Tro§zdem Nr.38 12-2007 - Justizvollzugsanstalt Oldenburg
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Tro§zdem Nr.38 12-2007 - Justizvollzugsanstalt Oldenburg
Tr§tzdem Gefangenenzeitung der JVA Oldenburg Frohe Weihnachten und ein glückliches Jahr 2008 Nr. 38 Dezember 2007 Ministerieller Segen All you can run S. 15 S. 14 S. 17 S. 38 S. 44 S. 27 Top-Thema Wer kommt rein, wer kommt raus? S. 22 S. 36 S. 56 Gesetze, Urteile S. 19 S. 18 Humor S. 42 Inhalt Inhalt Seite JVA intern In eigener Sache (Redaktionsinfo) 4 Informationen & Veranstaltungen 4 Weihnachtsgruß Anstaltsleiter 6 Weihnachtsgruß Justizministerin 7 Fragebogen für Beamte 8 Fragebogen für Gefangene 9 Rauchverbot 10 Die GIV informiert 10 Aids-Hilfe 10 Der Pendler 11 Gefangenenzeitungen 13 Der Zeitgeist 13 Ministerieller Segen 14 Die etwas andere Rede 14 Bildung — Sport — Gesundheit Sommerfest in der Gerichtsstraße15 Volleyball: Riesen–Spiel 15 Kleines Zirkeltraining 16 All you can run 17 Recht — Soziales Zum neuen NJVollzG Drogen und Recht Anzahl der Straftäter sinkt Aus der Rechtsprechung Zur Erinnerung Konsequent und liberal Top-Thema 18 19 19 20 20 20 22 Inhalt Kultur — Ausland — Medien Der Hörbuch Club 31 - Hörbücher Literatur & Co. - Buchtipps 32 32 36 36 36 Weltpremiere 38 Eine ganz neue Erfahrung Stacy (Keach) meats Tom Beiträge auf O1 über… Zitate aus der Diskussion auf O1 Gedichte Humor im Knast Auslandsinfo: Kasachstan Knast in Kasachstan Buchtipp Presseschau 22 26 27 29 29 31 Weihnachtsgeschichte Nicht nur eine Personalie Oldenburger Filmfestival - Wer kommt rein, wer kommt raus? Die Oldenburger Verhältnisse Der Vollstreckungsplan Anstieg der Gefangenenzahlen Vorurteil stimmt nicht Kriminelle Karrieren Seite - Holländer holen sich Tipps - Aus für Gefängnisse - Gericht bestätigt EU-Haftbefehl - Täter-Opfer-Ausgleich - Blick stärker auf Opfer richten - Bundesrichter denken ...nach - Ideenschmiede im Gefängnis - Gewalt in deutschen… - Experten rügen Haftbedingung. 40 40 40 40 41 42 44 45 46 Inhalt Seite - Knast Bücherei... 49 - Ministerin testet neue Uniform... 49 - Experten rügen Pläne ... 49 - Mitarbeit wird zum Leitmotiv... 50 - Anzahl der verurteilten Straftäter50 - Verein holt Täter und Opfer… 50 - Hinter selbst gebauten Gittern… 51 - Aus erster Hand 52 Mixed Empfindlicher Dämpfer Ein Leserbrief von Helle Kniffelig Backen hinter Gittern Schachrätsel und Sudoku Hättest Du es gewusst? Preisrätsel Adressen Leserbeitrag Superquiz Vorschau nächste Ausgabe Impressum Postkarten - 53 54 55 56 57 57 58 59 60 61 62 62 63 47 47 47 47 47 48 48 48 49 49 Redaktionsschluss für die nächste Ausgabe ist der 20. März 2008 Spenden Auch wir sind auf Spenden angewiesen, um weiterhin das Erscheinen der “Tr§tzdem” in der gewohnten Qualität gewährleisten zu können. Wir bitten daher um Ihre Unterstützung und eine Spende auf das Konto der: JVA Oldenburg Verwendungszweck: Tr§tzdem Bank: BLZ: Konto-Nr.: Norddeutsche Landesbank, Hannover 25050000 106024813 ie für d e i n, d n! ene t habe d l l a de ken pen dan m ges r i W z de t T r§ Auf Wunsch wird gerne eine Spendenquittung übersandt. Tr§tzdem 2007 Nr. 38 3 JVA intern In eigener Sache Infos aus der Redaktion: Neu dazu gekommen sind Sven Stamm und Christian Menig. Nicht mehr dabei sind Stephan M., Dieter Schacht (der viele köstliche Beiträge beigesteuert hat) sowie RM (der uns so manchen tiefsinnigen Beitrag geliefert hat), die allesamt verlegt worden sind. Vielleicht ist es nicht jedem aufgefallen! In unserer Ausgabe Nr. 37 vom September 2007 hat sich ein Fehler eingeschlichen: Die Seite 2 wurde beim Druck mit der Seite 76 vertauscht. Wir glauben dennoch, die Zeitung konnte sich auch so sehen lassen. Unser Top-Thema in dieser Ausgabe: Wer kommt rein, wer kommt raus? - Ein Thema, das sich als dem vielfältiger erTr§tinzformiert wies, als unsere Seitenplanung zuließ. Daher haben wir uns auf nur einige (unserer Meinung nach wichtige) Aspekte beschränken müssen. Nicht realisierte Themen: Da die Anstaltsleitung nur noch bereit ist, die Kosten für maximal 60 Seiten zu übernehmen, sind einige Themen kürzer behandelt worden und auf manche Berichte wurde ganz verzichtet. Ein Zuschlag für das herausragende Ereignis der Präsentation von Wettbewerbsfilmen zum Oldenburger Filmfestival in der JVA wurde jedoch gern genehmigt. Wir hoffen dennoch, dass wir ausreichend informativ bleiben konnten. Keinen großen Raum nimmt vorerst die Berichterstattung zum neuen Niedersächsischen Justizvollzugsgesetz ein, da die politischen Weichen weitgehend gestellt sind und mit einem Inkrafttreten des Gesetzes Anfang 2008 zu rechnen ist. Wir wollten auch über weitere Arbeitsbetriebe berichten, mussten dies aber aus Platzgründen aufschieben. 4 Schach- und Sudoku- Lösung: Die Lösungen sind auf Seite 13 zu finden! Danke: Unser besonderer Dank gilt den Autoren unserer Beiträge - den Beamten, die Ihre Freizeit dafür geopfert haben, den externen Autoren für ihr Interesse an qualitativ guten Gefangenen-Zeitungen und den Gefangenen, die eine ungewohnte Tätigkeit auf sich genommen haben. An dieser Stelle bedanken wir uns gerne wieder bei Frau Barkemeyer, die der Tr§tzdem stets verbunden ist und jedes Mal viel Arbeit beim Korrekturlesen hat. Sie wurde unterstützt von unserem Redaktionsmitglied Lasse Willms. Diesmal haben wir wieder Post- Informationen & Veranstaltungen Alphabetisierungskurs Lerngruppe Herr Dannebaum Anmeldung mit VG 51 Sportlehrer Dienstags Freitags von 16:30 bis 18:15 von 13:15 bis 14:45 Migrationskurs Gefährdetenhilfe Für Gefangene mit Migrationshintergrund, die das Ziel und die Möglichkeit haben, in Deutschland zu bleiben. Seelsorgerisches Angebot in ehrenamtlichem Engagement aus christlicher Verantwortung von gläubigen Christen, die in der Gruppe Bibelarbeit und Gespräche anbieten und gemeinsam musizieren. Ziele dieser Maßnahme sind: Vorbereitung und Motivation für die Teilnahme an weiterführenden Bildungs– und Ausbildungsmaßnahmen, Verbesserung der Integration in die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland und Finden der eigenen Identität in der neuen gesellschaftlichen Umgebung. Herr Buß Auf Antrag bei Vorlie- Psychologischer Dienst gen der Voraussetzungen und max. 10 Teilnehmer Dienstags von bis Jeweils für 6 Monate 13:30 16:00 karten mit Bildern von einem Mitinhaftierten aus Oldenburg hinein genommen. In den nächsten Folgen werden sicherlich auch wieder selbst gemalte Bilder in einer Galerie zu sehen sein. Den Künstlern danken wir für ihre Bereitschaft, Ihre Werke den Lesern der Tr§tzdem vorzustellen. Große Unterstützung erhielten wir in Form von Geld– und Sachspendern und von vielen Verlagen, die uns mit etlichen wertvollen Rezensionsexemplaren versorgt haben. Die Bücher und Hörbücher sind wie immer auch in der Gefangenenbücherei erhältlich. UM Tr§tzdem 2007 Nr. 38 Das Angebot richtet sich in erster Linie an Gefangene, die aus dem russischen Sprachraum kommen. Durchgeführt wird es von 8 Ehrenamtlichen in unterschiedlicher Besetzung. Frau Barkemeyer Anmeldung mit VG 51 Sozialdienst Team 1 Mittwochs von bis 18:00 19:30 ZoG „Zukunft ohne Gewalt“ Kognitiv-behaviorales Behandlungsprogramm, geschlossene Gruppe mit 8 -10 Gefangenen über 15 Monate Frau Grenz Auf Antrag bei Psychologischer Dienst Vorliegen der VorHerr Schwindeler aussetzungen Sozialer Dienst, Team 2 Donnerstags i. d. R. 14-tägig Bei Bedarf wöchentlich von 17:15 bis 19:15 Beginn: 30.8.07 JVA intern Informationen & Veranstaltungen Gottesdienst Anonyme Alkoholiker Kirchengruppe „AA“ Gottesdienst in der Kapelle unabhängig von der Konfessionszugehörigkeit Frau Menz Herr Kisse Seelsorge Sonntags Anmeldung im Stationsbüro bis Donnerstag von 10:45 bis Gesprächsgruppe Herr Korn Sozialdienst Team 1 Montags 11:15 Gesprächsgruppe Anmeldung mit VG 51 von bis Frau Menz Seelsorge Anmeldung mit VG 51 17:45 1. und 3. von 16:30 19:15 Montag bis 18:00 Musikgruppe Spielegruppe Literaturgruppe Gemeinsames Musizieren Brett-, Karten-, Gesellschaftsspiele und mehr Gruppe für Literaturinteressierte Herr Wojtke Abteilungshelfer Team 1 Anmeldung mit VG 51 Frau Barkemeyer Anmeldung mit VG 51 Herr Kisse von 1. und 3. Seelsorge Anmeldung mit VG 51 Sozialdienst Team 1 Dienstags von 17:00 bis Dienstags 19:00 bis 16:45 18:15 Mittwoch von 16:30 bis 18:00 AnstaltsleiterSprechstunde Chor Orientierungsgruppe für Drogenabhängige Einzelgespräch Gospelchor der JVA Elf Sitzungen im Gruppenraum des Suchtberatungsdienstes (SBD) bei Station D3 mit Herrn Höpken von der Caritas in Sögel Herr Zech Vollzugsleitung Anmeldung mit VG 51 Frau Menz Seelsorge Anmeldung mit VG 51 Frau Schürmann Anmeldung mit VG 51 Suchberatungsdienst Mittwochs von 16:00 bis 17:00 Donnerstags von 16:30 bis 19:00 Tr§tzdem 2007 Nr. 38 Donnerstags von 16:30 bis 18:00 5 JVA intern Grußworte zum Weihnachtsfest und Jahreswechsel Grußwort des Anstaltleiters Gerd Koop zur Weihnachtsausgabe 2007 Sehr geehrte Damen und Herren, im siebten Betriebsjahr der neuen Anstalt an der Cloppenburger Straße, im fünften Jahr nach der Fusion mit der JVA Wilhelmshaven und im dritten Jahr nach der Angliederung der Abteilung Cuxhaven an Oldenburg sind nunmehr die wesentlichen baulichen Voraussetzungen für einen differenzierten Strafvollzug geschaffen worden. In Oldenburg gibt es 611 Haftplätze, verteilt auf die 6 Standorte Oldenburg, Hauptanstalt und Gerichtsstraße (geschlossener Vollzug), und Cuxhaven, Delmenhorst, Nordenham und Wilhelmshaven (offener Vollzug). Alle Anstalten und Abteilungen sind modernisiert und entsprechen den Anforderungen der menschenwürdigen Unterbringung und des Wohngruppenvollzuges. Die JVA Oldenburg ist bemüht, jedem einzelnen Gefangenen beim Aufbau einer Zukunftsperspektive behilflich zu sein. Leider ist dieser Weg gelegentlich dornig, wenn aufgrund der Haftlänge die Entlassung in weite Ferne gerückt ist. Wir haben aber die Erfahrung gemacht, dass diejenigen Gefangenen, die mitarbeitsbereit und veränderungswillig sind, über kurz oder lang ihre Ziele erreichen. Das wichtigste Ziel kann natürlich nur darin bestehen, keine Anstalt mehr von Innen sehen zu wollen, legal zu leben und sich an die Regeln des Zusammenlebens in einer Gesellschaft zu halten. Waren die Strafgefangenen in der Vergangenheit in der JVA Oldenburg dadurch benachteiligt, dass wir zu wenig Behandlungsangebote anbieten konnten, so hat sich dieses 2007 geändert. Besonders freuen wir uns darüber, dass im Bereich der beruflichen Qualifizierung der Einstieg in ein Maßnahmenbündel gelungen ist. Neben dem Computerführerschein bieten wir seit 2007 durch die Elementarkurse den Einstieg in schulische und berufliche Maßnahmen an. 2008 setzen wir diesen Weg fort. Wir gründen zum 01.01.2008 ei n „pädagogisches Zentrum“ in der Hauptanstalt. Hierfür haben wir einen engagierten und überaus qualifizierten Berufsschullehrer einstellen können. Oberlehrer Andreas Armbrecht hat am 1. November 2007 seinen Dienst aufgenommen und ist zukünftig verantwortlich für die Aus- und Weiterbildung der Gefangenen. 6 Stolz sind wir über die planmäßige Fertigstellung der neuen Tischlerei in der Hauptanstalt. In der rund 900 m² großen Halle arbeiten bis zu 15 Gefangene und können dort hoffentlich bald auch ausgebildet werden. In den Räumen der alten Tischlerei entstand ein weiterer Unternehmerbetrieb. Durch die neue Halle konnten über 50 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Zum 01.01.2008 nimmt unsere neue stationäre Fachabteilung zur Vorbereitung auf den Freigang und auf die Entlassung in der Abteilung Gerichtsstraße ihren Betrieb auf. Bis zu 14 Gefangene können, untergebracht in Einzelhafträumen, die Chance zur Vorbereitung auf den offenen Vollzug nutzen. Auch stehen Plätze für diejenigen bereit, die keine Chance mehr haben, in den offenen Vollzug verlegt zu werden, bei denen aber die Entlassung innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes ansteht. Wir wollen Hilfen zur Orientierung und zur Entlassungsvorbereitung geben. Eingebunden sind darin externe Einrichtungen wie die Agentur für Arbeit, die Bewährungshilfe, die Suchtberatung und natürlich die Anlaufstellen für Straffällige in unserer Region, um nur einige Partner zu nennen. Schon in Kürze werden wir das Behandlungsprogramm vorstellen und erklären, wie man auf die Station verlegt werden kann. In der Abteilung des offenen Vollzuges Wilhelmshaven startet zudem bald das Modellprojekt „Fit für die Zukunft“ zur durchgängigen Betreuung. Wir wollen mit dem Projekt die Entlassungsvorbereitung noch zielgerichteter gestalten und dabei natürlich externe Einrichtungen beteiligen. Im Januar beginnt dafür der Ausbau des Dachgeschosses, den wir als Freizeit-, Behandlungs- und Ausund Fortbildungszentrum ausbauen wollen. Näheres erfahren Sie demnächst über Gitternet-TV, in einer der nächsten Tr§tzdem-Ausgaben sowie durch das Vollzugspersonal. Nutzen Sie die Chancen, die Ihnen der Vollzug in Oldenburg bietet. Für spezielle Angebote helfen wir bei der Verlegung in eine JVA mit einem solchen. Natürlich sind alle Angebote, die Ihnen der Justizvollzug macht, davon abhängig, ob Sie diese tatsächlich nutzen wollen. Ohne Ihre Mitarbeit und die vorher bekundete Mitarbeitsbereitschaft können wir Sie nicht fördern. Verzweifeln Sie nicht, wenn Ihnen der Weg zu langevorkommt oder zu dornig ist. Sie haben ohnehin keine Alternative. Wenn Sie sich nicht verändern, werden Sie zwar spätestens zu Ihrem Strafende entlassen, Tr§tzdem 2007 Nr. 38 aber Sie haben dann Zeit verschwendet. Vielleicht führt die mangelnde Veränderungsbereitschaft zu neuen Straftaten und zur erneuten Inhaftierung. Das kann ernsthaft niemand von Ihnen wollen. Daher möchte ich Sie ermuntern, den schweren Weg der Veränderung zu gehen. In diesem Sinne wünschen wir Ihnen und Ihren Angehörigen im Namen der Justizvollzugsanstalt Oldenburg besinnliche Weihnachten und gute Ziele für das nächste Jahr. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Gerd Koop Anstaltsleiter Grußwort von Frau Justizministerin Heister-Neumann Sehr geehrte Leserinnen und Leser, in der Weihnachtszeit wird der Kontrast zwischen dem Leben innerhalb und dem Leben außerhalb der Gefängnismauern ohne Zweifel besonders deutlich. Weihnachten ist gerade die Zeit des Jahres, in der sich das Leben überwiegend innerhalb der Familien abspielt und die Angehörigen und Freunde näher zusammenrücken. Manch einer mag deshalb vorschnell urteilen, dass für Adventsstimmung und Weihnachtsfeierlichkeiten hinter Gittern kein Platz ist. Dies ist zum Glück nicht so. Jahr um Jahr rufen engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Vollzugsanstalten zu Adventsbasteleien auf, schmücken die Flure und Gemeinschaftsräume und thematisieren Aus dem Bildband „Innenw JVA intern Grußworte zum Weihnachtsfest und Jahreswechsel Weihnachten in den zahlreichen Gruppen künstlerisch, musikalisch oder im Wege persönlicher Diskussionen. Dies ist nicht nur für die landesweit in den Einrichtungen tätigen Seelsorger eine arbeitsintensive Zeit. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Justizvollzugsanstalten gilt für ihr Engagement und für die im gesamten letzten Jahr geleistete Arbeit mein besonderer Dank. Lassen Sie mich kurz auf ein wichtiges Ereignis in diesem Jahr zurückblicken – die Eröffnung der JVA Rosdorf: Ich bin erleichtert, dass der Neubau nach vielen Verzögerungen nun den Betrieb aufgenommen hat. Denn mit den 318 neuen Haftplätzen wird die jahrelange Überbelegung im niedersächsischen Justizvollzug weiter abgebaut und eine menschenwürdige Unterbringung gewährleistet. Dies trägt zu einer entspannteren Atmosphäre im Vollzugsalltag und damit auch zu besseren Arbeitsbedingungen für die Bediensteten im gesamten Land bei. Natürlich muss die JVA Rosdorf noch eine eigene Identität entwickeln. Manches ist noch im Aufbau und muss im Vollzugsalltag erst erprobt werden. Dies erfordert von allen Beteiligten ein hohes Maß an Idealismus, Einsatzbereitschaft und Geduld. Auch für die vielen Inhaftierten, die aus gut funktionierenden Anstalten in das neue Umfeld gekommen sind und sich neu orientieren mussten, ist dies kein leichtes Unterfangen. Doch ich bin überzeugt – es lohnt sich! Auch das Jahr 2008 wird Veränderungen für den Vollzugsalltag bringen: welten“ von Robert Geipel An erster Stelle durch das zum 01.01.2008 in Kraft tretende Niedersächsische Justizvollzugsgesetz. Erstmals werden der Jugendstrafvollzug und die Untersuchungshaft in der Bundesrepublik Deutschland umfassend auf eine gesetzliche Grundlage gestellt und mit den Bestimmungen über den Vollzug der Freiheitsstrafe und die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung in einem einheitlichen Werk geregelt. Die Handhabung des neuen Gesetzes wird allen, denen die bisherigen vollzuglichen Regelungen über viele Jahre vertraut waren, zunächst nicht leicht fallen. Damit die anfänglichen Unsicherheiten nicht lange anhalten, habe ich dafür Sorge getragen, dass in den nächsten Monaten umfangreiche Schulungen zur neuen Gesetzesmaterie angeboten werden. Angesichts ihrer guten Ausbildung und Praxiserfahrung werden sich alle Bediensteten schnell die nötige Befähigung aneignen. An dieser Stelle möchte ich den Befürchtungen deutlich entgegentreten, mit dem neuen Landesgesetz sei eine Verschärfung des Justizvollzuges in Niedersachsen bezweckt. Es ist allerdings richtig, dass die Inhaftierten mehr als bisher in die Verantwortung genommen werden, an ihrer persönlichen Entwicklung zu arbeiten und während der Inhaftierung günstige Voraussetzungen für ein straffreies und sozialadäquates Leben in Freiheit zu schaffen. Dies sind Sie sich selbst, aber auch der Gesellschaft schuldig. Es ist die vorrangige Aufgabe des Vollzuges, dabei zu unterstützen, die Möglichkeiten und Wege zu diesem Ziel aufzuzeigen und die Inhaftierten fortwährend zur ernsthaften Mitarbeit zu motivieren. Letztlich liegt es aber an dem Gefangenen selbst, die angebotenen Chancen auch zu ergreifen. „Gut durch den Vollzug kommen“ soll nicht der angepasste Gefangene, sondern der aktive, mitarbeitende. Nur dann sind die erheblichen Aufwendungen für die Behandlung wirtschaftlich und gegenüber der Öffentlichkeit vertretbar. Da insbesondere Arbeit und Ausbildung eine positive Auswirkung auf die soziale Integration der Gefangenen haben, wird die Beschäftigung durch das neue Gesetz stärker in den Mittelpunkt gerückt. Wie auch draußen soll sie den Tagesablauf maßgeblich bestimmen und gegenüber anderen Aktivitäten vorrangig sein. Auch wenn künftig der geschlossene Vollzug die Regelvollzugsform darstellt, werden weiterhin viele Gefangene Tr§tzdem 2007 Nr. 38 die Strafe in einer Einrichtung des offenen Vollzuges antreten oder einige Monate vor der Entlassung dorthin verlegt werden. Ich bin überzeugt, sehr geehrte Leserinnen und Leser, dass sich das neue Justizvollzugsgesetz in der Praxis bewähren wird. Ebenfalls zu Beginn des kommenden Jahres wird in der JVA Hannover der Startschuss für den Umbau der dortigen Einweisungsabteilung in ein Prognosezentrum fallen. Psychologen und Psychiater sollen dort zukünftig Gefangene, die wegen Sexualdelikten oder schwerer Gewaltstraftaten verurteilt wurden, zu Beginn des Vollzuges begutachten und Empfehlungen für die Vollzugsgestaltung aussprechen. Stehen zu einem späteren Zeitpunkt vollzugliche Entscheidungen, z. B. über die Gewährung von Vollzugslockerungen an, erfolgt eine erneute Eignungsprüfung. Die Prognosesicherheit wird auf diese Weise deutlich erhöht. Schließlich wird im Herbst 2008 voraussichtlich das Projekt JustuS zum Abschluss gebracht werden. Am Ende wird eine optimale Vernetzung des Vollzuges mit den ambulanten sozialen Diensten der Strafrechtspflege (Bewährungshilfe, Führungsaufsicht, Gerichtshilfe, Opferhilfe, AussteigerhilfeRechts) im Rahmen der Entlassungsvorbereitung erreicht sein. So kann den Veränderungen der Gesellschaft in den letzten 50 Jahren besser Rechnung getragen werden und die ambulanten sozialen Dienste der Strafrechtspflege können ihren wichtigen kriminalpolitischen Beitrag für die innere Sicherheit durch Aufsicht, Kontrolle und soziale Integration von Straffälligen auch zukünftig erfolgsversprechend leisten. Ich freue mich auf die Herausforderungen des kommenden Jahres und blicke mit Zuversicht nach vorn. Doch zunächst, sehr geehrte Leserinnen und Leser, genießen Sie die verbleibenden Tage des Jahres 2007. Ich wünsche Ihnen eine besinnliche Adventszeit, ein frohes Weihnachtsfest und für das Jahr 2008 in allen Lebensbereichen ausreichend Kraft, das nötige Quentchen Glück und viel Erfolg. Ihre (Elisabeth Heister-Neumann) 7 JVA intern Fragebogen für Beamte Name: Andreas Armbrecht Alter: 33 Jahre Im Dienst seit: 1. November 2007 Team: 9 Frage 1: Warum wählten Sie den Beruf des Vollzugsbeamten und wie ist Ihr beruflicher Hintergrund? Ich bin jetzt zwar in einer JVA tätig, gehöre aber nicht zu den Vollzugsbeamten; ich bin als Leiter des pädagogischen Dienstes eingestellt worden. Ich bin gelernter Kaufmann im Groß- und Außenhandel. Nach dem Zivildienst in der Jugendarbeit habe ich mich schon parallel während der Tätigkeit als Kaufmännischer Angestellter in einem Fernstudium zum Handelsfachwirt (IHK) weitergebildet. Anschließend habe ich ein Studium an der Universität Oldenburg mit den Fachrichtungen Wirtschaftswissenschaften und Sonderpädagogik absolviert. Mein Referendariat habe ich an der BBS (Berufbildende Schule) in Diepholz ableisten können. Durch eine Stellenausschreibung der JVA Oldenburg wurde ich auf mein jetziges Tätigkeitsfeld aufmerksam. Ich sah darin die spannende Möglichkeit, verschiedene umfassende Aufgaben übernehmen zu können. Frage 2: Wie beurteilen Sie den Vollzug in Oldenburg im Gegensatz zu anderen Anstalten? Da ich bisher in keiner anderen JVA tätig war, fehlen mit Vergleiche. Nachdem ich hier für einige Tage in der JVA in Oldenburg hospitieren konnte, habe ich die hiesige Stelle gerne angenommen. Frage 3: Falls Sie die Frage beantworten möchten: Haben Sie Familie? Was haben Sie für Hobbys, was machen Sie in Ihrer Freizeit? Ich bin ledig und verbringe meine Freizeit gerne mit Sport, Literatur oder auch mal mit einem Kinobesuch. Frage 4: Können Sie das Private vom Beruf trennen? Ja, das habe ich schon während meiner Arbeit im Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) und in diversen Projekten bei verschiedenen Bildungsträgern gelernt. Dabei habe ich mit Jugendlichen aus benachteiligten Familien, die zum Teil vorbestraft waren oder mit Drogenproblemen zu tun hatten, gearbeitet. Frage 5: Wie beurteilt Ihr privates Umfeld (Familie und Freundeskreis) ihre Arbeit in der JVA? Noch erzeugt es natürlich Verwunderung und es wird viel kritisch nachgefragt. Man muss das Umfeld noch oft aufklären, denn das in der Öffentlichkeit gezeichnete Bild von einem Gefängnis und seinen Gefangenen entspricht ja leider sehr oft nicht der Realität. Mir wird schon mal die Frage gestellt: „Bist Du sicher?“. Ich kann dann natürlich beruhigende Antworten geben. Frage 6: Wo sehen Sie Kritikpunkte und/oder auch Lob am Verhalten der Inhaftierten hier in der JVA? Noch ist es zu früh, um sich eine Meinung zu bilden. Bisher bin ich aber von den Mitarbeitern und Inhaftierten sehr freundlich aufgenommen worden. Frage 7: Was würden Sie am Strafvollzug ändern, wenn Sie die Möglichkeiten dazu hätten bzw. welche Möglichkeiten haben Sie, auf den Vollzug einzuwirken? Noch habe ich dazu keine abschließenden Vorstellungen. Ich muss auch noch herausfinden, welche Freiräume sich für meine Tätigkeit eröffnen. Sehr positiv sehe ich, dass jetzt wohl schon in Kürze auch ein Hauptschulabschluss in der JVA Oldenburg durch die Zusammenarbeit mit dem Bildungsträger „Fachwerk“ und der Hauptschule Alexanderstraße möglich wird. Dort werden wir von dem Leiter der Hauptschule und dem Prüfungsvorsitzenden, Herrn Schulleiter Schläfke, in unserer Arbeit stark unterstützt. Da nach dem neuen niedersächsischen Justizvollzugsgesetz Arbeit, Bildung und Ausbildung einen zentralen Stellenwert für die Resozialisierung haben sollen, bin ich mir sicher, dass das nicht das einzige Projekt bleiben wird. 8 Tr§tzdem 2007 Nr. 38 JVA intern Fragebogen für Gefangene Name: Alter: In Haft seit: Station: Candido A. Bila 37 Jahre 3.3.2007 C3 Frage 1: Wie kommst Du mit Deiner Situation hier in der Haft zurecht? Mit meiner Situation in der Haft komme ich einigermaßen klar zurecht. Da ich noch bleiben muss, ist es nicht einfach, jeden Tag zu meistern und ändern kann ich auch nichts: Ich vermisse sehr meinen Sohn und meine besten Freunde. Frage 2: Wie findest Du den Vollzug hier, auch im Vergleich zu anderen Anstalten? Ich finde den Vollzug hier in Ordnung - sauber, länger geöffnete Türen. Allerdings kann ich keinen Vergleich mit anderen Anstalten ziehen, da ich bisher in keiner anderen Anstalt war. Frage 3: Wie verbringst Du Deine Zeit hier? (Arbeit, Freizeit, Hobbys) Ich verbringe meine Zeit hier hauptsächlich bei der Arbeit. Nach der Arbeit treibe ich gern Sport, am liebsten Fußball. Das ist zusammen mit dem Lesen und dem Kartenspielen der beste Platz für mich, damit der Tag relativ schnell vergeht, denn es lenkt ein bisschen ab von der Situation, in der ich mich befinde. Frage 4: Wie zufrieden bist Du mit Deiner Station? Mit meiner Station bin ich zufrieden. Die meisten der Beamten sind in Ordnung und hilfsbereit und die Mitinhaftierten finde ich auch sehr gut. Frage 5: Wie ist Dein Verhältnis zu Deinen Mitinhaftierten? Mein Verhältnis zu den Mitinhaftierten ist sehr gut und wir kommen miteinander gut klar; wir unterhalten uns viel über unsere Situation, über Familien, Politik, Sport, Musik, Kartenspiel, und ab und zu wird am Kicker gespielt. Es gibt keine Diskriminierung. Frage 6: Bist Du mit den Sport- und Freizeitangeboten zufrieden, hast Du Verbesserungsvorschläge? Mit dem Sport bin ich zufrieden und die Sportbeamten sind sehr gut. Sie gehen sehr gut mit uns um, und das Freizeitangebot finde ich auch in Ordnung, ich habe keine Verbesserungsvorschläge. Frage 7: Hast Du Anregungen und/oder Kritik hier am Haftalltag? Mich stört, wenn jemand zum Beispiel die Küche nicht sauber macht und dann die ganze Station durch Nutzungssperren bestraft wird. Frage 8: Hast Du Kontakt nach draußen, bekommst Du Besuch? Ich habe bis heute noch keinen Kontakt nach draußen und ich bin schon sieben Monate hier. Ich habe noch keine Genehmigung, privat mit meinem Sohn oder meinen besten Freunden zu telefonieren; bis heute habe ich noch keine richterliche Genehmigung bekommen. Auch mit dem Besuch meiner zwei besten Freunde hat es erst nach sechs Monaten geklappt. Ich bin ihnen sehr dankbar, dass sie mich gerne besuchen wollen. Leider wohnen sie über 300 Kilometer entfernt und haben durch ihre Arbeit nur eingeschränkte Möglichkeiten, mich zu besuchen. Frage 9: Hat Dir die Zeit im Knast bisher etwas gebracht? Ich denke viel über meine Fehler nach und natürlich über mein Leben, wie ich es nach meiner Entlassung verbessern werde, damit ein ähnlicher Fehler nie wieder passiert. Dafür werde ich sorgen. Der Knast ist nicht der angenehmste Ort zu leben. Frage 10: Was wirst Du nach Deiner Haftentlassung machen? Nach meiner Haftentlassung möchte ich so schnell wie möglich Arbeit finden und ein normales Leben weiterführen. Tr§tzdem 2007 Nr. 38 9 JVA intern Rauchst Du etwa noch? ‚Ich tu so gerne rauchen, lange noch, Gott geb’s, den Rauch in die Lunge tauchen, das freut den kleinen Krebs.’ Dieser Spruch fiel mir ein, als ich Ende August vom ministeriellen Erlass eines Rauchverbotes in der JVA hörte und ich mich daran erinnerte, dass nach einigen Abwehrkämpfen die zuständigen Ministeriumsstellen in den Schulen die Einrichtung von Raucherzimmern genehmigten. Der Zeitgeist hatte in den 70er Jahren dafür gesorgt, dass das Recht auch junger Menschen auf das Rauchen zu den wichtigen persönlichen Freiheiten zu zählen hatte. Auch das Rauchen in der Öffentlichkeit war nicht mehr verpönt, wenngleich man immer noch verwundert auf weibliche Raucher schaute. Dass Rauchen nicht gesund war, wusste man schon damals; aber die Werbung versprach dem Konsumenten Glücksgefühle, wie man sie ähnlich bei den über die Prärie reitenden Cowboys wähnte, oder der Duft der großen weiten Welt sollte einem in die Nase ziehen . Inzwischen ist aus der Glücksverheißung ein Kampf gegen die gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch das Rauchen geworden. Die knappen Kassen bei den Krankenversicherungen mö- gen ihren Beitrag auch dazu geleistet haben. Jedenfalls hat sich die Politik dazu durchgerungen, nicht nur mit fiskalischen Sanktionen aufzuwarten, sondern harte Verbote auszusprechen. Dass davon eine JVA nicht unberührt sein kann, ist selbstverständlich. Dennoch fällt es den Betroffenen sicherlich schwer, ihre Gewohnheiten aufzugeben. So war es nicht verwunderlich, dass nicht nur die Bediensteten murrten, als man sie zum Rauchen vor die Tür schickte, sondern auch die Gefangenen reagierten mit Enthaltsamkeit bei der Arbeitspräsenz und sahen sich zusätzlich einer ihrer kleinen verbliebenen Freiheiten beraubt. Als sich auch noch nach dem zweiten Tag des Rauchverbots die Werkstätten nicht wieder mit den dringend benötigten Facharbeitern füllten, kam die beruhigende Nachricht aus Hannover, dass das Rauchen in den Werkstätten nun doch wieder erlaubt sei. Es gab ein Aufatmen bei Gefangenen und Bediensteten. Wie kam es nur, dass mir wieder ein Spruch in den Kopf kam: Gott schütze mich vor denen, die mir Gutes tun wollen! UM Die GIV informiert Moin, moin, aufgrund dessen, dass wir nächsten Monat ein evtl. aussagekräftiges Treffen haben und derzeit keine positiven Meldungen vermitteln können, möchten wir den – hoffentlich – aussagekräftigen Rechenschaftsbericht in der nächsten Ausgabe der Tr§tzdem veröffentlichen. Wir bitten um Verständnis. Auf bald. Die GIV Humor Die Lehrerin fragt die Klasse im Biologieunterricht: „Kinder, wisst ihr, welcher Vogel keine Nester baut?“ Sebastian meldet sich eifrig und antwortet stolz: „Der Kuckuck, Frau Meyer, denn der wohnt in der Uhr.“ 10 Tr§tzdem 2007 Nr. 38 Aids-Hilfe Bericht über den Besuch der Aidshilfe Oldenburg in der JVA Oldenburg, Abt. Gerichtsstraße Heute (11.10.07) war es wieder mal so weit; wir hatten Besuch von „draußen“. Eine Mitarbeiterin der Aidshilfe war bei uns zu Besuch und sie hatte viel Neues zu berichten. Ich habe mir gedacht, dass euch auch Einiges davon interessieren könnte. Als Erstes möchte ich euch mitteilen, dass es in diesem Jahr wieder einen Gedenktag für verstorbene Drogengebraucher/innen in Oldenburg gab. Am 20.7.2007 war ein Stand in der Innenstadt aufgebaut, an dem es reichlich Info-Material gab; um 12:00 Uhr gab es eine Gedenkminute. Im letzten Jahr gab es in Oldenburg offiziell nur einen Drogentoten. Die Zahl der Drogenkonsumenten sei aber deutlich gestiegen, so Doris Eggers von der Aids-Hilfe Oldenburg, die diese Info auf Aussagen von Streetworkern der Diakonie und der Drogenberatung stützte. Die Aids-Hilfe Oldenburg hat im Jahr 2006 fast das Doppelte an sterilen Spritzen an Drogenkonsumenten ausgegeben als im Jahr zuvor. Als Zweites gibt es etwas Neues über Cannabis zu berichten. Eine Mitteilung am 21.8.2007 überraschte mich doch sehr. Darin heißt es vom Leiter der Bundesopiumstelle, Herrn Lütz, Bonn/ München: Erstmals kann in Deutschland eine Patientin mit MS (Multiple Sklerose) legal in der Apotheke Cannabis beziehen. Die Frau ist seit 14 Jahren krank, und nun darf sie endlich ihr Cannabis legal beziehen, da es keine anderen Mittel gibt, die ihr helfen. Das Programm ist an Auflagen geknüpft; so muss ein Arzt sie begleiten. Es handelt sich hierbei um eine Ausnahme und ist auf ein Jahr beschränkt, kann aber bei positivem Verlauf der Therapie verlängert werden. Es liegen zurzeit ca. 50 vergleichbare Anträge vor. Für mich persönlich ist das ein Schritt in die richtige Richtung, und ich kann nur hoffen, dass die Politiker, die darüber entscheiden, endlich einsehen, dass man Cannabisbenutzer nicht länger in die kriminelle Ecke stecken darf. Als Drittes gibt es eine Pressemitteilung des Bundesministeriums für Gesundheit vom 21.9.2007. Ich halte diese Mitteilung für sehr wichtig und möchte euch bitten, diese als Ganzes zu veröffentlichen. Manfred Viebahn Die Veröffentlichung ist auf Seite 19 zu finden! JVA intern Der Pendler Fortsetzung aus der Ausgabe Nr. 37 September 2007 Erfahrungsbericht von Rainer Rethmann (JVA Celle) Besuchsverlegung vom 14. März – 20. März 2007: Rainer Rethmann ist am 14. März 2007 in Celle gestartet und über die JVA Salinenmoor in der JVA Hannover angekommen, hat dort genächtigt und ist um 4:30 aufgestanden, um seinen Weg nach Oldenburg fortzusetzen. Er sitzt im Transportbus… Nun setzt sich der Dreamliner in Bewegung. Die erste Station auf dem Weg ist die JVA HannoverLangenhagen, wo sich die Abschiebehaft befindet. Rechts der Zufahrtsstraße zum Knast befindet sich der Beginn einer Startbahn des Langenhagener Flughafens, wo gerade eine B 737 zum Start ansetzt und mit hoher Geschwindigkeit im Morgennebel verschwindet. Ein Learjet steht bereits in Warteposition. Weite, Freiheit zum Greifen nahe und doch unerreichbar. Es hat schon einen perversen Beigeschmack, dass den Inhaftierten dieses Bild tagtäglich geboten wird. Der Bus wartet einige Zeit in der Schleuse, Papiere werden übergeben und dann fährt er zum Eingang des ersten Hauses. Zwei neue Passagiere steigen ein. Und weiter geht die Fahrt. Es ist noch dämmrig. Ich versuche, ein wenig zu schlafen, aber es bleibt beim Versuch. Ich schaue aus dem schmalen Fenster nach draußen, sehe die Landschaft vorbeiziehen. Eine visuelle Abwechslung gegenüber dem sonst täglich gleichen Bild in der JVA Celle. Man kann in die Ferne sehen anstatt in den Freistundenhof. Als zweite Station steht die JVA Verden auf dem Programm, ein altes Gemäuer mitten in der Stadt. Auf dem Weg dorthin passieren wir u. a. das Wohnhaus des Scharfrichters von Verden, der dort von 1530 – 1750 seine Dienstwohnung hatte. Das Gebäude wird offensichtlich mit viel Liebe und Hingabe gepflegt. Es erfordert jedes Mal einiges fahrerisches Können, den langen Bus auf den Hof der JVA zu manövrieren. Nach einer Weile werden Pakete ausgeladen, und für drei Mann ist Verden die vorläu- fige Endstation. Und schon geht es weiter. Die dritte Station ist die JVA Bremen. Der Weg dorthin nach dem Verlassen der Autobahn führt durch einen pulsierenden Stadtteil, der mir jedes Mal aufs Neue lang vermisste Eindrücke vermittelt. Lebendige Straßen, Ladenzeilen, Straßenbahnen, Menschen, die ihrem Ziel zueilen, eigentlich alles alltägliche Eindrücke, die aber für mich einen außergewöhnlichen Charakter haben und Sehnsüchte wecken nach dem Leben „draußen“ wie Stunden vorher das startende Flugzeug. ERLEBNISREISEN MIT HEISTERNEUMANNTRAVEL-TOURS Über die engen Straßen eines Wohngebietes bahnt sich unser Reisebus seinen Weg zur JVA Bremen, deren zentrales Gebäude wie eine Kathedrale wirkt und weithin sichtbar ist. Der Vergleich mag dem Einen oder Anderen nicht angemessen erscheinen, doch verfolgen Kirche und Strafvollzug bei der Bekehrung der Sünder gleiche Ziele, nur die Mittel und Wege haben sich seit dem Mittelalter in unterschiedliche Richtungen entwickelt. Wir fahren auf das Gelände der JVA Bremen. Rechter Hand befindet sich ein separates, kleineres Gebäude, „Revision/Transport“ steht in großen Lettern an der Wand zu lesen. Der Transportbus hält vor dem Gebäude. Nachdem einige Gepäckstücke ausgeladen worden sind, werden die Kabinentüren geöffnet. Wir steigen aus und gehen über eine metallene Behelfstreppe ins Transporterhaus, wo man uns den Weg in eine größere Wartezelle weist. Diese ist leidlich sauber und hat eine abgetrennte Toilette. Die Frischluftzufuhr ist eher dürftig geregelt: Es lässt sich lediglich ein Fenster in der Größe eines DINA4-Blattes öffnen. Da sich in diesem Raum fast immer etwa 15 - 25 Personen befinden, von denen die meisten rauchen, ist das fast eine Null-Lösung. Heute ist es kalt. Die Heizung verdient ihren Namen nicht. Ein großer Tr§tzdem 2007 Nr. 38 Blonder mit Stoppelhaarschnitt, Basecap und Malerhose – er wurde scheinbar direkt von der Arbeit weg verhaftet – sitzt neben mir und bibbert vor sich hin. „Hast Du einen Wasserkocher?“ fragt er mich. „Ich brauche etwas Warmes zu trinken.“ – „Ja, den habe ich wohl.“ Allerdings muss ich sein aufkommendes Lächeln gleich wieder im Keim ersticken. „Nur eine Steckdose wirst Du hier vergeblich suchen“, erkläre ich ihm in Kenntnis der Örtlichkeit. „Waaas?!? Das glaube ich jetzt doch nicht!“ Die Enttäuschung, die sich in seinem Gesicht widerspiegelt, spricht Bände. Die trotzdem einsetzende hektische Suche, in der Hoffnung geboren, ich könne mich ja doch irren oder ich hätte ihn veralbert, bringt natürlich keinen Erfolg. Wir werden etwa 3 Stunden warten müssen, bis es nach Oldenburg weitergeht. Ich beginne also zu meinem Zeitvertreib in den mitgenommenen Zeitungen zu lesen. Die Zeit schleicht vor sich hin. Um mich herum die Gespräche mit den üblichen Knastthemen, die ich im Laufe der Zeit in unzähligen Varianten gehört habe und die mir mittlerweile sehr zum Halse heraushängen. Der eine oder andere fragt nach Tabak. Da ich Zigarren rauche, werde ich in der Regel nicht „geschädigt“. Nach einer guten Stunde bekommen wir Tee und heißes Wasser für Kaffee angeboten. Es vergeht eine weitere Stunde, bis wir das Mittagessen bekommen. Wie immer gibt es Eintopf, der dieses Mal subjektiv ganz gut geraten ist, und ein Brötchen. Nach und nach werden ein paar weitere Reisende hereingeführt. Gegen 12:30 Uhr wird die Tür wieder geöffnet. „So, meine Herren, es geht los!“ Jeder greift nach seiner Reisetasche, Rucksack oder Aldi-Tüte. Alle versammeln sich draußen vor dem Bus. Der Reiseleiter aus Oldenburg sagt seinen bekannten Spruch auf und ruft jeden einzeln auf. Ich sitze dieses Mal zu dritt in einer 4erKabine. Na ja. Das geht so. Dann setzt sich der Dreamliner wieder in Bewegung. Oldenburg wird nicht direkt angefahren; das erste Ziel ist Vechta. Dort gibt es zwei Stationen: Das Frauengefängnis und die Jugendstrafanstalt. Der Frauenknast befindet sich direkt gegenüber vom Marienhospital und erfüllt ähnliche optische Voraussetzungen wie die Bremer JVA. Hier ist Fortsetzung auf Seite 12 11 JVA intern Fortsetzung von Seite 11 der Aufenthalt nur kurz. Zwei Frauen steigen aus. Und schon geht es weiter. Einige Minuten später erreichen wir den Jugendknast. Dieser befindet sich in Sichtweite des großen Gymnasiums Antonianum. Zufall oder Absicht? „Honi soit qui mal y pense!“ Hier dauert es etwas länger. 5 oder 6 Mann haben hier ihr Ziel erreicht, drei neue steigen ein, es sind vermutlich Patienten für den Oldenburger Zahnarzt. Da es in Vechta offensichtlich keinen akzeptablen Zahnarzt gibt, der Knackis behandelt, werden behandlungsbedürftige Gefangene bei Bedarf nach Oldenburg transportiert. Etwa um 14:15 Uhr setzt sich unser Reisebus wieder in Bewegung Richtung Oldenburg, und wir erreichen gegen 15:00 Uhr unser Ziel, die JVA Oldenburg an der Cloppenburger Str. 400. Von der Straße aus ist von der JVA im Wesentlichen die imposante, rot verklinkerte Mauer zu sehen. Gute 10 Minuten wartet der Bus in der Einfahrtsschleuse. Dann fährt er weiter und gelangt zum Zielpunkt, der Ausstiegsschleuse, in die der Bus einfährt wie in eine überdimensionale Garage. Das Rolltor schließt sich und nach kurzem Warten werden die Kabinen nach und nach geöffnet und alle steigen aus. Draußen wartet das Empfangskomitee. Es geht in die 1. Etage. Wir stellen unsere Taschen ab und werden zu einem Warteraum gewiesen. Wieder heißt es: warten. Es vergehen etwa 10 bis 15 Minuten und wir werden in 3er-Gruppen zum Durchsuchungsraum gerufen. Die Kontrolle in Oldenburg ist immer besonders gründlich. Warum habe ich nur das Gefühl, dass die eine JVA den Fähigkeiten der anderen misstraut? Ich nehme es gelassen hin. Ändern kann ich es eh nicht. Nach erfolgter Durchsuchung geht es in den Nebenraum, wo wieder gewartet werden muss, bis alle 14 Gefangenen, die mit diesem Transport angekommen sind, die Prozedur durchlaufen haben. 12 Endlich ruft man uns nach und nach auf und weist uns Hafträume zu. Meine Frage, ob ich noch duschen könne, wird von dem Dienst habenden Beamten bejaht. Was natürlich gleich positiv von mir „vermerkt“ wird. Es gibt eben auch Beamte, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten nett sind und somit sehr zu einem entspannten Klima gerade auf einer Transportstation beitragen können, was Gott weiß nicht immer leicht ist. Gegen 17:00 Uhr, nachdem ich geduscht, das Bett bezogen und mein Abendbrot gegessen habe, begebe ich mich erst einmal in die Horizontale. Es macht sich bemerkbar, dass ich seit 4:30 Uhr auf den Beinen bin. Somit habe ich dann den ersten Teil des Weges hinter mich gebracht, und ich kann in freudiger Erwartung den Besuchen hauptsächlich meiner Eltern sowie Geschwister und Freunden am nächsten Tag entgegen sehen. Auf die Zeit bis Montagmorgen will ich hier nicht so en détail eingehen, denn damit würde ich den Rahmen der Transportbeschreibung sicherlich sprengen. So halte ich es etwas allgemeiner: Die Unterbringung in Oldenburg ist auf einem für Knastverhältnisse hohen Standard. Es ist ordentlich und sehr sauber, die Hafträume verfügen über eine abgetrennte Toilette und im Regelfall über einen Fernseher. Wenn notwendig, wird auch ein Wasserkocher gestellt. Ein besonderes Lob möchte ich bei dieser Gelegenheit der Küchenmannschaft aussprechen: Die Qualität der Verpflegung, insbesondere des Mittagessens, ist in den letzten 2 Jahren auf gleich bleibend hohem Niveau und sucht so Tr§tzdem 2007 Nr. 38 seinesgleichen innerhalb der JVAen. Auch das Abendbrot weicht in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen von dem üblichen Brot/Wurst/KäseSchema ab. So gibt es immer gute Salate o. ä. Einziger Kritikpunkt und Wermutstropfen ist das Frühstück, welches mit Ausnahme des Sonntags äußerst dürftig ist und den viel strapazierten hohlen Zahn kaum zu füllen vermag: 2 Scheiben Weißbrot, ein Klecks Marmelade, eine Scheibe Wurst oder Käse. Das Frühstück, welches die Transporter morgens bekommen, ist noch eine Spur karger. Gerade für die Transportstation, wo der Großteil der Gefangenen keinen Einkauf hat und sich auch nicht über die Maßen mit Lebensmittel versorgen kann, wäre da ein wohlwollendes Überdenken angebracht. Von den Besuchen am Freitagnachmittag abgesehen, die naturgemäß emotionsgeladen sind und natürlich ebenso der Psyche gut tun, verlaufen meine Tage auf der Station A 2 recht unspektakulär. Ich bin immer ganz froh, wenn sich ein nach meinen Maßstäben vernünftiger Gesprächspartner findet, weil das ja etwas Abwechslung bringt. Leider ist das nicht immer der Fall, aber dieses Mal habe ich Glück. So ist das Wochenende einigermaßen kurzweilig. Auch befinden sich dieses Mal nicht irgendwelche Vollidioten auf der Station, die den Irrglauben mitbringen, sich beweisen oder sonst wie profilieren zu müssen. So herrscht insgesamt eine angenehme Ruhe, was oft leider nicht der Fall ist. Lediglich ein paar Youngsters bewegen sich, nachdem sie gehört haben, ich käme aus der Trift, mit einer Mischung aus Ehrfurcht, Respekt und Neugierde auf mich zu. Denn in der Trift sind ja nur die ganz harten Jungs, die erst zuschlagen und dann fragen. Ich versuche dann immer, so gut es geht, diesen Vorstellungen die Basis zu entziehen, denn die Realität sieht doch erheblich anders aus. Eine Mischung aus Altenheim und Psychiatrie, das passt doch etwas besser. Rainer Rethmann Fortsetzung in der Ausgabe Nr. 39 Mai 2008 Spruch Wer sich verschließen gelernt hat, dem tut es doppelt (so) wohl, wenn er sich aufschließen kann. Die Geduld ist der Schlüssel zur Freiheit! JVA intern Gefangenenzeitungen In der Zeitung „der lichtblick“ der JVA Berlin-Tegel, Ausgabe 4/2007 war Interessantes zu lesen. Die Kollegen aus Tegel hatten sich der Mühe unterzogen, die Ihnen zur Verfügung stehenden 44 Gefangenenzeitungen einer Bewertung zu unterziehen. Zwar sind damit nicht alle Zeitungen erfasst, denn wenn man die Titel mit denjenigen der Dokumentenstelle Gefangenenliteratur vergleicht, wären noch 22 weitere hinzuzunehmen. Dennoch dürfte es sich um ein repräsentatives Bild der existierenden Zeitungen handeln. Redaktionsmitglieder nicht darauf verzichtet hätten, gehört auch die „Tr§tzdem“ mit ihren 4 Sternen neben 2 weiteren Zeitungen dieser Bewertung zu der mit „überdurchschnittlich, gut“ bedachten Spitzengruppe der Gefangenenzeitungen. Bemerkenswert ist auch noch, dass die Tr§tzdem mit 76 Seiten deutlich über dem Durchschnitt aller Zeitungen (51 Seiten) und auch über dem der Spitzengruppe (58 Seiten) liegt. Zur positiven Qualitätsanmutung hat sicherlich auch die Verwendung von Farbseiten (zum Teil über das ganze Heft) beigetragen. tenden Tür entgegen, um den bedrohlichen Rufen der (Zeit-) Räuber zu entkommen. Zudem hat er sich schon eine kleine Tarnkappe zugelegt: Er hat seine Silhouette schon so geformt, dass er kaum noch als gut ernährtes menschliches Wesen zu erkennen ist. Das ist ihm anscheinend durch ausdauernde selbstkasteiende Leibesübungen sportlicher Art im Kreise von willigen Jüngern gelungen. Stolzes Ergebnis: ****! In einer Tabelle wurden Name der Gefangenenzeitung, Gefängnisort, Anschrift, Bundesland, Herausgeber, Zensur, Satz + Druck, Auflage, Format, Seitenzahl, Cover, Innenseiten, Erscheinungsweise, Qualität – Layout / Bewertung und Besonderheit angegeben. Obwohl die einzelnen Bewertungskriterien nicht ausdrück- Hoffentlich hat die metamorphosisch zu „Keine Zeit“ gewordene Person noch irgendwo einen Zaubertrunk in seinem Trainingsanzug verwahrt, der ihn beizeiten zu jemandem macht, der wieder Zeit hat. UM Witze Auf die Anerkennung der Arbeit der Tr§tzdem-Redaktion darf die JVA Tr§tzdem Oldenburg insgesamt stolz sein, denn zum Gelingen einer Gefangenenzeitung gehören neben den Redakteuren sicherlich auch die vielen Autoren, die unterstützenden Bediensteten und die Anstaltsleitung. UM Fragt der Zöllner an der Grenze: „Haben Sie was zu verzollen?“ – Nein.“ – „Und was haben Sie da in der Flasche unter Ihrem Arm?“ – „Wunderwasser, wissen Sie, ich komme gerade aus Lourdes.“ Der Zöllner entkorkt die Flasche, riecht daran und meint: „Aber das ist doch Cognac?!“ – „Das ist ja ein Wunder – schon wieder ein Wunder!“ _______________________________________ „Warum hat Ihr Sohn die U-BootEinheit wieder verlassen?“ „Ganz einfach: Er kann nur bei geöffnetem Fenster schlafen.“ Der Zeitgeist lich genannt sind, sind die Ergebnisse der Sternevergabe nachzuempfinden. Der allgemeine Qualitätseindruck dürfte ausschlaggebend gewesen sein. Maximal konnten 5 Sterne erreicht werden. In dem vorliegenden Ranking wurden für die Tr§tzdem 4 Sterne vergeben. Da wir davon ausgehen, dass neben den von der Lichtblick-Redaktion gekürten Zeitungen „blickpunkt“ der JVA Fuhlsbüttel und der „Posaune“ der JVA Geldern auch „der lichtblick“ 5 Sterne verdient hätte, wenn die bewertenden Lösungen der Aufgaben von Seite 57 „Keine Zeit“ Habt ihr ihn auch schon über die Flure huschen sehen? Der, der nicht nur dann, wenn man ihn anspricht, ausruft: „Keine Zeit!“, sondern der schon beim Näherkommen einem das „Keine Zeit“ entgegenschleudert. Es muss wohl etwas dran sein, an diesem „Keine Zeit“, denn die Person, die den Ausruf wie ein Florett zu benutzen weiß, strebt beim Gang über die Flure seit einiger Zeit mit großen Schritten der jeweils nächsten retTr§tzdem 2007 Nr. 38 Sudoku: 13 JVA intern Ministerieller Segen Justizministerin Elisabeth HeisterNeumann weiht neue Tischlerei in der JVA Oldenburg ein. Zahlreiche Gäste aus Politik, Wirtschaft, Handwerk, Kunden der Arbeitsbetriebe und Vertreter von Behörden konnte Anstaltsleiter Gerd Koop am 22. Oktober 2007 bei der Einweihung der neuen hat die Tischlerei ein Umsatzvolumen von 750.000 €. Der Leiter der Arbeitsverwaltung, Thomas Eckbauer, geht von einer Verdoppelung des Umsatzes in den nächsten 5 Jahren aus. Justizministerin Elisabeth HeisterNeumann freute sich besonders über den Abschluss dieses Bauprojekts. Sie weiß, welche enormen Anstrengungen zur Bereitstellung von Arbeitsplätzen für Häftlinge unternommen werden muss- Feierliche Einweihung durch Ministerin Tischlerei in der JVA Oldenburg begrüßen. Mit dem Abschluss der jetzigen Baumaßnahme konnten in Zusammenarbeit mit dem Staatlichen Baumanagement Ems-Weser ca. 50 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Notwendig wurde das Projekt, nachdem die JVA Oldenburg aufgrund von Zuständigkeitsveränderungen immer mehr Strafgefangene aufnehmen musste, die zur Arbeit verpflichtet sind. 450 der insgesamt 611 in Oldenburg und den dazugehörigen Vollzugsabteilungen in der Gerichtsstraße, Delmenhorst, Nordenham, Cuxhaven und Wilhelmshaven einsitzenden Gefangenen sind in Strafhaft, davon mehr als 200 im offenen Vollzug. Die neue Werkhalle wird als Tischlerei genutzt. 15 bis 20 Gefangene finden hier Arbeit in einem hochtechnologisch ausgestatteten Fachbetrieb. Produziert wird alles zum Thema Holz, vorwiegend Büromöbel für Kunden aus dem Bereich des Justizvollzuges und der allgemeinen Justiz. Aber auch als Kooperationspartner für die heimische Wirtschaft gewinnt die Tischlerei, wie auch die übrigen Betriebe der JVA Oldenburg, an Bedeutung. Schon fertigt die Tischlerei als Zulieferer für Holzbetriebe aus dem Umland von Oldenburg Möbel und Möbelteile und hilft damit den Unternehmen, auch größere Aufträge in Eigenregie abwickeln zu können. Gegenwärtig 14 ten, um den heutigen die aktuelle Beschäftigungsquote bei gut Stand zu erreichen. 76 %. Neben der Tischlerei und der „Aber schließlich Schlosserei gibt es mehrere Unterwollen wir die nach nehmerbetriebe, die nach dem zertifizierdem Strafvollzugsgeten Qualitätsmanagementsystem DIN setz und auch nach ISO EN 9000:2002 arbeiten. Insgesamt dem Entwurf des sind in der JVA Oldenburg über 420 GeNiedersächsischen fangene in Arbeit. Diese erwirtschafteten Justizvollzugsgeset2006 einen Gesamtumsatz von 2,8 Millizes bestehende Pflicht der Gefangenen onen € (3,1 Millionen € werden für 2007 zur Arbeit auch umsetzen“, so die Justizerwartet). Die Anstalt liegt damit wieder ministerin in ihrer Ansprache. Ministerin an der Spitze aller Nds. JustizvollHeister-Neumann weiter: „Wir wollen, JVA zugseinrichtungen. dass 75 % aller Gefangenen eine BeschäftiDie etwas andere Rede gung haben, sei es Der Bau ist nun vollendet, durch Arbeit oder durch viele schöne Worte wurden bei der Einweihungsfeier verwendet. Maßnahmen der schuliÜber Lob wurde mehr gesprochen als über den Preis, schen und beruflichen weil die Kosten mehr wurden, wie jeder weiß. Aus- und Fortbildung. Alles ist dann schnell vergessen, Dabei gehen wir davon auch die Kröten der Bauzeit hat man ja schnell gegessen. aus, dass die verbleiNicht alles konnte perfekt gelingen, benden 25 % der Ge- darüber könnte jeder einzelne Redner sein eigenes Liedchen singen. fangenen z. B. aufgrund Meister und Tischler haben frühzeitig den Neubau in Beschlag von Alter oder Erkrangenommen, kung nicht arbeitsfähig und so manche Baumängel wahrgenommen sind.“ Dieses Ziel ist Der Anstaltsleiter Herr Koop war in seiner Ansprache trotzdem sehr nun erreicht, was die stolz landesweiten Zahlen und raspelte das entsprechende Süßholz. eindrucksvoll belegen. Frau Heister-Neumann hat diese Worte sehr wohl angenommen Die Beschäftigungsquound war sich sicher, te von 49 % im Jahr Herr Koop wird wohl bald mit neuen Objekten zu ihr kommen. 2002 konnte in nur 5 Herr Klotsch dagegen zeigte mit einem Geldbeutel an, Jahren im September dass sich Geld nicht so leicht vermehren kann. 2007 auf 74,66 % lanWird ein Projekt in Angriff genommen, desweit gesteigert werhat man zuvor die Hürde der Finanzierung erklommen. den. Ist das Objekt erst mal fertig erstellt, In der JVA Olden- haben die Mehrkosten oft die Finanzierung in den Schatten gestellt. burg wurde dieses Ziel Die Ministerin war dann aber auf das Erreichte stolz. durch den Abschluss Ihr Interesse galt abschließend der jetzigen Baumaß- den hochwertigen Maschinen und den gefertigten Möbeln aus Holz. nahme bereits leicht Die Gesprächsrunde zum Schluss war ganz nett, überschritten. Hier liegt dazu gab es Getränke und belegte Baguettes. Günter K Tr§tzdem 2007 Nr. 38 Sport — Bildung — Gesundheit Sommer, Sonne und super Musik Als „externer“ Gast war ich von der reibungslosen und sehr engagierten Zusammenarbeit der „Organisatoren“ sehr beeindruckt, habe den Tag sehr genossen und kann jedem nur empfehlen, das hoffentlich im nächsten Jahr wieder stattfindende Sommerfest der Abteilung diesen Umständen konnte dann auch gestartet werden. Die Auswahl der Beamten konnte zwar nicht mit ihren besten Spielern antreten und musste sich durch einen Ersatzspieler verstärken, das konnte aber ihrem Spiel nicht ernsthaft schaden. Im ersten Satz konnten sie sich gleich am Anfang einen Punktevorsprung erarbeiten, den sie auch bis zum Ende dieses Satzes sicher verwalteten. Die wenigen anwesenden Zuschauer und wohl auch der Schiedsrichter taten ihr Bestes, um die Gefangenenmannschaft in ihrem Bemühen zu stärken, den ungleichen Kampf aufzunehmen. Das hatte zur Folge, dass im zweiten und teilweise auch im dritten Satz die Inhaftiertenmannschaft durch großen Kampf und Einsatz dem Beamtenteam doch einiges abverlangen konnte und der Spielstand zu manchem Zeitpunkt ausgeglichen war. Dafür, dass an einen Sieg nicht zu denken war, hat die Gefangenenmannschaft prächtig funktioniert und gezeigt, dass sie auch in einer Niederlage nicht den Kopf hängen lässt. Bravo Jungs. Sommerfest in der Abteilung Gerichtsstraße Am 1. September 2007 lud die Abteilung Gerichtsstraße bei Sonnenschein und angenehm warmen Temperaturen Joachim G. Gerichtsstraße im Terminkalender rot anzukreuzen. DK Volleyball am 06.11.07 zum Sommerfest ein. Durch das volle Engagement aller Mitarbeiter und die tatkräftige Unterstützung der Gefangenen konnten alle Gäste, das heißt die Gefangenen, die Mitarbeiter, Externe und Ehrenamtliche, ein reichhaltiges Grillbüfett mit Fleisch, Bratwurst und leckeren Salaten im blühenden Innenhof der Anstalt genießen. Nach schweißtreibenden Fußballwettkämpfen sorgte der vielen schon wohlbekannte Eiswagen für süße Abkühlung und die zum wiederholten Male engagierte Band „Los Roaring Isettas“ ließ mit Rock und Pop der letzten Jahrzehnte die Stimmung steigen. Riesen – Spiel Am Abend des 6. November traten sich eine Auswahl der besten Volleyballer der in der Cloppenburger Straße einsitzenden Gefangenen und eine Auswahl ihrer Bewacher zu einem Kräftemessen im Volleyball gegenüber. Dem Beamtenteam ging der Ruf voraus, in der Vergangenheit schon recht erfolgreich agiert zu haben und aus teilweise hochklassigen Einzelspielern zu bestehen. Dem Gefangenenteam hingegen ging es darum, alles zu geben und ein gutes Spiel liefern zu wollen. Unter Tr§tzdem 2007 Nr. 38 Vorankündigung: Traditionell finden wieder Weihnachtsturniere statt: • Fußballturnier am 27.12.07 • Volleyballturnier am 28.12.07 • 3 Stunden Spinning am 30.12.07 Anmeldungen bitte bis zum 20.12.07 abgeben. Am 29.12.07 gibt es Sport nach dem Samstagsplan. 15 Sport — Bildung — Gesundheit Kleines Zirkeltraining Den Gedanken, etwas für die Gesundheit zu tun, hat wohl ein Jeder. Hier nun stelle ich einen Trainingsplan vor, den jeder so dreimal wöchentlich im Fitnessraum der Abteilungen alleine durchführen kann. Der Aufwand bemisst sich auf ca. 30 bis 40 Minuten, und außer einem Handtuch und etwas Wasser braucht man nur die nötige Motivation und die Ausdauer, dieses Programm in seinen Alltag einzubauen. Es bietet sich an, 10 bis 15 Minuten auf dem Spinningfahrrad zu beginnen. Wählt dabei einen Widerstand, den ihr relativ mühelos über diesen Zeitraum bewältigen könnt; als Faustregel gilt, immer nur so schnell zu fahren, dass ihr noch nebenher ein Gespräch führen könnt, ohne außer Atem zu geraten. Für das Zirkeltraining habe ich den Körper in drei große Muskelgruppen aufgeteilt. Diese sind: die Beine, der Rücken, die Brust. Zwischen den Beinen und dem Rücken wird noch der Bauch mittrainiert und zwischen dem Rücken und der Brust sollte noch der untere Rücken eingebaut werden. Das sind dann fünf verschiedene Übungen, die nacheinander ausgeführt werden sollen. Dabei ist immer darauf zu achten, sich nicht übermäßig anzustrengen und jede Bewegung bewusst und kontrolliert auszuführen. Das verhindert Verletzungen und vor allem erspart es schmerzhaften Muskelkater. Der ist nämlich nicht Ziel dieses Trainings, sondern die Ziele sind: Etwas mehr Lebensqualität durch eine bessere Kondition und eine bewusste Wahrnehmung unseres Körpers zu erreichen. Ja, und nach jedem Durchgang dieser fünf Übungen setzt ihr euch wieder aufs Spinningrad und radelt gemütlich ca. drei Minuten. Das Ganze sollte dreimal wiederholt und ca. einen Monat 16 Nur Übung macht den Meister! ausgeführt werden, bevor ein jeder nach seinen eigenen Möglichkeiten den Trainingsumfang ausdehnen kann. Nun zu den Übungen: 1. Übung „Beine“: Ausfallschritt Mit jedem Bein zwischen 6 und 12 W iederholungen ausführen. Man kann das abwechselnd mit dem linken und rechten Bein machen oder zuerst das rechte und dann das linke Bein trainieren. 2. Übung „Bauch“: Crunch Es bietet sich an, die Beine auf einem Kasten im 90° Winkel abzulegen, während man auf einer Matte liegt. Zwischen 10 und 20 Wiederholungen sollten es beim Bauch schon sein. Der untere Rücken bleibt immer auf der Matte. Ziel ist es, mit dem Kinn weit in Richtung Bauchnabel zu kommen und am höchsten Punkt die Kontraktion ca. eine Sekunde zu halten, bevor man langsam wieder in die Anfangsposition wechselt. 3. Übung „Brust“: Liegestütz Beim Liegestütz werden der Trizeps und die Schulter mittrainiert. Durch weitere oder engere Abstände der Hände werden verschiedene Bereiche der Brust trainiert. Legt man die Beine hoch, wird mehr der obere Teil der Brust trainiert. Vor allem sollte man den ganzen Körper unter Spannung halten, das heißt, nicht den Rücken durchzubiegen oder das Gesäß hochTr§tzdem 2006 Nr. 38 zudrücken, immer jedoch bis zum Boden oder zur Matte bei jeder Wiederholung ablassen; 6 bis 12 Wiederholungen bieten sich an. 4. Übung „Unterer Rücken“: Brückenstand H i e rbei wird die Position zwischen 10 und 20 Sekunden gehalten, wobei man ruhig und gleichmäßig atmen sollte. Den Blick in Richtung Boden halten! Bauch-, Rücken- und Schultermuskeln anspannen, damit der Körper eine gerade Linie bildet. Man kann zur Steigerung einen Arm und das gegenüberliegende Bein anheben und die Position kurz halten, mit 6 Wiederholungen je Arm. 5. Übung „Rücken“: Klimmzüge T j a , die fallen jedem Anfänger schwer! Allerd i n g s wird vor allem der Bizeps mittrainiert und für den Latissimus gibt es keine bessere Übung; also Zähne zusammenbeißen und ganz langsam anfangen. Am besten einen Kasten vor die Klimmzugstange stellen, und wenn es gar nicht hoch geht, erst einmal langsam ablassen. Ansonsten bieten sich 6 bis 12 Wiederholungen an. Alternativ zum weiten Obergriff kann man auch den engen Untergriff wählen; das ist nicht ganz so schwer und trainiert zwar mehr den Bizeps, aber auch ganz toll den Latissimus. Solltet ihr das alles so gemacht haben (was ca. 5 Minuten benötigt), wie beschrieben: Für drei Minuten aufs Spinningrad – und entspannt fahren. Die ganze Zeit über sollte der Puls zwischen 120 und höchstens 140 Schläge pro Minute bleiben. Da dies nicht so leicht zu kontrollieren ist, gilt die Faustregel: Man sollte die ganze Zeit in der Lage sein, ein Gespräch zu führen, ohne nach Lust schnappen zu müssen. Dann viel Spaß und Ausdauer! JG Spruch Liebe mich am meisten, wenn ich es am wenigsten verdiene, denn dann brauche ich es am meisten! Sport — Bildung — Gesundheit All you can run! Eigentlich ist solch eine Atmosphäre nur bei einem Sport- und Sommerfest zu erwarten. Der Spätsommer meinte es aber so gut mit den Teilnehmern der Sportveranstaltung am Nachmittag des 13.10.2007, die unter dem Motto „All you can run“ stand, dass eine vergleichbare Stimmung aufkam. Sicherlich fehlte es an der großen Anzahl der Sportler und es gab auch kein Büfett und keine Band, die aufspielte, der Stimmung tat das aber keinen Abbruch. Über zwanzig Gefangene von Mitte zwanzig bis gut sechzig fanden sich ab Noch ist die Welt in Ordnung Zurück zu den Hafträumen ging es mit dem Gefühl, dass es gern hätte länger dauern dürfen, den schönen Spätsommertag genießen zu können. UM Philosophische Gespräche? Wer noch Kraft hatte... Läufer Von 0 auf 120! Überrundet? Abgekämpft!? 12:00 Uhr ein, um bis 15:00 Uhr zwei Stunden lang ihr Durchhaltevermögen beim Langlauf und beim Nordic Walking zu testen. Wohlweislich wurde das Gruppenfoto schon vor dem Start gemacht, sodass die „Stars“ noch alle gut aussahen. Aufgerufen wurde zum Lauf über 30, 60, 90 und 120 Minuten. Auf Kommando von Herrn Dannebaum ging es dann im Pulk um 12:40 Uhr los. Schnell trennten sich die „Runner“ von den „Walkern“ und das Feld der „Sportplatzumrunder“ zog sich auseinander. Lag es nun an der „sengenden“ Sonne oder an der Kondition? Nach 30 Minuten hatten einige schon ihr „Pensum“ erfüllt und genossen das gute Wetter, bevor sie sich zu erneuter sportlicher Aktivität mit Bällen oder Federbällen hinreißen ließen. Für diejenigen, die sich noch auf dem „Parcours“ befanden, ging die Zeit mit manchmal viel Schweiß oder einem anregenden Gespräch schnell vorbei. Als dann nach 120 Minuten das „Countdown“ von Herrn Dannebaum zu hören war, empfanden es einige sicherlich als Erlösung und andere als unwillkommenen Abbruch des „Spaziergangs“. Belohnt wurden alle Mühen mit einer Anstecknadel und einer Bescheinigung über die Leistung von 0 auf 30, 60, 90 oder 120 Minuten. Tr§tzdem 2007 Nr. 38 Lang 87 Oldenburg 13.10.2007 Walker Dannebaum Nordic 47 Oldenburg 13.10.2007 Dannebaum 17 Recht & Soziales Neues zur Neuregelung des Justizvollzuges in Niedersachsen Letzte Meldung vom 5.11.07 aus dem Niedersächsischen Justizministerium: Der Gesetzentwurf wird im Dezember-Plenum des Landtages (12. bis 14. Dezember 2007) verabschiedet, sodass das Gesetz zum 1. Januar 2008 in Kraft treten kann. Aus einem Aufruf zur öffentlichen Diskussion der neuen Strafvollzugsgesetze in den Bundesländern möchten wir die wesentlichen Aussagen wiedergeben. Dazu folgendes: • Die meisten Experten äußern die Sorge, NJVollzG • Öffentliche Diskussion der neuen Strafvollzugsgesetze • Mit der Föderalismusreform ist der Strafvollzug in die Zuständigkeit der Bundesländer gefallen. Inzwischen liegen Gesetzentwürfe vor und befinden sich zum Teil in den Abstimmungsverfahren. Im Zuge der Diskussion über diese Gesetzentwürfe haben sich viele Experten zu Wort gemeldet und deutlich ihre Position dargestellt. Dazu gehört auch der in Münster ansässige „Arbeitskreis kritischer Strafvollzug e. V.“, der sich insbesondere auch mit dem Entwurf des Niedersächsischen Justizvollzugsgesetzes auseinandergesetzt hat. Dem Arbeitskreis steht der Hochschullehrer Prof. Dr. H. Koch vor. • • Demzufolge stellen die Autoren des Aufrufs in einem OrientierungspunktePapier ihre Positionen unter den folgenden Überschriften dar: • Ziele des Strafvollzugs • Der „Offene Vollzug“ als gesetzlicher • • • • • • • • • • • • • • • 18 es werde aus populistischen und finanziellen Gründen zu einer Rückentwicklung der Reformansätze der letzten drei Jahrzehnte kommen: Weg vom Ziel der Resozialisierung (Behandlungsvollzug) zurück zu Prinzipien der Härte und Isolation (Verwahrvollzug). Überall dort, wo der Resozialisierungsgedanke vernachlässigt wird, steigt die Gewalt (Beispiel Siegburg), ist die öffentliche Sicherheit in Gefahr. Der Billigknast mit der Reduzierung des Personals ist in Wahrheit die teurere Lösung. Bereits jetzt ist der Strafvollzug, wie die hohen Rückfallquoten (bis zu 80%) zeigen, ganz und gar uneffektiv. Es ist absurd, eine sachwidrige und unsoziale Tendenz noch zu verstärken, um mit archaischen Rachegedanken und einer sie anheizenden Boulevardpresse Wählerstimmen zu mobilisieren. Nur die Resozialisierung bringt Sicherheit und Effektivität, sie ist nicht von ungefähr Verfassungsgebot. Regelvollzug Vollzugsplan Gefangenenmitsprache Rechtssicherheit Recht auf Lockerungen Recht auf Unterbringung in einem Einzelhaftraum Durchführung der Haft innerhalb von Wohngruppen Verbindung zur Welt außerhalb des Strafvollzugs Anspruch auf sinnvolle Arbeit und entsprechende Entlohnung Möglichkeit freier Arztwahl Recht auf schulische und berufliche Ausund Weiterbildung Möglichkeit einer gestalteten Freizeit Inanspruchnahme Sozialer Hilfen Frauenstrafvollzug mit frauenspezifischem Profil Respekt vor den kulturellen, sprachlichen und kommunikativen Lebensweisen der ausländischen Inhaftierten Konfliktlösung und Rechtssicherheit anstelle von Disziplinierung und Willkür Tr§tzdem 2007 Nr. 38 • Ausbau der (sozial-) therapeutischen Angebotsstrukturen • Notwendigkeit besonderer räumlicher • • • • und sozialer Bedingungen in der Sicherungsverwahrung Vollzugsorganisation: unterschiedliche Formen von Haftanstalten, hinreichende Personalausstattung, Mitbestimmung der Inhaftierten und Transparenz des Strafvollzugs Unabhängige Strafvollzugsbeauftragte Intensivere Zusammenarbeit des Strafvollzugs mit Personen, Initiativen und Behörden Regelmäßige Evaluation der Wirksamkeit des Strafvollzugs Die Autoren kommen in ihrer Betrachtung des niedersächsischen Entwurfs zum NJVollzG zu folgenden Ansichten: Der niedersächsische Entwurf verlässt den Boden und die Zielsetzung des bisherigen deutschen Strafvollzugs. Unter den Vollzugszielen (§ 5) heißt es jetzt, der Strafvollzug diene neben der Resozialisierung „zugleich“ dem Ziel der Sicherheit. Bisher hieß es stattdessen, er diene „auch“ der Sicherheit; Eine scheinbar minimale semantische Veränderung, g le ichwoh l bei genauerem Hinsehen eine entscheidende. Es hat sich schlichtweg eine Veränderung in der Hierarchie der Werte ergeben. Stand bislang als oberstes Ziel die Resozialisierung fest mit der Nachordnung des Sicherheitsgedankens, zeigt die semantische Veränderung deutlich den Paradigmenwechsel: Weg vom Versuch reformierten modernen Strafvollzugs (Behandlungsvollzug) und zurück zu antiquierten Vorstellungen des 19. Jahrhunderts (Verwahrvollzug). Der traditionelle Strafvollzug mit den Prinzipien Härte, Rache, Disziplinierung und Isolation, der nie ganz überwunden war, erfährt nun eine Wiederbelebung. Wer mehr dazu wissen möchte, wende sich an den „Arbeitskreis kritischer Strafvollzug e.V.“, Postfach 1268, 48002 Münster. UM Recht & Soziales Anzahl der Straftäter sinkt Weniger Kriminalität! Wodurch? In den Medien war zu lesen, dass erstmals seit 2001 im vergangenen Jahr weniger Menschen in der Bundesrepublik Deutschland verurteilt wurden als im Vorjahr. Wie das Statistische Bundesamt mitteilte, wurden rund 875.000 Personen wegen Verbrechen oder Vergehen rechtskräftig verurteilt. Das sind fast sechs Prozent weniger als im Vorjahr, wenn auch für Sachsen-Anhalt keine Angaben vorlagen. Unterschiedlich fiel die Entwicklung in den alten und den neuen Bundesländern aus; waren es in den alten Bundesländern ca. 3,7 Prozent weniger, lagen in den neuen Bundesländern (ohne Sachsen-Anhalt) ca. 7,8 Prozent weniger Verurteilungen vor. Das Statistische Bundesamt will daraus noch keinen Trend erkennen können. „Die Zahl der Verurteilten steigt und sinkt in Wellen“, sagte deren Sprecher dazu. Der deutlichste Rückgang war in Mecklenburg-Vorpommern zu verzeichnen; hier sank die Zahl der Verurteilten um zwölf Prozent. Danach folgten Berlin mit knapp elf Prozent und Thüringen mit fast zehn Prozent. Lediglich rund zwei Prozent Rückgang gab es in SchleswigHolstein, Niedersachsen und Bremen. In Niedersachsen war allerdings schon ab 2004 ein kontinuierliches Sinken der verurteilten Straftäter zu verzeichnen. Kam es noch 2004 zu rund 94.700 Verurteilungen, so wurden im vergangenen Jahr nach Angaben des Justizministeriums rund 91.100 Personen rechtskräftig verurteilt (-3,8 %). Den meisten der Verurteilten im Bund und in Niedersachsen wurde eine Geldstrafe auferlegt. In Niedersachsen waren es 61.549 Personen, d. h. (wie im Bund) ca. zwei Drittel der Verurteilten. Die meisten Verurteilten waren Männer mit deutschem Pass (ca. 80 %). Am häufigsten standen in Niedersachsen Menschen vor Gericht, die Straftaten im Straßenverkehr begangen hatten minus 6 % (19.700). Wegen Diebstahls oder Unterschlagung waren es 16.800 und wegen Betrugs knapp 13.000. Welches die Gründe für den Rückgang waren, war den Zahleninformationen nicht zu entnehmen. Die Verringerung der mit dem Abebben der Zuwanderung ab Mitte der 90er Jahre einhergehenden sozialen Integrationsprobleme und die deutliche wirtschaftliche Belebung seit ca. 1 ½ Jahren, verbunden mit einem starken Abbau der Arbeitslosenzahlen, dürften ihren Beitrag geleistet haben. Eine Auswirkung der verschärften Sanktionspolitik kann wohl weniger angenommen werden, da auch die Bundesländer, wie zum Beispiel SchleswigHolstein, die schon traditionell eine liberale Justizpraxis übten, ihre niedrigen Verurteiltenzahlen weiter verringern konnten. Es dürfte sich auch aus kriminalpräventiver Sicht lohnen, die strukturellen sozialen Verhältnisse innerhalb und außerhalb von Justizvollzugsanstalten zu verbessern. UM Drogen und Recht Bundesministerium für Gesundheit Pressemitteilung Bundesrat stimmt mit großer Mehrheit für ein Gesetz zur heroingestützten Behandlung für schwerkranke Drogenabhängige „Die überwältigende Mehrheit von 13 Ländern im Bundesrat ist ein klares Signal an den Bundestag, eine gesetzliche Regelung der heroingestützten Behandlung zu beschließen“, erklärt die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Sabine Bätzig, anlässlich der heutigen Entscheidung im Bundesrat. „Auch die öffentliche Anhörung im Bundestag am 19. September hat bestätigt, dass es nicht um einen Paradigmenwechsel geht, sondern um eine sinnvolle und wirksame Ergänzung der Substitution mit Methadon für Schwerstabhängige.“ In der Anhörung im Bundestag wurde auch deutlich, dass nicht mit massiven Mehrkosten zu rechnen ist, wenn die heroingestützte Behandlung gesetzlich geregelt wird. Sabine Bätzig: „Ein Ansturm von Heroinabhängigen auf die Tr§tzdem 2007 Nr. 38 Diamorphinbehandlung – wie von manchen befürchtet – wird ausbleiben. Das Ergebnis einer Studie zur Versorgungslage der schwerkranken Heroinabhängigen hat ergeben, dass bundesweit etwa 3.500 Behandlungsplätze realistisch sind. Von einem ‚Dammbruch’ kann keine Rede sein. Im Vergleich zur derzeitigen Substitutionsbehandlung entstünden damit pro Jahr nicht die befürchteten Mehrkosten in Höhe von 150 Millionen Euro und mehr, sondern in Höhe von etwa 22,2 Mio. Euro. Das entspricht etwa 0,15 Promille der jährlichen Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung.“ Auch die Zweifel an der Abstinenzorientierung der heroingestützten Behandlung sind nicht gerechtfertigt. Ein Ergebnis der Studie war, dass innerhalb von zwei Jahren 24 % der Patienten entweder in eine Substitutionstherapie oder sogar direkt in eine Abstinenztherapie gewechselt sind. Sabine Bätzig betont: „Ich appelliere an die Bundestagsfraktion der CDU/ CSU, sich dem Votum des Bundesrats sowie den überzeugenden Argumenten für diese Behandlungsmethode anzuschließen und die Abstimmung über das Gesetz im Bundestag freizugeben. Eine gesetzlich geregelte heroingestützte Behandlung trägt dazu bei, dass künftig noch mehr Leben gerettet werden können.“ Die Patienten des Bundesmodellprojekts werden seit dem 1. Januar 2007 auf Basis einer auf das öffentliche Interesse gestützten Ausnahmeerlaubnis gemäß § 3 Abs. 2 des Betäubungsmittelgesetzes weiter mit Diamorphin behandelt. Das Modellprojekt zur heroingestützten Behandlung Opiatabhängiger wurde von einer gemeinsamen Initiative des Bundesministeriums für Gesundheit, der Länder Hamburg, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen sowie der Städte Bonn, Frankfurt, Hannover, Karlsruhe, Köln und München getragen. Die Ergebnisse sind im Internet unter www.herionstudie.de veröffentlicht. Humor Der Henker kommt nach Hause und sagt: „Ich habe meinen Arbeitsplatz verlassen, denn ich kann keinen mehr hängen sehen.“ Antwort der Frau: „Dann kannst du gleich das Haus verlassen, denn mir geht es genauso!“ ______________________________________ Zwei Blondinen: „Ich glaube, mein Mann betrügt mich.“ „Ja, ja – so sind die Kerle. Meinem traue ich auch nicht. Wer weiß, ob die Kinder von ihm sind?!“ 19 Recht & Soziales Aufhebung des Haftbefehls wegen Verletzung des Beschleunigungsgebots (+ StPO § 120 Abs. 1) Aus der Rechtsprechung Interessante Urteile Zur Verfügung gestellt von der Anwaltskanzlei Joester pp., Bremen, RA Hübel, Quelle: „Strafverteidiger“ Nr. 7/2007 Feststellung eines fortbestehenden Rechtsschutzinteresses bei erledigten hoheitlichen Maßnahmen – Verweigerung der Erlaubnis zum Besuch eines in U-Haft befindlichen Beschuldigten (GG Art. 2 Abs. 1 i, V. m. Art. 20 Abs. 3, Art. 19 Abs. 4; StPO § 119) Kommt eine gerichtliche Entscheidung aufgrund von Verzögerungen, die der Justiz anzulasten sind, nicht vor Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzbegehrens zustande, so ist zu berücksichtigen, dass das aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG folgende Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren es den Gerichten verbietet, aus eigenen Fehlern, Unklarheiten oder Versäumnissen Nachteile für die Verfahrensbeteiligten abzuleiten. Erst recht kann es Gerichten nicht gestattet sein, Gründe für die Abweisung von Anträgen als unzulässig durch eigene verfahrensfehlerhafte Antragsbehandlung selbst herbeizuführen. Mit diesen Anforderungen eines fairen Verfahrens sowie der Verpflichtung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) ist es daher unvereinbar, wenn Gerichte dem Betroffenen eine Entscheidung zur Sache wegen Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzbegehrens versagen, nachdem sie selbst durch verfahrensfehlerhafte Behandlung des zugrunde liegenden Antrags verhindert haben, dass eine gerichtliche Entscheidung vor Erledigung zustande kam (hier: Beschwerde gegen Verweigerung der Erlaubnis zum Besuch eines UGefangenen). BVerfG,, Beschl. v. 27.12.2006 – 2 BvR 803/05 (2. Kammer) 20 Eine zur Aufhebung des Haftbefehls wegen Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gemäß § 120 Abs. 1 StPO führende Verletzung des Beschleunigungsgebotes in Haftsachen (Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG) kann auch gegeben sein, wenn notwendige Ermittlungshandlungen zur Aufklärung des Sachverhaltes unterlassen und die Ermittlungsakten über einen Zeitraum von ca. 2 Monaten lediglich der Bearbeitung von Haftbeschwerden zugeführt werden. BrandbgOLG, Beschl. v. 27.4.2004 – 1 Ws 89/07 OLG Haftprüfung und Beschleunigungsgebot (StPO § 121 Abs. 1) Die Untersuchungshaft darf über sechs Monate hinaus nicht aufrechterhalten werden, wenn eine Verletzung des Beschleunigungsgebots infolge Anklageerhebung vor dem örtlich unzuständigen Gericht und unzulässiger Verweisung des Verfahrens an das Landgericht vorliegt. SchlHOLG, Beschl. v. 16.5.2007 – 2 Hes 5/07 (3/07) Gleichbehandlung mehrerer Mitbeschuldigter in Bezug auf Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft. (StPO § 120 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1) Ist wegen eines identischen Tatvorwurfs der Vollzug eines Haftbefehls gegen einen Mitbeschuldigten im Hinblick auf die Verletzung des Beschleunigungsgebots ausgesetzt worden, erfordert der auch innerhalb eines Strafverfahrens im Verhältnis der Angeschuldigten zueinander zu beachtende Grundsatz der Gleichbehandlung aus Art. 3 GG die Aufhebung der Untersuchungshaftanordnung gegen einen anderen Mitbeschuldigten, wenn dieser von der Verletzung des Beschleunigungsgebots in gleicher Weise belastet ist. OLG Dresden, Beschl. v. 25.5.2007 – 2 Ws 218/07 Tr§tzdem 2007 Nr. 38 Das Oldenburger Verständnis ‚Afglitscht’ (De Ollnborger weet, wat dat heet!) Afglitscht! – Wem ist das noch nicht passiert beim Versuch, einen Apfel zu schälen oder eine Tomate zu teilen? Ein kleiner Fluch und die Einsicht, das Stück Blech mit dem Handgriff bei nächster Gelegenheit wieder anzuschärfen, sodass es halbwegs als Besteckmesser durchgehen kann, waren meist die Folgen. So wird es auch wohl demjenigen gegangen sein, der sich vorgenommen hatte, eine ‚Tarte de Pomme’ zu backen – ein Kuchen mit vielen in eine Pfanne zu stellenden Apfelspalten, deren Standflächen leicht schräg anzuschneiden sind, damit sie gut zu stehen kommen, bevor sie sich mit dem Teigboden vereinigen. Auch hatte er wohl schon so manchem den Mund wässrig gemacht, denen er schon öfter mit seiner ‚Tarte’ Licht in den Alltag gebracht hatte. Und nun das: Das Stück Blech, das statt einer Schneide nur noch eine Abbruchkante aufwies, hätte nimmer schöne Apfelspalten hervorgebracht. Also, nichts wie ran an die Arbeit, und mit Schmirgelpapier (das Verbotene aus einem Blatt, nicht das Erlaubte als Nagelfeile) dem Blech zu etwas Ähnlichem wie einem Besteckmesser verhelfen, wie es so manche machen - wovon die Küchenleitung im stillen Einvernehmen sicherlich ausgeht -; damit das Schnitzel oder die Leber verzehrgerecht teilbar wird. Nur eines hätte er nicht machen sollen: die Arbeit bei offener Haftraumtür verrichten! Denn bei näherem Hinsehen kam jemandem, der es von Amts wegen wissen muss, der Gedanke: Da baut sich einer eine Waffe! Tarte de Pomme hin oder her, ein Besteckmesser, das nicht mehr ‚afglitscht’, ist nun mal eine Waffe! Konsequenz: Vier Wochen Einschluss und Abberufung von der Arbeit! – Ok ‚Afglitscht‘? Wer wagt sich nun noch an eine Tarte de Pomme? * UM Recht & Soziales Der Stuhl Geahnt habe ich es ja schon länger. Nur glauben - glauben wollte ich es nicht! Dabei fing alles so harmlos an. Am Freitag sollte Wäsche getauscht werden, und da ich den Tausch nicht persönlich ausführen konnte, weil ich noch arbeitete, habe ich dem von innen vor die Haftraumtür gestellten Stuhl meine Wäsche ohne zu zögern anvertraut. Die ersten Male hat es ja auch geklappt: Statt der schmutzigen Wäsche lagen geordnet gereinigte Bekleidungsstücke bei meiner Rückkehr auf dem Stuhl, und ich begann, ohne weiter darüber nachzudenken, mit dem Einräumen in den Schrank. Dann muss ich wohl etwas falsch gemacht haben. Zuerst war es an den Socken zu merken. Die gereinigten Strümpfe wiesen mehr Löcher auf als jene, die ich dem Stuhl anvertraut hatte. Kann ja mal vorkommen! Dann gab es jedoch die erste Krise in unserem Verhältnis. Ich hatte an dem besagten Tag sogar zwei Jogginganzüge, wovon einer mir wegen meiner Tätigkeit im UBetrieb gesondert ausgehändigt worden war, auf den Stuhl gelegt. Mein Stuhl muss damit aber nicht einverstanden gewesen sein, denn als ich die duftende Wäsche in den Schrank legen wollte, fehlte doch tatsächlich ein Jogger. Nicht so schlimm, dachte ich mir. Jetzt war es ohnehin recht spät, und da ich noch einen besaß, schien der Montag noch früh genug zu sein, um die Kammer zu bitten, mir den zweiten Jogger wieder auszuhändigen oder von meiner Liste zu streichen. Leider hatte mir mein Stuhl nicht gesagt, dass ich mit meinem Begehren viel zu spät käme und ich im Übrigen diejenigen Bekleidungsstücke wieder bekommen hätte, die ich auch auf den Stuhl gelegt habe. Dank des guten Rates des Stationsbeamten, der mir sogar bei der Abfassung einer Verlustmeldung behilflich war und zu der ich auch meine Sicht der Dinge hinzufügen konnte, schien die Sache erledigt zu sein – bis ich dann bei der nächsten Monatsabrechnung bemerkte, dass 8,91 Euro vom Eigengeldkonto zusätzlich gesperrt waren. Damit schien das Verhältnis zu meinem Stuhl wieder etwas geordneter zu sein. Über so Kleinigkeiten wie ein Paar Socken zuviel, ein Paar Socken zuwe- nig, Socken mit mehreren Löchern, Unfällt mir ein: Es könnte ja jemand in terhose zuwenig, dafür aber Unterhemd meiner Abwesenheit (von der Mittagszuviel oder Jogger in Kindergröße wurzeit bis zum Arbeitsende) im stillen Einde stillschweigend hinweggegangen, verständnis mit meinem Stuhl im Haftfand sich doch immer wieder ein netter raum gewesen sein und einen dringend Beamter, der alleine oder mit mir im benötigten Jogger (nämlich gerade meiSchlepptau zur Kammer ging und für nen; und nicht zu vergessen die zwei Wohlbefinden sorgte. Paar Strümpfe) ausgeliehen haben. Man Das Verhältnis zu meinem Stuhl hört ja ab und an, dass der geheimnismuss aber wohl doch nicht den gevolle, ominöse U. D. wünschten Stand erreicht haben. Jetzt (manche kennen ihn wollte er mir zeigen, auch als den „Unbewer hier Beachtung kannten Dritten“) hererwarten darf. umgeistern soll. Aber Dass etwas nicht sehr erhellend scheint in Ordnung war, bemir der Gedanke dann merkte ich schon beim doch nicht zu sein. Öffnen der Zelle; diesMein dritter Gedanmal gab es keinen Jogke… Nein, nein! Den ger und zwei Paar Gedanken kann ich Hoffentlich finde ich Stümpfe fehlten! Angleich verwerfen! Ein alles wieder? sonsten lagen aber die Beamter irrt sich nicht! zwei Paar Garnituren Nun stehe ich vor eiUnterwäsche und die Handtücher am nem Dilemma. Wie bekomme ich einen richtigen Platz. Jogger und zwei Paar Socken wieder? Ohne die geringsten Anzeichen Es gehört zur Weisheit von Behöreines Bedauerns ließ mich mein Stuhl den, immer eine Antwort parat zu haben. zum Stationsbeamten laufen, und auch Und es gibt gute Geister, die, glaubt als wir beide im Haftraum nach den fehman den alten Märchenerzählern, in lenden Bekleidungsstücken suchten, gab zumeist alten, dicken Gemäuern Wuner kein Zeichen. Nun wusste der Beamte dersames bewirken. Jedenfalls ist auch aber Rat: Er brachte das Formblatt VG in den hiesigen dicken, wenn auch nicht 51 ins Spiel, auf dem ich doch bitte den ganz so alten Mauern durch gute Geister Sachverhalt darstellen möge. Danach ein kleines Wunder geschehen: Ein Jogwürde die Kammer zu dieser ominösen ger und zwei Paar Strümpfe haben nach Begebenheit ihre Stellungnahme abgeeinigen ruhigen Tagen den Weg von der ben, und dann werde man weitersehen. Kammer zu meinem Domizil gefunden. Jetzt hab ich den Schlamassel! Wie Nun hoffe ich, dass mein Stuhl nicht bekomme ich es hin, das Verhältnis wienachtragend ist und das Mirakel seinen der zu verbessern (- zu meinem Stuhl)? Charme behält.* Denn nun habe ich es schwarz auf weiß: * Wie konsequent [lat. consequens = Laut Stellungnahme der Kammer lag folgerichtig] und liberal [lat. liberalis = definitiv kein Jogger auf dem Stuhl, als freiheitlich] sind wir doch in Oldenburg! der Wäschetausch begann!? Jetzt aber heißt es erst einmal nach(Jegliche Ähnlichkeiten mit einem derzeit lebenden Menschen sind rein zufällig.) denken! Was könnte passiert sein mit dem Jogger und den Strümpfen? Mein UM erster Gedanke: Ich habe Erinnerungsprobleme und hab gar keinen Jogger gehabt! – Dagegen spräche nur, dass man mich in all den Monaten täglich in einem dieser kleidsamen dunkelblauen, patchwork-verzierten Freizeitanzüge hat rumlaufen sehen; außerdem ist da noch die Karteikarte, die genau weiß, was ich ausgehändigt bekommen habe. Dann Tr§tzdem 2007 Nr. 38 21 Recht & Soziales Das Top-Thema…. Betrachtungen zur Gefangenenpopulation oder „Rein geht‘s immer, raus geht‘s nimmer?“ Oldenburger Verhältnisse Im Rahmen eines Projektberichtes haben die Studentinnen Bianca Wilhelm und Alexandra Kufelt von der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg für den Studiengang Diplom-Wirtschaftswissenschaften im Zeitraum vom 01.01.2007 bis zum 31.03.2007 mit Hilfe eines Fragebogens den Ist-Zustand in Bezug auf die schulische und berufliche Bildung der in dem Zeitraum neu aufgenommenen 125 Inhaftierten (nur Strafhäftlinge) aufzeichnen können. Die Ausarbeitung hatte zum Ziel, der Anstalt Empfehlungen zum Weiterbildungsbedarf zu geben. Dieser Betrachtung liegen die dabei gewonnenen Erhebungsdaten zugrunde. Interpretationen wurden teilweise übernommen und in den Kontext gestellt, den der hier vorliegende Bericht mit seinen Aussagen verfolgt. Die JVA Oldenburg mit Hauptanstalt und ihren Abteilungen Gerichtstraße, Delmenhorst, Nordenham, Wilhelmshaven und Cuxhaven hält insgesamt 619 Haftplätze vor, von denen 210 für Untersuchungshäftlinge und 409 für Strafhäftlinge (davon 213 im offenen Vollzug) vorgesehen sind. Demzufolge stellen die im 1. Quartal 2007 aufgenommenen 125 Strafgefangenen eine repräsentative Größe (31 %) für den durchschnittlichen Bestand der Anstalt dar. Auf das gesamte Jahr hochgerech22 net wären es 500 Häftlinge (mit Untersuchungsgefangenen sogar ca. 2000). Bei insgesamt 409 Haftplätzen für Strafgefangene deutet das ebenso auf eine erhebliche Fluktuation hin wie auf eine verstärkte Belegung der gesamten Haftplätze durch Strafhäftlinge bis hin zur Überbelegung. Es stellt sich nun die Frage, können die, wie die jetzt hier in Oldenburg eingelieferten Gefangenen, mit den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der JVA resozialisiert werden, um eine nachhaltige Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu erlangen? Das Niedersächsische Justizministerium sagt dazu allgemein in seinen Ausführungen zum „Einheitlichen Niedersächsischen Vollzugskonzept vom Juni 2004“ (ab S. 32, auszugsweise): „Gefangene gehören zum problematischen Teil unserer Gesellschaft. Sie gelangen meist zu einem Zeitpunkt in den Justizvollzug, zu dem sich kriminelle Karrieren bereits gefestigt haben und das soziale Umfeld häufig desaströs ist. Der Justizvollzug ist jedoch nicht der Reparaturbetrieb gesellschaftlicher Versäumnisse; auch bei größter Anstrengung kann nicht jeder Gefangene resozialisiert werden. Letztlich liegt es in der Eigenverantwortung der Gefangenen, vollzugliche Behandlungsangebote anzunehmen und aktiv an Veränderungen des persönlichen Umfelds zu arbeiten. Hundertprozentige Resozialisierung und absolute Sicherheit kann der Vollzug nicht garantieren.“ … „Wir wollen Sicherheit und Resozialisierung im Gleichgewicht halten. Resozialisierung heißt für uns, • durch Behandlungsuntersuchungen eine fundierte Diagnostik zu garantieren, Tr§tzdem 2007 Nr. 38 • eine qualitativ hochwertige und landesweit einheitliche Vollzugsplanung sicherzustellen und • mitarbeitsbereiten und mitarbeitsfähigen Gefangenen besondere Behandlungsmaßnahmen anzubieten und dafür einen differenzierten und hochwertigen Behandlungskatalog vorzuhalten, • durch sinngebende Beschäftigung den Tag zu strukturieren und Eigeninitiative zu wecken sowie insbesondere • durch regelmäßige Arbeit die Gefangenen auf ein rechtschaffendes L e b e n n a ch d e r En tla s s u ng vorzubereiten.“ Zu den besonderen Behandlungsprogrammen (Chancenvollzug) werden (a. a. O., ab S. 47) genannt: a) Verhaltensändernde Angebote • Gruppentraining / Gruppentherapie • Einzelbetreuung / Einzeltherapie • Soziales Training • Training für Gewaltstraftäter • Sportangebote zur Steigerung der sozialen Kompetenz • Schuldnerberatung • Entlassungsvorbereitung b) Sozialtherapie c) Qualifizierende Angebote • Vorbereitungskurse für schulische Ausbildungsgänge • Sonderschulkurse / Hauptschulkurse / Realschulkurse • Berufsausbildung verschiedener Qualifikationsstufen, einschließlich Teilqualifizierungen d) Helfende Angebote • Arbeitstherapie • Alphabetisierungskurse • Deutsch für Ausländer und Spätaussiedler Um nun eine konkrete Abschätzung dafür abgeben zu können, ob der vom Recht & Soziales Bundesverfassungsgericht bestätigte Auftrag (Der Vollzug der Freiheitsstrafe ist nicht nur Kraft einfachen Gesetzesrechts (§ 2 Satz 1 StVollzG), sondern von Verfassungs wegen auf das Ziel der Resozialisierung verpflichtet (vgl. BVerfGE 35, 202 <235 f.>; 45, 187 <238 f.>; 74, 102 <122f.>; 98, 169 <200>; Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 31. Mai 2006 – 2 BvR 1673/04, 2 BvR 2402/04 -, Umdruck, S. 25)) in der JVA Oldenburg mit den dort einsitzenden Gefangenen umgesetzt werden kann, hier nun einige Zahlen aus dem o. g. Projektbericht mit entsprechender graphischer Darstellung. Von den 125 befragten Strafgefangenen konnten 124 Fragebögen in die Auswertung einbezogen werden. Herkunftsaspekte Es entfielen auf: Staatsangehörigkeit deutsch türkisch niederländisch irakisch jugoslawisch rumänisch libanesisch tschetschenisch liberianisch serbien-montenegr. russisch schwedisch kamerunaisch angolanisch aserbaidschanisch palästinensisch polnisch vietnamesisch moldawisch dänisch mosambikanisch ivorisch algerisch % 65,0 6,5 4,1 2,4 2,4 2,4 1,6 1,6 1,6 1,6 0,8 0,8 0,8 0,8 0,8 0,8 0,8 0,8 0,8 0,8 0,8 0,8 0,8 Muttersprache deutsch russisch kurdisch arabisch türkisch niederländisch englisch albanisch rumänisch französisch portugiesisch tschetschenisch roma polnisch schwedisch vietnamesisch moldawisch dänisch jugoslawisch % 54,8 8,9 6,5 4,8 3,2 3,2 2,4 2,4 2,4 1,6 1,6 1,6 1,6 0,8 0,8 0,8 0,8 0,8 0,8 Fasst man die Staatsangehörigkeiten regional zusammen, so ergibt sich folgendes Bild: Fasst man die muttersprachliche Herkunft regional zusammen, so ergibt sich folgendes Bild: Fortsetzung auf Seite 24 Tr§tzdem 2007 Nr. 38 23 Recht & Soziales Fortsetzung von Seite 23 Bildungsaspekte Es entfielen auf: Schulische Ausbildung. Gymnasium Realschule Hauptschule Hauptschule ohne Abschluss Sonderschule Sonderschule ohne Abschluss kein Abschluss % 4,8 16,9 41,9 10,5 4,8 2,4 18,5 Berufliche Ausbildung Industrie-Berufe kaufm. Berufe sonstige Berufe Berufe im Nahrungsmittelbereich handwerkl. Berufe keine Ausbildung Kognitive Eigenschaften* Sehr gut Gut Befriedigend Ausreichend Mangelhaft % 7,2 8,0 8,8 12,8 26,4 37,6 % 6,4 32,0 36,0 16,8 0,8 *Kognition: lat. >das Erkennen<, >Kennenlernen< Soziale Aspekte Es entfielen auf: Zuletzt ausgeübte Tätigkeit keine Beschäftigung sonstige Berufe kaufmännische Berufe handwerkliche Berufe Arbeiter Berufe im Nahrungsmittelbereich Drogenabhängigkeit keine Angaben Alkohol weiche Drogen harte Drogen wird substituiert Politoxikomane 24 % 60,0 7,2 4,0 18,4 9,6 8,0 Tr§tzdem 2007 Nr. 38 % 73,6 8,0 5,6 4,8 4,8 3,2 Recht & Soziales Die wesentlichen Ergebnisse des Befundes sind demnach: • Hoher Ausländeranteil: 35 % • Sehr hoher Anteil, bei denen Deutsch nicht Muttersprache ist: 45 % • Hoher Anteil mit unzureichender schulischer Ausbildung (ab Hauptschule): 36 % • Hoher Anteil mit keiner beruflichen Ausbildung: 38 % • Signifikante Selbstüberschätzung im kognitiven Bereich (nur 1 % mangelhaft) 35 % • Überwiegender Anteil ohne derzeitige Berufsausübung: 73 % • Sehr hoher Anteil mit Drogenabhängigkeit: 40 % Deutschland hat zurzeit 82,5 Mio. Einwohner, von denen 7,5 Mio. Ausländer (9 %) sind (Diercke Länderlexikon). Allerdings haben ca. 15,3 Mio. einen Migrationshintergrund. Daher ist von einem überproportionalen Anteil von Ausländern an der Gefangenenpopulation auszugehen. Welche sozialen oder sonstigen Gründe dafür vorliegen, dazu liegen hier keine Daten vor und könnte daher nur spekulativ eingeschätzt werden. Für die Frage, ob für eine Resozialisierung dieser Gefangenen von Seiten der Vollzugsbehörden genug getan wird, ist es allerdings weniger relevant, denn Ausländer werden nicht vom Resozialisierungsgebot erfasst, da sie nach einer Teilverbüßung ihrer Strafe zu einem Großteil (je nach Haftdauer) in ihre Heimatländer abgeschoben werden. Tatsächlich steht aber auch ihnen das Behandlungsprogramm weitgehend offen (abgesehen von bestimmten Bildungsangeboten). Keine besondere Aufmerksamkeit soll hier den Gefangenen zukommen, von denen aufgrund ihrer weniger ausgeprägten Bildungs- und Sozialdefizite anzunehmen ist, dass weniger Anstrengungen seitens des Justizvollzuges für ihre Resozialisierung unternommen werden müssen. Das Hauptaugenmerk ist also auf diejenigen zu legen, die Indikatoren aufweisen, die augenscheinlich einer Förderung bedürfen, auch wenn sie weniger einer Förderung zugänglich sind. Auf den hiesigen Bestand von Gefangenen mit • Unzureichender Schulischer Ausbildung 36 % • Keiner beruflichen Ausbildung 38 % • Selbstüberschätzung im kognitiven Bereich 35 % • Ohne Berufsausübung 73 % • Drogenabhängigkeit 40 % Mittelwert 44 % bedeutet das unter Zugrundelegung des Mittelwertes, dass ca. 180 Gefangene einer intensiven Hilfe bei der Resozialisierung bedürfen. Sollen die Gefangenen mit ausländischer Staatsangehörigkeit unberücksichtigt bleiben, so sind es immer noch ca. 120 Personen. Die Autorinnen des o. g. Projektberichts empfahlen (a. a. O., S. 71) der Verwaltung, in näherer Zukunft unter Umständen: • die Möglichkeit zum Bestehen eines Schulabschlusses anzubieten • Deutschkurse anzubieten • die Möglichkeit zur Durchführung einer beruflichen Ausbildung anzubieten • zu überlegen, ob ein Führerscheinkurs in Verbindung mit einer Fahrschule angeboten werden kann (um die Mobilität zu erhöhen). Eingerichtet sind in der JVA Oldenburg derzeit ein Deutschkurs (Alphabetisierungskurs) für ca. 10 Gefangene und ein Elementarkurs Berufliche Grundbildung für 8 Gefangene. Der Vorbereitungskurs zur Erlangung des Europäischen Computerführerscheins für 10 Teilnehmer wendet sich an Gefangene, die in Kürze zur Entlassung anstehen. Nicht verschwiegen werden soll, dass folgende Arbeitsplätze eingerichtet sind: • Tischlerei (demnächst 15) 8 • Schlosserei 12 • Unternehmerbetrieb 1 46 • Unternehmerbetrieb 2 46 • Unternehmerbetrieb 3 40 • Küche 10 • Kammer 4 • Hausarbeiter 8 • Bau- und Hofkolonne 8 • Mediengruppe 3 Zu den verhaltensändernden Maßnahmen zählen: • eine Orientierungsgruppe für Drogenabhängige, • Soziales Training, • die Gruppenbehandlung „Meine Zukunft ohne Gewalt“ und der Integrationskurs für Gefangene mit Migrationshintergrund und Deut- Tr§tzdem 2007 Nr. 38 sche mit Imigrationsproblemen sowie eine • Kriminalpräventive Einzel-Behandlung. Zudem besteht ein reichhaltiges Sportangebot. Ob damit im Rah men des „Chancenvollzuges“ heute das Nötige getan wird, werden sicherlich in einigen Jahren dann neuere Studien zeigen. Derzeit ist eine hohe Skepsis angebracht. Ein Handicap für eine erfolgreiche Resozialisierung wird sicherlich darin bestehen, dass nicht jeder die nötige Motivation aufbringt, sich weiter ausbilden zu lassen. So gaben in der genannten Erhebung von den 38 % derjenigen, die keine Berufsausbildung nachweisen konnten, nur etwa 20 % an, zur Durchführung einer Berufsausbildung motiviert zu sein. Ob dies resignierend hinzunehmen ist, wie das nach dem „Einheitlichen Niedersächsischen Vollzugskonzept“ (siehe oben) vom Niedersächsischen Justizministerium getan wird, ist allerdings höchst problematisch, zeugt es doch von einer mangelnden Bereitschaft, für die Ziele des sozialen Rechtsstaates die nötigen Bedingungen zu schaffen. Die mangelnde Bereitschaft, die Regelungen des bisher gültigen Strafvollzugsgesetzes in der Praxis auch umzusetzen und die damit einhergehenden unzureichenden Ergebnisse bei der Resozialisierung sollten nicht als rechtfertigende Gründe für eine Verschärfung der gesetzlichen Regeln im neuen Niedersächsischen Justizvollzugsgesetz benutzt werden. So wird Kriminalität nicht bekämpft! UM 25 Recht & Soziales ο Der Vollstreckungsplan ο Wer kommt in die Oldenburger JVA? Niedersachsen verfügt über 14 Justizvollzugsanstalten mit über 30 Abteilungen (Stand 2006), die über das ganze Land verteilt sind. In ihnen sind rund 6.800 Personen (Stand 2006) inhaftiert, von denen rund 59 % eine Freiheits- und 21 % eine Jugendstrafe verbüßen. 15 % sind Untersuchungsgefangene und 1 % der Gefangenen befindet sich in Abschiebehaft. Etwa 25 % aller Gefangenen sind Ausländer. Der Anteil der Frauen liegt bei etwa 5 %. Niedersachsen hat den Vollzug der Freiheitsstrafe und der Sicherungsverwahrung an männlichen Verurteilten (wie auch der anderen Verurteilten) in einem Vollstreckungsplan festgelegt. Den Vollzugsanstalten sind je nach ihren vollzuglichen Möglichkeiten und Ausrichtungen Aufgaben nach dem Vollstreckungsplan zugewiesen. Die Zuständigkeiten liegen auf sowohl sachlicher als auch örtlicher (Gerichtsbezirke) Ebene. In dieser Darstellung soll nur auf die Zuständigkeiten aus Oldenburger Sicht eingegangen werden. Danach sind alle erwachsenen Verurteilten mit lebenslanger Freiheitsstrafe sowie mit einer Vollzugsdauer von mehr als 14 Jahren in die JVA Celle einzuweisen. Das bedeutet nicht, dass sie dort auch über die gesamte Haftdauer verbleiben. Die übrigen Verurteilten werden unterteilt nach Verurteilten, die zum Zeitpunkt der Einweisung zum Vollzug der Freiheitsstrafe(n): • das einundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet haben und einer Vollzugsdauer ο ο ο bis zu einem Monat oder bis zu einem Jahr und mehr als 1 Jahr. • das vierundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet haben und einer Vollzugsdauer ο ο ο ο 26 bis zu einem Jahr für den Erstvollzug oder bis zu einem Jahr bei einer Vorverbüßungszeit bis zu 6 Monaten oder bis zu einem Jahr bei einer Vorverbüßungszeit von mehr als 6 Monaten bis zu einem Jahr oder bis zu einem Jahr bei einer Vorverbüßungszeit von über einem Jahr oder Osterholz-Scharmbek; offener Vollzug*; ** Syke; offener Vollzug* • LG Aurich; dort für die Amtsgerichtsbezirke: ο ο ο ο ο ο ο ο von mehr als einem Jahr bis zu 5 Jahren (Erst- und Regelvollzug) oder von mehr als 5 Jahren, soweit sie dem Regelvollzug zuzurechnen sind. Die dann übrigen Verurteilten werden nach der Zuordnung der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit eingewiesen. Emden; offener Vollzug*; ** und geschlossener Vollzug über 5 – 14 Jahre*** Leer; offener Vollzug*; ** und geschlossener Vollzug über 5 – 14 Jahre*** Norden; offener Vollzug*; ** und geschlossener Vollzug über 5 – 14 Jahre*** ο von mehr als 5 Jahren oder von mehr als 5 Jahren für den Erstvollzug und Aurich; offener Vollzug*; ** und geschlossener Vollzug über 5 – 14 Jahre*** • Wittmund; offener Vollzug*; ** und geschlossener Vollzug über 5 – 14 Jahre*** LG Oldenburg; dort für die Amtsgerichtsbezirke: ο ο Brake; offener Vollzug*; ** und geschlossener Vollzug über 5 – 14 Jahre*** Cloppenburg; geschlossener Vollzug über 5 – 14 Jahre*** Sachliche Zuständigkeit für den Vollzug der Freiheitsstrafe (mä Vollzugsform Verurteilter in Haft Vorverbüßungszeit (Monate) Vollzugsdauer bis 2 Jahre Vollzugsdauer über 2 – 4 Jahre Vollzugsdauer über 4 – 14 Jahre ERSTVOLLZUG nein REGELV ja entfällt Anstalten und Abteilungen des offenen Vollzuges Anstalten und Anstalten des Abteilungen geschlossenen des offenen Vollzuges bis Vollzuges 5 Jahre Anstalten des geschlossenen Vollzuges bis 5 Jahre bzw. Anstalten des geschlossenen Vollzuges über 5 – 14 Jahre Die JVA Oldenburg ist nach dem Vollstreckungsplan im Wesentlichen für die Bezirke der Landgerichte • LG Stade; dort für die Amtsgerichtsbe- bis 6 Anstalten Anstalten und Abteiund Abteilungen des lungen des offenen offenen Vollzuges Vollzuges Anstalten und Abteilungen des offenen Vollzuges Bremervörde; offener Vollzug*; ** ο ο ο Cuxhaven; offener Vollzug*; ** Langen; offener Vollzug*; ** Otterndorf; offener Vollzug*; ** ο Stade; offener Vollzug*; ** Zeven; offener Vollzug* • LG Verden; dort für die Amtsgerichtsbe- ο zirke: ο Diepholz; geschlossener Vollzug über 5 – 14 Jahre*** Tr§tzdem 2007 Nr. 38 über 30 Anstalten Anstalten des und Abteigeschlossenen lungen des Vollzuges bis offenen 5 Jahre Vollzuges Anstalten des geschlossenen Vollzuges bis 5 Jahre Anstalten des geschlossenen Vollzuges bis 5 Jahre bzw. zirke: ο ο ο ο ο ο über 6 - 12 nein über 12 - 30 ο Delmenhorst; offener Vollzug* und geschlossener Vollzug über 5 – 14 Jahre*** Jever; offener Vollzug*; ** und geschlossener Vollzug über 5 – 14 Jahre*** Nordenham; offener Vollzug*; ** und geschlossener Vollzug über 5 – 14 Jahre*** Oldenburg; offener Vollzug*; ** und geschlossener Vollzug über 5 – 14 Jahre*** Varel; offener Vollzug*; ** und geschlossener Vollzug über 5 – 14 Jahre*** Westerstede; offener Vollzug* und geschlossener Vollzug über 5 – 14 Jahre*** Recht & Soziales ο Wildeshausen; offener Vollzug* und geschlossener Vollzug über 5 – 14 Jahre*** ο • Wilhelmshaven; offener Vollzug*; ** und geschlossener Vollzug über 5 – 14 Jahre*** LG Osnabrück; dort für die Amtsgerichtsbezirke: ο ο ο ο ο ο Bersenbrück; geschlossener Vollzug über 5 – 14 Jahre*** Bad Iburg; geschlossener Vollzug über 5 – 14 Jahre*** Lingen; geschlossener Vollzug über 5 – 14 Jahre*** Meppen; geschlossener Vollzug über 5 – 14 Jahre*** Nordhorn; geschlossener Vollzug über 5 – 14 Jahre*** Osnabrück; geschlossener Vollzug über 5 – 14 Jahre*** ο Papenburg; geschlossener Vollzug über 5 – 14 Jahre*** Die mit * versehenen Zuständigkeiten betreffen Verurteilte im Erstvollzug und diejenigen im Regelvollzug, die bis 6 Monate Vorverbüßungszeit aufweisen (unabhängig davon, ob sich der Verurteilte in Haft oder nicht in ännliche Verurteilte) VOLLZUG Ja bis 6 über 6 - 12 über 12 - 30 über 30 Anstalten und Abteilungen des offenen Vollzuges Anstalten und Abteilungen des offenen Vollzuges Anstalten und Abteilungen des offenen Vollzuges Anstalten des geschlossenen Vollzuges bis 5 Jahre Anstalten des geschlossenen Vollzuges bis 5 Jahre Anstalten des geschlossenen Vollzuges über 5 – 14 Jahre Haft befindet); die mit ** versehenen Zuständigkeiten betreffen Verurteilte im Regelvollzug, die über 6 bis 12 Monate und über 12 bis 30 Monate Vorverbüßungszeit aufweisen (unabhängig davon, ob sich der Verurteilte in Haft oder nicht in Haft befindet); bei den mit *** versehenen Zuständigkeiten für die JVA Oldenburg wird die JVA für die EWK (Einweisungskonferenz) West tätig (unabhängig davon, ob Erstvollzug oder Regelvollzug vorliegt und sich der Verurteilte in Haft oder nicht in Haft befindet). Die EWK West umfasst die JVAen Oldenburg, Lingen, Lingen-Damaschke, Meppen, Aurich, Emden und Vechta. Neben den Zuständigkeiten für den Strafvollzug ist die JVA Oldenburg hauptsächlich entsprechend der ursprünglichen Bestimmung Haftanstalt für Untersuchungshäftlinge. UM Anstieg der Gefangenenzahlen Der Anstieg der Gefangenenzahlen in Niedersachsen, warum? Kriminalitätsentwicklung oder Politikveränderung? Die Autoren Stefan Suhling und Tilmann Schott haben für das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen e. V. (KFN) den „Anstieg der Gefangenenzahlen in Deutschland, Folge der Kriminalitätsentwicklung oder wachsender Strafhärte?“ untersucht, veröffentlicht im Forschungsbericht Nr. 84 in 2001. Aus diesem Forschungsbericht haben wir einige wesentliche Ergebnisse entnommen und uns insbesondere auf die niedersächsischen Verhältnisse konzentriert. Hierbei haben wir Aspekte herausgestellt, die Belege für die These sein können, dass die Gefangenenzahlen nicht hauptsächlich aufgrund veränderter Kriminalitätsverhältnisse angestiegen sind, sondern aufgrund politisch motivierter Veränderungen. Zur differenzierteren Betrachtung und zur Vervollständigung der Informationen empfehlen wir die Lektüre des Forschungsberichts. Ebenfalls haben wir Daten aus einem Aufsatz von Prof. Frieder Dünkel und Bernd Geng mit dem Titel „Aktuelle Daten zum Strafvollzug in Deutschland“, abgedruckt in der Zeitschrift „Forum Strafvollzug“ 1/2007, entnommen und im o. g. Sinne verarbeitet. Zunahme der Haftraumkapazität Steigende Haftzahlen, Überbelegungen und Ausbaupläne der Justizvollzugsanstalten waren und sind in Deutschland zu verzeichnen. Auf Basis einer Erhebung vom Mai 2000 bestanden in Deutschland 75.847 Haftplätze. Geplant war die Schließung von 2.999 und der Neubau von 12.025 Haftplätzen, davon in den alten Bundesländern 1.497 bzw. 7.136 Plätze. Davon wiederum in Niedersachsen 60 bzw. 1.400 Plätze. Das bedeutete eine Nettosteigerung von 15,9 % für Deutschland, 11,1 % für die alten Bundesländer und 22,2 % in Niedersachsen. Niedersachsen war damit das Bundesland, das, abgesehen von den neuen Bundesländern (die einen sehr hohen Nachholbedarf hatten), den höchsten Zuwachs plante. Dafür waren seinerzeit 214 Mio. Euro Baukosten vorgesehen (Deutschland insgesamt: 1,427 Mrd.). Warum war nun die Haftraumkapazität erforderlich, soweit sie nicht durch eine Überbelegung (vornehmlich in den neuen Bundesländern) angezeigt war? 31.12.2006 in Niedersachsen ein Zuwachs von 15,0 % eingetreten (alte Bundesländer: + 9,8 %; neue BL.: + 63,3 %; Deutschland insg.: +16,5 %). Damit liegt Niedersachsen mit einer Rate von 82,8 um 48 % über der von SchleswigHolstein (55,9), das eher skandinavischen Konzepten folgt, und 13,1 % unter dem Wert für Deutschland insgesamt. Angesichts einer relativ vergleichbaren Kriminalitätsbelastung z. B. in Mecklenburg-Vorpommern (Tatverdächtigenbelastungszahl, TVBZ, 2005: 3.160, die zu einer Gefangenenrate von 96 führt) im Vergleich zu SchleswigHolstein (TVBZ: 2.785), die ihrerseits bedeutend über denjenigen in Bayern (TVBZ: 2.223; Gefangenenrate: 99) oder Baden-Württemberg (TVBZ: 2.023; Gefangenenrate: 76) liegen, wird deutlich, dass Gefangenenraten nicht Schicksal, sondern in erster Linie Ergebnis kriminalpolitischer Orientierungen und der justiziellen Entscheidungspraxis sind. Der Anstieg der Gefangenenrate von 63 % in den neuen und knapp 10 % in den alten Bundesländern seit 1995 hat also weniger mit der Kriminalitätsentwicklung als mit anderen Faktoren zu tun, z. B. der Strafrechtsreformgesetze von 1998 (Gesetze zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderer gefährlicher Fortsetzung auf Seite 28 Humor Ein Angetrunkener lallt an der Theke zur Bardame: „Ich habe nur Pech in der Ehe. Zweimal war ich verheiratet – meine erste Frau starb an einer Pilzvergiftung und meine zweite an einem Schädelbruch…“ „Das ist ja grauenvoll! Wie ist denn das mit ihrer zweiten Frau passiert?“ – „Sie wollte die Pilze nicht essen…“ Einflussgrößen: Kriminalpolitische Orientierung und justizielle Entscheidungspraxis Betrachtet man zunächst die Gefangenenraten (Gefangene pro 100.000 der Bevölkerung), so ist seit 1995 bis zum Tr§tzdem 2007 Nr. 38 27 Recht & Soziales Fortsetzung von Seite 27 Straftaten). So hat sich die Strafzumessungspraxis in Niedersachsen in den 1990er Jahren im Gegensatz zu Schleswig-Holstein gemäß der o. g. Studie von Suhling/Schott verschärft. Bemerkenswert ist auch, dass sich zwischen 1996 und 2006 der Anteil der Strafgefangenen im offenen Vollzug in Niedersachsen von 28,4 % auf 19,1 % zurückentwickelt hat (Bund: 20,8 % auf 15,9 %), was ebenfalls auf einen Politikwechsel hindeutet. Die starke politische Beeinflussung der Gefangenenzahlen ist für die alten Bundesländer schon seit längerem zu beobachten. Gab es 1980 noch eine absolute Gefangenenzahl (Anzahl der Personen, die innerhalb eines Jahres in Haft sind) von ca. 165.000 Gefangenen, so schwoll der Wert 1982 auf 180.000 an, was zu einer starken Überbelegung führte und worauf die Politik mit Stopp des Vollzugs oder der Zurückstellung der Vollstreckung reagierte. Bis Ende der 1980er Jahre fiel die Anzahl auf ca. 143.000 zurück und erfuhr dann allerdings Anfang der 1990er Jahre einen starken Anstieg, der 1998 auf ein Niveau von ca. 200.000 (+36 %) führte. Die mittlere Belegung wuchs in dem Zeitraum um 30% von 50.661 auf 65.851. Dies war nicht durch eine Zunahme der strafmündigen Bevölkerung in Deutschland indiziert, die in dem Zeitraum 1990/1998 um 4,5 % wuchs, und auch nicht durch die Anzahl der Straftaten (ohne Verkehr: + 10,4 %). Lediglich die Zahl der Angeklagten nahm um 17,7% und die der Verurteilten um 22,1% zu; die Summe der verhängten Haftjahre stieg um 40,2 %. Es wurde also mehr und härter verurteilt. In Niedersachsen fiel die Gefangenenzahl von 1980 bis 1990 um -7,1 %, um allerdings von 1990 auf 1998 um 55,0% auf 21.864 zu steigen (mittlere Belegung: 6.514). Dass dies nicht der allgemeinen Entwicklung in Deutschland geschuldet war, ist wiederum an den Vergleichszahlen aus SchleswigHolstein zu erkennen. Während in Niedersachsen die Summe der Haftjahre um 42,8 % stieg (bei 5,2 % Zuwachs der strafmündigen Bevölkerung), lag der Wert in Schleswig-Holstein bei + 9,7 % (+ 3,9 %). Deliktsspezifisch waren die Unterschiede differenzierter, z. B.: Gewaltdelikte: 54,4 % (9,6 %); Diebstahlsund Vermögensdelikte: 24,9 % (0,2 %); Drogendelikte: 65,0 % (52,5 %). Bei der 28 Gab es im Bezirk Oldenburg nur einen Zuwachs von 3,6 %, so stieg der Wert für Osnabrück um 89,6 % und für Bückeburg um 154,3 %. Bei der Veränderung der wegen Gewalttaten angeordneten Haftjahre liegt der Wert für Oldenburg bei 13,5 %, der für Hannover bei 124,7 %, für Verden bei 166% und für Aurich bei 169,6 %. Mithin haben die erkennenden Gerichte in den letztgenannten Bezirken den erheblichen Spielraum für eine Strafverschärfung extrem ausgenutzt. Spezifische regionale Gegebenheiten der Kriminalitätsentwicklungen haben aber ebenfalls eine Rolle gespielt. So hat sich die Zahl der Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) im Landgerichtsbezirk Osnabrück mehr als verdoppelt (+106,5%). Eine Erklärung bietet dafür die inzwischen unkontrollierte Grenze zu den Niederlanden, über die erfahrungsgemäß sehr viele Drogen nach Deutschland eingeführt werden. Politik füllt Knäste Strafverfolgung von Raubdelikten z. B. stieg in Niedersachsen die Summe der Haftjahre um 42,9 %, in SchleswigHolstein fiel der Wert um -4,1 %. Regionale Besonderheiten Waren schon die Unterschiede zwischen den Bundesländern Niedersachsen und Schleswig-Holstein signifikant, so sind die Veränderungen der zugemessenen Haftjahre in den Landesgerichtsbezirken in Niedersachsen beträchtlich. Registrierte Kriminalität und Strafverfolgung von Deutschen und Nichtdeutschen in Niedersachsen deutsch nichtdeutsch Zuwachs 90/91 97/98 90/91 97/98 deutsch Tatverdächtige Angeklagte Angeklagte pro 100 Tatverdächtige Freiheitsstrafen ohne Bew. Durchschnittliche Haftjahre Summe Haftjahre Haftjahre pro 100 Angeklagte 258.207 111.769 43,3% 289.799 121.429 41,9% 69.545 19.563 28,1% 79.728 30.868 38,7% 11,2% 8,6% Zuwachs nichtdeutsch 14,6% 57,8% 5.436 6.363 795 1.997 17,1% 151,2% 1,51 1,57 1,82 2,05 3,5% 12,8% 8.229,2 7,4 9.973,6 8,2 1.447,8 7,4 4.103,0 13,3 21,2% 11,6% 183,4% 79,6% Die Zunahme der Haftjahre nach Deliktgruppen, deutsche und nichtdeutsche Niedersachsen im Vergleich Niedersachsen Summe der Haftjahre Anteil Anteil 90/91 97/98 90/91 97/98 % % deutsch 8.735,9 10.417,6 95,6 71,5 nichtdeutsch 1.464,1 4.151,1 14,4 28,5 Delikte Gesamt davon: Gewaltdelikte Diebstähle/ Vermögensdel. Drogendelikte 90/91 zu 67/98 % 19,3 183,5 deutsch nichtdeutsch deutsch 2.782,4 478,1 3.533,8 3.488,5 1.545,6 3.901,3 85,3 14,7 89,2 69,3 30,7 79,4 25,4 223,3 10,4 nichtdeutsch deutsch nichtdeutsch 426,9 1.014,1 453,3 1.009,8 1.203,5 1.217,0 10,8 69,1 30,9 20,6 49,7 50,3 136,5 18,7 168,5 Tr§tzdem 2007 Nr. 38 Recht & Soziales Unterschiedliche Strafverfolgungspraxis Ein starker Anstieg der Gefangenenzahlen ist aber wohl auch aus der unterschiedlichen Strafverfolgungspraxis gegenüber Deutschen und Nichtdeutschen zu erklären. Zwischen 1990 und 1999 hat in den alten Bundesländern die Zahl der deutschen Strafgefangenen um 8,9 % zugenommen, die der Nichtdeutschen ist dagegen um 161,7 % angewachsen. Der Gesamtanstieg beruht daher zu 85,5 % auf dem Zuwachs inhaftierter Ausländer oder Staatenloser. Als Fazit kann festgestellt werden, dass der Anstieg der Gefangenenzahlen, insbesondere derjenigen in Niedersachsen, im Wesentlichen hervorgerufen wurde durch: • Strafrechtsreformgesetze von 1998 • Wachsende Strafhärte der Strafjustiz. • Nachhaltiger Kurs einer Strafverschärfung in einigen Landgerichtsbezirken Niedersachsens. • Wachsende Ungleichbehandlung von Deutschen und Ausländern. • Verschärfte Richtlinien der Landesjustizministerien (z. B. Einheitliches Niedersächsisches Vollzugskonzept, 2004) bzw. der Generalstaatsanwälte zum Entscheidungsverhalten. • Personalentscheidungen bei der Auswahl von Behördenleitern und Generalstaatsanwälten. • Bedrohungsgefühle der Allgemeinheit, besonders beeinflusst durch Emotionen bei Gewaltdelikten und Drogentätern. • Strafmentalität der Bevölkerung UM Vorurteil stimmt nicht Spätaussiedler nicht gewaltbereiter Es gehört zu den beliebten Vorurteilen, dass Spätaussiedler gewaltbereiter sind als andere Deutsche. Dazu stellt die Polizei in Leer fest: Russischstämmige Jugendliche sind nicht krimineller als andere Gruppen. Zehntausende Spätaussiedler haben in den vergangenen Jahren eine neue Heimat in der Region Leer (wie auch z. B. in den Landkreisen Cloppenburg und Vechta) gefunden. Raub, Körperverletzung, Diebstahl und Drogenkriminalität sind die Delikte, die vermehrt von russischen Spätaussiedlern begangen werden. Laut der Polizeiinspektion Leer/Emden gingen jedoch von den 8927 aufgeklärten Fällen im vergangenen Jahr lediglich 150 Taten auf das Konto von Spätaussiedlern. Das sind knapp 1,67 Prozent. Sie sind damit nicht krimineller, als andere Bevölkerungsgruppen. Dennoch liegen besondere Probleme vor, wie die Bewährungshilfe zu berichten weiß: Häufig ist es Frustration, die sie zu ihren Handlungen treibt. Dazu gehören Sprachschwierigkeiten und Probleme, sich in Deutschland zu integrieren. Sie fühlen sich von Deutschen abgehängt und entwickeln ein negatives Weltbild. Einige gleiten in die Drogenkriminatität ab oder schließen sich in Gruppen zusammen und bilden Subkulturen innerhalb der deutschen Gesellschaft. Einige Spätaussiedler haben ein grundsätzliches Misstrauen gegen staatliche Einrichtungen. Viele kommen aus Ländern mit zerrütteten politischen und sozialen Verhältnissen. Statt eines ordentlichen Rechtssystems erlebten sie eine „Allmacht krimineller Autoritäten und lernten, sich mit diesen Autoritäten zu arrangieren“. Gewalt hat innerhalb dieser Subkultur einen hohen Stellenwert. Vor allem die jugendlichen Nachkömmlinge, die hier geboren sind, versuchen, sich durch ihre körperliche Stärke zu definieren. Wenn sich die Frustration in Gewalt entlädt, bekommen die Täter ihrer Ansicht nach das, was ihnen die Gesellschaft verwehrt: Respekt! Daher sollten die Integrationsprogramme die Erfahrungen und die Lebenswelt der Aussiedler und die Hintergründe, die die Täter zu ihren Handlungen treiben, stärker berücksichtigen. UM Tr§tzdem 2007 Nr. 38 Kriminelle Karrieren Geh in die Politik, oder Du kommst irgendwann ins Gefängnis! (Zitat meines Großvaters) Das sagte mir mein Großvater anlässlich eines Spazierganges in Kassel, als ich, sechzehn Jahre alt, noch ein mehr oder weniger braver Zögling eines Edelinternats am Bodensee war. Ich komme noch mal darauf zurück. Mein Leben, eine Karriere? Kann ich nicht gerade sagen. Dazu ist das Wort Karriere zu positiv besetzt. In der Zeit zwischen Mai 1979 und bis zum Ende meiner jetzigen Strafe, im Februar 2008, werde ich ca. 16 Jahre im Knast verbracht haben. Gut, andere gehen 12 Jahre freiwillig zum Bund, schmeißen sich in den Dreck, wenn es ihnen befohlen wird, kommen womöglich mit einer Säuferleber aus der Kaserne und haben selten ein nennenswertes Vermögen auf der Seite. Ich für meinen Teil führte anfangs auch ein normales Leben, habe Abi gemacht, studiert und als Heimerzieher mit Jugendlichen aus kaputten Familien gearbeitet, die auf Weisung verschiedener Sozialämter aus dem gesamten Bundesgebiet in Heime verteilt wurden. Im April 1977, ich war gerade mal 24 Jahre alt, fing ich an zu junken. Ich hatte bis dahin nichts mit illegalen Drogen zu tun gehabt, nicht einmal einen Joint geraucht, und Alkohol war auch nicht mein Ding. Sofort schmiss ich meinen Job hin, war dann auch bald pleite, denn außer drei Magengeschwüren hatte ich keine Rücklagen aus meinem Job. Zum Klauen war ich zu feige, also musste ich schauen, wie ich an Geld kam, um meinen Bedarf an Heroin und Koks decken zu können. Zum Glück hatte ich in meinem Internat viel Wissen über die Zusammenhänge von Politik und Wirtschaft vermittelt bekommen und habe zudem während meines Studiums bei der Betriebswirtschaft hospitiert, das heißt ich war als Gasthörer eingeschrieben. Zudem hatte Österreich 1976 sein Bankengesetz geändert und so genannte „Micky-Maus“-Konten eingeFortsetzung auf Seite 30 29 Recht & Soziales Fortsetzung von Seite 29 Monate, ich „erlernte“ allerdings in dieser Zeit durch einen Mitgefangenen die führt. Also ging ich dran, das SchwarzFeinheiten des Subventionsbetruges. Im geld „braver“ Bürger – Zahnärzte, Juni `81 ging ich einigermaßen geläutert Rechtsanwälte usw. – kofferweise ins Kleine Walsertal zu verfrachten. Von den Provisionen konnte ich trotz meiner Sucht sehr gut leben und auch was sparen. Das erste Mal in meinem Leben, dass ich Rücklagen hatte. 1979, ich war durch `nen kalten Entzug schon ein Jahr clean (hatte aber binnen 9 Monaten mein Gewicht nahezu und mit dem ververdoppelt, denn schwommenen Vorich soff nun rund 2 satz: „Das tust du dir Liter weißen Rum nicht noch mal an“, am Tag), wurde ich raus. Noch hatte ich das erste Mal in ein Verfahren laufen, meinem Leben doch ich führte mich verhaftet. Zwar ganz ordentlich und kam ich nach 77 war für die Behörden Tagen U-Haft wiesolide geworden. der raus, war troLetztendlich wurde cken, aber ich hatte ich zu einer Gesamtdas erste Mal Haftfreiheitsstrafe von 34 luft geschnuppert. Monaten verdonnert, Nicht, dass es Wie gewonnen mir gefallen hätte, - so zerronnen? aber ich war jetzt wenigstens vom Alkohol weg. Dafür fing ich mit dem Kiffen an – und sorgte natürlich nach wie vor für meine Klienten, deren Anzahl sich mittlerweile erheblich vergrößert hatte. Im November `79, ich war immer noch 26, hatte meine Eigentumswohnung, genügend Geld in der Tasche und seit Jahren keine Steuern mehr bezahlt, wurde ich zum zweiten Mal verhaftet. Diesmal dauerte mein Aufenthalt länger, 17 ICH HÄTTE AUF MEINEN OPA HÖREN SOLLEN! allerdings mit durchgehend empfohlener Haftstrafe, die ich ja schon durch die 17 Monate weg hatte. Nur einer war nicht der Meinung, der Vorsitzende der Strafvollstreckungsbehörde Kassel, Dr. G. Der war der Ansicht, ich solle noch ein wenig büßen, zumindest mal bis zum 2/3-Zeitpunkt. Als ich im November `81 meine Strafe in Kassel antrat, war ich, gelinde gesagt, stinksauer. Noch vom Freigang aus leitete ich meinen ersten Subventionsbetrug ein, kassierte, gerade entlassen, im Sommer `82 die Früchte dieser Untat, musste dann allerdings das Land fluchtartig für zwei Jahre verlassen. `84 aus Irland zurück, meine Anwälte hatten mir den Rücken frei geschaufelt, ging ich dann den einmal eingeschlagenen Weg des leichten Gelderwerbs – Subventionsbetrug etc. – weiter. Bis `87 überstand ich weitere 5 Haftbefehle nahezu schadlos. Dann kam 30 Tr§tzdem 2007 Nr. 38 die erste, für mich richtige Kelle: Drei Jahre plus zweier Bewährungswiderrufe von insgesamt 20 Monaten. Zudem hatten sich reichlich Staatsschulden – zu Unrecht kassierte Subventionen + Steuerschulden – angehäuft. Dagegen standen Vermögenswerte, Immobilien und Bares, die sich im Besitz diverser Firmen befanden, während ich als offiziell arme Sau eine Eidesstattliche Versicherung abgegeben hatte. War ich klüger, als ich im Sommer `92 raus kam? Kann ich nicht sagen! Zwar hatte ich alles, von dem es heißt, dass man es zum Glücklichsein braucht, aber ich war noch keine 40 und noch lange nicht satt. Die Folge waren weitere Knastaufenthalte, `96 die „Rache“ des Staates (durch tätige Mithilfe meiner Lebensabschnittsgefährtin) in Form einer Beschlagnahmung all dessen, was ich bis dahin angehäuft hatte durch die obere Finanzdirektion München. Als ich im Juni `98, nach 18 Monaten aus der JVA Bernau (Bayern) entlassen wurde, hatte ich keinen festen Wohnsitz mehr, 100 Mark cash und eine Bahnfahrkarte nach München. Was nun, Herr Sch.? Wem es einmal richtig gut ging, sprich wer alles hatte, der hat keinen Bock auf einen normalen Job, kleines Geld, kleines Auto und Schuhkarton als Wohnung. Also in die Hände gespuckt; ein halbes Jahr malocht wie ein Irrer, bis zu 18 Stunden täglich, ohne Wochenende in bis zu drei Jobs – einen geschmeidigen Anlagebetrug einzufädeln ist nicht billig. Dann den geplanten Schlemm durchgezogen und gut so. Die drei Jahre, die ich dafür kassierte, standen in einem für mich akzeptablen Verhältnis. Die zwei Jahre, die ich zurzeit wegen einer vermeintlichen Erpressung abmachen muss, die standen in keinem Buch geschrieben. Sie waren das Ergebnis meiner Vorstrafen, denn merke: Wer so viele Vorstrafen hat, ist von vorne herein schuldiger als ein Solider. Das sage ich ohne die geringste Bitterkeit, es ist ein gerichtsbestätigter Fakt. Nun, ich werde mich im Februar 2008 aus meinem illegalen Gelderwerb zurückziehen, nach Frankreich gehen und meine Hobbys pflegen. Als Fazit bleibt nur eines anzumerken: ICH HÄTTE AUF MEINEN OPA HÖREN SOLLEN! Name der Redaktion bekannt Kultur — Ausland — Medien Literatur & Co. Spezial Aus der Bücherei: Der Hörbuch Club Seit September 2007 besteht die Möglichkeit, aus den rund 200 Titeln an Hörbüchern auszuleihen. Für alle, die es noch nicht wissen: Nur diejenigen, die dem Hörbuch Club beigetreten sind oder noch beitreten werden, können in den Hörgenuss kommen. Interessenten müssen dazu einen Antrag stellen. Mitglied können nur Gefangene werden, die über einen CD-Spieler verfügen. Jedes Mitglied verpflichtet sich, die CDs nicht weiterzuverleihen und erklärt sich damit einverstanden, dass bei Verlust oder Beschädigung der Sicherungskopie € 1,50 von seinem Konto für den Ersatz abgezogen werden. Eine Liste des Angebots wird an die Mitglieder des Clubs verteilt. Maximal 3 CDs pro Woche werden im Rahmen der samstäglichen Buchausleihe ausgegeben. Viel Spaß dabei, es lohnt sich! Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares (Fernando Pessoa) Der portugiesische Schriftsteller Fernando Pessoa hinterließ nach seinem durch eine Leberzirrhose bedingten frühzeitigem Ableben im Alter von 47 Jahren eine Truhe mit 27 543 Papieren, gefüllt mit handschriftlichen Fragmenten seines dichterischen Schaffens. Auch das „Buch der Unruhe“ besteht aus ca. 500 Fragmenten, die der Schweizer Verleger Egon Ammann zu einem Roman zusammengestellt und verdichtet hat. Im Stil zwischen Joyce und Kafka entsteht ein Konglomerat aus philosophischen, politischen und soziologischen Reflexionen und Beobachtungen, das sich zu erarbeiten lohnt. Keine einfache Kost, sondern gehaltreiche „Food for thoughts“. Berlin – Moskau, Eine Reise zu Fuß (Wolfgang Büscher, gelesen von Ulrich Matthes) Allein zu Fuß von Berlin nach Moskau? Was ist das für eine Idee, wer macht denn so was!? „Berlin – Moskau“ ist ein Reisebericht des Schriftstellers Wolfgang Büscher, der im Sommer 2001 den hier beschriebenen Weg auf der Suche nach der Geschichte seiner Vorfahren gegangen ist. Der Hörer wird von einem hervorragenden Sprecher auf eine Reise geschickt, die vor geschichtlichen und menschlichen Tragödien aus der Vergangenheit und Gegenwart strotzt, ohne dabei die Realität aus den Augen zu verlieren, dicht an wahren Begebenheiten entlanglaufend. Fazit: Sprachlich und inhaltlich äußerst empfehlenswert und auf hohem Niveau. Der Audio Verlag/RBB, 2006, 4 CDs, 313 Min., ISBN: 3-89813-509-8 Der >Audio< Verlag 2004, ISBN: 3-89813-293-5 Baudolino (Umberto Eco) Umberto Eco erzählt uns hier die frivolheitere Geschichte von Baudolino, der als Knabe in den italienischen Wäldern auf Kaiser Friedrich ‚Barbarossa’ trifft. Diesem berichtet er von einer angeblichen Vision, woraufhin der Kaiser ihn mit sich nimmt. Baudolino wird zum Adoptivsohn Friedrichs, studiert in Paris und lernt dort drei Gefährten kennen, die ihn sein Leben lang begleiten. Die Suche nach dem heiligen Gral und dem Königreich des Presbyters Johannes zieht sich wie ein roter Faden durch die Story. Dabei kann man bald nicht mehr zwischen Fiktion und historischer Erzählung unterscheiden. Selbst Baudolino verfällt seinen eigenen Halbwahrheiten. Aus einer einfachen Holzschale wird der Gral. Es tauchen gleich sieben Häupter der heiligen Johanna auf, das Leichentuch Jesu, die sterblichen Überreste der ‚Heiligen drei Könige’ usw. Alles in allem ein sehr gelungenes Hörspiel, dessen Dialoge nicht langatmig sind. Der beißende Spott und die Satire werden gut rübergebracht. Absolut empfehlenswert. Unter dem Eis (Gisa Klönne) Ein packender Hörbuchkrimi im Tatortstil um einen verschwundenen Jungen, eine vermisste Biologin, die in Kanada nach Eistauchern forscht, und ein Ermittlerpaar der Kölner Polizei, das dem Ganzen im Jahrhundertsommer anfänglich eher hilflos gegenüber steht. Spannend und gut gesprochen von Edda Fischer und Simon Roden. Unterhaltsam und spannend = lohnenswert. der hörverlag 2002, ISBN: 3-89584-506-X Steinbach Sprech. Bücher, 2004, 5 CDs, 339 Min., ISBN: 3-88698-702-7 Delta Entertainment, 2006, 3 CDs, 460 Minuten, ISBN: 3-86538-520-6 Veronika beschließt zu sterben (Paulo Coelho, gelesen von Ursula Illert) Das erste Buch des mittlerweile zum Weltstar gewordenen Autors erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die nach einem Selbstmordversuch in eine psychiatrische Klinik eingewiesen wird. Dort lernt sie unterschiedlichste menschliche Schicksale kennen und findet die Freude am Leben wieder. Ein stellenweise bewegendes Hörbuch mit unerwarteten Wendungen in der Story. Tr§tzdem 2007 Nr. 38 31 Kultur — Ausland — Medien Literatur & Co. Das Auge von Tibet (Eliot Pattison) Durch die Bücher von Eliot Pattison zieht sich wie ein roter Faden das Leben des jungen Mönches Shan. Er lässt ein Bild von der sanften Zurückhaltung im Buddhismus entstehen, versteht es aber ebenso gut, mit wenigen Worten eine spannende Atmosphäre zu schaffen. Bei der Verfolgung von Kunsträubern wird der Leser in die nicht ganz einfache Begriffswelt der Buddhistischen Religion eingeführt. Der Geburtstag des Dalai Lama ist der Ausgangspunkt, von dem aus ein verworrenes und oft nicht leicht zu durchschauendes Netz gesponnen wird, in dem internationale Namen auftauchen. Durch die fremde Sprache und die vielen Begriffe, auch wenn man sie am Ende des Buches nachschlagen kann, verliert man auf Teilstücken fast den Bezug zum Spannungsbogen, den die Geschichte macht. Grundsätzlich zu empfehlen, aber keine Lektüre für zwischendurch. Rütten & Loenning 2006, ISBN: 978-3-352-7466-1984-2, € 10,00 Das Ende ist mein Anfang (Tiziano Terzani) Tiziano Terzani verbringt die letzten Wochen seines Lebens mit seinem Sohn in der malerischen Kulisse der Toskana. Der Vater entfächert die Stationen seines buchstäblich bewegten Lebens und zieht dessen Summe. Gestartet ist der talentierte Italiener als engagierter Journalist, der in Vietnam und Kambodscha die Gräuel des Krieges kennen lernte. Aus dem Berichterstatter wurde der Erzähler, aus dem ruhelos Reisenden ein bewusst Suchender. China, Tibet, Indien bilden die markantesten Zäsuren seiner Lebensreise. Der alltäglichen, insbesondere politischen und wirtschaftlichen Realität kehrte er immer überzeugter den Rücken, es mehrten sich die Fragen, die eine nachdenkliche Natur begleiten wie das Hintergrundrauschen die kosmische Nacht. Seine Antworten ribbeln sich aus den besinnlichsten Nähkästchen der Philosophie. Die Welt ist nicht mehr zu retten. Aber das Leben ist wunderschön. Veränderung vermag der Einzelne nur in sich zu bewirken. Eingedenk dessen, dass der Einzelne nichts ist außerhalb der Umarmung des Ganzen. Und der Tod gehört zum Leben. Er ist freudig zu begrüßen. Was ein Leichtes ist, hat man erst einmal sämtliche Ängste vor dem Verlieren abgestreift. Beschaulich, weise, abgeklärt, wie sich seit Jahrtausenden die weißbärtige Gururiege immer mal wieder zu Wort meldet. Philosophisch die Morsezeichen einer romantischen Fledermaus, menschlich ein bewegender, beispielhafter Abschied. Tiziano Terzani ist ein selten seltsamer Fremdkörper im Spiegel unserer Zeit. Deutsche Verlags-Anstalt 2007, ISBN: 978-3-421-04292-7, € 19,95. God save the Queen (Ute Brammertz) Wer zwischendurch einmal herzhaft lachen möchte und schon mal mit den Tücken des Internets zu tun hatte, wird das kleine Büchlein begierig durchlesen. Zudem wird die Phantasie angeregt, welche „Irrsinnigen und absurden Übersetzungen aus dem Internet“ - so lautet auch der Untertitel - noch existieren mögen. Es bleibt nach dem Lesen ein Schmunzeln übrig. cadeau Verlag (Hoffmann und Campe) 2006, ISBN-10: 3-455-38003-3; ISBN-13: 978-3-455-38003-1, € 6,99. Rummelplatz (Werner Bräunig) Im Roman „Rummelplatz“ blickt Werner Bräunig, Jahrgang 1934, auf die Anfangsjahre der DDR; der erste Band endet mit dem 17. Juni 1953, dem ersten Arbeiteraufstand in einem sozialistischen Land. Schauplatz ist das Erzgebirge. Der dortige politisch eminent bedeutende Uranbergbau und eine Papierfabrik sowie ein trostloser Unterkunftsort für die Arbeiter bilden den gesellschaftlichen Rahmen. Schließlich sind es vier junge Leute, deren Start ins Leben dem Geschehen Gesichter verleiht. Mithin ein Roman über ein Kapitel der aktuellen deutsch-deutschen Geschichte. So weit, so gut. Eben nicht. Dieser Roman verkantet praktisch mit all seinen Achsen. Bräunig vermittelt Einblicke in die Arbeits- und Lebenswirklichkeit der Menschen, die vor keiner noch so bitteren Wahrheit haltmachen. Er demaskiert politische Ränkespiele, führt die leerspulenden Direktiven von Administration und Partei vor, zerlegt das Räderwerk der Bürokratie der sozialistischen Planwirtschaft und bügelt nebenbei dem Westen seine schwarze Weste glatt. All das in sachlich fundierter Form, sprachlich präzise, in einfühlsamer Bildhaftigkeit und unverblümter Drastik. Und zu keinem Zeitpunkt lässt er einen Zweifel zu: Hier kritisiert einer seine gesellschaftliche und geistige Heimat nur aus einem Grund: Aus der Hoffnung heraus, diese Chance des Neubeginns nach dem Faschismus nicht zu vermasseln. Für seine Zeit und sein System zu radikal. Der Roman wird verboten. Das sei kein sozialistischer Realismus, das sei Demagogie, dekadent, Dienst am Kapitalismus. Einem ideologisch verträglichen Umschreiben verweigert sich Bräunig letztlich durch das Fallenlassen des Rummelplatzes. Daran zerbrechend greift er zum Alkohol und lässt diesen bis zu seinem Tod mit 42 Jahren nicht mehr los. Dass dieser Roman nicht erscheinen durfte, beschämt den ostdeutschen Gegenentwurf einer sozialistischen Gesellschaft mehr als es jede direkte Kritik gekonnt hätte. Aufbau Verlag 2007, ISBN: 978-3-351-03210-4, € 24,95. 32 Tr§tzdem 2007 Nr. 38 Kultur — Ausland — Medien Literatur & Co. Ist zu exekutieren (Friedrich Karl Kaul) Das erstmals 1981 in der DDR erschienene Buch „Ist zu exekutieren“ von Prof. Friedrich Karl Kaul trägt den Untertitel „Ein Steckbrief der deutschen Klassenjustiz“. Am Beispiel der Ermordung von Ernst Thälmann im August 1944 versucht der Autor den Nachweis zu führen, dass die deutsche Justiz sich schon zum Ende der Weimarer Zeit der „braunen“ Ideologie genähert hatte, willig in der Nazizeit den Herrschenden diente und seine Vertreter sich ohne Brüche in die westdeutsche Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland integrieren ließen, wo sie schützend die Hand über Nazi-Verbrecher hielt. Es gelingt dem Autor vordergründig, und im Sinne seines Weltbildes, die Finger auf einige Erscheinungen der deutschen Justiz zu legen, auf die auch bei allem Wohlwollen „die Justiz“ nicht Stolz sein kann. Leider verliert das Buch beachtlich seine politisch-moralische Qualität durch die Neigung des Autors, sich nur die Brille seines Staates DDR aufzusetzen. Dennoch auch heute noch lesenswert. Neues Leben Verlags GmbH & Co. KG 2006, ISBN: 978-3-355-01724-4. Leyla (Feridun Zaimoglu) Die Geschichte der kleinen Leyla, die in ihrer Familie unter der tyrannischen Herrschaft ihres Vaters wie ihrer Geschwister und ihrer Mutter leidet und einen Ausweg sucht. Feridun Zaimoglu lässt den Leser am Lebensweg der Hauptfigur eine Weile teilhaben und gibt dabei Einblicke in Traditionen, Sitten und Gebräuche der Gesellschaft der 50er Jahre. An der Sprache, die der Autor verwendet, erkennt man, mit wie viel Gefühl hier ein Buch geschrieben wurde. Kiepenheuer & Witsch, 2006, ISBN 3-462-03696-3, € 22,90. Zombie (Joyce Carol Oates) Welcome to hell. Anders ist die Begegnung mit dem Roman „Zombie“ von Joyce Carol Oates nicht zu empfinden. Quentin P. ist ein Psychopath der Extraklasse, dessen persönliche Aufzeichnungen in ihrer lapidaren und geradezu infantilen Art das Grauen absolut beklemmend heraufbeschwören. Schon als Kind wird er auffällig. Doch erst als Erwachsener wird er erwischt. Eine Bewährungsstrafe inklusive Therapie. Von da an geht es los. Quentin hat einen Traum: Er möchte einen eigenen Zombie haben, ein vollkommen willenloses Wesen, das ihm als Meister gehorcht und ihn anbetet. Er weiß auch, wie es geht. Per Lobotomie. Er nimmt also einen Eispickel, stickt diesen über dem Auge ins Gehirn und entfernt Hirnmasse an neuralgischer Stelle. Leider überlebt das kein Opfer. Sämtliche Operationen enden in einer bestialischen Schlachterei, was seiner exzessiven Lust nicht den geringsten Abbruch tut. Das ist die eine Seite des Schreckens. Es gibt jedoch noch eine zweite. Dass seine Eltern und seine Großmutter ihn als lieben Jungen einstufen, liegt in mancher Natur der Sache. Doch dass die Psychologen nur aus der Langeweile ihrer Routine aufwachen, um von ihm ausgetrickst zu werden, dass er mit Bewährungshelfern ebenso wie Polizei kesse Spielchen treibt, damit schürt die renommierte Autorin Joyce Carol Oates nicht nur Stammtischvorurteile. Fest steht: Verglichen mit Quentin P. ist das hiesige Domizil ein Pfadfinderlager. Deutsche Verlags-Anstalt 2000, ISBN: 3-421-05178-X. Über Zweitausendeins zu beziehen für 12,99 € Die Gegen-Päpstin (Martina André) Ein wenig gequält kommt sie daher – die Geschichte. Nicht so sehr die Idee, die hinter dem Plot einer katholischen Kirche der Gleichberechtigung von Mann und Frau steht, vielmehr mangelt es an einigen Stellen am konstruktiven Aufbau, an der Logik der Geschichte. Andererseits ist es der Autorin durchaus gelungen, eine flotte Story (auch wenn sie allzu sehr an Dan Browns „Sakrileg“ erinnert) zu erzählen, die gewiss ihre Spannungsmomente aufweist. Aber auch da läuft es leider nicht immer ganz rund. Man könnte annehmen, Martina Antré ist von Zeit zu Zeit die Idee gekommen: “Ach, jetzt braucht es mal wieder eine Leiche“. Passt leider nicht immer. Nichts desto trotz, das Buch ist lesenswert für den, der auf Verschwörung und Amoral der Kirche steht. Aufbau Verlag 2007, ISBN: 978-3-7466-2323-8, € 9,95. Tannöd (Andrea Maria Schenkel) Dieses Buch hat nicht ohne Grund den deutschen Krimipreis 2007 erlangt. Dieser Krimi ist sehr spannend, sehr gut zu lesen, voller dramatischer Biographien in einer bäuerlichen Gegend der Nachkriegszeit. Und mittendrin der abstoßende Mord an einer ganzen Familie. Edition Nautilus, Verlag Lutz Schuleburg 2007, ISBN: 978-3-89401-479-7, € 12,90. Tr§tzdem 2007 Nr. 38 33 Kultur — Ausland — Medien Literatur & Co. Wer bin ich? 777 indiskrete Fragen (Rolf Dobelli) Möchten Sie wissen, unter welchen Umständen Sie gezeugt worden sind (in welcher Stellung die Zeugung genau erfolgte; ob es sich um einträchtigen Geschlechtsverkehr gehandelt hat oder nicht; ob Alkohol im Spiel war und, wenn ja, wie viel; welche Gedanken im Moment der Zeugung gedacht wurden)? Darf man jemanden, der belügt, belügen? Wen belügen Sie gelassener, die anderen oder sich selbst? Sammeln Sie das Mundwasser? Spucken Sie es in einen Becher? Betrachten Sie ihre Spucke? Und nun schlucken Sie sie wieder hinunter. Weshalb zögern Sie? Ein spannender Weg zur Selbsterkenntnis oder einfach nur ein lustiges, ironisches Gesellschaftsspiel? Jeder Leser, der sich mit den Fragen von Rolf Dobelli auseinandersetzt, kann dies in verschiedenen Themenbereichen wie z. B. Leben, Sex, Erfolg, Glauben oder Glück tun. Eine Lösung gibt es nicht, ebenso wenig eine richtige Antwort. Der Leser entscheidet für sich selbst, wieweit er sich auf die Fragen einlassen möchte und welche die passende Antwort ist. Es kann sich also sowohl um einen lustigen Zeitvertreib, aber auch um eine ernsthafte Methode handeln, sich einmal mit sich selbst auseinanderzusetzen. Das muss jeder für sich selbst entscheiden… Wer also Lust hat, ein wenig mehr über sich zu erfahren, sollte dieses Buch einmal ausleihen. Diogenes Verlag 2007, ISBN: 978-3-257-06563-3, € 14,90. Dossier K - Eine Ermittlung (Imre Kertész) Seinen autobiographischen Rückblick auf sein Leben und seine schriftstellerische Arbeit betitelt der Nobelpreisträger Imre Kertész „Dossier K. – Eine Ermittlung“. Dieser Titel ist eine bewusste Spiegelung der Tatsache, dass der Autor den größten Teil seines Lebens im Schatten einer rigiden Unfreiheit führen musste. Als 15-jähriger Junge wurde er nach Buchenwald und Auschwitz deportiert, es folgten Jahrzehnte einer anonymen Nichtexistenz im Räderwerk des Kommunismus. Schreiben wurde zur einzig denkbaren Daseins-, sprich Überlebensform. In seinen Büchern markiert K. Positionen, die ihn zum Außenseiter unter Außenseitern machen. Er, der den jüdischen Glauben weder praktiziert noch ihn als Atheist teilt, der ein Gegner sowohl der Orthodoxie als auch des Zionismus ist, wird als KZ-Häftling von der Geschichte zum Judesein verurteilt. Und gerade sein Überleben – von 17 eingefangenen Schülern überlebt alleine er – empfindet er als unauslöschliches Stigma, dem er sich mit seinem Schreiben entgegenstemmt. Und als alle 1989 der hereinbrechenden Freiheit in die Arme sinken, ist er es, der ihr genau auf die Finger schaut und all den an ihr klebenden Dreck benennt. Imre Kertész führt ein Selbstgespräch mit Imre Kertész. Die Frage-und-Antwort-Form ist sicherlich kein Zufall. Verhöre sind Dialoge unter dem Hoheitszeichen der Macht. Er befragt sich unter dem Verdikt der Wahrhaftigkeit. Und bekennt, dass sein Leben ein einziges Ringen um Antworten ist, niemals leugnend, dass die entscheidenden Fragen in Antwortlosigkeit münden. Ein lesenswertes Buch. Rowohlt Verlag 2006, ISBN-13: 978-3-498-03530-3, € 19,90. Das Tibetische Orakel (Eliot Pattison) Im Mittelpunkt dieser Mission des Exilchinesen Shan steht eine Expedition: Zusammen mit einer exotisch gewürfelten Gruppe soll er eine heilige Figur von einem entlegenen Ort Tibets zu einem noch entlegeneren Ort Tibets bringen. Doch wie ist das mysteriöse Interesse des chinesischen Militärs an dem Kultgegenstand zu erklären? Warum müssen Menschen ihr Leben dafür lassen? Bewegend ist, wie erstaunlich es der Autor Eliot Pattison weiterhin findet, dass der Himalaja so gebirgig ist. Ein Geisterlama hingegen bringt ihn nicht aus der Bahn. Auch Shans Gruppe vermag beinahe Jenseitiges aufzuweisen: Ein kleines Mädchen mit dem niedlichen Namen Anya, dessen epileptische Anfälle auf wundersame Weise geheilt werden, indem man sie „Orakel“ nennt, illuminiert die Expedition. Und wieder verdankt der Rezensent der 650 Seiten langen wiedergefundenen Magie eine fundamentale Erkenntnis. Bisher glaubte er, ein „Mantra“ sei eine religiös verankerte Konzentrationsübung. Nun weiß er es besser: Das tibetische Mantra versinnbildlicht exakt das, was im urdeutschen Ruhrpott dem Manta gelingt: Eine vollkommene spirituelle Hingabe – im Moment tiefergelegter Augen. Hieße das Werk „Ein literarisches Debakel“, wäre das Buch ein Knaller. Rütten & Loenning 2003, ISBN: 978-3-352-00594-X, € 24,90. Spruch „Die angenehmsten Menschen sind Männer mit Zukunft und Frauen mit Vergangenheit“ Oscar Wilde 34 Tr§tzdem 2007 Nr. 38 Kultur — Ausland — Medien Literatur & Co. Die dritte Jungfrau (Fred Vargas) Jean-Babtiste Adamsberg, Kommissar, erwirbt ein neues Haus. Schnell stellt er fest, dass es dort nicht mit rechten Dingen zugeht; treibt dort tatsächlich eine Nonne aus dem 18. Jahrhundert ihr Unwesen? Ein Doppelmord wird begangen. Zwei Männern wird mit einem Skalpell die Kehle durchgeschnitten. Kommissar Adamsberg macht sich auf die Suche nach einem Mörder, der sich nur als Schatten zeigt. Ein teuflisches Elixier aus einem Reliquienbuch des 17. Jahrhunderts, das zum Mordinstrument wird und die Dämonen einer weit zurückliegenden Vergangenheit mit denen der Kommissar sich plötzlich konfrontiert sieht; eine einsame Suche beginnt. Es gelingt Fred Vargas einmal mehr eine Geschichte von großer, tragischer Spannung zu erzählen. Grandiose Einfälle, literarische Dichte und psychologische Tiefe, gepaart mit jenem sprühenden Funken Humor, der Vargas’ Romanen so unnachahmlich macht. Wer bereits andere Romane von Fred Vargas gelesen hat, wird diesen sicherlich schon sehnsüchtig erwartet haben; allen anderen sei gesagt: „Unbedingt lesen!“ Aufbau Verlag 2007, ISBN-13: 978-3-351-03205-0, € 19,95. Tod in Blau (Susanne Goga) Berlin 1922. Arnold Wegner malt seine Zeit in starken Kontrasten. Armut und Luxus, Krieg und Vergnügungssucht, Krankheit und Irrsinn. Seine radikalen, provokanten Bilder erregen Bewunderung und Abscheu, lassen aber niemanden kalt. Als der Maler tot in seinem Atelier gefunden wird, führt eine erste Spur Kommissar Leo Wechsler zur rechtsextremen Asgard-Gesellschaft, in der viele ehemalige Offiziere verkehren. Gibt es möglicherweise auch eine Verbindung zu dem Toten am Landwehrkanal, bei dem ein Schriftwechsel mit der Asgard-Gesellschaft gefunden wurde? Die Ermittlungen kommen nicht recht voran, bis Leo Wechsler einen Hinweis von der avantgardistischen Tänzerin Thea Pabst erhält. Und es stellt sich heraus, dass es einen Zeugen gibt; der jedoch entzieht sich allen Befragungen durch die Polizei. Als habe sie Ort und Zeit selbst erlebt, bewegt sich Susanne Goga durch die Szenen ihres Romans. Berliner Lokalitäten, eine packende Handlung, lebhafte Dialogfolgen, sich kreuzende Handlungsstränge: „Tod in Blau“ hat alles, was ein richtig guter Krimi braucht. Einmal begonnen, wird man nicht mehr mit dem Lesen aufhören. Deutscher Taschenbuch Verlag 2007, ISBN-13: 978-3-423-24577-7, € 14,50. Der Berg der toten Tibeter (Eliot Pattison) Zwei Tibeter werden in recht verstümmeltem Zustand ermordet aufgefunden. Unter sofortigem Verdacht steht ein von Indizien stark belasteter Fremder, den allerdings vorläufig sein Koma vor Strafe bewahrt. Statt die offiziellen Stellen zu unterrichten – das wäre die chinesische Besatzungsmacht -, ruft der Dorfvorsteher Herrn Shan herbei, ein Exsträfling und nun annäherungsweise Tibets Derrick. Der stößt auf Hochgebirgsmachenschaften, auf eine intakte Geisterwelt und auf das strahlendste aller kriminellen Motive: auf Gold, um das sich in bewährter Manier die unterschiedlichsten Interessen ins verbrecherische Zeug legen. Doch im Himalaja herrscht noch Gerechtigkeit. Die Unschuld des Fremden – ein Navajo-Indianer, der ethnologische Studien treibt - wird ermittelt. Angesichts der Spiritualität, durch die die Zeilen knöcheltief waten, trumpft der folkloristische Krimi mit einem Highlight auf, einem bestrickend außergewöhnlichen Wort: Phantomphysiker. Uns Lesern wird der berühmteste Phantomphysiker vorgestellt. Wenn das nichts ist – in einem Buch, in dem für den Rezensenten die größte Spannung darin bestand, von der zweiten bis zur letzten Seite dem Phantom nachzujagen, wie das Geschriebenwordensein dieses Buches hätte verhindert werden können. Rütten & Loenning 2007, ISBN: 978-3-352-00734-7, € 19,90. Gesammelte Prosa (Loriot) Vicco von Bülow, alias Loriot, vielen bekannt durch seine Filme, zeigt durch diese Auswahl mit Werken aus seinem literarischen Lebenswerk, dass es ihm, egal auf welches Gebiet er sich begibt, stets gelingt, ein Lachen oder zumindest ein Schmunzeln ins Gesicht des Lesers zu zaubern, indem er ihm/ihr lediglich einen Spiegel vorhält – oder der Umwelt. Banale alltägliche Situationen dienen ihm für seinen Wortwitz oder die punktgenauen Pointen. In diesem Buch kann man die vielen Facetten von Humor bis hin zur Karikatur, die Bülow beherrscht, kennen lernen - besonders, wenn man sonst nur die heutzutage üblichen angeblich „humorigen“ Shows unserer privaten TV-Sender kennt. Für alle Leser, die gerne lachen und etwas Anspruchsvolleres erwarten, ein Muss. Diogenes, 2006, ISBN-10: 3-257-06481-0, ISBN-13: 978-3-257-06481-0, € 19,90 Tr§tzdem 2007 Nr. 38 35 Kultur — Ausland — Medien Weihnachtsgeschichte Weihnachten 2007 im Knast: Zeit des Hörens – Zeit des Schweigens Wir wünschen Ihnen von ganzem Herzen, dass Sie die Vorweihnachtszeit dazu nutzen können, in sich hinein zu horchen, sich selbst wieder zu finden. Um dann vielleicht den Engel zu erleben, den Jimi Hendrix in einem seiner schönsten Lieder beschreibt: Der alte Grieche Pythagoras verdonnerte in der Frühzeit jeden seiner neuen Schüler erst einmal zu fünf(!)-jährigem Well she’s walking through Sie bewegt sich in den Schweigen. Nur durch Zuhören the clouds Wolken kann man lernen; wer selbst redet, With a circus mind running Ihre Gedanken wandern umher, kann nicht hören, sagt Pythagoras. ‘round Butterflies and zebras Schmetterlinge und ZebNur in schweigendem Zuhören And moonbeams and fairy ras, kann das Individuum sich von der tales Mondstrahlen und alte Wahrheit des Gehörten überzeugen That’s all she ever thinks Sagen Ist alles, was Sie intereslassen, das Gehörte in die Seele about, Riding with the wind. siert eindringen, sich dort festsetzen und When I’m sad, she comes Dahin treibend im Wind. letztlich sein Eigen werden. to me Wenn ich traurig bin, Das Ohr ist das passivste und With a thousand smiles, kommt sie zu mir, gives to me free Sie schenkt mir ihr Lägleichzeitig aktivste der Sinnesor- she It’s alright she says, it’s cheln, gane, der einzige Sinn, den man alright Alles wird gut, sagt sie, selber nicht abstellen oder lahm Take anything you want alles wird gut. Nimm was Du brauchst legen kann. Denken wir an die Sage from me, anything von mir, egal was des Odysseus, der nur durch das Anything Egal was Verschließen der Ohren mit dem Fly on little wing, Flieg weiter kleiner Engel, Yeah, yeah, yeah, little Hilfsmittel des Wachses dem GeYeah, yeah, yeah, kleiner wing. sang der Sirenen trotzen konnte. Engel. Vernunft und Tugend können nur über das Ohr in die Seele eindringen. (Jimmi Hendrix—Little Wing) Anstand ist, beides in Taten umzusetzen. Frohe, stille Weihnachten wünschen Hören will gelernt und geübt sein. euch und euren Angehörigen die AnDabei gilt es nicht nur, Außengeräusche staltsseelsorger . und überflüssiges Geschwätz zu meiden, Angelika Menz, Norbert Kisse, ML auch das eigene Innere, die eigene Bockigkeit, Hör- und Dialogunwilligkeit, der Eigenwille verhindern ruhiges und konzentriertes Zuhören und damit Lernen, inneres Wachstum. Für Hildegard von Bingen ist Demut die Grundlage der inneren Wandlung und Zufriedenheit, vor allem die Demut des Schweigens. Der GeschwätNicht nur eine Personalie zige hört weder das Gesagte noch sich selbst. In nahezu hochmütiger SelbstverNeue Projekte möglich ständlichkeit und Selbstsicherheit fließt Mit der personellen Verstärkung des Bilsein Leben im Gerede dahin. Nichts dungsbereiches durch Herrn Oberlehrer kann er sich aneignen, niemals länger in Andreas Armbrecht seit Anfang Novemeine Richtung horchen. Schon gar nicht ber ist es der Anstalt möglich, noch mehr auf seine innere Stimme hören und sich Projekte durchzuführen. Zusätzlich dürfselbst ge-“horchen“. Nicht grundlos te aber auch eine positive Wirkung für heißt eines der meist gespielten Weihden Sportbereich eintreten, da Herr Dannachtslieder „Stille Nacht, Heilige nebaum in seiner Doppelbelastung für Nacht“, auch wenn es mittlerweile in den Sport- und den Bildungsbereich mit verschiedensten Versionen pervertiert der Entlastung durch Herrn Armbrecht wird. das Sportangebot wieder intensiver gesDie Weihnachtszeit im Knast bietet talten kann. zumindest einen Vorteil gegenüber der Mit dem Personalzugang setzt die Welt draußen: Hier kann man tatsächJVA Oldenburg den Weg fort, die Volllich leise sein und werden, hier gibt es zugsschwerpunkte noch stärker auf die weniger hektische Betriebsamkeit, weniresozialisierungsfördernden Bildungsger aufgepopte Weihnachtslieder, wenimaßnahmen auszurichten. ger akustische Umweltverschmutzung. UM 36 Tr§tzdem 2007 Nr. 38 Filmfestival Oldenburg in der JVA Das Ereignis des Haftjahres 2007 wird sicher das 14. Oldenburger Filmfestival mit der JVA als regulärem Aufführungsort gewesen sein. Nach dem „Vorspiel“ im letzten Jahr, der Aufführung des Dokumentarfilms „Mein Freund der Mörder“ im Rahmen des 13. Oldenburger Filmfestivals hier in der JVA, stand die JVA Oldenburg diesmal für fünf Filme Gefangenen und Besuchern zur Verfügung. Ein außergewöhnliches Event für eine JVA, das hohe Anforderungen an die Bediensteten stellte. Die haben das komplizierte Prozedere des Rein und Raus der verschiedenen Besuchergruppen, vom normalen Kinobesucher über © NWZ vo die Gefangenen, von den Kamerateams mehrerer Fernsehsender mit ihren speziellen Drehwünschen bis zum Umgang mit den Filmfest-VIPs hervorragend gemeistert. Warum tut sich eine JVA diesen über den gewöhnlichen Dienst hinausgehenden Stress überhaupt an? Um Gefangenen einmal im Jahr Gelegenheit zum „Kinobesuch“ der besonderen Art zu gewähren? Um mal wieder in der Tagespresse zu erscheinen, einen gewissen Ruhm und Abglanz des Filmfestes zu ergattern? So mag es dem misstrauischen und möglicherweise auch böswilligen Beobachter erscheinen, die wahren Motive sind jedoch völlig andere. Es geht tatsächlich um die Verbesserung des Verhältnisses von Innen- und Außenwelt, um die Aufweichung des Stigmas „Krimineller“ oder „Vorbestrafter“, die Verbesserung ge- Kultur — Ausland — Medien sellschaftlicher Chancen von straffällig gewordenen Menschen. Ohne einen solchen Anlass würde kaum ein Nichtstraffälliger auf die Idee kommen, ein Gefängnis zu besuchen, sich freiwillig mit dem Thema Haft auseinandersetzen, das ihm von der Boulevardpresse beinahe täglich reißerisch, meistens sachlich inkompetent und falsch dargestellt wird. Hier zählt nur der Nervenkitzel der Kriminalität für die Auflagen– und Quotensteigerung; dahinter stehende Menschen und Schicksale spielen keine Rolle. Die Einbeziehung der JVA als Austragungsstätte des Filmfests bietet in diesem Zusammenhang gleich zwei Chancen. Zum einen können sich Besucher aus erster Hand einen Eindruck von der Situation in einem modernen Gefängnis machen und so Ängste und Vorurteile durch eigene Erfahrungen abbauen. Zum anderen ist es ein ganz besonderes emotionales Erlebnis, in einem Gefängnis zusammen mit Inhaftierten Filme zu sehen, die das Thema Haftalltag, Straffälligkeit und m 17.09.07 Resozialisierung berühren. In diesem Sinn passte die diesjährige Auswahl der Filme wie die Faust aufs Auge. Angefangen bei „Underdogs“, der sich thematisch mit einer fiktiven Reso- Spielverderber D ´07, R: Henning Drechsler, Georg Nonnenmacher Mit Kevin Prösdorf, Herbert Fandel, Oreste Steiner zialisierungsmaßnahme für Strafgefangene beschäftigt, bis hin zu „Spielverderber“, einem Dokumentarfilm über die Ausbildung zum Schiedsrichter und die damit verbundene Reflexion über das „Entscheiden und Richten“. Bei „Underdogs“, der in diesem Jahr den Publikumspreis gewonnen hat, Deepfrozen LU ´06, R: Andy Bausch mit Peter Lohmeyer, Lale Yavas, Thierry Van Werveke, Ingrid Caven Underdogs D ´07, R: Jan Hinrik Drevs mit Thomas Sarbacher, Clelia Sarto, Hark Bohm, Kida Ramadan (Regie: Jan Hinrik Drevs, mit Thomas Saarbacher, der laut Premierengast Stacey Keach ein wenig Robert de Niro ähnelt) spürte das aus Gefangenen und Besuchern bestehende Premierenpublikum trotz aller Leichtigkeit des Films die im Thema steckende Ernsthaftigkeit, beeindruckt auch von prägnanten Bildern der JVA Bützow. Die dargestellte Öffnung der Gefühlswelten so genannter „harter“ Männer im Kontakt mit niedlichen, zu Blindenführern auszubildenden Hunden wurde überzeugend in Bilder umgesetzt. Das dahinter liegende Problem: Was macht man mit Straftätern? Lebenslang einsperren, aufs Abstellgleis schieben oder wieder in die Gesellschaft eingliedern trotz aller dabei möglicherweise auftretenden Schwierigkeiten und trotz aller Risiken? Der Film schafft es, an rührseligem Kitsch vorbeizukommen, sensibilisiert das Publikum für das Grundproblem, ohne sich jedoch allzu tief inhaltlich mit dem Thema Strafvollzug auseinanderzusetzen. Eine gute Möglichkeit zum Einstieg in das Thema. So war die Stimmung beim anschließenden gemeinsamen Büfett von Inhaftierten und Besuchern dann auch gut, es kamen viele Gesprächskontakte zwischen den Welten zustande. „Deepfrozen“ (Regie: Andy Bausch, mit Peter Lohmeyer, Lale Yavas, Thiery van Werveke und Ingrid Caven) beeindruckte durch seinen ausgefeilten schwarzen, geradezu gemeinen Tr§tzdem 2007 Nr. 38 Humor, der sich allerdings nicht allen Anwesenden erschloss. So erhielt der Film ein zweigeteiltes Echo, das von „hervorragend, zum Totlachen“ bis zu „langweilig, nichts los“ ging. Hier zeigte sich, dass nach dem zweiten Anschauen, der Wiederholung auf Gitternet, die Kritik deutlich besser ausfiel. „Alte Freunde“, ein deutscher Krimi mit Action und Spannung, gut ge- Alte Freunde D ´07, R: Friedemann Fromm mit Jürgen Vogel, Marie Bäumer, Jürgen Tonkel spielt von Jürgen Vogel und Marie Bäumer, wurde als gelungenes Unterhaltungskino bewertet. Die psychologisierende Ausarbeitung der Charaktere fiel den vielen Wendungen des Drehbuchs ein wenig zum Opfer. Trotzdem ein gelungener Film. Fortsetzung auf Seite 38 37 Kultur — Ausland — Medien Oldenburg Filmfestival vom 12. bis 16. September 2007, Spielort JVA Fortsetzung von Seite 37 Vertraute Angst D ´07, R: Christiane Balthasar mit Johanna Gastdorf, Mathias Brandt Besonders beeindruckend war „Vertraute Angst“, ein Film von Christiane Balthasar. Nachdem ein Familienvater im Zuge einer kurzzeitigen Angstpsychose sein eigenes Haus angesteckt und damit seine Familie in Gefahr gebracht hatte, kam er vier Jahre später aus der Psychiatrie zurück in deren Leben. Nun entspann sich ein äußerst spannendes Verwirrspiel um das Thema Vertrauen. Den Gästen entging wohl während mancher Filmszenen angesichts des Aufführungsortes nicht die Ähnlichkeit zur künftigen realen Situation manches Haftentlassenen. Sie sahen die Reaktionen der sozialen Umwelt, also im Film, ihre eigene, auf den durch den Vorfall Gebrandmarkten und machten sich ihre Gedanken, wie sie wohl auf solche Begebenheiten reagieren würden. Ebenso dachten die Inhaftierten an den Moment des Zurückkommens und die möglicherweise auftretenden Schwierigkeiten. So wurde durch den Aufführungsort die Wirkung des Films geradezu kongenial gestützt, ein echter Glücksgriff. Kein Wunder also, dass die meisten Besucher dieses Films sich sowohl für Führungen durchs Haus als auch für die Möglichkeit entschieden, den nachfolgenden Film „Spielverderber“ (Regie: Henning Drechsler und Georg Nonnenmacher) noch zu sehen. Hier passte die Auswahl des Films wieder perfekt zum Aufführungsort, hatte es doch im Frühjahr hier in der Anstalt einen Schiedsrichterlehrgang gegeben, der von etlichen Gefangenen abgeschlossen wurde. Einige Filmszenen erinnerten tatsächlich an diesen Kurs. Der Film insgesamt war dann allerdings eher etwas spröde, was an den 38 Weltpremiere! Schwierigkeiten des Genres Dokumentarfilm l i e g e n mag. Anders als bei dem im letzten Jahr in der JVA gezeigten Film über das Leben des Bernhard Kimmel „Mein Freund der Mörder“, gelang es nie, das Publikum ganz in den Bann zu ziehen. Wenn man dem deutschen Fifa-Schiedsrichter Herbert Fandel, einem engagierten und durchaus versierten Klavierspieler, bei den Versuchen der musikalischen Erziehung seines Sohnes zusieht, beschleicht einen doch eher ein beklemmendes Gefühl. Das „Richten und Entscheiden“ eines Schiedsrichters, die besondere Underdogs! (in seiner doppelten Bedeutung) Auftakt des diesjährigen Oldenburg Filmfestivals war die Eröffnungsgala am 12. September im Staatstheater in Oldenburg. Mit dem Eröffnungsfilm „Stellungswechsel“ und einem anschließenden Empfang feierten HollywoodStar Stacy Keach als Jury-Präsident, die deutschen Stars Herbert Knaup und Florian Lukas, Kulturminister Lutz Stratma n n , Ob er bürg er me is te r G erd Schwandner und viele prominente Gäste den Beginn des 14. Filmfestes. War dies schon ein bemerkenswert gelungenes Event (wie man der Presse entnehmen konnte), so stand die Premieren-Aufführung des Wettbewerbfilms „Underdogs“ in der neuen Spielstätte JVA Oldenburg beim Aufgebot an Medienvertretern und Prominenz dem Ereignis sicherlich nichts nach, denn mit der Spielstätte JVA ist Oldenburg das Stacy Keach, alias Mike Hammer, ein Weltstar in der JVA! Persönlichkeitsausprägung, die dies Hobby, dieser Beruf erfordert und dann selber schafft, erhält in einem Gefängnis eine ganz eigenartige Bedeutung. Das große Interesse der Besucher an den im Anschluss an die Filme angebotenen Führungen zeigt die Bereitschaft, sich mit dem Thema Straffälligkeit ein wenig auseinanderzusetzen, abseits von sensationsheischendem Journalismus. So gelang dem Filmfest genau das, was als Ziel angestrebt worden war: Eine Brücke zu schlagen zwischen Innen- und Außenwelt. Der Aufwand hat sich auf jeden Fall gelohnt, einen Dank an alle Beteiligten, die das mit ihrer Arbeit und ihrem Einsatz möglich gemacht haben. Markus Lanfer Tr§tzdem 2007 Nr. 38 erste Festival überhaupt, das sein reguläres Programm in einem Gefängnis zeigt. Dahinter steht der Gedanke, nicht nur den Gefängnisinsassen im Zuge ihrer Resozialisierung ein kulturelles Angebot zu machen, sondern auch den normalen Besuchern des Festivals Einblicke in die Gefängniswelt zu geben. Das Festival möchte eine Brücke zwischen der Innen- und Außenwelt schlagen; und wie hätte das besser geschehen können als durch den Premieren-Film „Underdogs“, der von einer mutigen Gefängnisdirektorin handelt, von einem skeptischen Staatssekretär und von fünf schweren Jungs, die nicht nur sich selbst, sondern auch das System retten müssen, indem sie in einem Versuchsprojekt im Knast Blindenhunde ausbilden. Kultur — Ausland — Medien Oldenburg Filmfestival vom 12. bis 16. September 2007, Spielort JVA Obwohl die Filmpräsentation erst um 16:00 Uhr beginnen sollte, warf das Ereignis schon ab der Mittagszeit seine Schatten voraus: Das erste Fernsehteam zog über die Flure, fing so manche für den Knast typischen Szenen ein und führte Interviews. Zunehmend machte sich bei der Anstaltsleitung und den Bediensteten Hektik und Anspannung breit, denn alles sollte gut vorbereitet sein. Ab 15:45 Uhr war es dann auch für die Gefangenen soweit. Nach einer Sicherheitskontrolle wurden diejenigen, die Interesse gezeigt hatten und die Voraussetzungen mitbrachten, in den bereits mit externen Gästen angefüllten und zum Kinosaal umgestalteten Kapellenraum geführt. Die „besten“ (vorderen) Plätze waren für die Gefangenen reserviert. Viel Applaus gab es bei der Begrüßung durch den Anstaltsleiter Gerd Koop für den Regisseur Jan Drevs, den Schauspieler Kida Ramadan, einem der Hauptdarsteller des Films, und dem Produzenten Ralph Schwingel. Mit Hinweis auf das Gestühl stimmte Herr Koop die Zuschauer auf das bevorstehende Kinoerlebnis mit den Worten: „Der Knast ist hart“, ein. Über 96 Minuten kamen dann alle ca. 120 Zuschauer in den Genuss eines Films, der über eine viele Gäste erschreckende Milieustudie der JVA Bützow (dem Drehort) hinaus tiefe Einblicke in das Knastleben bot, dazu noch eine anrührende Geschichte von harten Jungs, die durch die Ausbildungsarbeit mit Alle Rollen waren typgerecht von sehr guten Schauspielern besetzt und ließen durchaus Vergleiche zu manchen Personen zu, denen man auf den Fluren einer JVA (auch Oldenburg) begegnen kann. Die Begeisterung über den Film mündete zum Schluss in einen riesigen Applaus ein, den der Anstaltsleiter Koop zu nutzen wusste, um auf die auf die Bühne gebetenen „Macher“ des Films und den Leiter des Filmfestivals um die Philosophie: „Wir sind konsequent und liberal“ der von ihm geleiteten JVA allen Zuschauern ausführlich darzustellen. Humorig endete er mit der Bemerkung: „Wir geben ihrer Zukunft ein Zuhause!“ In der anschließenden Diskussion kam dann ein anregender Meinungsaustausch zwischen den Zuschauern und den Filmemachern zustande. Es wurde über die (nicht beabsichtigte) Botschaft des Films debattiert, und die Akteure konnten über den Drehort in Meckl e n b u r g - V o rpommern mit den dortigen vielfältigen Begegnungen berichten. Höhepunkt des Abends war für viele Zuschauer sicherlich der (Kurz-) Besuch des inzwischen 66jährigen Weltstars Stacy Keach, der durch die Figur des Mike Hammer bekannt geworden ist und der berichtete, dass er selbst auch schon in jungen Jahren Knasterfahrung sammeln konnte und daher die hiesigen Verhältnisse als komfortabel empfand. Sein bescheidenes Auftreten trug ihm viele Sympathien ein. Bei kleinen, sehr appetitlich angerichteten Schnittchen und alkoholfreien Getränken aus unserer, von Herrn Mohrhusen geleiteten Anstaltsküche, konnten viele Zuschauer (Besucher und Gefangene) ihren Meinungsaustausch fortsetzen. Der Kinoabend dürfte nicht nur für die Gefangenen ein großes Erlebnis gewesen sein. UM angehenden Blindenhunden zu einfühlsamen und resozialisierungsfähigen Inhaftierten wurden, und ein Hauptdarsteller (Thomas Sarbacher), der die in seiner Person liegenden Konflikte und die Beziehungskonflikte mit der attraktiven und aufgeschlossenen Gefängnisleiterin (Clelia Sarto) in beeindruckender Weise darzustellen wusste. Thorsten Neumann überzuleiten. Herr Koop nutzte auch die Gunst der Stunde, Jens Meggers Rechtsanwalt Fachanwalt für Strafrecht Thomas Klein Rechtsanwalt Fachanwalt für Strafrecht Thorsten Diekmeyer Rechtsanwalt Fachanwalt für Strafrecht Joë Thérond Rechtsanwalt Fachanwalt für Strafrecht Fachanwalt für Steuerrecht Seminarstr. 13/14 49074 Osnabrück Tel.: 0541/27030 Fax 0541/27128 Tr§tzdem 2007 Nr. 38 39 Kultur — Ausland — Medien Oldenburg Filmfestival vom 12. bis 16. September 2007, Spielort JVA Eine ganz neue Erfahrung Wie jedes Jahr fand auch in diesem Jahr zum 14. Mal das „Oldenburg Filmfestival“ statt, doch dieses Jahr gab es eine Weltpremiere. Zum ersten Mal war auch die JVA Oldenburg offizieller Übertragungsort von fünf Filmen. Damit konnte an die letztjährige Fotoausstellung „Innen-Welten“ und die Sondervorführung des Films „Mein Freund der Mörder“ angeknüpft werden. Mit diesen Ausstellungs- und Vorstellungsangeboten möchte die JVA Oldenburg den Menschen in der „Außenwelt“ näher bringen, dass die Menschen, die hinter den hohen Mauern leben und in ihrer Vergangenheit Fehler gemacht haben, wofür sie bestraft wurden, wieder, sobald sie ihre Strafe verbüßt haben, in der „Außenwelt“ ihre Nachbarn sein werden. Für diese Tatsache steht auch das Symbol der Brücke am Eingang vor der JVA. Derartige Veranstaltungen sollen helfen, die Gefangenen auf die Wiedereingliederung vorzubereiten, und sie sind somit ein Teil der Arbeit mit ihnen. Ich möchte noch erwähnen, da ich in meiner Vergangenheit wegen meiner Suchterkrankung am Leben vorbei gelebt habe, dass es für mich eine ganz neue Erfahrung ist, an solchen Veranstaltungen teilzunehmen. Ehrlich gesagt, es hat mir sehr gefallen, und ich hoffe sehr, dass solche Veranstaltungen auch nächstes Jahr wieder stattfinden werden. Patrick S. Stacy (Keach) meats Tom Das war eine Überraschung! Wer ist bereit, ein Interview zu geben? Viel Zeit zu überlegen blieb mir nicht, als der Anstaltsleiter Herr Koop in Begleitung des aus vielen Hollywood-Filmen und mit seiner Detektiv-Rolle in „Mike Hammer“ aus dem Fernsehen bekannten US-Schauspielers Stacy Keach mit einem Fernsehteam im Schlepptau in meinen Haftraum kam. Gut, dass ein Dolmetscher dabei war. So konnte ich auf die Frage, wie ich mich hier in der JVA fühle und welche Regeln gelten, ohne Verständigungsprobleme antworten, dass ich mich auf meiner Station, auf der sogenannte „Funktioner“ untergebracht sind, sehr wohl fühle, und wenn man sich an die Regeln hält und was leistet, das Leben erträglich ist. Von Stacy erfuhr ich dann, dass er vor einiger Zeit auch schon seine Erfahrungen mit dem Knast gemacht hatte; zwar nur für ein halbes Jahr, aber immerhin. So brachte er auch zum Ausdruck, dass die Hafträume hier sehr gut eingerichtet sind. 40 Einmalig in Deutschland! Auf seine Frage, ob ich mir das je vorgestellt hätte, mal einen bekannten Schauspieler kennen zu lernen, konnte ich nur antworten, dass ich mir so etwas nie hätte träumen lassen und dass das wohl nur im Knast möglich wäre. Meine Begeisterung konnte ich, so glaube ich, nicht verbergen. Sehr gefreut habe ich mich über das Autogramm. Mein Gast machte auf mich einen sehr sympathischen Eindruck und die Verabschiedung verlief dann sehr herzlich. Ich werde meine Begegnung mit Stacy Keach sicherlich nicht so schnell vergessen. Es gab auch noch eine Fortsetzung der Überraschungen: Das Fernsehteam kehrte nach dem „Stacy“- Besuch nochmals zurück, um noch einige Szenen zu drehen, und am nächsten Tag wurde ich bei der Zugangsschleuse zur Küche unüblicherweise aufgehalten; das gab meinen Kollegen die Möglichkeit, mir, der von „Stars“ besucht wird, einen roten Teppich auszulegen. So etwas kann man nur im Knast in der JVA Oldenburg erleben. Thomas S./UM Beiträge auf O1 über das Filmfest „Leute sind im Gefängnis, weil sie etwas falsch gemacht haben, etwas Böses. Und doch sind sie menschliche Wesen, und in den meisten Fällen ist Rehabilitation besser als reine Bestrafung. Ich hatte die Gelegenheit das Gefängnis in Oldenburg zu besuchen und mit dem Gefängnisdirektor zu reden. Es ist eine sehr beeindruckende Einrichtung. Meine Figur in der neuen Serie „Prison Break“ ist an so eine Figur angelehnt. Als ich vor einigen Jahren in England im Gefängnis war, entsprach der Charakter des damaligen Gefängnisdirektors, ähnlich auch dem von Herrn Koop, der Rolle, die ich in dieser Serie spiele und in deren Vordergrund die Resozialisierung der Gefangenen steht.“ (Originalton Stacey Keach auf O1). Tr§tzdem 2007 Nr. 38 Was für weise Worte aus dem Mund eines amerikanischen Filmstars. Markus Lanfer Zitate aus der Diskussion auf O1 über das Filmfest mit Naumann, Drevs, Koop Der Film „Underdogs“ lädt auf niveauvolle Weise dazu ein, sich mit dem Thema Strafvollzug zu beschäftigen. (Koop) Es ist uns ein Anliegen, den Festivalalltag, den Kulturalltag in die JVA zu tragen. Es sollten nicht extra Filme gesucht werden, die thematisch zu diesem speziellen Spielort passen. Die diesjährige Auswahl entspricht dem normalen Angebot des Filmfestivals, wobei wir natürlich die Chance genutzt haben, einen Film zur Uraufführung passend in die JVA zu verlegen. (Naumann) Im Gegensatz zum Beispiel zum Strafvollzug in den USA vermitteln wir eine ganz andere Botschaft. Wir müssen die Bedingungen dafür schaffen, dass die menschliche Härte in der JVA nicht weiter ausgebaut wird. Dazu gehört auch die Auseinandersetzung mit der Öffentlichkeit. Bei dem Büfett im Anschluss an die Eröffnung konnte man nicht unterscheiden, wer Strafgefangener und wer Besucher ist. Sie wissen nicht, wie vielen ehemaligen oder nicht verurteilten Straftätern sie in der letzten Woche begegnet sind. Der Film trägt dazu bei, miteinander zu reden und Vorurteile abzubauen. (Koop) Der Film drückt vieles aus dem Knastalltag aus. (Koop) Wir müssen die ehemaligen Straftäter nach verbüßter Haftzeit wieder in unsere Gesellschaft hinein lassen. Sonst produzieren wir Menschen, die schnell zurück ins Gefängnis kommen. (Koop) Das Vorbild für den Film „Underdogs“ ist ein reales Projekt zur Resozialisierung von Strafgefangenen in den USA. Theoretisch wäre das auch in Deutschland möglich. Durch den Umgang mit Tieren und der daraus resultierenden emotionalen Veränderung der Menschen entsteht eine ganz andere Stimmung im Gefängnis. (Drevs) Es war eine sehr interessante Erfahrung, vier Wochen in einer JVA zu sein. (Drevs) Die Kooperation zwischen Filmfestival und JVA soll im nächsten Jahr weiter gehen. (Naumann und Koop) Markus Lanfer Kultur — Ausland — Medien Gedichte Gedanken an zu Hause Der Gedanke Ich habe nur einen Gedanken, das ist der Gedanke an Dich. Ich habe nur einen Kummer, das Du auch denkst an mich. Ich habe nur einmal geweint, das waren Tränen an Dich. Und die sprachen leise: Ich liebe nur Dich! Gefangen! Ich halte es hier drinnen nicht mehr aus, ich hoffe, ich kann hier schnell wieder raus. Der Knastalltag kotzt mich an, etwas, an das ich mich wohl nie gewöhnen kann. Jeden Tag das Gleiche, ich fühle mich hier wie ein Leiche. Meine Gefühle sind wie tot, Seele aufgewühlt mit Schmerz und Not. Aus der Freiheit ausgewiesen, hier fühlt man sich oft beschissen. Jeden Tag der gleiche Mist, der sich in meine Seele frisst. Gequält von Gefühlen und Gedanken, müsste dringend Freiheit tanken. Langeweile jeden Tag, ein Gefühl, was hier wohl keiner mag. Freiheit, der Gedanke daran, ein Feeling, was ich nicht vergessen kann. Hätte nie gedacht, wenn der Mensch gefangen ist, dass das Wort ‚Freiheit‘ so unbeschreiblich wichtig ist. Ich hoffe, irgendwann, dass ich die Zeit im Knast verarbeiten kann. Vergessen, den Knast, nie und nimmer! Wann kann ich endlich raus, bin wieder irgendwo zu Haus? Irgendwann ist jeder wieder frei und lässt los einen Freudenschrei! Der Sinn des Lebens Jeder Mensch hat einen Sinn, ob er war oder ob ich bin. Wie lang wir leben und wann wir sterben, die Weisheit wird jeder noch erwerben. Vater, Mutter, Tochter, Sohn, jedermann bekommt seinen Lohn. Diesen Weg gemeinsam gehen Und am Ende werden alle sehen, dass wir nach dem Selben streben. „Der Sinn des Lebens ist der Sinn fürs Leben!“ Patrick Schöndorf Sorry! Und wir stehen uns gegenüber, doch wir fühlen uns allein. Und wir reden noch mal drüber, doch uns fällt nichts Neues ein. Und ich kann es nicht mehr ändern, habe ich Dich so tief berührt? Das habe ich nicht gewollt, aber es ist passiert…! Ich habe Dich oft verlassen, habe zu wenig nachgefragt. Wirst Du mich immer hassen? Du hast mal zu mir gesagt: Ich will nichts von Dir verpassen. Ich habe mich hoffnungslos verirrt. Das habe ich nicht gewollt, aber es ist passiert…! Nichts, was ich Dir noch sagen kann, was Du ohnehin schon weißt. Nur dass ich es nicht ertragen kann, wie unsere Welt zerreißt. Die Scherben liegen vor der Tür, krieg es nicht repariert. Das habe ich nicht gewollt, aber es ist passiert…! unbekannt Wie nenn ich Dich? Sieh, meine Lippen lahmen. Du bist der Anfang, der sich groß ergießt, ich bin das langsame und bange Amen, das deine Schönheit scheu beschließt. Ich sehe aus dem Fenster durch die Gitter und frage mich, was Du gerade machst, hast Du dieselben Gedanken? Schläfst Du, bist Du wach? Ich will zu Dir, ich würd am liebsten schrein, ich könnt durchdrehen, denn ich würde jetzt so gerne bei Dir sein. Wie ein brennender Schmerz, der mich zerfrisst, wenn Du nicht bei mir bist. Und wenn wir uns sehen und uns spüren, dann weiß ich, ich will Dich niemals verlieren, sag warum? Sag mir den Grund, warum es ohne Dich nicht geht. Schau mich an und glaube mir, dass mein Herz nur für Dich schlägt. Du gibst mir Kraft in dieser Zeit, ich will nur noch Dich bis in alle Ewigkeit. Von Knacki zu Knacki Meine Vergangenheit ist das, was man „nicht rosig“ nennt. Zu viele Dinge sind passiert, die heute jeder kennt. Ich kann damit leben, doch kennst du das auch, nur eure Lügen sind das, was ich nicht brauch. Ich hab nur ein Leben, nimm es, wie es ist. Mit allen Ecken und Kanten, und eins sei dir gewiss, im Grunde genommen ist mir das alles scheißegal. Denkt doch, was ihr wollt, ich kann euch nicht davor bewahren, urteilt, hört und seht, macht euch ein eigenes Bild. Entscheidet für euch selbst, das ist das, was ich will. Hans-Walter Lüke Rainer Maria Rilke Die Redaktion möchte alle kleinen oder großen Dichter ermuntern, uns Gedichte oder Kurzgeschichten zuzusenden. Tr§tzdem 2007 Nr. 38 41 Kultur — Ausland — Medien Tr§tzdem Advent Es blaut die Nacht, die Sternlein blinken, Schneeflöcklein leis herniedersinken. Auf Edeltännleins grünem Wipfel häuft sich ein kleiner weißer Zipfel. Und dort vom Fenster her durchbricht den dunklen Tann ein warmes Licht. Im Forsthaus kniet bei Kerzenschimmer die Försterin im Herrenzimmer. In dieser wunderschönen Nacht hat sie den Förster umgebracht. Er war ihr bei des Heimes Pflege seit langer Zeit schon sehr im Wege. So kam sie mit sich überein: am Niklasabend muss es sein. Und als das Rehlein ging zur Ruh’, das Häslein tat die Augen zu, erlegte sie direkt von vorn den Gatten über Kimm und Korn. Vom Knall geweckt rümpft nur der Hase zwei-, drei-, viermal die Schnuppernase und ruhet weiter süß im Dunkeln, derweil die Sternlein traurig funkeln. Und in der guten Stube drinnen, da läuft des Försters Blut von hinnen. Nun muss die Försterin sich eilen, den Gatten sauber zu zerteilen. Schnell hat sie ihn bis auf die Knochen nach Waidmanns Sitte aufgebrochen. Voll Sorgfalt legt sie Glied auf Glied (was der Gemahl bisher vermied)-, behält ein Teil Filet zurück als festtägliches Bratenstück und packt zum Schluss, es geht auf vier, die Reste in Geschenkpapier. Da tönt’s von fern wie Silberschellen, im Dorfe hört man Hunde bellen. Wer ist’s, der in so tiefer Nacht im Schnee noch seine Runde macht? Knecht Ruprecht kommt mit goldnem Schlitten auf einem Hirsch herangeritten! „He, gute Frau, habt ihr noch Sachen, die armen Menschen Freude machen?“ 42 Des Försters Haus ist tief verschneit, doch seine Frau steht schon bereit: „Die sechs Pakete, heil’ger Mann, ‚s alles, was ich geben kann.“ Die Silberschellen klingen leise, Knecht Ruprecht macht sich auf die Reise. im Försterhaus die Kerze brennt, ein Sternlein blinkt – es ist Advent. Silvester-Aussprache Also, Hermann, du kannst dich über das alte Jahr nun wirklich nicht beklagen. Als die Waschmaschine kaputtging, waren wir sehr froh, dass wir uns endlich eine neue anschaffen konnten. Und wenn mir der Fernsehapparat nicht runtergefallen wäre, hätten wir heute noch kein Farbgerät. Dann haben wir auch für den Mercedes sehr günstige Abzahlungsbedingungen bekommen, bloß weil ich mit dem Vertreter die zwei Wochen nach Paris gefahren bin. Und es war ja ein Glück, dass dir der Führerschein für zwei Jahre entzogen worden ist. Jetzt trinkst du wenigstens nicht mehr, und ich brauche den Wagen sowieso dauernd, wenn ich zum Reiten muss oder in den Tanzkurs. Und stell dir bitte vor, ich hätte das Magengeschwür bekommen und nicht du! Wer hätte wohl die ganzen Stellungsgesuche schreiben sollen, seit du Pleite gemacht hast! Und außerdem hat deine Frau in die Scheidung eingewilligt, und wir können jetzt endlich heiraten. Ich weiß wirklich nicht, was du hast. Aus: Loriot Gesammelte Prosa © 2006 by Diogenes Verlag AG Zürich Tr§tzdem 2007 Nr. 38 Hand aufs Hemd Neues aus dem Schatz des unfreiwilligen Humors Herausgegeben von Ernst Heimeran Goldmann-Taschenbuch Juristendeutsch Das sind so die Dinge, die man sich vor Augen halten muss, wenn man die Sache irgendwie betrachtet. Katheder-Blüten Stumme, die am Sprechen verhindert sind, können ihren Willen nicht mündlich erklären, denn sie können ja nicht reden. § An diesem Morgen geschah nun etwas gänzlich Unerwartetes, womit er nicht gerechnet hatte: Sein Wagen kam unterwegs mit einem andern in Kollision und – was er nicht gedacht hätte – er verunglückte dabei tödlich. § Kultur — Ausland — Medien Wir müssen lernen, die Dinge mit dem prozessualen Auge zu sehen und zu behandeln. § Wenn wir das gewusst hätten, dann hätten wir es ihm in die Bresche schlagen können. § Das Windei, das er zuerst losgelassen und in die Öffentlichkeit gesetzt hat, hat er jetzt wieder zurückgepfiffen. Aber jetzt hat er es dasitzen und die haben jetzt Wind gerochen. § Wir sollten ihm vielleicht wenigstens diesen Strohhalm geben, damit er sich daran stärken kann. § Man muss das dicke Ei auch von hinten sehen. § Nein danke, ich brauche es nicht mehr; es ist mir inzwischen wahrscheinlich eingefallen. Aus einem juristischen Lehrbuch Eine täuschende Handlung kann als strafbare Vermögensbeeinträchtigung durch Betrug nur dann angesehen werden, wenn sie rechtswidrig ist; rechtswidrig aber ist sie nur, wenn entweder derjenige, welcher, durch eine solche Handlung bewogen, etwas weggibt, ein anderes Interesse dabei habe, dass die Sache sich so, wie vorgegeben ist, verhalte, oder die Vorspiegelung musste den Getäuschten, im Falle dass das Vorgeben wahr gewesen, in die rechtliche Notwendigkeit versetzt haben, etwas wegzugeben. Aus einem Strafbefehl Sie haben zu Göppingen am…als Teilnehmer am öffentlichen Straßenverkehr sich nicht so verhalten, dass der Verkehr nicht gefährdet werden konnte und Ihr Verhalten nicht so eingerichtet, dass kein anderer geschädigt oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar, behindert und belästigt wurde, und in Tateinheit hiermit eine durch ein amtliches Verkehrszeichen getroffene Anordnung nicht befolgt und in Tateinheit hiermit die höchstzulässige Fahrgeschwindigkeit für Kraftfahrzeuge innerhalb einer geschlossenen Ortschaft überschritten und in Tateinheit hiermit an einer Straßenmündung das Vorfahrtsrecht des Benutzers der Hauptstraße nicht beachtet und in Tateinheit hiermit an einer unübersichtlichen Straßenstelle ein anderes Fahrzeug überholt und in Tateinheit hiermit durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung eines anderen verursacht. Aus polizeilichen Ermittlungsakten Im Protokoll eines Oberlandesgerichts mit der Zeugenaussage, dass der Zeuge in Richtung zu den Siemens-Werken gegangen sei, stand: Ich ging zu den Siebenzwergen. § Bruder hat Selbstmord begangen, nachdem er zuvor sein Kind erstickt hatte. Sonst keine Besonderheiten in der Familie. § Er lernte dort seine Frau kennen und heiratete diese auch später. Herr Herrmann Stephan bestreitet energisch, dass er irgendwelche sittlichen Berührungen mit Frl. Steinmüller hatte. Angeblich erwartet in Jena eine Dame von dem Beschuldigten ein Kind. Beide stehen seit einiger Zeit im Briefverkehr. § An der Hand erlitt ich eine Schnittwunde, in der ich meinen Hut festhielt. § Eine Zeugin hatte wegen ihrer Entbindung bei einem Beweisaufnahmetermin nicht vernommen werden können. Ein neuer Termin sollte anberaumt werden, der entsprechende Vermerk in den Akten lautet: Nachdem die Zeugin in der Zwischenzeit entbunden hat, kann sie wieder geladen werden. § Mit eventuellen früheren Diebstählen auf der gleichen Basis, die ich mit aller Entschiedenheit bestreiten muss, hat der Schlauch nichts zu tun. Aus Übungsarbeiten Rattengift ist kein gemeingefährliches Mittel. Es ist zwar in gewissem Sinn gemeingefährlich, aber nur für Ratten. § Es ist einem Förster erlaubt, auf Wilderer, sofern sie nicht seinem Begehren Folge zu leisten gewillt sind, zu schießen. § Er kann, weil er Förster ist, nicht aus Bestürzung, Furcht oder Schrecken handeln. § § Nach dem Unfall verspürte ich Kopfschmerzen und solche auch am linken Bein. Ein Hund ist eine Sache mit besonderer Qualifikation. § Seine Vorstrafen sprechen für sich und gegen ihn. § Wer vorsätzlich einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird mit Totschlag bestraft. § Der Kraftfahrer wollte vermutlich noch nach rechts ausweichen, welches ihm aber nicht gelang, da der Fußgänger im Vorderrad des Kraftrades hing. § Man nahm mich fest, bei einem Streit, wo ich die Polizei anrufen ließ, da man mit einem Bierglas nach mir schmiss und dieser Herr bereits betrunken war. § Tr§tzdem 2007 Nr. 38 43 Kultur — Ausland — Medien Auslandsinfo: Kasachstan Auslandsinfo: Kasachstan Von den Nachfolgestaaten der UdSSR ist Kasachstan nach Russland das zweitgrößte Land. Mit einer Fläche von über 2,7 Mio. km² ist es fünfmal so groß wie Frankreich. Der Landesname bedeutet so viel wie Land der Kasachen. Das Wort Kasach kann aus den Turksprachen sowohl mit Steppenreiter wie mit Unabhängiger übersetzt werden. Weite, hochliegende Ebenen prägen große Teile Kasachstans. Mehr als die Hälfte des Landes nehmen Steppen, Halbwüsten und Wüsten ein. Die Kaspische Senke liegt im Westen von Kasachstan, das zu den Anrainern des Kaspischen Meeres gehört. Im Norden hat Kasachstan Anteil am Uralgebirge und am Westsibirischen Tiefland. Das Zentrum des Landes besteht aus einer von einzelnen Höhenzügen unterbrochenen weiten Ebene, die von Westen nach Osten ansteigt. Durch den Altei im Osten verlaufen die Grenzen von Kasachstan zu Russland und China. Die Gebirgskette des Tian Shan prägen im Südosten und Süden die Grenzgebiete zu China, Kirgisistan und Usbekistan. Durch den im Süden des Landes liegenden 33.000 km² großen Aralsee verläuft die Grenze zu Turkmenistan. Es herrscht kontinentales, trockenes Klima mit kalten Wintern und heißen Sommern. Pro Jahr fallen durchschnittlich nur 115 mm Niederschlag. Die Vegetation wird von Norden nach Süden spärlicher. Viele Tierarten Kasachstans sind aufgrund von Bejagung, Umweltverschmutzung und durch ökologische Folgen der Bewässerungsprojekte extrem gefährdet. Im 1. Jahrhundert vor Christus wanderten ostiranische Nomadenstämme in die Steppengebiete Kasachstans ein. Unter ihnen waren z. B. die Skythen und die Saken. Sie wurden ab dem 1. Jh. v. Chr. von Turkvölkern und mongolischen Stämmen, die aus Zentralasien kamen, verdrängt. Im 8. Jh. errichtete das Turkvolk der Karluken ein Reich, aus dem im 10. Jh. das mächtige Karachaniden44 reich entstand, das weite Teile des heutigen Kasachstans umfasste. Der Mongolenherrscher DschingisKhan (1205-1227) eroberte zwischen 1219 und 1221 Kasachstan. Nach seinem Tod fiel Kasachstan an die Goldene Horde. Zwischen 1731 und 1746 unterstellten sich die Kasachen der russischen Oberhoheit. 1758 vernichtete das Chinesische Kaiserreich die Westmongolische Föderation. Von 1822 bis 1848 verleibte sich das Zarenreich die Nachfolgereiche der Goldenen Horde ein. Für Russland besaß Kasachstan als Siedlungskolonie größte Bedeutung. Nach der Oktoberrevolution in Russland 1917 war Kasachstan einer der Kriegsschauplätze des bis 1920 dauernden russischen Bürgerkriegs. Die Sowjets gründeten 1920 die Kirgisische ASSR. Sie wurde nach neuen Grenzfestlegungen 1925 in Kasachische ASSR umbenannt und 1936 zur Unionsrepublik umgewandelt. Am 16. Dezember 1991, kurz vor der Auflösung der UdSSR, erklärte KasachsTr§tzdem 2007 Nr. 38 tan seine volle Unabhängigkeit. Kasachstan hat sich als Mitglied der GUS eng an Russland angelehnt, hat aber auch gute Kontakte zur Türkei aufgebaut. Die Kasachen gingen aus der Verschmelzung von Mongolen und Turkvölkern hervor, die heute einen Anteil von 44 % der Gesamtbevölkerung stellen. Mehr als ein Drittel der Bevölkerung Kasachstans sind Russen. Ukrainer (5 %), Usbeken (2 %) und Tataren (2 %) sind weitere Minderheiten. Außerdem leben noch etwa 650.000 Deutschstämmige (4 %) in Kasachstan; jetzt sind es ca. 2,7 %, da viele nach Deutschland ausgesiedelt sind. Sie wurden im Zweiten Weltkrieg, als Stalin die Wolgarepublik auflösen ließ, nach Kasachstan zwangsumgesiedelt. Etwa 50 % der Kasachen sind sunnitische Moslems, die andere Hälfte gehört der russischorthodoxen Kirche an. Die einzige Amtssprache ist das Kasachische. Es gehört zu den Turksprachen und wurde bis 1928/29 in arabischer Schrift geschrieben. Bis 1941 verwendete man lateinische Schriftzeichen, die dann durch ein angepasstes kyrillisches Alphabet ersetzt wurden. Die wichtigste Verkehrssprache ist weiterhin Russisch. Kasachstan ist reich an Bodenschätzen. Die Erdölvorkommen am Kaspischen Meer werden seit 1960 ausgebeutet, und weitere Bodenschätze sind u. a. Kultur — Ausland — Medien Chrom-, Wolfram-, Kupfer-, Eisen-, Mangan-, Zinn-, Blei- und Bauxiterze. Auch Gold und Silber werden abgebaut. Die Industrialisierung wurde in sowjetischer Zeit vorangetrieben. Für die Landwirtschaft ist etwa ein Fünftel der Landesfläche nutzbar. Der wichtigste Handelspartner ist Russland. Die Kasachische Küche ist bekannt für ihre Hammel- und Pferdegerichte. Das Nationalgericht ist Beschbarmak und wird mit fettem und gekochtem Hammel- oder Pferdefleisch (oder beidem) zubereitet und mit Lasagneähnlichen, hauchdünn ausgerollten, gekochten Teigfladen mit der Hand (der Name bedeutet wörtlich „fünf Finger“) gegessen. Kasy, eine meist gekochte Wurst aus Pferdefleisch und Fett, wird auch oft mitgekocht oder dazu serviert. Weitere Gerichte nach landestypischer Art: Shal – geräucherter Pferdekamm, Suret-et – Räucherschinken vom Pferd, Schushuk – kasachische Pferdewurst, Karta – kasachische Pferdedärme, Aschy-sorpa – kasachische Suppe aus Hammel- und Pferdefleisch und Susduk – Soße zum kasachischen Beschbarmak. Kasachstan ist für seine Sauermilcherzeugnisse, wie dem Nationalgetränk Kumis – gegorene Stutenmilch und Schuwat – gegorene Kamelmilch, bekannt. In Beibehaltung eines praktisch gewürzfreien Stils nimmt die kasachische Küche weiterhin hauptsächlich Einflüsse aus den slawischen Ländern auf, während u. a. armenische, uigurische, dunganische und koreanische Küchen in der ganzen Region parallel existieren. Die Regierung Kasachstans wird vom autoritär regierenden Präsidenten Nursultan Nasarbajew geprägt, der schon zu sowjetischer Zeit Parteichef war und die Opposition stark einschränkt. Berichte von politischen Morden und Folter sind nicht selten. Die Presse unterliegt einer Zensur. Unter diesen und den schon länger andauernden Verhältnissen ist es nicht verwunderlich, dass viele Kasachstandeutsche, die als Minderheit unter dem Regime gelitten haben und seit den Achtziger Jahren eine Immigrationsmöglichkeit nach Deutschland suchen. Diese Aussiedler sind die Nachkommen (gesamt ca. 3,5 Millionen) von Deutschen, die vor mehr als 200 Jahren nach Osteuropa ausgewandert sind, davon viele ins Wolgagebiet nach Russland, und dort ihre deutsche Kultur und Sprache bewahrten. Die meisten Angehörigen der Minderheiten wurden zur Stalinzeit unter Zwang nach Kasachstan deportiert. Viele wurden in Arbeitslagern interniert. Seit der Unabhängigkeit gab es Bestrebungen der Regierung die Kasachische Sprache als vorherrschende Amtssprache durchzusetzen, was auch dazu führte, dass einige es vorzogen auszuwandern. Unter ihnen war auch unser Berichterstatter zum „Knast in Kasachstan“ ,Alexander Leer. Sein Vater hatte als 14-jähriger Wolgadeutscher die Umsiedlung unter Stalin nach Kasachstan mitgemacht. Auch seine Mutter hatte solch ein Schicksal erlebt. Er selbst wurde 1958 in Karaganda, einer Stadt in Zentral-Kasachstan mit inzwischen ca. 750.000 Einwohnern, geboren. Nach Gymnasium, Studium, Direktions-, Behörden- und selbständiger Tätigkeit verließ er mit Frau und Kind nach typischen Konflikten eines Angehörigen einer Minderheit mit dem Regime 1999 seine Heimat und kam als deutscher Staatsangehöriger nach Deutschland, wo Mutter, Schwester und Bruder bereits seit 1995 wohnten. Ein zweites Kind wurde in Deutschland geboren. Als 11-jähriger Junge hatte er Boxen gelernt und war mit 18 Jahren sowjetischer Meister im Mittelgewicht. Von 1982 bis 1986 lernte er wegen einer Schlägerei kasachische Gefängnisse kennen. In Deutschland erfolgten eine Inhaftierung im Dezember 2005 und eine Verurteilung Mitte 2006. Heute hat er noch eine längere Haftstrafe vor sich, die ihn inzwischen nach Lingen führte. Er hofft, dass es auch weiterhin möglich sein wird, dass ihn seine Familie regelmäßig besuchen kann und dass er wieder Fuß fassen kann, wenn er entlassen wird. UM/Alexander Leer Knast in Kasachstan. In Kasachstan sind die Gefängnisse alle im Schnitt 80 Jahre alt, denn sie wurden erst zu sowjetischer Zeit gebaut; zuvor herrschte das islamische Recht und es gab keine Gefängnisse. Das erste Gefängnis, von dem ich aus eigenem Erleben berichtet werden kann, befindet sich in Karaganda, ist ein Gefängnis für Untersuchungshäftlinge und war damals mit ca. 300 Gefangenen belegt. Die Zellen hatten eine Größe wie hier eine 3-Mann-Zelle und waren mit 20 bis 30 Personen belegt, denen nur 5 Doppelbetten zur Verfügung standen. Wer durchsetzungsfähig genug war, erhielt einen der 10 Schlafplätze – alle anderen mussten mit dem hölzernen Fußboden vorlieb nehmen. Im Raum befanden sich ein Tisch und eine fest eingebaute Bank. Außerdem war der Raum mit Kakerlaken, Zecken oder Läusen und Flöhen besiedelt. Ein nicht zu öffnendes Fenster im oberen Wandbereich brachte etwas Licht in den Raum, gefiltert durch Gitter und Lochblech. Die offene Toilette (Loch im Boden), darüber ein Wasserhahn, schlossen die Ausstattung ab. Der Einschluss dauerte 23 Stunden täglich und wurde nur durch die Einzelfreistunde unterbrochen, die in einem Zellen-Raum stattfand, bei dem die Decke durch ein Gitter ersetzt war. Zur Unterhaltung gab es ein Radio, auch Zeitungen und Bücher waren zu haben. Da Lebensmittelknappheit herrschte, konnten Lebensmittelpakete nach Wunsch empfangen werden; ebenfalls gab es Wäschepakete. Wer Geld von draußen zur Verfügung hatte, konnte einmal im Monat in der Anstalt einkaufen. Es gab keinen Besuch und auch kein Telefon - nur drei erlaubte Briefe im Monat hielten den Kontakt nach draußen aufrecht. Zum Frühstück gab es durchgängig Fischsuppe, Schwarzbrot und schwarzen Tee, zum Mittag Borschtsch (Suppe), Kascha (wie Reis) und schwarzen Tee und zum Abend wieder Fischsuppe oder andere Suppen mit Schwarzbrot und schwarzen Tee. Serviert wurde alles in einem Geschirr aus Alu-Teller und Löffel, die nur zu den Mahlzeiten ausgegeben wurden. Geschirrtücher kannte man nicht. Zum Selberkochen stand eine Heizplatte zur Verfügung. Fortsetzung auf Seite 46 Tr§tzdem 2007 Nr. 38 45 Kultur — Ausland — Medien Fortsetzung von Seite 45 Alle 10 Tage konnte geduscht werden. Wer seine Bekleidung waschen wollte, musste sich das kochende Wasser selber zubereiten und die verfügbare schwarze Seife benutzen – Waschmaschinen gab es nicht. Immerhin wurde einmal pro Monat eine chemische Reinigung mit Dampf angeboten, was allerdings nicht allen Bekleidungsstücken gut bekam. Ein Zugang zu einem Seelsorger, einem Sozialpädagogen oder einem Psychologen, wie man das in Oldenburg kennt, gab es dort im Gefängnis in Kasachstan natürlich nicht. Die zweite Station, auf der ich Erfahrungen sammeln konnte, war ein großes Gefängnis unweit von Karaganda mit ca. 2000 Gefangenen für Strafhäftlinge, wie es diese in allen größeren Städten Kasachstans gibt. Die große Anlage teilte sich ein in eine Arbeits- und Schlafzone, getrennt durch einen großen Gitterzaun. Der sogenannte Schlaftrakt wurde aus 12 „Blöcken“ gebildet. Jeder Block bestand im Wesentlichen aus einem eingeschossigen Gebäude mit einem hallenartigen Raum, in dem 150 bis 180 Gefangene gemeinsam untergebracht waren. Lediglich die Waschzone mit 10 Waschbecken und ein Gemeinschafts– und Fernsehbereich, der nur am Wochenende benutzt werden durfte, waren in separaten Räumen untergebracht. Die Toilettenanlage für 10 Personen befand sich außerhalb des Blocks und hatte den Charakter eines „Donnerbalkens“. Geweckt wurde um 6:00 Uhr morgens, und die Schlafenszeit begann um 22:00 Uhr. Die Verpflegung war genauso „reichhaltig, abwechslungsreich und schmackhaft“ wie in der U-Haft. Für alle Gefangenen des Gefängnisses gab es einen Kinoraum, eine große Kantine mit 200 Plätzen, eine große Bibliothek und eine Krankenstation, auf der stationäre Behandlungen bis zu einer Woche durchgeführt wurden. Den Komfort-Höhepunkt bildeten das „Badehaus“, in dem es sogar Kalt- und Warmwasser gab, und der „Frisörsalon“. Alle Gefangenen hatten Gefängniskleidung zu tragen, an der ein Sichtfenster mit den Personaldaten angebracht war. Das Besuchsprogramm bestand aus vier Kurzbesuchen pro Jahr für jeweils eine Stunde, bei dem die Besucher durch eine Trennscheibe vom Gefangenen 46 getrennt waren, sowie einem Langzeitbesuch pro Jahr für zusammenhängend drei Tage in einer separaten Räumlichkeit. Wer sich eine Disziplinarstrafe zuzog, was unter den herrschenden Verhältnissen nicht selten war, wurde in einem „Karzer“ untergebracht, einem Betonbunker mit einer Holzpritsche, die um 22:00 Uhr runtergeklappt und um 6:00 Uhr hochgeklappt wurde. Die Strafen wurden jeweils für 15 Tage bis zu einem Monat verhängt. Allerdings gab es auch noch weitere Bunker für Strafen bis zu 6 Monaten. Im Karzer gab es keine Dusche, keine Zahnpasta, keine Seife und kein Handtuch; im Raum befand sich lediglich eine offene Toilette (Loch im Boden) und darüber wieder ein Wasserhahn mit kaltem Wasser. Es gab auch keine Heizung, was bei Wintertemperaturen bis zu minus 50° C ziemlich unangenehm sein kann. Aber auch im Sommer, wenn die Temperatur auf plus 40° C stieg, waren die Wände immer nass. Die Verpflegung im Karzer war gegenüber der sonst üblichen Kost noch etwas „abwechslungsreicher“ als im 150 Mann 1 Raum Block: Am ersten Tag gab es Wasser und Brot (Schwarzbrot), am zweiten Tag die übliche Gefängniskost, am dritten Tag dann wieder Wasser mit Brot und am vierten wieder die Gefängniskost das setzte sich immer so fort. Für jemanden, der das selbst nicht mitgemacht hat und nur die hiesigen Verhältnisse kennt, ist das Gefängnisleben in Kasachstan unvorstellbar. Nur wer robust und durchsetzungsfähig ist, übersteht die Zeit dort einigermaßen unbeschadet und ohne äußerliche Narben, denn die inneren sind ja nicht sofort sichtbar. Alexander Leer/UM Humor Ein 16-jähriges Mädchen darf erstmals ausgehen. Am nächsten Morgen fragt die Mutter: „Na, warst Du auch artig gewesen?“ Die Tochter: „Auf jeden Fall, die haben alle sogar gesagt, ich sei großartig gewesen!“ Tr§tzdem 2007 Nr. 38 Buchtipp Gefangen unter Hitler (Nikolaus Wachsmann) Fast so spannend wie in einem fesselnden Roman beschreibt der Autor Nikolaus Wachsmann die Geschichte deutscher Gefängnisse zu Zeiten der Weimarer Republik bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Im Mittelpunkt des Buches steht das nationalsozialistische Straf- und Gefängnissystem, das erheblich von sozialen, wirtschaftlichen und insbesondere politischen Veränderungen in der Außenwelt beeinflusst worden ist. Durch die Erzählungen vieler Gefangener wird deutlich, dass die Justiz bis in die Kriegszeit versucht hat, auf Basis gesetzlicher Grundlagen zu arbeiten, um den Abstieg in die Willkür, bedingt durch den NS-Terror, zu verhindern. Mit dem „Märchen“, dass im „Dritten Reich“ in den Vollzugsanstalten Recht und Ordnung geherrscht habe, räumt der Autor gnadenlos auf. Der Alltag der Insassen war durch den brutalen Druck der NS-Diktatur geprägt. Viele Häftlinge wurden Opfer von Zwangsarbeit, Unterernährung und Krankheiten sowie von deutschen Zivilgerichten, die ihre Todesurteile hinter den Mauern der Strafanstalten vollziehen ließen. Innerhalb der Strafanstalten kam es in dieser Zeit aber auch zu gewagten Experimenten und daraus resultierenden Fehleinschätzungen. So versuchte man zum Beispiel eine biologische Erklärung für den Typus des „Unverbesserlichen“, also des Gewohnheitsverbrechers, zu finden. Bestimmte Körpermerkmale wie starker Haarwuchs oder eine breite Nase waren physische Besonderheiten, an denen man solche „abnormen Wesen“ erkennen sollte. Auch wenn die Wissenschaft derartige Thesen vom geborenen Verbrecher überwiegend zurückwies, ist der Einfluss auf das allgemeine Verständnis des Verbrechens nicht zu unterschätzen. Auch in der heutigen Zeit gibt es noch genügend Menschen, die Personen mit langen Haaren, einer Glatze, Tattoos und/oder Piercings in die Schublade mit der Aufschrift „kriminell“ stecken. Ob und welche Nachwirkungen der nationalsozialistische Strafvollzug im Nachkriegsdeutschland bis in den heutigen modernen Vollzug hatte, mag jeder nach dem Lesen dieses hervorragenden Buches für sich selber beurteilen. Es wird aber deutlich, mit welcher Härte und mit welchen unmenschlichen Maßnahmen der nationalsozialistische Terror auch gegen die „eigene“ Bevölkerung außerhalb der Konzentrationslager vorgegangen ist. Insgesamt liest sich dieses Buch wie ein spannender historischer Roman und ist relativ leicht verständlich. Siedler Verlag, 2006, ISBN-10: 978-3-88680828-1, € 28,00. Kultur — Ausland — Medien Presseschau © Delmenhorster Kreisblatt vom 26.10.07 (siehe auch Trotzdem Nr. 37, S. 16) Humor Der angehende Schwiegersohn zum angehenden Schwiegervater: „Ich rauche nicht, ich trinke nicht, ich rühre keine Spielkarten an und bitte Sie um die Hand Ihrer Tochter!“ Der angehende Schwiegervater: „Das schlagen Sie sich mal aus dem Kopf! Glauben Sie, ich will einen Schwiegersohn, der mir immer als Beispiel vorgehalten wird?“ © NWZ vom 17.07.07 © NWZ vom 04.05.07 © NWZ vom 22.08.07 © NWZ vom 28.07.07 Tr§tzdem 2007 Nr. 38 47 Kultur — Ausland — Medien Presseschau © NWZ vom 03.07.07 © NWZ vom 24.08.07 (siehe auch Trotzdem Nr. 37, S. 40) © NWZ vom 30.06.07 48 Tr§tzdem 2007 Nr. 38 Kultur — Ausland — Medien Presseschau © NWZ vom 18.04.07 © NWZ vom 08.08.07 © NWZ vom 27.07.07 © NWZ vom 14.08.07 © NWZ vom 20.09.07 Tr§tzdem 2007 Nr. 38 49 Kultur — Ausland — Medien Presseschau © NWZ vom 01.11.07 Humor © Delmenhorster Kreisblatt vom 31.10.07 50 © Hunte Report vom 05.08.07 Tr§tzdem 2007 Nr. 38 Der Arzt nach der Untersuchung: „Lassen sie es mich ihnen so sagen: Sie brauchen sich um die steigende Zahl der Verkehrsunfälle, die zunehmende Kriminalität, die Umweltverschmutzung, die Atombombe und um die Arbeitslosigkeit keine Sorgen mehr zu machen!“ Kultur — Ausland — Medien Presseschau © NWZ vom 23.10.07 © NWZ vom 23.10.07 © NWZ vom 23.10.07 Tr§tzdem 2007 Nr. 38 51 Kultur — Ausland — Medien Presseschau Aus erster Hand Niedersächsisches Justizministerium - Referat für Presse und Öffentlichkeitsarbeit - Justizministerinnen Kuder und Heister-Neumann besuchen gemeinsam JVA Bützow Die Justizministerinnen der Länder Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen, Uta-Maria Kuder und Elisabeth Heister-Neumann (beide CDU), haben heute gemeinsam die Justizvollzugsanstalt Bützow besucht. Der Besuch diente den Ministerinnen insbesondere dazu, sich persönlich einen Eindruck von der Arbeit des dortigen Diagnosezentrums zu verschaffen. Das besondere am Diagnosezentrum ist die in dieser Form in Deutschland einzigartige konsequente Trennung von Diagnostik und Behandlung verurteilter Straftäter. Täter, die von einem Gericht in Mecklenburg-Vorpommern wegen Sexual- oder Tötungsdelikten zu mehr als vier Jahren Haft verurteilt wurden, werden zunächst in das Diagnosezentrum verlegt. Dort durchlaufen sie umfangreiche psychologische Tests. Erst im Anschluss werden sie in die für eine Therapie geeignete Anstalt verlegt. Vor einer Vollzugslockerung oder Entlassung werden sie erneut in das Diagnosezentrum verlegt. Dort wird unabhängig von den Behandlungsmaßnahmen in den einzelnen Anstalten durch Psychologen geprüft, ob sich Veränderungen ergeben haben, die eine Vollzugslockerung oder Entlassung rechtfertigen. Dies erhöht die Objektivität bei der Beurteilung der Straftäter und vermeidet Interessenkonflikte zwischen Therapeuten und Diagnostikern. Therapie, Diagnose/Prognose und Entscheidung liegen in unterschiedlichen Händen. Das Ergebnis sind fachlich besser abgesicherte Entscheidungen. „Eine erfolgreiche Therapie von Gewalt- und Sexualverbrechern setzt frühzeitiges Erkennen geeigneter Therapiemöglichkeiten voraus. Ebenso setzt eine Vollzugslockerung oder Entlassung zwingend voraus, dass qualifizierte Gutachter die Ungefährlichkeit des Täters feststellen. 52 Die Psychodiagnostik ist daher für eine erfolgreiche Therapie und zur Vermeidung von Wiederholungstaten durch Rückfalltäter unerlässlich. Ich freue mich sehr, dass wir auf diesem Gebiet besonders fortschrittlich sind und andere Bundesländer unsere Anstrengungen mit großem Interesse zur Kenntnis genommen haben“, sagte Kuder heute in Bützow. Neumann: „Wir bekommen damit in Niedersachsen ein Prognosezentrum, das zentral für den besonders gefährlichen Strafgefangenen und Sicherheitsverwahrten im niedersächsischen Justizvollzug eine umfassende Prognose sicherstellen wird. Die Gefangenen und Untergebrachten werden nicht nur zu Beginn des Vollzuges begutachtet werden, sondern auch dann, wenn Entscheidungen über Vollzugslockerungen oder die Verlegung in den offenen Vollzug zu treffen sind. Die über die gesamte Haft hinweg gewonnenen Erkenntnisse des Prognosezentrums werden darüber hinaus die Grundlage bilden, um Aussagen über die Rückfallgefährdung von Sexualstraftätern zu treffen, die zur Entlassung anstehen. Diese sollen ab 1.10.2007 in einer Sexualstraftäterdatei aufgenommen und nach ihrer Gefährlichkeit kategorisiert werden. Nach einer gemeinsam mit dem Innenressort entwickelten Konzeption werden bei diesen entlassenen Straftätern die betreuenden Maßnahmen der sozialen Dienste der Justiz (Führungsaufsicht, Bewährungshilfe) und die gefahrenabwehrrechtlichen Maßnahmen der Polizei miteinander verzahnt. Von dieser Vernetzung erhoffe ich mir eine deutliche Verringerung der Rückfallgefahr.“ Umfassende Prognose wird sichergestellt! Frau Ministerin HeisterNeumann hat die Arbeit des Diagnostikzentrums mit großem Interesse zur Kenntnis genommen. „Hohe fachliche Kompetenz gewährleistet einen modernen Justizvollzug im Interesse der Bürgerinnen und Bürger“, erklärte Frau Ministerin HeisterNeumann. In Niedersachsen wurde bereits im Einheitlichen Niedersächsischen Vollzugskonzept (EVP) 2004 die Einrichtung eines Prognosezentrums angekündigt, das für gefährliche Sexual- und Gewaltstraftäter zuständig sein soll. Bislang wird die Begutachtung von der zentralen Einweisungsabteilung bei der JVA Hannover übernommen. Diese zentrale Einweisungsabteilung wird spätestens zum 1.1.2008 in das Prognosezentrum im niedersächsischen Strafvollzug überführt, in dem über die gesamte Haft hinweg interdisziplinäre Begutachtungen erfolgen, sodass Entwicklungsverläufe besser sichtbar werden. HeisterTr§tzdem 2007 Nr. 38 Gemeinsame Pressemitteilung vom 18.07.2007 Humor Sagt der Mann zu seiner Frau am Frühstückstisch: „Es ist doch immer wieder erstaunlich, dass die hübschesten Mädchen die größten Idioten heiraten.“ Sagt seine Frau: „Liebling, das ist das schönste Kompliment seit Jahren von dir.“ ____________________________________ In der Bank Ein Bankräuber stürmt in die Bank und schreit. „Alle legen sich auf den Boden!“ Die Bankangestellten legen sich auf den bauch – nur die Sekretärin auf den Rücken. Zischt der Filialleiter: „Fräulein Maier, das ist ein Banküberfall, kein Betriebsausflug!“ Mixed Empfindlicher Dämpfer Der Weg zur Arbeit In einer Justizvollzugsanstalt zur Arbeit zu gehen, ist in den seltensten Fällen ein Gang, den man gerne geht. In Strafhaft hat man sowieso keine Wahl, außer zu arbeiten oder die Sanktionen für die Arbeitsverweigerung in Kauf zu nehmen. Diese Sanktionen sind mannigfaltig, und eigentlich ist keinem dazu geraten, die Arbeit zu verweigern. In der UHaft hat man die Wahl, und ich würde es auch jedem empfehlen. Bei der Arbeit ist schließlich die Möglichkeit gegeben, sich auszutauschen und auch eine gewisse Ablenkung zu erreichen, um sich nicht ständig mit den gleichen bohrenden Fragen beschäftigen zu müssen. Ich selbst gehe jedenfalls gerne zur Arbeit und habe auch noch das Glück, eine interessante Arbeit zu haben. Allerdings hat dieser Gang einen empfindlichen Dämpfer erhalten. Ehrlich gesagt, habe ich für mich überlegt, die Arbeit ‚Arbeit’ sein zu lassen und überhaupt nicht mehr hinzugehen. Letztendlich hat meine Vernunft gesiegt und auch der Gedanke an das wenige Geld, was ich trotzdem benötige, sowie ein gewisses Pflichtbewusstsein gegenüber meinem Chef und den entstehenden Problemen, die sich ergeben würden, sollte ich einfach so der Arbeit fernbleiben. Jedenfalls entstand dieser Dämpfer durch die neue Verfügung, in der festgelegt ist, was man alles mit zur Arbeit nehmen darf und wie man sich zu bekleiden hat. Ganz klar, wir sind hier in einem Hochsicherheitsgefängnis und die Sicherheit hat oberste Priorität. Daran habe ich nichts auszusetzen und ich würde mir auch nicht anmaßen, da mitreden zu können und schon gar nicht zu wollen. Trotzdem empfinde ich es als unglaublich, was ich nach Inkrafttreten dieser Verfügung miterleben musste. Keine Ahnung, was auf anderen Stationen passierte oder wie die Beamten mit dieser Verfügung umgegangen sind? Auf der meinigen Abteilung herrschte, bedingt durch die Veränderung, schon so etwas wie Chaos, und die Stimmung war so angespannt, dass es schon echt guter Nerven bedurfte, um sich nicht selbst mitreißen zu lassen! Was soll man davon halten? Ich frage mich die unmöglichsten Sachen: Wieso darf ein Häftling bei so 30° C nicht ein blaues Anstalts-T-Shirt tragen und muss stattdessen im Anstaltsjogger zur Arbeit? Ist eine Brille, die man nicht ständig auf der Nase trägt, wirklich ein Problem, wenn diese im Kulturbeutel liegt? Ist es erforderlich, einem Diabetiker aufzuerlegen, erst beim Arzt eine entsprechende Genehmigung für die Medikamente oder Obst einholen zu lassen? Ganz zu schweigen von Menschen, die sich einfach gesund ernähren wollen, Tr§tzdem 2007 Nr. 38 Verständnis zu verlangen, dass eine Banane oder ein Ei etwas sind, was die Sicherheit gefährdet und sie deshalb darauf verzichten müssen? Ja, alles Fragen, die ich aus Selbstschutz nicht stellen wollte, sondern nur dachte. Ich sah, hörte und erlebte, was passieren kann, wenn man anfing zu fragen. Ne, das wollte ich mir nun nicht antun. Auch den ausführenden Beamten wollte ich das nicht antun. Diese hatten nur eine neue Verfügung umzusetzen. Damit hatten sie schon genug zu tun. Sinn und Unsinn dieser Verfügung ist für den Einzelnen sowieso keine Frage; sie werden ja auch nicht ernsthaft befragt, sondern müssen die Sache umsetzen. Naja, jetzt läuft die Sache schon wieder einige Zeit, und der Einzelne hat inzwischen herausgefunden, bei wem man sich besser zu 100 % an die Vorschrift hält, und bei wem man davon ausgehen kann, dass eine gewisse menschliche Größe vorhanden ist, die es erlaubt, auch einmal bei 30° C im blauen Anstalts-T-Shirt zur Arbeit zu gehen. Eigentlich will ich damit nur sagen, dass diese ganze Situation nicht wirklich genug vorbereitet wurde und leider auch nicht transparent genug gemacht wurde, um dem Einzelnen den wirklichen Gedanken hinter dieser Aktion vor Augen zu führen und die Chance zu lassen, sich darauf einzustellen. So wirkte es wie eine Willkür, die nur Unruhe und Probleme verursacht hat und vor allem das Verhältnis zwischen Gefangenem und Bedienstetem unnötig über Gebühr belastet hat. Dieses Verhältnis ist nun wirklich genug belastet und es bedarf daher keiner weiteren unnötigen Anstrengung, auch noch diese geringe Basis zu zerstören - finde ich! In einer Anstalt wie dieser gibt es nun wirklich genug Möglichkeiten, in Zukunft andere Wege zu finden und damit dem Anspruch gerecht zu werden, den diese Anstalt zu Recht an sich stellt und auch weitgehend gerecht wird. Ich denke nur an das Gitternet-TV und meine, dass sich genug Freiwillige finden lassen, die gerne bereit wären, für ein besseres Klima und Miteinander einige Anstrengungen zu unternehmen. Joachim G. 53 Mixed Ein Leserbrief von Helle zum ersten Mal nennenswert eingefahren bin, da hat sich meine Alte dermaßen verabschiedet, dass mich eine Woche später mein eigenes Bankkonto nicht mehr gekannt hat. Also erzähl mir nix von verabschieden. Doch der Typ blieb stur. Und tischte mir ne Erklärung auf, also, alle Achtung, darauf muss man erstma kommen. Hör zu, Kumpel, sachte der, eines ist doch klar: Gesetze bedeuten Ärger. Und neue Gesetze neuen Ärger. Das weiß doch jedes Kind. Also gehen die Schlitzohren von Politiker hin, Verabschiedung des neuen Strafvollzugsgesetzes Hi, Leute, ich bin der Helle aus Schalke. Für euch Nordlichter hier muss ich wohl ne Erklärung nachschieben. Im Ausweis steht: geboren in Gelsenkirchen-Buhr. Aber wer Bescheid weiß, weiß: Gelsenkirchen iss Schalke, und sonst nix. Und Helle iss die Kumpelform von Helmut. Noch Fragen? Jetzt ist es auch schon ein paar Monate her, dass ich hier gelandet bin. Ihr wisst ja, wie das geht. Ein Missverständnis ergibt das andere, und schon steckt man bis zum Hals in der Sch… (schwierigen Situationen der Inhaftierung – Anmerkung der Redaktion). Tja, und dann noch ausgerechnet in Niedersachsen, wo, also das hat man mir hier gesagt, die Kühe das Wahlrecht haben, weil sie wirtschaftlich son wichtiger Faktor sind. Als wenn bei uns im Ruhrpott die Kohle mitwählen dürfte. Aber das iss net der Grund, warum ich schwarzsehe. Alles, was mit „Nieder“ anfängt, hat mir bisher in meinem Leben nur Ärger eingebracht. Das fing an mit meiner Frau. Wir zwei kriegen ein Kind, einen Stammhalter, sind glücklich bis zum Anschlag, ich sofort auf Schalke, melde meinen Sohnemann als Mitglied an, damit der auch seine Saisonkarte sicher hat, ich nach Hause, will das frohe Ereignis mit meiner Frau feiern, und wat sacht die? Du, Helle, lass mal, ich fühl mich noch nicht so, hatte doch gerade erst ne Niederkunft. Was hattest du?, platzt et aus mir raus. Ne Niederkunft? Meinen Sohn haste jeboren. Von wegen Niederkunft. Dat klingt ja, als wäre mein Sohn der Rest vonner Krankheit. Naja, in die Röhre geguckt hab ich trotzdem. Aber das jet ja noch. Ne Niederlage von Schalke, womöglich zuhause, das iss nun wirklich ein Weltuntergang. Davon erhol ich mich frühestens nach drei Tagen, und dann auch nur mit Hilfe von schwersten Medikamenten. Ein Kasten Bier, eine Flasche Korn. Pro Schicht, wohlgemerkt. Tja, und jetzt das. Ihr müsst wissen, ich bin import-exportmäßig unterwegs, so die Branche Stimmungsaufheller – kleiner Scherz, wa. Also ich natürlich einen guten Kontakt zu Holland geschoben, ist ja bekanntlich ein prima Pflaster für liberale Vergnügungen. Alles lief wie am Schnürchen. Bis urplötzlich Handschellen klickten. Deutsche auch 54 noch. Mitten in Holland. Und jetzt kommts. Was muss ich in dem Wisch lesen, den man mir zum unterschreiben hinhält? Ich dachte, ich spinne. Auf dem Papier heißt Holland Niederlande. Also das hätt ich früher wissen müssen. Und zwei Tage später gings ab nach Niedersachsen. Also wenn du einmal Pech gehabt hast, brauchst du auf das zweite Mal nicht lange warten. Naja, von nahem besehen isset hier jar nicht so übel. Ich weiß, wovon ich rede, mit meinen Erfahrungen könnt ich nen Buchladen aufmachen. Im U-Knast offene Türen, also die ersten Wochen hab ich das glatt für nen Modellversuch für Fluchtverhalten gehalten. Und duschen kannst du dich hier öfter als du willst. Also in NRW mussde ne Portion Jahre verdienstvoll jesessen haben, ehe du solche Verjünstigungen kriegts. Und jenau das iss der Grund, warum ich zum Bleistift greife und mir diesen Leserbrief abringe. In den letzten Wochen hab ich andauernd Überschriften lesen müssen wie: „Niedersächsischer Landtag steht vor Verabschiedung eines neuen Strafvollzugsgesetzes“. Und dann konnte man die Punkte kaum zählen, wie man uns die Hammelbeine lang ziehen will. Naja, Helle, hab ich zu mir gesacht, bleib cool, solange die dat Jesetz bloß verabschieden, iss ja alles in Butter. Watt weg iss, iss weg. Bis mir ein Schlawiner in der Freistunde steckte, dass ich mächtig auf dem Holzweg bin. Verabschieden heißt bei Gesetzen genau das Gegenteil, nämlich dass sie kommen, aber volles Rohr. Also mir brauchst du nicht zu erzählen, was verabschieden heißt, hab ich zurückgedröhnt. Als ich Tr§tzdem 2007 Nr. 38 und nennen das Erfinden von neuen Gesetzen einfach „Verabschieden“. Unsereiner, der ja noch was anderes zu tun hat, als jedes Kleingedruckte zu lesen, denkt, alles paletti. Die haben gesehen, dass der ganze Kram Mist ist und jagen ihn zum Teufel. Paff ist das Gesetz weg. Natürlich kriegen die meisten mit der Zeit mit, dass das Gesetz da ist. Aber dann hat sich die erste Aufregung schon gelegt, taufrischer Ärger hat einen am Wickel, außerdem machen kann man ja eh nix mehr, tja, und im Unterbewusstsein rumort immer noch das Wort „verabschieden“ und lullt einen ein. Also unter uns, Kumpels, von dem Trick könnten wir uns ruhig ein paar Scheiben abschneiden. Apropos Unterbewusstsein? Wusstet ihr wat davon? Das man irgendsowas mit sich rumschleppt, wo der ganze Gedankenpröll und Gefühlsdusel drinsteckt? Ohne dass man jenau weiß, ob der nicht eines Tages anfängt zu plappern. Also ich hab davon zum ersten Mal in der Kiste jehört. Ein Psychogutachter ist ja bei mir zu einem Ergebnis gekommen, ich sei ein Hangtäter. Also so ein Blödsinn. Klar hab ich ne Menge rumgehangen, aber deshalb bin ich doch nicht auf ein paar krumme Ideen gekommen. Jenau umjekehrt, Freunde, iss das. Weil ich mir was habe einfallen lassen, konnte ich die Sache was lockerer angehen. Aber versuch das mal einem Gutachter klarzumachen. Naja, et jibt Schlimmeres, zum Beispiel, dass ein Gutachter für seine Schlaumeiereien bezahlt wird und jeder sich natürlich hütet, nicht auf seine bezahlte Meinung zu hören. Mixed Dass ich ein Asozialer bin, steht auch in dem Gutachten. Und dass ich ne Therapie machen muss, um wieder ein Resozialer zu werden. Tja, was soll ich sagen? Angefangen hab ich damit. Jungs, wir werden alle älter. Zwölf Jahre haben sie mir aufgebrummt, und meinen 40sten Jeburtstag kann ich fast mit den Händen fassen. Also ich hab ja mit dem Osten nie wat am Hut jehabt, aber in einer Beziehung würde ich ihn mir zu gerne herbeiwünschen. Wenn du da 12 Jahre eingeschenkt bekommen hast, z. B. weil du Honecker mit ä ausgesprochen hast, dann wurdest du nach nem halben Jahr in den Bergbau verfrachtet, nach Wismut, Uran, oder Bitterfeld, Kohle. Könnt ihr euch vorstellen, lasst mal fürne Minute eure Euter los, was das fürnen echten Ruhrpottkumpel fürne Perspektive iss? Also in meinem Vereinslokal auf Schalke haben die Wände jekracht, wenn wir uns unseren Ruhrpott als Archipel vorjestellt haben. Aber das iss ja och schon Jeschichte. Mal ehrlich, ich glaub, ich hab ausnahmsweise mal Glück jehabt. Einmal die Woche heißt es antanzen. Allein schon wegen meiner Neugierde bin ich hinjetrabt. Und was finde ich vor? Ich hoffe, Kumpels, ihr glaubt mir, Helle hat et nicht nötig, euch Stories vom Pferd zu erzählen. Zuerst einmal sitzt mir ne Sie gegenüber, also ne weibliche Psychologische. Auf den ersten Blick ein richtig nettes Paket. Die sitzt dir gegenüber, und nach ein paar Minuten denkst du, die will sich echt mit dir unterhalten. Naja, wo jibt et keine Tricks. Aber dann kommt et. Ihr müsst wissen, ich hab schon einije Fahrten auf meinem Kilometerzähler, da bleibt et nicht aus, dass man dazulernt. Also ich spreche z. B. einen Satz so gut wie nie aus. Spätestens nach der Hälfte, meistens nach dem ersten Drittel höre ich auf. Kennt ihr vor Jericht oder im Vollzug ne Stelle, wo ihr aussprechen dürft? Also ich nicht. Also hab ich mir anjewöhnt, mittendrin aufzuhören. Dat iss ökonomischer, und mir schwillt net so der Kamm, wenn ich andauernd meine Wörter einpacken muss. Ich also wie jewohnt und bewährt mal nen halben Satz, dann mal bloß zwei drei Wörter der Psychologischen anjeboten. Die hört zu, sacht aber nix. Naja, denk ich mir, die Nordlichter hier sind halt was langsamer; meinen Fernseher hab ich Blödkopp am Anfang zur Reparatur jejeben, weil ich dachte, der läuft bloß auf Zeitlupe, dabei guckte ich NDR oder Gitternet. Ne, ne, Kumpels, die Psychologische iss nich tüddelig. Erst guckte sie mich an, als wollte se mich mit de Wimpern anschupsen, dann sachte sie doch tatsächlich „Sprechen Sie sich ruhig aus“ – und, jetzt haltet euch fest, meinte es auch so. Und schon hatte ich zwei echte Probleme an der Backe. Erstens, wenn du solange keinen Satz mehr zu Ende geredet hast, weißt du gar nicht mehr so genau, wie der hintenrum so aussieht. Also die erste Zeit hab ich mich verfranst, also ich hätt mir nicht zujehört. Und zweitens, wenn du so jeden Satz bis zum Punkt durchziehst, wer weiß, was dir da alles zwischen die Lippen gerät? Aber schön iss et doch, wenn du zu Ende sprechen darfst, und dir einer zuhört. Der auch noch bis in die Zehenspitzen studiert iss. Aber so richtich warm geworden bin ich mit der Psychologischen, als wir unsere ersten Missverständnisse hinter uns hatten – ohne dass einer dem anderen in die Wolle geraten ist. Mein lieber Jesangverein, hab ich mir jedacht, das hast du das letzte Mal erlebt, als du zwölf gewesen bist, also ein Missverständnis, für das du nicht jehängt worden bist. (Ich hatte der Mutter eines Klassenkumpels einen Besuch abjestattet und mich – so im Rahmen der Kohlesubvention – ein bisschen um ihr Portemonnee jekümmert. Und was macht die Frau, als sie das Leichtjewicht von Portemonnee in ihrer Handtasche findet? Sie strahlt mich an und sagt „Helle, woher wusstest du denn, dass ich dich heute zum Eis einladen wollte? Hat es geschmeckt?“ Also Kumpels, für die Mutter wär ich durchs Feuer gegangen.) Also, die Psychologische und ich sitzen zusammen, 3. oder 4. Stunde, und mir passte an dem Tag meine eigene Kragenweite nicht. Meiner Leber war einiges in die Quere gekommen, leider nix Hochprozentiges. Da sacht die Psychologische doch, die mein Dampfen natürlich bemerkt hatte: „Lassen Sie ihrem Unmut freien Lauf“. Na. Da hellte sich meine Laune doch direkt um einige Grade auf. „Also, Frau PsychoSonstwas, das iss ja nett, dass Sie das sagen, aber als ich das letzte Mal meinem Unmut freien Lauf gelassen habe, war ich vier Jahre alt und habe meiner Mutter die Bauklötze an den Kopf gepfeffert. Zwei von drei haben jetroffen, nebenbei bemerkt. Mit dem Wörtchen Unmut kommen Sie bei mir nicht weit.“ Und wisst ihr, was die Psychologische Tr§tzdem 2007 Nr. 38 jemacht hat? Nix. Also keinen Zoff, meine ich. Die hat sich kurz was aufgeschrieben, und mir ein Lächeln jeschenkt, also da hab ich meine miese Laune auf der Stelle einjepackt. Natürlich kann man hier nicht so ein Mann sein wie draußen. Aber umso wichtiger ist es, nicht wie ein Depp oder Kleinkind behandelt zu werden. Und vor allem, auch mal wat Kritisches ablassen zu dürfen, ohne sich gleich nen Blick einzufangen, der mit Eigenblut gedopt ist. Vielleicht bin ich ja auch nur überempfindlich, aber egal, mir hat das jefallen. Aber es kommt ja noch besser. Das heißt, wenn es euch interessiert. Herrje, bin ich ins Schwatzen gekommen. Den Papiervorrat der ganzen Station hab ich volljekritzelt. Nichts für ungut. Glück auf, Kumpels, lasst euch nicht unterkriegen. Egal wie viele auf euch herumhacken. Euer Helle Für Kopfakrobaten Kniffelig! Durch Einsetzen der richtigen Vorzeichen ist das Ergebnis immer 6. 0 0 0 =6 1 1 1 =6 2 2 2 =6 3 3 3 =6 4 4 4 =6 5 5 5 =6 6 6 6 =6 7 7 7 =6 8 8 8 =6 9 9 9 =6 Benötigt werden folgende Rechenoperationen: + (addieren) - (subtrahieren) x (multiplizieren) : (dividieren) ( ) (Anweisung für vorrangige Operationen) n √ (radizieren); [nicht nur Quadratwurzel!] ! (Fakultät); [Als mathematische Regel ist festgelegt: 0! = 1; 1! = 1; Rechenbeispiel: 5! = 1 x 2 x 3 x 4 x 5 = 120] Die Auflösung erscheint in der nächsten Ausgabe. Dieter Schacht 55 Mixed Backen hinter Gittern Tarte de Pomme Zutaten: Für Blätterteig (keinen fertigen Teig kaufen; ist nicht geeignet!): 200 Gramm Butter 250 Gramm Mehl 50 Gramm Zucker eine kleine Prise Salz ca. 80 Milliliter Milch Für Belag: 50 Gramm Butter 150 – 200 Gramm Zucker (hängt von der Süße der Äpfel und den eigenen Vorlieben ab) 1,5 – 2 Kilogramm Äpfel (bei großen eher mehr) etwas Zitronensaft 20 Gramm Butter zum Zerlassen Zubereitung: Mehl mit 80 Gramm Butter, Zucker und Salz in eine Rührschüssel geben, dann Milch beigeben, kneten, bis ein fester Teig entsteht. Für mehrere Stunden in einem Plastikbeutel im Kühlschrank ruhen lassen. Dann auf gut gemehlter Fläche dünn ausrollen, eine Hälfte mit Butterscheiben (die Butter sollte Zimmertemperatur haben) dicht belegen, einklappen, erneut zur Hälfte mit Butterscheiben belegen, falten. Dünn ausrollen, und zwar zur offenen Seite hin. Zweimal falten. Bitte darauf achten, dass die Arbeitsfläche und das Nudelholz immer gut mit Mehl bestäubt sind und die Teiglagen nicht zu stark reißen und die Butter austritt. Jetzt den Teig zum Auskühlen für zwei Stunden in den Kühlschrank geben. Dann erneut ausrollen und falten. Diesen Vorgang viermal wiederholen und den Teig wieder in den Kühlschrank legen. Wer jetzt mitgerechnet hat, wird feststellen, dass der Teig schon 128 Lagen hat. Die Äpfel schälen, achteln und entkernen und mit Zitronensaft begießen. In einer großen (Ø 26 cm) Pfanne mit planem Boden den 50-Gramm-Butterwürfel in die Mitte stellen, Zucker darüber schütten, bis sich eine kleiner Kegel bildet. Jetzt wird’s tüftelig. Die Apfelstücke müssen gestellt werden, und zwar von der Mitte ausgehend, bis die Pfanne ganz dicht gefüllt ist. Wenn die Stücke nicht stehen bleiben wollen, die Standfläche leicht schräg schneiden. Dann die Pfanne für ca. 10 Minuten und bei voller Leistung auf die Herdplatte stellen. In dieser Zeit den Teig aus dem Kühlschrank nehmen, ausrollen, zweimal falten und dabei darauf achten, dass der Teig eine runde Form erhält und so groß wird, dass er die Oberfläche der Apfelstücke ganz bedeckt, auflegen, mit zerlassener Butter bestreichen und für 45 Minuten in den auf 170 Grad, bei Ober- und Unterhitze, vorgeheizten Ofen schieben. Dann sollten sich an dem Innenrand der Pfanne braune, zähe Karamelbläschen zeigen. Ist der Obstsaft noch zu blass und zu dünn, die Pfanne bei voller Unterhitze auf den Boden des Ofens stellen, bis sich der gewünschte Effekt zeigt. Die Pfanne aus dem Ofen nehmen und den Kuchen sofort auf einen großen, flachen Teller stürzen, ein wenig hin- und herdrehen, dass sich alle Apfelstücke vom Pfannenboden lösen. Eventuell hängen gebliebene Stücke mit einem Löffel lösen und in die entstandenen Lücken legen. Die Äpfel sollen gleichmäßig braun sein. Den Kuchen auskühlen lassen. Fertig! Guten Appetit! Dieter Schacht 56 Tr§tzdem 2007 Nr. 38 Mixed Schachaufgabe: Im Unterschied zur dargestellten Variante überwacht der Läufer c4 nun das Umwandlungsfeld f1 und der Turm d5 ist noch immer gefesselt. Wie gelingt es dem Nachziehenden trotzdem, Kapital aus dieser Situation zu schlagen? Sudoku: Humor Drei Kinder unterhalten sich, jeder will etwas mehr angeben. Das erste: „Wir sind zu Hause drei Kinder, und jedes hat sein eigenes Besteck!“ Darauf das zweite: „Na und? Wir sind fünf Kinder, und jedes hat sein eigenes Zimmer!“ Schließlich das dritte Kind: „Ist doch gar nichts. Wir sind acht zu Hause, und jeder hat seinen eigenen Papi!“ _____________________________________ Zwei Nachbarn treffen sich im Baumarkt: „Sag mal, wie viele Rollen Tapeten hast du eigentlich für deinen Flur gekauft?“ – „Zehn waren das!“ – Nach zwei Wochen treffen sich die beiden wieder: „Du, bei mir sind sieben Rollen übrig geblieben!“ – „Ja, bei mir damals auch!“ Hättest Du es gewusst? Die Lösungen für das Schachproblem und Sudoku stehen auf Seite 13 Was ist Kunst? Redaktioneller Nachtrag Liebe Leser, wie gesehen, hat in der Ausgabe Nr. 36 vom April 2007 ein Redaktionsmitglied den Versuch unternommen, sich der Frage: Was ist Kunst? zu nähern (getreu dem Motto: redlich, aber vergeblich). Die Redaktion möchte aus gegebenem Anlass eine Stellungnahme von Prof. Lindbert Fiellaicht zu dieser Frage nachtragen. Prof. Fiellaicht gilt als Koryphäe auf dem Gebiet der Bildenden Kunst und Literatur; seine fundierten, ausgewogenen und behutsamen Analysen genießen internationale Anerkennung. Aufsehen erregte jüngst seine jeden Zweifel ausräumende Erklärung – medienwirksam hat er die Feierlichkeiten zu seinem 88sten Geburtstag als Veröffentlichungszeitpunkt gewählt – dass die Frage: Was ist Kunst? klar und ohne Wenn und Aber beantwortet werden kann. Was er sodann tat. hauerischen Mitteln verstanden werden, auf eine Weise, die beim Betrachter zu einem bewundernden Erstaunen führt. Ab dem beginnenden 20sten Jahrhundert muss die Fragestellung präzisiert werden, möchte man eine korrekte Antwort beibehalten. Die modifizierte Frage muss lauten: Was ist Moderne Kunst? Eine Koryphäe! Bis zum Ende des 19ten Jahrhunderts hin darf unter Kunst die kunstfertige gestalterische Wiedergabe der Wirklichkeit mit bildmalerischen oder bild- Moderne Kunst liegt vor, wenn sich angesichts eines Bildwerkes die zweifache Frage stellt: Wo ist oben? Wo ist unten? Sollten sich im Zuge der Antwortfindung die Argumente für beide Betrachtungsweisen (also: oben ist unten oder: unten ist oben) in etwa die Waage halten und beim Betrachter ein sich wunderndes Bestaunen einstellen, dann darf man mit Fug und Recht von Moderner Kunst sprechen. Bezogen auf die Kunst der letzten 30 bis 50 Jahre, der so genannten „zeitgenössischen“ Kunst (Prof. Fiellaicht weist mit viel Fingerspitzengefühl auf den bedenklich kommunistischen Klang des Wortes hin), rät er zu einer Tr§tzdem 2007 Nr. 38 nochmaligen Verfeinerung der Fragestellung, möchte man die Richtigkeit der Antwort nicht gefährden: Was ist Modernste Kunst? lautet seine Formel. Seine Antwort besticht durch ihre Überzeugungskraft: Steht der Museumsbesucher vor einem Kunstwerk und neben ihm schwebt die wiederum zweifache Frage im Raum: Was ist die Vorderseite des Kunstwerkes? Was ist die Rückseite des Kunstwerkes? – und wenn sich statt einer Antwort nur ein Betrachter einfindet, der einem sich über nichts mehr wundernden Staunen verfallen ist, dann hat man es mutmaßlich mit Modernster Kunst zu tun. Die Redaktion hofft, mit diesen Betrachtungen von Prof. Lindbert Fiellaicht der Frage: Was ist Kunst? den giftigsten Teil ihres Stachels genommen zu haben. RM 57 Mixed Rätselecke Die Gewinner des Preisrätsels der letzten Ausgabe sind nach Auslosung durch eine Glücksfee: 1. Preis: 2. Preis: 3. Preis: Christian H. André K. Henning S. B3 D4 B3 Wir bedanken uns für die Teilnahme und wünschen viel Spaß mit den Preisen. Lesen hilft lösen! 1. Wo ist in der JVA das Rauchen erlaubt? c) unter der Dusche d) auf dem Flur e) im Haftraum 2. Wer kann Mitglied im Hörbuch Club werden? q) nur Gefangene, die Haftstrafen von über einem Jahr zu verbüßen haben r) nur Gefangene, die über einen CD-Spieler verfügen s) nur Bedienstete 3. Aus welchen Anlass wurden 5 Filme in der JVA vorgeführt? h) Oldenburg Filmfestival i) JVA Kulturwoche k) Präsentation der Arbeitsergebnisse einer Therapiegruppe 4. Auf welchem Kontinent liegt Kasachstan? b) Europa c) Asien d) Amerika 5. In welcher JVA ist ein Diagnosezentrum für Straftäter von Sexual– und Tötungsdelikten neu aufgebaut worden? t) JVA Bützow u) JVA Hannover v) JVA Celle Die Buchstaben der richtigen Antworten ergeben, in die richtige Reihenfolge gebracht, das Lösungswort. Viel Spaß beim Lesen und Sortieren! Einsendeschluss ist der 20. März 2008 Teilnahmeberechtigt ist jeder Inhaftierte der JVA Oldenburg und der angegliederten Anstalten! Lösungswort: _ _ _ _ _ Name: _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ Station: _ _ Die nachfolgenden Preise werden von der Firma Knefelkamp aus Herford gestiftet. Dafür vielen Dank! Das Lösungswort sendet bitte an die Redaktion Tr§tzdem, JVA Oldenburg. Die genaue Adresse entnehmt bitte dem Impressum. 1. Preis: 2. Preis: 3. Preis: 58 1 x eine Torte (freie Wahl) 1 x Kaffee (freie Wahl) 1 x Tabak + Blättchen (freie Wahl) Tr§tzdem 2007 Nr. 38 Mixed Adressen die man brauchen kann Adresse Anlaufstelle Diakonie, Anlaufstelle für Straffällige Kirchdorferstraße 43 a 26603 Aurich CURA e.V. - Verein für Straffälligenhilfe Münzstraße 5 38100 Braunschweig Diakonie, Anlaufstelle für Straffällige Jägerstraße 25 a 29221 Celle Gefangenenfürsorgeverein Cuxhaven Mariestr. 50 27472 Cuxhaven Diakonie, Anlaufstelle für Straffällige Düsternortstraße 51 27755 Delmenhorst Anlaufstelle für Straffällige Königsallee 254 37073 Göttingen Anlaufstelle für Straffällige Ostertorwall 7 31785 Hameln Diakonie, Beratungsstelle für Straffällige Hagenstraße 36 30161 Hannover Telefon 04941 62828 0531 16166 05141 9461620 04721 38483 04221 962011 0551 632977 05151 43820 0511 9904020 Adresse Anlaufstelle Straffälligenhilfe e. V. Roonstraße 10 31141 Hildesheim Anlaufstelle für Straffällige Rheiner Str. 32 49809 Lingen Anlaufstelle für Straffällige Auf dem Meere 3 21335 Lüneburg Anlaufstelle für Strafffällige Dobbenstraße 26 26122 Oldenburg Diakonie, Anlaufstelle für Straffällige Lohstraße 9 49074 Osnabrück Diakonie, Anlaufstelle für Straffällige Am Schwingedeich 4 21680 Stade Gefangenenfürsorgeverein Vechta Blumenstr. 8 49377 Vechta Diakonie, Anlaufstelle für Straffällige Weserstraße 192 26382 Wilhelmshaven Telefon 05121 33348 0591 9124722 04131 244470 0441 9709313/ 14 0541 94049300 04141 3013 04441 2503 04421 926528 Wohnmöglichkeiten Institution Adresse Diakonisches Werk der ev.-luth. Kirchenkreise Delmenhorst und Ganderkesee Düsternortstr. 51, 27755 Delmenhorst Übernachtungsstelle für Obdachlose Kolpingstraße 254, 37079 Göttingen Göttinger Verein für Sozialberatung Betreutes Wohnen e. V. Königsallee 254, 37079 Göttingen Aktiv b+w e. V. Alte Marktstraße 34, 31785 Hameln KWABSOS o. V. Immengarten 49, 31134 Hameln Kath. Verein für soziale Dienste in Lingen e. V. Bögenstraße 8, 49808 Lingen Diakonisches Werk der ev.-luth. Kirche in Oldenburg e. V. (nur Vermittlung, kein eigenes Wohnangebot) Dobbenstraße 26, 26122 Oldenburg Ev.-luth. Gesamtverband Osnabrück Arndtstraße 19, 49008 Osnabrück Laurentius - Haus Berghoffstraße 15, 49090 Osnabrück Arbeitskreis Schule Rhauderfehn e. V. Am Heidacker 2, 26817 Rhauderfehn - Burlage Ev.-luth. Kirchenkreis Stade Am Schwingedeich 4, 21680 Stade Oftmals bieten auch die Anlaufstellen für Straffällige, wie z. B. in Oldenburg und Wilhelmshaven, Wohnmöglichkeiten. Fragt dort einfach mal nach. Tr§tzdem 2007 Nr. 38 59 Mixed Adressen der Agentur für Arbeit Agentur für Arbeit Wilhelmstraße 7 26160 Bad Zwischenahn Agentur für Arbeit Weserstr. 2 26919 Brake Agentur für Arbeit Konrad-Adenauer-Allee 1 27471 Cuxhaven Agentur für Arbeit Pingel-Anton-Platz 5 49661 Cloppenburg Agentur für Arbeit Friedrich-Ebert-Allee 11 27749 Delmenhorst Agentur für Arbeit Thüler Straße 3 26169 Friesoythe Telefon 04403 9388 0 04401 9387 0 04721 664660 04471 9489 0 04221 9800 0 04491 9241 0 Adressen der Agentur für Arbeit Agentur für Arbeit Marktstraße 12c 26954 Nordenham Agentur für Arbeit Stau 70 26122 Oldenburg Agentur für Arbeit Neuer Markt 30/32 49377 Vechta Agentur für Arbeit Mühlendamm 1 27793 Wildeshausen Agentur für Arbeit Schillerstr. 43-49 26382 Wilhelmshaven Telefon 04731 9498 0 0441 228 0 04441 946 0 04431 9371 0 04421 298 0 Leserbeitrag Gedanken zu Weihnacht Dem Herzen wird es warm durch die Weihnachtsgans im Darm. Gut, eine Weihnachtsgans werden die wenigsten von uns dieses Jahr essen. Trotzdem wird es so manchem flau im Magen, wenn er an die Familie draußen denkt. Nun frage ich mich allerdings, was das Gejammer soll. Jeder von uns wusste vorher, was er anstellt (abgesehen von denen, die wirklich unschuldig sind, logisch!). Ansonsten gilt: Jeder ist erwachsen genug, zentnerschwere Weiber zu stemmen – was ja auch oft genug kolportiert wird –, aber kaum sind die Leute hier, geht das Gegreine los. Wem es in der Küche zu heiß ist, der darf kein Koch werden. Also, bitte hört auf, den anderen die Ohren voll zu jammern. Jeder hier hat seine Probleme, und die sind nicht nur an die Weihnachtszeit gebunden. Im Übrigen sollten sich die Weihnachtsheuler mal fragen, warum ausgerechnet an diesen Tagen die Rührseligkeit so groß ist; denkt ihr an den anderen 60 Tagen nicht an die Familie, vermisst ihr sie ansonsten nicht, oder waren eure Weihnachtstage draußen immer nur Friede, Freude, Eierkuchen? Ich für meinen Teil, ich muss ganz ehrlich sagen: Genau betrachtet gab es bei uns ausgerechnet zu Weihnachten so manchen Streit. Das ging beim Schmücken des Baumes los und endete so einige Male mit einem langen Gesicht, wenn die Geschenke unter dem schicken Papier zum Vorschein kamen. Also, was soll’s. Grinst euch eins, auch wenn es am Anfang schwer fällt. Nehmt euch einen spannenden Roman, eine humorvolle Story oder sonst was zur Hand. Stellt euch in die Küche, kocht was leckeres, spielt Karten, geht sporteln. Tr§tzdem 2007 Nr. 38 Es gibt genug zu tun; fangt schon mal an. Ein halbwegs geruhsames Fest und ein besseres Jahr, als es das vergangene war, wünscht euch der Bücherwart! Dieter Schacht Mixed In unserer Ausgabe Nr. 37 September 2007 hatten wir ein SUPERQUIZ FÜR GANZ HARTE JUNGS vorgestellt. Es lautete: „Ich habe zwölf Kugeln, Oberfläche und Größe sind gleich. Eine dieser Kugeln ist schwerer oder leichter als die anderen elf. Mit einer Balkenwaage und drei Wiegeversuchen ist zu bestimmen, welche der Kugeln fehlgewichtig ist, und ob sie schwerer oder leichter ist.“ Mit Verstand oder Ausdauer wurde die Aufgabe gelöst von: Lasse Willms (leider außer Konkurrenz) Für diejenigen, die nun Zweifel an der Lösbarkeit hatten: Hier die Lösung: Zur Erklärung werden die Kugeln von 1 bis 12 nummeriert. Zuerst teilt man die zwölf Kugeln in drei Vierer-Gruppen. Nur so ist eine Lösung möglich. Erster Wiegegang: Es werden die ersten zwei Vierergruppen, also die Kugeln 1 – 4 und 5 – 8, auf die beiden Waagschalen gelegt. Es gibt drei Möglichkeiten: I. Die Waage ist im Gleichgewicht. Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung, die Kugeln 1 – 8 sind vom Gewicht her gleich, das heißt, es sind Referenzkugeln, und die fehlerhafte Kugel muss unter den verbliebenen Kugeln der dritten Gruppe sein. Zweiter Wiegegang: In die Schale A werden drei Referenzkugeln, 1, 2 und 3 gelegt, in Schale B die Kugeln 9, 10 und 11. Wieder gibt es drei Möglichkeiten: a. Es herrscht erneut Gleichgewicht, das heißt, die Kugel 12 muss die Fehlgewichtige sein. Dritter Wiegegang in diesem Fall: Es wird eine Referenzkugel, die 1, in Schale A gelegt, Kugel 12 in Schale B. Senkt sich Schale A, so ist die Kugel 12 leichter, senkt sich Schale B, ist die Kugel 12 schwerer als die anderen. b. Es hat sich im zweiten Wiegegang die Schale A gesenkt, so heißt das, dass eine der Kugeln 9, 10 oder 11 leichter sein muss. Dritter Wiegegang: In diesem Fall wird Kugel 9 in Schale A gelegt, Kugel 10 in Schale B. Senkt sich Schale A, so ist Kugel 10 leichter, senkt sich Schale B, ist Kugel 9 leichter als die anderen. Herrscht erneut Gleichgewicht, lautet die zwingende Schlussfolgerung, dass Kugel 11 die Leichtere ist. c. Es hat sich im zweiten Wiegegang Schale B gesenkt, so bedeutet das, dass eine der Kugeln 9, 10 oder 11 schwerer sein muss als die anderen Dritter Wiegegang in diesem Fall: Kugel 9 in Schale A gelegt und Kugel 10 in Schale B. Senkt sich Schale A, so ist Kugel 9 schwerer, senkt sich Schale B, ist Kugel 10 schwerer als die anderen. Herrscht erneut Gleichgewicht, lautet die zwingende Schlussfolgerung, dass Kugel 11 die schwerere ist. Das sind alle Möglichkeiten, die sich aus einem Gleichgewicht im 1. Wiegeversuch ergeben. II. III. Im ersten Wiegeversuch senkt sich Schale A, so kann nur von den Kugeln 9 – 12 mit Sicherheit gesagt werden, dass sie Referenzkugeln darstellen. Nun werden aus Schale A drei Kugeln (1, 2 und 3) genommen und zur Seite gelegt. Kugel 4 wird aus Schale A in Schale B gelegt, Kugel 5 von Schale B in Schale A. Dazu werden drei Referenzkugeln, 9, 10 und 11, in Schale A gelegt. In beiden Schalen sind wieder vier Kugeln. Ist in diesem zweiten Wiegegang Gleichgewicht, so heißt das, da sich ja im ersten Wiegegang II Schale A gesenkt hat, dass entweder Kugel 1, 2 oder 3, die auf der Seite liegen, schwerer ist. Dritter Wiegegang in diesem Fall: Kugel 1 ist in Schale A, Kugel 2 in Schale B: Senkt sich Schale A, so ist Kugel 1 die Schwerere, senkt sich Schale B, so ist es die Kugel 2. Herrscht Gleichgewicht, ist es die 3. Senkt sich im zweiten Wiegegang der Möglichkeit II erneut Schale A, so sind die nachstehenden Schlussfolgerungen zwingend: Kugel 4, die von Schale A in Schale B gelegt wurde, muss eine Referenzkugel sein, da sich im ersten Wiegegang II auch die Schale A gesenkt hatte. Wäre das geschehen, weil Kugel 4 schwerer gewesen ist, so hätte sich diesmal Schale B senken müssen. Weiter ist zwingend, dass auch Kugel 5 in Ordnung ist. Da sie in Schale B lag, die im Wiegeversuch II nach oben kam, hätte sie leichter sein müssen; demzufolge hätte sich im zweiten Wiegeversuch nach II Schale A heben müssen. Bleibt als zwingende Schlussfolgerung, dass entweder Kugel 6, 7 oder 8 leichter sein muss als die anderen, denn die verbleibenden Kugeln 9, 10 und 11 des zweiten Wiegeversuchs nach II sind Referenzkugeln. Dritter Wiegegang in II: Kugel 6 ist in Schale A, Kugel 7 in Schale B: herrscht Gleichgewicht, ist Kugel 8 leichter, senkt sich Schale A, so ist es die 7, senkt sich Schale B, die 6. Im ersten Wiegegang senkt sich Schale B. Auch hier beschränken sich die Referenzkugeln auf die dritte Vierergruppe. Bei den weiteren Wiegevorgängen geht man genauso vor, wie unter II, nur, dass nach der Entnahme von drei Kugeln, 9, 10 und 11 aus Schale B, diese mit den drei Referenzkugeln aufgefüllt wird. Die weiteren Lösungen sind analog zu II. Dieter Schacht Tr§tzdem 2007 Nr. 38 61 Tr§tzdem Themen der nächsten Ausgabe (voraussichtlich) Sportturniere • Berichte, Informationen Fotos und Fotos Impressum Herausgeberin JVA Oldenburg Cloppenburger Straße 400 26133 Oldenburg Tel: 0441-4859 380 Fax:0441-4859 33 380 Redaktionsteam Udo Müller (UM) (hauptamtlicher Redakteur) Top-Thema: Untersuchungshaft • Untersuchungshaft! Was nun? • Rechtliche Grundlagen • Soziale Probleme Die künstlerische Kreativität von Menschen hinter Gittern braucht ihren Raum. Wilfried.Dannebaum@jva-ol.niedersachsen.de Kontakt über Wilfried Dannebaum • Weihnachtsturniere Kunst hinter Gittern: Gittern Gefangene stellen aus Joachim G. (JG) DK Markus Lanfer (ML) Christian Menig (CM) (ab November 2007) RM (bis September 2007) Stephan M. (SM) (bis Oktober 2007) Dazu hatte die „Tr§tzdem“ alle Gefangenen aufgefordert, ihre selbst gezeichneten oder gemalten Bilder, ob farbig oder schwarz/weiß zur Veröffentlichung einzusenden. Wir möchten auch zukünftig in dieser Zeitung viele Bilder präsentieren, ob nun in der Galerie oder zwischendurch mal wieder als Postkarten, und rufen alle Künstler auf: Dieter Schacht (DS) (bis September 2007) Sven Stamm (SSt) (ab Oktober 2007) Neues zur StrafvollzugsGesetzgebung • Das NJVollzG Lasse Willms (LW) Auflage 750 Exemplare, 3 Ausgaben jährlich Layout UM Veranstaltungen in der JVA • Andreas Veiel: „Der Kick“, ein Filmprojekt Mitmachen! Diesmal zeigen wir Postkarten auf den beiden letzten Seiten. Die Vorlagen für die Postkarten überließ uns: Druck Medienhaus Rösemeier Alte Dorfstr. 42 26160 Bad Zwischenahn-Ofen Jänis Bleiers Internet http://www.jva-oldenburg.de Hinweis Die “Tr§tzdem” ist vorlagepflichtig. Und vieles mehr über das, was Leib und Seele zusammen hält. Wir sind dankbar über jeden Artikel, jede Geschichte oder einen Leserbrief. Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Die präsentierten Formate entsprechen nicht den Originalformaten 62 Tr§tzdem 2007 Nr. 38 Tr§tzdem © 2007 Tr§tzdem © 2007 Tr§tzdem © 2007 Tr§tzdem © 2007