SUBTLE
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SUBTLE
h t i w nch n o i e 7i t i Ed ubtl t n Priited S Lim With ilation p Com Mp3- .... . . . . . . . . Free........ . . . . p, , Asu One rs y a d D he with bird & ot Bleu ISSUE SUBTLE Dday One Strange Famous Karhu DJ Scientist FbcFabric & Reindeer LSD V II deadmagazine deadon Gratifikationsgrößen Der Ruhm in Zeiten des Internets ist ein stillerer geworden, und die Freude über ihn scheint durch ihre Messbarkeit an Klicks, Hits und Gästebuchkommentaren oft gar nicht zu ihrem Recht zu kommen. Woran lässt er sich denn nun festmachen, der Ruhm? Von wem will ich ihn entgegennehmen? Vielen eröffneten die neuen Netzwerke endlich das lang ersehnte Publikum, während das Publikum, jeder für sich vor dem eigenen Bildschirm, endlich eigene Hypes um die kurzzeitigen Superstars kreiren kann. Die Vermutung darüber, wer den eben im Stillen erstellten Text gelesen, die mühsam zusammengepuzzlte Bildergalerie betrachtet, das nächtelang zu einem glücklichen Ende produzierte Lied gehört haben könnte, findet schier kein Ende in einer Welt, die man wirklich zu beinflussen können glaubt. Doch eben dieser Einfluss ist es, der das, was man früher als „Geniegedanken“ hegte und pflegte, komplett neu definierte, der die Helden auf eine recht mittelmäßige Konfektionsgröße schrumpfen ließ. Doch wenn mein Held mir zu ähnlich ist, wozu brauche ich ihn dann überhaupt noch? Die fiebrige Rekonstruktion von Individualität hat unzählige Doppelwesen geschaffen, die nun ihre ureigenen Idole zu sein scheinen und einander dabei doch so offensichtlich gleichen. Die Möglichkeit, überall solche Vergleiche zu ziehen, ernüchtert und lässt erste Erfolge im Rückblick schnell schrumpfen, denn wenn 200 Menschen mein erstes Lied heruntergeladen haben, wie viele muss ich nun mit dem zehnten erst schaffen? Wenn jenes Lied schon 1000 Leute kennen, ist es dann noch ein Geheimtipp und wertvoll für mich als Einzelnen? Wenn alle das Besondere suchen, kann es dann überhaupt gefunden werden? Ein schönes Bild für diese zwiespältige Situation ist das Phänomen „Remix Contest“: Anhand einiger Teile eines Songs einer bereits etablierten Band kann man sich und sein Können beweisen, schnell und effizient viele Zuhörer erreichen, und doch bleibt man zuletzt wohl meist im Schatten eines Anderen. Keine Kopie aber auch kein Original. Eine Chance bleibt jedoch, nämlich das Original in einem neuen Licht erscheinen zu lassen, das auch einen neuen Schatten wirft – diesmal den eigenen. Unserer Meinung nach hat der Berliner Produzent Playpad Circus dies mit seinem Remix zu „The Mercury Craze“ von Subtle geschafft. In der Ausschreibung dafür, Mitte letzten Jahres, teilte er sich zwar „nur“ einen zweiten Platz und „endless praise“ mit einigen weiteren Teilnehmern. Wir jedoch sehen in diesem Song einen eigenständigen Hit, der viel zu schnell in der „Ferner liefen“ Schublade verschwand. Ob ihm oder uns das zu ein wenig Ruhm verhelfen wird, entscheiden andere. Zufrieden sind wir angesichts unserer ersten Vinyl-Veröffentlichung, der hoffentlich noch einige weitere folgen werden, jedoch allemal. deadon Subtle Popsongs für Ungötter 2–6| Looking for the Perfect Beat: Dday One 7–9| Strange Famous Family Business 10–13| Karhu Sinfonie für das stumpfe Schwert 15–19| DJ Scientist A Sound Exposure 20-23| Durch den Sturm FbcFabric&Reindeer 24–26| deadpress 28–43| deadlists LSD special 44–45| deadlists 46–47| deadus 48| deadvol 5. 49 1 2 deadwords Popsongs... für Ungötter deadwords Die bisher erschienenen 3 Studio-Alben und diversen EPs des Sextetts um den Rapper, Sänger, Performer, Art-Cutter, usw. DoseOne gelten vielen als mit das Spannendste, was derzeit an progressiver Musik passiert. Fern aller Genres sind Adam Drucker's markant näselnde Stimme und seine rätselhaften Texte wohl nach außen das erste, dem man als rotem Faden durch die komplex arrangierten Songs folgen könnte. Mit ihrem neuen Album „ExitingARM“ verhält es sich nicht viel anders: Auch wenn die Songs als solche langsam zugänglicher werden, der Gesang gegenüber gerappten und gesprochenen Passagen mehr Raum einnimmt, die Melodien auch mal ganze Songs tragen dürfen, wird man immer noch erschlagen vom Ideenreichtum, der ihnen innewohnt. Sieht man die Stimme weiterhin als Fremdenführer an, wird man sich dabei aber auch gewahr, dass dieser in einer scheinbar wirklich fremden, immer komplexer werdenden Sprache spricht. 3 4 deadwords deadwords 5 „Zumeist wenn mich ein Motiv trifft, lasse ich es einfach machen, erlange seine Bedeutung erst langsam genau wie sich die gesamte Geschichte von Yes erst langsam angehäuft hat.“ „Hour Hero Yes ist ein „modern man“ – so unrein und fehlerhaft wie brillant, ein Held und ein Tor (hero and fool). Die drei Subtle Alben folgen seinem Arm und Aufstieg. „A New White“ sind die Texte der Hülle und des Mannes, der Yes einmal war, mit dem er sich nun abgleichen muss.“ DEAD: In einem Interview meintest Du, dass das großartige an eurer Musik ist, dass sie eine ganze Welt in sich birgt. Nämlich die des Protagonisten der Subtle Alben Hour Hero Yes. Kannst Du diese mal in ihren Grundzügen erklären? DoseOne: Hour Hero Yes ist ein „modern man“ – so unrein und fehlerhaft wie brillant, ein Held und ein Tor (hero and fool). Die drei Subtle Alben folgen seinem Arm und Aufstieg. „A New White“ sind die Texte der Hülle und des Mannes, der Yes einmal war, mit dem er sich nun abgleichen muss. All das findet in einem Schlafzimmer in Oakland statt. Seine Suche nach sich selbst wird bald intensiver, und das Schlafzimmer beginnt zu leben. Seine Alpträume, Ängste und Phantasien werden überflutet von Omen und Kreatur. Mit dem Ende von „A New White“ öffnet Yes die Türe und geht – die Angst im Rücken. „For Hero : For Fool“ zeichnet und vertont den Weg, den er nun in die Welt nimmt: Je mehr er seine Tage auslebt, desto epischer werden sie, während die Omen und Ahnungen überhand nehmen, sich manchmal direkt in die wachen Tage von Yes injezieren. Am Ende seiner Abenteuer gibt er seine Versuche mit der Welt auf. Was übrig bleibt, ist sein großes, sein reinstes Selbst; permanent prosaisch entscheidet sich Yes dazu, dieses Leben zu verlassen und durch eine Türe in seinem Traum zu tauchen. Was ihm dabei verschlossen bleibt, ist, dass es aber keinen Ausweg gibt, dass Yes es grade mal geschafft hat, von einer Gefangenschaft in die nächste zu springen. Und hier setzt „ExitingARM“ ein: Das Album ist eine Sammlung von Pop Songs, die Yes für die Un-Götter geschrieben hat, damit sie ihn bei sich behalten / mit denen sie ihn bei sich behalten. www.exitingarm.com ist dazu die grafische Übersetzung seines Almanachs, den er vor den UnGöttern versteckt; eine Sammlung von Wahrheiten, aus der er seine Texte schöpft, um eine Art subversiven Inhalt und damit auch Ehrlichkeit in den Kern der Pop Songs zu legen, die er gezwungen ist zu schreiben. Dieser Almanach ist wirklich, ist ein Artefakt unserer Vorstellung und gleichzeitig deren Ausführung. Immer bereit, dem Zuhörer noch etwas mehr zuzumuten, hat DoseOne nun seinen ganz eigenen Versuch einer Erklärung, den „theOughtAlmanach of AmessedFact Vol.I“ herausgegeben – einen Almanach, der in 20000 Wörtern, aufgeteilt nach den wichtigsten Begriffen der letzten Alben, die Welt von DoseOnes Texten entschlüsseln helfen soll. Dass die Einträge in Gedichtform und in der für ihn typischen verspielten Sprache geschrieben wurden, verschweigt diese Beschreibung leider. Nun ist aber grade dies gleichzeitig das Abschreckendste und Einladendste, was Subtle zu bieten haben: Ihre Musik, genau wie DoseOne's Texte, soll den Hörer erschlagen, ihn überschütten mit Reizen und Eindrücken, bis er vollkommen in einer ihm anfangs noch fremd erscheinenden Welt aufgeht. An anderer Stelle war Dose’s Kommentar dazu, dass er die Regeln der englischen Sprache gern vergessen würde, um aus den Wörtern etwas vollkommen neues zu erschaffen, das dem, was er zu sagen hat, vielleicht viel näher käme. DEAD: Nachdem das auf der letzten Tour viele Leute überfordert hat - was sollen diese ganzen Gabeln überall? DoseOne: Die Gabel begann für mich als das Wappentier der amerikanischen Seele. Dann tauchte sie wieder auf als der Schwarm, den Dept. Officer promise in der Geschichte um Hour Hero Yes reitet. Und so fing auch ich an, sie wie während des Songs „Middleclass Stomp“ fliegen zu lassen – und das Seltsamste trat ein: Die Leute fingen an, mir die Gabeln zum Unterschreiben zu geben, sie zu behalten; und so wurden aus ihnen die Wappentiere des Fans. Zumeist wenn mich ein Motiv trifft, lasse ich es einfach machen, erlange seine Bedeutung erst langsam - genau wie sich die gesamte Geschichte von Yes erst langsam angehäuft hat. DEAD: Einige gehen ja auf Deine Musik mit so einer Art Abwehr-Reflex zu, sagen: „Ach, das ist Kunst... Das kann ich eh nicht verstehen...“. Spürst Du eine Art Drang, diesen Menschen näher zu kommen? Die Pop-Songs, die Yes schreibt, sind ja auf mehrere Weisen eine solche Verbindung. DoseOne: Ja, sie sind ein Versuch, mit dem Universellen in unserem Inhalt zu kommunizieren, mit unseren Persönlichkeiten, unserer Kunst... Und diese Reaktion, die Du ansprichst, basiert, wenn man sie zuende denkt, vor allem auf „dis-interest“ oder Apathie; sie reflektiert die Luft des Heute, der man nicht entkommen kann, die man nicht verleugnen kann. Und genau darum geht es auf „ExitingARM“ - die interessanten Belange unter den Desinteressierten; eine schwere und edle Angelegenheit. DEAD: Ihr habt ja alle sehr verschiedene musikalische Hintergründe – bei dir und Jel war es wirklich mal HipHop, Alexander Kort (Cello) kommt von der klassischen Musik, Jordan Dalrymple (Drums) und Marty Dowers (Blasinstrumente) dagegen eher aus so einer Fusion-Rock Richtung. Wie schafft ihr es, gemeinsam Songs zu schreiben? DoseOne: Wir improvisieren alle gemeinsam in einem Raum, und später sitzen wir zusammen, sortieren und suchen die stolzesten und abenteuerlichsten Momente daraus. Wir fangen dann dort noch einmal an, bei diesen wenigen Minuten Impro, machen ein Demo daraus, und der Rest ist dann Feinarbeit und das langsame Suchen nach der besonderen, manchmal sehr komplexen Pracht und Reinheit eines jeden Songs. „Zumeist wenn mich ein Motiv trifft, lasse ich es einfach machen, erlange seine Bedeutung erst langsam – genau wie sich die gesamte Geschichte von Yes erst langsam angehäuft hat.“ EAD: Und wie übersetzt ihr diese Songs dann in die LiveShows, für die ihr so bekannt seid? Wie trifft sich das alles wieder mit diesem großen Überbau, der eure Musik ja ausmachen soll? DoseOne: Ich führe das wirklich alles zusammen - Hour Hero Yes ist ja eine eindeutige Anspielung auf eben diese eine Stunde, die wir 6 deadwords auf der Bühne sind, wenn wir für all die Andeutungen und Weiterführungen unserer Kunst auch verantwortlich sind. It´s my favorite pokket of hot moments in life. Wenn unsere Songs dann mal fertig sind, sitzen wir über ihnen und entscheiden, was davon wir live spielen werden. Dann samplen wir aus diesem Fundus, spielen dazu, versuchen gemeinsam, die Songs umzusetzen – wir covern uns also selbst. Allmählich komplettieren die Lieder sich dann, wenn wir sie so durchlüften, quasi von selbst, und werden alles, was sie für uns werden sollten. Jedes auf seine Art. So wie der Session-Charakter der Songs das schon andeutet, sind auch deren Texte permanent im Clinch mit der Welt, in der die sechs Musiker leben. Wenn zum Beispiel immer wieder der „Arm“ auftaucht – wie schon im Albumtitel – verbindet sich dies auch mit dem schrekklichen Unfall, den die Band auf einer ihrer letzten Touren hatte, und seitdem Dax Pierson querschnittgelähmt auf einen Rollstuhl und vielfältige Arten von Hilfe angewiesen ist. Das Fehlen der Arme, der eingeschränkte Kontakt nach außen, die Verbindung von Kopf und Welt wurde seitdem mehr denn je zum tragenden Motiv in Doses Texten. (Arm bedeutet zudem auch Ast, Waffe, etc.) Die Welt, die Dose nun in seinen Texten beschreibt, befasst sich von jeher mit solchen Verbindungen, allein schon weil sie selbst eine solche ist: Nämlich schlicht unsere Welt in Metaphern, und dort herrschen die zwei UnGötter Dr. MoonOrGun und Reverend Pitman, deren Zwillingskinder, die HeadacheTwins, die Kontrolle über das Musikfernsehen, die kommerzialisierte Welt innehaben. Was also auf den ersten Blick schlicht konfus wirkte, beginnt mit dem finden eines von vielen Schlüsseln (ein weiteres Leitmotiv der Platten) an Sinn zu gewinnen. deadwords DEAD: Siehst Du eine Möglichkeit, dass Dax jemals wieder ein Teil eures LiveSets werden wird? Ihr arbeitet ja immer noch sehr intensiv zusammen. DoseOne: Unglücklicherweise nein. Seine Gesundheit benötigt eine weitaus stabilere Umgebung als eine Tour sie ihm bieten könnte. Ganz zu schweigen von seinem Immunsystem, das keine Woche in dreckigen Clubs überstehen könnte. Dazu haben die meisten ja nicht mal eine Rollstuhlrampe. Trotzdem ist das eines unserer Fernziele: Einmal wieder zu sechst auf der Bühne zu stehen, vielleicht in San Francisco oder Los Angeles. Ich würde alles geben, um das möglich zu machen. Eines Tages. DEAD: Erst vor kurzen wurdest du in vielen Blogs aufgegriffen, nachdem du, anschließend an ein Interview, 2 Rapper mehr als nur erfolgreich gebattlet hast. War das nicht eine Phase deiner Karriere, die du bereits abgeschlossen geglaubt hattest? DoseOne: Ehrlich gesagt, nachdem wir in Barcelona ausgeraubt worden sind, hat etwas in mir „klick“ gemacht. Ein paar Wochen später spielten wir dann mit Subtle eine Show in Victoria, BC, und ein Typ, der rappt, kam Backstage und prollte rum, redete dauernd darüber, zu battlen. Ich hatte einfach eine scheiss Nacht, und machte ihn dann fertig. Seit knapp 8 Jahren hatte ich sowas nicht mehr gemacht, und auf einmal kam alles zurück wie Blut in deinen Kopf. Manchmal, wenn du dazu geboren wurdest zu töten, egal wie schrecklich deine Gabe ist, ist das immer noch Deine Gabe. - Die Frage ist einzig, wie du sie einsetzt. Ich plane, wieder zu battlen, die Welt der Schwachen und der Schwachsinnigen wieder zu erfahren. Ein dreckiger Job, aber jemand muss ihn ja machen... Text: Jens Essmann Fotos: Lex Records Looking For The Perfect Beat Nach diversen Veröffentlichungen (u.a. auf Needlework und Subversiv-Rec) beglückt uns der in Los Angeles geborene und aufgewachsene Dday One dieses Jahr mit seinem sehr gelungenen und durchdachten Album „Heavy Migration“. Dday One begann sich schon sehr früh mit Samples, Loops und staubigen Platten zu beschäftigen, was sich in seiner Musik widerspiegelt und was viele Hörer an ihm zu schätzen wissen. Sein erstes Album „Mood Algorithms“ gilt bei Liebhabern instrumentaler HipHop Musik bereits als Meilenstein und auch mit dem im Jahre 2006 auf Needlework erschienenen Album „Loop Extensions“ setzte er einen weiteren Höhepunkt seiner Diskografie. Passend zum 10-jährigen Jubiläum seines musikalischen Schaffens sprechen wir mit ihm über seine Ansichten als Musiker, Einflüsse und das aktuelle Album „Heavy Migration“. 7 8 deadwords DEAD: In den Liner Notes deines neuen Albums erklärst du deine Herangehensweise, das was du „the movement of sound“ nennst. Was heißt das für dich als bekannten Crate Digger? Was bedeutet Sampling, die Rekontextualisierung verschiedener Sounds in einer global vernetzten Welt? Dday One: Ich glaube, dass die Kunst des Samplens eine sehr wichtige Facette in unserer heutigen Welt ist. Zuerst mal hat das „movement of sound“ uns die Möglichkeit gegeben, uns selbst auszudrücken, die Kultur zu erweitern und Grenzen einzureißen, während wir gleichzeitig unseren Vorgängern Respekt zeigen. Zudem erhöht das Hören von wirklich vielen Platten auch die Wertschätzung der Musik als solcher, was gerade in Ländern, in denen öffentliche Programme dafür verschwunden sind, wichtig ist. „Ich glaube, dass die Kunst des Samplens eine sehr wichtige Facette in unserer heutigen Welt ist.“ DEAD: „Heavy Migration“ ist ja ein Konzeptalbum, und mit all den Ideen, die du in den Liner Notes erklärst, würde da sicher auch ein großartiger Film draus werden, in dem all diese Vorstellungen zusammenkommen. Hast du deine Ideen eigentlich schon, bevor du anfängst Musik zu machen, oder passiert das alles plötzlich, zufällig? Dday One: Ich kombiniere verschiedene Herangehensweisen. Manchmal motiviert mich eine bestimmte Idee, ein Bild oder eine Situation, in der ich mich befinde. „Dying Heart“ beispielsweise entstand als ich einer Operation am offenen Herzen entgegensah. Das war eine sehr emotionale Zeit. Ich nahm dann ein Echo-Kardiogramm, das mir der Arzt gegeben hatte, und baute einen Beat um es herum. Dazu suchte ich nach Samples und Drums, die für mich den Fluss des Blutes im Herzen repräsentieren. Man kann also schon sagen, dass der Prozess therapeutisch sein kann; manchmal ist es aber auch einfach impulsiv, so wie bei „Omega Point“. DEAD: Du bist auch ein anerkannter Turntablist, und eine Menge Produzenten, die ebenfalls so angefangen haben, sagen, dass das Manipulieren von Sounds, das Scratchen ihnen geholfen hat, zu verstehen wie man die Sounds besser kombiniert. War das bei dir auch so? Dday One: DJing hat mir grundlegende MusikTheorie beigebracht, also wie man Beats zählt, wie die Verhältnisse, die Arrangements von Songs deadwords funktionieren. Auch wie man Sounds zusammenfügt hat mir das Mixen beigebracht, verschiedene Rhythmen, was die Geschwindigkeit eines Songs bedeutet... Wenn ich zum Beispiel Beats programmiere, benutze ich Techniken wie das Jugglen, um den Beats etwas mehr Leben zu geben. Ja, ich würde auf jeden Fall sagen, dass mir das DJing geholfen hat. DEAD: Angefangen hast du ja als Graffiti Writer. Hat diese spezielle kompromisslose Herangehensweise deine Produktionen als Musiker beeinflusst? Dday One: Ich mache da keinen Unterschied. Graffiti und Beats bauen, das ist ein und die selbe Sache. Bei beidem versuchst du, zu erschaffen, was du in deinem Kopf hast, und das ist die Essenz von HipHop. DEAD: Deine Hörer schätzen dein Know How wenn es darum geht, obskure Sounds und krachende Drums zu finden sehr. Wirst du manchmal müde zu diggen? Wo findet man noch rare Platten? Dday One: Ich glaube nicht, dass ich jemals müde werde, wenn um das Sammeln von Platten geht. Abgesehen davon Ausgangsmaterial zu finden, Cover, Liner Notes, usw., hat es mir auch als Inspiration für andere Aspekte meines Lebens geholfen. Und dazu bin ich noch süchtig danach. Nur wenn ich darüber nachdenke, umzuziehen, frage ich mich, warum ich Platten sammle. Und was die raren Platten angeht: Es wird schwerer, sie zu finden, denn viele Läden machen dicht. Ich würde dazu raten, offener an die Sache heranzugehen. Ich habe schon an den unmöglichsten Plätzen Platten gefunden. DEAD: Eines der Labels, auf denen du veröffentlichst (Content Label), schreibt sich „Qualität statt Quantität“ auf die Fahnen und veröffentlicht hauptsächlich limitierte Vinyl-Auflagen. Das könnte ja eine ernstzunehmende Alternative werden, wenn man den derzeitigen exzessiven Musik Konsum betrachtet. Was denkst darüber im Hinblick auf die Musik Kultur? Dday One: Ich denke der derzeitige Anstieg des Konsums ist den neuen digitalen Formaten geschuldet. Einerseits sehe ich das positiv, da die Konsumenten durch die bessere Distribution nun mehr Zugang zu Musik haben. Andererseits wird die Musik nun dadurch auch austauschbarer, da die Formate keinen materiellen Wert haben. Bei Content achten wir also auf Details, wenn wir unseren Output limitieren. Eines der Details, die grade bei elektronischer Musik fehlen, ist das Verständnis dafür, wie diese Musik gemacht wird. Und deswegen versuchen wir zum Beispiel, Elemente aus dem Studio oder Geräte in das Desgin einzufügen. DEAD: Was können wir von dir in der Zukunft erwarten? Dday One: Ich arbeite an Material für das Berliner Label Project Mooncircle und ein paar Remixen. Daneben kümmere ich mich um den Veröffentlichungsplan für Content. Der Londoner Produzent und DMC Champion 2Tall hat dort sein Album „The Softer Diagram“ veröffentlicht, und eine 7" von Olde Soul und Double K von People Under The Stairs aus L.A. kam auch grade raus. Auf myspace.com/contentlabel kann man sich da am besten auf dem Laufenden halten. Nochmals vielen Dank. Peace. Text: Axel Hübner Bilder: Dday One DEAD Vol5. Track auf MP3-Compilation: „Minimal Remnant“ 9 10 deadwords deadwords Was zuerst am Künstler-Kreis von Strange Famous auffällt: Alle scheinen sie durch Freundschaften mit einander verbunden, und/oder kommen aus der selben Gegend Amerikas, aus der auch Sage Francis stammt: Rhode Island ist der kleinste Staat der USA, gelegen in deren Nord-Osten, nahe Kanada, und ziemlich eingeklemmt zwischen Connecticut und Massachusetts; einzig ein paar Insel-Ableger greifen aus dem schmalen Streifen Land in den atlantischen Ozean. Dort „Ich spielte eine Show in Denton, Texas, und brachte eine Strophe, die ich über Alkohol-Missbrauch geschrieben hatte. Es waren nur so 10 bis 15 Leute da, und nach meinem Set kam ein Mann, 24 oder 25 Jahre alt, auf mich zu und erzählte mir, dass er, nachdem er mich gehört hatte, aufhören wollte zu trinken. Er war wohl seit Jahren dabei, sich stetig, ohne Rücksicht weiter volllaufen zu lassen, schien hoffnungslos. Sein Entzug begann nun mit einer vollen Flasche Alkohol, die er vor mir auf die Strasse kippte.“ Family Business Sage Francis ist wohl nicht zuletzt durch seine 3 Maßstäbe setzenden Alben eine der profiliertesten Gestalten im Indie-Rap geworden – seine Fähigkeiten als Selbstdarsteller und vor Allem auch als Geschäftsmann werden darüber oft vergessen. Über sinkende Plattenverkäufe zu reden, scheint derzeit immer müßiger, interessant dagegen ist, wie es ein kleines Label, das 1996 als Briefkasten für Sage Francis’ Demotapes begann, vollbrachte, den Konzern-Riesen Warner auszuspielen: Nachdem man es geschafft hatte, den in Kanada auf ebendiesem Major gesigneten Buck65 davon zu überzeugen, dass Strange Famous der bessere Partner für den US-Vertrieb sei, verkaufte sich dessen Album „Situation“ – unterstützt von einer groß angelegten US-Tour und einer Telefonaktion, bei der Label-Chef Sage Francis die Besitzer unzähliger Plattenläden persönlich anrief – besser als die vorherigen US-Releases über Warner. War das nun das Gesellenstück des in seiner derzeitigen Größe noch jungen Labels, folgen nun zwei Releases noch relativ unbekannter Künstler: „The Ugly Truth“ von Prolyphic & Reanimator sowie „The Failure“ von B. Dolan. Beide können zeigen, wie das Label funktioniert und unter Umständen wird sich an ihrem Erfolg absehen lassen, welche Wege Indie-Labels derzeit gehen können... begann auch die Rapkarriere von Prolyphic – bereits als 15Jähriger klapperte er die Bühnen des Landes ab, und bereits damals knüpfte er Kontakte zur noch jungen und rap-affinen Anticon-Crew - Sole behauptet bis heute, ihn schon zu diesem Zeitpunkt unter Vertrag genommen haben zu wollen. Doch einzig der Kontakt zur damaligen Lokalberühmtheit Sage Francis blieb bestehen, und nachdem dieser das x-te Demotape zugesandt bekommen hatte, war er es auch, der Prolyphic sowohl einen Vetrag mit seinem Label als auch die Zusammenarbeit mit dem Chicagoer Produzenten Reanimator vorschlug. Der bekam nun in immer regelmäßigeren Abständen Vocal-Spuren aus Rhode Island in den Briefkasten, die er dann zu fertigen Songs remixte. Beide hatten sich noch nicht einmal getroffen, als Monate später die erste Version von „The Ugly Truth“ entstand. Einen Festplattencrash später, nach insgesamt 3 Jahren Arbeit, gibt es nun die offizielle, zweite Version des Albums, plus einige Fotobeweise dafür, dass Reanimator nicht nur ein „schwebender Nebel“ ist, wie Prolyphic das noch vermutete, als er in Chicago einzig als Stimme existierte... Und das Warten hat sich gelohnt, denn sowohl die detailverliebte Sample-Kunst Reanimators als auch rotzig-wütenden Raps von Prolyphic scheinen davon nur profitiert zu haben. Klangen dessen Stimme und Flow auf älteren Releases oft noch etwas bemüht und waren seine Texte da und dort mehr Aus- als Einblicke auf einen talentierten Rapper, zeigt er sich auf „The Ugly Truth“ als versierter Erzähler und kritischer Beobachter, der seine Kunst ernst nimmt und sich nicht hinter lauen Entschuldigungen verstecken mag: „I don´t do this on the side or do this in my spare time“. Dass er einen Job zum überleben braucht, ist kein Geheimnis, dass es keine Szene gibt, der man hinterherweinen müsste, ebenso wenig. Der Frust, der sich zwischen Arbeit und Schlafzimmer aufgebaut hat, die Wut des Einzelnen ist es, für die Prolyphics Musik einsteht. „Throw your hands up for everything you can’t touch.“ Für was also, außer für die eigene Befriedigung, lohnt es zu schreiben? – „Ich spielte eine Show in Denton, Texas, und brachte eine Strophe, die ich über Alkohol-Missbrauch geschrieben hatte. Es waren nur so 10 bis 15 Leute da, und nach meinem Set kam ein Mann, 24 oder 25 Jahre alt, auf mich zu und erzählte mir, dass er, nachdem er mich gehört hatte, aufhören wollte zu trinken. Er war wohl seit Jahren dabei, sich stetig, ohne Rücksicht weiter volllaufen zu lassen, schien hoffnungslos. Sein Entzug begann nun mit einer vollen Flasche Alkohol, die er vor mir auf die Strasse kippte.“ Ob diese eine Strophe mehr als einen Abend rettete, blieb unbekannt. Für Prolyphics Schreiben ist dieses Erlebnis, egal wie kurz, bezeichnend: „The only thing my words serve is a purpose.“ 11 12 deadwords Auch Bernard Dolan stammt aus Rhode Island, zog aber, knapp volljährig, nach New York, um sich dort als Schriftsteller zu beweisen. Nachdem er, Frischling der er war, in einem Café wahllos aus einem seiner Notizbücher vorgelesen hatte, wurde er auf die damals wachsende Poetry Slam Szene aufmerksam gemacht, zu der er nach einigen Besuchen im Nuyorican Café, Brooklyn, Anschluss fand. Während seine Kritik an der selbstverliebten Szene die folgenden Jahre über wuchs, gewann er einige Slam-Titel, viele Fans und wenige Freunde – drei Jahre später zog er sich „angewidert“ zurück. Ein erneuter Neustart: Um es nicht nur bei den Worten zu belassen, nur einer mehr zu sein, der über Politik schreibt und schreit, ohne selbst Einfluss zu nehmen, gründete Dolan das „Open Mics Project“, ein Programm für Problemkinder, das ihnen über die Verbindung zum HipHop Zugang zu den Künsten Selbstvertrauen und Halt schaffen sollte. Etwa um diese Zeit erschien auch eine erste Version von „The Failure“ – damals noch eine selbstgebrannte Doppel-CD, überladen mit Gedichten, wütenden Ansprachen, fragmentarischen Songs und Raps. Dolan zog es kurz darauf zurück nach Rhode Island, wo er über die dort wesentlich intimere Slam-Szene Kontakt zu Sage Francis fand, deadwords mit dem er vor knapp 3 Jahren „Knowmore.org“ gründete: Eine Website, deren Maschinerie an die von Wikipedia angelehnt ist (wobei hier wesentlich mehr Kontrolle auf die Inhalte ausgeübt wird), und die sich zur Aufgabe gesetzt hat, alles an Informationen über Großkonzerne zu sammeln, was für den Konsumenten relevant ist. „Wir bewerten die Konzerne nach den Rechten, die die Arbeiter besitzen, der dortigen Menschenrechtslage, dem politischen Einfluss, der von ihnen ausgeübt wird und ihrem Geschäftsgebahren.“ – „Ich sehe mich in gleichen Teilen als Künstler und als Aktivist, glaube, dass das auch gar nicht anders möglich ist, ohne mich selbst dabei zu belügen. Vielleicht ist das erste meine Leidenschaft und das zweite meine Pflicht. Der Aktivist B.Dolan denkt zum Beispiel, „Ich sehe mich in gleichen Teilen als Künstler und als Aktivist, glaube, dass das auch gar nicht anders möglich ist, ohne mich selbst dabei zu belügen. Vielleicht ist das erste meine Leidenschaft und das zweite meine Pflicht“ dass Großkonzerne hinter allem stecken, B. Dolan der Künstler glaubt da mehr an gestaltenwandelnde MenschReptilien-Wesen – See the difference?“ Die Brücke, die er nun zwischen beidem zu schlagen versucht, sieht man – bisher leider fast ausschließlich in Amerika – in seiner Live-Show, die mehr an die Freakshows früher amerikanischer Wandertheater denn an ein Rap-Konzert oder einen Poetry Slam erinnern. Einer der vier Kern- Charaktere, die Dolan dabei spielt, ist Evel Knievel, der in den 60er und 70er Jahren durch gewagte Stunts auf seinem Motorrad zum Nationalhelden wurde. Mehr als 25 Jahre später wird er für Dolan zur Erscheinung: „Ich fuhr grade von einer Show heim, als ich im Radio eine von Evels Pressekonferenzen hörte. Ich kannte seine Stimme noch nicht, war aber wie hypnotisiert sowohl von seiner Art zu sprechen, als auch von dem, was er da erzählte. Er hatte einiges, wirklich ergreifendes über Leben und Tod zu sagen, und das als jemand, der sein Leben eine Karriere lang professionell riskiert hatte. Ich verbrachte danach ein Jahr damit, obsessiv Informationen über ihn zu sammeln und schrieb das Gedicht „The Skycycle Blues“. Auf der Bühne tritt Dolan nun im weißen Overall Knievels auf, wenn er den „Skycycle Blues“ vorträgt - ein biographisches Langgedicht, in dem der Stuntman sich als PerformanceKünstler der Nachkriegsgeneration zwischen Leben und Tod wirft: „This helmet / is to protect me / from my own momentum / This costume / is to protect the crowd / from the realness of what is happening here / I am calling on death / and she comes growling and snapping out of her cage / and opens her jaws up wide on both sides of my landing ramp“. Derzeit arbeitet Dolan an einer größeren, Varieté-artigen Live-Show, einem Rap-Album und er hat den Skript zu einem Horrorfilm, den Michael Corrente produziert, geschrieben. auch über das Epitaph-Label, das seine neueren Alben vertreibt, gewonnen Einfluss, um Strange Famous auf eigenen Beinen stehen zu lassen. B. Dolan: „Es ist wirklich wie ein Familienunternehmen. Wenn wir nach Hilfe suchen, setzt Sage keine Anzeige in die Zeitung. Die Leute, die hier arbeiten, sind meist schon seit Jahren in unserem Umfeld. Alles ist sehr herzlich, eng verwoben... wie Omis Strickpullover.“ Was sich hier also zu etablieren beginnt, ist wohl das, was der „Szene“ – wenn es sie denn doch geben sollte – zu fehlen scheint: Ein verlässlicher Geschäftspartner, der aus der Nachbarschaft aller Mitglieder stammen könnte und auch mit fast allen schon mal einen Winterurlaub verbracht hat. Die nicht anhalten wollenden Gerüchte über so ziemlich jeden IndieRapper, bald auf SFR gesigned zu werden, erinnern schon sehr an die Hochzeiten von Anticon. Wenn es nun etwas gibt, das einen dabei befremdlich stimmen könnte, dann wohl dass sowohl das Logo als auch der Labelname (eines seiner bekanntesten Spoken Words) zu aller erst auf Sage Francis verweisen, der sein Gesicht nur scheinbar schützend notdürftig aus-x-en ließ. Text: Jens Essmann Fotos: Strange Famous Wenn es also, neben den meist kantigeren Persönlichkeiten, einen Unterschied zwischen Major- und Indie-Labels gibt, dann scheint dieser in der Zeit und Aufmerksamkeit zu liegen, die den Künstlern dort zuteil wird. Sage Francis nutzt seinen, 13 14 deadwords deadwords Sinfonie für das stumpfe Schwert Mit ihrer Vorab-Digital EP „Seven/Sixteen“ machten Karhu bereits Anfang 2007 auf sich und ihr geplantes Album aufmerksam. Dass nochmal über ein Jahr vergehen sollte, bis das Endprodukt fertig war, damit hatten selbst die Macher nicht gerechnet. Seit Juni jedenfalls ist das Album „Sinfonia For The Blunt Sword“ in seiner endgültigen Fassung im Internet verfügbar. Als Verfechter der Creative Commons Lizensierung stellten sie es ohne Hilfe eines Labels zum kostenfreien Download. Wenn es ein Warn-Etikett „Nicht leicht zugänglich“ für Tonträger geben würde, so könnte „Sinfonia For The Blunt Sword“ diesem wohl nicht entgehen. Selbiges heißt natürlich nicht, dass das Werk zu abstrakt wäre, um überhaupt verstanden werden zu können. Eher ist es vielleicht die knapp bemessene Zeit der meisten Zuhörer mit der es sich schwertut. Das Album verlangt volle Aufmerksamkeit – und das über die gesamte Spiellänge. Mal schnell reinhören funktioniert nicht. Die Intensität und Komplexität der Produktion schafft eine eindringliche, gigantische Atmosphäre, die pausenlose Konzentration fordert. Die Wucht aus Sounds, ständig welchselnde und teils schwer durchschaubare, gebrochene Songstrukturen lösen sich erst nach einigen Hörminuten, oder vielleicht gar erst nach mehrmaligem Spielen auf. Wir stellten Niklas von Karhu einige Fragen, in denen er verschiedene Aspekte des Albums erläutert. 15 16 deadwords DEAD: Woher kommt der Name Karhu und wer steht dahinter? Wie sind die Aufgaben bei euch verteilt? Karhu: Karhu kommt aus dem Finnischen und heißt Bär. Ich weiß nicht mehr genau, warum wir den Namen gewählt haben. Den Großteil meiner Jugend habe ich eigentlich programmierend hinter dem Computer verbracht. Aus einem der umfangreicheren Projekte ergab sich dann die Bekanntschaft mit einem finnischen Graphikdesigner, der auf eine merkwürdige Art auf Bären fixiert war. Amüsiert von seiner verqueerten Person und Fixierung hat seine Begeisterung wohl unterbewusst abgefärbt. Haris hat als Metalhead natürlich eine Affinität zur nordischen Kultur und vor allem nordischen Sprachen. Insofern beschreibt der Name auf eine sehr persönliche und irrationale Weise unsere Herkunft. Das Projekt Karhu besteht also aus Haris und mir, Niklas. Haris hat sämtliche Gitarren eingespielt und mit ihm habe ich die ganzen Songideen entwickelt und die Ideen hinter dem Album entworfen und am Sounddesign gearbeitet. Die weitergehende Vertonung, sowie die Produktion habe ich dann übernommen. Einige Vocals, Kontrabassaufnahmen und Cuts sind auch von mir. deadwords DEAD: Die Entstehung eures Albums „Sinfonia for the Blunt Sword“ hat sich über 3 Jahre hingezogen. Seit über einem Jahr gibt es bereits die Vorab-EP „seven/sixteen“ ebenfalls als freien Download. Was genau hat die Veröffentlichung nochmal so lange hinausgezögert? Karhu: Die erste Version des Albums wollten wir eigentlich Ende 2005 fertig haben. Erst als vor Kurzem ein Freund zu mir meinte, dass er mich eigentlich seit jeher am Album arbeitend kennt, ist mir klar geworden, wie sehr und wie lange das Album gewachsen ist. Das hat natürlich die Komplexität am Ende bestimmt; der Perfektionismus war hierfür sicherlich die bestimmende Variable. Ich habe aber die Art zu Arbeiten – inklusive den retrospektiv betrachteten vermutlich krassen Perfektionismus – zu jener Zeit als natürlich angesehen. 2006 und 2007 waren sicherlich die bestimmenden Jahre für den Sound, da habe ich pro Woche rund 10-30 Stunden mit den Arrangements verbracht. Momentan würde mich dieser Arbeitsstil zu viel Energie kosten. Die Umsetzung des Konzepts mit allen Implikationen hat die meiste Zeit gekostet. Ich finde Konzeptalben seit jeher interessant, da so ein Album keine bloße Ansammlung von separaten Songs ist. Mit der Vielzahl der Alben, die letztendlich eine Compilation von Songs eines bestimmten Musikers sind, ist für mich auch die momentane Entwicklung in der digitalen Distribution nachvollziehbar. Man kann einzelne Songs von Alben kaufen / frei runterladen, und da diese durch die anderen Songs auf dem Album nicht zwangsläufig an Kontext gewinnen, wird das Album an sich fast belanglos und führt zu – wie es Misanthrop messerscharf beschrieben hat – „Singles, die Alben sammeln“. „Sinfonia For The Blunt Sword“ nimmt hier die andere Seite – nicht notwendigerweise bessere Position – der Extrema ein. 76 Minuten ein bestimmtes Album anzuhören, entspricht sicherlich nicht dem heutigen Musikkonsum. Aber das ganze Album ist in vielerlei Hinsicht ein Statement und an sich finde ich es auch interessant zu sehen, dass die meisten Songs darauf ohne die anderen nicht funktionieren. DEAD: Während dieser 3 Jahre gab es sicher auch eine musikalische Entwicklung bei euch. Wie sieht eure Arbeitsweise aus? Karhu: Prinzipiell sind alle Songs als reine, fast Akkustikgitarren-Songs bei Jamsessions entstanden. Dann wurden sukzessive neue Teile hinzugefügt bzw. Gitarrenspuren durch Samples und den ganzen Kram ersetzt. Das ist auch der Grund, warum man vom Haris im Endprodukt nicht so viel hört, wie er beigesteuert hat. Ich frage mich immer noch, warum er mir bis jetzt noch nicht die Freundschaft gekündigt hat. Die konkreten Songs bzw. Tracks haben sich erst gegen Ende in der jetzigen Form ergeben. Grundlegend war der Prozess, neue Ideen und Einflüsse im bisherigen Material zu verarbeiten aber der stets gleiche: cut, paste, insert, delete, repeat. 17 „76 Minuten ein bestimmtes Album anzuhören, entspricht sicherlich nicht dem heutigen Musikkonsum. Aber das ganze Album ist in vielerlei Hinsicht ein Statement und an sich finde ich es auch interessant zu sehen, dass die meisten Songs darauf ohne die anderen nicht funktionieren.“ DEAD: Das Album ist grundlegend aufgebaut in 3 Teile – entsprechend einer Sinfonie. Studiert einer von euch Musik oder wie kam es zu dieser Idee? Karhu: Von uns studiert keiner Musik, aber wir haben immerhin beide eine klassische Musikausbildung. Eigentlich war der Grund, das Ganze wie eine Sinfonie aufzuteilen und zu arrangieren für uns eine logische Konsequenz, als sich der Sound des Albums immer mehr herauskristallisiert hat und das meiste Songmaterial noch formbar war. Die Einteilung ist grundlegend durch die musikalischen Stilmittel und den Sound, sowie durch die Komplexität der Arrangements bestimmt. 18 deadwords DEAD: Auf eurer Website heißt es: „Sinfonia for the Blunt Sword“ basiert grob auf dem Film „Metropolis” von Fritz Lang und war ursprünglich als alternativer Soundtrack dazu angedacht. Warum nur ursprünglich? Ging die Relation zum Film mit der Zeit verloren? Karhu: Das Statement auf der Website habe ich beschissen ausgedrückt, da es ambig ist. Die Relation zum Film ging im Konkreten verloren. Ursprünglich wollten wir das Album möglichst exakt auf die Abfolge des Films arrangieren; das war aber mit der Entwicklung der Songs nicht vereinbar. Thematisch ist die Relation immer noch vorhanden. Einige Bilder und Assoziationsketten in den Lyrics machen ohne den Kontext des Films wahrscheinlich keinen Sinn. Der Film ist eigentlich das Urbild der modernen Dystopie mit all den „Der einzige Weg momentan Musik zu veröffentlichen, die unter Creative Commons steht, ist entweder dies digital zu tun, oder die Tonträger selbst herzustellen. Für letzteres fehlen uns momentan die Resourcen.“ deadwords bekannten Themen wie z.B. Kontrolle der Gesellschaft durch megalomanische Unternehmen. Diese Thematiken werden durchaus im Album verarbeitet. Andererseits werden diese noch durch aktuellere, z.B. bezüglich Überwachungsstaat aber auch geisten Eigentums erweitert. Das ganze Album gibt diese letztendlich in der Position des Beobachters wieder. Insofern ist das Album nicht mehr eine reine Vertonung des Films. DEAD: Auf dem Album sind auch Rap-Texte in Deutsch und in Englisch zu hören. Ist Hip-Hop die Musik, die euch geprägt hat? Karhu: Nein, Haris kommt aus den Untiefen des Metals und ich mehr aus der Elektronik/Klassik-Ecke, hauptsächlich mit Musik von Aphex Twin, Squarepusher, Autechre, Portishead oder Bach und Philip Glass aufgewachsen. Die Ausdrucksweisen der Hip-Hop-Kultur sind heutzutage überall anwesend – und ich meine nicht das k1x-Schuhe-Tragen oder Kopfnicken über irgendwelche Amen-Break Derivate, sondern ihre etablierten Mittel, sich konkret und pointiert auszudrücken. Das ist für mich sowohl die ganze DJ/Sampling-Kultur, die letztendlich die Popmusik seit den 80ern formt, als auch die Vocals, die durchaus musikalisch unverspielt ihre Intentionen verlautbaren. Insofern fanden wir es durchaus sinnvoll, Aussagen, die gemacht werden sollten, auch entsprechend zu vertonen. Ich persönlich sehe diese Ausdrucksform im Kontext des Albums lediglich als Stilmittel. Und empfinde die Verwendung dieser bezüglich der Umsetzung des Albums als konsequent. Aber das ist natürlich streitbar. DEAD: Was erwartet und erhofft ihr euch jetzt von der Veröffentlichung? Karhu: Momentan sind wir vorallem froh, dass das ganze zu Ende gebracht wurde. Wir möchten, dass das Werk wahrgenommen, anerkannt wird und Verbreitung findet. Ob die Kritik im speziellen positiv oder negativ ausfällt, ist uns soweit gleich. Wir haben uns von Anfang an entschieden, das ganze unter die Creative-Commons Lizenz zu stellen und somit jedem die Möglichkeit zu geben, es zu verbreiten oder es anderweitig zu verwenden. Ob wir als Personen hinter Karhu Props bekommen, war immer sekundär und mit dieser Arbeit Geld zu verdienen, stand nie zur Debatte. Es geht uns wirklich nur um das Album an sich. Eine große Masse an Zuhörern wird das Album aber vermutlich nie erreichen, da die hochfrequentierten Verbreitungs- und Konsummechanismen im Internet inhärent unvereinbar mit dem Wesen des Albums sind. DEAD: Wieviele Downloads gab es bereits? Karhu: Noch nicht genug, um mir sicher zu sein, dass das Album seinen Weg zu der offenen Hörerschaft findet bzw. gefunden hat. Wir haben aber bis jetzt noch keine groß angelegte Promotion gemacht. DEAD: Ist auch eine Release auf „echtem“ Tonträger wie CD oder Vinyl geplant, oder seit ihr reine Fans des Digitalen? Karhu: Geplant ist in dieser Hinsicht nichts, da wir keine derartigen Kontakte zu Labels haben und sich diese wahrscheinlich an der CreativeCommons-Lizenzierung stoßen würden. Wir sind nicht Fans des Digitalen, aber Fans von CC. Wir sehen in der Weise, wie Musikbusiness heutzutage funktioniert, im besonderen bezüglich der Internetkultur, Defizite und Ungerechtigkeiten – nicht nur was die Musiker angeht, sondern insbesondere was die kulturelle Entwicklung von Musik betrifft. Der einzige Weg momentan Musik zu veröffentlichen, die unter Creative Commons steht, ist entweder dies digital zu tun, oder die Tonträger selbst herzustellen. Für letzteres fehlen uns momentan die Resourcen. DEAD: Was sind die nächsten Projekte von Karhu? Karhu: Karhu wird sich erstmal eine Auszeit nehmen. Haris ist mit seiner Metal-Band und einigen Singer/Songwriting-Sachen beschäftigt. Die EP seiner Band habe ich vor kurzem fertigproduziert; die ist schön brachial geworden. Ich arbeite momentan an ein paar kleinen Produktionen für Freunde, sowie einer recht verqueren Solo-EP und zusammen mit einem weiteren Elektroniktüftler an einigen Dancefloorfillers. Ich tobe mich also momentan überall ein bischen aus. Ich schreibe nach Ewigkeiten auch wieder an ein paar eigenen Audiotools weiter. Für die nächste Karhu-EP/Album haben wir schon einige konzeptionelle Sachen dingfest gemacht und auch ein paar Takes aufgenommen. Ich denke, der kommende Sound wird weniger düster und dafür melodiöser. Man wird auch mehr von Haris hören und weniger von mir. Versprochen. Abseits vom Musikmachen wird früher oder später ein Netlabel zusammen mit Playpad Circus an den Start gehen. Ich bin mal gespannt, wie sich das entwickelt. Text: Günter Stöppel Bilder: Dominik Wiersig & Niklas Klügel DEAD Vol5. Track auf MP3-Compilation: „Couverture“ 19 20 deadwords deadwords „Ich muss natürlich sagen, dass auch bei uns die Downloadverkäufe steigen und dass es mich freut, wenn Leute bereit sind, für die Musik an sich Geld zu zahlen. Eine wirkliche Alternative bietet das für mich aber nicht. Mein Ziel war es immer Platten zu machen.“ A Sound Exposure Vor vier Jahren erschien die erste Compilation in Albumlänge auf Equinox Records. Mit dieser Zusammenstellung definierte das junge Label sowohl seine musikalische Richtung als auch einen eigenwilligen visuellen Stil. Nach einigen Veröffentlichungen im EP, 10" und 5" Format, ist vor kurzem der zweite Teil der Compilation unter dem Titel „One Year & A Day – A Sound Exposure Vol.2“ erschienen. Hier mischt sich eine selbstbestimmte Version von HipHop mit elektronischen Beatbreakern und samplelastigen Songs, denn der Sound von Equinox liegt irgendwo dazwischen, trifft damit aber genau den Punkt. DJ Scientist, der Macher des Labels, hat sich ausführlich mit unseren Fragen befasst. DEAD: Du bist Labelboss, Designer, DJ und Musiker. Wie kommst du mit diesen unterschiedlichen Rollen zurecht? DJ Scientist: Bevor es die Idee zum Label gab, war ich schon DJ und habe viel Grafik gemacht. Generell fließen diese Rollen jetzt in Equinox zusammen. Die eher künstlerischen Aufgaben harmonieren ja miteinander. Der Businesskram, den ein Label so mit sich zieht, ist dann zum Großteil eine eher unangenehme Sache, wobei ich dennoch auch ein wenig der Typ für so was bin. Mir macht es Spaß Projekte zu koordinieren und zu planen. Zeitlich wird das zum Problem und oft zur Belastung. Ich versuche mittlerweile auch Aufgaben abzugeben. Das ist natürlich schwierig, da das Ganze ja, vor allem grafisch, sehr persönlich und mit meinen eigenen Stil verbunden ist. DEAD: Siehst du dich durch die ganze Labelarbeit musikalisch eingeschränkt? Dein eigener Track auf der neuen Compilation ist ja eher kurz. kündigt, aber es war nicht die Zeit dafür da, es wirklich in Angriff zu nehmen. Jetzt ist erstmal das Album mit Ceschi sehr wichtig, zu dem ich alle Beats beigesteuert habe. DJ Scientist: Ja, auf der Compilation bin ich nur mit einem Skit vertreten. Die Arbeit, die ein Label macht, hört eigentlich nie auf – es gibt immer etwas, das noch zu tun ist oder verbessert werden kann – und das Ganze ist eben noch kein Selbstläufer. Andererseits gibt mir das Label ja auch viel Gelegenheit, mich anderweitig musikalisch einzubinden – die neue Compilation sehe ich somit auch ein bisschen als mein eigenes Album an auch wenn ich es „nur“ zusammengestellt habe. Dazu kommt, dass es heutzutage sicher auch schwierig wäre, ein anderes gutes Label zu finden, mit dem man sich identifizieren kann. Ich will mich also nicht beschweren. DEAD: Kann man bald ein Soloalbum von dir erwarten? DJ Scientist: Erstmal nicht. Ich hatte dieses Soloalbum eigentlich schon vor langem ange- DEAD: EQX zeichnet sich durch einen streng durchgezogenes Design aus. Ist das dein individueller Geschmack oder ein visueller Ausdruck der Musik? DJ Scientist: Ich würde sagen beides. Ich versuche bei jedem Cover speziell auf die Musik einzugehen, wobei sich das natürlich im Rahmen dessen abspielt, was über das Equinox Corporate Design möglich ist. Das heißt im Grunde Verzicht auf Farben und eine bestimmte Auswahl an Grafiken, Schriften, etc. Das ganze fußt dann natürlich auch auf meinem persönlichen Geschmack, der aber auch bei den Künstlern gut ankommt. DEAD: Nach welchen Kriterien suchst du deine Künstler aus? DJ Scientist: Ich will, dass sich Equinox als etwas Neues und Eigenes darstellt. Der Künstler sollte auch einen eigenen Stil haben, der zum Label passt. Dann gibt es noch weitere Kriterien, die auf mich Eindruck machen, z.B. hat der Künstler Durchsetzungsvermögen und genug Ehrgeiz? Wenn jemand zum Beispiel schon in Eigenregie eine Platte veröffentlicht hat, dann zeigt mir das, dass er es mit Musik ernst meint. 21 22 deadwords deadwords gestanden habe als danach. Die 5inch Serie wurde aufgrund des Downloads zu unserer vielleicht erfolgreichsten Release. Erstaunlicherweise sind auch die digitalen Verkäufe von anderen Titeln in dieser Zeit um fast 100% gestiegen, da wir ein enormes Pressefeedback, hauptsächlich Blogs, hatten, die die Sache von sich aus promotet haben. Dadurch scheinen viele auf uns aufmerksam geworden zu sein. Generell sehe ich die Sache mit Free Downloads aber immer noch sehr zwiespältig. Im Falle der 5inch Serie war es in Ordnung, sie frei anzubieten, da sie im Verhältnis zu anderen Releases nicht so viel Arbeit war und die Gesamtlänge ja auch nur ca. 20 Minuten betrug. Aber wenn ich daran denke, dass ich 2 Jahre Arbeit, die ich in das gesamte Projekt der „One Year & A Day“ Compilation gesteckt habe, einfach für umsonst hergeben würde … ehrlich gesagt ist es mir dann sogar lieber auf die vielleicht wesentlich größere potentielle Hörerschafft zu verzichten. Ich hätte das Gefühl, dass ich die Wertigkeit des Albums dadurch selber heruntersetzen würde. Das will ich einfach nicht. Ich denke, jeder der das Album kauft, wird hören, wieviel Arbeit in der Musik und in der Zusammenstellung steckt. Musik darf, auch wenn das jetzt vielleicht abgedroschen klingt, ihren Wert nicht verlieren. “Ich will, dass sich Equinox als etwas Neues und Eigenes darstellt.” DEAD: EQX präsentiert sich global mit internationalen Musikern. Wie stark findet das Label Beachtung außerhalb Deutschlands? DJ Scientist: Weiß ich nicht – ich denke auf jeden Fall, dass wir durch internationale Künstler auch außerhalb Deutschlands einen guten Ruf haben. Wirkliche Beachtung erlangen wir in der ausländischen Presse aber auch nicht – das findet alles innerhalb einer kleinen Szene statt. DEAD: Auf der neuen Compilation sind erstmals Vocals auf einer EQX-Platte zu hören, die nicht auf Samples basieren. Wieso der Wandel? DJ Scientist: Der Song „Laugh Track“ von Deadpan Darling, hat sich in erster Linie stilistisch und musikalisch super in die neue Compilation einfügt, und das ist natürlich der Hauptgrund dafür, dass er drauf ist. Zudem stehe ich ja schon länger im Kontakt mit Ceschi und wollte ihn einfach auf dem Album haben. Es ist so, dass Equinox generell in Sachen Musik und Grafik eine klare Linie, ein Konzept verfolgt. Aber natürlich ist es auch mal möglich, jetzt wieder auf die Grafik bezogen, etwas farbig zu machen. Es wird, wie gesagt, auch bald ein Album von Ceschi auf Equinox erscheinen. Das wird vielleicht das einzige Rapalbum auf dem Label bleiben – denn im Grunde ist es richtig, dass unser Fokus auf Instrumental-Sound liegt. Die Ausnahme bestätigt die Regel. DEAD: Was hat dich auf die Idee der 5 mal 5inches gebracht? Immerhin ist es die weltweit erste Serie dieser Art. DJ Scientist: Ich habe vor ca. 2 1/2 Jahren die erste 5inch gesehen und fand das total super. Irgendwann kam jemand mit der Möglichkeit auf mich zu, eine Art 5inch Dubplates zu machen. Nachdem der vorab erschienene Download-Sampler aber so viel Feedback brachte, entschied ich mich letztendlich doch für richtiges Vinyl (bei einem deutschen Presswerk, welches für 5"-Vinyl das Patent besitzt) in der dafür kleinstmöglichen Stückzahl von 250 Exemplaren. DEAD: Wie sinnvoll bewertest du als Labelboss FREE DOWNLOAD-Aktionen? DJ Scientist: Ich muss sagen, dass ich vor der 5inch Release wesentlich negativer zu der Sache DEAD: Wieviel Zeit und Geld würdest du in Promoaktionen stecken? Oder anders gefragt: Meinst du, dass sich die Verkäufe merklich erhöhen würden, wenn du mehr Geld für Promoaktionen hättest? DJ Scientist: Ich denke schon, dass mehr Promotion die Verkäufe in gewisser Weise erhöhen kann, aber die Frage ist: in welchem Verhältnis steht das? Sprich: wenn ich eine Anzeige in einem großen Magazin schalten würde, würde sich das rechnen? Um das Geld wieder rein zu bekommen, müssten sich die Verkäufe verdreifachen – und mit einer einzigen Anzeige ist es ja längst nicht getan. Bisherige Anzeigenschaltungen und sonstige Promoaktionen haben kaum merklich was gebracht. Bei „Wyred Folk“ z.B. haben wir für unsere Verhältnisse sehr viel Werbung gemacht. Die Platte war aber in den Verkäufen eher schlecht, obwohl die Kritiken zum Großteil hervorragend waren und sie, nach meiner Meinung, ein wirkliches Meisterwerk darstellt. Es ist wirklich komisch – die Intro beispielsweise hat „Wyred Folk“ nicht gereviewt und die neue Compilation mit der Antwort „nicht relevant“ abgelehnt. Deren Leserschaft ist jetzt auch nicht unbedingt unsere Zielgruppe, aber als Label ist man ja – auch mangels anderer Möglichkeiten – auf solche Medien angewiesen. Diese Probleme haben wir eigentlich mit allen größeren Zeitschriften – da wird man als kleineres Label oft ignoriert. Momentan glaube ich, dass es wichtiger ist, mehr zu touren, konstant gute Tonträger zu veröffentlichen und seiner Linie treu zu bleiben. Heute hast Du eigentlich nur dann als kleines Indielabel eine Chance, wenn Du es schaffst, um dich herum eine Art Hype zu kreieren, sodass auch die, die eigentlich nicht mit solcher Musik vertraut sind, das plötzlich gut finden. Klingt irgendwie scheiße – aber letztendlich ist es doch so. Die richtigen Heads kennen uns ja jetzt schon, denke ich. Die 5inch Serie war ein ganz guter Ansatz mehr Leute zu erreichen. DEAD: Wird Vinyl überhaupt noch gekauft? Oder ist Eurer Standbein heute der Downloadverkauf? DJ Scientist: Ehrlich gesagt ist das Standbein von Equinox der Job, den ich nebenher noch mache und das Geld, dass ich über DJ-Jobs und über kleinere Grafikjobs verdiene. Der Fokus von Equinox liegt nach wie vor auf Vinyl, von daher betrachte ich die Downloadeinnahmen nur als weitere Einnahme zur Vinylrelease. Ich muss natürlich sagen, dass auch bei uns die Downloadverkäufe steigen und dass es mich freut, wenn Leute bereit sind, für die Musik an sich Geld zu zahlen. Eine wirkliche Alternative bietet das für mich aber nicht. Mein Ziel war es immer Platten zu machen, obwohl wir demnächst auch mit ein paar Digital-Only Releases an den Start gehen werden, da wir inzwischen auch viel Material haben, welches gar nicht alles auf Vinyl veröffentlicht werden kann. DEAD: Welche Ziele verfolgt EQX in den kommenden 12 Monaten? DJ Scientist: Wir möchten bald mit unserer neuen Website an den Start gehen, zudem wird damit auch das Sublabel Equinox.Digital eröffnet. Zudem steht noch die Veröffentlichung der Tour-DVD an, sowie eine 7" von Ceschi, die die Vorabrelease zum Album darstellt. Eine 12" Release von Geste aus Frankreich ist in der Pipeline und 2econd Class Citizen arbeitet an seinem neuen Album, zu dem es ebenfalls eine Vorabsingle geben wird. Text und Interview: Kristofer Harris Bilder: David Alke 23 24 deadwords deadwords Einflüsse GodspeedYouBlackEmperor!, Black Heart Procession, Tom Waits, Low oder Tortoise. Allesamt Bands, die Genregrenzen vielleicht nicht neu definiert, in jedem Fall aber erweitert haben. Hört man nun „It's not who you know, but whom you know“, wird man mit jedem Versuch, es zu fassen, mehr verunsichert. Die Platte beginnt mit rauschenden, in ihrer Herkunft kaum zu dekodierenden Field-Recordings, Stimmengewirr, Zahnwerke bei der Arbeit, Schritte kommen näher, während ein Synthesizer warm suchend, nah an der Hektik vor sich hin blubbert, bis dann der Beat zu „Soulsuck“ wie ein erschrecktes Einatmen beim überraschenden Öffnen einer verschlossen geglaubten Türe einsetzt. Der Song wurde letztes Jahr zu einem Underground-Hit auf BBC-Radio, nachdem ein Demo in die Hände eines Moderators geraten war. fbcfabric: Ich habe 1995 damit begonnen, Musik zu komponieren. Mein „Background“ ist ein wirklich einfacher: Ich war so ziemlich in jedem Fach schlecht, schloss die Schule mit dem absoluten Minimum an Leistungen ab, und hatte damit dann auch kein konkretes Ziel oder sowas. Ich versuchte mich am College, und scheiterte. Also fing ich zu Hause an, Musik zu schreiben. Ich bin mir nicht sicher, warum – es scheint einfach passiert zu sein. And that´s that. Ich kann keine Instrumente spielen, weder Noten lesen noch schreiben; nichts, was ich produziere, hat soetwas wie eine musikalische Struktur. Ich höre einfach auf, wenn es mir richtig scheint. Reindeer habe ich über einen gemeinsamen Freund getroffen, der damals zusammen mit ihm geschrieben hat. Durch den Sturm Soetwas wie „It´s not who you know, but whom you know“ hat man schon lange nicht mehr gehört. Ein Album, das einerseits vollkommen der Do-It-Yourself Herangehensweise des HipHop verschrieben ist, andererseits aber vollkommen durchkomponiert und dicht verwoben scheint, eines das so Herz erwärmend knackst und knistert, das gleichzeitig so pointiert wie intuitiv und persönlich scheint, dass man schon mit dem ersten Hören vollkommen in den Bann gezogen wird. Man denke nur an erste Erfahrungen mit Mobb Deep, DJ Shadow oder auch den immer wieder bei UK-Platten herangezogenen Blade und The Streets. Die Perfektion der beiden Engländer liegt nun genau wie bei den grade genannten darin, dass sie kompromisslos zusammenfügen, was für sie wie selbstverständlich zusammengehört, was aber noch nie zusammen gehört wurde. Man spürt mit jedem Wort von reindeer, wie sehr ihn die Unmittelbarkeit einer Rap-Strophe als Teenager gereizt haben muss, man nickt zu fbcfabric's Beats, wie er sich wohl zu rauen Produktionen der Mitt-Neunziger bewegt hat. Doch als die beiden sich 1999 im Süden Londons trafen, hatten sie sich bereits weit genug von diesen Einflüssen emanzipiert, um sie als Werkzeuge für neue Musik zu nutzen. Und so stehen heute auf der Liste ihrer 25 Hätte der sich nicht von der Idee verabschiedet, wären wir jetzt zudritt. „Die hässliche Wahrheit ist, dass wir alle, ob es uns gefällt oder nicht, am Arsch sind. Wir setzen uns jetzt aber nicht weinend in die Zimmerecke, um irgendwen zu beeindrucken. Keiner von uns läuft durch die Gegend, und erzählt jedem, wie wertlos sein Leben sei.“ Letztes Jahr dann waren sie zum ersten Mal gemeinsam auf Europa Tour, und begeisterten dabei mit einer siebenköpfigen Band, die den eh schon episch weit arrangierten Songs noch ein letztes Quentchen Tiefe gaben, und ein neues Konzept der Live Umsetzung von Rap Songs, fern von peinlichen HipHop-meetsKlassik Derivaten oder The Roots Epigonen, präsentierten. Reindeers Texte und fbcfabrics Beats, das wurde damit klar, waren von Anfang an nicht mit dem Anspruch entstanden, einem Genre zuzuspielen. Die Lyrics sind prägnant genug geschrieben, um sich gar nicht erst gegen irgend etwas behaupten zu müssen, und bei den Produktionen fällt vor allem Anderen ins Auge, wie feinsinnig sie abgemischt und zusammengestellt worden sind: Instrumente, Samples, „Geräusche“ und Stimme scheinen alle gleichberechtigt und schaffen das, was der Forderung der beiden nach Atmosphäre mehr als gerecht wird. fbcfabric: Ich versuche einfach, alles so klingen zu lassen, wie es klingen sollte. Ich habe eine starke Abneigung gegen „cleane“ Musik. Das ist für mich wie, wenn man eine zwar verzerrte Gitarre so „gut“ und glatt aufnimmt, dass ihr alles an Aussagekraft genommen wird, und du dann in einem Vakuum 26 deadwords deadads zurückbleibst, in das der Gitarrist mal versucht hat, seine Gefühle zu packen. Meiner Meinung nach ist das Instrument, ja, sogar das, was auf ihm gespielt wird, nur ein sehr kleiner Teil des Gesamtbildes. Das wirklich Wichtige ist, was du nicht bewusst hörst. Alles dreht sich doch um die Umgebung des Instruments und seines Spielers – die Atmosphäre. Reindeer: Wenn da jemand im obersten Stockwerk eines Gebäudes Gitarre spielt, und dabei über die Stadt sieht, dann will ich auch diesen Raum hören, den Hauch und den Klang der Straße, wie sie durch das Fenster kommen, seine Finger am Griffbrett, seinen Atem und das Geräusch des schreienden Nachbarn. Das auf Buttercuts erschienene Album ist nun in vier Partien unterteilt, mindestens zu gleichen Teilen instrumental wie mit Vocals bestückt, und lässt dabei den einzelnen Versatzstücken genug Platz, um Stimmungen entstehen zu lassen. Es kommt der Zeitpunkt beim Hören, an dem man kaum mehr zwischen den Noise-Passagen und Rapsongs unterscheidet, an dem man von dem, was man fühlt, übermannt wird und jedem Ausdruck dessen gleiches Gewicht einräumt. fbcfabric: Über die Stimmung des Albums war schon entschieden, bevor wir überhaupt mit ihm begonnen hatten. Es war klar, dass es eine dunkle Sache werden würde, wenn man sich anschaut, in wessen Händen die Angelegenheit lag. Die hässliche Wahrheit ist, dass wir alle, ob es uns gefällt oder nicht, am Arsch sind. Wir setzen uns jetzt aber nicht weinend in die Zimmerecke, um irgendwen zu beeindrucken. Keiner von uns läuft durch die Gegend, und erzählt jedem, wie wertlos sein Leben sei. Ich kaufe auch coole Sachen, wie jeder andere auch. Der Unterschied ist wohl, dass ich mir darüber im Klaren bin, dass ich mit ihnen eine Lücke in meinem Leben fülle. Ich stelle mich mit Dingen, die ich nicht wirklich brauche, ruhig. Ich weiß nicht warum, aber ich fühle mich gut damit, und – ehrlich gesagt – ich will mich ja besser fühlen... „Ich habe eine starke Abneigung gegen „cleane“ Musik. Das ist für mich wie, wenn man eine zwar verzerrte Gitarre so „gut“ und glatt aufnimmt, dass ihr alles an Aussagekraft genommen wird, und du dann in einem Vakuum zurückbleibst, in das der Gitarrist mal versucht hat, seine Gefühle zu packen.“ reindeer: Soviel Zeit wie wir über Musik reden, reden wir auch über die Welt, in der wir leben. Es war klar, dass das Album eine Erweiterung von uns als Individuen und Freunde sein würde, die sich mit dieser verwirrenden Zeit schwertun. Das Album musste düster werden, denn wir waren an einem düsteren Ort – es geht dabei aber genauso sehr um das Kommunizieren, darum jemanden zu erreichen, zu erklären, wie es sich anfühlt. Ein Gefühl zu erzeugen, dass man nicht alleine in diesem Sturm steht. Grade arbeiten die beiden gemeinsam mit ihrer Band an einem neuen Album, und den Aufnahmen ihres derzeitigen Livesets. Daneben ist fbcfabric mit einigen Produktionen und Remixen für Freunde beschäftigt, während reindeer an Projekten gemeinsam mit 2econd Class Citizen, James P. Honey, lmnt819, Epilog und cocon arbeitet. Text: Jens Essmann. Bilder: Mike Rea October 2008 DECKARD – FUTURE WORLD EP 27 28 deadpress deadpress DEAD Vol5. 2Tall The Softer Diagram LP (Content) deadpress 2Tall ist schon eine ganze Weile im Geschäft und ständig in irgendwelche Projekte involviert. Ob im Turntablism, auf den DMC-Meisterschaften oder später mit Veröffentlichungen auf Needlework, dem inzwischen leider geschlossenen Label um die beiden Radioveteranen Mr.Trick und Waxfactor. 2007 kamen die „Senses Overloaded“ EP (zusammen mit Lamont) und das „Beautiful Mindz“ Album, das in Zusammenarbeit mit Dudley Perkins und Georgia Anne Muldrow entstand. Mit „The Softer Diagramm“ erscheint jetzt endlich wieder ein Solo Album, auf dem 2Tall seinen Ideen freien Lauf lässt. Diese äußern sich meist in einem warmen und verspielten Sound. Man merkt gleich, dass der Mann an Inspirationsquellen alles abschöpft, was ihm in seiner Karriere irgendwie über den Weg lief: Soul, HipHop, Jazz, Krautrock... Ideen sind genug da. Alles lässt sich irgendwie in einen organischrhythmischen Beat verwandeln. Ein Ausnahmetrack ist sicherlich „The Most High“, neben „Trains“ der einzige mit Feature. 2Tall liefert einen für seine Verhältnisse sehr reduzierten Beat mit eingängigem Sample als Steilvorlage für Kashmere, der noch ein paar tighte Strophen drauf setzt. An sich ein Banger, steht „The Most High“ auf dem Album allerdings allein da und wirkt für mich ein bisschen deplatziert. P.M. Aero One Wholetrain Soundtrack CD / 2LP (Stayin’ Up) Beachtlich ist es schon, was Florian Gaag a.k.a. Aero One mit „Wholetrain“ geschaffen hat. Allein das Durchhaltevermögen um so ein Großprojekt zu verwirklichen, verlangt nach Respekt. Finanzierungen und Fördermittel zu ergattern, dennoch einen möglichst authentischen Film über das Writing zu kreieren, das ist schwierig. Und auch wenn eine Gratwanderung stattfand, um auch Normalpublikum erreichen zu können, so fehlt es dem Film keineswegs an Realness – obwohl Florian Gaag selber einräumt, dass sich in den letzten Jahren in Bezug auf das Zügebemalen doch einige Sachen geändert haben. Ähnlich verhält es sich auf dem jetzt erschienenen Soundtrack mit den Features von US-Raphelden wie KRSOne und O.C., die wohl ihre besten Zeiten bereits hinter sich haben. Dennoch liefern diese auf zum Großteil ein gutes Bild ab. Zusammen mit noch etwas frischeren Künstlern wie Reef The Lost Cauze oder Akrobatik rappt man fleissig über das Writen und alles, was sonst noch dazu gehört. Aero One, der als alleiniger Produzent des Soundtracks auftritt, bestückt seine Gäste dabei mit durchaus soliden Beats. Ein überzeugendes musikalisches Gesamtwerk, das auch ohne dazugehörige Bilder funktionieren würde, kann er jedoch nicht schaffen. Der gewollten Einfachheit und Simplizität der Beats fehlt oft der wirkliche Pep, der die ohnehin kurzen Tracks über ihre Gesamtlänge interessant halten würde. Die Verspieltheit und Detailverliebtheit, die Florian Gaag im Film an den Tag legte, scheint ihm bei der Musik eher zuwider. Der Soundtrack ist somit eher nur den Hip-Hop Puristen zu empfehlen. Nebst der CD-Release, die bereits seit einigen Monaten erhältlich ist, gibt es inzwischen auch ein Vinyl-Doppelalbum. Das gibt noch mal Pluspunkte! G.S. ASUP Chiffre / Untitled 7“ (NDSTWTRST) Im Münchner Untergrund ist es am brodeln. Mit seiner ersten 7" liefert Turntablist ASUP einen richtigen Knüller ab. Die von Max Winter gestaltete Picturedisc, auf 250 Stück limitiert, steht in der Tradition des DJs als Musiker. „Chiffre“ ist ein echtes Lofi-Brett mit aufwändig editierten, staubtrockenen Drums und 8bit-Sounds. Bei „Untitled“, mit seinem 29 30 deadpress deadpress DEAD Vol5. eingängigen Vocalsample über krautige Gitarren ist ASUP eine kleine Hymne gelungen. Für DJs und Instrumental-HipHop Fans ein Must-Have! C.F. nen Kindergeschichte plus Live-DVD oder wahlweise gelbes Vinyl. When life gives you lemons, you listen to this record! A.B. Atmosphere Ape9 and Spoken Intellekt When Life Gives You Lemons, You Paint That Shit Gold CD/2LP (Rhymesayers) Conquistar el miedo EP CD (Eigenvertrieb) Rhymesayers’ Zugpferde Atmosphere haben nach der Sad Clown Serie und einem kostenlosen Download-Album mit „When Life Gives You Lemons, You Paint That Shit Gold“ ihr nunmehr 6tes Studioalbum fertiggestellt. Auf knapp 60 Minuten präsentiert sich Slug mal wieder als Meister des Seelenstriptease und zeichnet, untermalt von Ants Beats, Geschichten über die Höhen und Tiefen des Lebens und alles was dazwischen liegt. Wer Atmosphere kennt, weiß um Slugs Storytelling-Qualitäten, und so findet man sich bald in den Straßen von Minneapolis wieder, zwischen angehimmelten Kellnerinnen, Ex-Freundinnen und Menschen in ihrem täglichen Kampf um's Überleben im kapitalistischen Alltagswahnsinn. Auch bei der Musik handelt es sich um ein vielfältiges Album, das mit einer insgesamt recht entspannten Stimmung den musikalischen Sommer einläutet. Für Sammler gibt es eine limitierte CDVersion mit einer von Slug geschriebe- 7 Songs, davon 2 Solos, bietet diese Kollaboration der Rapper Ape9 und Spoken Intellekt mit dem Produzenten Charlie Coffin. Das Endprodukt klingt leider etwas sehr schrammelig, hat dadurch aber wohl das, was man „Underground-Charme“ nennt, im Überfluss. So richtig mitreißen will jedoch keiner der Songs, dazu fehlt es an einem eigenen Ansatz oder den wirklich treffenden Zeilen. J.E. B. Dolan The Failure CD (Strange Famous) Was „Spoken Word“, was „Slam Poetry“ bedeutet, ist von Deutschland aus schwer zu verstehen. Während hier vieles Applaus heischend in die Comedy-Ecke gezogen ist, oder gut gemeint als Beispiel „moderner“ Poesie in die Unterrichtsräume dirigiert wurde, reden Beobachter davon, wie beeindruckend das Ganze doch in Amerika sei. Wenn man B. Dolan's Remake seines eigenen, vor knapp 2 Jahren erschienenen Albums „The Failure“ hört, kann man sich vorstellen, was sie meinen. Denn so virtuos wie Dolan sowohl seine Stimme als auch die Worte und deren Tonlage einsetzt, so vielschichtig wie hier mit Motiven, Themen und Perspektiven gearbeitet wird, so packend und selbständig habe ich das wirklich noch auf keinem Poetry Slam gehört. Wie es der Titel schon vorgibt, ist das Scheitern die Verbindung zwischen den 16 Tracks des Albums, die vom permanenten Zwiegespräch zwischen Dolan und einer namenlosen Computerstimme zusammengehalten werden. Und wie glorreich man scheitern kann, zeigt Dolan unter anderem anhand von Jeanne D'Arc und Evel Knevel, denen er jeweils ein Gänsehaut hervorrufendes Stück widmet. Dolan, der nebenbei auch noch neben Label-Chef Sage Francis über einen Alias-Beat als Rapper überzeugt (Heart Failure), ist mit „The Failure“ inhaltlich wie von Produktionsseiten her eines der bemerkenswertesten Alben seit Langem gelungen. J.E. Bleubird Streettalk 2 MP3 (hiphopcore.net) Über die französische Seite namens hipopcore.net hat der mittlerweile in Berlin lebende Rapper Bleubird eine Free-Download EP veröffentlicht. Wer das Bühnenwunder schon einmal live gesehen hat, weiß, mit welcher Energie er seine Sache vorantreibt. Und diese spiegelt sich auf „Streettalk 2“ auch wieder. Mit ausdrucksstarken Lyrics, einem Feature von Noah23 und den Produktionen von Scott Da Ros, Raoul Sinier a.k.a. Ra, Kid Rolex, Bit Tuner, Playpad Circus und The Closing liefert Bleubird eine sehr starke RapEP ab, die sowohl inhaltlich überzeugt, als auch Köpfe zum Nicken bringt. So wird's gemacht! C.F. Boxcutter Glyphic LP / CD (Planet Mu) „Dubstep“ hat sich Boxcutter nie auf seine Fahne geschrieben. Trotzdem landen seine Veröffentlichungen in Plattenläden regelmäßig im DubstepFach. Ob es daran liegt, dass in einigen Tracks schwere Bässe mitschwingen oder das Barry Lynns Sound zum Teil recht düster klingt, kann ich nicht sagen, wahrscheinlich trägt aber auch das Planet Mu Label auf dem Rücken der Platte sein Übriges dazu bei. Schon nach dem ersten Hören weiß man, was Boxcutter meint, wenn er sagt: „I have a broad record collection and I've done my homework“. Auf dem Album spiegeln sich all diese Einflüsse in Boxcutters abstrakten, oft auch in Halfstep Beats abdriftenden Produktionen wieder. Der gleichbetitelte Opener zu „Glyphic“ stößt die Türe zum neuen Album auf und steht den Produktionen auf dem Vorgänger „Oneiric“ in nichts nach. „Windfall“ klingt vertraut dubbig, „Kalied“ verdankt sein Existenz Onkel Breakbeat und wenn man „Foxy“ hört, weiß man, dass auch ein paar Soul und Funk Platten in Lynns Regal stehen. Nach 12 Tracks, die man mühelos am Stück durchhören kann, endet das Album mit deinem atemberaubenden „Fieldtrip“. Wenn ich die Platte im Laden einsortieren müsste, dann gäbe es nur einen Platz für sie. Ganz vorne im Schaufenster. P.M. Buddy Peace Wolf Diesel Mountain CD (2600 Rec.) Wenn es derzeit einen DJ gibt, der dem Mixtape (oder mittlerweile MixCD) Business neue Impulse gibt, der ebensoviel Respekt wie Begeisterung mit jedem seiner Releases auslöst, dann ist das wohl der Brite Buddy Peace. Was er die letzten Jahre über auch veröffentlichte, es versetzte die stetig wachsende Fangemeinde in Ekstase. „Wolf Diesel Mountain“ ist nun sein neuester Streich, und sicher einer seiner besten. Zu hören gibt es darauf alles, was einen Buddy Peace Mix ausmacht: Die sympathisch kauzigen Ansagen und CutUps aus Film- und Radio-Sequenzen, sein überragendes Feingefühl beim Mixen und Remixen von Songs, die stilsicheren Arrangements und Spannungsbögen. Der Aufwand, der hierfür betrieben wurde, ist kaum mit dem, was man gemeinhin von einem Mix erwartet, zu vergleichen: Die einzelnen Songs bestehen jeweils aus einem Rap-Acapella und einem Rock-Song, der eigens für „Wolf Diesel Mountain“ geremixed und neu arrangiert wurde. Zu hören sind dabei Acapellas von Nas bis Sage Francis, und Samples von José Gonzales bis hin zu den Liars. Dies alles ist dazu noch so gekonnt und detailverliebt zusammengefügt, dass man, einmal in den Bann gezogen, kaum mehr weghören kann. Egal was das Internet noch an One-HitWonders zu bieten hat – an diese CD wird man sich auch noch in ein paar Jahren erinnern. J.E. Bulldose Overdose EP CD (Umbruch) Die Overdose EP von Bulldose ist, wie es für ein Umbruch Release typisch scheint, schwer verdaulich, polterig, unruhig bis hektisch im Umgang mit unzähligen Ideen und somit auch mit einer Menge Arbeit für den Hörer verbunden. Ähnlich wie bei Labelmate 31 32 deadpress Wodan sind auch die Beats von Bulldose geprägt von einer sehr soundorientierten Herangehensweise an das Sampling, wobei jener von diesem Standpunkt aus viel weiter in elektronische Klangwelten neigt, während dieser auf seinem Debut eher typische Samples untypisch verwendet. Das Gros der Songs verweigert sich gewohnten Strukturen, oder bricht nach kurzer Zeit aus diesen aus, um in recht überraschenden, collagenartigen Parts zu enden. Leider klingen viele der Songs etwas zu wenig prägnant und hätten im Mastering ein wenig mehr an Druck und Präsenz verdient, um bei der Masse an Versatzstücken nicht zu verwaschen. Äußerst positiv fallen dagegen die Vocal-Features von Mr.T und Conserve auf Neighbours auf, die dem Bulldose-Sound etwas griffiges verleihen, das ihm ansonsten zumindest stellenweise abgeht. J.E. Brzowski Blooddrive Vol.2 CD-R (Milled Pavement) „Blooddrive Vol.2“ ist eine Sammlung von 23 Songs, entstanden zwischen 2004 und 2008, die nicht auf den regulären Alben von Brzowski zu finden sind. Dadurch ergibt sich auch die etwas wahllose Zusammenstellung, die wohl eher für Fans interessant deadpress sein wird. Zwischen einigen Titeln, bei denen es offensichtlich scheint, warum sie liegengeblieben waren, finden sich aber durchaus auch wirklich gute Rap-Songs wie das düstere „Parasite“, produziert von XNDL, oder das auf einem Moshe-Instrumental vorgetragene „Spine“, auf dem auch K-the-I??? zu hören ist. Brzowski selbst zeigt sich dabei auf allen Songs als versierter Rapper und lässt damit auf ein wirklich gutes neues Album hoffen, das noch dieses Jahr erscheinen soll. J.E. schauen. Gedanken über persönliche Eindrücke, Hoffnungen, Warten, Unsicherheit und emotionale Spannungen am Rande einer die Reize überflutenden Umwelt finden hier ein Zuhause. Momentaufnahmen, Situationen, Verhaltensweisen exakt beobachtet, in einer detailverliebten Bildersprache reflektiert, treffen und fordern den aufmerksamen Hörer. Mögen manche andere Werke „intelligenteren“ Raps zuweilen anstrengen, kann man hier zuhören und eintauchen; cocon ist brilliantes Kopfkino. C.F. cocon cocon CD (leave.music) Dabrye Get Dirty EP 12" (Ghostly International) Anfang diesen Jahres startete das NBP-Umfeld mit dem Label leave.music den Versuch, eine Plattform für unkonventionelle deutsche Rapmusik zu etablieren. Neben Misanthrop's „Die sieben Weltwunder“ erschien dort auch das Debut von cocon mit den Gästen Audio88, Misanthrop und Epilog. Produziert wurde es von Aqua Luminus III., DJ Lide, Misanthrop, Playpad Circus und SobiC. Das selbstbetitelte Album, mit einer melancholischen Grundstimmung drängt sich dem Hörer nicht auf, sondern lädt ein in den „schützenden“ Cocon, um auch von innerhalb wieder nach draußen zu Dass sich drei Ausnahmekünstler wie Dabrye, MF Doom und Kode9 auf einem Track zusammenfinden, ist ungefähr so selten wie eine totale Sonnenfinsternis über Mitteldeutschland. Was dabei herauskommt ist auch ähnlich spektakulär und düster. Der Kode9 Remix von Dabrye's „Air“, auf dem MF Doom einige Verse einstreut, toppt das Orginal nochmal um Längen. Daneben findet sich auf der EP noch ein hörenswerter Flying Lotus Remix von „Game Over“, und die Album Version vom Namen gebenden „Get Dirty“ komplettiert die EP. P.M. Dan Le Sac VS Scroobius Pip Angles CD (Lex / Strange Famous) Mit dem ganzen Internet-Gehype reichts ja langsam. Jede zweite Band, „von der man gehört haben muss“, überlebte grade mal den millionsten Aufruf ihres Stop-Motion-Youtube Videos, der Rest schaffte es nichtmal bis dahin, und allesamt haben sie es wohl kaum bis zu einem zweiten Versuch gebracht, eine Welttournee aus Idaho zu starten. Produzent Dan Le Sac und Rapper Scroobius Pip stehen diesem Hype, der auch der ihre ist, recht gleichgültig gegenüber. Ihr Song „Thou Shalt Always Kill“ war die Thinking-Man's Hymne eines englischen Sommers, wurde von Hipstern genauso gefeiert wie von denen, die sonst jeglichen Hype ungehört an sich vorbeiziehen lassen. Über die druckvoll zerschnittene Variante eines ElectroPop Beats bekommt man da die Reflektion ebendieser falschen Heilsversprechen zu hören, und spätestens mit seinem verschnupft trockenen „Nirvana? Just a band! The Pixies? Just a band! The next big thing? Just a band!“ Part hatte Pip die Aufmerksamkeit einer viel zu selbstsicheren Musikgemeinde. Die Single lief dann durch alle Radiostationen, Clubs und Ipods der Insel, und man entschied sich nach einigen Gigs Übersee für das sympathische aber noch kleine Stran- ge Famous Label als neuen Distributionspartner. Bisher haben die beiden also so ziemlich alles richtig gemacht (inklusive einem Jel-Remix) und zudem noch ein erfrischend aktuelles Rap/Electro Album produziert, das dem zugehörigen Hype ausnahmsweise mal gerecht wird. Pip ist wohl das, was man -schwer zu übersetzen„witty“ nennt, und gibt selbst den ältesten Song-Konzepten noch einen neuen Dreh und genügend an Emotion, um den abwechslungsreichen, treibenden Beats von Dan Le Sac eine Note zu geben, die den beiden eine eigene Identität zwischen den obligatorischen Vergleichen mit The Streets und Plan B gibt. Man darf gespannt sein, was das zweite Album bringt. J.E. David Ramos This Up Here CD (Fake Four Inc.) Das erste Solo-Album von TOCAund Anonymous Inc.-Mitglied David Ramos entstand aus einem Sammelsurium von Kinderspielzeug-Instrumenten, Casiotones, Melodicas, Akkordeons, Glockenspielen, Akustikgitarren und lärmenden Schlagzeugsounds. Das Ganze ergibt eine schöne Mischung aus Lo-Fi-Folk und experimentellem Hip-Hop – eine Melange, bei der jedoch der Folk- und Singer-Songwriter-Anteil überwiegt. Egal ob beim leicht pathetischen „Kings and Queens“, dem entspannten „One Last Stop“, den krachigen „Sober Sunday“ und „Wax Fingers“, die Songs strotzen vor musikalischer Kreativität, Melodien, Ideen und Abwechslung. Keines der 17 Lieder überschreitet die vier Minuten Marke; das 30 sekündige „Count“ gehört sogar zu den Highlights. Stimmungsmäßig ist fast jede Coleur vertreten, vom verträumten, sehnsüchtigen „Satelite“ bis zum leichtfüßigen, positiv beschwingtem „How the Night Turn Cold“. Die meisten Stücke werden von lang gezogenen melancholischen Akkorden getragen und mit einer Mischung aus noisigen Lo-Fi-Drumsounds und organischem Schlagzeug in Downtempo-Geschwindigkeit unterlegt. Wobei auch die Rhythmen und Grooves immer wieder faszinieren und viele Tracks mit tollen Wechseln aufwarten. Dazu kommt noch David Ramos' Gesang, häufig fast hymnisch und stark an den Melodien orientiert – was jede Menge Ohrwürmer zur Folge hat. Auch einige eher Rap dominierte Titel, die keineswegs aus der Reihe tanzen, sondern sich gut ins Gesamtbild einfügen und David Ramos' musikalischen Hintergrund verdeutlichen, finden sich auf der Platte. Ein Album mit trashigen Lullabies, eingängigen Refrains und einer Menge Hits; vielleicht der Geheimtipp für 2008. P.S. 33 34 deadpress deadpress DEAD Vol5. Dissamonix Disharmonic Universe CD (Umbruch) Die Dissamonix aus Hamburg verbinden auf ihrem Debut für Umbruch Records vieles an Geräusch, cleane wie verzerrte Gitarrensounds, elektronisches Klangspiel, dicke Bässe und verzerrte Found-Sounds. Die 7 Songs ihreres „Disharmonic Universe“ kombinieren diese Elemente in wechselnden Konstellationen miteinander, stehen fast durchgehend unter starker Spannung und sind ein oft sehr anstrengendes, teilweise auch etwas zu angestrengtes Hörerlebnis. J.E. Dosh Wolves And Wishes CD / LP (Anticon) Dass der Stil der ersten Veröffentlichungen von Dosh, die gerne mit Four Tet verglichen wurden, vorbei ist, konnte man bereits auf „The Lost Take“, dem Vorgänger zu „Wolves and Wishes“, deutlich hören. Die Instrumentierung ist vielfältiger geworden, was meist auf die verschiedenen Gastmusiker zurückfällt, und durch den Einsatz von analogen Instrumenten kommt Dosh's Sound nun viel organischer. Die bekanntesten Gäste sind Andrew Broder von Fog, der subtile bis wilde Gitarren beisteuerte, Andrew Bird an der Violine und der Singer-Songwriter Bonnie 'Prince' Billy. Martin Dosh begeistert wieder mit variantenreichem und virtuosem Schlagzeugspiel und strahlt mit seinen typischen gewogenen Rhodes eine Menge Ruhe aus. Das ist auch tatsächlich das Interessanteste: trotz einiger Uptempo-Beats, den zum Teil sehr vollen, oft dissonanten und in ihren Strukturen fast chaotischen Stücken, verbreitet das Album geradezu das Gegenteil von Hektik. Das dürfte wohl daran liegen, dass trotz allem Analogen immer noch ein Hauch von Electronica- und IDM-Flair den Sound von Dosh umgibt. Schön ist ebenfalls, dass das Album nicht über einzelne, besonders eingängige Lieder funktioniert, sondern als ein Ganzes. Diesmal ist es gelungen, wirklich vielschichtige Songs einzuspielen, die trotzdem nicht drohen, in einem Brei von (Rhodes-)Klängen unter zugehen – wie es schon des öfteren bei Dosh der Fall war. Genau deswegen, ist „Wolves and Wishes“ wohl sein bisher bestes Album.. P.S. Epic Aging Is What Friends Do Together CD (Handsolo) Wenn Rapper meinen, sie würden ständig missverstanden, dann sollten sie sich mal mit dem kanadischen End-Dreissiger Epic unterhalten. Für viele klingt seine Musik wie eine Parodie auf Rap, und nur wenigen wird es wie mir gegangen sein: Erst als ich ihn auf seiner Tour gemeinsam mit Soso gesehen hatte, fand ich Zugang zu seiner Musik, die ich seitdem wirklich zu schätzen gelernt habe. Zu allererst: Wenns um Rap geht, meint Epic es ernst. So ernst, dass er Soso nach dessen Indie-Rock verliebten „Tinfoil on the Windows“ öffentlich den Homie aufkündigte, und sein eigenes Album, das im Übrigen zum größten Teil von jenem produziert wurde, nun über Handsolo anstatt Clothescore veröffentlicht. Mit Experimenten hat ers also nicht so, und das hört man auch auf „Aging is what Friends Do Together“. Seine Stimme klingt weiterhin äußerst dünn, den Takt trifft er auch diesmal oft nur mit größter Mühe und Soso's Beats sind erneut oft sowas von eintönig, dass es schon an eine Frechheit grenzt. Aber darum - und das lohnt es zu verstehen - geht es auf einem Epic Album einfach nicht. Epic ist, was man „brutal offen“ nennen könnte: einer der wenigen, die es schaffen, ihre Beobachtungen, Gefühle und Gedanken ohne große Umwege über Metaphern, ausgefeilte Reimkonstrukte oder verschachtelte 16tel Flows zu erzählen, ohne dabei auch nur eine Sekunde zu langweilen. Und darin hat er auf diesem, seinem dritten Solo-Album, nun eine seltene Meisterschaft erreicht. Zwischen Anspielungen auf NewSchool Rap, einer betont sozial(istisch)en Weltsicht und überbordendem Gefühl findet man mit „Sleeping Shirts“ einen der schönsten und verquersten Rap-Songs aller Zeiten. Auf „Music Appreciation“ scheint er so überwältigt, dass er teilweise kaum den Beat findet, und dazu gibt es Songs über Hockey-Spieler, seine Jugend in Saskatchewan, die Hymne „I only like Rap“, sowie unzählige Zeilen, die es zu zitieren lohnen würde... J.E. Electric President Sleep Well CD / LP + 7” (Morr Music) Diesem Album liegt ein Konzept zu Grunde: Ben Cooper träumt oft schlecht, und diese (Alp-)Träume hat er sich eine Zeit lang in einem Büchlein notiert. Während der Aufnahmen zu „Sleep Well“ ist er auf dieses Notizbuch gestoßen und hat im folgenden die Aufzeichnungen für die musikalische Umsetzung fruchtbar gemacht. Der Albumtitel bedarf also keines weiteren Kommentars. Um den Vergleich mit dem selbstbetitelten Debüt kommt man bei dem – oft so problematischen – zweiten Album aber wohl nicht herum. Hat sich die Kombination von Computer und Gitarren mittlerweile zum absoluten Konsens ent- wickelt, ist es erfrischend, dass Electric President nun von diesem Konzept etwas abrücken; „Sleep Well“ kann man nicht mehr ohne weiteres als Electro-Pop klassifizieren. Im Gegensatz zum Erstlingswerk fallen vor allem die sehr songorientierten Strukturen auf, die wesentlich komplexer geworden sind. Verantwortlich dafür ist wohl die Arbeit von Ben Cooper als Radical Face, dessen dabei gewachsener eigener Stil und Sound sich stark in die neue Platte eingeschlichen hat. In Kombination mit dem neuen, vermehrten Einsatz von Synthesizer-Sounds und E-Gitarre gelingt es Electric President, erwachsener zu klingen. Eigentlich ist es unsinnig, solch ein Album in einem Sommermonat zu veröffentlichen, doch die vielen Melodiephrasen und Ohrwürmer, von denen es überall wimmelt, machen jetzt schon mehr als neugierig auf den Abend, der auf diese Platte wartet – hoffentlich wird es bald Herbst. P.S. Ceschi und Epic geben sich, neben einigen anderen, die Klinke in die Hand. Das macht das Album zum einen extrem abwechslungsreich, zum anderen entfernt sich Factor dabei auch öfter mal vom altbewährten HipHop-Beat + MC Konzept. Ein gutes Beispiel ist „Pray“, auf dem Ceschi sich 2 Minuten lang mit pathetischem Gesang verausgabt. Ein Track der sich ins Hirn brennt. In eine ähnliche Richtung geht auch „The Leen“ mit Josh Martinez, ein Hybrid aus eingesungener Hook und gerappten Strophen. Bei 19 Tracks und 13 Gästen ist es verständlich, dass es auch schwächere Tracks auf dem Album gibt. So fragt man sich z.B. was der Track mit Sadat X auf der CD zu suchen hat. Der Mann hat darauf einfach nichts zu sagen, der Beat ist simpel und eher einfallslos. Insgesamt wirkt das Album durch sein breites Aufgebot an Künstlern auf mich eher wie eine mit viel Herzblut zusammengestellte Compilation. Neben der CD erschien eine begleitende 7“ mit 6 der 19 Albumtracks auf dem Picture Disc Label Oohhh! Thats Heavy. P.M. Factor Chandelier CD (Fake Four Inc.) Wie es auf den Alben des kanadischen Produzenten Factor so üblich ist, finden sich auch auf „Chandelier“ wieder ein gutes Dutzend MCs. Awol One & Noah23, Sadat X & Myka 9, Figuers Himno Nacional EP 12" (Fingerprint Records) Mit ihrer Private Press Instrumental EP „Himno Nacional“ finden die Figuers vor allem beim Titeltrack die passende 35 36 deadpress deadpress DEAD Vol5. Mischung aus dezent groovenden Samples und einem einfach gestrikkten, aber durchaus funktionierenden Arrangement. Die beiden weiteren Tracks flowen auch ganz gut, lassen aber das gewisse Etwas vermissen, das mit dem Hit der Seite A konkurrieren könnte. Zur Maxi-Release gibt es auch ein Album, das leider, ähnlich wie die B-Seite der 12“, nicht komplett überzeugen kann, aber durchaus einige Highlights bietet. G.I. Form Der Größte Hit Der 80er EP MP3 (fifaform.de / Eigenvertrieb) War „Ich bin 7undzwanzig Meter groß“ noch im besten Sinne vielversprechend und barst über an Ideen, so krankte es doch ab und an an den Umsetzungen, bzw. an einem halbwegs klaren Konzept. Mit „Der größte Hit der 80er“ greift form nun genau an diesem Punkt an, schraubt - auch dem EP Format geschuldet - die Trackanzahl auf gesunde 7 hinunter und hat zudem mit dem Hotwhyler einen äußerst fähigen Produzenten verpflichtet, der es schafft, dem Rapper einerseits genug Platz für seinen wilden Ideen zu lassen, andererseits aber auch der gesamten EP einen roten Faden und dem Hörer etwas mehr Orientierung zu geben. Die Beats sind allesamt sehr elektronisch gehalten, wechseln angenehm oft Tempo und Stimmung und klingen zudem mehr als amtlich. form selbst ist seinem Stil treu geblieben, verbindet aberwitzige Übertreibungen (z.B. auf „Metzgerei in der Hood“) mit freiem Flow und springt von absolutem Unsinn in einem Augenblick zu wirklich schlagenden Punchlines im nächsten. Einzig seine Fokussiertheit auf den aus seiner Sicht erbärmlichen Status Quo des Rap ist auf Dauer, selbst bei einem zumeist wirklich unterhaltsamen Rapper, ein etwas zu sehr breitgetretenes Thema. Ansonsten aber absolut zu empfehlen und vor allem auch komplett kostenlos auf www.fifaform.de J.E. The Golden Zych The Golden Zych CD-R (Eigenvertrieb) Max Stark und Brak aka DJ Breaque sind zusammen „The Golden Zych“. Auf ihrer ersten gemeinsamen Veröffentlichung finden sich 15 Songs, die die beiden unter Einsatz von Drummachines, Plattenspielern, Gitarren, Klavier, Glockenspiel und auch sonst allem, was sich so in greifbarer Nähe finden ließ, produziert haben. Das ganze klingt dann auch entsprechend verspielt und nach Jam Session, und wenn man Vergleiche sucht, dann wird man vielleicht irgendwo zwischen Daniel Johnston und Hymies Basement fündig. Zusammengehalten werden die Songs dabei vor allem durch Max Stark's freien, an frühe Fog-Aufnahmen erinnernden Gesang sowie einige Beat-Elemente. Ein verträumtes Album, das einem, wie die vielen extrem kurzen Ohrwurm-Passagen, immer wieder entwischt, wenn man denkt, man hätte es auf einen Stil festgemacht. J.E. fernt von Birkenstock und Nasenhaardreadlocks. Die Musik ist relativ reduziert und ruhig gehalten, was auch hervorragend funktioniert. Sehr warme Synthesizer und vergleichsweise leichte Drums lassen genug Raum für den Weisen aus der Bay Area. Nicht jeder Beat ist besonders besonders, aber „Artsy“ und „Show you the world“ mit Raphael Saadiq sowie „Bring It Back“ sind z.B. äußerst gelungen. Hier ruht jemand in sich. D.H. „Amused“, „2:15“ oder „Sky Roof “, auf denen man schnell bemerkt, wie sehr Ancient Mith an seiner Stimme und seinem Flow gearbeitet hat. Im Großen und Ganzen ist dies einfach ein gutes Rapalbum und ein weiterer wirklich solider Release auf ponowai flora, wenn man auch noch auf DAS eine Album eines der Label-Künstler warten muss. J.E. Hungry Giant Vorsicht Steinschlag; denn in der Vergangenheit ist es schon mal passiert, dass ein einziges Stones Throw Steinchen eine ganze Lawine ausgelöst hat. Im Falle von „Welcome“ hat man es dagegen eher mit einem Kometen zu tun, der unverhofft vom Himmel fällt. James Pants ist eine EinMann Kapelle, die sich hauptsächlich Synthesizern, Vocodern und Gesang (in der Reihenfolge) bedient. Viele Tracks sind dabei nach einem einfachen Muster aufgebaut: Elektro Funk Brett á la Mitte 1980er, darüber ein paar bis zum Anschlag verzerrt gepitchte Strophen, gerne auch selbst eingesungen, und irgendwo dazwischen findet sich immer ein flotter Break. Dass man den Texten dabei nur mit großer Mühe folgen kann, ist nicht weiter schlimm. Als sozusagen James Pants Welcome CD / LP (Stones Throw) The Grouch Show You The World CD (Alternative Distribution Alliance) Ach so. The Grouch ist doch gar kein Teil der Living Legends. Ach, doch. Jedenfalls ist er auf Legendary Music im richtigen Umfeld. Humorvolle, ehrliche und entspannte Musik ist das hier und das southern California, wo es dann doch mal regnet, hat definitiv seine Spuren hinterlassen. Ein stolzer Vater, der den Daheimgebliebenen die Welt zeigt, all den „artsy people“, denen man so begegnet auf dem Weg durch die Rapkarriere und den Straßenjungs, die ihr Leben wegwerfen, mit sehr sehr sympathischer, ja, Realness und Offenheit zur Seite steht. „I really wanna change the world and save the world/ don’t really wanna bang your girl, save your girl“. Sagt es frank und frei hinaus und ist dennoch meilenweit ent- [Under]mining Skies CD (Ponowai Flora) Ancient Mith präsentiert sein seit langem rappigstes Release unter dem Alias „Hungry Giant“. „[under]mining skies“ wurde komplett von Sean T. produziert, der sich bei der Sampleauswahl und -verwertung an den goldenen 90ern orientierte. Dadurch entstand ein Album, das harmonisch 15 Songs aneinanderreiht, ohne dabei irgend welchen Ansprüchen zwanghaft gerecht werden zu wollen. Nichts fällt so wirklich aus dem Rahmen, man spürt, wie viel Lust die beiden auf genau diesen Sound hatten. Und so bekommt man neben einigen lokker flowenden aber etwas unauffälligen Songs ein paar Highlights wie perkussives Element im Synthie-Dschungel dienen sie als Fixpunkt und geben den Stücken eine Struktur. Wenn man Glück hat, bekommt man dabei grade noch mit, worum es textlich ungefähr geht. Auch wenn sie mal, wie auf den beiden von Deon Davis begleiten Stükken, mehr im Vordergrund stehen, geht es aber nie um tiefsinnige Themen. James Pants erfindet das Rad nicht neu, gibt ihm aber durch einen gewaltigen Disco-Funk Touch, den man hierzulande nur noch mit International Pony vergleichen kann, eine wahre Unwucht mit. P.M. karhu Sinfonia For The Blunt Sword MP3 (Eigenvertrieb) Musik ist wohl die merkwürdigste Kunstgattung, die der Mensch je hervorgebracht hat. Anders als Malerei, Poesie oder Bildhauerei stellt sie die Welt nicht dar. Ein Akkord bedeutet nichts, eine Melodie hat keinen Sinn. Und doch vermag sie, unsere Sinne unmittelbarer zu treffen als alle anderen. Die Klangkunst, welcher man auf der Reise durch „Sinfonia for the Blunt Sword“ begegnet, ist nur sehr selten greifbar. Man sieht sich hier in einen weiten Raum, aufgespannt an Klanggebilden, Fetzen orchestraler Musik, kombiniert mit heftigsten GlitchAttacken und detailverliebten Frickeleien, versetzt; einem Kontrast von Musi- 37 38 deadpress kalität und berstendem Noise, Ambient Work mit sehr hohem Aggressionspotential! Vier Jahre haben Karhu gebastelt, um aus Orchestersamples, Gitarre und Stimme, mit kreativen Einsatz von Timestretch-, und anderen Hall- und Modulationsalgorithmen, vorliegendes Werk zu erschaffen. Um seiner selbst gerecht zu werden, hätte dieses Werk eigentlich als 4-fach Vinyl mit Klappcover erscheinen müssen. Die Arbeit hunderter von Stunden findet sich nun in unterschiedlichen Formaten zum freien Download unter karhumusic.org. C.F. The Latah Movement The Latah Movement CD (Knertz) Ja, ich bin voreingenommen. Und das zurecht. Ein neuer Rundumschlag des Knertz-Kollektivs. Dieses mal irgendwie Indie. Präziser wurde das Ganze schon mal als punkiger Experimental-Flöt-Core bezeichnet. Die Latahs sind fröhliche, nette Leute mit einem latenten Hang zur Durchgeknalltheit. Ja, von Trash haben wir freilich schon genug, zumindest von solchem, der aus Unfähigkeit entsteht. Die Truppe um Drummer Oskar Ohlsen besteht jedoch aus wahren Vollblutmusikern, und was einem an energiegeladenen Tracks hier frech und lautstark deadpress entgegenschmettert, macht verdammt Laune. Fröhliche Melodien, wildes Geschrei, durchtriebene Synths, mit immer wieder überraschenden Wendungen. Flippiger Scheiß im liebevoll, aufwändig gebasteltem Cover. C.F. Living Legends The Gathering CD (Alternative Distribution Alliance) „It´s been a while.“ Die lebenden Legenden wollen ihrem Namen auch im Jahr, äh, 14 ihres Bestehens immer noch gerecht werden. „The gathering“ macht das auch tatsächlich. Auf jedem der sieben Tracks ist jeder der Sympathen (Murs mag den Buschen-Schorsch wohl doch nicht mehr) zu hören und man arbeitet die klassischen Themen namens Frauen, Krieg und Frieden sowie die leidigen oder bemitleidenswerten anderen Rapper in äußerst runder Weise ab. Man sitzt da und hört einfach gern zu. Style und äußerst unterschreibenswerte Inhalte. Zurückhaltende, eher lässige Drums um die 100 bpm, latent elektroide Melodeien und die Raps im eindeutigen Vordergrund. Prädikat: „We invented fun“. Die Sonne scheint. D.H. Misanthrop Effi Briest 7” (leave.music) Machen wir es kurz: Es ist eine Schande für dieses Land insgesamt, nicht nur für die Rapszene, dass der Misanthrop nicht annähernd den Respekt bekommt, den er verdient. Die „Effi Briest“-Maxi, als 7" mit Sammelcover, gehört zum Besten, was deutscher Rap in der letzten Zeit hervorbrachte. Ziemlich klassische Beats mit wunderschönen Samples, harten Drums, endgeilen Scratches, intellektueller Aufbereitung klassischer Schriftstellerthemen, im Titeltrack sogar einer Hithook und bisweilen etwas eigenartigen Vergleichen/Betonungen. Aber Eigenarten sind exakt das, was dringend benötigt wird. Und der Thomas Mann des Rap liefert sie. Geil. D.H. Mr. Cooper What Else There Is CD / 2LP (Project: Mooncircle) Hop“ legt er gekonnt ab und macht deutliche elektronische Einflüsse hörbar. „What Else There Is“ wiegt sich in ambienten Flächen und dubbigen Bässen. Aber auch Fans vom ersten Album werden definitiv nicht enttäuscht, denn was bleibt, sind die Beats. Diese klingen zwar meist immer noch so, als hätte man sie schonmal irgendwo gehört, und auch die Arrangements sind noch vergleichweise einfach gestrickt, dennoch schafft Cooper ein überaus gelungenes Gesamtwerk, dass sich über die ganze Länge elegant wie spannend entwickelt und den Hörer in seinen Bann zieht. Am besten funktionieren dabei Songs wie „Part 03“, der aufbrausende „Part 05“, der hallende 70 BPMHit „Part 08“ und der finale „Part 10“. Das Album erscheint September als Doppelvinyl, CD und Digital Release bei Project: Mooncircle. G.S. Mr. Quibble Mr. Cooper ist zurück mit seinem zweiten Album „What Else There Is“. Wenn schon nicht bei der Kreativität der Songnamenvergebung (wieder wurde auf die Betitelung der insgesamt 10 Tracks verzichtet), kann der mittlerweile in London residierende Produzent jedoch musikalisch sehr positiv überraschen. Das ihm seit „Amongst Strangers“ anhaftende Label „Sampled Instrumental Hip- Windseeker / Odyssey 7” (Play Loud) Die beiden Produzenten / DJs Echo und Fresh Kils nennen sich gemeinsam Mr. Quibble. Auf ihrer ersten gemeinsamen 7inch bieten sie leider nur Altbekanntes: „Windseeker“ ist ein von einem zwar mitreißenden Soulsample getragener und wirklich gut ausproduzierter Song, der aber genau wie die etwas ruhigere B-Seite „Odyssey“ zu sehr nach Hintergrundmusik für schicke Lounge-Cafés klingt und dementsprechend schnell an einem vorbeifliegt. J.E. und krachigen Drums angeht, bleiben NIN nach wie vor König. Im Juli soll es dann wohl auch noch eine CD- und LPVersion zu kaufen geben. C.F. The Notwist Nine Inch Nails The Devil, You + Me CD/LP (City Slang) The Slip MP3 (Eigenvertrieb) Trent Reznor scheint Gefallen am Online-Selbstvertrieb gefunden zu haben: Gerade mal 2 Monate nach dem Release von „Ghosts I-IV“ (und der Kollaboration mit Saul Williams) veröffentlicht seine Band mit „The Slip“ schon wieder ein neues Album. Das Ganze kommt völlig kostenlos, in unterschiedlichsten Formaten (bis hin zu 24 bit, 96 kHz!!) und steht unter einer „remixfähigen” Creative-Commons Lizenz. Dass aber Quantität mit Qualität auch Hand in Hand gehen kann, beweist „The Slip“ sehr eindringlich. Die Art des Einsatzes von Gitarre, Stimme Drumcomputer und Distortion klingt oft etwas nach Homeproducing im großen Stil, soll heißen, man kann sich Herrn Reznor sehr gut beim Produzieren vorstellen, aber gerade dadurch bekommt das Album seine brachiale Direktheit, und erinnert teils gar an Stonerrock. Was das Kombinieren von melodisch minimalistischen Gesangspassagen, akzentuierten Gitarrenfills/-samples Wenn ein neues Album so lang herbeigesehnt wurde wie das von The Notwist, und gleichzeitig so viel und gut besprochen – was bleibt da noch zu sagen, außer das bereits Geschriebene zu bestätigen? Im Grunde nichts. Denn es ist wirklich eine tolle Platte geworden. Sie braucht ein paar Anläufe mehr, um sich endgültig im Gehörgang festzusetzen – der Ballast vom Vorgänger ist aber auch immens. Doch alleine das Eröffnungslied „Good Lies“ verzaubert vom ersten Moment an so sehr, dass man gar nicht anders kann, als das Album immer wieder von vorn zu hören. Ab dem Moment, wenn Markus Acher mit wackeliger Stimme, nur begleitet von einer Akustikgitarre, singt: „Let's just imitate the real, until we find a better one“, ist eigentlich schon alles entschieden. Der Rest bestätigt bald den ersten Eindruck. Nach und nach erkämpft sich jedes Lied seinen Platz, entfaltet seine Stärken, besticht mit kleinen Details. Unterm Strich ist das sechste Studioalbum eines, in dem die Band sich zwar nicht neu erfindet, trotzdem aber einen 39 40 deadpress deadpress DEAD Vol5. Schritt weitergeht; nicht unbedingt nach vorne, zumindest aber aus dem Schatten von „Neon Golden“ heraus. „The Devil, you+me“ ist gleichzeitig schroffer und poppiger als der Vorgänger, kantiger aber letztlich eingängiger, fragiler und doch genauso perfektionistisch. Dass die Band nach ihrem Riesenerfolg von „Neon Golden“ gegen diesen Sound nicht anspielt, sondern ihn gleichzeitig zu bewahren und doch zu verändern sucht, ist ihr hoch anzurechnen und vielleicht auch das Ergebnis der langen Pause. P.S. Otem Rellik Chain Reaction Robot CD (Ponowai Flora) Otem Rellik also wieder. Der sympathisch verhuschte Rapper mit den Stimmeffektgeräten auf der Bühne bringt mit „Chain Reaction Robot“ einen weiteren Beweis seiner Fähigkeiten. Meist flächige, zumindest nach Synthie klingende Melodien in Moll, straighte, manchmal zerhackte Drums und viel Gefrickel. All das unter den in typischem Otem-Rellik-Tonfall zwischen Melancholie und Verzweiflung gerappten und gesungenen Texten über Dinge wie Einsamkeit, Trauer und abstrakt poetisierte Verschwurbelungen, die mancher nachvollziehen kann, der in die Spalte gefallen ist, die unsere Art zu leben aus der Zwischenmenschlichkeit gemacht hat. Ich finde das mindestens gut. Je nach Gemütszustand kann es auch sehr erhebend sein. Auf jeden Fall hat Herr Rellik, dank der immer auf seine mit Sicherheit recht zerknautschte Kappe gehenden Beats, einen ziemlich eigenen Style entwickelt, der auch hier wieder sehr konsequent verfolgt wird. D.H. Prolyphic & Reanimator The Ugly Truth CD (Strange Famous) Eine seltsame Geburt war das: Erst werden Rapper Prolyphic und Produzent Reanimator von Sage Francis mit einander verkuppelt, dann arbeiten sie ein knappes Jahr lang an Songs, ohne sich auch nur ein einziges Mal getroffen zu haben, schließlich crashed in Chicago eine Festplatte, alles wird noch einmal aufgenommen, und als sie sich dann zum ersten Mal gegenüber stehen, ist der Anlass ein für seine Geschichte außergewöhnlich intimes Album. „The Ugly Truth“ erzählt in betont alltäglichen Geschichten von dem, was der gemeine Rapper gerne „struggle“ nennt: Den Kampf ums Überleben der eigenen Träume, leere Kühlschränke, volle Straßen, verhasste Jobs und desillusionierte Freunde. Die Themen sind also keine sonderlich neuen, was also zu erwarten bleibt, ist, wie diese verpakkt werden; und hier punkten Prolyphic & Reanimator. Ersterer ist nach 2 SoloAlben zu einem erstklassigen Erzähler gewachsen, der seine etwas quäkige Stimme zu seinem prägnanten Markenzeichen erzogen hat, und Reanimator, der spätestens seit dem von ihm produzierten Sage Francis Song „The Buzz Kill“ auf jedermanns Radar sein sollte, liefert dazu äußerst abwechslungsreiche und detailverliebt geschichtete Beats. Allein der Dreischlag von „Broken Bottles“, „Born Alone“ und „Artist Goes Pop“ mit dem das Album eröffnet, lässt einen den Hunger der beiden nach der allzu langen Wartezeit spüren. Dies hier ist eines der konsequentesten und souveränsten Rap-Alben seit langem, und eines der wenigen seit „Lucy Ford“, die dabei auch zu berühren wissen. J.E. Qwel & Kip Killagain The New Wine LP / CD (Galapagos4) Das dritte Album in der Jahreszeiten-Serie Qwels ist dem dritten Reiter der Apokalypse und der Jahreszeit Frühling gewidmet. „The New Wine“ steht dabei für unseren Durst nach Öl und Luxus im Kontrast zum Hunger derer, die auf beides verzichten müssen. Dass Qwel sich als eine verquere Mischung aus Prediger und Hardcore- Rapper versteht, hat man mittlerweile, größtenteils samt aller sich damit auftuenden Widersprüche, verdaut - wer ihm, der ohne Zweifel einer der derzeit technisch versiertesten Rapper ist, zuhören will, muss sich also auch auf seine Weltsicht und damit seinen ihr zu Grunde liegenden, streng christlichen Glauben einlassen. Hin und wieder ist das wirklich anstrengend und enervierend - grade dann wenn Kip Killagains Beats etwas sehr monoton vor sich hin plukkern - aber wenn Qwel dann mal auf den Putz haut, ist man doch wieder davon beeindruckt, dass er es noch einmal geschafft hat, sein Rapniveau zu steigern. Die Produktion ist diesmal leider nur Durchschnitt, wenn das Album auch wesentlich konziser wirkt, als das letzte, von Meaty Ogre produzierte. Kip Killagain, eigentlich ein Jungle / Drum'N'Bass Produzent, gibt sich zwar sichtlich Mühe, dem rauen Galapagos4-Sound vorsichtig ein paar neue Nuancen zu geben, seine Versuche wirken dabei aber oft sehr bemüht und die wirklichen „Hits“ fehlen leider, wenn Qwel sich auch endlich mal ein paar Pausen gönnt, und nicht wie sonst jede Sekunde des Beats berappt. J.E. Sadistik The Balancing Act CD (Clockwork Orange) Allein musikalisch ist das Debutalbum von Sadistik, das jetzt auf seinem eigenen Label Clockwork Grey erschien, schon eine Wucht. Auch wenn man sich oft an der Grenze von „zu schön“ befindet, habe ich lange kein Album mehr gehört, das sich so gefühlvoll wie harmonisch über die gesamte Spiellänge hinwegzieht. Die beiden Hauptproduzenten Equalibrium und Emancipator haben ganze Arbeit geleistet und bilden mit ihren oft epischen Instrumentalen die perfekte Untermalung für Sadistik’s sehr persönliche und metaphorische Texte. An manchen Stellen wirkt der Vortrag noch etwas angestrengt und zu ambitioniert, dennoch kann Sadistik über die Albumlänge durchaus als Rapper überzeugen. Auf Features wurde dabei nur bei zwei Tracks zurückgegriffen: „Ashes to Ashley“ holt sich Mac Lethal von den Rhymesayers und „Writes of Passage“ wartet mit niemand Geringerem als Vast Aire von Cannibal Ox auf. Letzterer glänzt mit irrsinnigen Battlerhymes, welche sich jedoch nicht ganz in das sprachliche Konzept des Albums einbinden. Dennoch bleibt der Song, der mit Cuts von den Dedicated Beatheads garniert wurde, ein weiteres Highlights der CD, welche somit jedem zu empfehlen ist. G.I. Schaman & Damja Black Books CD (Substrakt Rec.) Die Schweizer Schaman23 und Abdul Damja legen mit „Black Books” ein Kollaborationsalbum vor, das ihr gemeinsames Arbeiten der Jahre 2004 bis 2008 zur Schau stellt. Zu hören bekommt man Geschichten und Ansichten zu den eher düsteren Kapiteln des Lebens, welche von ein paar Lichtstrahlen durchzogen sind. Die auf schweizerdeutsch vorgetragenen Texte sind auch für alle verständlich, die der Schweizer Mundart nicht vollständig mächtig sind, und vermitteln dem Zuhörer ein glaubhaftes Bild ihrer Introspektion sowie der ewigen Suche nach Sinnhaftigkeit trotz allen Scheiterns. Musikalisch spiegelt sich „Black Books“ dann auch meist in ruhigen, von Synthies und Streichern getragenen Beats wider, die, wenn auch nicht immer voll ausproduziert, einen passenden Rahmen für die oft schweren Themen liefern. Wer bei Musik gerne zuhört, vor dem Schweizer Dialekt nicht sofort zurückschreckt und auch trotz Sommer und Europameisterschaft keinen Drang nach Schunkeln und Mitgrölen verspürt, dem sei diese Independent-Produktion ernsthaft ans Herz gelegt. A.B. 41 42 deadpress Snatchatec Indigo CD-R (none) Snatchatec, seines Zeichens eine Hälfte der Dedicated Beatheads und in München ein oft gebuchter Club-DJ, ist mit einer neuen Mix-CD namens „Indigo“ am Start. „60 Minutes of Glitch-Hop & other Instrumental HipHop“ heißt es ankündigend auf dem Labelaufdruck. Es geht also vorrangig um Beats, Beats und nochmals Beats. Diese lässt Snatchatec sehr gekonnt ineinander verschmelzen, und schon nach kurzem Hören wird klar, dass es sich bei der CD um einen ausgetüftelten Megamix handelt. Die Übergänge und Tracküberlagerungen fallen einem meist nur dann auf, wenn man Originalstücke wiedererkennt. So sind Klassiker von UNKLE, Mnemotrauma oder Blockhead zu hören, um nur einige wenige zu nennen. Bei wem diese Künstlernamen ebenfalls Wohlgefühl auslösen, der sollte die CD unbedingt auschecken! G.I. V.A. Knertz '08 – Collected Collection CD (Knertz) Wie man mit ungefähr 200 Wörtern, diese 27 Lieder rezensieren soll, bleibt ein Rätsel, wenn allein das Aufdröseln der verschiedenen Künstler-Konstella- deadpress tionen, die sich auf dem Knertz-Sampler tummeln, schon den kompletten Platz einnehmen würde. Fangen wir von vorne an: Knertz ist ein Kollektiv (kein Label), und der Sampler dessen nunmehr neunte Veröffentlichung; was in einem Zeitraum von einem Jahr – seit der Gründung 2007 – sehr beachtlich ist. Die CD steckt in einer schönen DIY-Verpackung, ist geklebt, getackert, mit Stoff und Farbe versehen und innen steckt ein kleines FaltPoster mit Tracklist und Infos. Ansonsten verschafft die Kompilierung einen ausgezeichneten Über- und Einblick in die verrückte, drollige, kreative, quirlige, bunte und sehr abwechslungsreiche Soundwelt der Knertzer. Versuche, die verschiedenen GenreKombinationen aufzuzählen, von denen es auf den „Collected Collections“ wimmelt, können eigentlich nur scheitern und der Musik nicht gerecht werden. Was man nennen könnte: Electronica, Experimental, (Anti)Folk, Electro, Lo-Fi, Hip Hop ein bisschen Rock und Punk – und das oft auch noch in ein und dem selben Lied. Highlights gibt es da unzählige, man möchte gar keine einzelnen Künstler oder Titel herauspicken, denn jeder Song überzeugt mit eigenem Charme. Und trotz der Vielfältigkeit an Musikstilen und -instrumenten zieht sich das knertzige, was „etwas agiles, unsteriles, analoges, manchmal krat- ziges und leicht schmutziges“ ist, als roter Faden durch die CD. Großartig! P.S. V.A. One Year & A Day - A Sound Exposure Vol.2 CD / 2LP (Equinox) Im Grunde genommen ist diese Zusammenstellung von Equinox Records Gründer DJ Scientist nichts anderes als eine Liebeserklärung. Und zwar an einen ganzen Haufen von herausragenden Künstlern, welche sich kaum unter einen Hut packen lassen. Genau dies ist allerdings ihre Gemeinsamkeit und somit auch der Leitfaden der Compilation. Nachdem Equinox in der Vergangenheit durch einige liebevoll gestaltete Veröffentlichungen für große Aufmerksamkeit bei Feinschmeckern gesorgt hat - hier sei stellvertretend die gewiefte 5inch-Serie erwähnt - gibt es nun den zweiten Teil der Sound Exposure-Samplerreihe. Mit von der Partie sind unter anderen Arcsin, 2econd Class Citizen, Deckard, Emynd, 88:Komaflash’s Aqua Luminus III. und einige mehr. Wer den Werdegang des Labels bisher verfolgt hat, weiß, dass man sich hierauf wieder querbeet durch die Musiklandschaft bewegt. Der Grundtenor des Ganzen ist ein eher düsterer, wobei in etwa der wunderschöne „Laugh Track“ von Deadpan Darling besonders hervorsticht. Ein Lieblingslied hierauf zu finden, fällt allerdings nicht leicht, da zum Beispiel „Wishing Well“ von 2econd Class Citizen in seiner Entspanntheit ebenso überzeugen kann wie das aufbrausende „A Different Direction“ von Vangel. Alles in Allem: Eine sehr gelungene und abwechslungsreiche Mischung und die logische Fortsetzung der spannenden Geschichte von Equinox. S.K. V.A. Psycufski Synfonies LP (Dreckzloch44) „Kranke Scheiße mit Gefühl“ passt ganz gut als Beschreibung auf die jetzt erschienene „Psycufski Synfonies“ Compilation aus dem Hause Dreckzloch44 Records aus Berlin. Nach einer Reihe von CD-R Releases entschied man sich endlich mal für eine Vinylveröffentlichung. Entstanden ist dabei ein 12 Tracks umfassender Einblick in das Netzwerk um DL44, dem, neben den Berliner Untergrundrappern HyPerAktiv, SchwartzeGeist oder Cazhrayn, auch illustre Gäste (von denen man im Normalfall wohl noch nie gehört hat) aus den Staaten und aus Japan angehören. Als etwas namhafteren Vertreter konnte man zudem Spectre aus dem Hause Wordsound für einen guten Instrumentaltrack gewinnen. Soundmässig bleibt das Ganze, dem Labelnamen alle Ehre machend, dreckig, roh und düster. Das Mikrofon in die Hand nehmen und ille Reime spitten heißt im Grunde das Motto. Und soll sich bloß niemand über die sich kaum verändernden Beats, kantige Flows oder fehlende Hooklines beschweren. „Psycufski Synfonies“ ist so wie sie ist, und das ist gut so! Erhältlich sind die 300 handnummerierten Exemplare der LP wahrscheinlich nur schwer. Für Anfragen und mehr Info checkt man am besten mal myspace/psysyns. G.I. Wodan Shortgroove EP CD (Lo Vibes) Wodan’s „Short Groove“ EP hat 8 Songs, davon 5 rein instrumentale und 3 die Rapper featuren, zu bieten. Der Produktionsstil der Stücke ist dabei in gleichem Maße von der Sample Ästhetik instrumentellen HipHop's wie von soundverliebten Elektronikbasteleien á la Matthew Herbert geprägt. Es gibt dicke Drumsets, schön ausbalanciertes Geklacker, einges an noisigen Breaks und schicken Sample-Arrangements. Besonders fällt dabei der Titel-Song mit seinem dubbigen Groove auf, den Wodan in immer neuen Anläufen aufschneidet, mit neuen, unerwarteten Fragmenten versieht, und dann weiterschlendern lässt. Das wunderbar schwebende „Butterfly“ und der überraschend aggressive Rausschmeisser „Odd5“ verdienen ebenfalls einige Repeats. Einzig die Rap-Einlagen von Mavys und Roluxx konnte ich nichts abgewinnen - zwischen all den neuen Klängen, wirken ihre altbekannten Themen und Vokabeln etwas hilflos und deplaziert. J.E. Wordburglar Burglaritis CD (Urbnet Canada) Krass, sowas gibt es noch. Damals, in den Neunzigern. Als man auch an ganz normale Alltagsfloskeln wie „Guten Tag“ einen Vergleich hing (wie wärs mit „wie ein guter Tag, zum Beispiel ein Tag mit schönem Wetter“?). So ähnlich geht es mir mit „Burglaritis“. Die Beats bouncen beschwingt und klassisch und natürlich samplebasiert und wären auch ganz funktional. Und persönlich ist der Herr bestimmt auch eine Bereicherung für die Menschheit. Aber die Texte. Sinnlos und albern, quasi nur über Rap rappen ist ja geil und schön, dass sich das so toll reimt, aber „We keep shit fresh – like Tupperware“, „I’m hot like a hot girl’s ass in a bikini“, „you know me like general knowledge“ ...? Ich hoffe schwer, dass ich jetzt niemandem Unrecht widerfahren lasse. Aber Rap gibt es mittlerweile in beinahe jeder Hinsicht in besser. Im Großen und Ganzen nicht das Gelbe vom Ei. Wie Eiweiß. Knawmean!? D.H. 43 44 deadlists deadlists deadlists 5 Gute Gründe Sicherlich gibt es auch für die Debut-LP der deutschen HipHop-Pioniere LSD weit mehr als 5 Gründe, sie gut zu finden. Diese Special List wird sich auf die vielleicht 5 wichtigsten und obskursten darunter beschränken. Zunächst muss ich erwähnen, dass dieses Album bisher grundlegend an mir vorübergegangen ist – zu selten und begehrt ist das 1991 erschienene Original, das mit Hits, wie „This Beats Are Legal“ oder „Competent (Remix)“ aufwartet. Dank der Neuauflage, bzw. dem Erscheinen einer re-mastered Version inklusive der Instrumentale auf dem Label Melting Pot, ist nun aber jedem die Möglichkeit gegeben, das Album neu zu entdecken. 2. Eines der ersten deutschen Rapalben Nun ja, selber behaupten die Akteure von LSD sogar, dass es sich hier generell um das erste deutsche HipHop-Album handelt. Das sollte man jetzt gleich mal berichtigen. Das erste Rapalbum aus der Bundesrepublik war wohl das musikalisch und kulturell eher unbedeutende Werk von Luxster, „Radio-Active“ von 1984 (wer Gegenvorschläge hat, bitte EMail an die Redaktion!). Luxster, allem Anschein nach ein in Deutschland stationierter GI, nahm damals mehrere, eher discolastige Raptracks mit einer deutschen Funk-Band auf. Ebenfalls nicht zu vergessen ist der begehrte ElectroHipHop Klassiker von The Alliance (It’s Time, 1989 auf Fresh Line) und das wohl erste primär auf Samples basierende deutsche Rapalbum von den Young Guns (a.k.a. DJ Derezon und MC Rodski) namens „Hyped Up“ (1989, Imperial Nation; immerhin mit 8 Tracks, aufgrund von drei zusätzlichen Instrumentalen aber oft als EP deklariert). All diesen nerdigen Kleinigkeiten zum Trotz, war „WOFTTR“ aber wohl das Beste von den Ersten und kann zurecht als Meilenstein betrachtet werden. Das kann man den Kölner Jungs nicht nehmen. 3. Die vielleicht erste deutsche HipHop-Platte die Einfluss auf einen US HipHop-Klassiker hatte 1. Die Platte mit den vielleicht meisten Samples aller Zeiten Nicht nur Future Rock, der Hauptproduzent des Albums, ist sich in einem Interview der Gruppe bei Mixery Raw Deluxe sicher: „Watch Out For The Third Rail“ (WOFTTR) ist die Platte mit den meisten Samples aller Zeiten. Die einzige Platte, die LSD vielleicht Konkurrenz machen könnte, wäre das dritte Public Enemy Album „Fear Of A Black Planet“ (1990, Def Jam). Dieses geht mit einem ähnlichen Sample Overload an den Start. Der Umstand, dass man wesentlich mehr aufwendige zusammengestückelte Skits auf „WOFTTR“ unterbrachte, verstärkt aber auch bei mir den Eindruck, als wäre das Album der Kölner in dieser Hinsicht einfach nicht zu toppen. Eine wirkliche Zählung der Samples wäre aber wohl unmöglich und könnte, laut Future Rock, um die 3 Wochen dauern. Zumindest sollen es so an die 1000 Stück sein – das ist ja mal eine Angabe! Wie im offiziellen Pressetext, einigen Artikeln und wilden Newslettern falsch behauptet, können L.S.D. aber DJ Shadow keinen Guinness Buch der Rekorde-Eintrag streitig machen. Dieser stand nach meinen Informationen nämlich nicht für das Album mit den meisten Samples, sondern für das „First Completely Sampled Album“ im Buch! Hier handelt es sich um heiße Spekulationen, die keine Geringeren als die Ultramagnetic MC’s (Ced Gee, Kool Keith, Moe Love & TR Love) und deren Album „Funk Your Head Up“ (1992, Mercury) betreffen. Laut DJ Rick Ski a.k.a. Black Vinyl Master verhielt sich das folgendermaßen: „Future Rock hatte im Sommer 1991 den Ultras die 3rd Rail in die Hand gedrückt. Man beachte dabei das Cover und das komplexe Gebilde der Songs und Skits“. Hört man nun das Ultramagnetic Album, kann man wirklich musikalische Ähnlichkeiten erkennen. Ein Statement von Ced Gee konnten wir leider nicht bekommen. Aber allein der Gedanke, Kool Keith und Ced Gee (dieser ist immerhin einer der bedeutendsten Vorreiter samplebasierter Produktion) sitzen in ihrem Studio und lauschen staundend den Klängen der 4 B-Boys aus Good Old Germany, ist schon einmalig. 4. Einflussreichste deutsche HipHop-Platte Hört man sich deutschen Rap heute so an, ist die Platte wohl doch an vielen vorbeigerauscht, doch der Anrufbeantworter-Shoutout von Torch (Advanced Chemistry) zur bereits 1989 erschienenen Competent EP ist schon super: „Jede Sau hörtL.S.D. In Heidelberg“! Vom Album war dieser und viele weitere sicherlich noch weitaus mehr beeindruckt. 5. Die bis dato längste Spielzeit einer HipHop Einfach-LP? Leider doch nicht. Produzentengenie Prince Paul hat die Messlatte mit De La Soul's "3 Feet High & Rising" unddessen ca. 62 Minuten doch zu hoch gelegt. Aber was auch immer LSD dazu bewegte, ebenfalls um die 30 Minuten pro LP-Seite zu pressen, verhinderte, dass sie vielleicht die ersten deutschen HipHopper gewesen sein könnten, die es geschafft hätten, gleich 2 LPs in nur einem Jahr herauszubringen – oder zumindest die erste Doppel-LP! Das Material hätte auf jeden Fall wohl auf zwei Alben gepasst. Denn anerkennenderweise gibt es auf „WOFTTR“ keine Ausfälle oder Füller. Vielleicht war das Ganze soundtechnisch nicht gerade empfehlenswert, aber damals hat man noch was gekriegt für sein Geld. Wenn man mal kleine Abstriche für die noch etwas kantig und „deutsch“ Vorgetragen englischen Lyrics weglässt, dann gibt es überhaupt keine Frage: „Watch Out For The Third Rail“ ist ein Klassiker, der in keiner Plattensammlung fehlen sollte. Wer jetzt wissen will, wie das ganze klingt, hört einfach in das neu aufgelegte CD-Doppelalbum oder in die auf Doppelvinyl erschienenen Instrumentale rein. Letztere bieten auch heute noch Potential für jede Tanzfläche! Text: Günter Stöppel; Bilder: MPM, Raphistory.net 45 deadlists deadlists deadlists Foto: DJ Sixkay 46 Factor (Fake Four Inc.) 40 Winks (Project: Mooncircle) Brayaz (Drumkick Radio) Reggie Reg (of The Crash Crew) DJ Snatchatec (Dedicated Beatheads / Deckpackers) Favorite Albums For High-Way Driving: Current Top 10: CurrentTop 10: Old School Celebrity Special Playlist Current Top 10 1. Digital Underground: Future Rhythm (Critique Records) Willie Gresham and The Free Food Ticket: I Cried Boo Hoo (Mejesty Records) Daedelus: Hrs:Mins:Secs (Ninja Tune) Grandmaster Flash and The Furious Five: Superrappin’ (Enjoy) Parker Feat, Rasco: Western Soul (Breakin Even) 2. Freestyle Fellowship: To Whom It May Concern (Independent) The Rising Sun: One Night Affair (Numero Group) Edan: Rock And Roll Feat. Dagha (Lewis) Funky Four Plus One More: Rappin And Rocking The House (Enjoy) The Herbaliser: Game Set And Match (!K7) 3. Fleetwood Mac: Fleetwood Mac (Warner Bros.) Wendy Rene: Crying All By Myself (Stax) Venetian Snares: Szamár Madár (Planet Mu) Kurtis Blow: The Breaks (Mercury) The Apples: Killing (Freestyle) 4. Ghostface Killah: Pretty Tony (Def Jam) Duke Ellington: Merry Go Around (RCA) James Pants feat. Deon Davis: Crystal Lite (Stones Throw) The Crash Crew: High Powered Rap (Mike & Dave Records) Marco Polo Feat. O.C.: Marquee (Rawkus) 5. Smashing Pumpkins: Greatest Hits (Virgin Records) Mulatu Astatke: Emnete (Soundway) Lefties Soul Connection: Organ Donator (Melting Pot Music) Spoonie Gee & Treacherous Three: The New Rap Language (Enjoy) Katalyst: Step Up (Invada) 6. Why?: Alopecia (Anticon.) Leila: Young Ones (Warp) Cut Chemist feat. Edan & Mr. Lif: Storm (Warner Bros. Records) The Treacherous Three: Feel The Heartbeat (Enjoy) The Souljazz Orchestra: Mista President (Do Right! Music) Arcade Fire: Funeral (Merge Records) Diverse: Escape Earth (Adult Swim) Fink: This Is The Thing (Ninja Tune) The Fearless Four: Rockin’ It (Enjoy) The Soul Snatchers: People People (Social Beats) 8. Devin The Dude: Just Trying Ta Live (Asylum Records) Mono Poly: MS14 Bitch M. Arfman: Hotel Pacific (Unique) Rob Base & D.J. E-Z Rock: It Takes Two (Profile) Speedometer: Main Man (Freestyle) 9. David Ramos: This Up Here (Fake Four Inc.) School of Seven Bells: Trance Figure (Green Owl) Balduin: Weirdo (Crippled Dick Hot Wax) Doug E. Fresh & The Get Fresh Crew: The Show (Reality) Hot 8 Brass Band: Sexual Healing (Tru Thoughts) 10. The Nonce: World Ultimate (Warner Bros.) Flako: 376 Ill K: Sushi (Dubspin) Dana Dane : Nightmares (Profile) Villain Accelerate: Things Told (Mush) 7. 47 48 deadus deadvol 5. sive on u l k in i.l.a..t..i.... p m Co ... M..P..3.-........ deadus DEAD Magazine erscheint drei mal im Jahr. Das nächste Heft erscheint voraussichtlich Dezember 2008. Verlag: DEAD Magazine Bredowstraße 38 10551 Berlin phone + 49 (30) 24 53 52 16 fax +49 (30) 24 53 52 15 Redaktionsadresse Musik: DEAD Magazine Jens Essmann Sanderglacis 9 / Hinterhof 97072 Würzburg Herausgeber: Günter Stöppel Chefredakteur: Jens Essmann Redaktion: Axel Hübner, Kristopher Harris, Günter Stöppel, Arne Brettschneider, Christian Fischer, David Häußer, Frank Herst, Patrick Schwentke, Peter Merk, Stefan Kronthaler Grafik & Layout: David Alke & Raincoatman Spezieller Dank an Holger / GrafixFiles E-Mail: post@deadmagazine.de Anzeigen: anzeigen@deadmagazine.de www.deadmagazine.com www.myspace.com/deadmagazine Grundlayout und DEAD-Logo: Florian Bröcker / Institute48 Limitierte Druckauflage inkl. 7inch: 250 Stück 1. Dday One Minimal Remnant 2.Factor feat. Ceschi Pray 3. Bleubird Brute Force 4.Asup Chiffre 5.Egogrill Am Anfang 6.Sadistik feat. Vast Aire Writes Of Passage (Original Version) 7. Marcello feat. Cellad’or Dirty Jam 8.Karhu Couverture Vertrieb Print: EQX-Music HHV.de Leavemusic.de DEADmagazine.com/store.php All rights of the owners of the recorded works reserved. Unauthorized copying, public performance, broadcasting of this recording prohibited. Credits Mit Namen gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. DEAD Magazine übernimmt keine Haftung für unverlangt eingesandte Tonträger, Manuskripte und Fotos. Alle Inhalte des Magazins sind urheberrechtlich geschützt. Nachdrucke oder jede anderweitige Verwertung bedürfen der schriftlichten Genehmigung des Verlages. 1. Produziert von Dday One | entnommen vom Album „Heavy Migration“, mit freundlicher Genehmigung von Content Records 2. Produziert von Factor | Texte von Ceschi | entnommen vom Album „Chandelier“, mit freundlicher Genehmigung von Fake Four Inc. 3. Text von Bleubird | Produziert von Bit-Tuner | entnommen der EP „Street Talk 2“, mit freundlicher Genehmigung von Bleubird und hiphopcore.net 4. Produziert von Asup | entnommen vom 7inch Release „Chiffre / Untitled“, mit freundlicher Genehmigung von NDSTWTRST Records 5. Texte von Omega Takeshi | produziert von BitTuner | entnommen vom Album „Nur ein Monster hat keine Angst vor sich selbst“, mit freundlicher Druck: Media24Service Berlin www.media24-service.de Free Download on deadmagazine.com Vertrieb Online: DEADmagazine.com Genehmigung von Leave.Music 6. Texte von Sadistik und Vast Aire | Cuts von Snatchatec und DJ Scientist | Unreleased Original Version, mit freundlicher Genehmigung von Sadistik 7. Musik von Marcello und Cellad’or | entnommen vom Album „ACAB“ | mit freundlicher Genehmigung von Marcello 8. Produziert von Karhu | entnommen vom Album "Sinfonia for the Blunt Sword“, mit freundlicher Genehmigung von Karhu 49