig wird, was aufgrund eines dokumentierten, aus Finanz- und Ertragsplan bestehenden Unternehmenskonzepts vorausschauend zu prüfen ist (vgl. zu diesem Aspekt HK-InsO/Kirchhof, § 19 Rn. 12 m.w.N.). A K T I V A P A S S I V A y …negativer Fortbestehensprognose Einbeziehung aller Vermögensgegenstände der Gesellschaft unabhängig eines Ansatzes nach HGB y Einbeziehung aller Vermögensgegenstände der Gesellschaft unabhängig eines Ansatzes nach HGB Aber: y Unter der Voraussetzung, dass diese veräußerbar sind und einen Beitrag zur Schuldendeckung leisten können Bewertung y Liquidationskosten y Insolvenzkosten ohne Ansatz y Grundsätzlich Fortführungswerte, d.h. y Wiederbeschaffungskosten (Neuwert abzgl. kumulierter Abschreibungen) Grundsätzlich Liquidationswerte (entspricht dem Wert bei Einzelveräußerung) y Vorrang Veräußerungswert bei zu liquidierenden Unternehmensteilen Veräußerungserlös bei Unternehmensverkauf y Keine Übernahme handelsrechtlicher Ansätze y y Marktpreise als Obergrenze Ansatz y Ansatz aller Verpflichtungen, wenn mit einer Inanspruchnahme der Gesellschaft (ernsthaft) gerechnet werden muss Bewertung y Beträge, die gegenüber der Gesellschaft geltend gemacht werden können Abbildung: Leitlinien für die Ermittlung des Überschuldungsstatus Abb.: Leitlinien für die Ermittlung des Überschuldungsstatus* Inhaltliche Anforderungen an die Fortbestehensprognose Darlegungs- und Beweislast der Geschäftsführung mit y Qualitativ wertendes Gesamturteil über die (Über-) Lebensfähigkeit des Unternehmens in der vorhersehbaren Zukunft* y Für den Tatbestand der Insolvenzverschleppung ist die Erkennbarkeit der Insolvenzreife für die Geschäftsführung ausreichend y Begründete Aussage darüber, dass das Unternehmen nachhaltig seine geschäftlichen Aktivitäten unter Einhaltung seiner Zahlungsverpflichtungen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit fortführen kann y Vermutung eines Verschuldens y Widerlegung der Vermutung durch überzeugende Darlegung einer positiven Fortbestehens-/Überlebensprognose mit begründeten Anhaltspunkten 100 % y Zweifel an der Weiterführung der Unternehmenstätigkeit sind auszuräumen Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit 75 % Mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit 50 % Mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Abstufung der Fortbestehensprognose Y Darlegungslast: Plausibilität der Annahmen der Fortbestehensprognose Y Beweislast: Fehlende Erkennbarkeit eines Insolvenzgrundes * immer auch als Prognose über die Zahlungsfähigkeit Abbildung: Kriterien und Prüfungsinhalte bei der Fortbestehensprognose Erstellen einer Liquidationsbilanz nein Weitere Überprüfung entfällt, da keine Überschuldung IV.Schadensersatzansprüche gegen die Geschäftsführung ja Prüfung, ob eine Fortführung des Unternehmens überwiegend wahrscheinlich ist (Fortführungsprognose) nein Fortführung wahrschl.? Weitere Überprüfung entfällt, da Überschuldung vorliegt; Insolvenzantragspflicht liegt vor! ja Erstellen einer (Überschuldungs-)Bilanz zu Fortführungswerten Überschuldung? nein Keine weiteren Schritte, da keine Überschuldung ja Entweder: 1. Geschäftsleitung muss Insolvenzantrag stellen oder: 2. Einleitung von Sanierungsmaßnahmen, die die rechnerische, verkehrswertbasierte Überschuldung beseitigen Abbildung: Überschuldungsprüfung gem. § 19 Abs. 2 InsO Abb.: Überschuldungsprüfung gem. § 19 Abs. 2 InsO* Der Geschäftsführer haftet der Gesellschaft gegenüber auf Ersatz desjenigen Schadens, der ihr durch die unterlassene, verspätete oder unrichtige Stellung des Insolvenzantrags entstanden ist (Innenhaftung). Darüber hinaus haftet der Geschäftsführer den Gesellschaftsgläubigern gegenüber auf Schadensersatz gem. § 15a InsO i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB (Außenhaftung). Der Altgläubiger kann von den Geschäftsführern lediglich Ersatz des sog. Quotenschadens verlangen. Quotenschaden ist derjenige Schaden, der in der Differenz zwischen der Quote besteht, die der betreffende Gläubiger bei rechtzeitiger Insolvenzantragstellung erhalten hätte und der Quote, die er nunmehr nach verspäteter Insolvenzantragstellung erhält. Der Quotenschaden der Altgläubiger wird durch den Insolvenzverwalter gegenüber den Geschäftsführern geltend gemacht (BGH ZIP 1998, 776 = ZInsO 1998, 41). * Abdruck mit freundlicher Genehmigung der FCH GmbH (www.fc-heidelberg.de) 59 InsbürO 2/2011 Überschuldung? Abb.: Kriterien und Prüfungsinhalte bei der Fortbestehensprognose* Die Neugläubiger sind nicht auf den Quotenschaden begrenzt, sondern haben die Möglichkeit, ihren Schaden in voller Höhe gegenüber den Geschäftsführern geltend zu machen (BGH ZIP 1994, 1103 = LNR 1994, 15096), es sei denn, es handelt sich um Ansprüche aus unerlaubter Handlung. Als Begründung hierfür wird aufgeführt, dass sie bei rechtzeitiger Insolvenzantragstellung mit der Gesellschaft gar nicht erst die betreffende Geschäftsbeziehung eingegangen wären. Die Neugläubiger müssen ihren Schadensersatzanspruch gegenüber den Geschäftsführern selbst geltend machen; hierfür ist der Insolvenzverwalter nicht zuständig (BGH ZIP 1998, 776 = ZInsO 1998, 41). V. Regelungsinhalt des § 43 GmbHG Grundnorm der Innenhaftung ist § 43 GmbHG. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift haben die Geschäftsführer in Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes zu beachten und haften der Gesellschaft solidarisch für solche Schäden, die sie durch Verletzung ihrer Pflichten der Gesellschaft schuldhaft zugefügt haben. Darüber hinaus obliegt ihnen die weitergehende Sorgfalt eines selbstständigen treuhänderischen Verwalters fremder Vermögensinteressen in verantwortlich leitender Position (OLG Koblenz GmbHR 1991, 417). VI. Rückzahlung der Stammeinlage 60 Nach § 43 Abs. 3 GmbHG ist der Geschäftsführer zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er entgegen den Vorschriften des § 30 GmbHG zuwider Zahlungen aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen der Gesellschaft gemacht hat. Denn gem. § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG darf das Vermögen der GmbH, welche zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlich ist, nicht an die Gesellschafter ausgezahlt werden. InsbürO 2/2011 In der Krise der Gesellschaft müssen die Geschäftsführer also vor jeglichen Leistungen an die Gesellschafter prüfen, ob auch nach der Leistung das Vermögen der Gesellschaft noch ausreicht, das Stammkapital vollständig zu decken. Die Differenz zwischen dem Vermögen der Gesellschaft nach der Leistung an die Gesellschafter und den vorhandenen Verbindlichkeiten muss also mindestens die Höhe des Stammkapitals ergeben. Zu berücksichtigen ist, dass Leistungen an die Gesellschafter nicht nur Geldleistungen, sondern auch sonstige Vermögensübertragungen oder kostenlose Nutzungsüberlassungen sein können. VII. Verlust der Hälfte des Stammkapitals Gem. § 49 Abs. 3 GmbHG sind die Geschäftsführer außerdem verpflichtet, die Gesellschafterversammlung unverzüglich einzuberufen, wenn sich aus der Jahresbilanz oder aus einer im Lauf des Geschäftsjahres aufgestellten Bilanz ergibt, dass die Hälfte des Stammkapitals verloren ist. Bei Verletzung dieser Verpflichtung haften sie der Gesellschaft gegenüber auf Schadensersatz; außerdem liegt der Straftatbestand des § 84 Abs. 1 GmbHG vor. VIII.Zur Haftung des faktischen Geschäftsführers Die dargelegten strengen Haftungen treffen nicht nur die ordnungsgemäß bestellten und im Handelsregister eingetragenen Geschäftsführer, sondern auch diejenigen, die faktisch die Geschicke der Gesellschaft bestimmen (= sog. faktische Geschäftsführer). Der faktische Geschäftsführer einer GmbH ist nicht nur zur rechtzeitigen Stellung des Insolvenzantrags nach § 15a InsO verpflichtet, sondern hat auch die haftungsrechtlichen Folgen einer Versäumung dieser Pflicht, z.B. Ersatz von Zahlungen nach § 64 Satz 1 GmbHG zu tragen (BGH WM 2005, 1706 = ZInsO 2005, 878; BGH WM 2002, 960 = ZInsO 2002, 582). Für die Stellung und Verantwortlichkeit einer Person als faktischer Geschäftsführer einer GmbH ist es nach der Rechtsprechung erforderlich, dass der Betreffende nach dem Gesamterscheinungsbild seines Auftretens die Geschicke der Gesellschaft – über die interne Einwirkung auf die satzungsmäßige Geschäftsführung hinaus – durch eigenes Handeln im Außenverhältnis, das die Tätigkeit des rechtlichen Geschäftsführungsorgans nachhaltig prägt, maßgeblich in die Hand genommen hat (so BGH WM 2005, 1706 = ZInsO 2005, 878). Faktische Geschäftsführung aufgrund tatsächlicher Übernahme wesentlicher Tätigkeiten wird dann angenommen, wenn der faktische „Geschäftsführer“ – ohne ausdrücklich zum Geschäftsführer bestellt zu sein – bestimmenden Einfluss auf Geschäftsvorgänge hat (BGH ZInsO 2002, 582; NJW 2000, 2285), d.h. tatsächliche Verfügungsmacht ausübt (BGH NJW 1983, 240 = LNR 1982, 11309) und im ausdrücklichen oder vermuteten Einvernehmen mit den Gesellschaftern und den Aufsichtsgremien handelt. Die Rechtsprechung hat eine faktische Geschäftsführung dann angenommen, wenn sechs von acht Kriterien vorliegen: • Bestimmung der Unternehmenspolitik • Bestimmung der Unternehmensorganisation • Einstellung und Entlassung von Mitarbeitern • Verhandlungen mit Kreditgebern • Gestaltung der Geschäftsbeziehungen – einschließlich der Verhandlungen über die Zahlungsmodalitäten – zu Vertragspartnern • Entscheidung in Steuerangelegenheiten • Höhe des Gehaltes • Steuerung der Buchhaltung (vgl. zum Ganzen, BayObLG NJW 1997, 1936; ähnlich BGH NJW 1983, 240 = LNR 1982, 11309). IX. Kein Antragsrecht des faktischen Geschäftsführers Nach der überwiegend vertretenen Meinung soll derjenige, der aufgrund „tatsächlichen Gerierens“ als faktischer Gesellschafter der zivilrechtlichen (§ 64 GmbHG) und der strafrechtlichen Haftung unterliegt, X. Strafrechtliche Risiken der Geschäftsführer und Vorstände Zu den Insolvenzstraftaten im engeren Sinne zählen neben den außerhalb des StGB befindlichen und bereits behandelten Strafnormen der §§ 15a Abs. 4, Abs. 5 InsO insbesondere die im Abschn. 24 des Besonderen Teils des StGB normierten Vorschriften der §§ 283 – 283d StGB. Insolvenzstraftaten in weiterem Sinne stellen alle Straftatbestände dar, die im Zusammenhang mit einer bevorstehenden oder eingetretenen Insolvenz zum Nachteil von Gläubigern, Staat und Dritten begangen werden (HambKommInsO/Borchardt, a.a.O., Vorbem. zum Insolvenzstrafrecht, Rn. 4.). Neben den bereits behandelten Vergehen der Insolvenzverschleppung (§ 15a Abs. 4 InsO) sind noch weitere Straftaten im Zusammenhang mit einer Krise der Gesellschaft denkbar, die nachfolgend ebenfalls dargestellt werden sollen. Betrug (§ 263 StGB) Untreue (§ 266 StGB) Insolvenzverschleppung nach § 15a Abs. 4 InsO Bankrott (§ 283 StGB) Vorenthalten von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung nach § 266a StGB Verletzung von Buchführungspflichten (§ 283b StGB) Gläubigerbegünstigung (§ 283c StGB) Abbildung: Potentielle Strafbarkeitsrisiken für Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder Abb.: Potenzielle Strafbarkeitsrisiken für Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder XI. Strafbarkeit wegen Bankrotts (§ 283 StGB) Der Tatbestand des Bankrotts liegt u.a. vor, wenn der Geschäftsführer bei Überschuldung oder bei drohender oder bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit Bestandteile des Vermögens, die im Fall der Insolvenzeröffnung zur Insolvenzmasse gehören, beiseite schafft oder verheimlicht oder in anderer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft wider- sprechenden Weise zerstört, beschädigt oder unbrauchbar macht (§ 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB). Ebenso wird bestraft, wer 2.in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise Verlustoder Spekulationsgeschäfte oder Differenzgeschäfte mit Waren oder Wertpapieren eingeht oder durch unwirtschaftliche Ausgaben, Spiel oder Wette übermäßige Beträge verbraucht oder schuldig wird, 3.Waren oder Wertpapiere auf Kredit beschafft und sie oder die aus diesen Waren hergestellten Sachen erheblich unter ihrem Wert in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise veräußert oder sonst abgibt, 4.Rechte anderer vortäuscht oder erdichtete Rechte anerkennt, 5.Handelsbücher, zu deren Führung er gesetzlich verpflichtet ist, zu führen unterlässt oder so führt oder verändert, dass die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird, 6.Handelsbücher oder sonstige Unterlagen, zu deren Aufbewahrung ein Kaufmann nach Handelsrecht verpflichtet ist, vor Ablauf der für Buchführungspflichtige bestehenden Aufbewahrungsfristen beiseite schafft, verheimlicht, zerstört oder beschädigt und dadurch die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert, 7.entgegen dem Handelsrecht a) Bilanzen so aufstellt, dass die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird, oder b) es unterlässt, die Bilanz seines Vermögens oder das Inventar in der vorgeschriebenen Zeit aufzustellen, oder 8.in einer anderen, den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft grob widersprechenden Weise seinen Vermögensstand verringert oder seine wirklichen geschäftlichen Verhältnisse verheimlicht oder verschleiert. Geschütztes Rechtsgut ist die Sicherung der Insolvenzmasse im Interesse der gesamten Gläubigergemeinschaft, wobei es ausreicht, dass ein Gläubiger vorhanden ist (BGH ZInsO 2001, 666). § 283 Abs. 1 Nr. 1 – 4 und Nr. 8 sind Vermögensdelikte, während Abs. 1 Nr. 5 – 7 und § 283b StGB Buchführungs- und Bilanzverstöße zum Gegenstand haben. Täter des Abs. 1 ist diejenige Person, die sich in der wirtschaftlichen Krise befindet. Daher kann jeder Schuldner Täter sein, mitwirkende Dritte können lediglich Anstifter oder Gehilfen sein. Voraussetzung für die Tathandlungen des § 283 StGB ist, dass diese während einer Krise erfolgen, d.h. bei Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung oder drohender Zahlungsunfähigkeit (§§ 17, 19 InsO). Aufgrund der Gleichheit der gesetzgeberischen Intention und des Schutzzweckes der Normen kann von einer grds. gleichen Auslegung der im Insolvenzrecht und im Insolvenzstrafrecht verwendeten Begriffe der Über- 61 InsbürO 2/2011 trotz seiner Täterschaft kein Antragsrecht haben, da es an einem förmlichen Bestellungsakt fehlt (zum Meinungsstand, vgl. HambKomm-InsO/Wehr, § 15 Rn. 13 ff. m.w.N.). In diesem Fall reicht aus Gründen der für das Antragsrecht unerlässlichen formalen Rechtssicherheit- und klarheit die allein mit Billigung der Gesellschafter erfolgte rein faktische Geschäftsführung nicht aus, um ein Antragsrecht zu begründen (BGH ZInsO 2007, 97). Der faktische Geschäftsführer hat vielmehr, wenn er sich nicht förmlich bestellen lässt, dafür Sorge zu tragen, dass der Insolvenzantrag von dem formal bestellten Vertretungsorgan oder – bei Führungslosigkeit – von einem Gesellschafter gestellt wird (vgl. HambKomm-InsO/Wehr, § 15a Rn. 14 m.w.N.). Hieran hat der Übergang von der gesellschaftsrechtlichen (§ 64 Abs. 1 GmbHG a.F.) zur insolvenzrechtlichen (§ 15a InsO) Antragspflicht nichts geändert (vgl. HambKomm-InsO/Wehr, § 15a Rn. 14a m.w.N.). schuldung und Zahlungsunfähigkeit ausgegangen werden, sodass auf diese verwiesen werden kann (vgl. zur Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit die Ausführungen unter II. und III.). Tathandlungen nach § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB sind das Beiseiteschaffen, Verheimlichen, Zerstören, Beschädigen sowie das Unbrauchbarmachen von Vermögensgegenständen des Schuldners, die im Fall der Insolvenzeröffnung zur Insolvenzmasse oder während des Insolvenzverfahrens hinzu erlangt werden. Die Rechtsprechung hat bei folgenden Fallgestaltungen den Tatbestand des Abs. 1 Nr. 1 bejaht (vgl. zu den Rechtsprechungsbeispielen, HambKommInsO/Borchardt, § 283 StGB Rn. 13 und 15 mit den jeweiligen Fundstellen): • Veräußerung ohne (entsprechenden) Gegenwert • Einziehung von Forderungen über fremde Konten • Einziehung von Forderungen für den eigenen Verbrauch • Übertragung eines Vermögenswerts ohne Gegenleistung auf ein zu diesem Zweck gegründetes Unternehmen im Eigentum des Täters • nicht gerechtfertigte Sicherungsübereignung • Überweisung von Geldern auf „schwarze“ Auslandskonten. Praktische Relevanz hat auch die Norm des § 283 Abs. 1 Nr. 8, 2. Alt. StGB im Rahmen sog. Firmenbestattungen. Sie erfasst Fälle, in denen der Täter bei Überschuldung bzw. drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit in einer den Anforderungen eines ordnungsgemäßen Wirtschaftens grob widersprechenden Weise seine wirklichen geschäftlichen Verhältnisse verheimlicht oder verschleiert. 62 InsbürO 2/2011 Als geschäftliche Verhältnisse sind dabei alle auf das schuldnerische Unternehmen bezogenen Umstände anzusehen, die für die geschäftliche Einschätzung des Unternehmens von Bedeutung sein können (vgl. Tiedemann, Insolvenzstrafrecht, 2. Aufl. 1996, § 283 StGB Rn. 172). Ausgehend von dieser Prämisse sind für die Beurteilung der Bonität und Kreditwürdigkeit des Unternehmens – insbesondere in der von § 283 Abs. 1 StGB vorausgesetzten wirtschaftlichen Krise – neben den Vermögensverhältnissen mittelbar auch die internen Macht- bzw. Mehrheitsverhältnisse sowie die Person des Geschäftsführers von Bedeutung. Wenn sich ein Gesellschafter und Geschäftsführer daher formell aus einer umfirmierten GmbH zurück zieht, diese aber beherrscht und faktisch weiter leitet, kann dies ein Verheimlichen und Verschleiern der wirklichen Verhältnisse i.S.d. § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB darstellen (BGH ZIP 2010, 471 = StRR 2009, 310). Insbesondere in den Konstellationen, in denen sich das vertretungsberechtigte Organ der Gesellschaft „auf dem Papier“ zwar aus der in der Krise befindlichen Gesellschaft zurückzieht, faktisch aber die Geschäfte weiterhin führt, wird man daher ernsthaft ein strafbares Verheimlichen der wirklichen geschäftlichen Verhältnisse prüfen müssen, insbesondere wenn man davon ausgeht, dass die Generalklausel des § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB eine (gewisse) Gesamtbetrachtung ermöglicht (zu diesem Aspekt vgl. BGH, EWiR § 283 StGB 1/10, 265 (Floeth). Die Tathandlungen des § 283 StGB sind aber nur dann strafbar, wenn der Täter seine Zahlungen eingestellt hat oder über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist (§ 283 Abs. 6 StGB „sog. objektive Strafbarkeitsbestimmung“). Die durch das Insolvenzgericht insoweit getroffene Entscheidung wirkt unmittelbar in das Strafverfahren hinein. XII. Verletzung von Buchführungs pflichten Gem. § 283b StGB wird bestraft, wer 1.Handelsbücher, zu deren Führung er gesetzlich verpflichtet ist, zu führen unterlässt oder so führt oder verändert, dass die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird, 2.Handelsbücher oder sonstige Unterlagen, zu deren Aufbewahrung er nach Handelsrecht verpflichtet ist, vor Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen beiseite schafft, verheimlicht, zerstört oder beschädigt und dadurch die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert, 3.entgegen dem Handelsrecht a) Bilanzen so aufstellt, dass die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird, oder b) es unterlässt, die Bilanz seines Vermögens oder das Inventar in der vorgeschriebenen Zeit aufzustellen. Die Vorschrift stellt einen Auffangtatbestand zu § 283 StGB dar und entspricht im Wesentlichen den Vorschriften des § 283 Abs. 1 Nr. 5, 6 und 7, mit dem Unterschied, dass ein Handeln in der Krise nicht vorliegen muss oder nicht nachgewiesen zu werden braucht. XIII.Gläubigerbegünstigung (§ 283c StGB) Wegen Gläubigerbegünstigung wird bestraft, wer in Kenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit einem Gläubiger eine Sicherheit oder Befriedigung gewährt, die dieser nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hat, und ihn dadurch absichtlich oder wissentlich vor den übrigen Gläubigern begünstigt. Im Gegensatz zum Strafrahmen des § 283 StGB ist die Norm des § 283c StGB ein den Täter privilegierender Tatbestand. Die Privilegierung ist damit zu begründen, dass durch die Tathandlung nicht das der Gläubigergesamtheit zur Verfügung stehende Vermögen entzogen wird, sondern nur die nach den Insolvenzvorschriften vorgesehene Art der Verteilung missachtet wird. Der Schuldner schafft zwar Vermögensgegenstände beiseite, verwendet diese aber zur Befriedigung eines Gläubigers. Die Vorschrift ist da- Gläubiger im Sinne der Vorschrift ist neben dem Insolvenzgläubiger sowohl der Absonderungsgläubiger gem. § 50 ff. InsO (z.B. Sicherungseigentümer) als auch der Massegläubiger gem. § 53 ff. InsO. Tathandlung ist das Gewähren einer Sicherheit (1. Alt.) an einen Gläubiger oder die Befriedigung eines Gläubigers (2. Alt.), die dieser nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte (inkongruente Deckung). Eine Sicherheit wird einem Gläubiger gewährt, wenn ihm eine bevorzugte Rechtsstellung hinsichtlich seiner Befriedigung eingeräumt wird, also wenn er eine Rechtsstellung erhält, die „ihm die Möglichkeit eröffnet, eher, besser oder gewisser befriedigt zu werden, als er es zu beanspruchen hat“ (LK-StGB/Tiedemann, § 283c Rn. 13; Tröndle/Fischer, a.a.O., § 283c Rn. 5.). XIV. Betrug (§ 263 StGB) Die wesentliche insolvenzrechtliche Bedeutung entwickelt der Betrugstatbestand bei drohender oder bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit oder bei Überschuldung (Krise). In den nachfolgenden Ausführungen wird deshalb die strafrechtliche Relevanz des § 263 StGB zunächst auf den Zeitraum vom Beginn der Krise schuldnerischer Gesellschaften und Einzelunternehmen bis zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beschränkt. Eine weitere Beschränkung wird dahin gehend vorgenommen, dass gerade über die Krise der Gesellschaft in strafrechtlich relevanter Weise getäuscht wurde. Daher wird der Betrugstatbestand in solchen Fällen in Form des Lieferanten- bzw. Warenkreditbetrugs vorliegen, wenn weiterhin Waren oder Werkleistungen bei bereits eingetretener Krise bestellt wurden. Diese Bestellungen erfolgen entweder in der meist vagen Hoffnung, sich durch den Kauf von Waren noch über Wasser zu halten und den Zusammenbruch zu vermeiden oder um Vermögenswerte beiseite zu schaffen. Jede Bestellung auf Ziel im Zeitraum der Krise kann daher den Tatbestand des § 263 StGB verwirklichen, wenn die Befriedigung des Lieferanten nicht mehr erfolgt (HambKommInsO/Borchardt, § 263 StGB Rn. 2). Erklärt der Geschäftsführer bei Vertragsschluss ausdrücklich oder konkludent gegenüber dem Lieferanten durch Vornahme der Bestellung, dass er bei Fälligkeit der aus der Bestellung resultierenden Rechnung zahlungsfähig und zahlungswillig sei, so liegt darin die Täuschungshandlung im Sinne des Betrugstatbestands. Der Täter täuscht damit letztlich über seine Kreditwürdigkeit (LK-StGB/Tiedemann, § 263 Rn. 38). Ein bei dem Lieferanten hervorgerufener Irrtum liegt regelmäßig dann vor, wenn er bei Eingehung des Ver- trags davon ausgehen konnte, der Geschäftsführer werde zum Zeitpunkt der Fälligkeit die Gegenleistung erbringen oder er zumindest das Ausfallrisiko als gering einschätzt (HambKomm-InsO/Borchardt, § 263 StGB Rn. 7 m.w.N.). Besteht zum Zeitpunkt der Bestellung bereits Zahlungsunfähigkeit oder tritt diese kurz danach ein, ist der Vermögensschaden i.a.R. die offene Forderung, mit der der Lieferant ausfällt (vgl. zum Tatbestandsmerkmal des Vermögensschadens, HambKomm-InsO/Borchardt, § 263 Rn. 9). Wenn dem Geschäftsführer nachgewiesen werden kann, dass die konkludent behauptete Prognose über seine künftige Bonität objektiv falsch war und er subjektiv bei der Bestellung zumindest mit bedingtem Vorsatz von seiner Zahlungsunfähigkeit ausgegangen ist, wird der Betrugstatbestand erfüllt sein. XV. Untreue (§ 266 StGB) Im Fall der Krise und der Insolvenz spielt auch die Untreue (§ 266 StGB) eine Rolle. Die Vorschrift dient nach seiner Zielrichtung – im Unterschied zu den §§ 283 ff. StGB – nicht dem Gläubigerschutz, sondern bezweckt allein den Schutz des Vermögens, das der Pflichtige zu betreuen hat (BGH NJW 2001, 154). Insbesondere im Fall der Krise und Insolvenz juristischer Personen schützt die Vorschrift das Gesellschaftsvermögen gegen Minderung von innen, regelmäßig seitens des Geschäftsführers, und bei Personengesellschaften das Vermögen der Mitgesellschafter vor derartigen Nachteilen. Der Tatbestand setzt die Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht voraus, die immer dann vorliegt, wenn jemand aufgrund einer konkreten Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen verpflichtet ist. Dabei muss es sich um eine Hauptpflicht oder zumindest um eine wesentliche Pflicht von einiger Dauer und einem gewissen Umfang handeln (HambKomm-InsO/Borchardt, § 266 StGB Rn. 4 m.w.N.). Außerdem setzt § 266 StGB den Eintritt eines Nachteils voraus. Darunter ist jede durch die Tathandlung verursachte Vermögenseinbuße zu verstehen (Lenckner/Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, § 266 Rn. 40), wobei für einen Nachteil auch eine schadensgleiche Vermögensgefährdung ausreichend ist (BGH NJW 2003, 3717 = LNR 2003, 21884). Bei nachfolgenden Fallgestaltungen hat die Rechtsprechung den Tatbestand der Untreue durch den Geschäftsführer bejaht: • Vermögensverschiebung nach Eintritt der Krise, wenn der Geschäftsführer im eigenen Interesse bzw. im Interesse eines nicht mit dem Schuldner identischen Dritten handelt (vgl. auch HambKomm-InsO/Borchardt, § 266 StGB Rn. 6 m.w.N.), • Auszahlung entgegen § 30 GmbHG, wenn die Existenz, die Liquidität oder besondere entgegenstehende Interessen der GmbH gefährdet werden (BGH NJW 1989, 112 = LNR 1988, 12083) und sich die GmbH in der Krise befindet oder diese durch die Tathandlung herbeigeführt oder verstärkt wird (BGH wistra 1984, 71). Dies ist insbesondere bei 63 InsbürO 2/2011 mit lex specialis zu § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB (vgl. statt aller Tröndle/Fischer, StGB, § 283c Rn. 2 m.w.N.). Auch hier ist Voraussetzung, dass der Schuldner sich in einer Krise befindet, wobei im Gegensatz zu § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit vorliegen muss. Gefährdung des Stammkapitals (BGH NStZ 1996, 540 = LNR 1996, 12192) oder bei konkreten existenzgefährdenden Eingriffen der Fall (vgl. BGH NZG 2000, 307 = LNR 1999, 14430), • Umleitung von Geldern auf ein heimliches Konto (BGH NStZ 2000, 206 = LNR 1999, 14261), • Nichteinforderung offener Stammeinlagen (BGH NJW 1989, 112 = LNR 1988, 12083). XVI.Neue Haftungstatbestände der Gesellschafter nach MoMiG 1. Haftung der Gesellschafter für fehlerhafte Geschäftsführerauswahl Mit dem MoMiG am 1.11.2008 gilt eine Haftung des Gesellschafters für eine fehlerhafte Geschäftsführerauswahl. Nach § 6 Abs. 5 GmbHG n.F. haftet ein Gesellschafter, der vorsätzlich oder grob fahrlässig einer Person, die nicht Geschäftsführer sein kann, die Führung der Gesellschaft zu überlassen, der Gesellschaft für den Schaden, der dadurch entsteht, dass diese Person die ihr gegenüber der Gesellschaft bestehenden Obliegenheiten verletzt. Die Neuregelung war im Vorfeld heftig kritisiert worden mit dem Argument, weil diese Binnenhaftung dem Grundsatz des GmbH-Rechts widersprechen würde, dass Alleingesellschafter oder einverständlich handelnde Gesellschafter für einen Schaden nicht verantwortlich sind, den sie selbst oder mit ihrem Einverständnis handelnde Geschäftsführer ihrer eigenen Gesellschaft zufügen. Mit der Neuregelung sollen in erster Linie aber Strohmannkonstruktionen zur Umgehung der genannten Ausschlussgründe verhindert werden. 64 2. Insolvenzantragspflicht für Gesellschafter bei Führungslosigkeit InsbürO 2/2011 Mit der Vorschrift des § 15a InsO wurde ein neuer Straftatbestand für Gesellschafter einer GmbH, aber auch für Mitglieder des Aufsichtsrats einer AG oder einer Genossenschaft geschaffen. Nach § 15a Abs. 3 InsO obliegt dem Gesellschafter die Insolvenzantrags- pflicht für den Fall, dass die Gesellschaft führungslos, also ohne Geschäftsführer ist. Auch bei einem fahrlässigen Verstoß gegen die Antragspflicht droht eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr. Dabei ist nicht nur das Unterlassen des Insolvenzantrags, sondern auch das nicht rechtzeitige und vor allem auch das nicht richtige Stellen des Insolvenzantrags ein Straftatbestand. Fehler bei der Antragstellung gehen somit zulasten des Gesellschafters. Nach der Legaldefinition des § 10 Abs. 2 Satz 2 InsO liegt Führungslosigkeit dann vor, wenn der gesetzliche Vertreter fehlt. Nicht ausreichend ist, wenn den Gesellschaftern/Mitgliedern des Aufsichtsrats der Aufenthalt des gesetzlichen Vertreters lediglich unbekannt oder dieser untergetaucht ist. Die Führungslosigkeit lässt sich auch nicht dadurch konstruieren, dass das Untertauchen des Geschäftsführers bzw. Vorstandes als „konkludente“ Amtsniederlegung ausgelegt wird (vgl. HambKomm-InsO/Rüther, § 10 Rn. 11 m.w.N.). Wird eine Gesellschaft also in der Krise „führungslos“, muss der Gesellschafter spätestens innerhalb von 3 Wochen prüfen, ob die Insolvenzgründe der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung vorliegen und dann ggf. innerhalb dieser Frist einen ordnungsgemäßen Insolvenzantrag stellen. Dabei muss der Gesellschafter entweder Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit bzw. von der Überschuldung oder der Führungslosigkeit haben. Nach der gesetzgeberischen Intention ist hier eine positive Kenntnis der Führungslosigkeit oder der Insolvenzantragsgründe erforderlich; nur „Kennenmüssen“ dieser Umstände reicht grds. nicht aus, allerdings dürfen sich Gesellschafter/Aufsichtsratsmitglieder nicht der Kenntnisnahme verschließen. Für den Fall der Kenntnis der Führungslosigkeit besteht Veranlassung, sich über die Vermögenslage kundig zu machen, während bei Kenntnis der Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit angesichts der originären Antragspflicht des gesetzlichen Vertreters Veranlassung besteht, ob nicht der Fall der Führungslosigkeit vorliegt (vgl. HambKomm-InsO/Wehr, § 15a Rn. 26). Die Beweislast für eine fehlende Kenntnis oder mangelnde Veranlassung, sich Kenntnis zu verschaffen, trägt der antragspflichtige Gesellschafter. Tagungsbericht zur 20. Verbraucherinsolvenzveranstaltung von RechtsanwältinIFachanwältin für Insolvenzrecht Christine Mansius, Alfeld Am 14.1.2011 fand die mittlerweile 20. Verbraucherinsolvenzveranstaltung* im Kölner Hilton Hotel statt. Wie von der Arbeitsgruppe gewohnt, bot sich den Teilnehmern auch diesmal ein breites Spektrum an interessanten Beiträgen aus Lehre und Praxis sowie die ausführliche Gelegenheit zur kollegialen Aussprache über den eigenen Gerichtssprengel hinaus. Der bisherige und neue Sprecher der Arbeitsgruppe, Rechtsanwalt Kai Henning aus Hamm begrüßte die rd. 100 Teilnehmer aus den Bereichen Insolvenzverwaltung, Schuldnerberatung und Anwaltschaft, darunter auch Vertreter des BMJ, und kündigte vor dem Hintergrund der Reformbestrebungen des Gesetzgebers ein „für alle Beteiligten spannendes Jahr“ an. In diesem * Eine Veranstaltung der Arbeitsgruppe Verbraucherinsolvenz und Restschuldbefreiung der ARGE Insolvenzrecht und Sanierung im DAV