achtschicht statt Liebesnacht - der neue 007

achtschicht statt Liebesnacht - der neue 007

NAGHT
S O F T EPRR Ü G E L K N A B
2E
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a c h t s c h i c hstt a t t
L i e b e s n a c h- t
d e r n e u e0 0 7
Aber wie kommt der Zauber zustande?
Bonds Snobismus, von seinem Schopfer stets bestritten, wurde legendär. Fleming begründete zumindest den luxuriösen Lebensstil damit, dass in
der Gesellschaftder Fünfzigerjahre <gutes Essen
vonOliviaZeier noch rarrs war. Mit anderen Worten: Der Habitus
desgeniesserischen
Agenten bedientedie Sehnsucht
CasinoRoyalemarkierteinenParadigmenwechseldes kleinen Mannes, aus dem täglichen Einerlei der
innerhalbder Bondserie.
DerProtagonist
arbeitet Abhängigkeiten in eine Glamour-Welt zu entflielieberhart, als dasser Frauenverführt.Er ist ein hen. In den älteren Bondfilmen kommt vor allem
guterKumpelund kein unverbesserlicher
Sexist, dieseSeitezum Ausdruck. Aber eigentlich sollte der
Ur-Bond ein <sehr einfaches,vorwärts gerichtetes,
grobesInstrument der Polizei>sein, <dasknurrend
Der neueste Bondfilm fuhrt zurück in die seinen Job verrichtet>, wie Sean Connery aus GeAnfangszeitder Agentenserie,
alssich |amesBond sprächenmit Ian Fleming zu berichten weiss.aDie
seine Auszeichnung007 erst noch abverdienen ambivalente Haltung von totaler Selbstaufgabeftir
musste.Der Film ist Ian FlemingserstemAgenten- den Staat und narzisstischem Ego, das damit in
thriller nachempfunden,einem Buch, das 1953 Konflikt gerät, blieb stärker im Hintergrund. Ein
entgegenallenErwartungengrossenErfolgfeierte. Hauch davon jedoch wurde in der latenten AuflehDennochkam es bis 2006 nicht zu einer Verfil- nung gegenüber seinen jeweiligen Vorgesetzten
mung,zumindestnicht durchdasberühmteBond- bewahrt.
Team Saltzman und Broccoli.t Die Filmserie In Casino Royalevon 1967, einer Parodie auf den
startete mit JamesBond - 007 jagt Dr. No und Bondfilm, wird fames Bonds rätselhafter Charakter
während weiterer Folgen etablierte sich Sean als eine paradoxe Kombination von Begehrenund
Connery als Ur-Bond-Besetzung,
der in seiner Ablehnung definiert und der Agent 007 als KunstMännlichkeit nie so stark angezweifeltwurde wie produkt eines kranken Hirns verulkt. Seine wahre
seine Nachfolger. Harry Saltzman,einem der Natur sei die Verführung jeder Frau, aber in der
langjährigenProduzentender Seriezufolge,ent- Agentenakademiesei er dazu ausgebildetworden,
sprach SeanConnery genau dem dies nicht mehr zu wollen und müsse darum nach
gesuchtenIdeal: <Wir unterhiel- jedem Training einen Psychiateraufsuchen.Solche
ten uns und merkten sofort. dass inneren Spannungeneiner zwiespältigenFigur werer die erforderliche Männlichkeit den im neuestenFilm auch ausgereizt.
hatte, die die Rolle verlangte.
Wenn er irgendetwas besonders Zersplitterte
Männlichkeit
betonen wollte, klopfte er mit der
Faust instinktiv auf seine Knie Die Produktionvon 2006wollte die in die Jahre
und auf den Tisch. [...] Als er un- gekommeneSerie auffrischen,weniger Spezialser Büro verließ, sahenwir durch effekte,dafür mehr Körpernahkampfeinarbeiten,
das Bürofenster seine Gangart. sierealistischer
und härtergestaltenund einejünDas ist es- sagtenwir. Der Vertrag gereBesetzungwählen.s
Nicht zu übersehen
ist,dass
wurde unterschrieben.>2
DanielCraigalias]amesBondwiederdeneinfachen
Um diesein SzenegesetzteMänn- Polizisten
verkörpert,dasser härterund archaischer
lichkeit herum ist die Serie und wirkt. An Körperkraftmacht der neueBond wett,
ihr Kult-Potenzial denn auch ge- was seineVorgängeran strategischer
und intriDerneueBond:
härter
baut. Gearbeitet wird mit Varia- ganterIntelligenzan den Tag legten.Er verliertan
tionendesimmer Gleichen.Esgibt antagonistischeSnobismus,englischemCharmeund Humor, geAgentenund Agentinnen,wobei Bond stetssiegt. nerellan Leichtigkeitund Distanz.Dafurtritt er den
Auch in CasinoRoyalekämpft er gegeneinenStaats- Zuschauenden
näher.Er vermitteltVerletzlichkeit
feind, ein terroristischesNetz, das er unschädlich und Kompliziertheit,einenintimen Raum,in welmacht. Der Seriencharaktermoduliert einen chem mehr fleischlichesSubstratoffenbart wird
Helden, dessen vorprogrammierter Sieg auch anstelleeleganter
Verkleidungund Pomp.Der körepisodische
Züge annimmt. So ist sein märchen- perliche Schmerzwird geradezuzelebriert,zum
hafter Erfolgbei den Frauen,die ihm reihenweise Beispielwenn Bond an seinenGenitaliengefoltert
zu Füssenliegen,ein RunningGaggeworden.
wird. Die Kastrationsangst,
welchedieseFolterszene
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heraufbeschwört, zielt direkt auf die Zerbrechlichkeit
der Männlichkeit. Auch in Liebesdingenhapert es.
Mit der wunderschönen Solangekommt esnicht zu
einer heißen Liebesnacht.Einem Burnout nahe, so
scheint es, geben sie sich nur noch vagen Worten
der Lust hin. Wenn Bond daraufhin Champagner
und Kaviar für nur eine Person (also flir SolangeT
aufs Zimmer bestellt, markiert er den arbeitsamen
pflichtbewussten Polizisten und wirkt so, als wäre
er eigentlich froh darüber, Solangenicht verftihren
zu müssen. Gemacht ist er, wie man später sieht,
eher fur die große Liebe. Diese wird denn auch
dadurch möglich, als fames Bond nicht den patriarchalischen Besserwissermimt, sondern einen
sympathischenArbeitskumpel, der einer Frau denselben Statuszuweist wie sich selbst.
Aber: Der neue Bond ist auch eine Figur der Differenz,
weil im Hinblick auf den kursierenden Männlichkeits-Mythos des Agenten aufscheint, was er an
Überlegenheit nicht (mehr) bietet. Stehen die im
Vorspann in kleine Teilchen und geometrische
Formen zerspringenden Körper sinnbildlich fur
den zersplitterten Männlichkeitsstatuseines ]ames
Bond?
Auch an seinem sozialen Status sind schliesslich
<Mangelerscheinungen>
ablesbar.SeineSozialisation
als Waisenkind gilt in Casino Royale als Grund fiir
seine Gewaltbereitschaft,wenn er uird seine Buchhalterin sich darüber streiten,wer in der Jugendvernachlässigtwurde, und wer von ihnen nun einen
Tick oder ein zu grossesEgo ftir eine Zusammenarbeit mitbringe. Wie man sieht, ist JamesBond nicht
mehr souveränerSnob sondern ein Mann aus dem
Volk, gar ein Losertyp, der es trotz oder gerade
wegen seiner Vernachlässigung mit Fleiss und
Härte dazu gebrachthat, im SecretServiceein passendesRädchen im ach so schönen Machtsetriebe
zu werden.
...oderverletzlicher?
waser schonkennt.Doch dadurchprofilierter sich
erstrecht- beinahemärryrerhaft- für denAgentenjob. Am Schlusswird ein von der Liebeenttäuschter
Mann als Idealbesetzung
fur künftige Agentennummern gehandelt,einer, der nichts mehr zu
verlierenhat und der fatalistisch,
wie ein Terrorist,
zerstört,währender sich selbstlängstaufgegeben
hat.
DassBösesmit Bösembestraftwerdenmüsse,um
die Welt zu retten, ist schließlich eine zynische,
pervertierteIdeevon der Rettungder Welt. Bond
mutiert zum eiskaltenKiller, der von der Liebezum
letzten Mal enttäuscht,den Rest seinesohnehin
geringenVertrauensverliert.<[...] and the bitch is
dead>sag Bond zu seinerChefin am anderenEnde
der Telefonverbindung.
Nur sie und die Zuschauendenwissenum seineTragik, nämlich,dassnur
ein solcherAgentseinenIob wirklich gut verrichten
kann:um den PreisseinerMenschlichkeit.
A1'IMERKUNGEN
1 Dafürentstanden
(USA1954)vonWilliamH. Brown
Casino
Royale
ondCasino
(Gg1967)vonJohnHuston,
RTyale
mit UrsulaAndress
u n dW o o dAy l l e n .
'zSiegfried
Tesche.
JamesBond- topsecrets,
Leipzig
2006,S.415.
3 E b d .s, . 2 6 .
4 E b d s. ,. 2 5 .
DieLizenzzumTöten:Grüsse
vonderNachtseite
5 E b d .S, . 3 0 6u n dS . 3 0 9 .
derMenschlichkeit
Die Bond-Formelwird dadurchgestört,dassBond
sichin CasinoRoyaleernsthaftin seineBuchhalterin
VesperLynd verliebt.Dies alleinwäre noch keine
Neuerung,heiratetBond doch in anderenFolgen
auchund verliebtsichoftmalsein wenig.6Hier aber
will er für die LiebesogarseinenAgentenjoban den
Nagel hängen. Diese Wendung ermöglicht eine
Spiralehin zu etwassehrSchönem,dasnur mittels
etwassehr Hässlichem,nämlich durch Verrat, in
etwasNeuestransferiertwerdenkann:Durch seine
Gefuhlewird Bond zum manipulierbaren
Arbeitswerkzeug.Die enttäuschteLiebe ist eine selbsterfullendeProphezeiung,
eineWiederholungdessen,
6Aufgrund
wiederholter
Versuche,
ihnmenschlicher
erscheinen
zu
lassen.
Weiteres
in: ErichK0cian.
DieJamesBondFilme,
München
1 9 9 4S, . 1 9 .
AUTORIN
0liviaZeierstudierte
Germanistik
undEthnologie.
Dieser
Artikelist
in derFreizeit
entstanden,
im Anschluss
an dieLizenziatsarbeit
iber Jugendliche
Filnweltenin derSoziolinouistik.
olivia.zeier@bluewin.ch
NAGHT