[Info-Blatt Gartenbau, Nr. 3/2013/ 2857 kB]
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Seite Marktinformation K.-D. Wilke – Erzeugerorganisation Mecklenburger Ernte GmbH 162 Neue Erkenntnisse über die Inhaltstoffe des Apfels Teil 4 – gesundheitliche Aspekte des Apfelkonsums A. Fießinger – ehemals Universität Rostock, Agrar- und Umweltwissenschaftliche Fakultät und Dr. Fr. Höhne – Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei MV 166 Der Stubbendorfer Wildapfel Ist der älteste Wildapfelbaum Deutschlands gerettet? Dr. F. Höhne – Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei MV und Dr. H.-J. Gießmann – Bad Doberan 179 VITINORD Kongress 2012 in Neubrandenburg Prof. Dr. G. Flick – Hochschule Neubrandenburg 185 Sortenvergleich Bleichspargel – Erträge und Stangenqualitäten 2010 bis 2012 M. Jakobs und Dr. K.-U. Katroschan – Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei MV (LFA), Kompetenzzentrum Freilandgemüsebau 191 Starkes Auftreten von PSA (Pseudomonas syringae sp. actinidiae) in Kiwianlagen Neuseelands! Ist der Erreger auch in Mecklenburg-Vorpommern aktiv? Dr. H.-J. Gießmann – Bad Doberan 202 Knifflige Aufgaben für angehende GärtnerInnen Lehrlinge der Berufsschule Zierow behaupten sich in der ersten Runde des Berufswettbewerbes 2013 I. Kipcke – Berufsschule Zierow 206 Internationale Gartenschau Hamburg eröffnet Dr. R. Hornig – LMS Agrarberatung, Büro Schwerin 209 Studieren ganz nah an der Praxis I. Müller-Thüring – Stabsstelle des Rektorates für Wissenschaftliche Weiterbildung, Hochschule Neubrandenburg 213 Info-Blatt 3/2013 161 Markt Marktinformation K.-D. Wilke – Erzeugerorganisation Mecklenburger Ernte GmbH Die Situation im Freilandgemüsebau ist im bisherigen Verlauf durch extreme Witterungseinflüsse gekennzeichnet. Altgestandene Gärtnerinnen und Gärtner sowie Kollegen des Berufsstandes der Bauern konnten sich an vergleichbare Extreme nicht erinnern! Der langanhaltende Winter mit Frost und Schnee hat den Beginn der Pflanzung um durchschnittlich 16 Tage verzögert. Eher kühle Temperaturen und teils überdurchschnittliche Niederschläge haben diese Zeitverschiebung auch bis zur Erntereife gehalten. Hoffnungen auf einen Ausgleich durch gutes Wachstum und vegetativen Ausgleich haben sich leider nicht erfüllt. Eine der frühesten Kulturen ist Miniromana. Hier wurde im Durchschnitt der Jahre stets zwischen dem 28. April und dem 2. Mai mit der Ernte begonnen. 2013 kamen die Erntegeräte sowie das Personal erstmalig am 10. Mai zum Einsatz. Dieser Start war durch die Tatsache gekennzeichnet, dass bedingt durch ein knapp verfügbares Frischgemüseangebot (Gemüse aus spanischer Herkunft war meist nicht mehr präsent) ein reges Interesse am Markt nach deutscher Ware bestand. Die zum Zeitpunkt des Erntestarts sowie auch aktuell in der Ernte befindlichen Gemüsekulturen sind durch relativ schwache Gewichte gekennzeichnet. Das insgesamt eher schwache Ernteaufkommen traf mit kühler und nasser Witterung zusammen, so dass sich eine einigermaßen ausgeglichene Marktlage und im Vergleich zu den Vorjahren deutlich bessere Preistendenz zeigte. Es ist davon auszugehen, dass die Vermarktung von Freilandgemüse in den kommenden Wochen weiterhin durch extreme Witterung beeinflusst wird. Langanhaltende Niederschläge im gesamten Verlauf des Monats Mai haben die Möglichkeit der kontinuierlichen Pflanzung und insbesondere die Bestellung von Säkulturen annähernd unmöglich gemacht. Besonders betroffen waren hier die wichtigen Anbauregionen Pfalz und Hessen. 162 Info-Blatt 3/2013 Markt Die Auswirkungen der sintflutartigen Niederschläge und Überschwemmungen in weiten Teilen Süddeutschlands Ende der 22. KW sind sicher sehr gravierend. Es ist davon auszugehen, dass hier manches Regionalvermarktungskonzept dadurch nicht eingehalten werden wird. Die aktuelle Vermarktungssituation bis zur 22. KW wird durch die Ermittlung der Preisstellung und Mitteilungen der AMI als überdurchschnittlich eingeschätzt. Die folgenden Beispiele für den Preisverlauf und den Saisoneinstieg 2013 zeigen die Besonderheit und Stärke wichtiger Freilandkulturen. Einer Erhebung der AMI zufolge wurde Kopfsalat im Handel in der 20. KW zu einem Preis von rund 0,90 EUR/St. angeboten. Im Vergleich zum Vorjahr entsprach dieser Preis etwa dem Doppelten! Es ist aber auch zu erkennen, dass dieses gute Niveau nicht anhält. Die Vertragsvermarkter der Erzeugerorganisation gehen davon aus, dass Kopfsalat wie auch Bunte Salate in aktueller Saison unter Preisdruck stehen werden (Siehe auch letzter Absatz). Info-Blatt 3/2013 163 Markt Die AMI sieht die Angebots- und Absatzlage für Kohlrabi ausgangs der 22. KW als entspannt an. Die Erntemengen in den süd- und westdeutschen Anbauregionen sind eher überschaubar. Durch den Handel wird aber versucht, die überaus guten Einstiegspreise in den Focus zu nehmen und abzusenken. Die Ernte von Kohlrabi in den Mitgliedsbetrieben der Erzeugerorganisation hat erst am 28. Mai und damit ebenfalls mehr als eine Woche später begonnen. Wegen der kühlen und nassen Witterung haben die Kohlkulturen besondere Verzögerung. Broccoli wird voraussichtlich nicht vor Ende der 25. KW mit merkenswerten Mengen zur Verfügung stehen. Im Bereich der ökologischen Gemüseproduktion und Vermarktung wurde für die Saison 2013 eine erweiterte Anbauplanung vorgenommen. Zusätzliche Kulturen wie Rucola, Fenchel und Zucchini haben das Spektrum wieder erweitert. Mit dieser Maßnahme soll dem Bedarf und den Konzepten wichtiger Kunden entsprochen werden. Zum Berichtszeitraum muss aber die gleiche Situation wie beschrieben festgestellt werden. Leichte Gewichte und deutlich verzögertes Wachstum sind aktuelle Tatsachen. 164 Info-Blatt 3/2013 Markt Sonderkulturanbau und Vermarktung Die Spargelsaison wird hinsichtlich ihres Verlaufs durch den Erzeugerbetrieb Agp Lübesse nach Erntemenge und Umsatz als schwach bezeichnet. Der deutlich spätere Beginn und die weiter anhaltende kühle Witterung war Ursache dafür, dass zum 31.05. lediglich rund 70 % des Aufkommen 2012 realisiert waren. Es wird davon ausgegangen, dass ein Ausgleich bei Menge und Erlösen bis Ende der Ernteperiode nicht zustande kommt. Der gute Saisoneinstieg von Kopfsalat ist bemerkenswert, die Nachhaltigkeit allerdings fraglich! Folgende Graphik zeigt die Verbrauchergunst im Vergleich. Die Tendenz ist leider eindeutig. Die Kultur weist insgesamt eine Strukturschwäche auf, an dieser Tatsache hat die Regionalität nichts geändert. Info-Blatt 3/2013 165 Obstbau Neue Erkenntnisse über die Inhaltstoffe des Apfels Teil 4 – gesundheitliche Aspekte des Apfelkonsums A. Fießinger – ehemals Universität Rostock, Agrar- und Umweltwissenschaftliche Fakultät und Dr. Fr. Höhne – Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei MV „An apple a day keeps the doctor away“. So oder in deutscher Übersetzung hat bestimmt jeder dieses Sprichwort schon einmal gehört. Doch was ist dran? Schließlich hat diese jahrhundertealte Weisheit ja nicht ohne Grund bis in die heutige Zeit überlebt. Auch wenn früher nicht mit exakten wissenschaftlichen Methoden nachweisbar war, wie der Apfel im menschlichen Körper wirkt, so konnte doch anhand von Beobachtungen viel herausgefunden und als gültig erklärt werden. In diesem vierten Kapitel über die Inhaltsstoffe des Apfels wollen wir uns nun, nach den primären Inhaltsstoffen (Info-Blatt 6/2012), den sekundären Inhaltsstoffen (Info-Blatt 1/2013) und dem allergenen Potenzial unterschiedlicher Apfelsorten (Info-Blatt 2/2013 – FIESSINGER & HÖHNE 2012/13) mit den allgemeinen gesundheitlichen Aspekten des Apfelkonsums befassen. Was bewirkt ein regelmäßiger Verzehr von Äpfeln im menschlichen Körper und inwiefern kann daraus auf positive Wirkungen für die menschliche Gesundheit geschlossen werden? Grundlage dieses Artikels ist ein sehr ausführlicher Bericht von HYSON aus dem Jahr 2011, in dem erstmalig viele unterschiedliche Forschungsergebnisse, welche sich mit der Thematik auseinandersetzen, verglichen und auch bewertet werden. Bisherige Studien gingen von positiven Einflüssen des Apfelkonsums auf Kreislauferkrankungen, Lungenkrebs, Asthma und Diabetes aus. In neueren Studien wurde jedoch tiefgreifender und genauer auch auf andere mögliche Zusammenhänge zwischen den im Apfel vorkommenden Vitaminen und vor allem den phenolischen Substanzen auf oben genannte Krankheiten und anormalen Stoffwechselvorgänge im menschlichen Körper eingegangen. 166 Info-Blatt 3/2013 Obstbau Schwerpunkt der aktuellen Untersuchungen sind die Flavonoide und Phenolcarbonsäuren, welche zusammen die Gruppe der Polyphenole darstellen. Das Wissen um die einzelnen Untergruppen der Flavonoide wurde im Artikel „Sekundäre Inhaltsstoffe und antioxidatives Potential von Apfelsorten“ (FIESSINGER & HÖHNE, Info-Blatt 1/2013) schon ausführlich behandelt und wird in diesem Fall als gegeben vorausgesetzt. Krebs In einer im Jahr 2005 publizierten italienischen Studie mit über 6000 Teilnehmern wurde der Zusammenhang zwischen dem regelmäßigen Verzehr von mindestens einem mittelgroßen Apfel (ca. 166 g) pro Tag und dem Risiko, an verschiedenen Krebsarten zu erkranken, untersucht. Verglichen mit Probanden, welche im Durchschnitt weniger als einen Apfel pro Tag aßen, konnte das Risiko, unter anderem an Prostata-, Brust- oder anderen Krebsarten zu erkranken, beim Konsum von mindestens einem Apfel pro Tag um 7 bis 41 % reduziert werden (GALLUS ET AL., 2005). Zu einem ähnlichen Ergebnis kam eine europaweite Studie ( LINSEISEN ET AL., 2007) an 478.590 männlichen und weiblichen Probanden aus zehn verschiedenen Ländern in Form von Fragebögen. Verglichen wurde der tägliche Konsum von Kernobst, hauptsächlich von Äpfeln. Probanden, unter ihnen auch Raucher, mit einem täglichen Konsum von mindestens 93,5 g frischen Äpfeln oder Birnen wiesen ein signifikant geringeres Risiko auf, an Lungenkrebs zu erkranken. Verschiedene andere Untersuchungen kommen bei Brust- sowie auch bei Darmkrebs zu ähnlichen Ergebnissen. In-Vitro-Studien zeigen, dass besonders anthocyanreiche Fruchtextrakte das Wachstum von Brustkrebszellen hemmen können. Des Weiteren konnte Apfelsaftextrakt in einer anderen Studie die katalytische Aktivität von bestimmten Enzymen hemmen, welche an der Entstehung von Darmkrebs beteiligt sind (HYSON, 2011). Info-Blatt 3/2013 167 Obstbau Herz- und Kreislauferkrankungen In der westlichen Welt sind Herz-und Kreislauferkrankungen die häufigsten unter (älteren) Erwachsenen auftretenden Krankheiten. Eine finnische Studie unter Frauen mit einem mittleren Apfelkonsum von mindesten 71 g pro Tag zeigt ein um 43 % geringeres Risiko, am Herzen zu erkranken. Bei der gleichen Untersuchung an Männern betrug die Risikoverminderung 19 %. Eine dänische Studie zeigte ähnliche Ergebnisse ( HYSON, 2011). Bei BOYER und LIU (2004) finden sich weitere Untersuchungen, die den Zusammenhang zwischen dem Konsum von Äpfeln (bzw. deren Flavonoiden) und der Verringerung des Risikos von Herzkrankheiten dokumentieren. Eine der Ursachen für Herz- und Kreislauferkrankungen wird in den oxidativen Vorgängen im Körper als auch im Fettstoffwechsel vermutet, wobei oxidative Schädigungen der Zellen als Anfangsstadium für viele Krankheiten gesehen werden. So wird den mit der Nahrung aufgenommen Antioxidantien eine wichtige vorbeugende Rolle als Radikalfänger von freien Sauerstoff- und Stickstoffradikalen zugeschrieben (HYSON, 2011). Diabetes Die Anzahl an Typ-2 Diabetes-Patienten hat sich in letzter Zeit stark erhöht. Daraufhin wurde begonnen, den Einfluss sekundärer Pflanzeninhaltsstoffe auf Diabetes zu untersuchen. In einer großen Studie ist ein möglicher Zusammenhang zwischen der Aufnahme von Apfelflavonoiden und der Verringerung der Diabetessymptome bzw. dem Risiko, an Typ-2 Diabetes zu erkranken, festgestellt worden. Das Risiko verringerte sich bei einem mittleren Konsum von 2 bis 6 Äpfeln pro Woche um 27 bis 28 %, verglichen mit apfelfreier Ernährung. Allerdings konnte der positive Effekt keinem der dafür in Frage kommenden Flavonoide zugeschrieben werden. Eventuell spielen Catechine oder andere phenolische Substanzen eine Rolle, vermutlich in Form von Verringerung des oxidativen Stresses im Körper (HYSON, 2011). 168 Info-Blatt 3/2013 Obstbau Neuere Untersuchungen konzentrieren sich auf die Dihydrochalcone, besonders auf das Phloretin-2`-0-Glycosid, auch Phloridzin genannt. Phloridzin, welches in größeren Mengen scheinbar nur im Apfel vorkommt, kann natriumabhängige Glucosetransporte im Dünndarm und somit die Zuckeraufnahme im ganzen Körper hemmen ( OBI ET AL., 2012). Diese Eigenschaft macht Phloridzin vor allem für die Diabetesvorsorge interessant. Menschen mit erhöhtem Risiko, an Diabetes zu erkranken, können eventuell mit dem Verzehr von stark phloridzinhaltigen Apfelsorten den Ausbruch der Krankheit hinauszögern bzw. ganz verhindern. HOFER ET AL. wiesen 2005 darauf hin, dass bei Äpfeln grundsätzlich von einem für Diabetiker ausgewogenen Verhältnis von Fructose, Glucose und Saccharose ausgegangen werden kann. Richtwerte für Diabetiker gehen von 100 g Apfel = 12 g Zucker = 1 BE = 50 kcal = 210 kJ aus. Dies trifft aber maximal auf die im Intensivanbau produzierten Sorten wie 'Elstar', 'Braeburn' oder 'Golden Delicious' zu. Bei den alten Apfelsorten kann die Schwankungsbreite um über 800 % in einem einzigen Anbaujahr variieren. Am ausgewogenen Verhältnis der einzelnen Zuckerarten ändert dies jedoch nichts. In der Untersuchung von HOFER ET AL. (2005) wurden 180 alte Sorten auf Zucker, Säure und andere Inhaltsstoffe analysiert und Probanden zur Verkostung gereicht. Die Klassen zur Einstufung der Sorten in süß, harmonisch und sauer wurden von HOFER ET AL. vorgegeben. In einem Geschmackstest wurde jede Sorte durch die Probanden klassifiziert und einer dieser Gruppen zugeordnet. Dies geschah jedoch nach rein subjektiven und geschmacklichen Eigenschaften, nicht nach dem später gemessen realen Zucker- und Säuregehalt. Als süß eingestufte Sorten wie z. B. 'Kaiser Alexander' wiesen Gesamtzuckergehalte von 4,71 g/100 g FM auf, wohingegen der als harmonisch im Geschmack bewertete 'Rheinische Bohnapfel' Zuckergehalte von 23,3 g/100 g FM aufwies. Info-Blatt 3/2013 169 Obstbau Die von allen Probanden als sauer eingestufte Sorte 'Grünstettiner' hatte im untersuchten Jahr einen Zuckergehalt von 33,9 g/100 g FM, was 2,8 BE entspricht. Die Empfehlung für Diabetiker, auf säuerliches Obst zurückzugreifen, kann demnach als nicht immer korrekt angesehen werden. Wie aus der Tabelle 1 und auch aus dem zur Verdeutlichung der Varianz der Zuckergehalte dargestellten Diagramm (Abb. 1) zu entnehmen ist, können die Zuckermengen und damit einhergehend auch die Werte für kcal und BE besonders in alten Sorten extremen Schwankungen unterliegen . Bei den im Intensivanbau erzeugten untersuchten Sorten 'Elstar', 'Golden Delicious', 'Jonagold und 'Braeburn' sind solche Ausreißer eher selten zu beobachten. Tab. 1: Gehalte an Zucker, BE, kcal und Säure im Apfel (HOFER ET AL., 2005) Sorte Kaiser Alexander Zucker in g/100 g FM BE* kcal Säure in g je 100 g FM 4,7 0,4 29,8 0,5 Gravensteiner 10,5 0,9 53,5 2,5 Jakob Lebel 11,0 0,9 55,6 1,3 Rheinischer Bohnapfel 23,3 1,9 106,1 0,7 Grünstettiner 33,9 2,8 149,8 1,1 Elstar 11,6 1,0 58,2 1,4 Golden Delicious 13,5 1,1 65,9 0,6 Braeburn 13,5 1,1 66,2 1,0 Jonagold 18,3 1,5 85,5 1,2 Mittelwert 15,6 1,3 74,5 1,1 *BE = Broteinheit (50 kcal) 170 Info-Blatt 3/2013 Obstbau Abb. 1: Zuckergehalte alter und neuer Apfelsorten (HOFER ET AL., 2005) Asthma- und Lungenfehlfunktionen Als ein Grund für die steigende Anzahl an Personen mit Asthma oder anderen Lungenfehlfunktionen wird unter Wissenschaftlern u. a. der Wandel des Lebensstils mit einhergehender verringerter Aufnahme von natürlichen Antioxidantien gesehen. Die Lunge als Organ, welches stark mit Sauerstoff in Berührung kommt, reagiert sehr empfindlich auf oxidativen Stress. Eine französische Studie an 68.353 weiblichen Probanden konnte einen Zusammenhang zwischen Apfelkonsum und Asthmahäufigkeit feststellen. Anhand eines Fragebogens sollte der tägliche Verzehr von Obst, u. a. Äpfel, und die Selbsteinschätzung zu verschiedenen Krankheiten erfasst werden. Die Frauen, welche im oberen Fünftel des Apfelkonsums standen (mindestens 31,2 g/Tag), wiesen 10 % weniger Asthma auf als die Probandinnen des unteren Fünftels (ROMIEU et al., 2006). Info-Blatt 3/2013 171 Obstbau Um zu erforschen, welche Substanzen im Apfel das Auftreten von Asthma hemmen können, baten SHAHEEN et al. im Jahr 2007 über 1.400 Erwachsene zur Teilnahme an einer Studie. Täglich mussten kontrollierte Dosen von drei unterschiedlichen im Apfel vorkommenden Flavonoiden (Flavonole, Flavone und Catechine) eingenommen werden. Doch konnte damit wider Erwarten kein statistischer Zusammenhang zwischen dem Auftreten oder der Hemmung von Asthma hergestellt werden. Die beteiligten Wissenschaftler sind der Auffassung, dass die positiven Effekte im Zusammenhang mit Asthma von bislang unbekannten bzw. in dieser Studie nicht untersuchten Substanzen stammen müssen. SHAHEEN et al. untersuchten in einer weiteren Studie den Effekt von Apfelkonsum auf typische Asthmasymptome wie z. B. das Keuchen. 2.600 Kinder zwischen 5 und 11 Jahren nahmen daran teil. Es konnte beobachtet werden, dass bei regelmäßigem Konsum von Apfelsaft aus Apfelsaftkonzentrat signifikant und dosisabhängig (der Konsum reichte von einmal pro Monat bis zu regelmäßig einmal pro Tag) das Keuchen verringert werden konnte, Asthma als Krankheit jedoch weiterhin auftrat. Der Verzehr von frischen Äpfeln, 2 bis 6 Stück pro Woche, konnte zwar mildernd auf das Auftreten von Asthma wirken, hatte jedoch dosisabhängig keine statistische Signifikanz. Die vorbeugende und mildernde Wirkung von Äpfeln auf Asthma ließ sich auch in einer weiteren Studie belegen, diesmal über einen Zeitraum von 6 Jahren. Während der Schwangerschaft wurden Frauen zu ihrem Apfelkonsum befragt, der von 0 bis mehr als 4 Äpfeln pro Woche reichte. Die Kinder wurden nach der Geburt bis zu ihrem fünften Lebensjahr auf Asthmasymptome hin untersucht. Es konnte festgestellt werden, dass ein signifikanter und linearer Zusammenhang zwischen erhöhtem Konsum von Äpfeln während der Schwangerschaft und späterem geringerem Auftreten von Asthma oder Keuchen bei den Kindern zu verzeichnen war (W ILLERS ET AL., 2007). 172 Info-Blatt 3/2013 Obstbau Obwohl diverse Obstarten auf ihre vorbeugende Wirkung gegenüber Asthma hin untersucht wurden, konnte nur beim Apfel ein realer Zusammenhang bestätigt werden, es ist jedoch noch nicht bekannt, welche Stoffgruppen in welchem Umfang diese Effekte auslösen (W ILLERS et al., 2007). Weitere Effekte des Apfelkonsums Eine brasilianische Studie aus dem Jahr 2003 untersuchte den Einfluss von einer stark am Apfel orientierten Ernährung auf die Verringerung des Körpergewichts von 49 übergewichtigen Frauen. Für den Versuch mussten 300 Gramm Äpfel in die tägliche Ernährung aufgenommen werden. Vergleichsgruppen erhielten Birnen bzw. 60 g Haferplätzchen. Die tägliche Kalorienaufnahme lag bei 2.400 kcal und resultierte nach 10-wöchigem Versuch in einem signifikanten Gewichtsverlust von 1,32 kg (OLIVEIRA ET AL., 2003). Da im Versuch einige Ungenauigkeiten zu bemängeln waren (unterschiedliche Größe der Vergleichsgruppen, Altersunterschiede etc.), kann nicht allein auf den Apfel als gewichtsreduzierenden Faktor geschlossen werden, obwohl er dank seiner relativ geringen Energiedichte und dem Gehalt an Ballaststoffen wie z. B. Pektinen unter Umständen und in Maßen sehr gut in körpergewichtsreduzierende Diäten passt. Zahlreiche Studien gibt es in weiteren Bereichen der Medizin, so auch zur Knochengesundheit, welche direkt nach dem Verzehr bzw. der Einnahme von Äpfeln bzw. Apfelflavonoiden an Menschen sowie auch an Ratten einen geringeren Verlust an Calcium über den Urin sowie auch eine Verbesserung der Mineraldichte im Knochen nachweisen konnten. Des Weiteren wird untersucht, inwiefern Apfelkonsum das Auftreten von Alzheimer verringern kann (HYSON, 2011). Info-Blatt 3/2013 173 Obstbau Diskussion Der eingangs zitierte Weisheit „An apple a day keeps the doctor away“ kann in Bezug zu einigen durchgeführten Studien sogar wörtlich genommen werden (u. a. GALLUS ET AL, 2005). Das im Apfel reichlich vorkommende Vitamin C (siehe: Infoblatt 6/2012, Primäre Inhaltsstoffe und Vitamine) hat ein relativ hohes antioxidatives Potenzial und kann so das ebenfalls im Körper antioxidativ wirkende Vitamin E (Tocopherol) aus der oxidierten Form zurückführen, also recyceln (SCHMITZ-EIBERGER & BAAB, 2004). Viele Krankheiten werden mit Oxidationsvorgängen in Verbindung gebracht, die durch wirksame Antioxidantien gehemmt oder reguliert werden können. Unter den sekundären Stoffen im Apfel finden sich auch viele sehr starke Antioxidantien, u. a. Quercetine und Epicatechine (LEE ET AL., 2003). In den letzten Jahrzehnten hat sich der Forschungsschwerpunkt deshalb sehr in Richtung der Sekundärstoffe des Apfels bewegt. Da diesen Stoffen viele positive Eigenschaften zugeschrieben werden, wird an der Extraktion dieser Verbindungen aus den Früchten und der Vermarktung als Nahrungsergänzungsmittel, Functional Food oder sogar Medikamenten geforscht. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf Phloridzin, das die Zuckeraufnahme im Darm hemmt (OBI ET AL., 2012), und so eventuell als Mittel zur Diabetesvorsorge eingesetzt werden könnte. Jedoch werden die Aufnahme von künstlich hergestelltem Vitamin C, welches schon seit vielen Jahren als Nahrungsergänzungsmittel und Lebensmittelzusatzstoff auf dem Markt ist, sowie auch die chemische Extraktion und nachfolgende Einnahme sekundärer Pflanzenstoffe von SCHMITZEIBERGER & BAAB (2004) kritisch gesehen. Extrahierte, reine Phenole werden vom Darm viel schlechter aufgenommen, als wenn sie zusammen mit ihren natürlichen Begleitstoffen aus Obst oder Gemüse konsumiert werden. 174 Info-Blatt 3/2013 Obstbau Flavonole schützen das Vitamin C vor Oxidation und können bereits oxidierte Ascorbinsäure wieder regenerieren. Diese Art der „Vitaminwiederaufbereitung“ (SCHMITZ-EIBERGER & BAAB, 2004) macht demnach auch den Konsum von Sorten, welche nur geringe Mengen an Vitaminen oder sekundären Inhaltsstoffen aufweisen, sinnvoller als die Aufnahme synthetischer Äquivalente. Zu diesen komplexen Zusammenhängen besteht noch viel Forschungsbedarf. Alle zu dieser Arbeit herangezogenen Publikationen befassten sich mit einzelnen Stoffen oder Stoffgruppen, jedoch nicht mit dem Zusammenspiel der Substanzen untereinander. Für Diabetiker ist der Apfelkonsum grundsätzlich empfehlenswert, solange die Nährwerte bekannt sind und sich an bekannte Richtwerte gehalten wird. Die Gleichung 100 g Äpfel = 50 kcal = 1 BE muss dabei genau unter die Lupe genommen werden. Sie ist nur bei modernen Tafelsorten, welche unter gleichbleibenden, intensiven Bedingungen angebaut werden, zu gebrauchen. Alte Sorten haben aufgrund ihrer genetischen Eigenschaften oftmals eine sehr hohe Schwankungsbreite, was die Gehalte an Zuckern und Säuren angeht. So können 100 g Apfel 0,4 BE bei der Sorte 'Kaiser Alexander' entsprechen, genaue 1 BE bei der Sorte 'Elstar' oder sogar 2,8 BE bei der Sorte 'Grünstettiner' (HOFER ET AL., 2005). Dies macht es für Diabetiker sehr schwierig, alte Apfelsorten sorgenfrei zu genießen. Schon bei einem Konsum von 2 Äpfeln alter Sorten mit Werten zwischen 50 und 150 kcal (bezogen auf Tabelle 1), kann es bei der Insulinbewertung pro Tag zu einem Fehler kommen, der der Menge von 3 BE entspricht. Hochgerechnet auf einen Monat entspräche das einem möglichen Unterschied von 6.000 kcal. Doch durch Schmecken allein ist dieser Unterschied zwischen den Sorten oft nicht zu erkennen. Der als sauer eingestufte 'Grünstettiner' ist beispielsweise die Sorte mit der höchsten BE-Bewertung. Info-Blatt 3/2013 175 Obstbau Diabetiker müssen daher über sortenspezifische Unterschiede informiert werden. Weiterhin sollte klar gemacht werden, dass es sich bei den Angaben zur BE-Bewertung von Äpfeln nur um Richtwerte handelt. Äpfel alter Sorten als natürlich gewachsene Lebensmittel können aufgrund der Witterung und ihrer eigenen genetischen Ausstattung unterschiedlich hohe Inhaltsstoffkonzentrationen entwickeln. Es bedarf daher Listen mit Nährwertangaben alter Apfelsorten, die im optimalen Fall im Geschäft oder der Direktvermarktung ausliegen bzw. eingesehen werden können. So ist auch Diabetikern ein sorgenfreier Genuss alter Apfelsorten möglich. Der Apfel ist nach W ILLERS ET AL. (2007) die bisher einzige bekannte Obstart, welche sich positiv auf Asthma auswirkt. In mehreren Studien konnte bei genau dosiertem Apfelkonsum eine Verringerung des Keuchens nachgewiesen werden. Konsumieren werdende Mütter während der Schwangerschaft Äpfel, kann nach der Geburt von einem geringeren Asthmaauftreten bei den Kindern ausgegangen werden. Es ist jedoch noch nicht bekannt, welche im Apfel vorkommende Substanz Asthma beeinflussen kann. Es wurden unterschiedliche phenolische Substanzen in Erwägung gezogen und getestet, welche alle einzeln für sich wirkungslos scheinen SHAHEEN ET AL., 2007). Auch hier sollte in Zukunft mehr das Zusammenwirken der unterschiedlichen Stoffe erforscht werden. Fazit In diesem Sinne soll die vierteilige Artikelserie zu Ende gehen und jedem von Ihnen den regelmäßigen Konsum frischer Äpfel ans Herz legen. Falls diese der Jahreszeit entsprechend nicht zur Hand sind, kann auch auf naturtrüben Direktsaft zurückgegriffen werden. Es zahlt sich in jedem Fall für Ihre Gesundheit wie auch für Ihren Gaumen aus. Wohl bekomm‘s! 176 Info-Blatt 3/2013 Obstbau Literaturverzeichnis BOYER, J. & LIU, R. H. (2004). Apple phytochemicals and their health benefits. Nutrition Journal(3:5). FIEßINGER, A. & HÖHNE, F. (2012/13): Neue Erkenntnisse über Inhaltstoffe des Apfels. Info-Blatt für den Gartenbau in Mecklenburg-Vorpommern (21/22) Teil 1 – Primäre Inhaltsstoffe und Vitamine. (21), 6, S. 315-328, Teil 2 – Sekundäre Inhaltsstoffe und antioxidatives Potential von Apfelsorten. (22), 1, S. 6-23, Teil 3 – Apfelallergie. (22), 2, S. 107-120 GALLUS, S., TALAMINI, R., GIACOSA, A., MONTELLA, RAMAZZOTTI, V., FRACESCHI, S., ET AL. (2005). 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In einer Pressemitteilung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) wurde berichtet, dass die Vorkommen des Wildapfels (Holzapfel) bundesweit erfasst, kartiert und bewertet wurden. Danach gibt es derzeit nur noch 5.500 Exemplare des Wildapfels in Deutschland (BMELV 2013). Der Stubbendorfer Wildapfel, gelegen südöstlich von Sanitz an der Landstraße von Stubbendorf nach Ehmkendorf, wird wohl nicht mehr mitgezählt worden sein, denn 2007 wurde der Baum Opfer des Orkans Kyrill, der mehr als die Hälfte der Krone zerstörte. In den Folgejahren brach der Baum dann völlig zusammen. Allerdings haben sich ausladende Äste bewurzelt, so dass ein Erhalt der Gene am Standort gewährleistet sein kann, wenn das Arial weiter geschützt bleibt. Dabei ist dieser Wildapfelbaum ein Unikat gewesen. Auf einem Schild war 2004 noch zu lesen, dass dieser Baum ca. 450 - 500 Jahre alt sei (Abb. 1). Abb. 1: Schild vor dem Wildapfelbaum 2004 Info-Blatt 3/2013 179 Obstbau Die Spezialisten für die alten Bäume Deutschlands ULLRICH, KÜHN & KÜHN schätzten 2009 in ihrem Buch „Unsere 500 ältesten Bäume“ das Alter dieses Baumes zwar nur auf 190 bis 320 Jahre ein, beschrieben ihn jedoch „als ältesten Wildapfel (Malus sylvestris) Deutschlands, vielleicht sogar Europas“. Übereinstimmung herrschte beim Stammumfang, der auch in dem Buch mit 4,52 m angegeben wurde. Das war leicht zu messen, während die Altersbestimmung bei hohlen Bäumen ohne konkrete schriftliche Zeitzeugnisse sehr schwierig ist. Wer weiß, vielleicht gibt es in der mündlichen Überlieferung oder sogar in den Kirchenarchiven der umliegenden Orte alte Erwähnungen dieses Baumes, welche die Angaben auf dem Schild rechtfertigen? Dabei war dieser Baum eine wirklich imposante Erscheinung und man fühlte sich unter seiner Krone wie in einem Dom (Abb. 2 bis 4). Abb. 2: Der Stubbendorfer Wildapfel 1995 (MELATE, 1995) 180 Info-Blatt 3/2013 Obstbau Abb. 3: Der Stubbendorfer Wildapfel zur Blüte 2004 (HÖHNE, F.) Abb. 4: Der Erstautor zur Blüte 2004 im „Baum-Dom“ (HÖHNE, B.) Info-Blatt 3/2013 181 Obstbau Abb. 5: Der Wildapfelbaum im April 2010 nach dem Auseinanderbrechen (HÖHNE, F.) Abb. 6: Die Reste des Baumes im Frühjahr 2012 (GIESSMANN) 182 Info-Blatt 3/2013 Obstbau Abb. 7: Wiederbegrünen angewachsener Äste im Frühjahr 2013 (GIESSMANN) Dem Erstautor gelang es kurz vor dem völligen Zusammenbrechen des Wildapfels am 23. April 2010 Reiser zu schneiden und in Gülzow aufzuveredeln. 2011 konnten erste Äpfel geerntet werden, 2012 war die Ernte schon größer. Die zahlreichen Blüten des Wildapfels sind im Ballonstadium wunderschön gefärbt, die offene Blüte ist dann fast weiß (Abb. 8). Die Äpfel sind, typisch Wildapfel, sehr klein und nur wenig gefärbt (Abb. 9). Nach Untersuchungen im Labor von RiHa-Wesergold in Rinteln haben die Früchte einen Brix-Wert von 15,25 und eine beachtliche Säure von 23,6 g/l (W OLTER, 2012), wahrlich kein Genuss zum Frischverzehr. Aber wer weiß, wozu man die Äpfel nutzen könnte? Nach Beobachtungen ist der Wildapfel anfällig für Schorf und Mehltau. Info-Blatt 3/2013 183 Obstbau Abb. 8: Blüte am 10.5.2013 Abb. 9: Wildapfelfrüchte 2012 Jedenfalls lebt der Genfonds des Baumes auf alle Fälle in Gülzow weiter und Reiser werden gern abgegeben. Eine regionale Baumschule hat ihn schon in Vermehrung, den andern wird Nachahmung empfohlen. Literatur: BMELV 2013: Noch 5.500 Wildapfelbäume in Deutschland. http://www.fruchtportal.de vom 29.04.2013 MELATE 1996: Studie zum Streuobstanbau in Mecklenburg-Vorpommern, Dummerstorf ULLRICH, B.; KÜHN, U. UND KÜHN, S. 2009: Unsere 500 ältesten Bäume. BLV Buchverlag GmbH & Co. KG, München W OLTER, C. 2012: Schriftliche Mitteilung 184 Info-Blatt 3/2013 Obstbau VITINORD Kongress 2012 in Neubrandenburg Prof. Dr. G. Flick – Hochschule Neubrandenburg Wie bereits im vorigen Jahr angekündigt, fand vom 28.11. bis 01.12.2012 in Neubrandenburg der internationale VITINORD Kongress, verbunden mit der Abschlusstagung des InterregIVa-Projektes zum Anbau von Wein und neuen Kulturpflanzen in der Pomerania-Region statt. Der Kongress war auch mit einer sehr informativen kleinen „Messe“ bzw. „Trade-Show“ mit namhaften Unternehmen aus dem Zuliefererbereich der Wein- und Fruchtsaftherstellung verbunden. Abb. 1: Hochschule Neubrandenburg Die Organisatoren, Prof. Dr. Gerhard Flick und Dipl. Agr. biol. Sabine Heeren, konnten über 170 Gäste aus Europa, USA, China und den Staaten der ehem. Sowjetunion begrüßen. VITINORD ist eine Vereinigung von Weinanbauern und Wissenschaftlern, die sich mit dem Anbau, dem Ausbau und der Vermarktung von Wein auf der nördlichen Nordhalbkugel beschäftigen. Aufgrund langjähriger Kontakte wurde man dort auf das Projekt der Hochschule Neubrandenburg aufmerksam. Info-Blatt 3/2013 185 Obstbau Da beide Initiativen jeweils die Zweijahres- bzw. die Projektabschlusstagung planten, konnten Geschäftsführer Peter Heise und seine Mitarbeiterinnen von der Euroregion Pomerania überzeugt werden, neben der geplanten Projektabschlusstagung in Neubrandenburg zu den Chancen für wärmeliebenden Kulturpflanzen noch zusätzlich eine Deutsch-Polnische Kooperationstagung zum Anbau von Wein in nördlichen Klimaregionen aus dem sog. „Kleinen Fonds“ mit Fördermitteln zu unterstützen. Abb. 2: Eröffnung der Tagung: Prof. Dr. Gerhard Flick (HSNB), Peter Heise (Pomerania) v.l.n.r. Diese fand, ebenfalls über Prof. Flick und Frau Heeren gemeinsam mit dem polnischen Interreg-Partner, Dr. Chełpinski (Lehrstuhl Obst- und Beerenanbau) organisiert, in Szczecin an der Agrarfakultät der Westpommerschen Technischen Hochschule statt. Durch die konsequent internationale Ausrichtung (Tagungssprache war Englisch) gelang es, renommierte Redner, insbesondere auch für die Plenarvorträge, zu gewinnen. So berichtete der Leiter der Höheren Bundeslehranstalt Klosterneuburg (HBLA, Österreich), Herr Universitätsdozent, Hofrat Dr. Reinhard Eder über die Bedeutung phenolischer Substanzen für die Qualität von Wein und 186 Info-Blatt 3/2013 Obstbau anderen Nahrungsmitteln und führte damit in das Forschungsthema des Interreg-Projektes, nämlich der Nutzbarmachung von gesundheitsfördernden regionalen Phenolquellen ein. Fulivo Mattivi vom Instituto Agrario Edmund Mach, San Michele All´Adige, berichtete über das derzeit immer größere Bedeutung erlangende Wissenschaftsgebiet der Metabolomics, d. h. der Erfassung vor allem der pflanzenspezifischen Sekundärstoffe, was zeigte, dass die Potenziale unserer Kulturpflanzen insbesondere hinsichtlich der Nutzung qualitätsbestimmender Inhaltsstoffe noch lange nicht ausgeschöpft bzw. erforscht sind Abb. 3: Prof. Dr. Meurer (HSNB), Dr. Hornig (LMS), Prof. Dr. Witzgall (SLU, Schweden) v.l.n.r. Aus Schweden wurde von der Forschungsgruppe „Chemische Ökologie“ der Schwedischen Landwirtschaftlichen Universität Alnarp (SLU) sowie der Obstbau-Versuchsstation Bålsgard über die Nutzung von Drosophila Melanogaster, der Fruchtfliege, als Indikatororganismus für die sensorische Erfassung bisher kaum messbarer Vorlieben von Konsumenten im Fruchtsaftbereich berichtet. Dr. Rumpunen aus Bålsgard berichtete über erfolgreiche Versuche zur Erzeugung von Essig aus Schwarzen Johannisbeeren, Info-Blatt 3/2013 187 Obstbau die von einer Neubrandenburger Austauschstudentin im dortigen Technikum für die Erzeugung von Getränken aus regionalen Produkten durchgeführt wurden. Die Neubrandenburger Wissenschaftler Flick und Heeren zeigten im Zuge der Vorstellung der Projektergebnisse, dass es möglich ist, hoch polyphenolhaltiges Pflanzenmaterial für die Aufwertung von Lebensmitteln durch neue regionale Erzeugnisse zu erzeugen. Über die Vertreter der Hochschule hinaus war Mecklenburg-Vorpommern mit Dr. Hornig von der LMS mit einem Vortrag zum Sanddorn als vielversprechender Kulturart und Herrn Dr. Höhne vom Kompetenzzentrum für Gartenbau, Gülzow, zum Anbau von Holunder in der Region vertreten. Im Rahmen der direkt anschließenden deutsch-polnischen Kooperationstagung zum Weinanbau wurden Schwerpunkte bei den Themen Sortenwahl und Frostschutz gesetzt. Hier waren die Beiträge der Referenten aus USA, Kanada und Estland mit den dort geprüften frostharten Sorten von sehr großem Interesse. In diesem Zusammenhang wurden neue Überlegungen zur Weiterentwicklung des in Gülzow begonnenen Demonstrationsanbaus von Vitis vinifera-, amurensis- und labrusca Sorten als Tafeltrauben entwickelt, die in den kommenden Jahr umgesetzt werden könnten. Insbesondere die Lettischen Sorten Hasanski Sladki, Zilga und die Elmer Svenson-Klone (z. B. Svenson Red, Svenson White) aus den USA (Erhaltungszüchtung: Tom Plocher). Sehr großes Interesse weckten auch die Vorträge von Prof. Dr. Helen Fischer (Guelph, Kanada) zur Spätfrostbekämpfung mit Windrädern in Kanada und Dr. Karine Pednault aus Quebec zu ihren Erfahrungen mit frostharten Sorten wie z. B. Frontenac, insbesondere auch im Hinblick auf den gesundheitlichen Wert (Phenole, Flavonoide), was auch auf den Anbau als Tafeltrauben bezogen werden kann. Frau Dr. Li Xiaoyan von der Universität der Inneren Mongolei in Hohot berichtete über Strategien zum Schutz von Winterfrost (Abdeckungstechniken) in China. 188 Info-Blatt 3/2013 Obstbau Abb. 4: Poster aus aller Welt – Grape Breeding Abb. 5: Poster aus aller Welt – Cold Climate Info-Blatt 3/2013 189 Obstbau Die Tagung wurde abgerundet durch Vorträge von Dr. Stoll von der Hochschule/University Geisenheim und Dr. Eibach von JKI Geilweilerhof zu frostharten Rebsorten, die in Deutschland zur Weinbereitung zugelassen und damit auch am Markt direkt verfügbar sind. Die Postersession vermittelte einen ausgezeichneten Überblick über die Aktivitäten zum Thema „Wein und wärmeliebende Kulturpflanzen“ auf der nördlichen Nordhalbkugel. Den Abschluss bildete eine eintägige Exkursion zu den Weinbaubetrieben Pałac Mierzęcin in Polen und Schloß Rattey im Weinbaugebiet Stargarder Land (Mecklenburg-Vorpommern), die als Musterbeispiele gelten, wie Weinbau an Grenzstandorten in Verbindung mit Hotellerie und gezieltem Marketing etabliert werden kann. Beide Standorte verfügen über moderne Kellereien und ein Schloss als landwirtschaftlichem Traditionsträger der die Wirtschaftlichkeit des Weinanbaus unterstützt. Eine fachliche und eine offene Weinprobe mit Weinen aus „der nördlichen Welt“ rundeten das Programm an den zwei Kongresstagen ab. Gedankt sei an dieser Stelle allen Mitwirkenden, dem Organisationsbüro „Bürogemeinschaft CommAndante“, Neubrandenburg“ und natürlich der Euroregion Pomerania für die Finanzierung. Interessenten können sich auf den noch geschalteten Webseiten www.vitinord-nb2012.org oder www.pomerania.hs-nb.de informieren. Prof. Dr. Gerhard Flick Hochschule Neubrandenburg flick@hs-nb.de Tel.: +49 395 5693-2100 190 Info-Blatt 3/2013 Gemüsebau Sortenvergleich Bleichspargel – Erträge und Stangenqualitäten 2010 bis 2012 M. Jakobs und Dr. K.-U. Katroschan – Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei MV (LFA), Kompetenzzentrum Freilandgemüsebau Einleitung In Mecklenburg-Vorpommern wurden 2012 auf 238 ha Spargel geerntet (STAT. AMT MV 2013). Dies entsprach 13 Prozent der mit Gemüse bestellten Freilandfläche. Die Erträge lagen mit 34 dt/ha deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von 53 dt/ha (DESTATIS 2013). Der wirtschaftliche Erfolg einer Spargelanlage hängt maßgeblich vom Gesamtertrag, dem Anteil qualitativ hochwertiger Stangen sowie vom Erntezeitraum innerhalb des Jahres ab. Die Sortenwahl hat einen entscheidenden und aufgrund einer bis zu zehnjährigen Nutzungsdauer von Spargelanlagen langfristigen Einfluss auf diese Kriterien. Spargel ist somit nicht gleich Spargel. Den allermeisten Verbrauchern dürfte nicht bekannt sein, dass sich Spargelsorten auch geschmacklich unterscheiden können. Dies konnte u. a. am Julius Kühn-Institut in Quedlinburg mittels professionellen Verkostungen unter normierten Bedingungen gezeigt werden. Inwieweit Neuzüchtungen Vorteile gegenüber bewährten Standardsorten bieten, ist Fragestellung eines Sortenversuchs, welcher im April 2008 auf dem Betrieb Mecklenburger Frische Tieplitz (Landkreis Rostock) etabliert und 2010 erstmalig beerntet wurde. Nach inzwischen zwei Vollertragserntejahren (2011 und 2012) kann eine erste Einschätzung der Leistungsfähigkeit von neuen bzw. neueren Sorten im Vergleich zu den etablierten Standardsorten 'Gijnlim', 'Backlim' und 'Ravel' getroffen werden. Versuchsaufbau und -durchführung Der Versuch umfasst 16 Sorten verschiedener Züchter (Tab. 1). Der Pflanzabstand variiert je nach Sorte zwischen 20 und 33 cm, während der Reihenabstand einheitlich 210 cm beträgt. Zwischen den Versuchsreihen befindet sich jeweils eine Reihe der betriebsüblichen Standardsorte 'Gijnlim', deren Ertrag als zusätzliche Variante bisher ebenfalls erfasst wurde ('Gijnlim' Betrieb). Info-Blatt 3/2013 191 Gemüsebau Die Sorte 'Herkolim' ist mit zwei Pflanzabständen (20 cm [a] und 25 cm [b]) vertreten, sodass der Versuch insgesamt 18 Varianten beinhaltet. Weitere Daten zum Versuchsaufbau und zur -durchführung sind Tabelle 2 zu entnehmen. Tab. 1: Sortenübersicht Nr. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 Sorte 'Cumulus' 'Darlise' 'Darbella' 'Mondeo' 'Herkolim' a 'Herkolim' b 'Avalim' 'Gijnlim' 'Gijnlim' Betrieb 'Backlim' 'Fortems' 'Tallems' Stamm 30 Stamm 64 'Steineo' 'Ravel' 'Ramada' 'Rapsody' Pfl./m 4 3 4 3 5 4 3 3 3 3 5 5 5 5 3 3 3 4 Züchter Bejo Zaden Planasa (Darbonne) Dt. Spargelzucht Limseeds Nunhems Steiner Südwestdt. Saatzucht Abb. 1: Versuchsanlage nach dem Aufdämmen am 21.03.2011 192 Info-Blatt 3/2013 Gemüsebau Abb. 2: Stechen der Einzelparzellen mithilfe der Spargelspinne Tabelle 2: Versuchsaufbau und -durchführung Standort Mecklenburger Frische GmbH & Co. KG 18276 Gülzow-Prüzen OT Tieplitz Landkreis Rostock Bodenart lehmiger Sand, AZ 30 Beregnung ohne Pflanzung 24.04.2008 Kulturarbeiten Bodenbearbeitung, Düngung und Pflanzenschutz betriebsüblich Versuchsdesign randomisierte Blockanlage mit 4 Wiederholungen Parzellengröße 2,10 m x 14 m = 29,40 m² Dammbedeckung 2010 ab 2011 Thermofolie mit schwarzer Kappe Schwarzweißfolie Stechperioden 2010 2011 2012 29.04. - 26.05. 26.04. - 16.06. 26.04. - 21.06. 2011 Datenerfassung Info-Blatt 3/2013 Ertrag, Klassifizierung Bruttoertrag, Qualität Aufwuchs, Krankheiten 26.04. – 16.06. Sortiermaschine ESPASO Handbonitur Feldbonituren 193 Gemüsebau Abb. 3: Parzellenweise Ertragserfassung Die Beerntung des Versuchs erfolgte durch die Erntehelfer des Betriebes, welche die Stangen parzellenweise in Einzelkörbe (Abb. 3) ablegten. Diese wurden mit der Spargelspinne mitgeführt. Die Beurteilung der geernteten Ware anhand vermarktungsrelevanter Qualitätskriterien wie Violett-Färbung, Berostung, Krümmung, Hohle und Keulen erfolgte in der Sortierhalle des Betriebes. Anschließend wurden die Körbe einzeln über die mitgeführten Strichcodekarten in die Sortieranlage eingelesen (Abb. 4), von dieser auf 22 cm Länge gekürzt und anhand des in Tabelle 3 dargestellten Sortiersatzes klassifiziert. Jeweils zu Saisonende stellte der Betrieb die akkumulierten Datensätze der LFA zur Auswertung zur Verfügung. Abb. 4: Beschickung der Sortieranlage . 194 Abb. 4: Beschickung der Sortieranlage Info-Blatt 3/2013 Gemüsebau Tabelle 3: Sortiersatz ESPASO Nr. Kategorie Stangendurchmesser 1 I weiß 26+ 2 I weiß 21 - 26 3 I weiß 16 - 21 4 I violett 26+ 5 I violett 16 - 26 6 II weiß 14 - 16 7 II violett 14 - 16 8 Krumme 16 - 26 9 Krumme 14 - 16 10 Rostige 16 - 26 11 Rostige 14 - 16 12 Aufblüher 16 - 26 13 Aufblüher 14 - 16 14 Kurze (<17 cm) 15 Spitzen(<12 cm) 16 Suppe 10 - 14 17 Suppe 1 - 10 18 Bruch Erträge und Sortierungen 2010-2012 In dem Sortenversuch konnten in den beiden Vollertragsjahren 2011 und 2012 im Mittel aller Sorten 63,8 bzw. 64,6 dt/ha geerntet werden und das bei nur ungünstigem Spargelwetter (Frühjahrstrockenheit sowie 2012 zusätzlich kühle Phasen). Das Ertragsniveau des Versuchs liegt damit sowohl deutlich über dem Landes- als auch über dem Bundesdurchschnitt. Info-Blatt 3/2013 195 Gemüsebau Abb. 5: Akkumulierter Gesamtertrag (2010-2012) entsprechend der maschinellen Sortierung. Fehlerbalken = Standardabweichung zwischen den Wiederholungen. Abbildung 5 macht die Sortenunterschiede im Gesamtertrag deutlich. Die etablierten und im Anbau verbreiteten Sorten 'Ravel' (früh) und 'Backlim' (spät) lagen hierbei im Spitzenfeld. Die zu den Neuzüchtungen zählende Sorte 'Herkolim' befand sich bei engerem Pflanzabstand (5 Pfl./m, 'Herkolim' a) auf nahezu gleichem Ertragsniveau, wobei dieser vergleichsweise hohe Ertrag weniger durch eine große Stangenanzahl als vielmehr durch hohe Einzelstangengewichte realisiert wurde (Abb. 6). Bei geringerer Bestandesdichte (4 Pfl./m, 'Herkolim' a) war der über die drei Jahre akkumulierte Gesamtertrag um 14 dt/ha reduziert (Abb. 5), ohne dass sich die beiden Bestandesdichten im mittleren Einzelstangengewicht unterschieden (Abb. 6). In der Praxis sind bei 'Herkolim' zum Teil somit zu Recht auch noch geringere Pflanzabstände üblich. Die Sortenneuheit 'Tallems', von der in diesem Jahr erstmalig Jungpflanzen zu erwerben waren, war ebenfalls im Spitzenfeld anzutreffen. 196 Info-Blatt 3/2013 Gemüsebau Wie auch die Standard- und Referenzsorte 'Gijnlim' gehörten 'Steineo', 'Ramada', 'Avalim', ´Darlise', 'Rapsody' und 'Mondeo' sowie Stamm 30 ertraglich zum relativen Mittelfeld, wobei letztgenannter Stamm innerhalb der genannten Sorten mit 5 Pflanzen/m die höchste Bestandesdichte aufwies. Die Gesamterträge der Sorten 'Darbella', 'Cumulus' sowie der laut Züchter mittelfrühen und insbesondere für nordeuropäische Anbauregionen geeigneten Sorte 'Fortems' lagen deutlich unterhalb des Sortenmittels und erwiesen sich somit auf dem gewählten Versuchsstandort als ertragsschwach. Auch das Leistungspotential von Stamm 64 erwies sich unter den gegebenen Standortbedingungen als unzureichend. Trotz eines Pflanzabstands von 5 Pfl./m und im Mittel 69 g Stangengewicht erzielte dieser Genotyp lediglich einen Gesamtertrag von 76,5 dt/ha. Abb. 6: Mittlere Stangengewichte nach Kürzung auf 22 cm (2010-2012). Fehlerbalken = Standardabweichung zwischen den Wiederholungen Deutliche Sortenunterschiede fanden sich erwartungsgemäß nicht nur bei den Stangengewichten, sondern auch hinsichtlich der Stangenqualitäten. Hervorzuheben ist die Sorte 'Cumulus', welche zu 71 % Stangen der Klasse I hervorbrachte (Abb. 7). Info-Blatt 3/2013 197 Gemüsebau Die Versuchsergebnisse bestätigen somit die Sortenbeschreibung des Züchters: „uniforme weiße, glatte Stangen mit ausreichender Dicke“. Grundsätzlich sehr gute Stangenqualitäten brachte auch die Neuzüchtung 'Tallems' hervor, deren mittleres Einzelstangengewicht im Vergleich zu 'Cumulus' um 7 g höher ausfiel (Abb. 6), was auf einen größeren Stangendurchmesser hindeutet. Im Mittel der Jahre 2011und 2012 erwies Sie sich allerdings mit einem Stangenanteil von fast 10 % als überdurchschnittlich anfällig für Berostung. 'Steineo' wies mit einem Anteil an Stangen der Klasse I von 67 % ebenfalls eine überdurchschnittliche Stangenqualität auf (Abb. 7). Zusätzlich war der Anteil violetter Stangen aufgrund der als bekanntermaßen anthocyanarmen Sorte vernachlässigbar gering (Abb. 8). Abb. 7: Stangensortierung (Klassenanteile am Gesamtertrag) im Mittel der Hauptertragsjahre 2011 und 2012 entsprechend der maschinellen Sortierung Die Sorte 'Herkolim' bringt erfahrungsgemäß vergleichsweise große Stangendurchmesser, d. h. Stangen mit hohem Einzelgewicht hervor. Im Mittel beider Bestandesdichten und der drei Ertragsjahre wurden 32 % der Stangen aus Klasse I (weiß und violett) als 26+ klassifiziert. 198 Info-Blatt 3/2013 Gemüsebau Mit den Einzelstangengewichten von 80 ('Herkolim' b) bzw. 77 g ('Herkolim' a) hebt sie sich von allen anderen Sorten ab (Abb. 6). Diese Übergrößen sind auf dem Markt eher unerwünscht. Bezogen auf das Sortenspektrum brachten auch 'Fortems' (24 % 26+) und 'Darlise' (19 % 26+) im Mittel überdurchschnittlich dicke Stangen hervor. Hinsichtlich des Anteils an Stangen der Klasse I lagen 'Avalim', 'Herkolim', 'Backlim', 'Ravel', die beiden 'Gijnlim'-Varianten, 'Ramada', 'Rapsody' mit ca. 65 % auf einem sehr ähnlichen Niveau (Abb. 7). Die Sorte 'Mondeo' neigte zu krummen und relativ dünnen Stangen (43 g) und fiel im Vergleich zu den genannten Sorten mit einem Anteil an Stangen der Klasse I von 61 % ab. Dies kam insbesondere bei der Handbonitur zum Ausdruck kommt. Die Sorten 'Ravel', 'Gijnlim', 'Ramada', 'Rapsody' und 'Mondeo' reagierten unter ungünstigen Bedingungen verstärkt zu violetten Verfärbungen. Qualitätsmängel durch Berostung in Höhe von etwa 10 % fielen bei den Sorten 'Ramada', wie oben bereits erwähnt bei 'Tallems' sowie bei Stamm 64 und 'Avalim' auf. Den geringsten Anteils an Stangen der Klasse I erzielte 'Darlise'. Die Sortiermaschine ordnete 29 % der Kategorie Bruch zu. Auch bei der Handbonitur viel die Sorte durch einen hohen Anteil hohler, keuliger, zweiläufiger und auch anderweitig deformierter Stangen auf. Abb. 8: Sortierfraktionen der Klasse I (2011-2012) als Anteil am Gesamtertrag entsprechend der maschinellen Sortierung. Info-Blatt 3/2013 199 Gemüsebau Die niedrigsten Einzelstangengewichte und damit verbunden ein erhöhter Anteil an Suppenspargel (<14 mm) wurden bei 'Ravel' (6,2 %), 'Gijnlim' (7,8 %), und 'Mondeo' (7,8 %) sowie insbesondere bei Stamm 30 (9,4 %) festgestellt. Bei Stamm 30 traten zudem überdurchschnittlich häufig Aufblüher auf. Erstes Fazit nach zwei Vollertragsjahren Nach dem zweiten Hauptertragsjahr ist eine erste Einschätzung des Leistungspotentials der getesteten Sorten unter nordostdeutschen Anbaubedingungen möglich. Die bekannten und in der Praxis etablierten Sorten 'Ravel', 'Backlim' und mit Abstrichen auch 'Gijnlim' (Variante 8) zählten zu den Sorten mit den höchsten Markerträgen (Klasse I+II). Unter den Neuzüchtungen wies 'Tallems' ein vergleichbares Ertragsniveau auf. Sowohl Ertrag als auch Qualität dieser Sorte stellten sich vielversprechend dar. 'Herkolim' zählte innerhalb des Sortenspektrums zwar hinsichtlich des Rohertrags ebenfalls zur Spitze. Das Problem zu großer Stangendurchmesser ließ sich durch eine Erhöhung der Bestandesdichte von 4 auf 5 Pflanzen/m nicht in den Griff bekommen. 'Fortems' blieb sowohl hinsichtlich Rohertrag als auch hinsichtlich Stangenqualität deutlich hinter den Erwartungen zurück. Die beiden noch mit Stammnummern bezeichneten Sorten aus dem Hause Nunhems scheinen wenig erfolgversprechend. Stamm 30 produziert dünnere Stangen als 'Gijnlim' und wurde mit 5 Pflanzen/m u. U. zu eng gepflanzt. Die Stangen sind in der Regel weiß, lediglich die Köpfe werden violett und tendieren zum Aufblühen. Stamm 64 ist ein später Genotyp, welcher trotz Dichtpflanzung eine nur geringe Anzahl relativ dicker Stangen ausbildete. Weitere Probleme sind die Anfälligkeit für Rost und die Ausbildung keulenförmiger Stangen. 'Cumulus' wies einen auffällig hohen Anteil hochwertiger Stangen (Klasse I+II) auf. Leider war das Rohertragsniveau und damit der absolute Marktertrag unterdurchschnittlich. Die Sorten 'Darlise' und 'Darbella' wiesen auf dem Versuchsstandort sowohl einen unterdurchschnittlichen Rohertrag als auch äußerst geringe Stangenqualitäten auf. Hierbei spielten u. U. Standortfaktoren eine wesentliche Rolle. 200 Info-Blatt 3/2013 Gemüsebau Gegenwärtig existiert keine Spargelsorte, welche alle positiven Eigenschaften in sich vereint. Jede Sorte besitzt charakteristische Merkmale und stellt unterschiedliche Anforderungen an Standort und Anbaubedingungen. Die bisherigen Versuchsergebnisse zeigen, dass dies auch für Neuzüchtungen gilt, welche zumindest teilweise mit den Standardsorten mithalten konnten. Auch wenn durch die im Versuch berücksichtigten Sortenneuheiten keine ertraglichen Quantensprünge zu erwarten sind, ergeben sich durch das erweiterte Sortenspektrum durchaus interessante Alternativen. Literatur DESTATIS (Statistisches Bundesamt) 2013: https://www.destatis.de (Stand 22.05.2013) STAT. AMT MV (2013): Anbau und Ernte von Gemüse und Erdbeeren in Mecklenburg-Vorpommern 2012; Statistische Berichte, Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin Info-Blatt 3/2013 201 Pflanzenschutz Starkes Auftreten von PSA (Pseudomonas syringae sp. actinidiae) in Kiwianlagen Neuseelands! Ist der Erreger auch in Mecklenburg-Vorpommern aktiv? Dr. H.-J. Gießmann – Bad Doberan Seit 2010 wird in Neuseeland ein verheerendes Auftreten von PSA in Kiwianlagen beobachtet. Schätzungen berichten, dass ca. 40 % der Kiwianbaufläche befallen sind. Es liegen auch Berichte über das Vorkommen aus Italien und Chile vor. Neben Blattflecken führt diese bakterielle Erkrankung der Kiwis zum Welken der Blütenstände und Absterben ganzer Triebe und Stöcke. Aus den befallenen Bereichen tritt oft ein rotbrauner Ausfluss aus und das Gewebe stirbt unter Braun- bis Schwarzfärbung ab. In der vorliegenden Mitteilung beschreibt der Autor anhand von Aufnahmen die Symptome des Absterbens von Kiwipflanzen der großfruchtigen Arten Actinidia deliciosa und A. chinensis im eigenen Kleingarten, wobei sehr viel Ähnlichkeit mit der PSA-Krankheit vorhanden ist. Eine Laboruntersuchung ist bisher nicht erfolgt. Die Erkrankung wurde zunächst im Frühjahr 2012 an einer im selben Jahr gekauften Jungpflanze der grünfleischigen Sorte ‚Solissimo‘ beobachtet. Die Sorte stammt aus Frankreich und soll selbstfruchtbar sein. Vor dem Austrieb wies die Pflanze Risse am Trieb auf, aus denen ein rötlichbrauner Ausfluss kam. An der Basis der Pflanze bildeten sich neue Triebe, die gesund erschienen. Es sah so aus, als wenn die Pflanze nach dem Entfernen des erkrankten Triebes gesund ist. Im Frühjahr 2013 traten erneut die gleichen Symptome an der Pflanze auf: Risse, rötlichbrauner Ausfluss und Steckenbleiben der treibenden Knospen nach dem Absterben der Triebe (Abb. 1 u. 2). Interessant war dabei, dass sich das befallene Rindengewebe vom Holzteil leicht lösen lies (Abb. 3). Eine Pflanze der Sorte ‚Hayward‘, die in Nachbarschaft stand ist bis heute noch augenscheinlich gesund. 202 Info-Blatt 3/2013 Pflanzenschutz Abb. 1 und 2: Erkrankte Kiwipflanze der Sorte ‚Solissimo‘; angeschnittene erkrankte Triebe, daneben brauner Ausfluss auf Stützstab (FOTOS GIESSMANN, 2013) Abb. 3: Bakterienschaden an gelöster Rinde und Holzteil von Kiwipflanzen Info-Blatt 3/2013 203 Pflanzenschutz Bei näherer Betrachtung der vorhandenen Kiwi waren Schäden auch an anderen Pflanzen sichtbar. So war die italienische gelbfleischige Kiwisorte ‚Solari‘ abgestorben. Einige eigene Selektionen zeigten ebenfalls Risse und krebsartige Wunden mit Ausfluss (Abb. 4 u. 5). Die befallenen Regionen befanden sich in der Regel bis zu einer Höhe von 50 cm ab Bodenoberfläche. Abb. 4: Kranke Kiwipflanze Abb. 5: Krebsartiger Schaden mit Ausfluss an mehrjähriger Kiwipflanze 204 Info-Blatt 3/2013 Pflanzenschutz Der rötlichbraune Ausfluss ist so farbintensiv, dass die Triebe, aber auch die unmittelbar benachbarten Gegenstände, wie Stäbe und Steine gefärbt wurden (Abb. 2). Vom Autor wird vermutet, dass die bakterielle Erkrankung mit den in Rostock gekauften Pflanzen in den Garten eingeschleppt wurde. Die Anzucht der Pflanzen erfolgte durch eine Baumschule im benachbarten Ausland. Da eine direkte Bekämpfung der Krankheit mit chemischen Mitteln noch nicht möglich ist, können bisher nur folgende vorbeugende Maßnahmen durchgeführt werden. 1. In den Baumschulen und Gartencentern sind befallene Jungpflanzen auszusortieren. 2. Der Kunde sollte beim Einkauf darauf achten, ob die Jungpflanzen mehrfach zurückgeschnitten wurden. Diese Pflanzen waren möglicherweise bereits erkrankt und sind systemisch infiziert. 3. Treten die typischen Symptome im Anbau auf, sind die Pflanzen zu roden und zu verbrennen. Ein Wegschneiden befallener Pflanzenteile reicht meist nicht aus. 4. Die zum Schnitt und zur Rodung benutzten Gartengeräte und Hände sind zu desinfizieren. 5. Bei der Wahl der Sorten sollte man grünfrüchtige Sorten erwerben. Diese scheinen nach gegenwärtigen Angaben weniger anfällig zu sein, wobei direkte Sortenempfehlungen dem Autor noch nicht bekannt sind. 6. Es können keine Angaben mitgeteilt werden, inwieweit die anderen Kiwiarten Actinidia arguta und A. kolomicta befallen werden. Ausführliche Angaben zur Krankheit PSA sind im Internet unter „kiwi PSA disease“ zu finden. Info-Blatt 3/2013 205 Kurzinformation Knifflige Aufgaben für angehende GärtnerInnen Lehrlinge der Berufsschule Zierow behaupten sich in der ersten Runde des Berufswettbewerbes 2013 I. Kipcke – Wettbewerbsleiterin und Lehrerin an der Berufsschule Zierow Mit dem Jahr der IGS in Hamburg startet auch der Berufswettwettbewerb der GärtnerInnen. Bereits im Februar fanden hierzu die Erstentscheide statt. Die Eröffnungsveranstaltung, die in Ellerhoop am 4. Februar 2013 stattfand, gab den Startschuss für das Wettbewerbsjahr. Bereits einen Tag später, am 5. Februar wurde der Berufswettbewerb in unserem Land durchgeführt. In der Überbetrieblichen Ausbildungsstätte der Fachschule für Agrarwirtschaft „Johann-Heinrich-von-Thünen“ in Güstrow-Bockhorst stellten sich insgesamt 11 Teams der Berufsschulen Neustrelitz und Zierow den 10 Aufgaben. Da diese aus allen Bereichen des Gartenbaues waren, taten sich Jugendliche aus möglichst unterschiedlichen Fachsparten zu Dreierteams zusammen. Die angehenden Gärtner mussten u. a. Fragen zu Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz beantworten, die sich in diesem Jahr explizit um den Rücken drehten. Kenntnisse zu Schadsymptomen, Wachstumsfaktoren oder auch Fragen zu allen Fachsparten des Gartenbaues waren von Nöten. Besonders interessant waren auch die Gehölzbestimmung im Winter, das Erschmecken und Benennen von Kräutern und Gewürzen in der tropischen Abteilung des Gewächshauses sowie das Ertasten und Bestimmen typischer Materialien des Gartenbaues. Ebenfalls wurde das Wissen zu Kletterpflanzen und den richtigen Lebensräumen unter Beweis gestellt. Wer kennt schon immer die richtige Pflanze zu den entsprechenden Früchten? Beim Wettbewerb war dies von Nutzen. 206 Info-Blatt 3/2013 Kurzinformation Abb. 1: Kräuterverkostung Erik Pries, Frau Struck als Bewerterin (Berufsschule Zierow), Juliane Schlack, v.l.n.r. (FOTOS SCHWADT) Abb. 2: Kreativität: Juliane Schlack, Erik Pries, Brian Pathenheimer, v.l.n.r. Info-Blatt 3/2013 207 Kurzinformation Im Laufe des Tages wurden dann 2 Siegerteams ermittelt, da in 2 Wettbewerbsstufen angetreten waren. Sieger des Erstentscheides in der Wettbewerbsstufe A (1. und 2. Ausbildungsjahr) wurden Cindy Schmidt, Hannes Egdorf und Martin Steinitz mit 97 von 100 möglichen Punkten. In der Wettbewerbsstufe B (3. Ausbildungsjahr) gewannen Marie-Luise Budwig, Yvonne Richter und Anna Zenker mit 84,5 Punkten. Beide Teams starten am 15. Juni 2013 beim Zweitentscheid in Ellerhoop und vertreten dort unser Bundesland. Die Sieger des Zweitentscheides fahren Anfang September zum Bundesentscheid zur Internationalen Gartenschau nach Hamburg. Abb. 3: Gewinnerteams, Team A: Cindy Schmidt (Zierpflanze), Martin Steinitz (Gemüsebau), Hannes Egdorf und Team B: Marie Luise Budwig, Anna Zenker (Zierpflanze), Yvonne Richter (Zierpflanze), v.l.n.r. 208 Info-Blatt 3/2013 Kurzinformation Internationale Gartenschau Hamburg eröffnet Dr. R. Hornig – LMS Agrarberatung, Büro Schwerin Nach 2.246 Tagen Vorbereitungszeit war es endlich soweit: Am 26. April wurde in Hamburg(-Wilhelmsburg) die Internationale Gartenschau Hamburg (igs) im Rahmen einer, neudeutsch Open-Air-Gala genannten Veranstaltung, von Bundespräsident Joachim Gauck feierlich eröffnet. Rund 1.500 Gäste aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft waren dabei, und so mancher hätte noch dazu kommen können, denn im Veranstaltungsrund blieben etliche Plätze unbesetzt. Das mag auch am Wetter gelegen haben. Aus dem wolkenverhangenen Hamburger Himmel fiel sanfter, später sich verstärkender Regen und die vom Veranstalter ausgeteilten Regencapes waren mehr als willkommen. Abb. 1: „Hamburg im Regen, grau und so kalt …“ Marry Roos Schlager aus dem Jahr 1974 hatte bei der Eröffnungsveranstaltung der igs nichts an Aktualität eingebüßt. Blick auf die Bühne.(FOTOS HORNIG) Info-Blatt 3/2013 209 Kurzinformation Bundespräsident Gauck, der auch Schirmherr der igs ist, trug routiniert und mit dem einen oder anderen Versprecher vor, was sein Redenschreiber ihm aufgeschrieben hatte. Unter anderem sagte er: „Eine solch große Gartenschau kann auch ein Anstoß sein, um das soziale Zusammenwachsen einer Stadt, einer Region zu fördern. Ganz konkret haben Sie hier in Hamburg mit der Internationalen Bauausstellung und der Gartenschau den Sprung über die Elbe gewagt. Ich hoffe, dass diese Verbindung nachhaltig gestärkt wird. Welch ein stolzes Motto ‚In 80 Gärten um die Welt‘! Es erinnert daran, dass es Gärten gibt, seit Menschen sesshaft wurden. Sie haben ursprünglichen Bewuchs gerodet und gekappt, sie haben gepflanzt und gehegt – anfangs vielleicht mehr aus Notwendigkeit, aber heute meist, um mit Heckenschere und Pflanzkübel ihre jeweiligen Vorstellungen von Glück, Schönheit und Ordnung in der Natur zu verwirklichen. Insofern sind Gärten nicht nur Zeugnisse der unterschiedlichen Kulturen. Sie sind auch ganz allgemein Zeugnisse einmal unseres menschlichen Behauptungswillens gegen die wilde, die unberührte Natur, zum anderen unserer Sehnsucht nach Aufgehoben sein und Geborgenheit in der Natur.“ Abb. 2: Bundespräsident Joachim Gauck bei seiner Eröffnungsrede. 210 Info-Blatt 3/2013 Kurzinformation Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz erinnerte in seiner Rede an die große Gartenschautradition Hamburgs, in der nun zum achten Mal eine internationale Gartenschau ausgetragen werde. In keiner anderen deutschen Stadt sei eine Gartenschau so oft zu Gast gewesen wie hier in Hamburg. Mit Blick auf den langen Winter in diesem Jahr dankte Jürgen Mertz, Präsident des Zentralverbandes Gartenbau, für das große Engagement des gesamten gärtnerischen Berufsstandes: „Trotz der schwierigen Wetterverhältnisse der letzten Zeit haben alle Fachrichtungen des Gartenbaus die Herausforderungen angenommen und alles gegeben, um den Besuchern einen blühenden Start zu präsentieren.“ Mertz betonte auch die hohe Qualität der geleisteten Arbeit: „Gärtner aller Fachsparten stellen sich dem Leistungsvergleich. Es werden Pflanzen in einer beeindruckenden Vielfalt, innovative Pflanzenverwendungen und zukunftsweisende Gestaltungen von Gärten, Landschaft und Friedhof gezeigt.“ Umrahmt wurden die Wortbeiträge von einem bunten Kulturprogramm mit viel Hamburger Lokalkolorit. Die HipHopAcademy Hamburg, Lotto King Karl & die 3 Richtigen, der Kinderchor der staatlichen Jugendmusikschule Hamburg, Tänzer der Lola Rogge Schule und der Frauenchor Wilhelmsburger Inseldeerns waren dabei, um nur einige der beteiligten Künstler zu nennen. Schluss- und Höhepunkt des Kulturteils war schließlich Hamburgs RockUrgestein Achim Reichel mit seinem inzwischen auch schon wieder 20 Jahre Kultlied „Aloha Heja He“. Kaum zu glauben, aber wahr, der Mann wird nächstes Jahr siebzig! Hervorzuheben und besonders gelungen im Kulturprogramm war darüber hinaus eine Videoeinspielung, in der Kinder im Grundschulalter aus dem multikulturellen Wilhelmsburg, mehr als 80 Ethnien sollen hier leben, die fünf Weltreligionen erklärten. Witzig, urkomisch und voller kindlichem Esprit! Eine wunderbare Werbung für gegenseitigen Respekt und Toleranz. Die igs ist bis zum 13. Oktober auf der Elbinsel Hamburg-Wilhelmsburg geöffnet. Unter dem Motto „In 80 Gärten um die Welt“ zeigt sie den Ideenreichtum der Gärtner, Züchter und Landschaftsarchitekten mit 80 fantasievoll gestalteten Gärten, spannenden Sport- und Spielangeboten und mehr als 5000 kleinen und großen Bildungs-, Kultur- und Sportveranstaltungen. Info-Blatt 3/2013 211 Kurzinformation Alle Veranstaltungen wie Konzerte, Kabarett, Theateraufführungen und Lesungen sind im Eintrittspreis enthalten. Mit einem Tagesticket kann die Gartenschau einmalig an einem frei gewählten Tag im Ausstellungszeitraum besucht werden. Ein Tagesticket kostet 21 €, ermäßigt 17 €, eine Dauerkarte für alle 171 Tage 110 €. Kinder bis sechs Jahre haben freien Eintritt. Geöffnet ist die Gartenschau ab 9.00 Uhr bis zum Einbruch der Dunkelheit. Weiter sollen 25 Blumenschauen auf 5.000 Quadratmetern in zwei Hallen die zweieinhalb Millionen erwarteten Besucher begeistern. Zum Auftakt lockten in den Blumenhallen gleich zwei attraktive Ausstellungen. „Von Hamburg nach Haiti“ und „Durch Chinas lichte Wälder“. Für den Betrieb Garten- und Landschaftsbau Olaf Kirsch aus Kobande (Landkreis Ludwigslust-Parchim) hätte der Auftakt der igs kaum erfolgreicher ausfallen können. Bei der Hallenschau „Durch Chinas lichte Wälder“ gewann er neben einer Goldmedaille für die Standgestaltung eine weitere Große Goldmedaille „für eine ausdrucksvolle Gestaltung, die mit der begrenzten Fläche sehr sensibel umgangenen ist und zahlreiche visuelle Höhepunkte geschaffen hat“. Im Namen des gesamten Redaktionskollegiums einen herzlichen Glückwunsch an Familie Kirsch! Abb. 3: „Goldregen“ für den Garten- und Landschaftsbau Kirsch aus Kobande (Kreis Ludwigslust-Parchim). Blick auf seinen preisgekrönten Ausstellungsbeitrag in der Hallenschau „ Durch Chinas lichte Wälder“ 212 Info-Blatt 3/2013 Kurzinformation Berufsbegleitender Bachelor-Fernstudiengang „Angewandte Betriebswirtschaftslehre“ an der Hochschule Neubrandenburg I. Müller-Thüring – Stabsstelle des Rektorates für Wissenschaftliche Weiterbildung, Hochschule Neubrandenburg Studieren ganz nah an der Praxis An den Bedarfen und Wünschen der regionalen Wirtschaft orientiert sich die Hochschule Neubrandenburg mit ihrem neuen berufsbegleitenden Studiengang „Angewandte Betriebswirtschaftslehre“, der im Wintersemester 2013/14 startet. Beschäftigten aus Industrie, Wirtschaft und Verwaltung bietet sich ab September an der Hochschule Neubrandenburg die Möglichkeit, parallel zum Beruf und aufbauend auf den Erfahrungen aus der Berufspraxis ein betriebswirtschaftliches Studium zu absolvieren. Auch Arbeitgeber zeigen sich interessiert an dem neuen Studiengang. „Der Studiengang erlaubt es, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf Fach- und Führungspositionen vorzubereiten und kompetente Fachkräfte zu binden, ohne auf deren Mitarbeit verzichten zu müssen.“, erklärt Katrin Beuster, Personalleiterin bei der MMG GmbH. Das berufsbegleitende Bachelor-Studium dauert acht Semester. Es wird mit dem berufsqualifizierenden Abschluss „Bachelor of Arts“ abgeschlossen. Die Idee zum Studiengang entstand gemeinsam mit der IHK zu Neubrandenburg. „Als Partner erfragten wir bei Unternehmen der Region, wie die Erwartungen und Bedarfe an ein anwendungsbezogenes Hochschulstudium sind.“, so Rektor Prof. Micha Teuscher. Ziel ist es, mit dem Studiengang Betriebswirtinnen und Betriebswirte auszubilden, die dazu befähigt sind, Vorgänge und Probleme der Wirtschaftspraxis selbstständig auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden zu analysieren und ökonomisch begründete Lösungen zu finden. Info-Blatt 3/2013 213 Kurzinformation Die Grundlage einer langfristig orientierten Problemlösungsfähigkeit bildet dabei eine breite, wissenschaftlich fundierte Grundausbildung, die in den ersten 6 Semestern des Studiums vermittelt wird. Abgerundet wird die Qualifizierung durch fachbegleitende Kenntnisse und Kompetenzen etwa in den Bereichen von Recht, Volkswirtschaftslehre und Informatik sowie weitere Schlüsselqualifikationen, die zur Persönlichkeitsbildung und Führungsfähigkeit beitragen. Im 7. Semester wählen die Studierenden einen Studienschwerpunkt und bilden damit ein individuelles Karriereprofil aus. Das Angebot umfasst derzeit zwei Studienschwerpunkte: „Personal und Organisationsentwicklung“ sowie „Controlling, Finanz- und Rechnungswesen“. Die Bachelorarbeit mit einem zugehörigen Kolloquium bildet im 8. Semester den Abschluss des Studiums. Für den Praxisbezug sorgen zum einen die anwendungsbezogene Ausrichtung der Veranstaltungen sowie die in den Studienverlauf integrierten Praxisprojekte. Diese sichern auf der Grundlage einer wissenschaftlich fundierten Ausbildung den unmittelbaren Anwendungsbezug der Lehrinhalte im Berufsalltag. Abb. 1: Angewandte Betriebswirtschaftslehre, Studienaufbau und -module 214 Info-Blatt 3/2013 Kurzinformation Der Studiengang zielt auf die Vermittlung einer breiten und sofort anwendbaren betriebswirtschaftlichen Ausbildung ab, so dass sich Absolventinnen und Absolventen nach dem Studium zahlreiche neue Arbeitsfelder, sowohl im Umfeld des erlernten Berufs als auch in anderen kaufmännischen Bereichen, eröffnen. Mit dem abgeschlossenen Studium verfügen die Absolventen dann auch über die fachlichen Voraussetzungen zur Unternehmensgründung und -übernahme. Marcus Enger hat sich entschieden. Er wird ab September an der Hochschule Neubrandenburg studieren. „Ich möchte mich akademisch weiterqualifizieren und das berufsbegleitend, anwendungsbezogen und in der Region; da ist das Angebot der Hochschule optimal für mich.“ Der Studiengang ist als berufsbegleitendes Fernstudium konzipiert. Die Verknüpfung von Präsenz- und Fernstudienphasen unterstützt dabei ein orts- und zeitunabhängiges Lernen der Studierenden. Zu jedem Modul werden veranstaltungsbegleitende Studienhefte, Materialien und Aufgaben zur distanzübergreifenden Vermittlung von Lehrinhalten zur Verfügung gestellt, die im angeleiteten und onlinegestützten Selbststudium in Einzel- und Gruppenarbeit zu bearbeiten sind. Zur Unterstützung des Selbststudiums werden Vor-Ort-Präsenz-veranstaltungen im Umfang von 12 bis 15 Tagen pro Semester an der Hochschule Neubrandenburg angeboten. Für Weiterbildungsinteressierte bietet sich ferner die Möglichkeit, Module des Studiengangs „Angewandte Betriebswirtschaftslehre“ im Rahmen einer Gasthörerschaft an der Hochschule auch einzeln zu belegen und sich auf ein ggf. späteres Studium anrechnen zu lassen. Die flexible Weiterbildung in Form eines Zertifikats- oder Modulstudiums erlaubt es Interessierten, sich Basiswissen in ausgewählten betriebswirtschaftlichen Themenbereichen anzueignen, Wissen in bestimmten Fachgebieten aufzufrischen oder das Karriereprofil gezielt weiterzuentwickeln. Info-Blatt 3/2013 215 Kurzinformation Ferner bietet der Studiengang für Absolventen ausgewählter IHK-Aufstiegsfortbildungen und mit Abschlüssen der VWA Mecklenburg-Vorpommern e.V. durch eine Anrechnung von bereits erbrachten Leistungen und Kompetenzen aus den Bildungsgängen die Möglichkeit einer Studienzeitverkürzung. Für den Studienstart im September können sich Interessierte noch bis zum 15.07.2013 bewerben. Weitere Informationen zum neuen berufsbegleitenden Bachelor-Fernstudiengang „Angewandte Betriebswirtschaftslehre“ an der Hochschule Neubrandenburg finden Sie unter www.hs-nb.de oder fragen Sie direkt nach: Ina Müller-Thüring (M.A.) Tel.: 0395 5693 1030 E-Mail: zww@hs-nb.de 216 Info-Blatt 3/2013