Europa-Informationen - Evangelische Kirche in Deutschland

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Europa-Informationen - Evangelische Kirche in Deutschland
Evangelische Kirche in Deutschland
Der Bevollmächtigte des Rates
Dienststelle Brüssel
Europa-Informationen
In dieser Ausgabe:
Leitartikel Wege aus der Sinn-Krise: Ideen für ein Europa von morgen
Zukunft der EU Frische Ideen gegen die Krise - Die Beschlüsse des EU-Gipfels Ende Juni
2012 und das Van-Rompuy-Papier
Asyl und Migration Durchbruch: Die EU hat ein gemeinsames Resettlement-Programm
Demokratie & Schutz der Religionsfreiheit im Fokus der EU - Neuer Sonderbeauftragter
Menschenrechte für Menschenrechte
Forschungspolitik Horizont 2020 - EU-Mittel für Forschung und Innovation
Bildung, Jugend und Sport EU-Bildungsministerrat trifft wichtige Entscheidungen für das Förderprogramm Bildung, Jugend und Sport - „Erasmus für alle“
Kohäsionspolitik Stand der Regionalpolitik
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Juli/August 2012 | 140
Herausgeber:
Leitung:
OKR‘in Katrin Hatzinger
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Kurze Meldungen
EKD-Büro Brüssel
Rue Joseph II 166
B-1000 Brüssel
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Kontakt:
Tel. 0032 - (0)2 - 230 16 39
Fax 0032 - (0)2 - 280 01 08
ekd.bruessel@ekd.eu
Redaktion:
katrin.hatzinger@ekd.eu
ISSN: 2034-7847
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Wege aus der Sinn-Krise: Ideen
für ein Europa von morgen
(OKR‘in Katrin Hatzinger)
Aktuell steht die Bewältigung der Schulden- und
Bankenkrise im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses, doch so wichtig und notwendig eine gemeinsame Bankenaufsicht, Schuldenbremsen und eine
strenge Haushaltsdiziplin auch sind, Europa ist
mehr als der gemeinsame Markt und die gemeinsame Währung. Deshalb ist es richtig, dass Politiker
wie Finanzminister Schäuble oder der Präsident
des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, über
den Moment hinausdenken und eine Debatte zur
Schaffung einer echten politischen Union in Europa anregen. Dabei wird immer deutlicher, dass die
„zivilisierende Kraft Europas“ (Habermas) angesichts der wirtschaftlichen Probleme, der schmerzhaften Einschnitte und der gefühlten Ungerechtigkeit gerade einer Zerreißprobe ausgesetzt wird.
Längst zurecht in die Mottenkiste der Geschichte
verbannte Stereotype und Vorurteile erleben eine
gruselige Renaissance, die Zurückbesinnung auf
den Nationalstaat ist wieder en vogue, gegenseitige Schuldzuweisungen und Bevormundung sind an
der Tagesordnung. So kann es nicht weitergehen.
Es ist eine glückliche Fügung, dass es immer noch genügend Besonnenheit in der politischen Klasse Europas gibt, sich nicht vor den einfachen Botschaften
verführen zu lassen und zu populistischer Rhetorik
zu greifen, sondern bereit zu sein, den unbequemeren
Weg durch Parlamente und öffentliche Debatten zu
einer mühsamen Kompromissfindung zu beschreiten. Diese Besonnenheit war gerade in den letzten
Monaten gefragt, als die parlamentarische Demokratie immer wieder bedenklicher Marginalisierung
ausgesetzt war, die dringend beendet werden muss.
Denn die Krise wird uns noch länger begleiten.
Es wird aber auch zunehmend deutlich, welche Fehler in der Vergangenheit gemacht worden sind, die
nun zum Tragen kommen. Dabei geht es nicht nur
um die Erkenntnis, dass eine gemeinsame Währungspolitik ohne eine abgestimmte Wirtschaftsund Finanzpolitik auf Dauer nicht funktionieren
kann und dass Stabilitätskriterien eingehalten
werden müssen. Europa befindet sich auch in einer Sinnkrise. Zu lange hat man sich auf Bürokratie und Gesetzgebung verlassen, ohne die Zeit und
Energie zu investieren, das geistige Vakuum zu füllen, eine gemeinsame Identität zu schmieden und
die Menschen mitzunehmen. Solange wirtschaftsund finanzpolitisch alles rund lief und die EUFördergelder flossen, hat dieses Manko allerdings
auch nicht wirklich jemanden gestört. Europa, das
waren „die da in Brüssel“: die überbezahlten EUBeamten, die vielreisenden EU-Parlamentarier, die
in ihrer Blase vor sich hin regulierten und debattierten - oft ungeliebt und unverstanden, aber auch
EKD-Europa-Informationen Nr. 140
nicht weiter störend. Die Annehmlichkeiten einer
gemeinsamen Währung, grenzenlosen Reisens,
Arbeitens und Studierens wurden von jedermann
gerne in Anspruch genommen, aber auch nicht weiter hinterfragt. Viele gesetzgeberische Impulse aus
Brüssel blieben von einer breiteren Öffentlichkeit
weitestgehend unbemerkt. Vielen Bürgerinnen und
Bürgern ist bis heute unbekannt, wie viele Bereiche der nationalen Gesetzgebung auf Vorgaben aus
Brüssel zurückgehen und welche Bedeutung etwa
der Europäische Gerichtshof in Luxemburg bei der
Vertiefung der Integration spielt. Das Bewusstsein
für die Bedeutung der EU-Institutionen hat sich
durch die Krise gewandelt, dennoch bleibt der Blick
durch die Krise getrübt: Ein Großteil der Öffentlichkeit assoziiert Europa mit Misswirtschaft, Schulden und ständig wachsenden Rettungsschirmen.
Es ist ganz klar: Wir können in dieser globalisierten Welt mit ihren Unsicherheiten und Verteilungskämpfen Stabilität und Wohlstand dauerhaft nur
in einer Union erhalten (Dr. Wolfgang Schäuble in
der Rede zur Verleihung des Karlspreises am 17.
Mai 2012). Doch je länger die Krise dauert, desto
deutlicher zeichnet sich ab, dass sich in Europa
Grundlegendes ändern muss und dass ein „Weiter
so“ nicht der Ausweg sein kann. Für mich sind in
diesem Kontext drei Aspekte entscheidend: Europa
muss die Herzen der Menschen erreichen, Europa
muss sozial und Europa muss demokratisch sein.
Europa muss die Herzen der Menschen erreichen
Ein vereintes Europa wird nur bestehen können,
wenn Politik und gesellschaftliche Kräfte die Bürgerinnen und Bürger auch künftig für den europäischen Gedanken gewinnen, ja begeistern können.
Der Präsident des Europäischen Rates, Herman
van Rompuy, hat am 4. Juni 2012 in einer Veranstaltung in der Auferstehungskapelle im Brüsseler
Europaviertel in eindrücklicher Weise seine Vision
eines geeinten Europas vorgestellt. Er ist einer derjenigen europäischen Vordenker, denen es gelingt,
angesichts der anhaltenden Debatte der Diskussion
Tiefgang zu verleihen und das geistige Fundament
Europas mit Substanz zu füllen. Van Rompuy attestierte unseren Gesellschaften eine „Sinnkrise“.
Bezugnehmend auf den jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber und dessen Schrift „Ich und
Du“ erläuterte der Belgier, dass alles wirkliche Leben Begegnung sei. „Indem ich die Betonung auf
den anderen lege, interessiere ich mich nicht für
den anderen als Individuum, sondern für den anderen als Person, als Person, die ich im christlichen
Sinne Nachbar, meinen Nachbar nenne. (…) Ich
wünsche mir, dass sich das Schicksal Europas im
Lichte dieser Philosophie der Zusammengehörigkeit, dieser Philosophie der Begegnung entfaltet.“
Diese Chance Europas, Begegnungen mit dem Anderen in seinem Andersein zu schaffen und dabei
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die eigene Identität zu festigen, ist gerade auch für
Kirchen eine besondere Aufgabe. Denn Kirchen und
Kirchengemeinden sind bestens geeignete Räume
europäischer/ökumenischer Begegnungen. Kirchen
und Religionsgemeinschaften bieten den Menschen
ethische Orientierung und neue Sprache, um den
Wert der europäischen Idee, von Freundschaft,
Nachbarschaft und Solidarität zu vermitteln.
Europa muss sozial sein
Die Evangelische Kirche in Deutschland sieht sich
in der Verantwortung, die Europäische Union im
Sinne der Bürgerinnen und Bürger sozial und solidarisch mitzugestalten und gleichzeitig eine Brücke zwischen dem „abstrakten“ politischen Europa
und den Menschen vor Ort zu schlagen. Dieser Brückenschlag wird aber nur gelingen, wenn Europa
als Solidargemeinschaft seine sozialen Konturen
schärft, wie der Ratsvorsitzende der EKD, Präses
Nikolaus Schneider, am 9. Mai auf dem WDR-Europa-Forum in Brüssel erneut deutlichangemahnt
hat. Zurzeit sind in der EU der 27 Mitgliedstaaten
rund 23 Millionen Menschen arbeitslos, darunter
erschreckend viele junge Menschen, so dass die
Internationale Arbeitsorganisation (ILO) bereits
von einer „verlorenen Generation“ spricht. Rund
113 Millionen Menschen sind von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht. Die Schere zwischen
Arm und Reich klafft in erschreckendem Ausmaß
immer weiter auseinander, auch in Deutschland.
Gemeinsam mit ihren Wohlfahrtsverbänden haben
die beiden großen Kirchen sich sehr dafür eingesetzt, dass in die Europa-2020-Strategie für innovatives, nachhaltiges und integratives Wachstum
das Ziel der Armutsbekämpfung aufgenommen
wird (siehe EKD-Europa-Informationen Nr. 133).
Bis 2020 soll die Zahl der Menschen, die von Armut
und sozialer Ausgrenzung bedroht sind, um 20 Millionen gesenkt werden. Das ist erstmals eine quantitative Vorgabe zum Thema Armut in einem EUPapier, ein Anfang. Doch wirft man einen Blick in
die nationalen Reformprogramme zur Umsetzung
der Strategieziele, macht sich Ernüchterung breit.
Es tut sich EU-weit viel zu wenig und ausgerechnet
Deutschland geht mit schlechtem Beispiel voran.
Armut ist ein komplexes Phänomen, das entsprechend umfassender Antworten bedarf. Dass die Bundesregierung sich in ihrem im April 2012 vorgelegten
Nationalen Reformprogramm allein darauf konzentriert, die Zahl der Langzeitarbeitslosen um 320.000
Menschen zu reduzieren, ist angesichts der 16 Millionen von Armut gefährdeten Menschen in Deutschland das falsche Signal. Weitere Armutsindikatoren
werden unverständlicherweise ausgeblendet. Denn
es sind leider auch zunehmend Kinder, Alleinerziehende, Einwanderer, Ältere und Menschen mit Behinderungen, die von Armut bedroht sind. Viel stärker müsste auch das Phänomen der sog. „working
poor“, also der Menschen, die trotz Erwerbstätigkeit
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in Armut leben, in den Blick genommen werden.
Mit der gleichen Verve, mit der die EU nun den
wirtschaftlichen Aufschwung herbeiführen will,
sollte sie den Kurs gegen Arbeitslosigkeit, Armut
und soziale Ausgrenzung einschlagen. Das vorgeschlagene Job-Paket vom 19. April (siehe Artikel S.
12) ist ein erster Weg, aber solange die Vorschläge reinen Empfehlungscharakter haben, was etwa
die Einführung eines Mindestlohns in allen EUMitgliedstaaten betrifft, wird sich wenig bewegen.
Nur ein wahrhaft solidarisches Europa ist meines Erachtens zukunftsfähig, wie es sich etwa seit
Jahren in der europäischen Struktur-und Kohäsionspolitik ausdrückt (siehe Artikel S. 32). Schaffen es die politisch Verantwortlichen nicht, das
Prinzip der Sozialen Marktwirtschaft auch in der
Krise zu erhalten, werden die Menschen mit dem
„Modell Europa“ eine Gesellschaftsordnung der
sozialen Ungerechtigkeit verbinden. Der daraus
resultierende anti-europäische Reflex ist die vielleicht größte Gefahr für das Projekt Europa. Der
Mensch und nicht die Märkte müssen im Mittelpunkt der Politik stehen. Eine weitere Regulierung
der Finanzwirtschaft ist daher dringend nötig und
die Einführung einer Finanztransaktionssteuer in einigen Mitgliedstaaten ein erster Schritt.
Europa muss demokratisch sein
Ein vereintes Europa muss aber wirklich demokratisch sein, gerade vor dem Hintergrund wachsender
Kompetenzen der EU. Nur auf diese Weise werden
die Menschen Entscheidungen, die gefühlt „so weit
weg“ getroffen werden, akzeptieren und mittragen.
Ich bin davon überzeugt, dass wir Europa auf Dauer
nur voranbringen durch eine neue politische Ordnung, die mit Pragmatismus und Flexibilität die
nötigen Integrationsschritte beschreitet. Dass dies
in unterschiedlichen Geschwindigkeiten geschieht,
ist kein Novum, sondern in der Geschichte der EU
ein altbekanntes Phänomen. Die europäische Integration hatte von Anfang an diesen Charakter
des Unfertigen, diesen Prozesscharakter. Zur neuen politischen Ordnung gehört für mich außerdem
mehr Klarheit im Hinblick auf Zuständigkeiten. Es
gibt Kernbereiche nationaler Souveränität, die aus
guten Gründen dort verbleiben sollten. Nicht alles
muss in Brüssel geregelt werden, aber das was dort
geregelt wird, bedarf der demokratischen Legitimation. Insofern ist ein echtes Initiativrecht des Europäischen Parlaments mittelfristig anzustreben.
Als Evangelische Kirche in Deutschland mischen
wir uns in die EU-Politik ein und beziehen durchaus
auch kritisch Stellung zu EU-Vorhaben. Wir tun
das, weil wir an das vereinte Europa glauben und
an die Worte von Jean Monnet: „Die europäische Einigung - das ist der Beitrag für eine bessere Welt.“
EKD-Europa-Informationen Nr. 140
Zukunft der EU
Spanien beantragt europäische Hilfe
für den Bankensektor
(Christopher Hörster, Referent)
Die spanische Regierung hat am 9. Juni 2012 offiziell bestätigt, Hilfen aus dem europäischen Rettungsfond in Anspruch nehmen zu wollen. Das Land
hatte sich aus Angst vor mit Krediten verbundenen
Zwängen zu massiven Haushaltskürzungen lange
gegen eine offizielle Anfrage gesträubt, musste aber
letztlich aufgrund des wachsenden Zinsdrucks auf
Staatsanleihen einräumen, zur selbstständigen Rekapitalisierung der spanischen Banken nicht mehr
in der Lage zu sein. Nach Auskunft der Eurogruppe könnten Kredite von bis zu 100 Milliarden Euro
fließen.
Am Abend vor der Mitteilung der spanischen Regierung hatte der Internationale Währungsfonds
(IWF) Ergebnisse eines Stresstests zu Stabilität
des spanischen Bankensektors vorgelegt. Der Kapitalbedarf der spanischen Banken wurde darin auf
40 Milliarden beziffert, könnte aber bei weiteren
Kreditausfällen nach Auskunft des IWF auf bis zu
80 Milliarden anwachsen. Wesentlicher Grund des
Finanzbedarfs spanischer Banken ist die schwere
Immobilienkrise im Land. Ähnlich wie in den USA
war der Immobiliensektor seit Ende der 90er Jahre
Gegenstand massiver Spekulationen, was die Preise für Immobilien in extreme Höhen trieb und nach
Platzen der „Immobilienblase“ Anfang 2008 in Spanien zu hohen Ausfällen der Banken führte.
Da die finanziellen Hilfen für die Rekapitalisierung des Bankensektors vorgesehen sind, hofft die
spanische Regierung, harten Sparauflagen für die
öffentliche Hand, die in anderen Staaten bereits zu
erheblichen sozialen Verwerfungen geführt haben,
zu entgehen. Inwieweit dies gelingen wird, ist noch
nicht abschließend geklärt: Die genauen Konditionen für die Kreditvergabe werden in den kommenden Wochen ausgehandelt. Tatsache ist, dass die
Staatsverschuldung in Spanien Folge und nicht Ursache der Krise ist. Das Land war 2007 mit lediglich
36,3 % des eigenen BIP verschuldet, ungefähr die
Hälfte der nach den Maastricht-Kriterien erlaubten
Gesamtverschuldung.
Wie sich der spanische Hilferuf nach europäischen
Gelder auf die Wirtschaften in Europa, insbesondere in Italien, auswirken wird, bleibt abzuwarten.
Ein weiteres Mal müssen allerdings die Staats- und
Regierungschefs den Menschen in Europa erklären,
warum für Banken Milliarden bereitstehen, während Kürzungen in hochsensiblen Bereichen wie
Rente, Sozialleistungen, Krankenpflege oder Bildung „alternativlos“ sind.
EKD-Europa-Informationen Nr. 140
Frische Ideen gegen die Krise - Die
Beschlüsse des EU-Gipfels Ende Juni
2012 und das Van-Rompuy-Papier
(Martin Kasperek, Assistent)
Die Staatsschulden- und Bankenkrise hält Europa
weiter auf Trab. Beim Gipfeltreffen des Europäischen Rates am 28. und 29. Juni 2012 in Brüssel
standen die Staats- und Regierungschefs vor der
Aufgabe, angesichts der akuten wirtschaftlichen
und finanziellen Probleme der südlichen Mitgliedstaaten von EU und Eurozone kurzfristige Maßnahmen zu beschließen, aber auch mittel- und langfristige Perspektiven für einen Ausweg aus der Krise
aufzuzeigen.
Dabei trafen grundverschiedene Positionen aufeinander: Auf der einen Seite sprach sich die deutsche
Bundeskanzlerin Angela Merkel für strenge Haushaltsdisziplin und für Spar- und Reformauflagen
im Gegenzug für Finanzhilfen aus. Auf der anderen
Seite setzten sich der im Mai gewählte französische
Präsident François Hollande und die Regierungschefs aus Italien und Spanien - Mario Monti und
Mariano Rajoy - für starke Wachstumsimpulse ein.
Als Kompromiss konnte man sich in Brüssel darauf einigen, dem im März beschlossenen Fiskalpakt
(siehe EKD-Europa-Informationen Nr. 139) einen
„Pakt für Wachstum und Beschäftigung“ zur Seite
zu stellen. Dieser verlangt von den Mitgliedstaaten eine „wachstumsfreundliche Haushaltskonsolidierung“ und ruft sie dazu auf, Strukturreformen
einzuleiten. Gleichzeitig werden sie aufgerufen,
die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und soziale Ungleichgewichte zu beheben, wofür auch der Europäische Sozialfonds (ESF) eingesetzt werden soll.
Anfang Mai hatte der EKD-Ratsvorsitzende, Präses
Nikolaus Schneider, im Rahmen des WDR-Europaforums in Brüssel bereits Ähnliches gefordert, nämlich die Sparpolitik durch sozialpolitische Initiativen zu flankieren.
Wie bereits erwartet worden war, hatte auch Spanien Anfang Juni europäische Finanzhilfen für seine maroden Banken beantragt. In Brüssel konnte
Ministerpräsident Rajoy durchsetzen, dass aus dem
aktuellen Euro-Rettungsschirm EFSF (Europäische
Finanzstabilisierungsfazilität) und seinem Nachfolger, dem ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus), auch Banken mit Kapital versorgt werden
können. Dies wird jedoch erst möglich sein, nachdem eine der Europäischen Zentralbank unterstellte, gemeinsame Bankenaufsicht installiert wurde,
wozu von der EU-Kommission noch ein konkretes
Konzept erwartet wird.
Angesichts einer möglichen Inanspruchnahme von
Geldern aus dem Rettungsschirm konnte der italienische Premier Monti erreichen, dass EFSF bzw.
ESM künftig „in flexibler und effizienter Weise“
eingesetzt werden. Angeschlagene Länder müssen
dann deutlich weniger Reformauflagen erfüllen, um
Hilfsgelder zu erhalten.
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Diskutiert wurde auch die Finanztransaktionssteuer: Deren EU-weite Einführung war bereits
im Frühjahr am Widerstand Großbritanniens und
Schwedens gescheitert. Deutschland und neun andere Euroländer wollen sie nun über das Instrument der „verstärkten Zusammenarbeit“ (Art. 20
EUV / Art. 326ff. AEUV) implementieren. Ziel ist,
dem spekulativen Handel auf den Finanzmärkten
Einhalt zu gebieten.
Wie sich EU bzw. Eurozone mittel- bis langfristig
weiterentwickeln könnte, stellte Ratspräsident
Herman van Rompuy beim Gipfel in seinem Bericht mit dem Titel „Auf dem Weg zu einer echten
Wirtschafts- und Währungsunion“ vor, den er zusammen mit Kommissionspräsident José Manuel
Barroso, Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker
und EZB-Präsident Mario Draghi erarbeitet hatte.
Das Konzept enthält vier Bausteine:
1. Ein integrierter Finanzrahmen: Es soll eine
Bankenunion geschaffen werden, die eine einheitliche Bankenaufsicht einsetzt, die Abwicklung bzw. Restrukturierung maroder Banken
übernimmt und die Sicherung der Spareinlagen
vergemeinschaftet.
2. Ein integrierter Haushaltsrahmen: Auf die europäische Ebene wird die Kompetenz übertragen, eine „nicht tragfähige“ Haushaltspolitik in
einzelnen Mitgliedstaaten korrigieren zu dürfen, wozu Obergrenzen für die Verschuldung
festgelegt werden können. Außerdem sind gemeinsame Schuldanleihen vorgesehen, wobei
deren genaue Form nicht festgelegt ist - denkbar ist ein Schuldentilgungsfonds, wie ihn der
deutsche Sachverständigenrat fordert.
3. Ein integrierter wirtschaftspolitischer Rahmen:
Basierend auf der durch das „Europäische Semester“ vorgesehenen Abstimmung der nationalen Haushaltsplanung sowie dem im März
2011 beschlossenen „Euro-Plus-Pakt“ sollen
Wirtschaftspolitiken der einzelnen Mitgliedstaaten stärker koordiniert werden.
4. Stärkung der demokratischen Legitimität und
Rechenschaftspflicht: Das Konzept erkennt das
Budgetrecht als „Königsrecht“ der nationalen
Parlamente an und möchte diese sowie das Europäische Parlament eng in die künftige Wirtschafts- und Finanzpolitik der EU einbinden.
Dieses Konzept stieß beim Gipfeltreffen auf viel
Kritik, trotzdem soll van Rompuy die Überlegungen
vorantreiben und hierzu im Herbst einen Zwischenbericht ablegen.
Auf welche konkreten Maßnahmen sich die Staatsund Regierungschefs auch einigen mögen - in der
aktuellen Situation scheint es nicht nur geboten,
die Finanzmärkte zu beruhigen, sondern vor allem
auch den Bürgern zu zeigen, dass ihre demokratische Rechte gewahrt bleiben und die EU den sozialen Ausgleich in Europa fest im Auge behält.
Den Bericht von van Rompuy finden Sie unter:
http://www.consilium.europa.eu
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„Mehr Europa“ - Anmerkungen zu
einem populären Schlagwort
(Christoph Schnabel, Referent)
In der Planung von Projekten bildet ein Dreieck aus
Zeit, Kosten und Qualität das Grundmuster. Ein
höherer Zeitaufwand bedingt steigende Kosten bei
steigender Qualität. Geringere Kosten bedeuten geringere Qualität bei einem ebenso geringeren Zeitaufwand usw.: Dieses simple Planungsmuster lässt
sich auch auf das europäische Projekt übertragen,
hier lauten die Parameter allerdings Erweiterung,
Vertiefung und Demokratie. „Von den drei Zielen
der EU lassen sich stets nur zwei gleichzeitig erreichen, auf Kosten des jeweils dritten Ziels. Wer
die Demokratie erhalten will, muss daher Abstriche
bei der Vertiefung machen.“ Diese Argumentation von PD Dr. Martin Höpner (FAZ vom 27. April
2012), Wissenschaftler am Max-Planck-Institut
für Gesellschaftsforschung, greift ein wesentliches
Problem auf. Die demokratische Qualität der Europäischen Union ist in Teilen noch mangelhaft. Das
Europäische Parlament hat zwar mit dem Vertrag
von Lissabon weitere Kontrollkompetenzen und Mitentscheidungsrechte erhalten, jedoch beleibt die
Dominanz der nationalen Regierungen bestehen.
„Solange die europäischen Bürger allein ihre nationalen Regierungen als Handelnde auf der europäischen Bühne im Blick haben, nehmen sie die Entscheidungsprozesse als Nullsummenspiel wahr, in
denen sich die eigenen Akteure gegen die anderen
durchsetzen müssen“, konstatierte Jürgen Habermas (2011). Er charakterisiert den gegenwärtigen
europapolitischen Zustand als „postdemokratischen
Exekutivföderalismus“.
Mehr parlamentarische Kontrolle und demokratische Mitbestimmung stellen Auswege aus diesem
Dilemma dar. Dass dies nicht nur vage theoretische
Abhandlungen sind, wurde unlängst von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble nahegelegt. Mit
der Forderung nach einem direkt gewählten Präsidenten der Kommission und der Fortentwicklung
der Europäischen Kommission „zu einer echten
Regierung“ (Treffpunkt Gendarmenmarkt am 26.
März 2012) sind bereits konkrete Reformvorschläge in der Debatte angekommen. Auch Bundeskanzlerin Merkel kündigt an, dass „Schritt für Schritt
Kompetenzen vergemeinschaftet“ werden müssen
und die Kommission „so etwas wie eine europäische
Regierung“ sein soll“ (Prag, 3. April 2012).
Den Forderungen nach einer politischen Un ion stehen auch kritische Stimmen gegenüber. „Was Kompetenzverlagerungen angeht, sind wir jetzt schon
an der Grenze dessen angelangt, was die Verfassung erlaubt“, stellt der CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach den Äußerungen Wolfgang
Schäubles gegenüber („Stern“ vom 26. Juni 2012).
EKD-Europa-Informationen Nr. 140
Einigkeit herrscht jedoch in der Auffassung, dass
eine differenzierte Integration notwendig ist. Diese
Einschätzung wird sogar von den traditionell euroskeptischen britischen Politikern geteilt. David
Cameron, Premierminister von Großbritannien,
kündigte eine Volksabstimmung diesbezüglich an
und verwies explizit drauf, dass eine radikale „Ja-/
Nein“-Entscheidung nicht zielführend sei. Besonders der europäische Binnenmarkt und die Kooperation in sicherheits- und außenpolitischen Bereichen stellten einen Mehrwert für Großbritannien
dar.
Hierbei kommt erneut der Aspekt der Qualität zu
tragen. Welchen ökonomischen und politischen
Nutzen stellt eine verstärkte Integration dar? Das
Demokratiedefizit konnte bislang durch eine „Legitimität durch Leistung“ (Kohler-Koch 2004) ersetzt
werden. Die Zustimmung zu der Europäischen Union war besonders durch diejenigen Länder gesichert, die durch einen Beitritt und durch die Integration in den Binnenmarkt einen Wohlfahrtsgewinn
und bessere Lebensstandards verzeichnen konnten.
Die sinkende Zustimmung der Bürgerinnen und
Bürger zu einer EU-Mitgliedschaft ihres jeweiligen
Landes wird mit schlechteren ökonomischen Aussichten zunehmen. Auch ist die These einer „Output-Legitimation“ (Scharpf 1998) ins Wanken geraten. Es ist also an der Zeit, sich erneut „Gedanken
über die Finalität der europäischen Integration“ zu
machen (Fischer 2000).
Weiterführende Literaturhinweise:
Die Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel vom
03. April 2012 finden Sie unter
www.bundesregierung.de.
Beate Kohler-Koch:
Europäische Integration - Europäisches Regieren.
VS Verlag, 2004.
Joschka Fischer: Vom Staatenverbund zur Föderation - Gedanken über die Finalität der europäischen
Integration. Suhrkamp Verlag, 2000.
Jürgen Habermas: Zur Verfassung Europas - Ein
Essay. Suhrkamp Verlag , 2011.
Fritz W. Scharpf: Interdependence and Democratic
Legitimation MPIfG Working Paper 98;
http://www.mpi-fg-koeln.mpg.de.
Martin Höpner, Armin Schäfer: Die Politische Ökonomie der europäischen Integration. Campus Verlag, 2008.
Werner Weidenfeld, Wolfgang Wessels: Jahrbuch
der Europäischen Integration. 2011, Nomos 2012.
EKD-Europa-Informationen Nr. 140
Konsultation zur Unionsbürgerschaft:
„Unionsbürger - Ihre Rechte, Ihre
Zukunft“
(Maike Bannick, Praktikantin)
Das Jahr 2013 ist das „Europäische Jahr der Bürgerinnen und Bürger“. Anlässlich des 20. Jahrestages der Einführung der Unionsbürgerschaft soll der
Blickpunkt verstärkt auf die Rechte der Bürger der
Europäischen Union (EU) gelegt werden. Um einen
Eindruck zu bekommen, welche Hindernisse das
Ausleben der Unionsbürgerrechte noch einschränken, hat die Europäische Kommission am 9. Mai
2012 eine Konsultation unter dem Titel „Unionsbürger - Ihre Rechte, Ihre Zukunft“ gestartet.
Mit dem Vertrag von Maastricht 1992 wurde auch
der Unionsbürgerschaft der Weg bereitet, deren
Rechte mit dem Vertrag von Lissabon noch einmal
verstärkt worden sind. Unionsbürger ist automatisch jede Person, die eine Staatsangehörigkeit in
einem der EU-Mitgliedstaaten hat. Die Unionsbürgerschaft gewährt den Bürgern EU-weit zahlreiche
Rechte unabhängig davon, ob sie sich in dem Land
ihrer Nationalität befinden. Dazu zählen z.B. die
Reise- und Niederlassungsfreiheit, Schutz vor Diskriminierung aufgrund der Staatszugehörigkeit,
Wahlrechte, konsularischer Schutz in Drittstaaten,
das Petitionsrecht und das Recht der Bürgerinitiative.
Die Europäische Union hat bereits vor dieser Konsultation Maßnahmen ergriffen, um die Rechte der
Unionsbürgerschaft zu stärken. 2010 wurde von der
Kommission auf der Grundlage von EurobarometerErhebungen, einer im selben Jahr durchgeführten
Konsultation und Bürgeranfragen/-beschwerden
ein Bericht über die Unionsbürgerschaft veröffentlicht mit dem Ziel, die Bürger verstärkt auf ihre
Rechte und Möglichkeiten hinzuweisen. In dem Bericht wurden verschiedene Aktionsbereiche aufgeführt, in denen noch Handlungsbedarf besteht.
Dazu gehören:
• Bürger als Privatpersonen (z.B. grenzüberschreitende Anerkennung zivilrechtlicher Dokumente, Besteuerung in grenzüberschreitenden Situationen, Schutz in Strafsachen,
grenzüberschreitende
Gesundheitsvorsorge,
konsularischer Schutz in Drittstaaten)
• Bürger als Verbraucher (z.B. einheitliche Verbraucherschutzregeln, Bürger in der Rolle als
Passagiere und Urlauber)
• Bürger als Einwohner, Studenten und Berufstätige (z.B. Verwaltungsverfahren, Anerkennung
von Hochschulabschlüssen und Berufsqualifikationen, Sozialversicherungssysteme)
• Bürger als politische Akteure
• Mangel an leicht zugänglicher Information und
Unterstützung der Bürger
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• Mangelndes Bewusstsein für die Bedeutung der
Unionsbürgerschaft
Dabei wurden jeweils konkrete Maßnahmen aufgelistet, die für eine Verbesserung der Rechte und
Behebung der Schwierigkeiten der Unionsbürger
sorgen sollen. Die Kommission berichtet auf ihrer
Internetseite über die bereits erzielten Fortschritte durch diese Maßnahmen. Zum Beispiel wurde
Ende 2011 eine Richtlinie über den konsularischen
Schutz vorgelegt und eine Internetseite zum Thema
eingerichtet; eine Richtlinie über die Ausübung der
Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung wurde verabschiedet; es wurden zentrale Anlaufstellen für Bürger eingerichtet
(Portal „Ihr Europa“ und „Europe-Direct“-Zentren)
etc.
Die Konsultation läuft noch bis zum 9. September
2012. In Anlehnung an die Ergebnisse der Konsultation wird die Kommission 2013 einen neuen Bericht über die Unionsbürgerschaft präsentieren.
Mehr zu dem Thema Unionsbürgerschaft sowie die
angesprochenen Berichte finden Sie unter:
http://ec.europa.eu
Die Konsultation können Sie auf folgender Seite
einsehen:
http://ec.europa.eu
Umfrage zur Stimmungslage in
Europa - „Deutsche und Griechen als
polare Gegensätze“
(Stefanie Heuer, Assistentin)
Am 29. Mai 2012 hat die Bertelsmann-Stiftung den
„Global Attitudes Report“ des amerikanischen Meinungsforschungsinstituts „Pew Research Center“
vorgestellt.
Die Umfrage wurde zwischen Mitte März und Mitte
April 2012 in acht EU-Mitgliedstaaten (Deutschland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien,
Italien, Polen, Spanien, Tschechien) sowie den USA
telefonisch oder persönlich durchgeführt.
Der Bericht legt dar, dass die Wirtschaftskrise
große Differenzen zwischen den betreffenden EUStaaten hervorgerufen hat. Bruce Strokes, Leiter
der Forschungsgruppe am Pew Research Center,
stellte fest, dass die wirtschaftliche Situation in
den jeweiligen Ländern ausschlaggebend dafür sei,
inwieweit die Bevölkerung die Europäische Integration befürworte. Dabei eröffnet sich eine große
Lücke zwischen Deutschland und den anderen europäischen Ländern, insbesondere Griechenland.
Die befragten Deutschen empfanden mit 73 Prozent
die wirtschaftliche Situation in Deutschland als gut
und gaben mit 59 Prozent an, die europäische Integration habe ihre Wirtschaft gestärkt.
Im Durchschnitt empfanden nur 15 Prozent der
Befragten die wirtschaftliche Lage als gut und 34
Prozent sahen eine Stärkung durch die Europäische
Integration - die griechische Bevölkerung sah in ihr
vielmehr eine Schwächung der heimischen Wirtschaft. Mit Blick in die Zukunft sehen die meisten
Deutschen die wirtschaftlichen Aussichten positiv;
lediglich 27 Prozent der Deutschen befürchten eine
Verschlechterung im Gegensatz zu 81 Prozent der
Griechen.
Die Umfrage ergab des Weiteren, dass Deutschland
die angesehenste Nation mit dem am höchsten geachteten Staatschef ist. Die Deutschen werden als
die arbeitsamste Bevölkerung sowie als am wenigsten korrupt angesehen. Die Mehrzahl der Befragten
nannten die Griechen als die am wenigsten arbeitende Bevölkerung und die Italiener als am korruptesten. Nur die Griechen selbst sehen sich als das
arbeitsamste Land an. Im Allgemeinen herrscht in
Griechenland eine negative Stimmung gegenüber
den Deutschen, speziell gegen Angela Merkel.
Auch wenn die Akzeptanz für die EU und den Euro
seit Ausbruch der Wirtschaftskrise rückläufig ist,
sehen die meisten Befragten die Mitgliedschaft in
der Europäischen Union dennoch als positiv an,
darunter Polen, Deutsche, Franzosen und Spanier.
Besorgniserregend ist die drastische Abnahme der
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EKD-Europa-Informationen Nr. 140
Befürworter der EU-Mitgliedschaft in Tschechien.
Im Jahr 2009 befürworteten noch 45 Prozent der befragten Tschechen die EU-Mitgliedschaft - im Jahr
2012 nur noch 28 Prozent. Die Schuld an den wirtschaftlichen Problemen geben die meisten Befragten ihrer jeweiligen Regierung; an zweiter Stelle
stehen die Banken.
Bis auf Polen hat die überwiegende Mehrheit der
Umfrageteilnehmer ein schlechtes Bild von der Europäischen Zentralbank. Widererwarten möchte
die Mehrheit der Befragten den Euro aber behalten
(71 Prozent der Griechen, 69 Prozent der Franzosen und 66 Prozent der Deutschen) und nicht zu
ihrer früheren Währung zurückkehren. Dennoch
ist eine Mehrheit der Befragten in Großbritannien,
Griechenland, Tschechien und Deutschland gegen
die Abgabe von Haushaltskompetenzen an die Europäische Kommission. In Italien sind lediglich 40
Prozent der Befragten dagegen.
Einigkeit unter den Befragten bestand in den größten Bedrohungen des wirtschaftlichen Wohlergehens: 88 Prozent nannten Arbeitslosigkeit als die
größte Bedrohung. Danach folgten die nationale
Verschuldung sowie Inflation.
Alarmierend ist der Trend, seit Beginn der Wirtschaftskrise anti-europäisch zu denken. Dennoch
gibt es Grund zur Hoffnung: In keinem der befragten
Länder wurde die Existenz der Europäischen Union grundsätzlich in Frage gestellt. Auch herrscht
Einigkeit über die größten wirtschaftlichen Bedrohungen. Hier gilt es anzuknüpfen und gemeinsam
nach Lösungen zu suchen. Die Europaparlamentarier Elmar Brok und Reinhard Bütikofer, die bei
der Vorstellung des Berichts anwesend waren, plädierten daher für mehr Europa. Das brauche Mut
und Nerven, um schließlich gestärkt aus der Krise
hervorzugehen.
Den Bericht (in englischer Sprache) finden Sie unter:
http://www.pewglobal.org
Aus den Institutionen
„Für ein besseres Europa“ - Zypern
übernimmt EU-Ratspräsidentschaft
Am 1. Juli 2012 hat Zypern turnusgemäß die Präsidentschaft des Rates der Europäischen Union
übernommen und hat sie unter das Motto „Für ein
besseres Europa“ gestellt. Das Ziel soll es sein, den
Europäern, speziell den jungen Menschen in Europa, eine Perspektive zu geben. Die Prioritäten der
sechsmonatigen Ratspräsidentschaft besinnen sich
auf die Grundlagen der EU und lauten wie folgt:
1. Ein effizienteres und nachhaltiges Europa
2. Ein Europa mit einer leistungsfähigeren Wirtschaft, die sich auf Wachstum gründet.
3. Ein Europa, das seinen Bürgern mehr bedeutet,
mit Solidarität und sozialem Zusammenhalt.
4. Europa in der Welt, seinen Nachbarn näher.
Die erste Priorität - „ein effizienteres und nachhaltiges Europa“ - beinhaltet die Verhandlungen und
schließlich die Vollendung des Mehrjährigen Finanzrahmens für den Zeitraum 2014-2020. Im Zuge
dessen sollen auch Fortschritte bei den Verhandlungen über die rechtlichen Rahmenbedingungen
in der Gemeinsamen Agrar- und Fischereipolitik,
der Kohäsionspolitik sowie der Forschungs- und
Innovationspolitik erzielt werden. Des Weiteren
widmet sich die zyprische Ratspräsidentschaft der
Energiepolitik, insbesondere der transeuropäischen Netze für Verkehr, Telekommunikation und
Energie. Auch werden die nachhaltige Entwicklung
und grünes Wachstum durch die nachhaltige Bewirtschaftung von Ressourcen, insbesondere von
Wasser, sowie die Wiederbelebung der integrierten
Meerespolitik der EU priorisiert.
Eine leistungsfähigere und wachstumsorientierte Wirtschaft strebt Zypern durch einen neuen,
verstärkten Rahmen der Wirtschaftssteuerung,
eine stärkere Haushaltsüberwachung und größere
Markttransparenz in Bezug auf Finanzdienste an.
Um die Krise zu überwinden und das Wirtschaftswachstum wieder anzukurbeln, sieht es die Ratspräsidentschaft als wichtig an, die Strategie „Europa 2020“ weiter umzusetzen sowie Impulse zum
Ausbau des Binnenmarktes zu geben, die u.a. auf
die Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und einen leistungsfähigeren, digitalen
Einheitsmarkt abzielen.
„Ein bürgernahes Europa mit Solidarität und sozialem Zusammenhalt“ lautet der dritte Schwerpunkt.
Hier wird besonderes Augenmerk gelegt auf die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit, u.a. durch
Bildungs- und Ausbildungsprogramme, die Schaffung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems
bis Ende 2012 sowie die Förderung der Gesundheit
und des Wohlergehens von Kindern im Rahmen des
EKD-Europa-Informationen Nr. 140
9
„Europäischen Jahres für aktives Altern und Solidarität zwischen den Generationen“. Die rechtlichen Rahmenbedingungen zum Schutz personenbezogener Daten stehen ebenfalls auf der zyprischen
Prioritätenliste.
Schließlich möchten die Zyprer Europa seinen
Nachbarn näher bringen. Dieser Schwerpunkt fokussiert die südliche Dimension der europäischen
Nachbarschaftspolitik, „um die Beziehungen zu
den Mittelmeer-Partnerländern zu verbessern und
gleichzeitig den Pluralismus und eine facettenreiche
Beziehung zu gewährleisten“. Der Inselstaat sieht
außerdem vor, den EU-Erweiterungsprozess zu unterstützen, wobei die größte Schwierigkeit die Türkei darstellt, die die zyprische Ratspräsidentschaft
boykottieren will und zu Gesprächen nicht bereit
ist. Des Weiteren sollen die Ernährungssicherheit
im Rahmen der EU-Entwicklungsziele unterstützt
und die EU-Außenhandelspolitik gefördert werden.
Die Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft
kommt für Zypern zu einem Zeitpunkt, an dem sich
der kleine Inselstaat mit nur 840.000 Einwohnern
in einer schwierigen finanziellen Lage befindet
und Hilfen aus dem Euro-Rettungsschirm zu erwarten sind. Als einziges kommunistisches Staatsoberhaupt in Europa hat Dimitris Christofias eine
Herkules-Aufgabe zu bewältigen, Zypern sowie die
27 EU-Mitgliedstaaten wieder auf einen Kurs des
wirtschaftlichen Aufschwungs zu lenken.
(Stefanie Heuer)
Das Programm und die Prioritäten der zyprischen
EU-Ratspräsidentschaft finden Sie unter:
http://www.cy2012.eu
Solidarität der Generationen als
Thema beim diesjährigen Treffen der
europäischen Religionsführer
Am 12. Juli 2012 fand auf Einladung von Kommissionspräsident José Manuel Barroso bereits zum
achten Mal das Treffen der europäischen Religionsführer mit den Spitzen von EU-Kommission, Europäischen Parlament und Europäischem Rat statt.
Dieses Mal stand anlässlich des aktuellen Europäischen Jahres das Thema „Generationensolidarität Parameter für die europäische Gesellschaft von Morgen“ im Mittelpunkt des halbtägigen Austauschs.
Dazu geladen waren zudem EU-Klimakommissarin
Connie Hedegaard und der EU-Kommissar für institutionelle Angelegenheiten, Maroš Šefčovič. EPPräsident Martin Schulz ließ sich aufgrund anderer
Verpflichtungen durch Vize-Präsident László Surján vertreten.
In seinem Eingangsstatement betonte Kommissionspräsident Barroso, Europa würde nur dann gestärkt aus der Wirtschaftskrise hervorgehen, wenn
der Erhalt der Generationensolidarität im Zentrum
der Maßnahmen stehen würde. Dies sei die Bindekraft, die unsere Gemeinschaften zusammenhalten, und die Kirchen und Religionsgemeinschaften
könnten Brücken bauen.
Der Präsident des Europäischen Rates, Herman van
Rompuy versprach sich von dem Treffen Inspirationen und Ideen „gegen den Zeitgeist“ und betonte die
Kraft der Religionen, nicht nur die Glaubensfragen
zu regeln, sondern auch Solidarität und Zusammengehörigkeit zu vermitteln. Für ihn gehörten Solidarität und Verantwortung zusammen. Er betonte die
Weisheit der älteren Generationen und die Rolle
von Eltern und Familie u.a. bei der Unterstützung
für junge Arbeitslose. Der familiäre Zusammenhalt
verstärke den sozialen Zusammenhalt.
Die Vertreter der katholischen Kirche betonten bei
dem Treffen insbesondere den Schutz der „klassischen“ Familie als Kern der Gesellschaft, während
die Vertreter des Islams und des Judentums viele
praktische Beispiele für das Miteinander der Generationen in den Gemeinden in die Debatte einbrachten sowie die Notwendigkeit eines inter-religiösen
Dialogs betonten.
Die westfälische Präses Annette Kurschus nahm
als Vertreterin der EKD an dem Treffen teil und unterstrich angesichts der hohen Jugendarbeitslosigkeit die Notwendigkeit, keine Generation verloren
zu geben. Der Begriff der „lost generation“, den die
Internationale Organisation für Arbeit für die junge
Generation verwendet, werde der Lebenswirklichkeit der Menschen in keinster Weise gerecht und
führe daher nicht weiter. Der Einsatz für die aktive Gestaltung eines solidarischen Miteinanders
der Generationen sei der EKD wichtig und eine der
10
EKD-Europa-Informationen Nr. 140
großen Herausforderungen der Zukunft. Es sei eine
Frage der Teilhabegerechtigkeit. Nicht zuletzt deshalb habe man sich in Brüssel dafür stark gemacht,
die thematische Ausrichtung des Jahres nicht allein
auf die Beschäftigungsfähigkeit der älteren Generation zu richten.
Beschäftigung und Soziales
Zudem unterstrich sie, dass der demographische
Wandel natürlich elementare Auswirkungen auf
die Gemeindestrukturen im ländlichen Raum habe.
Kirche und Diakonie kämen dadurch ganz neue
Aufgaben für den sozialen Zusammenhalt zu. Dass
die Perspektive der jungen Menschen in der EKD
und den Landeskirchen eine wichtige Rolle spielt,
illustrierte sie an Hand der Jugenddelegierten auf
den Synoden. Auch die Politik müsse die Rahmenbedingungen schaffen, um ein solidarisches Miteinander der Generationen zu ermöglichen. Das gelte
für die nationale wie für die europäische Ebene. Die
Generationengerechtigkeit müsse als Querschnittsthema z.B. in der Haushalts, Sozial- und Wettbewerbspolitik mitgedacht werden.
Die Europäische Kommission hat am 21. März 2012
zwei Vorschläge zur Arbeitnehmerfreizügigkeit
vorgelegt. Zum einen soll durch die Richtlinie zur
Durchsetzung der „Entsenderichtlinie“ die Entsendung von Arbeitnehmern in andere Mitgliedstaaten
vereinfacht, zum anderen durch die Verordnung zu
kollektiven Maßnahmen ein Ausgleich zwischen
Streikrecht und Grundfreiheiten hergestellt werden.
Die dänische EU-Kommissarin Hedegaard machte
sich angesichts des Klimawandels und der jüngsten
Enttäuschung auf dem Klimagipfel „Rio+20“ für ein
neues Wachstumsmodell stark. Mit der Natur könnte man nicht verhandeln, es müsse vielmehr jetzt
gehandelt werden. Sie hoffte auf die Unterstützung
der Kirchen und Religionsgemeinschaften für einen
neuen ethischen Politikansatz, um das Bewusstsein
unter den Menschen dafür zu stärken, dass wir uns
nicht nur auf materielle Werte fokussieren sollten.
Ihr slowakischer Kollege Maroš Šefčovič hob am
Rande des Treffens seine Besorgnis über die zunehmend anti-europäische Rhetorik in vielen EU-Staaten hervor und warb bei den Religionsführern für
Unterstützung der europäischen Idee.
Auf der Pressekonferenz unterstrich der Kommissionspräsident zudem eindrücklich die Besonderheit
dieses jährlichen Termins als Ausdruck der Religionsfreiheit in der EU. “Dieses Treffen wäre in dieser Form nicht an vielen Orten dieser Welt möglich.
Ich bin stolz darauf, dass wir in der Europäischen
Union miteinander diesen Dialog führen können
und unsere Überlegungen teilen,“ so Barroso vor
der Presse.
Der Termin mit 24 Vertreterinnen und Vertretern
des Christentum, des Judentums, des Islams, aber
auch der Hindu-Religion und der Bahá’í zeigt jedenfalls erneut, dass die Kirchen und Religionsgemeinschaften mit ihrem „besonderen Beitrag“ (Art. 17
AEVU) die (EU-)Politik bereichern.
(Katrin Hatzinger)
Die EKD-Pressemeldung finden Sie unter:
http://www.ekd.de
EKD-Europa-Informationen Nr. 140
Kommission legt Vorschläge zur
Entsendung von Arbeitnehmern und
Streikrecht vor
Hintergrund der Richtline zur Durchsetzung der
Entsenderichtlinie sind bestehende Schwierigkeiten, wenn ein Arbeitgeber Angestellte in einen
anderen Mitgliedstaat entsendet, um dort Dienstleistungen zu erbringen. Obwohl insbesondere die
Gewerkschaften immer wieder eine Überarbeitung
der zugrundeliegenden Entsenderichtlinie gefordert hatten, um entsandte Arbeitnehmer heimischen Arbeitnehmern weitgehend gleichzustellen,
entschloss sich die Kommission lediglich zu einer
Richtlinie, die die praktische Anwendung der bestehenden Regelungen verbessern soll.
Hintergrund der Verordnung zum Streikrechtrecht
sind die beiden Urteil des EuGH „Viking“ und „Laval“. In den Entscheidungen wandte der EuGH die
Grundfreiheiten auf Gewerkschaften an und eröffnete so ein Spannungsverhältnis zwischen kollektiven Arbeitsmaßnahmen und den wirtschaftlichen
Freiheiten des Binnenmarktes. Die Kommission
versucht nun in dem Vorschlag, ein Gleichgewicht
zwischen marktwirtschaftlicher Integration und
sozialen Erfordernissen herzustellen. Allerdings
wurde der Vorschlag bereits vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) sowie von einzelnen Abgeordneten des Europäischen Parlaments kritisiert.
Eingriffe in das im Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten liegende Streikrecht dürften in keinem Fall
geduldet werden, erklärte beispielsweise DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach.
Richtig ist sicherlich, dass die in den Verträgen ausdrücklich den Mitgliedstaaten vorbehaltene Kompetenz bezüglich des Streikrechts (Art. 153 Abs. 5
AEUV) respektiert werden muss. Auch im Rahmen
der Entsendung ist die Forderung, Arbeitnehmer
aus anderen Mitgliedstaaten den einheimischen
gleichzustellen, sicherlich im Sinne der Europäischen Integration.
(Christopher Hörster)
Die Vorschläge der Kommission finden Sie unter:
http://ec.europa.eu
http://ec.europa.eu
11
Mitteilung der Kommission: Einen
arbeitsplatzintensiven Aufschwung
gestalten
Am 18. April 2012 hat die Europäische Kommission
ein Beschäftigungspaket vorgestellt, das konkrete
Maßnahmen zur Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze beinhaltet. Hintergrund dieser Empfehlung
sind die hohen Arbeitslosenzahlen in der Europäischen Union (EU): Im Januar 2012 lag die Arbeitslosenquote bei 10,2 %. Zwar konnten in den Jahren
2008 bis 2011 1,5 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen werden, jedoch sind in dem gleichen Zeitraum auch sechs Millionen Stellen gestrichen worden. Im Rahmen der Strategie „Europa 2020“ hat
sich die EU zum Ziel gesetzt, bis zum Jahre 2020
bei den 20- bis 64-Jährigen eine Erwerbsquote von
75 % zu erzielen, was einem Zuwachs von 17,6 Millionen Arbeitsplätzen entspricht.
Im sog. „Jobpaket“ wird zum Ausdruck gebracht,
dass die EU-Politik eine beschäftigungs- und sozialpolitische Dimension benötigt, damit die Beschäftigungssituation langfristig verbessert werden kann.
Dabei spricht sich die Kommission in ihren Ausführungen dafür aus, menschenwürdige und nachhaltige Entgelte ohne Niedrigentgeltfallen in allen
Mitgliedsstaaten zu etablieren. Damit reagiert sie
auf eine problematische Entwicklung auf dem europäischen Arbeitsmarkt, wo die Armutsrate trotz
Beschäftigung bei gut acht Prozent liegt. Außerdem fordert die Kommission eine Überarbeitung
des Kündigungsschutzes sowie der Arbeitsverträge,
um Teilzeitarbeit und befristeten Arbeitsverträgen
entgegenzuwirken und zugleich den Arbeitnehmern mehr Rechte und Sicherheiten zu gewähren.
Gleichzeitig wird das Konzept der „Flexicurity“ hervorgehoben, das den europäischen Arbeitsmarkt
modernisieren und diesem mehr Flexibilität bei
gleichzeitiger sozialer Absicherung gewähren soll.
Als Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsmarktsituation werden im Beschäftigungspaket
eine Reihe von Strategien aufgeführt. Dazu zählt
u.a. die Stärkung der nationalen Beschäftigungspolitik: Qualifikationsmöglichkeiten und Informationen über starknachgefragte Berufe sollten
verbreitet werden, um Fachkräfte in Sektoren wie
z.B. Informations- und Kommunikationstechnik,
im Gesundheitswesen und im Energiesektor auszubilden. Es müssten günstige Bedingungen für
die Schaffung neuer Arbeitsplätze geboten werden,
wie z.B. Einstellungszuschüsse. Insgesamt sei der
Fachkräftebedarf besser zu planen. Auch der Arbeitsmarkt an sich sollte reformiert werden, so dass
das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage ausgeglichen werden kann. Zur Reform gehört
genauso, geeignete Verträge für die Arbeitnehmer
zu entwickeln. Des Weiteren wird für die Schaffung eines EU-Arbeitsmarktes geworben, der erleichtern soll, einen Arbeitsplatz in einem anderen
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EU-Land anzutreten. Dafür müssen die zum Teil
noch vorhandenen Hindernisse der Arbeitnehmerfreizügigkeit beseitigt werden. Unterstützt werden
soll dieser Prozess durch den Ausbau von EURES,
dem europäischen Portal zur beruflichen Mobilität.
Auch die Koordinierung der Beschäftigungspolitik
soll ausgeweitet werden: Angedacht sind hier z.B.
Möglichkeiten für den Meinungsaustausch und das
Monitoring.
Im Zusammenhang mit dem Beschäftigungspaket,
das auf den beschäftigungspolitischen Leitlinien
nach dem Beschluss 2010/707/EU über Leitlinien
für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten basiert, wurden neun Begleitdokumente veröffentlicht, die die ausbaufähigen Handlungsfelder einzeln noch einmal genauer in den Fokus
nehmen, wie Praktika/Traineeships, Haushalt und
Pflege, Arbeitsmarktsituation der Jugendlichen,
Informations- und Kommunikationstechniken, Gesundheitswesen, grünes Wachstum, die Gestaltung
eines offenen und dynamischen Arbeitsmarktes und
ein Überblick über die Gesamtsituation auf dem
Arbeitsmarkt. Dabei werden den Mitgliedstaaten
Möglichkeiten vorgeschlagen, wie und in welchen
Sektoren Potential für zusätzliche Arbeitsplätze
vorhanden ist.
Außerdem werden Handlungsempfehlungen ausgesprochen, wie die Arbeitsmarktsituation verbessert
werden kann. Das Beschäftigungspaket stellt eine
Reaktion auf die Aufforderung des Europäischen
Rates dar, die neue wirtschaftspolitische Steuerung
durch eine stete Überwachung der Beschäftigungsund Sozialpolitik zu stärken.
Insgesamt können die sozialen Komponenten, auf
die im Jobpaket verwiesen wird, positiv bewertet
werden. Die Anregungen der Kommission sind ein
wichtiger Schritt in Reaktion auf die momentanen
schwierigen Zeiten. Das Konzept der „Flexicurity“
bringt jedoch durch den größeren Spielraum flexibler Arbeitsverhältnisse eine Gefahr für die Arbeitnehmer mit sich. Auch muss bedacht werden, dass
das Jobpaket der Kommission lediglich Handlungsempfehlungen für die Mitgliedstaaten bietet und es
keine Verpflichtungen zu den aufgeführten Schritten.
(Maike Bannick)
Die Mitteilung der Kommission sowie die erwähnten Dokumente finden Sie unter:
http://ec.europa.eu
EKD-Europa-Informationen Nr. 140
Konsultation: Qualitätsrahmen für
Praktika
Vom 19. April bis zum 11. Juli 2012 hat die Europäische Kommission eine Konsultation zu dem Thema
„Qualitätsrahmen für Praktika“ durchgeführt.
Einen Tag zuvor, am 18. April 2012, hatte die Kommission als Begleitdokument des Beschäftigungspakets „Einen arbeitsplatzintensiven Aufschwung
gestalten“ Arbeitsunterlagen für einen Qualitätsrahmen für Praktika veröffentlicht. Der Qualitätsrahmen soll ein Instrument darstellen, um in der
gesamten Europäischen Union (EU) die Qualität
der Praktika zu steigern.
Der Hintergrund dabei ist, dass es in vielen Ländern keine Vorschriften für Praktika gibt. Zudem
besteht vermehrt die Gefahr, dass Praktikanten
anstelle von regulären Arbeitskräften beschäftigt
werden.
Ziel des Qualitätsrahmens ist es, einheitliche Regelungen zu treffen in Bezug auf die Rahmenbedingungen eines Praktikums. Dazu zählen eine Entlohnung sowie eine gewisse soziale Absicherung.
Gleichzeitig soll die Dauer eines Praktikums zeitlich beschränkt werden und dessen ordnungsgemäße Anerkennung gewährleistet sein. Hinzu kommt
der Abschluss eines Arbeitsvertrags zwischen beiden Parteien, durch den die Rechte und Pflichten
der Vertragspartner deutlich werden. Des Weiteren
ist es von Bedeutung, dass der Praktikant Arbeitserfahrungen sammeln kann, die zu seinen Qualifikationen passen und ihm dabei ein Ansprechpartner an die Seite gestellt wird.
Praktika sind eine Möglichkeit, Menschen während oder nach ihrer Ausbildung Einblicke in die
Arbeitswelt zu ermöglichen und erste praktische
Erfahrungen sammeln zu können. Sie sollen einen
niedrigschwelligen Übergang von der Ausbildung
zum Arbeitsplatz ermöglichen und dadurch auch einen Beitrag dazu leisten, der hohen Jugendarbeitslosigkeit entgegenzuwirken.
Um einen Konsens über die bereits zusammengestellten möglichen Inhalte für einen Qualitätsrahmen zu finden und gegebenenfalls weitere Aspekte
mit einzubeziehen, wurde diese Konsultation durchgeführt. Die Ergebnisse werden in die Ausarbeitung
eines Qualitätsrahmens für Praktika einfließen, der
Ende 2012 vorgelegt werden soll.
(Maike Bannick)
Die Arbeitsunterlagen für den Qualitätsrahmen für
Praktika können Sie auf folgender Seite einsehen:
http://ec.europa.eu
EKD-Europa-Informationen Nr. 140
Asyl und Migration
Durchbruch: Die EU hat ein gemeinsames Resettlement-Programm
Am 29. März 2012 hat die EU nach längerem Tauziehen zwischen Europäischem Parlament, Rat
und Europäischer Kommission tatsächlich ein gemeinsames Resettlement-Programm beschlossen.
Damit ist sie u.a. einer Forderung der EKD-Synode
nachgekommen (Synodenbeschluss vom 9. November 2011). Unter „Resettlement“ (Neuansiedlung)
versteht man die dauerhafte Ansiedlung von besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen in aufnahmebereiten Drittstaaten. Dabei kommt Resettlement
als dritte sog. dauerhafte Lösung zum Flüchtlingsschutz erst dann in Betracht, wenn weder die Integration im Erstzufluchtsstaat noch die Rückkehr in
das Herkunftsland möglich sind.
Die Teilnahme an dem nun geltenden europäischen
Neuansiedlungsprogramm ist freiwillig. Durch
eine optimierte Koordination und finanzielle Anreize sollen möglichst viele EU-Staaten dazu ermutigt werden, ihren Anteil an Resettlement-Plätzen
auszubauen: Vor allem die EU-Staaten, die sich
erstmalig an der Neuansiedlung beteiligen, sollen
von der Förderung profitieren. Vorgeschlagen sind
6.000 Euro je angesiedelter Person im ersten Jahr,
5.000 Euro im zweiten Jahr und 4.000 Euro ab dem
dritten Jahr. Das Geld dafür stammt aus dem europäischen Flüchtlingsfonds. Momentan liegt die finanzielle Unterstützung für eine Neuansiedlung bei
4.000€ pro Person. Auch gestattet es das Programm
den EU-Staaten, im Rahmen vorab vereinbarter
Prioritäten jährlich bestimmte Bevölkerungsgruppen für die Neuansiedlung auszuwählen. Für 2013
sind dies: irakische Flüchtlinge in der Türkei, Syrien, Libanon und Jordanien; afghanische Flüchtlinge in der Türkei, Pakistan und im Iran; kongolesische Flüchtlinge in Burundi, Malawi, Ruanda und
Sambia sowie somalische Flüchtlinge in Äthiopien.
Für die neue finanzielle Vorausschau 2014 bis 2020
schlägt die Kommission vor, ein flexibleres System
zu entwickeln, welches noch attraktiver für die
Mitgliedstaaten ist, den strategischen Nutzen der
Neuansiedlung ausweitet und die Mitgliedstaaten
dabei unterstützt, weitere nationale Programme zu
entwickeln.
Die Einführung des europäischen Programms
hatte sich aufgrund von Kompetenzstreitigkeiten
zwischen Europäischem Parlament und Rat lange
verzögert. Der Vorschlag der Kommission datiert
bereits aus dem Jahr 2009 (siehe EKD-Europa-Informationen Nr. 130). Aufgrund seiner Unverbindlichkeit kommt dem europäischen Programm eher
eine symbolische Bedeutung zu, allerdings darf
auch seine strategische Wirkung, Mitgliedstaaten
aufgrund des finanziellen Anreizes für Resettlement zu interessieren, nicht unterschätzt werden.
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Bislang gibt es unter den europäischen Staaten, die
Neuansiedlungen durchführen, keine einheitliche
Strategie. Eine engere Zusammenarbeit und Koordination auf EU-Ebene auf Basis einheitlich formulierter Resettlement-Kriterien könnte die Effektivität des Verfahrens verstärken und die Kosten
für jedes einzelne Verfahren senken. Gleichzeitig
könnten dann Erfahrungen weitergegeben werden,
sodass auch die Länder, die neu zum ResettlementProgramm hinzustoßen, zielgerichteter mit der Aufnahme beginnen können.
Von den jährlich ca. 100.000 Flüchtlingen mit Resettlement-Bedarf werden weltweit etwa 80.000
Flüchtlinge in 22 Resettlement-Staaten neuangesiedelt, davon der Großteil in den USA, Kanada und
in Australien. Die Europäische Union stellt nach
Angaben des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten
Nationen (UNHCR) etwa acht Prozent der weltweit verfügbaren Resettlement-Plätze. Dreizehn
Mitgliedsstaaten verfügen bisher über ein Resettlement-Programm: Schweden, Dänemark, Finnland,
die Niederlande, Großbritannien, Irland, Portugal,
Frankreich, Rumänien, Tschechien, Spanien, Ungarn und Bulgarien. Die meisten Neuansiedlungsplätze stellen dabei die skandinavischen Länder
zur Verfügung. Deutschland hat in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder in Ad-hoc-Aktionen
Flüchtlinge aus verschiedenen Gebieten aufgenommen, wenn eine besondere Krisensituation bestand.
Bisher verfügte Deutschland jedoch über kein festes
Programm. Die Innenministerkonferenz hat jedoch
im Dezember 2011 beschlossen, je 300 Flüchtlinge
in den kommenden drei Jahren in Deutschland im
Wege eines Neuansiedlungsprogramms in Deutschland aufzunehmen.
Für 2012 geht der UNHCR davon aus, dass bei Beachtung der Auswahlkriterien gut 170.000 Resettlement-Plätze weltweit benötigt werden. Aufgrund
der aktuellen Entwicklungen in den nächsten drei
bis fünf Jahren wird von einem Bedarf an etwa
800.000 Resettlement-Plätzen ausgegangen. Die
Kommission der Kirchen für Migranten in Europa (CCME) fordert in einem Aufruf vom 30. März
2012 die Aufnahme von 20.000 Flüchtlingen bis
2020 in die EU. Dies sei ein realistisches Ziel, wenn
sich alle Mitgliedstaaten mit ihrem Mitteln an dem
Programm beteiligten. Für Deutschland werden
beispielweise als Minimum 2500 und als Maximum
5000 Flüchtlinge aufgeführt.
(Maike Bannick / Katrin Hatzinger)
Näheres unter:
http://www.europarl.europa.eu
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Generalanwalt Bot legt
Schlussanträge zu Asyl wegen
Verletzung der Religionsfreiheit vor
Der französische Generalanwalt am Gerichtshof
der Europäischen Union (EuGH) hat am 19. April 2012 seine Schlussanträge in den verbundenen
Verfahren C-71/11 und C-99/11 vorgelegt, in denen
er sich nachdrücklich gegen eine zu restriktive Interpretation der Religionsfreiheit im Rahmen eines
Asylgesuchs in der EU ausspricht.
Das Bundesverwaltungsgericht hatte dem EuGH
im Wesentlichen die Frage vorgelegt, ob eine von
Teilen der deutschen Rechtsprechung vertretene
Interpretation des Begriffs „Verfolgungshandlung“
mit der einschlägigen EU-Richtlinie im Einklang
steht. Nach dieser deutschen Interpretation soll
nur dann eine Verfolgungshandlung und somit ein
Anspruch auf Asyl wegen religiöser Verfolgung bestehen, wenn der Kernbereich der Religionsfreiheit,
was insbesondere die private, nicht-öffentliche Ausübung der Religion beinhaltet, verletzt ist. Ein Urteil des EuGH steht noch aus.
Allerdings fasst einer der acht Generalanwälte
am EuGH, bevor ein Urteil ergeht, in den meisten
Fällen Schlussanträge ab, die eine konkrete Empfehlung enthalten, wie der Fall zu entscheiden ist.
Die Schlussanträge sind nicht bindend, oft wird der
Empfehlung aber aufgrund der hervorgehobenen
Stellung der Generalanwälte gefolgt. Generalanwalt Bot lehnt in seinen Schlussanträgen die generelle Bestimmung eines Kernbereiches der Religionsfreiheit eindeutig ab. Vielmehr hätten religiöse
Handlungen je nach Religion, Land oder Persönlichkeit des Einzelnen sehr unterschiedliche Bedeutungen. Für die Verfolgungshandlung käme es
ferner nicht auf den betroffenen Bereich der Religionsfreiheit, sondern auf die Art und die Folgen der
Unterdrückung an. Bestände eine tatsächliche Gefahr etwa einer Inhaftierung oder unmenschlichen
Behandlung, so läge eine Verfolgungshandlung vor.
Besonders zu begrüßen ist aus kirchlicher Sicht die
ausdrückliche Klarstellung des Generalanwalts,
dass Asylsuchende nicht darauf verwiesen werden könnten, ihren Glauben in ihrem Heimatland
nicht öffentlich zu bekennen. Der damit verbundene Zwang zur Verheimlichung der eigenen Religion
verstoße gegen das fundamentalste Prinzip eines
Rechtstaates: die Menschenwürde.
(Christopher Hörster)
Die Schlussanträge finden Sie unter:
http://curia.europa.eu
EKD-Europa-Informationen Nr. 140
Vorschlag der Kommission zur
Kontrolle der EU-Außengrenzen stößt
auf Widerstand
Christliche Organisationen zur
EU-Förderung im Bereich Asyl und
Migration
Nachdem die Europäische Kommission im Dezember letzten Jahres ihren Vorschlag zur Errichtung
eines Europäischen Grenzüberwachungssystems
(EUROSUR) vorgelegt hatte, zeichnet sich nun in
der entscheiden Beratungsphase im Europäischen
Parlament Widerstand gegen die Pläne zur intensiveren Kontrolle der EU-Außengrenzen ab.
Der Arbeitskreis christlicher Organisationen, die in
Brüssel zu Fragen der Asyl- und Migrationspolitik
arbeiten (Christian Group), hat am 30. April 2012
eine Stellungnahme zur Förderung von asyl- und
migrationspolitischen Maßnahmen im neuen Finanzrahmen ab 2014 abgegeben.
Der Vorschlag der Kommission zur Grenzüberwachung enthält zwei wesentliche Elemente: Zum
einen soll ein umfangreiches System für den Austausch von Informationen der Grenzschutzorgane etabliert werden, in dem sogenannte nationale
Kompetenzzentren mit einer europäischen Agentur
eng vernetzt werden. So ist beispielsweise geplant,
Einsatzpläne, besondere Vorkommnisse und aus
Überwachung gewonnen Informationen auszutauschen und so eine umfassende Analyse der Migrationsströme und Kontrolle der Außengrenzen zu
ermöglichen. Zum anderen soll dieses Informationsnetzwerk dadurch wirksamer werden, dass neueste Technologien, wie unbemannte Drohnen und
Satelliten, zur Überwachung bis an die Grenzen
benachbarter afrikanischer Staaten eingesetzt werden. Eine enge Kooperation mit den Behörden von
Drittstaaten im Rahmen von EUROSUR ist ebenfalls vorgesehen.
Vor allem im Europäischen Parlament regen sich
kritische Stimmen. Die Kooperation mit Drittstaaten erfolge aufgrund von multilateralen Abkommen, sei hochgradig intransparent und wecke insbesondere Bedenken, was den Grundrechtsschutz
von Flüchtlingen angehe, kritisiert beispielsweise
die migrationspolitische Sprecherin der Grünen,
Ska Keller. Auch sehe die Verordnung keine ausdrückliche Verpflichtung zu Rettungsmaßnahmen
in Seenot geratener Flüchtlinge vor. Schließlich
stellten der unkontrollierte Datenaustausch mit
Drittstaaten und die extrem hohen Kosten des Vorhabens ein massives Problem dar.
Der Kommissionsvorschlag steht aufgrund nur
sehr vereinzelter Hinweise auf Seenotrettung und
Grundrechte einerseits, andererseits aber extrem
umfangreicher und hochtechnologischer Überwachungsmechanismen unter dem Verdacht, lediglich
einer möglichst vorgelagerten Flüchtlingsabwehr
zu dienen. Einmal mehr steht in der Europäischen
Asyl- und Migrationspolitik die Abschottung, und
nicht der Grundrechtsschutz im Vordergrund.
(Christopher Hörster)
Den Vorschlag der Kommission finden Sie unter:
http://eur-lex.europa.eu
EKD-Europa-Informationen Nr. 140
Am 15. November 2011 hat die EU-Kommission
unter dem Titel „Ein offenes und sicheres Europa:
Die Haushaltsmittel für den Bereich Inneres für
2014-2020“ eine Mitteilung vorgelegt (KOM(2011)
749). Darin wird u.a. die Zusammenlegung von
drei der bisherigen Fonds (EFF, Integrationsfonds
und Rückführungsfonds) in einen „Asyl- und Migrationsfonds“ (AMF) vorgeschlagen. Der AMF soll
in diesen sechs Jahren über ein Mittelvolumen von
insgesamt 3,9 Mrd. Euro verfügen. Intern sollen
diese Finanzmittel, einer Folgenabschätzung des
Sekretariats der Europäischen Kommission zufolge, wie folgt aufgeteilt werden:
• Asyl: 36 Prozent (1,4 Mrd. Euro),
• Bekämpfung irregulärer Migration/Rückkehr:
23 Prozent (0,9 Mrd. Euro),
• Integration (inkl. European Migration Network): 30 Prozent (1,2 Mrd. Euro),
• Externe Dimension: 11 Prozent (0,4 Mrd. Euro).
Der von der Europäische Kommission am 15. November 2011 vorgeschlagene Asyl- und Migrationsfonds (KOM (2011) 751 endg. und KOM (2011) 752
endg.) soll vorrangig der integrierten Steuerung
von Migrationsströmen dienen. Unterstützt werden
sollen Maßnahmen, die sich mit sämtlichen Aspekten der Migration befassen (Asylfragen, legale Zuwanderung, Eingliederung in die Gesellschaft und
Rückführung von sich illegal in der EU aufhaltenden Drittstaatangehörigen).
Das Papier des Arbeitskreises, der eng mit dem
EKD-Büro zusammenarbeitet, konzentriert sich
u.a. auf folgende Aspekte:
• Anerkennung von Kirchen und Religionsgemeinschaften als Partner bei der Entwicklung
und Umsetzung nationaler Programme
Bislang sieht der Vorschlag der EU-Kommission
die Einbeziehung von Partnern aus der Zivilgesellschaft lediglich bei der Entwicklung und Umsetzung
nationaler Programme vor und zwar mit dem Zusatz, wenn es „angemessen“ ist. Hier sprechen sich
die Verfasser für eine umfassende Zusammenarbeit
aus, die der Kooperation mit Behörden ebenbürtig
ist und insbesondere auch die Rolle von Kirchen
und Religionsgemeinschaften berücksichtigt. Letztere sollten explizit als Partner anerkannt werden.
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• Einbeziehung dieser Partner bei der Vorbereitung, Umsetzung, Begleitung, Evaluierung und
Überarbeitung der nationalen Programme und
der Aktionen der Union
Die Einbeziehung der Partner aus der Zivilgesellschaft und aus dem kirchlichen Raum sollte sich zudem nach Auffassung des Arbeitskreises auch auf
den sog. Politikdialog zwischen Kommission und
einem bestimmten Mitgliedstaat erstrecken.
Hinsichtlich der Aktionen fordern die Unterzeichner u.a., dass künftig Maßnahmen
• zur Verbesserung der Asylpolitiken und -verfahren,
• zur Integration von Asylsuchenden z.B. auf dem
Arbeitsmarkt,
• die Verelendung und Obdachlosigkeit vorbeugen; und
• Alternativen zur Inhaftierung von Migranten
gefördert werden sollten.
Schließlich wird in der Stellungnahme angeregt,
hohe finanzielle Anreize für Mitgliedstaaten zu
schaffen, um mit der Neuansiedlung von Flüchtlingen zu beginnen. Im Hinblick auf die vorgesehene
Förderung einer gerechten und effektiven Umsetzung der gemeinsamen Rückführungsstandards
schlagen die christlichen Organisationen vor, auch
Maßnahmen des Abschiebemonitorings unter dem
neuen Asyl- und Migrationsfonds als förderfähig
anzuerkennen.
(Katrin Hatzinger)
Die Vorschläge finden Sie unter:
http://eur-lex.europa.eu
http://eur-lex.europa.eu
Die Stellungnahme finden Sie u.a. hier:
http://www.caritas-europa.org
Integration der Roma: Kommission
bewertet die Umsetzung der nationalen Aktionspläne
Am 23. Mai 2012 hat die Europäische Kommission
einen Bericht über die Situation der Roma verabschiedet, in dem eine Bilanz der Umsetzung des europäischen Rahmens zur Integration der Roma vom
April 2011 gezogen wird: Der EU-Rahmen stellt
einen Orientierungspunkt für die nationalen Integrationskonzepte dar und erleichtert den Zugang
zu möglichen Finanzunterstützungen. Zwar lobt
die Kommission die Versuche der Mitgliedstaaten,
Fortschritte zu erzielen, jedoch bedarf es insgesamt
noch intensiverer Anstrengungen, um eine ganzheitliche Verbesserung für die Roma zu schaffen. In
Anlehnung an die speziellen Ausgangssituationen
eines jeden Landes sollen deshalb spezifische Integrationsziele festgelegt werden. Positiv wird in dem
Bericht vermerkt, dass alle Mitgliedstaaten bereits
nationale Kontaktstellen gegründet haben, um die
Realisierung des Rahmenplans zu kontrollieren.
Jedoch haben bisher nur zwölf Mitgliedsländer einen Finanzrahmen für die geplanten Maßnahmen
entwickelt. Aus wirtschaftlicher Sicht erlangen die
Mitgliedstaaten durch den Ausschluss der Roma
weniger Einnahmen als eigentlich möglich wäre:
Zum Teil wäre ein jährlicher Nutzen von einer halben Milliarde Euro möglich. Zudem ist die Integration der Roma ein wichtiger Schritt, um die Ziele
der Europa-2020-Strategie umzusetzen.
Im Rahmen des Berichts werden die vier Aktionsbereiche angesprochen, in denen für einen Ausbau der
wirtschaftlichen und sozialen Integration der Roma
besonderer Handlungsbedarf besteht. Dazu zählen
Bildung, Beschäftigung, Gesundheitsfürsorge und
Wohnraumsituation. Für diese Felder werden in
dem Bericht spezifische Umsetzungshinweise aufgeführt. Zudem können sich die Mitglieder von der
Kommission beraten lassen.
Derzeit leben in der EU etwa zehn bis zwölf Millionen Roma und stellen damit die größte Minderheit
in der Union dar. Auch wenn ihr Bevölkerungsanteil variiert, sind Roma in nahezu allen europäischen Ländern angesiedelt. Ein Großteil von ihnen
erfährt Diskriminierung und Ausgrenzung und
viele werden an der Ausübung ihrer Rechte gehindert. Sie haben mit erkennbar schlechteren sozialen und wirtschaftlichen Konditionen zu kämpfen
als die übrigen Bürger. Da die Ungleichbehandlung
der Roma auf viele Ursachen zurückzuführen ist,
sind umfassende Aktionen unumgänglich, um Fortschritte der Integration zu erzielen.
Die Kommission wird weiterhin jährlich über den
aktuellen Stand der Integration der Roma in der
EU informieren.
(Maike Bannick)
Weitere Informationen dazu finden Sie unter:
http://ec.europa.eu
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EKD-Europa-Informationen Nr. 140
Migration und Asyl im Jahr 2011 Jahresbericht der Europäischen Kommission
(Dr. Anna Donata Quaas, Pastorin im Sondervikariat)
Die Entwicklungen des Jahres 2011 wirkten sich
auch auf die Migrationspolitik aus. Durch die ökonomische Krise wurden Wirtschaft und Wachstum der
EU geschwächt und im Zuge des arabischen Frühlings kam es zu einem erhöhten „Migrationsdruck“
an den Außengrenzen der EU im Mittelmeerraum
und an den Südostgrenzen, so die EU-Kommission
am 1. Juni 2012 in ihrem Jahresbericht. Zudem
stellte der Missbrauch der seit Ende 2010 bestehenden Visa-Liberalisierung, welche Staatsangehörigen aus Albanien, Bosnien und Herzegowina
eine visumsfreie Einreise in die Schengen-Staaten
ermöglichte, die Migrationspolitik vor zusätzliche
Probleme.
In der EU leben derzeit 20,2 Millionen Angehörige
von Drittstaaten, also 9,4 % aller Migrantinnen und
Migranten weltweit. Die Angehörigen von Drittstaaten, von denen prozentual am meisten aus der
Türkei, Marokko und Albanien stammen, repräsentieren 4 % der Gesamtbevölkerung der EU.
Neben Menschen, die einen Aufenthaltstitel in der
EU gewährt bekommen (2,5 Millionen im Jahr 2010)
und solchen Migranten, die als Asylbewerber im
Flüchtlingsstatus, unter subsidiärem Schutz oder
aus humanitären Gründen ein Aufenthaltsrecht in
der EU haben (knapp 60 000 im Jahr 2011), gibt es
vagen Schätzungen zufolge in einem Jahr etwa 2 bis
4,5 Millionen irreguläre Migrantinnen und Migranten in die EU.
Dem Bericht der Europäischen Kommission entsprechend soll auf die bestehenden migrationspolitischen Herausforderungen auf dreierlei Weise
reagiert werden:
1. Aufgrund des demographischen Wandels und
des Konkurrenzdrucks auf dem internationalen
Talentmarkt begrüßt die Europäische Kommission Wirtschaftsmigration ausdrücklich. Mit
Hilfe sog. Mobilitätspartnerschaften, die bereits
mit der Republik Moldau, Georgien, Kap Verde
und Armenien bestehen, soll der ungewünschten Abwanderung von Fachkräften entgegen
gewirkt und gleichzeitig der gezielte Einsatz
von Fachkräften im Ausland gefördert werden.
Verhandlungen zu Mobilitätspartnerschaften
mit Ländern des südlichen Mittelmeerraumes und Ghana wurden bereits aufgenommen.
Weitere Gespräche mit Ägypten, Marokko und
Tunesien sind geplant. Die Abwanderung von
Fachkräften soll zudem durch die Förderung
des WHO-Verhaltenskodex für die grenzüber-
EKD-Europa-Informationen Nr. 140
schreitende Anwerbung von Gesundheitsfachkräften eingedämmt werden, sowie durch die
Anwendung der Blue-Card-Richtlinie, die es
den Mitgliedstaaten erlaubt, einen Antrag aus
ethischen Gründen, d.h. um die Abwanderung
von Fachkräften zu vermeiden, abzulehnen.
Ein neu eingerichtetes EU-Zuwanderungsportal (http://ec.europa.eu/immigration/) soll über
Möglichkeiten und Bedingungen der Migration
in die EU informieren und auf Risiken irregulärer Migration hinweisen. Weitere Maßnahmen
zur Förderung von Wirtschaftsmigration in die
EU sind die Richtlinie über eine kombinierte
Aufenthalts-/Arbeitserlaubnis und die Richtlinienvorschläge für Saisonarbeiter und für konzerninterne Entsendungen.
2. Laut Bericht der Europäischen Kommission soll
die Integration Drittstaatangehöriger weiter
gefördert werden. Dass auf dem Gebiet der Integration Handlungsbedarf besteht, illustrieren
folgende Zahlen: Die Prozentzahl der Arbeitslosen ist unter Angehörigen von Drittstaaten
im Vergleich zur Gesamtbevölkerung mehr als
doppelt so hoch. Während 46,4 % der Drittstaatenangehörigen für ihre Arbeit überqualifiziert
sind, trifft dies nur auf 21,2 % der Gesamtbevölkerung zu. Die Integration in den Arbeitsmarkt
ist für Angehörige von Drittstaaten besonders
dringend, da der Verlust des Arbeitsplatzes
häufig den Verlust ihrer Aufenthaltsberechtigung nach sich zieht.
3. Besonders ausführlich behandelt der Bericht
Strategien zur Bewältigung des „Migrationsdrucks“ - ein Thema, das aufgrund der irregulären Migrationsströme in Folge des Arabischen
Frühlings an den südlichen Außengrenzen der
EU (besonders in Italien und auf Malta) sowie
an der türkisch-griechischen Grenze an Brisanz
gewinnt. Die EU habe „stets großen Wert auf
Maßnahmen zur Bekämpfung der irregulären
Migration gelegt.“ Der Ausbeutung der Betroffenen durch Menschenhändler und Schlepper
solle ebenso entgegengewirkt werden wie der
Tatsache, dass sich Migranten nach Überschreitung der Visumsfrist oder nach Erhalt
eines ablehnenden Visumsbescheids weiter in
der EU aufhielten. Es müsse sichergestellt werden, „dass die Außengrenzen der EU effizient
verwaltet werden und geeignete legale Einreisekanäle vorhanden sind.“ Beim Schutz der Außengrenzen der EU habe sich die Europäische
Agentur Frontex besonders verdient gemacht.
Das Budget der Agentur Frontex sei um 30
Mio. Euro aufgestockt worden. In Zukunft soll
Frontex verstärkt mit weiteren EU-Agenturen
wie dem Europäischen Polizeiamt (EURPOL)
und dem Europäischen Unterstützungsbüro
für Asylfragen (EASO) zusammenarbeiten.
Zur Bewältigung des Migrationsdrucks soll
außerdem einerseits der Dialog und die Kooperation mit Drittstaaten und andererseits die
Solidarität mit Mitgliedstaaten der EU geför-
17
dert werden, die von Migration betroffen sind.
Der gesteigerte ‚Migrationsdruck‘ in der EU hat
zur Folge, dass derzeit über eine Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen der
Schengen-Staaten diskutiert wird.
Zeitgleich mit dem Jahresbericht der Europäischen
Kommission über Einwanderung und Asyl wurden
im Juni 2012 die Ergebnisse der Meinungsumfrage „Eurobarometer“ veröffentlicht, in der die Einstellung europäischer Bürgerinnen und Bürger zu
grenzübergreifender Mobilität, Migration und Sicherheit abgefragt wurde. Insbesondere in der Einschätzung der Wirtschaftsmigration zeigt sich eine
Diskrepanz zwischen der Einschätzung der Europäischen Kommission und den Ergebnissen der Umfrage: Während 42 % der befragten EU-Bürger die
Auffassung der Europäischen Kommission teilen,
dass Wirtschaftsmigration gefördert werden sollte, um demografische Herausforderungen und den
Arbeitskräftemangel zu bewältigen, sind 46 % gegenteiliger Meinung. Von den befragten Deutschen
halten sogar nur 38 % die Arbeitskräftemigration
aus Nicht-EU-Ländern für notwendig, 49 % hingegen lehnen sie ab.
Allerdings sieht laut Umfrage des Eurobarometers
die Mehrzahl der befragten EU-Bürger (53 %) Einwanderung als wirtschaftliche und kulturelle Bereicherung an. In Deutschland sind sogar 63 % dieser
Meinung.
Integrationsschwierigkeiten von Migranten führen
73 % der Befragten in der EU insgesamt und 86 %
der befragten Deutschen primär auf den fehlenden
Integrationswillen der Betroffenen zurück. 60 % der
durch die Umfrage des Eurobarometers erreichten
EU-Bürger und weniger als die Hälfte der befragten
Deutschen sind der Meinung, dass Diskriminierung
der vornehmliche Grund für Integrationsschwierigkeiten ist.
Was die irreguläre Migration angeht, sind laut Umfrage des Eurobarometer 80 % der EU-Bürger und
77 % der Deutschen der Meinung, dass die EU ihre
Unterstützung für die Mitgliedstaaten bei der Bewältigung irregulärer Migration verstärken sollte.
80 % der befragten EU-Bürgerinnen und Bürger
und 88 % der Deutschen halten es für wichtig, dass
Menschen, die dies benötigen, Schutz und Asyl in
der EU gewährt werden sollte.
Der dritte Jahresbericht der Europäischen Kommission über Einwanderung und Asyl (2011) ist
nachzulesen unter:
http://ec.europa.eu
Die Ergebnisse der Eurobarometer-Umfrage finden
Sie hier:
http://ec.europa.eu (englisch)
http://ec.europa.eu (deutsche Kurzversion)
18
Auf der Zielgeraden? Die
Verhandlungen um das gemeinsame
europäische Asylsystem (GEAS)
Nach der intensiven Arbeiten der dänischen Ratspräsidentschaft scheint es so, als könnten die Verhandlungen über die Neufassung der Asylrechtsinstrumente tatsächlich im 2. Halbjahr unter dem
Vorsitz von Zypern abgeschlossen werden. Zur
Revision stehen weiterhin u.a. die Asylverfahrensrichtlinie und die Dublin-II-Verordnung an. Eine
politische Einigung wurde am 13. Juli 2012 über die
Richtlinie über Aufnahmebedingungen erzielt - aus
flüchtlingspolitischer Sicht ein fauler Kompromiss.
Das Europäische Parlament, die Europäischen
Kommission und die jeweilige Ratspräsidentschaft
verhandeln im sog. Trialogverfahren, weitestgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Als sehr
problematisch erweist sich insbesondere die Neufassung der Regelung zur Inhaftierung von Asylsuchenden.
Das bisherige europäische Asylrecht definiert keine
Inhaftierungsgründe für Asylsuchende, sondern regelt in der Asylverfahrensrichtlinie (Art. 18) lediglich, dass Mitgliedstaaten eine Person nicht allein
deshalb in Gewahrsam nehmen dürfen, weil es sich
bei ihr um einen Asylbewerber handelt. Bei einer
etwaigen Inhaftierung soll außerdem eine rasche
gerichtliche Überprüfung des Gewahrsams möglich
sein.
Noch 2009 stellte die Kommission fest: „Angesichts
der weit verbreiteten Anwendung von Gewahrsamsmaßnahmen im Asylbereich durch die Mitgliedstaaten und der sich festigenden Rechtsprechung des
Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte
erachtet es die Kommission für notwendig, diese
Frage in der vorliegenden Richtlinie ganzheitlich
anzugehen, um sicherzustellen, dass Ingewahrsamsmaßnahmen nicht willkürlich erfolgen und
in allen Fällen die Grundrechte beachtet werden.“
Im internationalen Flüchtlingsrecht gilt nämlich
der Grundsatz, dass allein die Stellung eines Asylantrags keinen Haftgrund begründet. Art. 31 der
Genfer Flüchtlingskonvention legt fest, dass Asylsuchende wegen unrechtmäßiger Einreise oder Aufenthalt grundsätzlich nicht zu bestrafen sind. Haftgründe sollten entsprechend eng gefasst und genau
umrissen sein. Auf Druck der Mitgliedstaaten sah
sich die Kommission jedoch veranlasst, ihren ersten
Entwurf zurückzuziehen (siehe EKD-Europa-Informationen Nr. 137) und präsentierte 2011 eine neue
Version der Aufnahmebedingungsrichtlinie, die u.a.
die Reihe der Haftgründe ausgeweitet hat. Diese
Ausweitung wurde nun von den Verhandlungsparteien angenommen.
Angesichts der umfassenden Haftgründe, die sich
in Art. 8 Abs. 3 lit. a) bis f) der neuen Aufnahmebedingungsrichtlinie finden, sowie der Möglichkeit,
auch Minderjährige festzunehmen (Art. 11 Abs. 2),
ist nun zu befürchten, dass die Inhaftierungspraxis
in der EU noch ausgeweitet werden wird bzw. die
EKD-Europa-Informationen Nr. 140
derzeitige ausufernde Inhaftierungspraxis einzelner Mitgliedstaaten wie Griechenland und Ungarn
eine Legitimierung erfahren dürfte. Als problematisch stellen sich dabei u.a. dar:
1. Identitätsfeststellung (Art. 8 Abs. 3 a): Dieser
Haftgrund ermöglicht fast ausnahmslos jeden
einreisenden Asylsuchenden festzunehmen, da
Schutzsuchende oft ohne Papiere einreisen bzw.
die Papiere von den Behörden angezweifelt werden.
2. Beweissicherung (Art. 8 Abs. 3 b): Dieser Haftgrund ermöglicht eine Inhaftierung, wenn die
dem Asylgesuch zugrundeliegenden Beweismittel nur auf diese Weise gesichert werden können. Diese Regelung verstößt dennoch gegen
die Grundprinzipien des Verwaltungsrechts:
Ein Antragsteller ist für den Nachweis der seinen Anspruch begründenden Tatsachen selbst
verantwortlich. Eine Festnahme zur Sicherung
dieser Tatsachen ist daher systemfremd.
3. Verfahren zur Bestimmung des Einreiserechts
und bei verspäteter Asylantragstellung (Art. 8
Abs. 3 c): Dieser Haftgrund sieht vor, dass Asylsuchende festgenommen werden können, wenn
im Verfahren noch geklärt werden soll, ob sie in
einen Mitgliedstaat einreisen dürfen. Er könnte
künftig als Rechtsgrundlage für das deutsche
Flughafenverfahren dienen. Der Haftgrund der
verspäteten Asylantragstellung berührt das
Recht der Asylsuchenden aus der Europäischen
Menschenrechtskonvention (EMRK) - eine Inhaftierung ist dort nur für Ausreisepflichtige
vorgesehen, trifft also auf die Situation von
Asylsuchenden gerade nicht zu.
4. Anordnung der Haft durch Verwaltungsbehörden (Ar. 9 Abs. 2): Die Anordnung der Ingewahrsamnahme stellt einen schweren Eingriff
in das Grundrecht auf persönliche Freiheit dar,
dementsprechend bedürfen derartige Entscheidungen der richterlichen Anordnung und könnten nicht von Verwaltungsbehörden durchgeführt werden.
5. Inhaftierung von Minderjährigen (Art. 11 Abs.
2): Art. 11 des Entwurfes der Aufnahmebedingungsrichtlinie sieht die Möglichkeit vor,
Minderjährige und in bestimmten Fällen auch
unbegleitete Minderjährige, unter bestimmten
Voraussetzungen zu inhaftieren. Diese Regelung ist unverhältnismäßig und widerspricht
dem Kindeswohl. Die EKD hat sich deshalb
immer dafür ausgesprochen, Minderjährige
überhaupt nicht zu inhaftieren, sondern die
Unterbringung in speziellen Jugendhilfeeinrichtungen vorzusehen.
Strittig war bis zuletzt die von EP und Kommission
geforderte automatische Überprüfung der Haftanordnung innerhalb von 72 Stunden durch ein Gericht sowie die Art und Weise der Identifikation der
Bedürfnisse besonders schutzbedürftiger Asylsuchender. Die politische Einigung sieht nun keine automatische Überprüfung mehr vor. Zudem werden
die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Bedürfnisse
EKD-Europa-Informationen Nr. 140
der besonders Schutzbedürftigen zu identifizieren,
allerdings nicht im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens. Einigkeit besteht nun auch darüber, dass
die Asylsuchenden nach neun Monaten Zugang
zum nationalen Arbeitsmarkt erhalten sollen. Die
formale Annahme durch das EP wird für September
erwartet.
Die Verhandlungen über die Überarbeitung der
Dublin-II-Verordnung und die Asylverfahrensrichtlinie werden nach der Sommerpause indes weitergehen. Allerdings vermeldeten die Zyprioten am 18.
Juli 2012, dass sich der Ausschuss der Ständigen
Vertreter (COREPER) über die Neufassung der
Dublin-II-Verordnung verständigt habe. Sollte das
EP gleichfalls zustimmen, könnte über das Dossier
Anfang Dezember im Plenum abgestimmt werden.
Einzelheiten über den endgültigen Verordnungstext wurden allerdings nicht bekannt. Fest steht
nur, dass ein Frühwarnsystem eingerichtet wird.
Der ursprüngliche Vorschlag der EU-Kommission,
den Überstellungsmechanismus auszusetzen, wenn
der zuständige Mitgliedstaat besonderem Druck
ausgesetzt ist oder wenn zu befürchten ist, dass
das Schutzniveau in dem betreffenden Staat unzureichend ist, war leider nicht mehrheitsfähig. Das
Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) sowie Kirchen und NGOs fordern zudem seit
Monaten u.a. eine breitere Definition von Familienangehörigen, die Berücksichtigung des Kindeswohls
beim Umgang mit unbegleiteten Minderjährigen,
die Möglichkeit gegen einen Überstellungsbescheid
einen aufschiebenden Rechtsbehelf einzulegen, mit
den Betroffenen im Verfahren Interviews durchzuführen und Inhaftierungen im Dublin-Verfahren
nur so kurz wie möglich anzuwenden.
Die Überarbeitung der Asylverfahrensrichtlinie
wirft schließlich aufgrund ihrer Komplexität besonders viel Fragen auf. Problematisch ist weiterhin
die vorgesehene Möglichkeit beschleunigter Verfahren mit eingeschränkten Verfahrensrechten für Antragssteller. Die beschleunigten Verfahren sollten
nach Ansicht von Kirchen und NGOs nur in ganz
eng definierten Ausnahmefällen zur Anwendung
kommen dürfen. Für unbegleitete Kinder sind diese
Verfahren gar nicht geeignet. Gleiches gilt für die
Anwendung sog. Grenzverfahren („border procedures“). Aus flüchtlingsrechtlicher Sicht unakzeptabel
bleiben das Konzept des sicheren Dritt- bzw. Herkunftsstaates, genauso wie die Idee sog. „Supersicherer Drittstaaten“, die vorsieht, Antragssteller
ohne Prüfung ihrer Gesuche umgehend in diese
Staaten zurückzuschicken. Ob wir bis Ende 2012
wirklich von einem „Gemeinsamen Europäischen
Asylsystem“ sprechen können, das den Namen verdient hat?
(Katrin Hatzinger)
Die aktuellen Forderungen des UNHCR an die zyprische Ratspräsidentschaft finden Sie unter:
http://www.unhcr.org
19
Demokratie & Menschenrechte
Jahresbericht des Europäischen Netzwerkes gegen Rassismus
Im März 2012 hat das Europäische Netzwerk gegen Rassismus (European Network against Racism
ENAR) seinen Jahresbericht 2010/2011 zum Rassismus in der EU und ihren Mitgliedstaaten vorgelegt,
der die Ergebnisse von 27 Länderberichten bündelt.
Ziel des Schattenberichts ist es, aus der Perspektive
von Nichtregierungsorganisationen auf Rassismus
aufmerksam zu machen und Darstellungslücken in
offiziellen Erhebungen und akademischen Berichten auszugleichen. Menschen afrikanischer Herkunft, Migranten (EU-Bürger und Angehörige von
Drittstaaten), Roma, Muslime und Juden stehen im
Zentrum des Berichts, da sie als besonders betroffen von Rassismus und Diskriminierung, auch religiöser Art, gelten.
Behandelt werden Bereiche wie Arbeitsmarkt und
Beschäftigung (Arbeitslosigkeit unter Migranten,
Anerkennung von Qualifikationen, sprachliche und
kulturelle Hürden, Diskriminierung bei Stellenbesetzungen), Bildung (Zugang zu Bildung, Diskriminierung durch Lehrende und vorzeitiger Abbruch
der Ausbildung), Gesundheit (Diskriminierung
durch Gesundheitspersonal und Patienten, schlechte medizinische Versorgung), Strafjustiz (höhere
Wahrscheinlichkeit der Fahndung und Verhaftung,
unzureichender polizeilicher Schutz) und Medien
(einseitige Berichterstattung, negative oder fehlende Repräsentation ethnischer Minderheiten).
Exemplarisch soll hier das Feld „Arbeitsmarkt und
Beschäftigung“ vorgestellt werden: Wie das Europäische Netzwerk gegen Rassismus (ENAR) berichtet, liegt in Großbritannien die Arbeitslosenquote
unter ethnischen Minderheiten bei 12,8 % verglichen mit einer allgemeinen Arbeitslosigkeit von
7,8% der Bevölkerung. In Bulgarien sind 49,9 % der
Roma arbeitslos: Im Vergleich zum Bevölkerungsdurchschnitt ist die Arbeitslosenquote damit unter
den Roma dreimal so hoch. Diese Zahlen verdeutlichen die prekäre Situation von Migranten und ethnischen Minderheiten auf dem Arbeitsmarkt.
wählte statistische Erhebungen sowie Erfahrungsberichte aus den verschiedenen Ländern vorgestellt.
Außerdem dokumentiert und kommentiert der Bericht Entwicklungen in der europäischen Politik im
Umgang mit ethnischen Minderheiten und Migranten.
In der Einschätzung des ENAR lassen sich im Berichtszeitraum generell folgende Tendenzen feststellen:
1. Nach Ansicht des Netzwerks beeinträchtigt die
Wirtschaftskrise die Situation von Migranten
und ethnischen Minderheiten negativ: Die allgemeine Unsicherheit provoziere Ängste, die
sich in rassistischem Verhalten niederschlügen.
Überdies stünden aufgrund der Krise weniger
finanzielle Mittel zur Bekämpfung von Rassismus und Xenophobie zur Verfügung.
2. Mit Besorgnis wird auf den Erfolg nationalistischer Parteien in Großbritannien, Dänemark,
Ungarn, Griechenland und Polen hingewiesen
und auf die Zunahme rassistisch motivierter
Gewalt.
3. Die Richtlinie zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der
Rasse oder der ethnischen Herkunft wird nach
Ansicht des ENAR noch zu wenig in die Praxis
umgesetzt.
4. Schließlich setzt sich nach Beobachtung des
ENAR zunehmend eine restriktive Migrationspolitik durch. Angehörigen ethnischer Minderheiten würde vorgeworfen, zu wenig für ihre
Interessen einzutreten und sich kaum zu integrieren. Übersehen würde dabei, dass aufgrund
von Diskriminierung und Gewalt im öffentlichen Raum deren gesellschaftliche Teilhabe erschwert oder ausgeschlossen ist.
(Dr. Anna Donata Quaas)
Den Schattenbericht des ENAR finden Sie unter:
http://www.enar-eu.org
Das ENAR würdigt, dass der Europäische Rat in
seiner Europa-2020-Strategie, die das Ziel verfolgt,
bis zum Ende dieses Jahrzehnts 75 % der Bevölkerung in den Arbeitsmarkt zu integrieren, ein besonderes Augenmerk auf Migranten richtet. Bemängelt
wird aber, dass bisher kein einziger EU-Staat die
Internationale Konvention zum Schutz der Rechte
aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen unterzeichnet und ratifiziert habe.
Für die anderen oben aufgeführten Teilbereiche
werden ähnlich wie im Bereich „Arbeitsmarkt und
Beschäftigung“ - leider etwas unverbunden - ausge-
20
EKD-Europa-Informationen Nr. 140
„Brighton Declaration“ zur Zukunft
des Europäischen Gerichtshofs für
Menschrechte (EGMR) veröffentlicht
Schutz der Religionsfreiheit im Fokus
der EU - Neuer Sonderbeauftragter
für Menschenrechte
Am 19. und 20. April 2012 fand in Brighton auf
Einladung des Vereinigten Königreichs, welches
seit November 2011 den Vorsitz im Ministerkomitee des Europarates innehat, eine Konferenz der 47
Mitgliedstaaten der Europäischen Menschrechtskonvention (EMRK) statt. Am Ende der Konferenz
veröffentlichten die Mitgliedstaaten die sogenannte
„Brighton Declaration“, die aktuelle Probleme in der
Umsetzung der EMRK sowie in der Funktionsweise
des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
(EGMR) analysiert und Lösungsansätze aufzeigt.
Am 6. Juni 2012 wurde der Jahresbericht 2011 zu
Menschenrechten und Demokratie der Europäischen Union (EU) veröffentlicht und von der Hohen
Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Catherine Ashton, vorgestellt. Auch 2011
stehen Menschenrechte im Zentrum weltweiter EUAktionen. Dabei werden verschiedene Facetten der
Menschenrechte weltweit angesprochen. Unter anderem wird in dem Bericht auch auf die Glaubensund Religionsfreiheit eingegangen, die als grundlegend für die Entwicklung freier Gesellschaften
bezeichnet wird: 2011 wurden von der EU vermehrt
Handlungen religiöser Intoleranz wahrgenommen.
Die Abschlusserklärung der Konferenz war insbesondere deswegen mit Spannung erwartet worden,
weil die englische Regierung bereits im Vorfeld immer wieder restriktivere Vorschriften für die Entscheidungskompetenz des EGMR gefordert hatte.
Hintergrund waren zwei Urteile des EGMR, die in
der britischen Öffentlichkeit als weitgehende Einmischung in innerstaatliche Angelegenheiten angesehen worden waren. Mit ihren zentralsten Anliegen konnte sich die englische Delegation allerdings
in Brighton nicht durchsetzen. Der ursprüngliche
Plan, das Subsidiaritätsprinzip sowie das Prinzip
des Ermessenspielraums der Mitgliedstaaten in den
Konventionstext selbst aufzunehmen, war auf zu
viel Widerstand bei den anderen Konventionsstaaten gestoßen. Die beiden Grundsätze werden nun
lediglich in der Präambel erwähnt. Auch die verbindliche Aufnahme einer Präklusionsvorschrift,
welche eine Berufung auf das Konventionsrechts
bereits im nationalen Verfahren zwingend voraussetzt, war nicht mehrheitsfähig. Die Erklärung enthält darüber hinaus eine Reihe von Maßnahmen,
welche die Überlastung des EGMR, beispielsweise
durch eine bessere Einhaltung der EMRK auf nationaler Ebene, abbauen sollen.
Insgesamt wurden die getroffenen Reformentscheidungen sowohl vom Generalsekretär des Europarates, Thorbjørn Jagland, als auch vom deutschen
Delegationsleiter, Dr. Max Stadler, als maßvoll und
vernünftig bewertet, um einen effektiven Rechtschutz durch das Gericht weiterhin zu gewährleisten, gleichzeitig aber den Zugang zum EGMR für
Einzelpersonen nicht übermäßig zu erschweren.
(Christopher Hörster)
Die „Brighton-Erklärung“ finden Sie unter:
http://www.coe.int
EKD-Europa-Informationen Nr. 140
Das Grundrecht der Gedanken- und Gewissensfreiheit ist in Art. 10 der europäischen Grundrechtecharta garantiert und beinhaltet das Recht,
eine selbstgewählte Glaubensrichtung auszuleben,
genauso wie das Recht, keiner Religion anzugehören. Es hat ebenso das Recht zum Gegenstand, eine
Religion anzunehmen, zu wechseln und abzulegen.
Die EU vertritt die Ansicht, dass die Verteidigung
solcher universellen Prinzipien grundlegend für
die Entwicklung freier Gesellschaften ist, weshalb
sie verstärkt daran arbeitet, weltweit religiöse Intoleranz und Diskriminierung zu verringern. Im
Februar vergangenen Jahres hat der Rat für auswärtige Beziehungen Empfehlungen verabschiedet,
die das wichtige Anliegen unterstreichen, jede Art
von Intoleranz, Diskrimination und Gewalt aus religiösen Gründen zu verurteilen. Im Zuge dessen
wurde in dem vorliegenden Bericht erneut betont,
dass es zunächst die primäre Aufgabe der jeweiligen Staaten sei, ihre Bürger zu schützen und deren
Rechte zu wahren. Zudem erinnert der Bericht alle
EU-Delegationen an ihre Rolle, Respekt gegenüber
der Glaubens- und Meinungsfreiheit in Ländern
zu verbreiten, in denen diese fundamentalen Menschenrechte verletzt werden. So wurden die EUDelegationen damit beauftragt, das Bewusstsein
gegenüber der Glaubens- und Gewissensfreiheit zu
schärfen, sich mit Partnerländern zusammenzutun,
um gegen Diskriminierung aufgrund des Glaubens
und der Religion anzugehen sowie Kontakte mit
örtlichen Menschenrechtsorganisationen aufzunehmen und gemeinsam an der Stärkung dieser Rechte
zu arbeiten.
Am 25. Juni 2012 hat der Rat der Europäischen
Union zudem zum ersten Mal einen Strategischen
Rahmen für Menschenrechte und Demokratie in
Kraft gesetzt; für die praktische Umsetzung der Inhalte ist zugleich ein Aktionsplan mit auf den Weg
gebracht worden. Bislang hatte die EU lediglich länder- oder themenspezifische Erklärungen zu Menschenrechten und Demokratie abgegeben. In dem
Strategischen Rahmen sind für die nächsten zehn
21
Jahre Grundsätze, Ziele und Prioritäten formuliert,
durch die die Reichweite und Kohärenz der EU-Politik ausgeweitet werden sollen. Der Fokus des strategischen Rahmens richtet sich auf folgende Felder:
die Menschenrechte sowohl in der EU-Politik als
auch in allen Bereichen der EU-Außenpolitik sowie
die Umsetzung der Prioritäten der EU in Bezug auf
die Menschenrechte; die Förderung der Universalität der Menschenrechte; die Zusammenarbeit mit
multilateralen Institutionen und innerhalb der EU
sowie die bilaterale Zusammenarbeit mit Partnern.
Zusätzlich hat Catherine Ashton vorgeschlagen,
einen EU-Sonderbeauftragten für Menschenrechte
einzusetzen, der die „Sichtbarkeit und Stimmigkeit
der EU-Menschenrechtspolitik“ stärken soll. In seine Zuständigkeit soll wohl auch der Schutz der Religionsfreiheit fallen. Der Sonderbeauftragte, dessen
Ernennung noch aussteht, soll in einem engen Kontakt zum Europäischen Auswärtigen Dienst stehen
und eine erste Amtszeit von zwei Jahren innehaben.
Der zum strategischen Rahmen zusätzlich aufgestellte EU-Aktionsplan, der bis Ende 2014 läuft, ist
vom Europäischen Auswärtigen Dienst in Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission und
den Mitgliedstaaten der EU entworfen worden; diese Beteiligten sind auch für die Durchführung verantwortlich. Über die Umsetzung des Aktionsplans
wird die EU im jährlichen Bericht über Menschenrechte und Demokratie informieren.
(Maike Bannick / Katrin Hatzinger)
Weitere Informationen finden Sie unter:
http://www.consilium.europa.eu
Den Jahresbericht 2011 finden Sie hier:
http://eeas.europa.eu
„Mit tiefgreifendsten Unterschieden
leben“ Die „Global Charter of Conscience“
Im Europäischen Parlament ist am 21. Juni 2012
auf Einladung der schwedischen Abgeordneten Sari
Essayah (EVP) die „Globale Charta der Gewissensfreiheit“ vorgestellt worden.
Ziel der Charta ist es, den 18. Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (1948), der das
allgemeine Recht auf Gedanken-, Gewissens- und
Religionsfreiheit proklamiert, wieder in das Zentrum der öffentlichen Diskussion zu rücken.
Zur Vorstellung der Charta und zur Diskussion ihres Inhalts waren Os Guiness (Initiator der Charta),
Thomas Schirrmacher (Religionssoziologe und Mitautor der Charta) und Heiner Bielefeldt (Sonderberichterstatter für Religions- und Weltanschauungsfreiheit des UN-Menschenrechtsrats) eingeladen.
„Living with deepest differences“ (mit tiefgreifendsten Unterschieden leben) ist eins der Grundaxiome
des Dokuments. An Fragen des Gewissens, der religiösen und weltanschaulichen Überzeugung würden tiefgreifende, existentielle Unterschiede zwischen Menschen deutlich. Diese Unterschiede seien
gegeben und sollten nicht nivelliert werden. Trotzdem sei ein „robust dialogue“ möglich und erstrebenswert. Dabei sei zu unterscheiden zwischen der
Person und ihren Überzeugungen. Die Freiheit des
Gewissens schütze die Person; ihre Überzeugungen
jedoch könnten respektvoll diskutiert und in Frage
gestellt werden.
Ein weiterer Leitgedanke der Charta ist die Idee eines „civil public square“ (zivilen, öffentlichen Platzes). Im Gegensatz zum „sacred public square“ (heiligen, öffentlichen Platz), der von einer bestimmten
Religion eingenommen werde und für andere Glaubensrichtungen keinen Raum lasse und einem
„naked public square“ (leeren, öffentlichen Platz),
der Religionen aus dem öffentlichen Leben verbanne, propagiert die Charta einen „civil public square“
als Vision eines öffentlichen Lebens, das gleichzeitig freie Glaubensentfaltung und Religionslosigkeit
ermöglicht.
Dabei erhebt die „Globale Charta für Gewissensfreiheit“ den Anspruch, Gedanken-, Gewissens- und
Religionsfreiheit für jeden Menschen maximieren
zu wollen und Einschränkungen dieser Freiheit nur
ausnahmsweise und unter klar definierten Bedingungen zuzulassen.
Auch die Rechte unpopulärer Gruppen und kleinster Minderheiten müssten geschützt werden. Im
Blick auf Minderheiten sei ein demokratisches System zum Schutz der Gedanken-, Gewissens- und
Religionsfreiheit unzureichend, da darin Einzelpersonen und Minderheiten nicht genügend berücksichtigt würden.
22
EKD-Europa-Informationen Nr. 140
Die Gewissensfreiheit sei Grundlage der Demokratie. Da Menschenrechte vom Staat unabhängig und
ihm vorgeordnet seien, könne der Staat diese auch
nicht gewähren, sondern habe sie für alle Bürgerinnen und Bürger zu schützen.
Die UN-Menschenrechtscharta wird in diesem Jahr
64 Jahre alt. Einem Bericht des Pew-Forschungszentrum zu Religion und öffentlichem Leben zufolge
leben drei Viertel der Erdbevölkerung in Ländern,
in denen die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit eingeschränkt ist.
Die „Globale Charta der Gewissensfreiheit“ versteht
sich als Herausforderung und Verheißung. Die Herausforderung liegt darin, mit den „tiefgreifendsten“
Unterschieden zu leben. Die Verheißung besteht
darin, den „civil public square“ so zu gestalten, dass
Menschen mit und ohne religiöse Überzeugungen in
Frieden zusammen leben können.
(Dr. Anna Donata Quaas)
Weitere Informationen zur „Globalen Charta für
Gewissensfreiheit“ finden Sie hier:
http://charterofconscience.org
„Politik aus dem Netz und von der
Straße - Bewegung für eine demokratische und friedlichere Welt?“ Podiumsdiskussion und Vorstellung
des Friedensgutachtens 2011
Das EKD-Büro hat am 20. Juni 2012 bereits zum
dritten Mal das jeweils aktuelle Friedensgutachten
im Rahmen einer Podiumsdiskussion vorgestellt.
In diesem Jahr war der Aufsatz des Geschäftsführers des Netzwerks Friedenskooperative, Manfred
Stenner, „Politik aus dem Netz und von der Straße - Bewegung für eine demokratische und friedlichere Welt?“, Gegenstand der Debatte. Nach einem
Impuls des Europaparlamentariers Gerald Häfner
(Die Grünen) diskutierten - moderiert von der Leiterin des EKD-Büros, Katrin Hatzinger - Mitherausgeberin Dr. Corinna Hauswedell vom Bonn International Centre for Conversion (bicc), Manfred
Stenner, der Europaabgeordnete Michael Gahler
(CDU) sowie Roland Freudenstein, Forschungsleiter am Centre for European Studies. Dabei standen
folgende Fragen im Mittelpunkt: Welches Potential zur positiven Veränderung der Weltgesellschaft
steckt in den Protestbewegungen? Hat die Einforderung von Partizipation und sozialer Gerechtigkeit
auch friedenspolitische Implikationen? Wie verändern die unterschiedlichen Bewegungen von Occupy bis Arabellion unser Demokratieverständnis?
Im einleitenden Impulsvortrag thematisierte Gerald Häfner das schwindende Vertrauen der Bürger
in die Politik. Die momentanen krisenhaften Zeiten
bestimmten das Lebensgefühl. Niemand könne genau sagen, welche Entwicklungen auf die Staaten
zukommen werden. Das Vertrauen der Bürger in
die Politik erodiere, da Prophezeiungen gemacht
würden, die im Endeffekt nicht einträten.
Eine Typologie der unterschiedlichen Protestbewegungen zu erstellen sei schwierig. Es handle sich
um verschiedene Phänomene. Während es sich in
der Arabellion um eine Protestbewegung klassischen Zuschnitts handele mit einem klaren Ziel
und einem klaren Gegner, fehle es der Occupy-Bewegung an einem greifbaren Gegenspieler: Occupy
habe keinen konkreten Angriffspunkt. Ihr liege ein
umfassendes Unwohlsein mit den heutigen politischen Verhältnissen zugrunde. Dazu gehöre zum einen die Demokratiefrage, da zwischen den Wahlen
keine konkrete Möglichkeit bestehe mitzureden. Er
plädierte daher dafür, das System der Demokratie
zu überarbeiten, um den Bürgern mehr Partizipation zu gewähren. Nicht nur die fehlenden Mitsprachemöglichkeiten, auch ein entfesselter Finanzkapitalismus zerstöre die sozialen Verhältnisse und
die Umwelt. Häfner sprach von einem „Krieg“ auf
den Finanzmärkten. Die Politik müsse die Verantwortung für die derzeitigen Entwicklungen übernehmen und nach Alternativen suchen. Die Aufgabe Europas sei es in diesem Kontext, Ideen für eine
EKD-Europa-Informationen Nr. 140
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nachhaltige und soziale Ökonomie zu entwickeln.
Denn die Frage nach dem Frieden schließe die Frage des sozialen Friedens und des Friedens mit der
Natur ein: Nur eine ganzheitliche Bearbeitung könne zielführend sein.
Nach Dr. Corinna Hauswedell kann die Occupy-Bewegung in zwei Phasen unterteilt werden: Am Anfang habe sich die Bewegung selbst artikuliert und
sei stellvertretend für 99 Prozent der Bevölkerung
aktiv geworden. Die Bewegung habe eine symbolische Bedeutung und öffentliche Wirkung erzielt. Im
Verlauf der Zeit sei es dann zu einer zweiten Phase gekommen, in der Zweifel an der Reichweite der
Proteste laut wurden.
Roland Freudenstein betonte die Notwendigkeit
neuer Demokratieformen, die mehr Mitsprache der
Bürger ermöglichten. Gleichzeitig warnte er davor,
die bürgerliche Demokratie im Zuge der Protestbewegungen vorschnell gegen etwas Schlechteres einzutauschen.
Freudenstein auf einen langjährigen Fehler der EU
aufmerksam: Europa habe lediglich mit den alten
Eliten zusammengearbeitet, ohne den Blick auf die
Oppositionen zu richten. Der Kontakt zur Zivilgesellschaft müsse intensiviert werden. Durch eine
bessere Visapolitik müsse eine Wissenspolitik basierend auf internationalem Austausch entwickelt
werden, um die Länder wirtschaftlich voranzubringen.
Abschließend stellte Katrin Hatzinger fest, dass
die Themenstellung viele interessante Fragen aufgeworfen habe, sie sich jedoch im Rahmen der zur
Verfügung stehenden Zeit nicht abschließend diskutieren ließen. Ein erster anregender Schritt sei
jedoch getan worden.
(Maike Bannick / Katrin Hatzinger)
Weitere Informationen zum Friedensgutachten finden Sie hier:
http://www.friedensgutachten.de
Manfred Stenner sprach über die sozialen Medien
als Instrumente demokratischer Partizipation, sie
seien ein verbindendes Element zwischen den Bewegungen. Insbesondere die Occupy-Bewegung sei
ein Aufschrei gegen die aktuelle Politik, die ursächlich für die jetzigen Probleme sei. Man müsse die
Deregulierung der Finanzpolitik zurückschrauben
und Spekulationen begrenzen. Er sprach von einer
Politik(-er-)verdrossenheit, die unter den Bürgern
zu spüren sei und sich seit der Finanzkrise noch
einmal verschärft habe, was an den geringen Wahlbeteiligungen und dem Ruf nach einer stärkeren
Mitbestimmung deutlich werde. Die EU brauche
mehr direkte Demokratie und vermehrte Volksentscheide auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene.
Michael Gahler, sicherheitspolitischer Sprecher der
EVP-Fraktion, versuchte dem Ursprung der angesprochenen Politikverdrossenheit auf den Grund
zu gehen: Sie sei größtenteils in dem Moment entstanden, als die Politik das Wachstumsversprechen
nicht mehr halten konnte. Mittlerweile sei zunehmend Konkurrenz durch andere Staaten entstanden, die mit der EU gleichzögen. Der Abgeordnete
des Europäischen Parlaments betonte, dass die
Politik in der Verantwortung stehe, zu erklären,
warum es nicht in dem gleichen Tempo immer weiter gehen könne. An dieser Ehrlichkeit gegenüber
den Bürgern fehle es der Politik, so dass Vertrauen
schwinde. In Bezug auf die aktuelle Lage in Tunesien erläutert
Gahler, der 2011 die EU-Wahlbeobachtungsmission
in Tunesien geleitet hatte, dass dort momentan die
wirtschaftlichen, religiösen und politischen Fragen
geklärt werden müssten. Die EU habe eine große
Verantwortung, ein Land wie Tunesien zu stabilisieren. Bezugnehmend darauf machte Roland
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EKD-Europa-Informationen Nr. 140
Forschungspolitik
Steigerung menschlicher Kapazitäten
durch technische Mittel (Human
Enhancement) - Fluch oder Segen?
Bericht einer Fachtagung
Vom 25. bis 27. April 2012 hatte die Kommission
Kirche und Gesellschaft der KEK (Konferenz Europäischer Kirchen) zu einer Tagung zum Thema
„Human Enhancement: Moral, Religious and Ethical Aspects from a European Perspective“ eingeladen. Beim „human enhancement“, der Steigerung
menschlicher Kapazitäten durch technische Mittel,
handelt es sich um ein derzeit kontrovers diskutiertes Thema: Zwar haben Menschen von jeher versucht, in natürliche Prozesse einzugreifen und ihre
Möglichkeiten zu erweitern, sei es durch den Einsatz
von Heilmitteln zur Behandlung von Krankheiten,
sei es durch die Entwicklung von technischen Hilfsmitteln. Neu sind jedoch chemische Produkte, welche die sportliche Leistungsfähigkeit erhöhen, kognitive Fähigkeiten steigern oder einen Menschen
psychisch verändern. In den Körper eingepflanzte
Implantate, beispielsweise Computerchips im Gehirn, sollen Fähigkeiten stimulieren, über die der
Mensch gewöhnlich nicht (mehr) verfügt. Modifikationen an menschlichen Zellen und Genen werden
vorgenommen, um Behinderungen zu beseitigen
oder menschliche Möglichkeiten zu verbessern.
Diese neuen Entwicklungen provozieren eine Reihe von Fragen: Welche Auswirkungen haben sie im
Blick auf den ganzen Menschen in seiner Einheit
von Körper, Geist und Seele? Welche Folgen hat
„human enhancement“ für das Menschenbild? Wie
verändert sich eine Gesellschaft angesichts dieser
technischen Neuerungen? Welche Auswirkungen
haben sie auf das Bild von Gott als Schöpfer? Wie
werden zukünftig finanzielle Ressourcen verteilt:
Werden Mittel, die zur Förderung von Biotechnologie eingesetzt werden, in anderen Bereichen des
Gesundheitssektors fehlen?
Im Laufe der letzten Jahre hat sich die Kommission
Kirche und Gesellschaft mehrfach mit dem Thema
befasst: Im Jahre 2003 gab es bereits eine ökumenische Konsultation zum Thema Bioethik, 2009
wurde ein Diskussionspapier zum Thema „human
enhancement“ vorgelegt. Die Tagung konnte daher
auf vorangegangene Diskussionsprozesse aufbauen.
Etwa 50 Repräsentanten europäischer Kirchen und
Religionsgemeinschaften sowie Vertreter aus Wissenschaft und Politik aus 18 verschiedenen Ländern nahmen an der Konferenz teil.
Einige Referate sollen im Folgenden skizziert werden: Cees Dekker, Professor am Institut für Nanowissenschaften der Technischen Universität Delft,
gab eine Einführung in seinen Fachbereich. Auf
Schlagzeilen wie „Playing God?“, die im Zusam-
EKD-Europa-Informationen Nr. 140
menhang mit seiner Forschung für Furore sorgten,
reagiert der - sich explizit als Christ ausweisende
Wissenschaftler - mit einer Unterscheidung: „Playing God“ könne einerseits als menschliche Hybris
verstanden werden. Mit dem Gebot, die Schöpfung
zu bewahren, sei den Menschen jedoch auch ein
„cultural assignment“, also ein die Welt
gestaltender Auftrag, übertragen worden. In diesem ethischen Dilemma bewege sich die Biotechnologie.
Roland Kipke, wissenschaftlicher Koordinator des
Internationalen Zentrums für Ethik in den Wissenschaften (IZEW) an der Universität Tübingen, ging
es in seinem Beitrag um eine Differenzierung zwischen dem allgemein menschlichen Streben nach
Verbesserung (etwa im Blick auf Leistungsfähigkeit, charakterliche Eigenschaften und Gesundheit)
und der künstlich herbeigeführten Veränderung
menschlicher Kapazitäten durch pharmakologisches Neuro-Enhancement. Während ersteres ein
aktives Arbeiten an der eigenen Persönlichkeit einschlösse, spiele bei letzterem die eigene Anstrengung und Selbstreflexion keine wesentliche Rolle.
An die graduelle Veränderung über einen längeren Zeitraum trete der rasche Wandel. Auch wenn
Neuro-Enhancement grundsätzlich moralisch nicht
verwerflich sei, entfalle dadurch die Arbeit an der
eigenen Persönlichkeitsentwicklung - ein wichtiges
menschliches Gut.
Im Zentrum der Konferenz stand der Austausch
mit der STOA (Scientific and Technological Options
Assessment), einer Abteilung im Europäischen Parlament zur Folgenabschätzung wissenschaftlicher
und technologischer Optionen. Nach Einführungsvorträgen zu neuen Entwicklungen in Nano-, Biound Informationstechnologie sowie den Kognitionswissenschaften wurde das Thema aus christlicher,
jüdischer und muslimischer Perspektive beleuchtet
und anschließend durch ein Expertenpodium und
die Konferenzteilnehmer diskutiert.
Am Schluss der Konferenz stand ein zusammenfassender Vortrag des Systematischen Theologen und
Ethikers Professor Peter Dabrock (Universität Erlangen): Darin rief er dazu auf, das Thema ‚human
enhancement‘ nüchtern zu betrachten. Bei transhumanistischen Ideen handele es sich nach wie vor um
Utopien. Hinter der Debatte um „human enhancement“ erkennt er vielmehr eine soziale Krise, auf
die Kirchen dringend zu reagieren hätten.
Die Konferenz bot eine Fülle von Beiträgen und Perspektiven auf das Thema, die auf der Internetseite
der Kommission Kirche und Gesellschaft der KEK
(siehe unten) nachzulesen sind. Dort sind auch die
bisher erschienenen Beiträge der Kommission Kirche und Gesellschaft der KEK und ihrer Mitgliedskirchen zum Thema Bioethik und -technologie aufgeführt.
(Dr. Anna Donata Quaas)
http://csc.ceceurope.org
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Horizont 2020 - EU-Mittel für
Forschung und Innovation
Derzeit werden die Konditionen des Rahmenprogramms „Horizont 2020“ verhandelt, das von 2014
bis 2020 EU-Mittel in Höhe von etwa 80 Milliarden
Euro für Forschung und Innovation bereit stellen
soll. Die Mittel sollen zur Förderung von Exzellenzforschung, der führenden Rolle der Industrie und
zur Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen eingesetzt werden.
Besonders bei der Bewältigung gesellschaftlicher
Herausforderungen nehmen die Geistes- und Sozialwissenschaften aus kirchlicher Sicht eine herausgehobene Stellung ein. Als vorrangiges Forschungsfeld sollte dabei auch die Forschung über
die Rolle der Religionen in Europa und ihr Beitrag
zur Europäischen Integration angesehen werden.
Entsprechend hatte sich die Bundesregierung in
ihrem 2. Leitlinienpapier vom 17. Juni 2011 dafür
ausgesprochen, die „kulturelle und religiöse Vielfalt
als Ressource gesellschaftlicher Erneuerung und
Entwicklung“ durch das neue Rahmenprogramm
für Forschung und Innovation zu fördern.
Im bisherigen Vorschlag der EU-Kommission für
„Horizont 2020“ wird auf die Rolle von Religionen
nur an einer Stelle hingewiesen. Unter der Überschrift „Reflektierende Gesellschaften - Kulturerbe
und europäische Identität“ wird unter „Schwerpunkten der Tätigkeiten“, die „Erforschung der Geschichte, Literatur, Philosophie und Religionen der
Länder und Regionen Europas...“ genannt.
Im Kernthesenpapier der Bundesregierung vom 15.
Mai 2012 wird zudem darauf hingewiesen, dass es
für Europa wichtig sei, „seine geistigen und kulturellen Grundlagen zu reflektieren und auf dieser
Basis geistige, kulturelle und soziale Beiträge zur
weiteren Entwicklung Europas zu leisten.“ Besonders in den Bereichen „Demographischer Wandel“
und „Migration“ bestehe mehr Forschungsbedarf
auf gesamteuropäischer Ebene. Um Europas kulturelle Wurzeln als Basis für eine gemeinsame Identität zu verstehen, sei eine „hierauf zugeschnittene
Forschungsagenda mit eigener Programmatik“ notwendig. Zum Erhalt des Kulturguts und zur Erforschung von Quellen und Sammlungen wird auf
die besondere Rolle der Geistes-, Wirtschafts- und
Sozialwissenschaften hingewiesen. Aus Sicht der
Kirchen ist jedoch die Rolle von Geistes- und Sozialwissenschaften im neuen Rahmenprogramm insgesamt noch zu wenig berücksichtigt.
Wie bereits im Vorfeld des 7. Forschungsrahmenprogramms wird weiter darum gestritten, ob mit
EU-Mitteln auch die Verwendung humaner embryonaler Stammzellen für Forschungszwecke finanziert werden soll.
Wegen der ethischen Relevanz des Themas wurde der Rechtsausschuss (JURI) vom eigentlich für
Forschungsfragen zuständigen Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie (ITRE) um eine
Stellungnahme gebeten. Am 22. Mai 2012 legte der
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Berichterstatter des Rechtsausschusses, Piotr Borys (EVP, Polen), den Entwurf einer Stellungnahme
vor.
In seinem Entwurf einer Stellungnahme beruft
sich Berichterstatter Borys auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 18. Oktober
2011, wonach embryonale Stammzellen nicht patentierbar sind. Hintergrund dieses Urteils war
ein Patentstreit zwischen der Umweltorganisation
Greenpeace und dem Bonner Stammzellenforscher
Oliver Brüstle (siehe EKD-Europa-Informationen
Nr. 139).
Aufgrund des Urteils des EuGH plädiert Borys dafür, „Forschungstätigkeiten, bei denen menschliche Embryonen zerstört oder humane embryonale
Stammzellen verwendet werden, gänzlich von einer
Förderung durch die EU auszuschließen“. Seiner
Stellungnahme zufolge soll Artikel 16 des Vorschlags
für das Rahmenprogramm entsprechend verändert
werden. Im Sinne der Kirchen fordert er, die bisherige Protokollerklärung der Europäischen Kommission, keine Forschungsprojekte zu fördern, in
deren Verlauf humane Embryonen zur Gewinnung
von Stammzellen zerstört werden müssen, rechtlich
verbindlich in der Verordnung festzuschreiben. In
dem Kernthesenpapier der Bundesregierung wird
hingegen lediglich von der Europäischen Kommission gefordert, eine Protokollerklärung abgeben
und im Amtsblatt der Europäischen Union zu veröffentlichen. Die ethischen Standards, die im 7. Forschungsrahmenprogramm gesetzt sind, hält sie für
ausreichend.
Der Entwurf einer Stellungnahme des Berichterstatters Piotr Borys kann möglicherweise bei der
für September 2012 angesetzten Abstimmung im
JURI-Ausschuss eine Mehrheit erzielen. Ob sich
sein Vorschlag auch im Plenum durchsetzt, ist fraglich.
(Dr. Anna Donata Quaas)
Das „2. Leitlinienpapier der Bundesregierung für
das kommende Rahmenprogramm für Forschung
und Innovation“ ist online verfügbar unter
http://www.bmbf.de
Der „Vorschlags für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das
Rahmenprogramm für Forschung und Innovation
‚Horizont 2020‘“ ist hier nachzulesen:
http://www.parlament.gv.at
Das „Kernthesenpapier der Bundesregierung zum
Vorschlag der Europäischen Kommission für ein
neues europäisches Rahmenprogramm für Forschung und Innovation „Horizont 2020“ ist veröffentlicht unter:
http://www.forschungsrahmenprogramm.de
Den Entwurf einer Stellungnahme des Rechtsausschusses von Berichterstatter Piotr Borys finden
Sie hier:
http://www.europarl.europa.eu
EKD-Europa-Informationen Nr. 140
Jugend, Bildung, Sport
Nach dem Spiel ist vor dem Spiel EU-Politik und Sport
Jugendund
bildungspolitische
Schwerpunkte der zyprischen EURatspräsidentschaft
Mit dem Vertrag von Lissabon wurden der Europäischen Union sportpolitische Kompetenzen eingeräumt (siehe EKD-Europa-Informationen Nr. 139),
die sie bei der Fußball-Europameisterschaft 2012
zum ersten Mal als politischer Akteur unter Beweis stellen konnte. Neben der inner-europäischen
Sportförderung ist die Sportpolitik der EU-Kommission auch ein entwicklungspolitisches Instrument.
Explizit wird die „Förderung des interkulturellen
Dialoges und des Friedens“ als Leitziel proklamiert.
(Doris Klingenhagen, Referentin)
Dass Sport und Politik sich oft nicht klar trennen
lassen, wurde bereits bei den Olympischen Spielen
in Peking 2008 ersichtlich. Ein Blick auf die Veranstaltungsorte zukünftiger sportlicher Großereignisse verdeutlicht, dass auch künftig klare Positionierungen der EU-Politik von Nöten sind. 2014 findet
die Eishockey-Weltmeisterschaft in Weißrussland
statt, die Fußball-Weltmeisterschaft wird 2018 in
Russland und 2022 in Katar abgehalten. Die Europäische Kommission hatte auf die Berichte über
Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine, insbesondere den Fall Julija Tymoschenko, mit einem
Fernbleiben europäischer Spitzenpolitiker von den
Meisterschaften reagiert, da es „unter den gegebenen Umständen inopportun wäre, zu den Spielen in
der Ukraine zu reisen“.
• Die Förderung der Beteiligung junger Menschen und der sozialen Inklusion mit besonderer Berücksichtigung junger Menschen mit Migrationshintergrund sowie
• die Förderung der gesellschaftlichen Integration junger Menschen.
Vor dem Hintergrund, dass die Sportpolitik noch
ein junges Feld der EU-Politik darstellt, waren
diese Reaktionen ein erster Schritt, von den neuen Kompetenzen Gebrauch zu machen. Gleichwohl
ist in Anbetracht der kommenden Großereignisse
nochmals die diplomatische Schärfe der nun zur
Verfügung stehenden politischen Instrumente von
Dialog, Restriktion, Kooperation und Förderung zu
überdenken.
(Christoph Schnabel)
Die Seite der EU-Kommission zum Thema Sport
finden Sie unter folgender Adresse:
http://ec.europa.eu
EKD-Europa-Informationen Nr. 140
Die zyprische EU-Ratspräsidentschaft hat auf den
Sitzungen der Jugend- und Bildungsminister und
-ministerinnen am 10./11. Mai 2012 über ihre politischen Schwerpunkte in der zweiten Jahreshälfte
2012 informiert. Als übergreifendes Thema wird
„Soziale Inklusion“ auf der Tagesordnung stehen.
Jugendpolitisch werden zwei Schwerpunkte in die
gemeinsame Arbeit eingebracht:
Zum erstgenannten Thema sollen Schlussfolgerungen verabschiedet werden. Der Jugendrat der EU
wird sich darüber hinaus mit zwei Entschließungsvorschlägen befassen (einen zum Zwischenstand
der Umsetzung des Strukturierten Dialogs und einen weiteren zum zweiten EU-Jugendbericht), die
beide im September von der EU-Kommission in die
Diskussion gebracht werden.
Die bildungs- und berufsbildungspolitischen Prioritäten des zypriotischen EU-Vorsitzes sind die
Bekämpfung des Analphabetismus, die Gleichheit
und Exzellenz in der Berufsbildung sowie ein Folgebericht zur Umsetzung des strategischen Rahmens
für die europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der allgemeinen und beruflichen Bildung.
Ein gemeinsames Thema der Bildungs- und Jugendpolitiker der EU könnte die Beratung einer
Empfehlung zur Anerkennung des nicht formalen
und informellen Lernens sein. Die Veröffentlichung
des Vorschlags wurde bereits von der EU-Kommission für Juni dieses Jahres angekündigt, jedoch verschoben.
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EU-Bildungsministerrat trifft
wichtige Entscheidungen für das
Förderprogramm Bildung, Jugend
und Sport - „Erasmus für alle“
Am 11. Mai 2012 ist durch den EU-Bildungsministerrat eine wichtige Weichenstellung für das ab
2014 geplante europäische Förderprogramm „Erasmus für alle“ für die Bereiche Bildung, Jugend und
Sport erfolgt. Der Rat hat dafür gesorgt, dass im
neuen Programm die unterschiedlichen Zielgruppen
passgenau angesprochen werden. Am deutlichsten
wird dies durch die Einführung eines Jugendkapitels. Darüber hinaus stärkt er den Stellenwert der
beruflichen Bildung sowie die eigenständige Verwaltung des Programms durch die Mitgliedstaaten.
Eine wichtige Errungenschaft ist ebenfalls, dass für
jede Zielgruppe ein bestimmtes Mindestbudget vorgesehen sein soll.
Der Kommissionsentwurf hatte beabsichtigt, unter dem Titel „Erasmus für alle“ ein übergreifendes
Förderprogramm aufzulegen, in dem alle bisherigen Aktionen aus Hochschulbildung, schulischer
Bildung, beruflicher Bildung und außerschulischer
Bildung in den drei horizontalen Aktionslinien aufgehen sollten. Dem stimmten die Mitgliedstaaten
nicht in allen Punkten zu.
Bildung
Im Programmbeschluss des Rates wurde im Kapitel „Bildung und Ausbildung“ eine Struktur geschaffen, die die verschiedenen Zielgruppen klar erkennbar macht und sich dabei an der Struktur des
„Life-Long-Learning“-Programms orientiert. Diese
wurden den drei horizontalen Aktionslinien des Gesamtprogramms zugeordnet: 1. Lernmobilität von
Einzelpersonen; 2. Zusammenarbeit zur Förderung
von Innovation und bewährten Verfahren; 3. Unterstützung politischer Reformen.
Ebenfalls ist es gelungen, den besonderen Stellenwert des Austausches in der beruflichen Bildung
und des deutschen Ausbildungssystems zu verankern. Darüber hinaus wurde die berufliche Bildung
in der Zusammenarbeit mit außereuropäischen
Ländern gestärkt.
Die EU-Kommission hatte zuvor vorgeschlagen,
diese Zusammenarbeit auf den Hochschulbereich
zu konzentrieren. Die Bedeutung der Zusammenarbeit der Einrichtungen von Bildung und Ausbildung mit Partnern der Arbeitswelt wurde durch
den Ratsbeschluss bestärkt. Im Bereich der Schulbildung („COMENIUS“) finden Aktivitäten mit
Schülern und Schülerinnen jedoch weiterhin keine Berücksichtigung, auch die Erwachsenbildung
(„GRUNDTVIG“) wird weiter unter den Aspekt der
Berufsbildung gefasst.
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Jugend
Aus deutscher Sicht ist die Einigung auf ein eigenes Kapitel „Jugend“ ein besonders wichtiger
Punkt. Mit der Forderung eines eigenen Jugendprogramms war die Bundesregierung in einem großen
Schulterschluss mit Jugendorganisationen und anderen Trägern und Verbänden aus der Jugendhilfe
ursprünglich in die Verhandlungen gegangen. Die
verschiedenen Interessenslagen der Mitgliedstaaten haben als Kompromiss jetzt nur ein Jugendkapitel zugelassen. Dieses ist jedoch mit gesonderten
jugendpolitischen Zielbestimmungen versehen und
erfüllt jugendpolitische Mindestanforderungen.
Das Kapitel „Jugend“ ist ebenso an den drei horizontalen Aktionslinien des Gesamtprogramms orientiert. Es eröffnet Formate und Förderziele, die
im Wesentlichen die Aktivitäten von JUGEND IN
AKTION weiter ermöglichen. So stehen Jugendaustausch, Europäischer Freiwilligendienst und die
Mobilität von Fachkräften in Qualifizierungs- und
Vernetzungsaktivitäten innerhalb der EU und mit
Partnerländern im Mittelpunkt. Ebenso sind die
Förderung von Jugendinitiativen, der Strukturierte
Dialog mit jungen Menschen sowie die Förderung
des Europäischen Jugendforums und der europäischen Nichtregierungsorganisationen enthalten.
Das Jugendkapitel hat im Ratsbeschluss darüber
hinaus einen klaren Bezug zu den Zielen der EUJugendstrategie erhalten.
In Sachen der Verantwortung für das zukünftige
Programm (programmbegleitender Ausschuss) und
die Programmverwaltung (jugendspezifische Nationalagentur) hat sich der Rat der Fachminister auf
Kompromisslinien eingelassen. Nach Meinung des
Rates wird es nur einen zuständigen Programmausschuss geben, den dann verantwortlichen Bildungsausschuss. Dieser kann in speziellen Zusammensetzungen tagen, um über bereichsspezifische Fragen
wie den Jugendbereich beraten zu können. Ein eigener jugendspezifischer Programmausschuss ist
nicht mehr vorgesehen. Zur Programmverwaltung
wird den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt, diese auf nationaler Ebene unter Berücksichtigung eigener Bedürfnisse und Gegebenheiten
zu gestalten. Das heißt für Deutschland, dass es
weiter eine „Nationalagentur Jugend“ geben kann.
Sie muss sich jedoch in ein koordiniertes Vorgehen
mit den anderen Agenturen und Ministerien einordnen. Denn an dem Gesamtprogramm „Erasmus
für alle“ sind in Deutschland zukünftig sowohl das
Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), das Bundesministerium
des Inneren (für den Sportbereich) (BMI) und das
Bundesministerium für Bildung und Forschung
(BMBF) beteiligt.
EKD-Europa-Informationen Nr. 140
Sport
Eine größere Änderung hat der EU-Rat gegenüber
dem Kommissionsvorschlag im Sportkapitel vorgenommen, indem er nur noch die Förderung transnationaler Netzwerke und Studien vorsieht. Herausgefallen sind dabei Strukturfördermittel für
Sportorganisationen und die Förderung für Sportereignisse mit ihren vorbereitenden Maßnahmen.
Hinzu kommt eine Erhöhung der Koinanzierungsquote auf 40 Prozent. Diese Ausrichtung schließt
die Nutzung des Programms für den Breitensport
zukünftig aus.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der
Bildungsministerrat wichtige (jugend-)politische
Forderungen aufgegriffen hat - jedoch mit Einschnitten und noch vielen offenen Punkten. Bei allem Erreichten ist zu beachten, dass dieser Ratsbeschluss ein Teilbeschluss und -kompromiss ist, der
die Fragen zur finanziellen Mittelausstattung des
Gesamtprogramms wie auch die konkrete Zuweisung zu einzelnen Bereichen ausklammert. Diese
hängen vom Beschluss des Mehrjährigen Finanzrahmens ab. Das Europäische Parlament wird auf
der Grundlage des Kommissionsvorschlags einen
eigenen Beschluss voraussichtlich Anfang 2013 fassen. Diese drei Beschlüsse bzw. Vorschläge werden
dann mit dem Finanzrahmen zu einem endgültigen
Programmbeschluss im Trilog-Verfahren zwischen
EU-Kommission, EU-Rat und Europäischem Parlament verhandelt. Somit besteht jetzt die Möglichkeit über das Europäische Parlament weitere
jugendpolitische wie auch bildungspolitische Konkretisierungen zu erreichen.
(Doris Klingenhagen)
Zum Beschluss des Rates:
http://www.jugendpolitikineuropa.de
Jugendministerrat setzt auf Kreativitäts- und Innovationspotential junger
Menschen
Der Rat der Jugendminister hat am 11. Mai 2012
Schussfolgerungen zur Förderung des Kreativitätsund Innovationspotenzials junger Menschen angenommen. Er machte darin deutlich, dass nicht formales und informelles Lernen sowie Jugendarbeit
und Jugendorganisationen wichtige Instrumente
zum Erwerb notwendiger Fähigkeiten und Kompetenzen sind. Als Grundforderung formulierte der
Rat, dass junge Menschen unbedingt am Arbeitsmarkt beteiligt werden müssen, damit ihr Kreativ- und Innovationspotenzial genutzt wird. Beispielhaft weist er dabei auf die Jugendinitiativen
im Programm „JUGEND IN AKTION“ hin, die den
kreativen Unternehmergeist bei jungen Menschen
anregen und fördern.
An die Mitgliedstaaten gingen folgende Empfehlungen:
• Kreativität und Innovationsfähigkeit junger
Menschen durch Angebote der persönlichen und
sozialen Entwicklung zu fördern und die Sicherung der Jugendarbeit zu gewährleisten,
• eine angemessene und nachhaltige Finanzierung der Angebote zu ermöglichen,
• sich für strategische Partnerschaften zwischen
Jugendorganisationen, Behörden auf lokaler,
regionaler und nationaler Ebene sowie dem Privatsektor einzusetzen, um Jugendinitiativen
anzuregen,
• die Anerkennung und Validierung von nicht formalem und informellem Lernen zu verbessern.
Darüber hinaus wurde im Rat diskutiert, welche
Beiträge Jugendarbeit zur Lösung der Jugendarbeitslosigkeit leisten kann. Es wurde deutlich, dass
die Stärkung des Freiwilligendienstes und die bessere Anerkennung des nicht formalen und informellen
Lernens zwei zentrale Beiträge der Jugendpolitik
darstellen. Weiterhin wurde eine Expertengruppe
auf Ebene der EU eingerichtet, die den Auftrag hat,
sich über Verfahren auszutauschen, bei denen die
Kreativität und Innovationsfähigkeit junger Menschen durch nicht formales und informelles Lernen
gefördert werden und ihnen so Kompetenzen und
Fähigkeiten vermittelt, die für die Beschäftigungsfähigkeit von Belang sind.
(Doris Klingenhagen)
Zu den Schlussfolgerungen:
http://www.jugendpolitikineuropa.de
EKD-Europa-Informationen Nr. 140
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Neuer Benchmark für den Bildungsbereich „Beschäftigungsfähigkeit“
EU-Jugendkonferenz empfiehlt die
Senkung des Wahlalters
Der Bildungsrat der EU hat sich am 12. Mai 2012
mit der Beschäftigungsfähigkeit von Absolventinnen und Absolventen allgemeinbildender und
beruflicher Bildungsgänge befasst und die Benchmark „Beschäftigungsfähigkeit“ beschlossen, um
die Fortschritte zu dieser Zielvorgabe besser messen zu können. Die Jugendarbeitslosigkeit gehört in
der EU derzeit zu den vieldiskutierten Themen. 5,5
Millionen junge Menschen im Alter von 15 bis 24
Jahren in der Europäischen Union sind arbeitslos.
Die dänische Ratspräsidentschaft hat vom 19. bis
21. März 2012 zur EU-Jugendkonferenz nach Kopenhagen geladen. Im Rahmen der Konferenz diskutierten Jugenddelegierte, Generaldirektoren für
Jugendpolitik und Vertreter der Jugendverbände
zum Thema des laufenden Strukturierten Dialogs
der EU mit der Jugend: „Beteiligung von Jugendlichen am demokratischen Leben“. Die Teilnehmer
und Teilnehmerinnen der Konferenz einigten sich
auf gemeinsame Empfehlungen, die auch die Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre und ein unabhängiges Jugendprogramm umfassen.
Mit dieser neuen europäischen Benchmark versprechen sich Rat und Kommission die Ermittlung von
Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen, mit denen
der Übergang von der allgemeinen und beruflichen
Bildung ins Erwerbsleben erleichtert und die Beschäftigungserfolge verbessert werden. Beschäftigungsfähigkeit wird als eine Kombination von Faktoren verstanden, die dem Einzelnen ermöglichen,
„Fortschritte auf dem Weg ins Erwerbsleben zu
machen oder ins Erwerbsleben einzutreten, dort zu
verbleiben und beruflich voranzukommen“. In der
Diskussion wurde deutlich, dass Beschäftigungsfähigkeit über die Politik der allgemeinen und beruflichen Bildung hinausgeht und von weiteren
Determinanten, wie z.B. Arbeitsmarktregulierungen, aber auch der Qualität der Arbeitsplätze, der
Struktur der Wirtschaft und der allgemeinen Wirtschaftslage beeinflusst wird. Mit der Benchmark
liegt der Fokus auf den Leistungen von Bildung und
Berufsbildung für die Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt, was sicher auch einen gewissen Vergleich
der Bildungs- und Berufsbildungssysteme nach sich
ziehen wird.
Der europäische Bezugswert sagt aus, dass der Anteil erwerbstätiger Absolventen im Alter von 20 bis
34 Jahren, die das allgemeine und berufliche Bildungssystem seit höchstens drei Jahren vor dem
Referenzjahr verlassen haben, bis zum Jahr 2020
mindestens 82 % betragen sollte. Dabei wird die
Gruppe von Menschen in den Blick genommen, die
mindestens über die Sekundarstufe II (wie Abitur,
Abschluss Berufsausbildung Duales System und
Berufsfachschulen), eine postsekundäre, nicht-tertiäre Qualifikation (Abschluss Fach-, Berufsoberschulen) oder den Hochschulabschluss verfügen.
Der Anteil der erwerbstätigen Absolventen ist in
der EU gesunken, von 81 % in 2008 auf 76,5 % in
2010. In Deutschland liegt die Quote aktuell bei
84,7 %.
In der Empfehlung werden die Mitgliedstaaten der
EU aufgefordert, für Jugendliche einen vereinfachten Zugang zu Wahlen zu schaffen. Politische Bildung soll stärker in die formale Bildung integriert
werden, Jugendorganisationen besser eingebunden
werden. Die Partizipation Jugendlicher sollte außerdem durch Fördermöglichkeiten für Jugendinitiativen und einen transparenten Entscheidungsprozess gewährleistet werden. Die Mitgliedstaaten
und die EU werden außerdem aufgefordert, die Erforschung der Verwendung neuer Medien bei der
Jugendpartizipation voranzutreiben, um mehr darüber zu erfahren, welche Kanäle junge Menschen
nutzen, um am demokratischen Leben teilzuhaben.
Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Jugendkonferenz beschäftigten sich auch mit dem neuen
EU-Programm für Bildung und Jugend, das gegenwärtig in Brüssel verhandelt wird und ab 2014 gelten soll.
Sie sprechen sich für ein Programm aus, das die
persönliche und soziale Entwicklung aller jungen
Menschen durch non-formales Lernen, Freiwilligentätigkeit, „Active Citizenship“, Interkultureller
Kooperation und Jugendarbeit fördert.
(Doris Klingenhagen)
Zu den Forderungen der Konferenzteilnehmenden:
http://web28.aksb1.proadnet.de
(Doris Klingenhagen)
Die Schlussfolgerungen des Rates finden Sie hier:
http://www.jugendpolitikineuropa.de
30
EKD-Europa-Informationen Nr. 140
Fachgespräch in Brüssel zur Solidarität der Generationen
2012 ist das europäische Jahr des „Aktiven Alterns und der Solidarität der Generationen“. Dies
haben die Vertretungen der Evangelischen Kirche
in Deutschland (EKD-Büro) und des Diakonischen
Werkes der EKD in Brüssel gemeinsam mit der
Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in
Deutschland e.V. (aej) zum Anlass genommen, am
31. Mai 2012 zu einem Fachgespräch in das Haus
der EKD in Brüssel einzuladen unter dem Titel
„jung und (un)beschwert - alt und (in)aktiv? Die Solidarität der Generationen im Fokus der EU“. Ziel
des Fachgesprächs war es, Fragen nachzugehen,
die sich durch den demographischen Wandel für
das Verhältnis der Generationen neu stellen: Wo
liegen mögliche Interessenskonflikte? Was wird für
das Zusammenleben von Alt und Jung und für die
Solidarität der Generationen zukünftig notwendig
sein? Wie kann Solidarität zwischen den Generationen aussehen und was kann die EU dazu beitragen?
Impulse zu dieser Thematik lieferten Ilse Falk, die
Vorsitzende der Evangelischen Frauen in Deutschland e.V., sowie Professor Dr. Gerhard Wegner, der
Leiter des Sozialwissenschaftlichen Instituts der
EKD. An der anschließenden Diskussion beteiligten
sich auf dem Podium zudem Johannes Stockmeier,
der Präsident des Diakonischen Werkes der EKD,
Martin Kastler, Mitglied und Berichterstatter des
Europaparlaments zum Europajahr 2012, sowie
Manuela Wörle, die Vorsitzende der Evangelischen
Jugend in Baden. Die Moderation der Diskussion
übernahm Doris Klingenhagen, Mitarbeiterin der
aej und des EKD-Büros in Brüssel.
OKR‘in Katrin Hatzinger machte in ihrer Begrüßung auf die aktuelle Situation der Jugendlichen
bezüglich der Arbeitsmarktsituation in Europa
aufmerksam: Man spreche bereits von einer „lost
generation“. Selbst wenn ihnen der Eintritt in den
Arbeitsmarkt gelänge, dann oft nur im Rahmen
unbefriedigender Beschäftigungsverhältnisse. Das
Bild von den leichten und unbeschwerten jungen
Jahren muss also revidiert werden. Ein Teil der
Menschen der älteren Generation sei aktiv, engagiere sich ehrenamtlich und nehme an Weiterbildungsmaßnahmen teil. Aber auch hier führe ein
Schwarz-Weiß-Denken in die Irre, habe sich durch
die Wirtschaftskrise in der EU das Problem der Altersarmut doch drastisch verschärft. Im Kontext
der Generationen betont die Leiterin des EKD-Büros die Verbundenheit untereinander: „Junge Menschen sind auf ältere angewiesen und umgekehrt.
Jedes Alter, jeder Mensch mit seinen besonderen
Gaben trägt zum Gesamtwerk bei.“
Die Vorsitzende der Evangelischen Frauen, Ilse
Falk, zeigte sich davon überzeugt, dass es eine Vielzahl an Möglichkeiten gebe, wie sich die Generati-
EKD-Europa-Informationen Nr. 140
onen gegenseitig zur Seite stehen können. Voraussetzung dafür sei, dass Begegnungen ermöglicht
werden: „Es sollten auch in Zukunft vielfältige Formen der Begegnung zwischen allen Generationen
länderübergreifend unterstützt werden. Viele gute
Erfahrungen zeigen, dass das ein richtiger Weg ist
für grenzüberschreitende Solidarität.“. Grundlegend für das Miteinander zwischen den Generationen sei dabei auch die eigene Wahrnehmung. Jeder
solle für sich selbst ergründen, was für ihn persönlich eine mögliche Teilhabe darstelle und dementsprechend handeln.
Der Leiter des wissenschaftlichen Instituts der
EKD, Professor Dr. Gerhard Wegner, stellte Zahlen, Daten und Fakten zum Verhältnis der Generationen vor. Dabei wurde deutlich, dass die sozialen Ungleichheiten innerhalb der Gesellschaft und
auch innerhalb der einzelnen Generationen zunehmen: „Die Chancen im Alter hängen von ungleich
verteilten sozialen Voraussetzungen ab. Armutserfahrung geht mit geringer Lebenserwartung und einer geringeren Zahl bei guter Gesundheit verbrachten Lebensjahren einher.“ Das momentane Agieren
auf vielen politischen Ebenen geschehe nicht im
Sinne der Nachhaltigkeit. Um Generationengerechtigkeit zu erreichen, sollten „die Teilhabechancen
zukünftiger Generationen mindestens so groß wie
die der heutigen Generation sein.“ Schulden-, Umwelt-, Energie- und Sozialpolitik reduzierten die
Möglichkeiten der nachwachsenden Generation.
Zudem betont Wegner, dass das Alter heutzutage
sehr individuell sei und man nicht durch das biologische Alter einer Person Zuschreibungen vornehmen dürfe, sondern eher konstatieren müsse, dass
die Altersgrenzen überflüssig würden, da die noch
vorhandenen Fähigkeiten ganz individuell seien.
Man solle über eine Arbeitsumverteilung nachdenken, die die Arbeitskraft der Älteren, die noch aktiv
sind, der jüngeren Generation zugutekommen lässt.
Manuela Wörle, die Vorsitzende der Evangelischen
Jugend in Baden, sprach von einem früh beginnenden hohen Leistungsdruck, der auf der jungen Generation laste. Es bleibe wenig Raum für persönliche
Entfaltung und eigene Interessen. Dies führe dazu,
dass sich junge Menschen nur noch selten Zeit für
soziales Engagement nehmen könnten, was einerseits ein Ausgleich zum Alltagsleben wäre und andererseits solidarisches Handeln ermögliche. Eine
Förderung von Freiräumen für ehrenamtliches Engagement halte sie für sinnvoll. Viele Studien bestätigten, dass in der Jugend eingeübtes Ehrenamt
sich häufig durch eine Lebensbiographie hindurch
ziehe. „Wer später aktive und engagierte ältere
Menschen sehen möchte, darf heute nicht an Zeit
und Freiräumen für junge Menschen sparen und sie
nur als Humanressource für eine funktionierende
Wirtschaft sehen“, so Manuela Wörle.
Johannes Stockmeier, der Präsident des Diakonischen Werkes der EKD, machte darauf aufmerk-
31
Kohäsionspolitik
sam, dass wir - wenn vielleicht auch unbewusst
- stetig „Lasten für zukünftige Generationen anhäufen.“ Stockmeier betonte eine Erkenntnis, die
durch das Europäische Jahr 2012 klar geworden
sein sollte: „Wir können nicht so weitermachen wie
bisher.“ Er warb für konkretes Handeln, das die
zahlreichen Diskussionen zu dem Themenbereich
unbedingt nach sich ziehen müssten. Martin Kastler, Mitglied des Europäischen Parlaments, sprach
von einem notwendigen Umdenken in der Gesellschaft: Dafür sei es notwendig, die Thematik in
verschiedenen Politikfeldern anzusprechen und zu
bearbeiten. Zudem verweist er auf die Problematik
der Rentenansprüche bei transnationalen Arbeitsverhältnissen und stellt die Frage in den Raum:
„Wie können wir etwas mit Leben füllen, was wir
ständig fordern: Mobilität?“
Die rege Beteiligung des Publikums zeigte, dass die
Veranstalterinnen mit ihrem besonderen Fokus auf
die Lebenslagen junger Menschen und der Frage
nach dem Miteinander von Jung und Alt einen besonderen Akzent gesetzt hatten, den auch der Kommissionsvertreter gerne aufnahm.
(Doris Klingenhagen / Maike Bannick)
Weitere Informationen zur Veranstaltung:
http://www.ekd.de
Stand der Regionalpolitik
In der gegenwärtigen Wirtschafts- und Finanzkrise
wird neben fiskalischen Interventionen auch auf die
Möglichkeiten der europäischen Regionalpolitik zurückgegriffen. 55 Milliarden Euro sind für Projekte
zur Bewältigung von strukturellen Problemen für
2013 bereitgestellt. Die Regionalpolitik steht dabei in einem Spannungsfeld von Ausgleichszielen
und einer möglichst wirksamen Umsetzung. Dieses
Spannungsfeld wird erneut in den Verhandlungen
für die nächste Förderperiode 2014-2020 ersichtlich. Neben strikteren gesamtwirtschaftlichen Auflagen bei der Verwendung der Mittel wurden auch
thematische Prioritäten in den Förderbereichen
gesetzt. So soll der Hauptfokus der Förderung sich
auf die Bereiche der Energieeffizienz, erneuerbare
Energien, Forschung und Innovation und die Wettbewerbsfähigkeit von klein- und mittelständischen
Unternehmen konzentrieren. 336 Milliarden Euro
stehen hierzu zur Verfügung.
Am 11. Juli 2012 wurde eine wichtige Etappe in
der Vorbereitung auf die nächste Förderperiode
genommen. Im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens hat das Europäische Parlament im zuständigen Ausschuss für Regionalentwicklung die Verordnungsentwürfe in einer Abstimmung ergänzt
und einzelne Punkte des Kommissionsvorschlags
gestrichen. Durch die Änderungen des Parlaments
soll die Rolle der lokalen Gebietskörperschaften gestärkt und Regionen in der Umsetzung mehr Flexibilität gewährt werden. Mehr Gewicht soll daneben
die territoriale Zusammenarbeit bekommen. Für
grenzüberschreitende Projekte sind nunmehr sieben Prozent der Fördermittel vorgesehen. Der als
„makroökonomische Konditionalität“ bezeichnete
Mechanismus, Fördermittelzuweisungen an Mitgliedstaaten mit erhöhten Staatsschulden auszusetzten, wurde abgelehnt. Ebenso wurde eine Leistungsreserve, welche am Ende der Förderperiode
als Rücklage ausgezahlt werden sollte, als ungeeignetes Kontrollinstrument verworfen.
Das Ergebnis der parlamentarischen Abstimmung
wurde unterschiedlich bewertet. Die Reaktionen
reichten von „krasser Fehlentscheidung“ (MdEP
Michael Theurer, FDP) und einem „Rollback in die
Zeit der frühen neunziger Jahre“ (MdEP Elisabeth
Schroedter, Die Grünen) bis hin zum Vorwurf einer
„unseriöse Abstimmung“ (MdEP Hermann Winkler,
MdEP Markus Pieper, MdEP Joachim Zeller, CDU).
Kritisiert wurde damit unter anderem der hohe Zeitdruck, mit welchem die mehr als 2000 Änderungsanträge in nur wenigen Tagen zur Abstimmung
gestellt wurden. Die verantwortlichen Berichterstatter Lambert van Nistelrooij (EVP) und Constanze Krehl (SPD) werteten die Abstimmung als
einen wichtigen Teilerfolg, um nötige Investitionen
32
EKD-Europa-Informationen Nr. 140
für 2014 umfänglich starten zu können und hoben
die gute Koordinierung zwischen den verschiedenen
Förderprogrammen hervor. Frau Krehl betonte in
diesem Zusammenhang, dass „die Kohäsionspolitik
das wichtigste europäische Investitionsprogramm
ist, das wir für Wachstum zur Verfügung haben“.
Das EKD-Büro Brüssel hatte sich bereits 2011 frühzeitig mit einer Stellungnahme in den Verhandlungsprozess eingebracht Anknüpfend an diese
Arbeit wurde in einer gemeinsamen Stellungnahme mit dem Sekretariat der COMECE, der Kommission für Kirche und Gesellschaft der KEK und
dem Kommissariat der deutschen Bischöfe die Rolle
kirchlicher Akteure in der europäischen Kohäsionspolitik in vier wesentlichen Punkten dargestellt:
• die Kirchen als Partner in der regionalen, transregionalen und transnationalen Kooperation
• die Tragkraft der Bildungsinfrastruktur, welche die Kirchen in Europa bereitstellen.
• die Bedeutung der Kirchen für die Kultur in Europa
• die soziale Infrastruktur der Kirchen und ihre
Bedeutung für die Kohäsionspolitik
Die Ausführungen wurden an entscheidenden Stellen in die parlamentarische Diskussion eingebracht
und stießen auf eine durchweg positive Resonanz.
Die regionalpolitische Bedeutung von Kirchen wurde außerdem mit der Vorsitzenden des Regionalausschuss, Danuta Hübner, in einer gemeinsamen
Sitzung diskutiert.
Damit die Verordnungen rechtzeitig 2014 in Kraft
treten können, wurden bereits die Verhandlungen
zwischen dem Europäischen Parlament unter Vorsitz von Frau Hübner und dem Rat aufgenommen.
Auf Seiten der Mitgliedstaaten herrscht jedoch
noch keine Einigkeit bei wichtigen Fragen der zukünftigen Regionalpolitik. So sind die makroökonomischen Konditionalitäten umstritten sowie das
Finanzvolumen für die Regionalpolitik. Der Erfolg
der zukünftigen Regionalpolitik hängt dabei nicht
ausschließlich von dem Umfang des Budgets ab.
Wesentlich für eine zielgerichtete und wirkungsvolle Implementation sind die nationalen und regionalen Verwaltungen. Sie sind maßgeblich an der
Verteilung der Fördermittel beteiligt und setzen die
Regionalpolitik in den entsprechenden Gebietskörperschaften durch die Konzeption der Förderprogramme, die Auswahl der Projekte und den Finanzfluss bei der Abrechnung um. Wichtiger Bestandteil
ist das Partnerschaftsprinzip, welches relevanten
Akteuren, wie zum Beispiel Wirtschafts- und Sozialpartnern ermöglichen soll, für eine optimale Umsetzung der Fonds die Verwaltung zu unterstützen. Jedoch bleibt abzuwarten, inwiefern die gegenwärtige
Stärkung der kommunalen Gebietskörperschaften
zu Lasten der zivilgesellschaftlichen Akteure und
Sozialpartner ausfallen wird.
EKD-Europa-Informationen Nr. 140
Der zuständige Kommissar Johannes Hahn stellte
nochmals die neue Bedeutung der „Kohäsionspolitik als Wachstumspolitik“ heraus. Hierbei wird das
Prinzip der Solidarität zugunsten der „Stärkung
unserer technologischen Marktführerschaft“ zunehmend an den Rand gedrängt. Zwar wird in der EU2020-Strategie die Armutsbekämpfung immer noch
als Leitziel definiert und als Interventionsbereich in
den Strukturfondsverordnungen aufgeführt, jedoch
werden die verbindlichen und verpflichtenden Maßstäbe der Finanzierung für diesen Bereich in Frage
gestellt. Der Vorschlag der Kommission, 20 Prozent
der Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds für
das thematische Ziel der „Förderung der sozialen
Eingliederung und Bekämpfung der Armut“ aufzuwenden, wird sich nach aktuellem Stand der Debatte, nicht durchsetzten können. Die Notwendigkeit
von wirtschaftlichem Wachstum zur Überwindung
der nun bereits vier Jahre andauernden „Krise“
sollte jedoch nicht ohne die Berücksichtigung von
„sozialen Krisen“ erfolgen. Die vielen europäischen
Projekte der Evangelischen Kirche in Deutschland,
ihrer Gliedkirchen und Wohlfahrtsverbände leisten
hier einen wichtigen Beitrag.
(Christoph Schnabel)
Die gemeinsame Stellungnahme zur Rolle kirchlicher Akteure in der europäischen Kohäsionspolitik
finden Sie hier:
http://www.ekd.de
Eine Darstellung des Partnerschaftsprinzips finden
Sie unter:
http://ec.europa.eu
33
Kurze Meldungen
KOM/DAWI: Die Kommission hat am 25. April
2012 eine De-minimis-Verordnung für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse
(DAWI) angenommen. Staatliche Ausgleichsleistungen für diese Art Dienstleistungen, unter die
auch die von kirchlichen Trägern erbrachten sozialen Dienstleistungen fallen, müssen nun nicht
mehr bei der Europäischen Kommission angemeldet werden, wenn sie 500.000 Euro in drei Jahren
nicht übersteigen. Mit der Verabschiedung einer
De-minimis-Verordnung speziell für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse
kommt die Kommission einer langjährigen Forderung der Kirchen und kirchlichen Träger nach. Die
Erhaltung des hoher sozialer Standards bei der Erbringung sozialen Dienstleistungen durch kirch-liche Träger ist durch die Verordnung ein Stück weit
gesichert worden. Antrag: „Wir wollen und dürfen
nicht zulassen, dass es zu einer kommerziellen Monopolisierung unserer Nutztiere und Nutzpflanzen
kommt“, so die Ministerin.
Die Verordnung finden Sie unter:
http://eur-lex.europa.eu
CH
EuGH/Dublin-II-Verordnung: Der Gerichtshof
der Europäischen Union (EuGH) hat durch ein Urteil vom 3. Mai 2012 den Anwendungsbereich der
Dublin-II-Verordnung, welche die Zuständigkeit für
Asylgesuche in der EU festlegt, näher bestimmt.
Nach der Entscheidung kann eine Überstellung eines Asylsuchenden in einen anderen Mitgliedstaat
nach der Verordnung nicht mehr erfolgen, wenn
der Asylantrag zurückgenommen wurde, bevor der
übernehmende Staat der Über-weisung zustimmt.
Schwedischen Behörden hatten eine Asylsuchende
nach Frankreich überweisen wollen, obwohl diese
ihren Asylantrag zurückgenommen hatte.
Das Urteil finden Sie unter:
http://curia.europa.eu
CH
EP/Biopatentrichtlinie: Am 10. Mai 2012 hat
das Europäische Parlament in einer Resolution
eine strengere Umsetzung der Richtlinie zur Patentierung von biotechnologischen Erfindungen
angemahnt. Entgegen der Vorgabe der EU-Biopatentrichtlinie, dass wesentliche biologische Verfahren nicht patentiert werden dürfen, wurden in den
letzten Jahren immer mehr Patente auf konventionell gezüchtete Tiere und Pflanzen, wie z.B. Brokkoli, Melonen oder Tomaten, angemeldet. Das Europäische Patentamt (EPA) hat zwar einige dieser
Patente eingeschränkt; die Abgeordneten fordern
aber eine konsequente Umsetzung der sog. BroccoliEntscheidung des EPA aus dem Jahr 2010 und den
Ausschluss konventioneller Zuchtverfahren von der
Patentierung. Das müsse auch für die Produkte aus
diesen Verfahren gelten. Der Antrag stellt daher
klar, dass konventionell gezüchtete Nutztiere und
-pflanzen nicht patentiert werden dürfen. Zudem
wird die EU-Kommission aufgefordert, ihren Berichtspflichten im Rahmen der Biopatentrichtlinie
nachzukommen. Die europäische Biopatentrichtlinie sollte präzisiert und gegebenenfalls geändert
werden.
Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner begrüßte den Antrag: „Wir wollen und dürfen nicht
zulassen, dass es zu einer kommerziellen Monopolisierung unserer Nutztiere und Nutzpflanzen
kommt“, so die Ministerin.
Die Resolution finden Sie unter:
http://www.europarl.europa.eu
KH
EGMR/Arbeitsrecht: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg (EGMR) hat
am 15. Mai 2012 ein weiteres Urteil im Bereich des
kirchlichen Arbeitsrechts veröffentlicht. Die Entscheidung eines spanischen Bistums, den Arbeitsvertrag eines Religionslehrers aufgrund seines
Engagements in einer kirchkritischen Organisation nicht zu verlängern, verstößt nicht gegen die
EMRK. Der spanische Ad-hoc-Richter Siaz Arnaiz
vertrat in dem Verfahren hingegen die Auffassung,
Art. 8 EMRK (Recht auf Privatsphäre) sei vorliegend verletzt und legte seine Ansichten in dem der
Entscheidung angehängten Sondervotum dar. Mit
dem Urteil hat der Gerichtshof in Straßburg seine
bisherige Rechtsprechung bestätigt und erneut die
nationale Ausgestaltung des Staat-Kirchen-Verhältnisses gebührend respektiert.
Das Urteil finden Sie unter:
http://cmiskp.echr.coe.int
CH
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EKD-Europa-Informationen Nr. 140
EU/ENORB: Mit einer Konferenz am 29. Mai
2012 im Europäischen Parlament wurde das neu
gegründete „European Network on Religion & Belief“ (ENORB) vorgestellt. Geplant ist ein europaweites Netzwerk, welches eine Dialogplattform für
alle Religion und säkulare Organisationen bilden
soll, um gegenseitiges Verständnis, den Abbau von
Vorurteilen sowie soziale Kohäsion zu fördern. Die
gemeinsamen Positionen des Netzwerks sollen im
Rahmen des Dialogs nach Art. 17 AEUV mit den
EU-Institutionen in den europäischen Meinungsfindungsprozess eingespeist werden.
Weitere Informationen unter:
http://www.enorb.eu
CH
EU/Datenschutz: Die von der Kommission am
25. Januar 2012 vorgeschlagenen Instrumente zur
Reform des Europäischen Datenschutzes, eine Datenschutz-Grundverordnung sowie eine Richtlinie
für den Bereich Polizei und Justiz, werden augenblicklich im Rat und im Europäischen Parlament
verhandelt. Berichterstatter im Parlament ist der
Abgeordnete der Grünen Jan-Philipp Albrecht,
der am 29. Mai 2012 im Ausschuss für bürgerliche
Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) einen ersten
Workshop mit Interessenvertretern organisierte,
woran sich am 30. Mai eine erste Aussprache im
Ausschuss anschloss. Der Berichterstatter plant,
noch dieses Jahr seinen Bericht zu der Reform vorzulegen. Insgesamt haben Rat und Parlament das
ambitionierte Ziel, die Verordnung sowie die Richtlinie bis zum Ende der Legislaturperiode des Parlaments 2014 zu verabschieden.
Die Vorschläge der Kommission finden Sie unter:
http://eur-lex.europa.eu
http://eur-lex.europa.eu
CH
KOM/EURODAC: Die Kommission hat am 30.
Mai 2012 einen Vorschlag zur Reform der EURODAC-Datenbank vorgelegt. Die Fingerabdrücke, die
Drittstaatsangehörige bei einem Asylgesuch oder
der illegalen Überschreitung einer EU-Außengrenze bereits nach geltendem Recht abgeben müssen
(EURODAC-System), sollen nun auch den nationalen Strafverfolgungsbehörden sowie Europol
zugänglich gemacht werden. Kritiker, wie der Datenschutzexperte der Grünen im Europäischen Parlament Philipp Albrecht, sehen darin einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Datenschutzrechte
von Drittstaatsangehörigen. Auch würden Asylsuchende auf diese Weise als Kriminelle stigmatisiert,
kritisiert die migrationspolitische Sprecherin der
Grünen, Ska Keller.
EASO/Afghanistan: Das europäische Asylunterstützungsbüro (European Asylum Support Office
- EASO) mit Sitz in Malta hat am 12. Juli 2012 seinen ersten Herkunftslandsbericht veröffentlicht,
der als Unterstützung für Behörden und Politiker,
die mit Herkunftslandinformationen arbeiten, dienen soll. Der Bericht beschäftigt sich mit Afghanistan, da eine Vielzahl der Asylanträge in der EU von
afghanischen Staatsangehörigen gestellt werden.
2011 waren allein 9 % der Asylsuchenden in der
EU Afghanen. Nach den Recherchen von EASO ist
der Hauptgrund für die Flucht die Angst der Antragssteller, von den Taliban oder anderen aufständischen Gruppen zwangsrekrutiert zu werden. Wie
die Antragssteller berichteten, setzten die Taliban
Mittel wie Drohbriefe und Entführungen zur Rekrutierung ein.
Den Bericht finden Sie hier:
http://ec.europa.eu
KH
KOM/„Dein erster EURES-Arbeitsplatz“: Die
europäische Kommission hat das Pilotprojekt “Dein
erster EURES-Arbeitsplatz“ auf den Weg gebracht:
Ziel ist es, die transnationale Mobilität junger Menschen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern und so
in den Jahren 2012/2013 5000 Menschen einen Arbeitsplatz zu vermitteln. Dabei soll das Verhältnis
zwischen Angebot und Nachfrage ausbalanciert
werden. Das Projekt richtet sich an Menschen im
Alter zwischen 18 und 30 Jahren, die Staatsangehörige eines europäischen Mitgliedslandes sind. Die
jungen Arbeitssuchenden werden mit Informationen und Hilfestellungen versorgt und können für
Bewerbungen und für Schulungen finanzielle Zuschüsse bekommen. Auch die Arbeitgeber können
durch das Projekt Unterstützung erhalten: Es richtet sich grundsätzlich an alle Unternehmen, finanzielle Mittel werden aber nur kleinen und mittelständischen Unternehmen zur Verfügung gestellt.
Vier ausgewählte Arbeitsverwaltungen in den Ländern Deutschland, Dänemark, Spanien und Italien
sind mit der Hilfeleistung beauftragt; unabhängig
davon richtet sich das Programm aber an Interessierte aus alle Mitgliedstaaten, die sich dann mit
einer der Arbeitsverwaltungen in Verbindung setzen können.
Weitere Informationen finden Sie folgender Seite:
http://ec.europa.eu
MB
Den Vorschlag der Kommission finden Sie unter:
http://ec.europa.eu
CH
EKD-Europa-Informationen Nr. 140
35
Veranstaltungen
Am 18. März 2012 veranstaltete Herr Christoph
Schnabel, Referent für EU-Förderpolitik, einen
Workshop zu europäischen Fördermitteln am Institut zur Erforschung von Evangelisation und Gemeindeentwicklung (IEEG) in Greifswald. Hierbei
wurde mit Wissenschaftlern der Theologischen Fakultät Greifswald und Mitarbeitern des Pommerschen Diakonievereins über europäische Fördermöglichkeiten und Projektvorhaben diskutiert. Am
19. März 2012 informierte Herr Schnabel Mitglieder der Kirchengemeinden Greifswald über europäische Fördermittel und erörterte Projekte für die
nächste Förderperiode.
Am 19. März 2012 lud das Brüsseler EKD-Büro zu
einem „Presselunch“ ein und stellte den Korrespondenten aktuelle Arbeitsschwerpunkte der Dienststelle vor.
Am 26. März 2012 war Frau OKR‘in Hatzinger
Podiumsdiskussionsteilnehmerin des Forums der
„Spinelli Group“ an der Université Libre de Bruxelles. Sie beteiligte sich an der Diskussion zum Thema „Ungleichheiten bekämpfen: das gleiche Niveau
an sozialem Schutz für alle Europäer?“
http://www.ekd.de
Ebenfalls am 26. März 2012 fand in Berlin der
„Treffpunkt Gendarmenmarkt“ statt. Finanzminister Wolfgang Schäuble und der vormalige Ratsvorsitzende der EKD, Professor Wolfgang Huber,
diskutierten über „Folgen aus der Krise - Möglichkeiten und Grenzen eines vereinten Europas“.
Am 3. April 2012 luden Prälat Dr. Felmberg und
Frau OKR‘in Hatzinger zu einem weiteren „Evangelischen Frühstück“ für Assistentinnen und Assistenten der Abgeordneten des Europäischen Parlaments ein. Die Teilnehmer tauschten sich, passend
zur Fastenzeit, zu dem Thema „Gut genug! 7 Wochen ohne falschen Ehrgeiz“ aus.
Am 18. April 2012 hat Gisela de Vries, Förderberaterin für EU-Fördermittel, an einer Netzwerkveranstaltung der Agentur für Europäische Bildungsprogramme der Deutschsprachigen Gemeinschaft
Belgiens teilgenommen und die Kooperationsmöglichkeiten mit deutschen diakonischen und kirchlichen Einrichtungen vorgestellt.
Ebenfalls am 18. April 2012 hielt Frau OKR‘in Hatzinger vor Volontären der Evangelischen Journalistenschule Berlin einen Vortrag über die Arbeit des
EKD-Büros Brüssel.
Am 20. April 2012 referierten Frau OKR‘in Hatzinger und Herr Conny Reuter, Generalsekretär von
Solidar und Präsident der Social Platform, je aus ihrem Arbeitsgebiet in der Landesvertretung Rhein-
36
land-Pfalz vor der Europaabteilung über aktuelle
sozialpolitische Themen.
Auf Einladung von Prälat Dr. Felmberg und Frau
OKRin Hatzinger fand am 24. April 2012 ein „Evangelisches Frühstück“ mit Abgeordneten des Europäischen Parlaments statt. Unter dem Titel „Die
Datenschutzverordnung - Mehr Bürgerrechte oder
europäischer Regelungswahn?“ wurde über die Resonanz auf den Vorschlag der Europäische Kommission zur neuen Datenschutzverordnung diskutiert.
Vom 2. bis 5. Mai 2012 fand in Novi Sad, Serbien,
die Konferenz „Das Edikt von Mailand (313-2013):
Grundlage für Religions- und Glaubensfreiheit?“
mit verschiedenen europäischen Religionsvertretern statt. Frau OKR‘in Hatzinger referierte über
das deutsche Staats-Kirchenverhältnis und moderierte die Diskussionsrunde zum Thema „Institutionelle Auswirkungen auf das Kirche-Staat-Verhältnis“.
Am 9. Mai 2012 nahm der Vorsitzende des Rates der
EKD, Präses Dr. h.c. Nikolaus Schneider, am 15. Internationalen WDR Europaforum im Europäischen
Parlament teil. Im Rahmen des mit hochrangigen
Vertretern aus Politik und Gesellschaft besetzten
Forums diskutierte Präses Schneider zu der Frage
„Europas politische Union: Wie sozial muss die EU
sein?“ mit Abgeordneten des Europäischen Parlaments sowie mit László Andor, EU-Kommissar für
Beschäftigung, Soziales und Integration.
http://www.ekd.de
Am 24. Mai 2012 stellte Herr Schnabel die Arbeit
der Servicestelle EU-Förderpolitik/-projekte Studierenden der Ev. Fachhochschule Rheinland-Westfalen-Lippe Bochum vor und erläuterte die Bedeutung
europäischer Strukturpolitik.
Frau OKR‘in Hatzinger und Herr Schnabel stellten
am 29. Mai 2012 im Kirchenamt der EKD Vertretern der Landeskirchen und kirchlicher Einrichtungen im Rahmen einer Informationsveranstaltung
die neue Brüsseler Servicestelle EU-Förderpolitik/projekte vor und gaben einen Überblick über die politischen Entwicklungen der Strukturfonds.
http://www.ekd.de
Am 31. Mai 2012 fand auf Einladung des EKDBüros Brüssel, der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Deutschland e.V. (aej) und der
EU-Vertretung der Diakonie im Haus der EKD in
Brüssel das Fachgespräch „jung und (un)beschwert
- alt und (in)aktiv? Die Solidarität der Generationen im Fokus der EU“ statt. Moderiert wurde die
Veranstaltung von Doris Klingenhagen, Referentin
für Jugend- und Bildungspolitik (siehe Bericht in
diesem Newsletter).
http://www.ekd.de
EKD-Europa-Informationen Nr. 140
Unter dem Motto „Hoffnung und Solidarität in die
Europäische Integration bringen“ feierte die „Chapelle de la Résurrection“ am 4. Juni 2012 ihren 10.
Jahrestag. Der Präsident des Europäischen Rates,
Herman van Rompuy, hielt eine Rede zu den Werten Europas. In der anschließenden Diskussion mit
Religionsvertretern sprach Frau OKR‘in Hatzinger
über den Beitrag der Kirchen zur EU-Integration.
http://www.resurrection.be
Am 7. Juni 2012 fand wieder ein „Evangelisches
Frühstück“ mit Abgeordneten des Europäischen
Parlaments statt. Prälat Dr. Felmberg und Frau
OKR‘in Hatzinger hatten dieses Mal zu dem Thema
„Die Kirche im Dorf lassen: Anspruch und Realität
der zukünftigen Regionalpolitik“ geladen.
Am Abend des 7. Juni 2012 veranstaltete das EKDBüro Brüssel anlässlich des Themenjahres der Reformationsdekade „Reformation und Musik“ ein
Orgelkonzert in der Église Protestante de Bruxelles. Unter dem Titel „Ein neuer Klang für die Welt
- Reformation und Musik“ sang die Kurhessische
Kantorei Marburg unter der Leitung von Landeskirchenmusikdirektor Uwe Maibaum, der auch als
Solist an der Orgel auftrat.
http://www.ekd.de
Am 8. Juni 2012 stellte Herr Schnabel die Arbeit
der Servicestelle EU-Förderpolitik/-projekte Studierenden der Ev. Hochschule Freiburg vor und erläuterte die Bedeutung europäischer Strukturpolitik.
Am 12. Juni 2012 referierten Herr Christopher
Hörster und Frau Anne Wagenführ, EU-Vertretung
des Deutschen Caritasverbandes, vor einer Studiengruppe der Hochschule Kempten über die Arbeitsschwerpunkte der jeweiligen Büros.
Am 18. Juni 2012 nahm Frau OKR‘in Hatzinger an
der Tagung „Soziale Marktwirtschaft - Leitbild für
eine gute Zukunftspolitik?“ in der Evangelischen
Stadtakademie Frankfurt/Main teil. Sie referierte
im Anschluss an ein Referat von Professor Traugott
Jähnichen über die Bedeutung der Sozialen Marktwirtschaft im europäischen Kontext.
http://ffmev.lplusl.de
Am 19. Juni 2012 hielt Herr Schnabel vor Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen brandenburgischer
Landtagsabgeordneten einen Vortrag zur Arbeit
des EKD-Büros sowie über Entwicklungen in der
europäischen Strukturpolitik.
Zu dem Thema „Politik aus dem Netz und von der
Straße - Bewegung für eine demokratische und
friedlichere Welt?“ fand am 20. Juni 2012 eine Podiumsdiskussion statt. Die Veranstaltung stand
in Verbindung mit der Vorstellung des Friedensgutachtens 2012. Nach einem Impulsreferat durch
MdEP Gerald Häfner moderierte Frau OKR‘in
Hatzinger die Debatte mit dem Autor des gleich-
EKD-Europa-Informationen Nr. 140
namigen Aufsatzes, Manfred Stenner, der MitHerausgeberin Dr. Corinna Hauswedell sowie dem
Europaparlamentarier Michael Gahler und dem
stellvertretenden Leiter des Center for European
Studies, Roland Freudenstein (siehe Artikel S. 23).
http://www.ekd.de
Am 26. Juni 2012 stellte Herr Hörster Vertretern
der Diakonie Münster bei deren Besuch in Brüssel
die Arbeit und Themenschwerpunkte des EKD-Büros vor.
Am 28. Juni 2012 informierte Herr Schnabel in einem Kompaktworkshop die Evangelische Stiftung
Hephata in Mönchengladbach hinsichtlich europäischer Fördermöglichkeiten.
Am 2. Juli 2012 war der Chor der Erlöserkirche aus
Berlin-Lichtenberg zu Besuch im EKD-Büro. Frau
Dr. Quaas, Pastorin im Sondervikariat im Brüsseler Büro der EKD, berichtete über die Arbeitsbereiche der EKD-Dienststelle in Brüssel, und beantwortete Fragen der Besuchergruppe unter der Leitung
von Pfarrer Joachim Cierpka und Kantor Matthias
Elger.
Am 12. Juli 2012 fand auf Einladung von Kommissionspräsident Barroso das jährliche Treffen der europäischen Religionsführer zum Thema „Solidarität
der Generationen“ statt. Annette Kurschus, Präses
der Evangelischen Kirche von Westfalen, nahm als
Vertreterin der EKD an den Gesprächen in der EUKommission teil, begleitet von Frau OKR‘in Hatzinger. (siehe Artikel S. 31)
Am 18. Juli 2012 waren die Teilnehmerinnen und
Teilnehmer des 20. Lehrgangs der Führungsakademie Baden-Württemberg im EKD-Büro zu Gast. Gemeinsam mit Drs. Michael Kuhn von der COMECE
stellte Frau OKR‘in Hatzinger die kirchliche Arbeit
in Brüssel vor und gab einen Einblick in die ökumenische Zusammenarbeit. Herr Schnabel erläuterte
die Arbeit der Servicestelle EU-Förderpolitik und
-projekte.
In eigener Sache:
Hello and good-bye
Zum 15. Juli 2012 hat Frau Stefanie Heuer, Assistentin im EKD-Büro, eine neue Stelle in Brüssel angetreten. Wir wünschen Frau Heuer für ihre neuen
Aufgaben alles Gute und Gottes Segen und sagen
Danke für die gute Zusammenarbeit im EKD-Büro.
Wir freuen uns, dass Frau Dr. Anna Donata Quaas,
Pastorin aus der Evangelischen Kirche im Rheinland, am 10. April 2012 ihr Sondervikariat im EKDBüro Brüssel begonnen hat und das Team für ein
Jahr unterstützen wird.
37
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ISSN 2034-7847
Online: ISSN 2034-7855
Evangelisch. In Europa.