Wir sind Afrika - Straßenkreuzer
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Wir sind Afrika - Straßenkreuzer
Straßenkreuzer D a s S o z i a l m a g a z i n 17. Jahrgang · Ausgabe Juni 2010 www.strassenkreuzer.info 1,70 € davon 90 Cent für die/den Verkäufer/in! Wenn im Leben vieles schief läuft, bleiben häufig Lethargie und Isolation. Deshalb hat das Sozialwerk der Heilsarmee Nürnberg seinen Bewohnern ein Freizeit- und Beschäftigungszentrum eingerichtet. Eine Bibliothek gibt es hier ebenso wie modernste Fitnessgeräte. – Von wegen bei der Heilsarmee werden nur die Stimmbänder trainiert … Die Sozialwerk Nürnberg gGmbH ist eine Facheinrichtung der Wohnungshilfe mit über 90 Mitarbeiter/innen. Über 220 bedürftige Menschen wohnen hier und lernen, wieder eigenständig zu leben. Mehr Informationen: Tel. 0911 / 28 73-12 01 Internet: www.sozialwerk-nuernberg.de Sozialwerk Nürnberg Mögen sich die Zeiten ändern, der Auftrag bleibt … www.gillitzer.net Muckibude? Ja. Und Heilsarmee! NEU IN NÜRNBERG Liliths Second Hand Laden für Damenmode mit sozialem Beschäftigungsbetrieb. Wir bieten ehemals Drogen konsumierenden Frauen Arbeitsplätze und Qualifizierungsmöglichkeiten. Mit Ihrem Kauf oder einer Kleiderspende unterstützen Sie unseren sozialen Beschäftigungsbetrieb! Kommen Sie vorbei und lassen Sie sich überraschen von Qualität und Service! Liliths Second Hand Laden 90402 Nürnberg, Jakobstraße 21 Telefon: 0911 24 46 777 Parkplatz im Hof: email: liliths.laden@web.de Einfahrt Färberstr. 21 Di - Fr: 12 bis 18 Uhr zwischen Bilder Bingold Sa: 11 bis 16 Uhr und Sparkasse Unser Beschäftigungsbetrieb wird gefördert und unterstützt von der ARGE und aus dem Bund-Länderprogramm Soziale Stadt mit Mitteln -des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst und -der Städtebauförderung von Bund, Freistaat Bayern und Stadt Nürnberg Träger: Lilith e.V., Verein zur Unterstützung von Frauen mit Drogenproblematik „...scho wieder su a Kinnergschrei?!“ lilith_anzeige_strassenk_04_a.indd 1 26.03.10 10:16 Zwischen kleinen Engeln und kleinen Biestern liegen oft nur zwei Wohnungstüren... Beim Mieterverein gibt‘s kein Ohropax. Dafür schlichten wir bei Streitigkeiten zwischen Mitgliedern. Wir klären ihre Fragen rund um ihr Mietverhältnis. Mieterverein Nürnberg & Umgebung e.V. Schlehengasse 10, 90402 Nürnberg Tel: 0911 - 22 0 29 Beratungsstellen auch in Erlangen und Schwabach www.mieterverein-nuernberg.de Mitglied im Deutschen Mieterbund Editorial Inhalt 3 Liebe Leserinnen, liebe Leser, sicher kommt Ihnen unser Titelthema irgendwie bekannt vor. Stimmt. „Wir sind Afrika“ klingt wie die Fortsetzung von „Du bist Deutschland“ – und ist noch treffender als das Vorbild. Schließlich hat sich die Menschheit in Afrika aufrecht auf zwei Beine gestellt, bevor sie losgezogen ist in die Welt. „Lucy“, die vor ungefähr 3,2 Millionen Jahren starb, gilt als unsere Vorfahrin. Sie Psst! Gerade hat ein Vortrag bei der Straßenkreuzer Uni hatte noch eine flache Stirn, die sicher fürs Kopfballspiel gut geeignet begonnen. gewesen wäre, aber schon ein großes Hirn und beide Hände frei. Über 80 Hörer sind hier ganz Die wichtigsten Voraussetzungen mithin für unsere menschliche Entwicklung. Ohr und später bei der Diskussion mit ihren Fragen und Ansichten dabei. Dass ein paar Millionen Jahre später die Europäer verächtlich auf Das Foto entstand bei der Afrika geschaut, seine Natur und die Menschen ausgebeutet haben Heilsarmee, als Prof. Hans – ist eins der dunklen Kapitel unserer Geschichte. Noch heute gilt Afrika als rückständig, Hungersnöte und brutale Kriege wie der Kudlich spannend und kurzweilig über den Sinn von Gesetzen referierte. in Ruanda prägen unser Bild des schwarzen Kontinents. Vielleicht Wenn Sie auch dabei sein kann unser aktuelles Magazin daran rütteln – und die Fußball-WM wollen, dann machen Sie sich sowieso. Wenn die Stars über den afrikanischen Rasen dribbeln, raffinierte Spielzüge entwickeln und mit hoher Stirn ins Tor köpfen. Aber bevor wir zu sehr schwärmen eins noch: „Die Armen sind die Neger Europas.“ Das hat, vor mehr als 200 Jahren, der französische Schriftsteller Nicolas-Sébastien de Chamfort gesagt. Stimmt das etwa noch heute? Viele Menschen in unserem Land sind gezwungen, für unanständig niedrige Löhne zu arbeiten. Sie leben unter kaum akzeptablen sozialen Bedingungen. Und sie werden – wie im 18. Jahrhundert die dienstbaren Sklaven – von ihrer Umwelt zwar gesehen, aber nicht als ebenbürtige Menschen wahrgenommen. Wenn unsere Verkäufer in die Öffentlichkeit treten und den Straßen- am besten erst durch einen Blick in unser Programm schlau und dann in echt. Bei Vorträgen zu „Neue Medien“ oder „Ernährung“ z.B. in Räumen der Stadtmission, der Caritas oder im Haus Großweidenmühle. Bildung für alle gibt es bei der Straßenkreuzer Uni kostenlos und auf höchst verständlichem Niveau. Momentaufnahme Man muss sich realistische Ziele stecken 5 Kulturgut Wir empfehlen im Juni 6 Kolumne Klaus Schamberger: Der Neger riecht den Braten 8 Meinungs-Bild Woran denken Sie beim Stichwort Schule? 9 Titelthema: Wir sind Afrika 10 „Rassismus vergiftet das gesellschaftliche Klima“ Menschenrechts-Experte Heiner Bielefeldt im Gespräch 10 Nicht arm, nur anders Matto Barfuss ist auch in Afrika zu Hause 12 Andere Kinder waren zu dick… Pierre Geisensetter hat sich hochgekämpft 13 „Ich kämpfe mit diesem Leben“ Helene Bunkini it auf einer langen Reise nach Hause 14 Viel Wüste, viel Schatten Bunte und bedenkliche Assoziationen 16 Schreibwerkstatt 18 Was uns bewegt 20 Das Interview Weckt das sichere Leben die Lust auf Krimis, Frau Janousek? 24 Sozialbörse 26 Kopf und Zahl 27 Andere Ansichten Martina Wember 28 Infos unter www.strassenkreuzer.info oder in der Re- kreuzer anbieten, dann geht es genau darum: Würde und Respekt daktion im Umgang miteinander. Eine Aufgabe, eine Arbeit und ein eigener Foto: Udo Dreier, www.bayernpress.de Verdienst helfen dabei ungemein. Hier wie in Afrika. Ilse Weiß und Gabi Pfeiffer Straßenkreuzer Redaktion 29 Straßen der Welt Obdachlose Kinder in Denver rechnen mit besseren Noten Der Straßenkreuzer ist eine Zeitschrift, die Menschen in sozialer Not hilft, sich selbst zu helfen. Die Zeitschrift wird von Wohnungslosen und Armen auf der Straße verkauft. Vom Verkaufspreis 1,70 Euro behalten sie 90 Cent. Bitte kaufen Sie den Straßenkreuzer nur bei VerkäuferInnen, die ihren Ausweis deutlich sichtbar tragen. Der Straßenkreuzer wird nicht an der Haustür verkauft. Straßenkreuzer e.V. Glockenhofstraße 45 90478 Nürnberg Telefon 0911/459 76 36 Fax 0911/431 86 71 post@strassenkreuzer.info www.strassenkreuzer.info Kopf und Topf Das Kreuzer-Rätsel und Kochen mit Jochen 30 Impressum 15 Für die Umwelt Klimaschutz geht nur gemeinsam. Wir investieren in umweltgerechte Energieerzeugung, effiziente Kraftwerkstechnik, die Nutzung erneuerbarer Energien sowie w w w. f l ad . d e Wasser- und Gewässerschutz. Weitere Informationen unter www.n-ergie.de oder Telefon 0180 2 111444 (6 Cent pro Anruf aus dem Festnetz, Mobilfunk höchstens 42 Cent pro Minute) Momentaufnahme 5 Man muss sich realistische Ziele stecken Wie schön und beruhigend, wenn das Leben in geordneten Bahnen verläuft. Wenn ein Mensch Schicksalsschläge und Niederlagen verkraftet; trotz allem nicht vom rechten Weg abkommt. Alle schaffen das nicht. Manche geraten auf Abwege, andere kämpfen darum, wieder einen Fuß auf ihren lange verlassenen Pfad setzen zu können. Solche Menschen haben Abstürze und Fehltritte erlebt, oft auch Gewalt. Hier können sie davon in ihren eigenen Worten berichten. Ungeschönt, so wie das Leben in diesem Moment ist Roland Stubenvoll, 43 Jahre alt, ist gelernter Krankenpfleger und Fachwirt im Sozial- und Gesundheitswesen. Von 1996 bis 2004 war er nach einigen Zwischenstationen Leiter eines Langzeitwohnheims für psychisch Kranke. Anstehende konzeptionelle Veränderungen verbunden mit Sparmaßnahmen wollte er nicht mittragen und landete so auf der Suche nach einem neuen Job eher zufällig als Nachfolger von Bruder Martin bei der Straßenambulanz im Hummelsteiner Weg in Nürnberg. Wie gefällt Ihnen die Arbeit als Leiter der Straßenambulanz? Die Arbeit gefällt mir sehr, sie ist abwechslungsreich und spannend. Viele Klienten sind dankbar, dass es uns gibt. Wir bieten Sprechstunden in Mudra und Hängematte an und kooperieren mit anderen Einrichtungen wie der Wärmestube. Außerdem bekommen wir sehr viel Unterstützung. Im medizinischen Bereich durch die Stadt, die Caritas übernimmt unser Defizit und der Allgemeinarzt Dr. Renner hat in Absprache mit der kassenärztlichen Vereinigung für uns einen Arzt angestellt und trägt seine Finanzierung und das Risiko. Die Zusammenarbeit mit anderen Stellen läuft prima. Wie verkraften Sie Ihre Arbeit? Ich wohne außerhalb. Wenn ich Nürnberg abends verlasse, lasse ich die Arbeit dort zurück, jedenfalls meistens. Ich treibe viel Sport, um den Kopf freizubekommen; Radfahren, Schwimmen und Laufen. Sehr wichtig ist es vor allem, sich in der Arbeit realistische Ziele zu setzen. Also z. B. zufrieden zu sein, wenn man einem Langzeitdrogenabhängigen ein besseres und sichereres Leben mit den Drogen verschafft und nicht den Anspruch hat, ihn von den Drogen wegzubekommen. Das klappt selten und das Frustpotenzial ist groß. Außerdem, wenn einer von den Drogen loskommt, hat er vielleicht immer noch keine Wohnung und keinen Job. Obwohl es natürlich schön ist, wenn jemand wieder richtig auf die Beine kommt. Was wünschen Sie sich für die Zukunft? Ein großer Wunsch geht bald in Erfüllung, denn die Straßenambulanz zieht um, in das ehemalige Kloster St. Ludwig. Alle Einrichtungen wie Behandlungsräume und Mittagstisch werden endlich unter einem Dach sein, wir können dann auch durchgehende Öffnungszeiten bieten. Das neue Platzangebot wird viel Ärger ersparen. Keiner schüttet mehr Suppe über den Anderen, weil es so eng ist, jeder bekommt einen Sitzplatz und wir werden sogar ein Bad mit Badewanne haben. Die schönen Räume werden gerade unserer Klientel sicher gut tun. Je schöner etwas ist, desto besser passt man auch darauf auf. Die Kirche zahlt die Sanierung und über die Caritas können wir das Ganze langfristig zu einem sozial verträglichen Preis mieten. Schön wäre es, wieder einen zuverlässigen Ehrenamtlichen zu finden, der einmal wöchentlich übrige Brote der Bäckerei Beck einsammelt. Interview: Beate Bluhm, freie Autorin Foto: Bogdan Itskovski, freier Fotograf 6 Kulturgut Theater Film Pirouette trifft Streetdance Traumwelten und Liebesfluchten Vor 20 Jahren gab es am Nürnberger Opernhaus mal eine tollkühne Idee: Was könnte dabei herauskommen, wenn die blütenweiße BallettCompagnie des Theaters mit den knallbunten Streetdance-Artisten von Black Blanc Beur aus der Pariser Vorstadt gemeinsame Sache machen? Es war wohl zu kühn, die Proben wurden bald abgebrochen, die Kids aus Frankreich brachten die Dance-Show um die Geschichte der „Blue Jeans“ auch ohne Tütü-Schnörkel erfolgreich heraus. Jetzt traut sich wieder jemand ans tanzwütige Crossover-Abenteuer: „Love hurts...Petrushka“ verbindet an drei Juni-Abenden im Fürther Stadttheater bewegte Welten, die sonst nichts miteinander zu tun haben wollen. DIE IDEE: Im klassischen Ballett sind die Paarungs-Rollen klar verteilt (er hebt, sie schmachtet), aber bei der Begegnung mit Breakdance und HipHop könnte sich die edle Pose herausgefordert fühlen. So denkt Dirk Elwert, der die Konzeption des Tanz-Stücks „Love hurts...Petrushka" entwarf. Fränkische Theaterfreunde kennen ihn, er erfand mit Jean Renshaw einst das legendäre „Tanzwerk Nürnberg“. DAS STÜCK: Das klassische Ballett „Petruschka“ ist der passende Sammelplatz aller Aktionen – es hat den Jahrmarkt als Schauplatz und holt Puppenspieler ins Spektakel um Liebe und Leidenschaft. STIL UND AKTEURE: Die Choreographen Mario Schröder (klassisch) und Julie Pecquet (Streetdance, Break Dance) führen die Ensembles auf eine gemeinsame Plattform, wo auf Spitze und im Turnschuh der ultimative Schrittwechsel gewagt, der Funkenschlag beim Aufeinanderprallen der ungleichen Künste erwartet wird. MUSIK: Etablierte Groß-Klassik mit dem Anspruch der Zeitlosigkeit und populärer ClubSound im aktuellen Zeitgeist: Igor Strawinsky trifft DJ Opposum. Immerhin, in ihrem eigenen Genre gelten beide als schräge Vögel – das verbindet. Ein aufregendes Experiment ist mit diesem „Dancical“-Gastspiel zu besichtigen: Der Beginn einer neuen „Bewegungs-Art“ oder doch nach einmaligem Versuch die Rückkehr zur tanzbaren Trennkost? „Love hurts…Petrushka“ 10., 11. und 12. Juni, 19.30 Uhr Stadttheater Fürth Karten von 10 bis 46 Euro unter 0911/974-2400 Dieter Stoll, Kulturjournalist und Kritiker Nicht erst seit gestern ist Nürnberg eine gewachsene Filmstadt. Neben den bekannten großen Festivals, die längst Publikumsmagnete sind, passiert jedoch auch im Untergrund und an der Basis der (Metropol)Region jede Menge in Sachen Lichtspielkunst. Bestes Beispiel: Das regelmäßige Kurzfilm-Festival „futureShorts“. 30 Länder sind beteiligt, über 100 Städte – sieben davon in Deutschland: Das 2003 in London gegründete „futureShorts“-Festival gilt als eines der innovativsten und bedeutendsten Kurzfilmlabels weltweit. Nürnberg ist exklusiv dabei in dem erdumspannenden Cineasten-Netzwerk zwischen Deutschland und Kenia, Frankreich und Bangladesch, Kolumbien und Afghanistan. Jeden Monat präsentiert die Kult-Kino-Kneipe Casablanca eine neue Ausgabe. Beim nächsten „futureShorts“-Termin am 18. Juni heißt das Motto „One World Dreaming“ – mit Beiträgen aus Deutschland, Brasilien, Frankreich, Großbritannien, Singapur, Kanada und den USA. Es geht um bizarre Traumwelten und das Verwischen der Grenzen unserer Realität. Da ist zum Beispiel die ironische Erzählung „Teleglobal Dreamin“, bei der eine philippinische Call-Center-Agentin ihren amerikanischen Kollegen mit auf einen Ausflug nimmt ..., oder „I’ll Wait For The Next One“, bei dem sich ein Mann vor der Liebe in eine U-Bahn-Station flüchtet. Außerdem: Ein Musikvideo über die englische Musikerin Kate Bush, sieben kurze Liebesgeschichten mitten aus dem pulsierenden Leben („Snapshots“) und ein Spielzeug-LKW, der eine Kettenreaktion auslöst. futureShorts, 18. Juni, ab 21 Uhr, Casablanca, Brosamerstr. 12, Nürnberg, Eintritt ?? www.casablanca-nuernberg.de Stefan Gnad, freier Journalist Frei! Eine große Nachtmusik Die Lorenzkirche mit ihrer gotischen Architektur und ihren Kunstwerten ist ja an sich schon ein Erlebnis. Wer sich einer Führung anschließt und die Geschichte der einzelnen Werke erklärt bekommt, begreift spätestens dann, was für ein Kulturdenkmal mitten in Nürnberg steht. Wirklich „göttlich“ wird es, wenn man die Akustik dieses Bauwerks genießen darf. Eine einzigartige Gelegenheit dazu bietet der Lorenzer Klangmarathon unter dem Titel: „Himmel und Erde...“ Vertraute und ungewöhnliche Klänge und Texte im Kirchenraum versprechen der Windsbacher Knabenchor (Leitung Karl-Friedrich Beringer), das Vokalensemble St. Lorenz (Leitung Matthias Ank), Stefan Hippe am Akkordeon, das Schlagzeugensemble der Musikhochschule Nürnberg (Leitung Hermann Schwander), sowie Karsten Leykam und Matthias Ank an allen drei Orgeln Freitag, 18.06. von 20 Uhr bis Mitternacht, Lorenzkirche Nürnberg, Eintritt frei www.kirchenmusik-st-lorenz.de Heiko Lenthe, Straßenkreuzer-Mitarbeiter Musical Abtauchen zu den Beatles Die Beatles zählen zu den erfolgreichsten Bands des 20. Jahrhunderts und es gibt wohl wenige Klassenfahrten und Zeltlager, bei denen Klassiker wie „Yesterday“ oder „Let it be“ nicht am Lagerfeuer geklampft und gesungen werden. Dass es bei den Beatles aber auch noch ganz andere Seiten zu entdecken gibt, zeigt die Musicalproduktion „Imagine“ des Faches Musikpädagogik der Uni Erlangen-Nürnberg. Dort bringen die Lehramtsstudenten ein eigens dafür geschriebenes Stück auf die Bühne, das sich an den psychedelisch-skurrilen Zeichentrickfilm „Yellow Submarine“ aus dem Jahr 1968 anlehnt. Mit einem videoanimierten Bühnenbild, auf dem ein gelbes U-Boot hin und her flitzt, knallbunten Kostümen und übergroßen Requisiten schafft es die Inszenierung, den subversiven und teils absurden Humor der Vorlage auf die Bühne zu transportieren. Dazwischen gibt es eine lange Liste bekannter, aber auch unbekannterer Beatles Songs, die aufgrund ihres experimentellen Charakters die Vorreiterrolle der Pilzköpfe für die Rock- und Popmusik eindrucksvoll unterstreichen. Ein Muss nicht nur für Beatles-Fans. Auch Anhänger des Zeitgeistes der 60er und 70er Jahre kommen voll auf ihre Kosten. Was für ein schönes, buntes, abgedrehtes und entrücktes Pop-Spektakel! „Imagine“ 2., 3., 4., 5., 10., 11., 12. Juni, Aula der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät, Regensburger Str. 160, Nürnberg Karten von 12 bis 20 Euro an allen bekannten Vorverkaufsstellen Matthias Stubenvoll, Chorleiter und Dozent an der Uni Erlangen-Nürnberg Kulturgut 7 Buch Konzert Jung sein Vergessene Prilblumen-Kinder Feiner Folk Open Air Mit Schweinen feiern Der Romantitel „Nebenan ein Mädchen“ klingt schier gelangweilt. Auch Kapitelüberschriften wie „Schlafenszeit“ oder „Frieda geht einkaufen“ lassen nichts Aufregendes vermuten. Dabei geschieht Ungeheuerliches in Stefan Kiesbyes Debütroman, der irgendwie ein Krimi ist. Moritz, der Ich-Erzähler, ist etwa elf Jahre alt. Er gehört zu den Dachsen, deren Feinde die Füchse sind. Dachse und Füchse wachsen in den 70ern in einem norddeutschen Industriekaff auf. Ihre Väter arbeiten in der Süßwarenfabrik, im Schlachthof, in der Gummifabrik. Und würde Moritz nicht Prilblumen und Bay City Rollers-Poster beschreiben: Man könnte seine Geschichte glatt Jahrzehnte vorverlegen. So archaisch ist hier die Welt, so allgegenwärtig sind hier die Traumata des Krieges. In kurzen, manchmal nur halbseitigen Kapiteln reiht sich ein Erlebnissplitter an den nächsten. Moritz erzählt vom Bandenleben im Wald, von der Schule, vom ersten Sex mit der Schwester, von den Sauna-Orgien der Eltern, vom Foltern und gefoltert werden, von einem vergessenen Bunker und einem vergessenen Mädchen, von der ersten, falschen Liebe und vom letzten, fürchterlichen Kampf mit den Füchsen, auf den alles zuläuft. Der Leser lässt sich auf einen Pubertierenden ein, dem er sozusagen alles aus der Nase ziehen muss: Raus kommt nur das Allernötigste. Vieles bleibt unerklärt, unhinterfragt. Und die über allem wabernde Mixtur aus pervertierter Sexualität, Gewalt und Gefühllosigkeit erscheint umso bedrohlicher (und spannender!) je lakonischer, knapper und unbeteiligter Moritz davon berichtet. Dass ihn weder diese unerbittliche Erzählhaltung noch das Verbrechen, das er am Ende begeht, zum zynischen Monster machen, ist das Kunstfertige – und Erschreckende – an diesem Roman. Stefan Kiesbye, Nebenan ein Mädchen, Seeling Verlag, 10,80 Euro (Gerade ist das Buch auch bei Heyne erschienen. Für 3 Euro weniger. Doch vielleicht – wenn Sie es sich leisten können – kaufen Sie ja trotzdem die Ausgabe des kleinen Seeling Verlags, der den Roman für Deutschland entdeckt hat) Gabi Blossey, Texterin In Nürnberg ist Dan Reeder aufgrund seiner skurril-witzigen Kunst kein Unbekannter. Eine selbst aufgenommene CD, die er 2003 an sein Idol John Prine gesandt hat und dessen Begeisterung dafür, haben ihm einen Plattenvertrag beschert. Mit seiner unverkennbaren Stimme und auf zum Teil selbstgebauten Instrumenten singt und spielt er sich in die Herzen seiner Zuhörer. Aktuell wurde seine dritte CD veröffentlicht, die ihm internationale Beachtung einbringt. Der Komponist und Dichter feiner Country- und Folkstücke füllt in Amerika Säle. In der Region ist der Ausnahmekünstler aber selten zu erleben. Umso schöner: Dan Reeder eröffnet das Sommerfestival des St. Katharina Open Air 2010. Das passt. Hier kann man unter offenem Himmel lauschen. Etwas Besonderes sind die mehrstimmigen Stücke, die die Wärme der Gospelmusik in sich tragen. Begleitet wird Dan Reeder von Jasmin Dazert (Gesang, Gitarre, Bass) und Stephan Golser (Gitarre). Dan Reeder Freitag, 18. Juni, 20 Uhr, Katharinenruine, Nürnberg, Eintritt: 15 Euro Artur Engler, Straßenkreuzer CD-Macher Die Jugendfarm Erlangen ist ein Abenteuerspielplatz mit Tieren, betreut von pädagogischen Fachleuten. Ziegen und Kaninchen, Enten, Meerschweinchen, Pferde, Ponys, Katzen und Schweine leben auf dem großen Gelände im Meilwald. Kinder ab sechs Jahren sind willkommen. Besonders beliebt sind die Geburtstagsangebote, die das Team anbietet. Mit Lagerfeuer, basteln, Schatzsuche, Ziegen spazieren führen, Ponys striegeln – und die neugierigen Schweine feiern auch mit. Jugendfarm e.V., Spardorfer Str. 82, Erlangen, Tel. 09131/21 365 www.jugendfarm-er.de Kindergeburtstage ab 40 bis ca. 80 Euro Ilse Weiß, Straßenkreuzer Redaktion Ausstellung Glaubensfragen unter Oberlichtern Da dachte man, der Kunstverein Kohlenhof möchte sich kurz vor seinem 25sten Geburtstag in Luft auflösen. Der Ausstellungsraum im Kunst- und Galeriehaus Defet war verwaist, die Vögel ausgeflogen. Und nun das: Gleich neben dem Germanischen Nationalmuseum hat der Verein einen neuen Raum bezogen. Klein, aber lässig und großstädtisch, mit schönen Oberlichtern (früher war hier ein Nähraum) und neuem Enthusiasmus. Bis 19.6. stellt hier die Münchner Künstlerin Annegret Bleisteiner aus. Eine große Installation, Videos und Zeichnungen sind zu sehen, studiert hat sie seinerzeit Malerei bei Reuter und Knaupp in Nürnberg, später bei Trockel und Klapheck in Düsseldorf. Egal, zu welchem Werkzeug sie greift: Immer wieder schichtet sie Ebenen übereinander, mehrere Bewusstseinsstadien existieren nebeneinander in einer zeitlosen Gleichzeitigkeit. Träum ich oder wach ich? Ist das, was ich sehe, wirklich das, was ich glaube zu sehen? Bei Annegret Bleisteiner darf man sich nie sicher sein – beim Kunstverein Kohlenhof dagegen schon. Annegret Bleisteiner: Duale Reise. Ausstellung bis 19.Juni im Kunstverein Kohlenhof, Grasersgasse 15, Nürnberg, Do, Fr, Sa 14-20 Uhr, www.kunstvereinkohlenhof.de Wolfgang Gillitzer, Straßenkreuzer-Grafiker 8 Kolumne Klaus Schamberger Der Neger riecht den Braten leben 70 Prozent aller Neger von der nicht immer vorhandenen Hand in den Mund, umgerechnet von ungefähr 75 Cent täglich. So kostengünstig und billig kann man in Afrika verhungern. Alle fünf Sekunden stirbt dort ein Kind unter zehn Jahren an den Folgen von Hunger – kehrt also weit vor der Zeit heim in das von der auch sonst sehr hilfreichen Kirche verheißene Himmelreich. Auch das wieder ein Verdienst von uns aus Europa. Und jetzt haben wir ihnen praktisch auch noch die allergrößte Gnade widerfahren lassen: Sie dürfen die Fußballweltmeisterschaft veranstalten und erhalten endlich die in Afrika so dringend notwendigen Gebäude wie etwa Fußball-Stadien, VIPLogen, Presse-Zentren. Hoffentlich geht der südafrikanische Neger dann auch hin zur Fußball-Weltmeisterschaft. Nicht dass er wieder den ganzen Tag daheim in seiner Pappdeckel-Villa rumschnackselt und sich in keiner Weise dafür interessiert, wie viel ein Michael Ballack im Schweiße seiner Füße verdient. Nämlich eine Jahres-Gage, von der der Neger von nun an bis in alle Ewigkeit leben könnte. Was aber keinen Sinn hat, weil er durchschnittlich nur 45 Jahre lang lebt. Falls man von einem Leben sprechen kann. Abschließend möchten wir noch einmal bekräftigen, wie eingangs erwähnt, dass der Neger riecht. Und zwar riecht er jetzt langsam den Braten, den wir uns seit 400 Jahren täglich auf seine Kosten in die Röhre schieben. Was dann kommt und warum es kommt, das kann man in dem Buch von Jean Ziegler (ehemaliger Professor der Universität Genf, unter anderem ausgezeichnet mit dem Internationalen Litertaturpreis für Menschenrechte, seit 2008 Mitglied des UNO-Menschenrechtsrats) „Der Hass auf den Westen – wie sich die armen Völker gegen den wirtschaftlichen Weltkrieg wehren“ nachlesen. Es ist nicht lustig, aber bedenkenswert, und kostet 19,95 Euro – also einen Betrag, den sich die Fürstin Gloria von Thurn und Taxis halt einmal von ihrem wortreichen Mund absparen müsste. Vom Schnackseln steht in dem Buch (C. Bertelsmann, 288 Seiten) allerdings nix drin. Klaus Schamberger, Tageszeitungs- und Rundfunk-Journalist, Autor, lange Jahre u.a. als „Spezi“ unterwegs. Die Kolumne im Straßenkreuzer wird abwechselnd von vier Autoren geschrieben. Auf Klaus Schamberger folgen nächste Ausgabe Manfred Schwab, danach Gisela Lipsky und Matthias Kröner. Cartoon: Gerd Bauer Afrika ist uns sehr gut bekannt. Jeder Depp und jede Deppin weiß, dass zum Beispiel der Bewohner von Afrika, der Neger, dass der riecht, am liebsten nix ärwert und, wie eine Durchlaucht aus dem oberpfälzischen Höchstadel, im Rang einer Faschingsprinzessin, schon einmal beliebt hat anzumerken, er schnackselt viel zu viel. Weswegen er von Gott persönlich momentan mit Aids bestraft wird. So lange, bis er endlich auf die Ermahnungen unserer größten moralischen Instanzen, katholische Kirche und die erwähnte Faschingsprinzessin, horcht und mit dem Schnackseln aufhört. Viele Humanisten bei uns haben sich aber trotz aller dort vorkommenden Todsünden dieses Kontinentes schon immer mit großer Sorgfalt und Liebe angenommen und tun es heute noch. Dabei nehmen wir große Strapazen auf uns. Im Schweiße unseres Angesichts machen wir in Afrika Urlaub, lassen uns also dort nach oft bis zu fünfstündigen entbehrungsreichen Flügen in armseligen, lediglich sechssternigen Unterkünften nieder, um dann hinter hohen Mauern und zahlreichen SecurityWächtern bei Hummer, Langusten, Froschschenkeln, Loup de Mer und anderem furchtbaren Ungeziefer zwei Wochen lang zu darben. Und noch dazu kostet es ein Saugeld. Jemand hat neulich ausgerechnet, dass ein Neger mit seiner rachgierig zusammengeschnackselten Familie von dem Geld für zwei Wochen Urlaub in einer Club-Anlage in Kenia fünf Jahre lang leben könnte. So lieb und teuer is uns Afrika! Der Neger hat es da leicht. Er braucht nur einmal keinen Club-Urlaub in Kenia machen – schon hat er wieder für fünf Jahre ausgesorgt. Oder noch ein Beispiel, wie wir uns um Afrika oft schwerwiegende Gedanken machen: Da hat einmal ein uns bekannter Nürnberger Pausenkaschber in Addis Abeba, welches die Hauptstadt von Äthiopien ist, an der Bar des Addis Abebischen Hilton Hotels einige Cognac praktisch als Medizin, als Antiidioticum, eingenommen, um den Anblick der außerhalb des Hotels herumlungernden, oft sehr nachlässig gekleideten Addis Abeber, auch weitgehend alles Neger, besser ertragen zu können. Der Barkeeper hat ihm dann vorgerechnet, dass ein durchschnittlicher Äthiopier vom Gegenwert dieser drei Cognac ein Jahr lang mit Essen, Trinken, Wohnen, Kleidung sehr gut zurecht kommt. So schön hat es der Neger, drei Cognac, und schon lebt er ein Jahr in Saus und Braus. Oder wenden wir uns früheren Zeiten zu, dem glorreichen Zeitalter der Entdeckungen, in welchem das Fundament für den unermesslichen Reichtum Afrikas für immer betoniert worden ist. Wer war es denn, der dort Gold und Diamanten und vor allem für den Sklavenhandel sehr gut geeignete Negerkinder, Frauen und Männer entdeckt hat? Wir, die Europäer. Oder später auch die ja ebenfalls aus Europa stammenden Amerikaner. Diese haben zunächst Amerika vom Indianer befreit, die USA gegründet und dann erst Zeit gehabt, auch Afrika zu befreien – nämlich von der Bürde seiner lästigen Bodenvorkommen wie Erdöl, Kupfer, Uran, Platin, Kobalt, Titan und so weiter. Naturgemäß befinden sich 70 Prozent der afrikanischen Erdölvorkommen in der sanftmütigen Hand von Benefiz-Unternehmen wie Shell, Exxon, BP, Total oder Texaco. Dafür verfügt aber der von seinen Bodenschätzen vollkommen befreite afrikanische Neger ebenfalls über 70 Prozent. Und zwar D Meinungs-Bild 9 Woran denken Sie beim Stichwort Schule? Uta Spitzbarth, Supervisorin und Sozialarbeiterin Carmen Lau, Schneiderin Ralf Gaberle, Schreiner Carlo Schnabel, Verkäufersprecher Straßenkreuzer Eduard Stoica, Kunstmaler Irmi Kurz, Lebenskünstlerin Umfrage: Ilse Weiß · Fotos: Gerd Grimm 10 Wir sind Afrika „Rassismus vergiftet das gesellschaftliche Klima“ Oft genügt eine dunkle Hautfarbe, um diskriminiert oder angefeindet zu werden. Wo Rassismus anfängt, wie er befördert wird und warum er unsere demokratischen Grundsätze des Zusammenlebens gefährdet, weiß Professor Heiner Bielefeldt. Er ist Inhaber des Lehrstuhls für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik an der Uni Erlangen-Nürnberg Straßenkreuzer: Herr Professor Wer es dann schafft, hereinzukommen und einen Asylantrag zu Bielefeldt, beim Fußball richten stellen, landet in einer Gemeinschaftsunterkunft. Wie ist das zu sich Beschimpfungen und Ras- bewerten? sismus meist gegen dunkelhäu- Es gibt eine schikanöse Praxis, die von Deutschland entscheidend mit geprägt wurde und in Europa Schule gemacht hat. Viele schaffen es gar nicht, ins Land zu kommen, weil Deutschland sich mit einem Gürtel sogenannter sicherer Drittstaaten umgeben hat. Da wird nicht mehr gefragt: „Was hast du erlebt oder erlitten?“, sondern nur: „Wo kommst du her?“ Und wenn Zweifel bleiben, bedeutet das schon Ablehnung und Illegalität oder allenfalls Duldung. Das ist eines Rechtsstaats nicht würdig. tige, afrikanische Spieler. Ist das symptomatisch? Innerhalb der verschiedenen Formen von Rassismus in der Gesellschaft hat die Form, die sich an der Hautfarbe festmacht, eine ganz besondere Brisanz. Die Betroffenen gehören zu den so genannten sichtbaren Minderheiten. Viele von ihnen empfinden auch dies als besondere Diskriminierung. Heiner Bielefeldt: Sind dunkelhäutige Menschen tatsächlich von Rassismus besonders betroffen? Es gibt unterschiedliche Formen des Rassismus. Der Antisemitismus beispielsweise ist ja nicht an der Hautfarbe orientiert. Gemeinsam ist aber allen Formen, dass man Menschen entpersonalisiert, einfach einer Gruppe zuschlägt, und diese Gruppe abwertet. Noch bevor Betroffene etwas sagen, glaubt man schon zu wissen, dass sie alle lügen oder betrügen. Ob diese Gruppe sich durch ihre Hautfarbe unterscheidet oder nach anderen biologischen, pseudobiologischen, kulturellem oder religiösen Merkmalen definiert wird, ist sekundär. Prägt auch das Bild des Schwarzen als „Scheinasylant“ unsre Wahrnehmung? Das spielt ganz bestimmt eine Rolle. Das war vor allem so, bevor in den 90er Jahren eine Verfassungsreform das Grundrecht auf Asyl weitgehend entleert hat. Damals haben sich Begriffe wie „Scheinasylant“ oder „das Boot ist voll“ eingeschlichen. Das wurde stark auf eine bestimmte Gruppe von Menschen zugeschnitten. Bootsflüchtlinge aus asiatischen Ländern hatten einen besseren Status als solche aus Afrika. Das dürfte auch heute noch so sein... ...und setzt sich fort in der Abschottungspraxis der EU. Ja. Die steht im Widerspruch zum Selbstverständnis der EU als Raum der Sicherheit, der Freiheit und des Rechts. Zum Recht gehört ein Mindestelement des Asyls, nämlich, dass niemand einfach an der Grenze abgefangen und wieder zurückgeschickt wird in Länder, wo ihm Schreckliches widerfahren ist. Dieses Recht gilt nach der Genfer Flüchtlingskonvention und nach der europäischen Menschenrechtskonvention als verbindlich, und trotzdem wird es nicht nur missachtet, sondern systematisch ad absurdum geführt, etwa durch die EU-Grenzschutzagentur Frontex. Das ist nicht nur inhuman, sondern auch rechtswidrig. Kann es sein, dass wir Afrikanern schon deswegen mit Vorbehalten begegnen, weil uns der Kontinent so fremd ist? Ja, Afrika wird von Europäern als etwas ganz Fremdes und Exotisches wahrgenommen: Als Kontinent, in dem Katastrophen, auch humanitäre Katastrophen, als selbstverständlich gelten und Kriege einfach ausbrechen wie Seuchen. Es müssen schon hohe Opferzahlen erreicht werden, ehe man das in Deutschland und Europa überhaupt zur Kenntnis nimmt. Afrika ist in der Tat ein Nachbarkontinent, der uns unendlich weit entfernt vorkommt. Wo beginnt Rassismus? Fällt schon darunter, wenn Afrikaner von der Polizei auffällig oft kontrolliert werden oder wenn man sie bei Behörden duzt? Man sollte den Begriff Rassismus schon einigermaßen behutsam und nicht allzu inflationär einsetzen. Nicht jeder unfreundliche Akt ist Rassismus. Anders ist es, wenn der begründete Eindruck entsteht, dass hinter dem Verhalten eine Mentalität steckt, eine Struktur von Ausgrenzung und Abwertung. Wenn also ein Beamter kaum einen duzt, Afrikaner aber schon, dann steckt schon eine rassistische Mentalität dahinter. Oder wenn bei Razzien nur Dunkelhäutige herausgegriffen werden, ohne dass es dafür einen besonderen Grund gibt. Sind solche Verhaltensweisen in der Gesellschaft weit verbreitet? Es gibt erstaunlich wenige Erkenntnisse darüber, wie es um den versteckten Rassismus in Deutschland bestellt ist. Wir kennen aber Tests etwa der Art, dass sich jemand um eine Wohnung oder eine Job bemüht, einmal mit einem deutschen Namen, dann mit den gleichen Unterlagen mit einem afrikanisch klingenden Namen. Die Bewerbungschancen sinken rapide. Erst recht, wenn ein Foto beiliegt. Da kann man Rassismus zum Teil nachweisen. Wie sollen Betroffene darauf reagieren? Zunächst einmal ist es gut, dass sie die Möglichkeit haben, sich zu beschweren. Es ist wichtig, dass man sich gegen massive Formen von Diskriminierung wehren kann. Wir haben zum Beispiel das allgemeine Gleichstellungsgesetz, das auch eine gewisse Präventivwirkung entfaltet. Juristische Schritte müssen aber das letzte Mittel Wir sind Afrika 11 Ein Flüchtling hilft einem anderen nach der Ankunft in einem spanischen Hafen. sein, denn wir wollen keine Gesellschaft, in der man ständig zum Rechtsanwalt rennt. Welche Möglichkeiten gibt es sonst noch? Wichtig ist, dass man sich zusammenschließt, aber nicht nur unter den Betroffenen. Wir brauchen ein gesellschaftliches Klima der Solidarität, vor allem dort, wo rassistische Straftaten begangen und gar Schwarze durch die Straßen gejagt werden. Da braucht es offene Türen, also Bürger, die sagen, bei uns kann jemand Zuflucht finden. So etwas verändert auch das Klima in einer Stadt. Rassismus ist ja nicht nur Sache der Betroffenen, sondern geht uns alle an. Rassismus vergiftet das gesellschaftliche Klima. Er ist die brutale direkte Verneinung dessen, was im Grundgesetz ganz oben steht, nämlich die Würde des Menschen. Was kann man tun, um das Klima zu verbessern? Ganz wichtig ist, das Thema in die Agenda der Schulen aufzunehmen, nicht nur in die Lehrpläne, sondern als Teil der schulischen Praxis. Darüber hinaus brauchen wir zivilgesellschaftliche Organisationen. No-Go-Areas darf es einfach nicht geben. Wir müssen über zynische Vorurteile wie „Scheinasylant“ aufklären. Wer unter extremen Risiken seine Heimat verlässt in der Hoffnung, bessere Lebenschancen zu erhalten, aber kein Asyl bekommt, ist nicht automatisch ein Betrüger. Bringt es denn etwas, wenn man beispielsweise den Begriff Negerkuss nicht mehr verwendet? Das würde ich nicht übertreiben. Man muss das Selbstverständnis Betroffener ernst nehmen, aber es geht in erster Linie nicht um Sprache oder Sprachregelung. Könnte die Fußball-Weltmeisterschaft helfen, Afrika und seine Bewohner besser zu verstehen? Die WM wird unser negatives Afrikabild doch etwas ändern. Für die Afrikaner, nicht nur für die Südafrikaner, ist die WM eine Herzensangelegenheit. Hier können sie sich als Gastgeber präsentieren, die stolz sind auf ihr Land, in dem Aufbruchstimmung herrscht. Sie könnten die Wahrnehmung dafür schärfen, dass Afrika kein Kontinent ist, den man einfach abschreiben kann und den man vor allem mit Aids, Katastrophen oder Massenmorden in Verbindung bringt. Wer soll gewinnen? Ich bin so wenig kompetent, dass ich nicht einmal weiß, wer noch im Rennen ist. Aber ich fände es toll, wenn es ein afrikanisches Land wäre. Interview: Sharon Chaffin, Redakteurin bei der Nürnberger Zeitung Herbert Fuehr, Redakteur bei den Nürnberger Nachrichten Foto links: Bernd Böhner, Fotograf bei den Erlanger Nachrichten Foto rechts: Reuters/Francisco Bonilla, Spanien 12 Wir sind Afrika Nicht arm, nur anders Matto Barfuss, der Gepardenmann, hat Afrika zur zweiten Heimat gemacht frika, das ist für ihn eine Reise zu den Wurzeln der Menschheit. Und wenn Matto H. Barfuss zurückkommt nach Deutschland, fühlt er sich immer häufiger eingeschnürt von all den Regularien und dem risiko-minimierten Leben hier. „Im Busch ist es so: Wenn ich einen Fehler mache, bin ich dran.“ Mitte April ist er zu seiner 53. Expedition aufgebrochen, die zehn Wochen dauern soll. Wieder eine, bei der jede Entscheidung zählt. Sein Landcruiser ist schon geflutet worden und am Lagerfeuer eine hochgiftige „Boomslang“ unter seinem Stuhl durchgekrochen, auch die Bürgerkriegsgebiete in Ostkongo und Ruanda hat er bereist. Toi toi toi, nichts passiert. Was lockt den 40-Jährigen, der lange Zeit in Herrieden bei Ansbach gelebt hat und der nun in Rheinau an der französischen Grenze zu Hause ist, seit 15 Jahren immer wieder nach Afrika? Ein Kindheitstraum. Er wollte die Tiere, die er im Zoo besucht hatte, einmal in freier Natur sehen. A Afrikas Kindern die Natur erklären Inzwischen hat er mit einem Rudel Geparden gelebt, er hat Berggorillas im Kongo porträtiert und – nach einer Reise durch Tansania, Sambia und Namibia – vor kurzem sein Buch „Mit den Löwen durch Afrika“ herausgebracht. Seine Ölgemälde, Fotografien und Filme begeistern Naturfreunde hierzulande, für Afrika hat er ein Schulbuch gemacht. Weil die Kinder (und ihre Eltern) ihre wilden Tiere nicht mehr kennen und aus Angst vor ihnen nach der Regenzeit große Flächen abbrennen. Ein schädlicher Eingriff in eine gefährdete Natur. Besser wäre es, schreibt Barfuss in „Löwe & Co“, sich richtig zu verhalten und friedlich mit den Tieren zu leben. „Macht es nicht wie wir mit Wolf, Luchs und Bär“, plädiert der Deutsche für den Artenschutz. Sechs Monate pro Jahr ist er in Afrika unterwegs. Auch in abgelegenen Gegenden, wo er manchmal der einzige Weiße unter Schwarzen ist und Kinder bei seinem Anblick zu weinen beginnen. „Das ist spannend und manchmal ein bisschen nervig. Die beste Methode, um das Eis zu brechen, sind eine freundliche Miene und ein Scherz.“ Wie überall auf der Welt. Ob seine Liebe zu Afrika ein Leben lang hält? Matto Barfuss kann es sich nicht anders vorstellen. „Afrika hat es verdient, dass wir uns damit beschäftigen“, sagt er. Mit den Ländern, mit den Leuten. Gleichzeitig ist der Künstler überzeugt, dass Afrika nur „funktioniert“, wenn man sich ganz darauf einlässt. Sich als Europäer auf den anderen Rhythmus einstellt, als Mensch mit der Natur zu leben lernt und akzeptiert: „Afrika ist nicht arm, es ist nur anders.“ Text: Gabi Pfeiffer; Foto: Matto Barfuss www.matto-barfuss.de Wir sind Afrika 13 m Juli 1972 wurde Pierre unehelich geboren — seine Mutter schuftete damals in Thüringen am Fließband einer Por zellanfabrik. Seinen Vater, er besuchte Ostdeutschland nur wenige Wochen für eine berufliche Weiterbildung, lernte er nie kennen. Dessen Heimatland, das westafrikanische Mali, hat er bis heute nicht besucht. Groll, das betont er, hegt er nicht. „Ich spüre das einfach nicht, diese Lust, nach meinen afrikanischen Wurzeln zu suchen. Ich denke und fühle sehr deutsch“, sagt er und zeigt das breite Lächeln, mit dem er seit Jahren die Programm-Chefs überzeugt und sich bei verschiedenen Fernsehsendern begehrte Moderatoren-Jobs in den Sendungen „Herzblatt“ und „Leute heute“ angelte. Pierre ist mutig und selbstbewusst, manchmal wurde er als Kind wegen seiner Hautfarbe geneckt, wohl verletzende Erfahrungen, aber für diskriminierend oder rassistisch hielt er auch die Sprüche der anderen Kinder früher nicht. „Andere Kinder waren zu dick, manche zu langsam – jeder hatte einen Punkt, auf den die anderen einhackten.“ Pierre ist sportlich und muskulös, eine seiner Eigenschaften, die verhinderte, dass er zum Außenseiter wurde. „Ich wurde vielleicht manchmal wegen meiner Hautfarbe geärgert – aber ich war immer der, der wählen durfte“, stellt Pierre fest und kleidet so in ein anschauliches Bild, wie Außenseiter-Karrieren in der Schule meist entstehen. Jungen und Mädchen, zu ungelenk, zu unbeweglich, zu schwach für Sport und Spiele. Kinder, die als letzte übrig bleiben, wenn Sportmannschaften gewählt werden. I Mit Bomberjacke und Springerstiefeln Schockiert war er erst später, als seine Freunde aus der Kindheit auf einmal in Bomberjacken und Springerstiefel schlüpften. Eine „Orientierungsphase“, wenn auch bescheuert, ein „Modetrend“, urteilt er heute. Er erinnert sich noch recht gut, wie alle plötzlich die deutschen Rocker „Böhse Onkelz“ und deren rassistische Texte hörten. Doch für ihn begann eine neue Zeit. 1991 legte er das Abitur ab, zog in ein internationales Studentenwohnheim nach Erlangen, lebte Tür an Tür mit Indern und Afghanen – „eine tolle Zeit, ich fühlte mich überhaupt nicht mehr anders“. Sein Geld kellnerte er sich, wie viele Studenten, zusammen, er heuerte als Fitness-Trainer an. Doch die Rechtswissenschaften waren ihm zu trocken, er bemühte sich um ein Praktikum beim Radiosender N1, das Studium schmiss er erst hin, als er beim Radio bleiben durfte. Fünf Jahre war seine samtige Stimme unter anderem in der MorningShow zu hören, am Wochenende büffelte er für einen Abschluss als Werbefachwirt. Bis er sich „auf gut Glück“ beim Bayerischen Rundfunk bewarb und vom Fernsehen entdeckt wurde. „Ich habe heute tolle Kollegen, einen schönen Beruf – meine Güte, mein Großvater stand am Hochofen! Wo hat man das schon, dass man in der Arbeit jeden Tag lacht und Spaß hat?“ Undercover-Recherchen, wie Günter Wallraffs Tour durch Deutschland sind seine Sache nicht. „Was erwartet der Mann, wenn er sich in irgendeinem Fußballstadion mit schwarz gefärbtem Gesicht in irgendeinen Fanblock setzt? Eine intelligente Diskussion? Bestimmt nicht.“ Geisensetters Weg ist ein anderer. Statt Aufdeckern und dem Medienpranger wünscht er sich Mitmenschen, die aufstehen und ihre Stimme erheben – im Alltag, ohne großes Aufsehen. All den rassistischen Feindseligkeiten entgegentreten, ob im Fußballstadion oder in einer Behörde. Geisensetter ist ein Teamspieler, kein Einzelkämpfer. Und das wünscht er sich auch für die Gesellschaft. „Bei einem FußballSpiel schwenken alle ihre Flaggen – aber in der Politik?“ Er erinnert an die Fußball- WM, das deutsche Sommermärchen. Was für eine Erfahrung musste das für die angereisten Fans aus Mexiko, dem Iran oder den USA sein? Deutschland voller Sonnenschein und Humor, Leidenschaft an jeder Straßenecke. Für ihn aber auch der Beweis, dass dieses Land lebenswert ist. Mehr Toleranz hat Geisensetter – „und ich bin um die halbe Welt gereist“ – jedenfalls nirgendwo anders gefunden. Er wünscht sich nur eines: „Diese Euphorie, diesen Enthusiasmus – wäre doch toll, wenn wir in Deutschland auch in anderen Fragen so zusammenhielten.“ Text: Ulrike Löw, Gerichtsreporterin bei den Nürnberger Nachrichten; Foto: privat Andere Kinder waren zu dick … Pierre Geisensetter wurde als uneheliches Kind geboren, seine Mutter stand am Fließband, der Opa am Hochofen. Er kommt von unten und ist heute als Moderator den HollywoodStars ganz nahe. Ein Gespräch über Sport, Günter Wallraff und das tolerante Deutschland 14 Wir sind Afrika „Ich kämpfe mit Helene Bunkini musste mit ihrer Familie aus dem Kongo fliehen. Ihre Kinder sind in Nürnberg daheim, doch die ehemalige Chefsekretärin erlebt die Gegenwart wie eine Zwischenstation auf einer langen Reise nach Hause m Anfang“, sagt Helene, „habe ich immer geweint. Oh Gott, das war so schwer!“ Inzwischen sind es vierzehn Jahre, dass sie in der Stadt lebt, die sie „Njumberg“ nennt. Einen fast zärtlichen Klang hat das. Die Noris ist für Helene Bunkini der Endpunkt einer langen und mehr als beschwerlichen Reise. Wenn sie Besucher in ihrer Wohnung in einem neugotischen Bürgerhaus empfängt, führt sie sie zu einem typisch deutschen Ecksofa vor einer Stehlampe. Souvenirs aus ihrer Heimat, wie sie so viele Afrikaner an den Wänden haben, sucht man hier vergebens. Ihre Tochter Sarah, in Franken geboren, erklärt ein bisschen süffisant: „Meine Mutter hat sowas nicht, sie ist eine moderne Frau.“ Wenn diese moderne Frau auf dem Sofa sitzt und ihre Geschichte erzählt, lacht sie immer wieder. Obwohl die Geschichte nicht zum Lachen ist. Chefsekretärin in einer großen Textilfabrik im Kongo war Helene Bunkini, immer auf dem neuesten Stand der EDV, mit gutem Einkommen. Die Arbeit hatte ihr Spaß gemacht. Dann musste sie mit ihrem Mann vor den Schergen Mobutus fliehen, im fünften Monat schwanger war sie da. In Deutschland wurde die Familie von einem Asylbewerberheim ins nächste verschoben. Weil sie das Bundesland nicht verlassen durften, kannten sie niemanden außerhalb Bayerns. „Wir gehen da hin, wo viele Afrikaner sind, da kann man zusammen sein“, sagten sie sich, als sie endlich als Flüchtlinge anerkannt waren. So zogen sie nach Nürnberg. A Ob sie lieber woanders wäre? „Nein“, sagt die 46-Jährige, „ich kann nicht in Paris oder in Belgien leben, ich bin Nürnberg gewohnt.“ Doch es hat lange gedauert, bis sie sich hier eingewöhnt hat. Das lag vor allem am Ausländerrecht. „Im Kongo habe ich ein anderes Leben gehabt, jeden Tag musst du aufstehen und zur Arbeit, aber hier – mein lieber Gott! Du musst zu Hause bleiben, es gibt nichts zu tun. Ich habe immer geweint.“ Als Sekretärin kann sie hier nicht arbeiten, „dafür muss ich perfekt Deutsch sprechen“, erzählt sie. Und lacht. Als Altenpflegerin hat sie einige Zeit gearbeitet, dann als Zimmermädchen und im Versand bei Quelle, bis ihr Rücken kaputt war. Seit drei Jahren arbeitet Helene Bunkini jetzt in einem Kindergarten in Gleißhammer. „Ich kann sagen, ich kämpfe mit diesem Leben.“ Tanzen und singen zur Beerdigung Ihr Leben in Nürnberg ist allerdings ganz anders als das im Kongo. „Zum Beispiel bei einer Beerdigung, wir kommen alle zusammen. Wir tanzen, singen, trinken, die ganze Nacht. So wie eine Party. Hier ist das ganz anders“, sagt Helene. Und wenn man jemanden besuchen will, muss man vorher anrufen. „Bei uns gibt es das nicht, da geht man einfach hin.“ Dafür gibt es hier Systeme, die es im Kongo nicht gibt: Kranken-, Arbeitslosen-, Rentenversicherung. „Wenn man im Kongo alt ist oder krank“, erklärt sie, „dann muss man bei seiner Familie betteln. Kinder sind die Versicherung.“ Wir sind Afrika 15 Impressum Straßenkreuzer – Das Sozialmagazin Jahrgang 17 / Heft 6 / Juni 2010 Der Straßenkreuzer ist Mitglied im Internationalen Verband der Straßenzeitungen INSP (www.street-papers.org) und im lokalen sozialen Netzwerk „Anlauf “ Herausgeber: Straßenkreuzer e.V. Glockenhofstr. 45, 90478 Nürnberg Tel. (0911) 4597636, Fax 4318671 e-mail: post@strassenkreuzer.info www.strassenkreuzer.info Vorstand: Norbert Kays, Peter Meusch, Dieter Maly und Karlheinz Schnabel diesem Leben“ Straßenkreuzer Redaktion: Ilse Weiß (verantw.), Gabi Pfeiffer Sprecher der ehrenamtlichen Redaktion: Walter Grzesiek und Thomas Meiler Geschäftsstelle: Helmut Nill Redaktionelle Mitarbeit in dieser Ausgabe: Tanja Baumeister, Gabi Blossey, Beate Bluhm, Bernd Böhner, Francisco Bonilla, Sharon Chaffin, Herbert Fuehr, Artur Engler, Wolfgang Gillitzer, Stefan Gnad, Walter Grzesiek, Karin Henjes, Martina Hildebrand, Florian Kaiser, Ulrike Löw, Michael Neary, Klaus Schamberger, Dieter Stoll, Matthias Stubenvoll Fotos: Anestis Aslanidis, Matto Barfuss, Tanja Baumeister, Adrian Diubaldo, Gerd Grimm, Stefan Hippel, Bogdan Itskovski, Heiko Lenthe, Herbert Liedel, Peter Roggenthin, Martin Schano, Petra Simon, Regina Suchy Titelfoto: Hunta, fotolia Zeichnungen: Gerd Bauer, Martina Wember Schreibwerkstatt: Waldemar Graser, Heiko Lenthe, Siglinde Reck, Martina Tischlinger, Inge Tusjak, Kerstin Wieland Manuskripte sind nach Absprache mit der Redaktion willkommen. Rücksendung nur gegen Rückporto. Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Gestaltung: www.gillitzer.net Mit ihren eigenen Kindern ist das so eine Sache: „Ich muss für sie immer extra kochen“, lacht Helene. Denn Sarah und vor allem ihr elfjähriger Bruder Joel essen zwar gelegentlich kongolesische Kost. Doch lieber hat Joel etwas ganz anderes: „Reis, Pommes, Döner, Spaghetti“, zählt er auf. Er ist in Nürnberg geboren, geht auf die Scharrerschule, spielt bei DJK im Mittelfeld, tritt als Statist im Opernhaus auf. „Ich bin hier daheim“, sagt er. „Ich war ja nie im Kongo.“ Joel gehört nach Nürnberg, auch wenn er am Anfang nichts verstanden hat, wenn seine Lehrerin Fränkisch sprach. Überhaupt, die Sprache. „Sarah spricht gut Französisch, aber ich habe noch Probleme“, sagt der Sechstklässler. Seine Mutter denkt Französisch, muss ihre Gedanken ins Deutsche übersetzen. Sarah denkt Französisch und Deutsch, Joel nur Deutsch. Sarah hat von ihren Eltern noch Kikongo gelernt, einfach durch Zuhören. Doch ihr Lebensmittelpunkt ist Nürnberg. „Ich will in den Ferien mal in den Kongo fahren, aber hier fühle ich mich wohler“, sagt die 14-Jährige. Hier hat sie ihre Freunde, hier will sie Jura studieren und als Rechtsanwältin arbeiten. Für Helene Bunkini dagegen ist klar: So gut es ihr in „Njumberg“ inzwischen gefällt, eigentlich will sie doch in den Kongo zurück. „Wenn die Kinder groß sind, gehe ich“, sagt sie. „Ich gehe einfach fort.“ Und sie lacht wieder. Florian Kaiser, freier Autor Foto: Anestis Aslanidis, freier Fotograf Druck: Hofmann Druck Nürnberg Auflage: 12.000 Vertrieb: c/o Wärmestube, Köhnstraße 3, Tel. 0911/431 98 23, 90478 Nürnberg Ausgabestelle Domus: Pirckheimerstr. 12 Ausgabestelle Fürth: Wärmestube, Hirschenstr. 41 Mitarbeiter/-innen im Vertrieb: Tanja Baumeister, Janine Beck, Elisabeth Eigler, Sabine Felser, Birgit Höng, Ilka-Maria Mertel, Helmut Nill, Nina Pfeiffer, Helga Rottkamp, Karlheinz Schnabel, Sabine SinnRausch, Evi Sticha, Christa Widmann Anzeigenannahme und -verwaltung: Gillitzer Werbeagentur Tel. (0911) 3005158, Fax 3005159 sk@gillitzer.net Krelingstr. 53, 90408 Nürnberg Derzeit gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 15 (Anzeigenpreise im Internet unter www.strassenkreuzer.info) Spendenkonto: LIGA Spar- und Kreditgenossenschaft eG, Kto.-Nr. 105 119 332, BLZ 750 903 00 Bei Spenden bis 200 EUR genügt der Überweisungsschein als Steuerbeleg. Bitte weisen Sie darauf hin, wenn Ihre Spende nicht veröffentlicht werden soll. Verkaufspreis 1,70 EUR (davon 90 Cent für die Verkäufer/-innen) Der nächste Straßenkreuzer erscheint am 29.6.2010. Anzeigenschluss: 9.6.2010 Zehn kleine Negerlein Afrika scheint weit weg. Gleichzeitig gibt es keinen Kontinent, der so viele bunte wie bedenkliche Assoziationen weckt. Dabei lässt sich Afrika leicht erkunden. Musik, Kultur, Menschen, Tiere und Geschichten sind ganz nah. Eine Spurensuche, die auch Klischees und Vorurteile zeigt Viel Wüste, viel Schatten Jean-Pierre Muteba lebt vom Übersetzen. Er spricht sechs Sprachen und hat 1994 ein eigenes Büro in der Südstadt gegründet. Und er lebt für die Anliegen der Afrikaner. Seit 2004 engagiert sich der 51-Jährige im Integrationsrat (dem früheren Ausländerbeirat), widmet viel Zeit ehrenamtlichen Aufgaben, der Hilfe für Flüchtlinge und hier lebenden Menschen mit afrikanischen Wurzeln. Allein wegen ihrer schwarzen Hautfarbe stoßen sie noch immer auf Vorurteile, manche Deutsche reagieren offen mit Pöbeleien und Gewalt. „Um rassistisch zu handeln, muss man kein NPD-Anhänger sein“, sagt Muteba. Vor drei Jahren gründete er deshalb den Verein Afrokid e.V., der die Integration der Afrikaner fördern und ihre kulturelle Identität bewahren helfen soll. Die Treffen finden im Lokal „Konji“ in der Wodanstraße statt, das Muteba betreibt. Aktiv gegen Vorurteile Die Bierbrauer aus Nürnberg führen den Mohren als Markenzeichen. Negative Reaktionen gibt es keine, eher neugierige Nachfragen: Der Mohr geht auf den heiligen Mauritius zurück, der als mauretanischer Feldherr in Frankreich stationiert war, Christ wurde und als Märtyrer starb. Außerdem war Hans Tucher der Erste ein berühmter Kreuzritter, der Jerusalem verteidigte. Das Wappenschild der Mohren (Mauren) geht auf diese enge Beziehung der Tucher zu Kirche und Religion zurück. Tuchermohr Die Regisseurin, die drei Reichsparteitagsfilme in Nürnberg gedreht und die Ästhetik der Nazis mit geprägt hatte, ging in den 60er Jahren nach Afrika. Sie fand dort die Nuba. Es entstanden mehrere, auch preisgekrönte Serien über den Stamm. Erst die Glorifizierung blonder Arier, dann schwarze Afrikaner – ist das kein Widerspruch? – „Offensichtlich hatte sie nicht so starke Berührungsängste, so lange die gut aussehen“, sagt der Filmkenner und Journalist Herbert Heinzelmann. „Und sie ist ja auch nicht zu den Pygmäen gegangen, sondern zu den großgewachsenen Nuba.“ Unschuldig ist diese Schönheit nicht, sie wird bewusst hergestellt: Alte und Kranke hat Riefenstahl ausgeblendet – wie schon bei den Reichsparteitagsfilmen, bei denen nur ein Hundertstel des gedrehten Materials verwendet wurde. Leni Riefenstahl Texte: Gabi Pfeiffer, Straßenkreuzer Redaktion, Herbert Fuehr, Nürnberger Nachrichten Fotos: Regina Suchy, Stefan Hippel, Peter Roggenthin Um es gleich zu sagen: Die meisten Afrikaner im Tiergarten sind gar keine. Sie sind Nachzuchten aus europäischen Zoos und viele sind geborene Nürnberger. 50 bis 60 der rund 300 Tierarten werden dem schwarzen Kontinent zugeordnet. Neben Giraffe, Gorilla und Gepard auch Strauß und natürlich die Zebras, darüber hinaus der Rotschnabeltoko, die Mähnenspringer und Wanderheuschrecken. Die Löwen allerdings, das Panzernashorn und die Kropfgazelle gehören nach Asien. Ob sie gern hier leben? In menschlicher Obhut, mit regelmäßigem Nahrungsangebot und ohne Fressfeinde, leben sie jedenfalls länger als in freier Wildbahn. Etliche Tiere führt der Weg aus dem Zoo wieder in die Wildnis, wo sie den Bestand bedrohter Arten aufstocken. Sicherheit für Zebra & Co Upps, beide Bezeichnungen für das süße Naschwerk stammen aus kolonialen Zeiten und sind politisch höchst unkorrekt. Über Alternativen dazu wird im Internet seitenfüllend diskutiert. Es bleibt der „schaumgefüllte schokoladenglasurüberzogene Waffelkegel“ oder die „Schaumküsse“, die Dickmanns und der Süße Wolf auf ihre Kartons drucken. Am charmantesten sind die Schweizer. Sie sagen „Choco Köpfli“. Die Spendendose, bei der ein Schwarzer nickend für den Münzeinwurf dankt, ist ein Kind des Kolonialismus – und der menschlichen Beschränktheit. Wie anders konnte man sich die armen Afrikaner vorstellen, für die in deutschen Kirchen gesammelt wurde? Heute geht’s auch ohne Sinnbild, schlichte Boxen appellieren an die Großzügigkeit und Gutherzigkeit der Gläubigen. Nickneger Negerkuss Die Stadt Nürnberg hat in ihren „Grundsätzen für die Straßenbenennung“ u.a. festgelegt, dass Straßen nicht nach Lebenden benannt werden dürfen. Entgegen diesem Grundsatz erfolgte 1991 die Ehrung des noch lebenden Gegners der Apartheid und Friedensnobelpreisträgers Nelson Mandela. Eine spektakuläre Ausnahme von einem selbst auferlegten Grundsatz. Vorausgegangen waren Anträge verschiedener Stadtratsfraktionen, in Nürnberg einen Platz der Opfer der Apartheid zu schaffen. Da man prinzipiell gegen abstrakte politische Namen war, entschied man sich für Nelson Mandela. Mohrenkopf und Nelson-Mandela-Platz Das Afrika-Virus hat Dieter Weberpals 1987 gepackt. Im Jahr darauf gründete der Flötist aus Nürnberg „Argile“, seitdem steht die Gruppe in Besetzungen zwischen zwei und zwölf Musikern auf der Bühne. Der größte Unterschied? In Afrika gibt es die Trennung zum Publikum in unserem Sinne nicht, sagt der 55-Jährige, und beim Trommeln wird die Pause als Einstieg zum Mitmachen begriffen. Musik ist also das Gruppenerlebnis per se. Auch Harfe und Gitarre kommen ursprünglich aus Afrika, Soul und Jazz haben ihre Wurzeln dort. Die Weltmusik von Argile klingt zeitlos schön und sie ist immer noch gefragt. Wer selbst und mehr hören möchte: Vom 2. bis 4. Juli finden in Forchheim die Afrika Kulturtage statt. Wiege der Musik Der Fehltritt von Gloria von Thurn und Taxis haftet noch heute: „Der Schwarze schnackselt eben gern.“ So hatte die Fürstin 2001 in einer Talkshow geplappert, als es um Geburtenkontrolle und Aids in Afrika ging. Vergessen hatte sie wohl, dass es in vielen Ländern keine oder nicht ausreichend Kondome gibt und dass – mangels Rentensystem – nur eine große Zahl Kinder den Eltern ihren Lebensabend sichern kann. Schnackseln Das Volkslied ist in Verruf gekommen. Denn die „zehn kleinen Negerlein“ schwinden auf grausame Art, bis keines mehr da ist. Im amerikanischen Original von 1868 sind es übrigens Indianer, dann wurde umgetextet. Auch ein Krimi von Agatha Christie hieß so, James Krüss nimmt es als Titel für ein Buch übers Einmaleins. Die Versform ist so eingängig, dass sie inzwischen unzählige Abwandlungen hat: Darunter „Zehn kleine Jägermeister“ von den Toten Hosen und „Zehn kleine Nazischweine“ von der Punkband Slime. Wir sind Afrika 17 18 Schreibwerkstatt Wüste, Voodoo, eine WM und mehr Geschichten über Afrika Manchmal praktiziert die Straßenkreuzer-Schreibwerkstatt eine flinke Schreibübung: Jede/r sagt der Reihe nach spontan ein Wort zu einem vorgegebenen Thema, alle notieren jedes Wort. Dann schreibt jede/r in fünf Minuten eine Geschichte, in der alle genannten Begriffe vorkommen.Die Begriffe, zum Thema „Afrika“: WM 2010, Apartheid, Afri-Cola, Busch, Äthiopien, Elefant, Heimat, Voodoo, Wüste, Mensch Die Geschichten: Der Voodoo-Zauber beginnt rechtzeitig zur WM 2010. Die Heimat der Elefanten ist verwaist. In der Wüste sitzt der Mensch am Lagerfeuer, trinkt Afri-Cola und Der Mensch wird bei der WM 2010 wieder einmal viel redet über die Apartheid, die es angeblich nicht gibt. Afri-Cola vertilgen und sich keine Gedanken darüber Ein neuer Haile Selassie ist im Busch von Äthiopien machen, dass in der Heimat der Elefanten vor nicht geboren worden. allzu langer Zeit die Apartheid überwunden wurde Und jetzt ist Schluss, ich weiß nicht mehr weiter. und in Äthiopien der letzte Busch in „blühende“ Wüste Bertram Sachs verwandelt wird. Vielleicht sollte ihm da einmal ein Voodoo-Priester auf die Sprünge helfen. Peter Nensel Eine ziemliche Entwicklung vom ersten Menschen bis zur WM 2010. Damals in Äthiopien trank man ja noch kein Afri-Cola. Wissenschaftler haben das bei Auswertungen des Mageninhaltes der ältesten Mumien festgestellt. Eine irre Wanderung haben wir gemacht – von Afrika, der Ur-Heimat des Humanoiden, durch den Busch bis zum Meer. Von dort aus in die ganze Welt. Hätte der Ötzi einen Elefanten mit nach Europa genommen, hätte er die Alpen vielleicht überquert. Wie nach ihm Hannibal. Die Elefantenpfleger der Römer konnten ja bekanntlich Voodoo, deshalb wurde Rom schließlich zum Imperium. Der Weltmacht-Status ging dann ja an die Engländer, die zusammen mit den Buren die Apartheid erfanden. Und wenn es nach mir ginge, dann spielen die jetzt Fußball in der Wüste – ohne Oase! Heiko Lenthe Wüste Schimpfereien durfte sich Busch anhören, als er wieder mal wie ein Elefant durch den oft zitierten Porzellanladen ging. Auch noch eine Afri-Cola in der Hand! Das ging gar nicht, Schleichwerbung! Und anstatt über die WM 2010 zu reden, legte er nur apart sein Jackett ab, reichte es der Voodoo-Königin Heid-von-Äthiopien und bewies mal wieder: Mensch Leute, Porzellanläden sind wirklich meine Heimat! Siglinde Reck Als die Königin von Saba in Äthiopien mit ihrem Gefolge und Elefanten Salomo besuchte, ahnte sie wohl noch nichts von der WM 2010. Von Apartheid hielt sie nichts, da sie heftig für Salomo entflammte. Afri-Cola allerdings schätzte sie sehr, als Erfrischung im heißen Busch. Die königliche Personalpolitik wirkt noch heute nach. Der Mossad holte dann vor 25 Jahren die Nachkommen der beiden (ca. 10 000 Menschen) mit der Aktion „Moses“ nach Israel, wo sie heute noch leben. Waldemar Graser Schreibwerkstatt 19 Sommerliche Haiku wo ist der acker fragt der kartoffelkäfer dort vorn sagt der wurm die biene klopft bei den melissenblüten an ich sammle nektar Cartoons: Gerd Bauer, Cartoonist und Illustrator, Nürnberg die weinbergschnecke keucht ich muss den berg schaffen sie braucht die fernsicht das sanddornbäumchen am zaun achtlos abgestellt jetzt mein balkonschmuck angelika fühlt sich nutzlos keiner braucht mich keine pest mehr hier die eintagsfliege sagt das war n fünf sekunden sie verlässt mich schnell ersatzlösungen sind oft die bessere wahl die liebe statt hass ausgetrocknetes flussbett für uns im sommer glück übersprudelnd mein schatten läuft mir genauso schnell hinterher schwitzt er auch wie ich markklößchen stehn noch immer in den regalen wo bleibt der euro rettungsschirm tut not umgedreht vollgelaufen alle ersaufen Waldemar Graser Freitag, der Dreizehnte Die alte Frau gilt in ihrer Umgebung immer noch als wendig und aktiv, aber sie weiß es besser: Jeden Morgen kommt sie ein bisschen schwerer in die Gänge, das Kurzzeitgedächtnis spielt Streiche und ungezählte Erinnerungen – „da möchte ich auch nochmal hin…“ – enden in leiser Resignation. Die langjährige Wohnung ist ihr so groß geworden wie der Wintermantel, der um die Beine schlackert. Frühling, Zeit, ihn wegzuhängen. Wie oft noch? Sie sitzt am Küchentisch und rührt im Kaffee, ihrem zuverlässigen Stimmungsretter. Dabei fällt ihr Blick auf den Kalender: 13. April! Sie begreift: Heute ist ihr 60. Hochzeitstag, damals ein Freitag. Niemand hat sie daran erinnert. Nicht ihr Mann, der schweigt seit Jahren für immer, nicht die Kinder, schon gar nicht die Enkel. Warum auch sollten sie? Dann kramt die Frau in alten Fotos, sucht von der Hochzeit in den Trümmern Nürnbergs ein Gruppenbild. An die 30 Personen sind drauf, auf mehr als 20 von ihnen müsste sie ein Kreuzchen malen. Ohne Bitterkeit sagt sie laut zum Foto, was sie denkt: „Das Blödeste am Altwerden ist das Übrigbleiben.“ Sie sucht weiter, verliert sich in fröhlichen alten Kinder- und Urlaubsfotos, und wie an jedem Hochzeitstag fällt ihr Mutters merkwürdiger Glückwunsch ein, den diese zum Weg aufs Standesamt mitgegeben hat: „Werde nie eine Effie Briest!“ Wurde sie? Der Tag verrinnt, sie ist froh drüber und trinkt jetzt im Andenken an den „Fünfzigsten“, den sie noch gemeinsam feiern konnten, ein paar Kräftige aus der Pulle. „Ruh dich aus von einer, die nie den Fuß vom Gas bekam!“ Und sie freut sich, dass die gemeinsamen Jahre doch viel farbiger ausfielen als die jener Frauen auf einer alten Witzpostkarte, die an der Klotüre pappt: „Was haben Sie mit Kunterbunter Regenbogen Ihrem Mann gemeinsam?“ – „Viel. Wir alle lieben Afrika! Warst du schon einmal dort, Wir haben am selben Tag geheiratet.“ bleibst du in Gedanken immer aus Europa fort. Zufrieden geht sie ins Bett. Diese wunderbare, fast noch ursprüngliche Welt Emma Mayer ist das, was uns von Anfang an gefällt. Wer den Kilimandscharo auch nur von ferne sah, war seinem Glück und seiner Sehnsucht nah. Hat Sehnsucht nach dem flirrenden Klima. Es ist angenehm warm und auch sonst ganz prima. Viele wilde Tiere, Steppenduft und klare Luft machen auf das Leben dort einfach Lust. Von Afrika sprechen als Lebensglück, dies alles lassen wir beim Weggehen zurück. Die scheinbare Leichtigkeit und was uns daran gefällt ist wie Europa, nur auf den Kopf gestellt. Afrika, ein Kontinent in einer bunten Regenbogenwelt! Reise dorthin, wenn es dir in Europa nicht mehr gefällt. Inge Tusjak 20 Was uns bewegt Schwierige Lebenssituation, geringes Einkommen oder ohne festen Wohnsitz? Mit Ihrer Hilfe können wir rechnen FrauenZimmer Praxis für alternative Heilmethoden Poppenreuther Str. 5, 90419 Nürnberg Tel: 0911 / 217 84 01 Mail: r-ettl@nefkom.net Entspannungstherapie, Biofeedbackmethode, Chinesische Medizin, Stoffwechselregulierung nach Metabolic Balance, ... Tagestreff für Frauen in Notlagen Hessestraße 10, Nürnberg Telefon 26 69 56 Ohne seine Freunde und Förderer wäre der Straßenkreuzer auf vielen Straßen und Plätzen des Großraums sicher nicht so gut in Fahrt: Etwa 50 Frauen und Männer verkaufen seit 15 Jahren das Sozialmagazin. Danke, dass Sie unser Projekt in den letzten Wochen mit Ihrer Spende unterstützt haben! Helmut Klein, Sparda-Bank Nürnberg, Kollekte der Evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde, Katja Krämer, Klaus Häublein, Marie-Luise Schlögl, Andrea Haubner, Dr. Ernst Schlottky, Familie Korunig, Birgit Jordan, Kerstin Lauterbach, Rainer Büschel, Art Decorations (Schwaig), Inge Pemsel, Renate Übelein, Angelika Simak, Ulrike Dumler, Claudia Czymai, Sabine Platzer, Heidi Steinbauer, Kirsten Jope, Peter Panke, Jürgen Dreher, Horst Förther, Dr. med. Siegfried Schroll, Max Göbel, Familie Bauriedel, Uschi Heinrich-Rothmund, Annett Rosel Angelika Mey, Christian Skuhr, Sabine Riedel, Andrea Scheuerle, Christine Burmann, Siglinde Reck-Friedrich, Evangelisch-lutherische Kirchengemeinde (zur Trauung Ehepaar Lange), Hannelore und Jürgen Bernert, Alberto Gelardi, Gerald Parsch und Irene Parsch-Braun, Hannelore und Klaus Besendörfer, Marianne Jonatat, Norbert Wolff, Gerda Reuss Dauerspender: Klaus Geißdörfer, Wolfgang Ehras, Udo + E. Ernst, Annelie Dörfler, Ulrich Jung, Susanne Worbs, Marcellus Sustainability Consulting. Bei Mitgliedsbeiträgen und Spenden bis 200 Euro gilt als Nachweis beim Finanzamt der Einzahlungsbeleg bzw. die Buchungsbestätigung. Wenn Sie trotzdem eine Spendenbescheinigung wünschen, dann teilen Sie uns dies bitte mit. Spendenkonto: LIGA Spar- und Kreditgenossenschaft eG, Kto. 105 119 332, BLZ 750 903 00. Bitte weisen Sie darauf hin, wenn Ihre Spende nicht veröffentlicht werden soll. Hotel BISS – Petition abgelehnt CSU/FDP-Mehrheit will ehemaliges Frauengefängnis meistbietend verkaufen Seit 2001 arbeitet die Münchner Straßenzeitung BISS mit großer Unterstützung der Bevölkerung an der Realisierung des sozialen Projekts Hotel BISS. Die gemeinnützige Stiftung will das ehemalige Frauengefängnis Am Neudeck erwerben und in ein Hotel umbauen, das bis zu 40 benachteiligten Jugendlichen eine Ausbildung bietet (der Straßenkreuzer berichtete). Jetzt hat die CSU/FDP-Mehrheit im Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen im Bayerischen Landtag die Petition von BISS, das ehemalige Frauengefängnis am Neudeck ohne Ausschreibung zu einem angemessenen Preis kaufen zu können, abgelehnt. Damit folgt die CSU/FDP-Mehrheit im Ausschuss direkt der Stellungnahme der für Immobilien zuständigen Abteilung des Finanzministeriums. Obwohl dem Projekt Hotel BISS bereits 2008 von der Bayerischen Landesstiftung sowie vom Bayerischen Sozialministerium mehrfach höchste Förderwürdigkeit sowie die Förderhöchstsumme von 2,5 Millionen Euro zuerkannt wurde, konnte sich der Ausschuss nicht dazu entschließen, die Präambel der Bayerischen Verfassung im Sinne des Projekts anzuwenden. Die Präambel in den Grundstücksverkehrsrichtlinien, die der Ausschuss selbst beschlossen hat, besagt: „Der Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen des Bayerischen Landtags behält sich vor, für Einzelfälle oder spezifisch gelagerte Sonderfälle abweichende Vorgehensweisen zu bestimmen“. Die Initiatoren von Hotel BISS werden auf jeden Fall ihr Unterstützer-Netzwerk aktivieren, unterstreicht BISS-Chefin Hildegard Denninger. „Wir sind tief enttäuscht, dass die Chance einer aktiven Sozialpolitik einer kleinlichen Auslegung der bestehenden Verwaltungsvorschriften geopfert wurde, insbesondere nachdem der amtierende Ministerpräsident Seehofer und Finanzminister Fahrenschon Unterstützung signalisiert haben.“ Kontakt: Hotel BISS, Hildegard Denninger, 089/33 20 33 www.hotelbiss.de Was uns bewegt 21 Die tun was Fenster auf, Vitamine rein! Eine Kräuter-Reihe von Waldemar Graser – Teil 2 Wo Tomaten und Freundschaften wachsen Im Interkulturellen Garten Fürth pflanzen Gärtner aus 20 Nationen Sie haben keinen Garten, keinen Balkon und möchten sich doch frische Kräutervitamine gönnen? Kein Problem. Auch im Topf auf dem Außenfensterbrett lassen sich einige grüne Freunde gut ziehen. Zum Beispiel Salbei. Salbei ist ein echtes Duft-, Würz- und Heil- paket. Die frischen Blätter geben einen aromatischen Tee, lassen sich gut gegen Mundgeruch kauen und helfen bei Entzündungen im Mund- und Rachenraum. Salbei wirkt positiv auf Magen und Darm und hilft gegen Menstruationsbeschwerden. Salbei ist in der Küche vielseitig zu verwenden, etwa für Brathähnchen oder Saltimbocca. Der Topfboden sollte durchlässig sein, am besten Sand zugeben. Salbei verträgt pralle Sonne, kann auch mal trocken stehen. Im Winter verkraftet er bis um die Null Grad, aber hin und wieder gießen. Sein Überleben im Topf ist so für viele Jahre gesichert. Den Titel als zertifizierter Wild- und Heilkräuterexperte hat sich Waldemar Graser hart erarbeitet: durch den Straßenkreuzer-Verkauf täglich nachmittags am Weißen Turm. Über ein Jahr lang hat er gespart, um sich die Ausbildung leisten zu können. Wir gratulieren! Foto: Petra Simon, www.fototext.de Keine Angst vor großen Tieren Charly Huber, langjähriger Straßenkreuzer-Verkäufer und schon immer Tierliebhaber, verkauft jetzt auch regelmäßig in der Nähe des Tiergarten-Eingangsbereiches. Damit geht für Charly ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung. Sein aufgeweckter Hund Lord (der regelmäßig Bestnoten vom Tierarzt bekommt), weiß noch nichts von seinem Glück, künftig bis zum Schmausenbuck auslaufen zu dürfen. Alle Besucher, Familien wie „große Tiere“, haben nach dem Zoo-Besuch auf dem Weg zum Parkplatz die Gelegenheit, das Sozialmagazin beim freundlichen Charly zu kaufen. Charly Huber wird seinen Stammkunden am Aufseßplatz treu bleiben und auch dort weiterhin vormittags verkaufen. ‹Foto: Heiko Lenthe Wie eine große Familie – so beschreibt Nicole King die Gemeinschaft des Interkulturellen Gartens in Fürth, in dem sie neben über 40 weiteren Gärtnern pflanzt, jätet und erntet. Der Garten wurde, basierend auf dem Interkulturellen Garten in Göttingen, anlässlich der 1000-Jahr-Feier der Stadt Fürth durch das ZAB (Zentrum aktiver Bürger) initiiert, mit dem Ziel Migranten zu integrieren. Früher wurde das Gelände am Rednitzufer gern als Müllhalde von den Bürgern genutzt. Deshalb sind die Parzellen höher angelegt, um die Pflanzen vor Altlasten zu schützen. Die Gärtner dürfen zudem nur natürliche Düngemittel und Kompost verwenden, um das Grundwasser nicht zu belasten. Methoden, die erst mal nicht allen Gärtnern vertraut sind. Deshalb lernen schon die Kinder: Kompostieren ist wie Schokolade für die Erde – lecker und nahrhaft! Inzwischen wurde der Garten in einen Verein überführt und wird von den Mitgliedern selbst verwaltet. Jedes Jahr kommen neue Gärtner zur Gemeinschaft hinzu. Das wichtigste Kriterium ist Engagement, auch wenn zusätzlich noch ein Nationalitätsschlüssel vorhanden ist, so dass es pro Land nur zwei Gärtner gibt. Für Nicole King ist der Garten eine bodenständige Methode, um ihr Heimweh nach Texas zu überwinden. Als sie 2003 nach Deutschland kam, wohnte sie in einer Wohnung und hatte keinen Garten mehr. Der fehlte ihr sehr. Durch ihre eigene Parzelle im Interkulturellen Garten hat sie nun nicht bloß die Möglichkeit, Chilischoten, mexikanische Tomaten, Koriander und Erdbeeren anzupflanzen, sondern sie hat eine richtige Gärtner-Familie gefunden, mit der sie auch wichtige Feste wie Thanksgiving feiert. Und das ist eigentlich auch das, was den Garten von anderen unterscheidet: Eine große Gruppe mit vielen kulturellen Unterschieden, die sich zum Grillen trifft, deren Kinder im Garten spielen und die ihre Gärten bestellt. Die 20 Nationen, die sich hier versammeln, von Argentinien über Australien und den USA bis zu den Philippinen, wachsen zusammen. Früher war der Garten für alle geöffnet, heute ist dies nur noch an bestimmten Tagen der Fall. Interkultureller Garten Fürth e.V. Auf der Uferpromenade, Weiherstr. 5, 90762 Fürth www.interkultureller-garten-fuerth.de Text/Foto: Tanja Baumeister 22 Was uns bewegt Wovon wir in Zukunft leben werden Eine Frage, die sich immer mehr Menschen stellen. Denn die hohe Produktivität der Volkswirtschaft führt zu steigender struktureller Arbeitslosigkeit. Was tun? Götz Werner, Gründer der Drogeriemarktkette dm, tritt für ein „bedingungsloses Grundeinkommen“ ein. Seine Thesen und seine Ideen, wie dieses Modell bezahlt werden kann, stellt Götz Werner auf Einladung des Lehrstuhls für Wirtschaftspädagogik an der Uni Nürnberg vor. Götz Werner: „Die Kraft der Initiative: Unternehmerisches Handeln und das bedingungslose Grundeinkommen“ Dienstag, 8. Juni 2010, 19 Uhr, easyCredit-Hörsaal der Friedruch-AlexanderUniversität Erlangen-Nürnberg, Lange Gasse 20, Nürnberg, Eintritt: frei Fußball mit Meyer und Spielfreude Fest angestellt beim Straßenkreuzer Antonio Carlino, Uwe Fischer, Max Greger, Ingrid Gutmann und Reinhard Semtner sind die fest angestellten Verkäufer beim Straßenkreuzer. Udo Kuznia ist im Vertrieb und für Büroarbeiten des Straßenkreuzers, Jürgen Heiß und Carlo Schnabel sind als Stadtführer angestellt. Ihre Gehaltsfinanzierung ist bis Dezember 2010 gesichert durch die Patenschaft dieser Firmen und Einzelpersonen: Auerbach Stiftung • IG Metall Nürnberg • GfK Nürnberg • Gisela Glasser • Bolko Grüll, Nürnberg • Ingo Grüll, Gärtringen • Karl-Dieter Hahn • Gabi Hartwig, Parkstein • Heidi und Joachim Kaiser, Nürnberg • NN-Aktion „Freude für alle • PD Dr. Ellen Obermann, Nürnberg • Dr. Roland Oeser • Dr. Siegfried Schroll, Neunkirchen a. Brand • Sparda-Bank Nürnberg • Klaus Stöckert, Schwabach • Irene Walther, Nürnberg • Anonyme Paten: ein Erlanger Ehepaar, zwei Nürnberger Bürger/innen Schöne Aussichten für Straßenkreuzer-Verkäufer Gut, dass es Optiker wie Boris Rühle gibt, die mit offenen Augen durch die Welt gehen. So fiel dem 40-jährigen Optikermeister auf, dass viele Straßenkreuzer-Verkäufer/innen arg altmodische, wenig ansehnliche Brillen tragen. Das ändert Rühle nun und schenkt jedem Verkäufer eine neue Brille mit modernem Gestell und passenden Gläsern. Auch die Augenmessung mit der Feststellung, ob jemand kurzsichtig oder weitsichtig ist, gehört zum Angebot an die rund 50 Frauen und Männer, die den Straßenkreuzer verkaufen. In Rühles Laden an der Sulzbacher Straße trafen sich Michael Wieland, Peter Nensel und Kerstin Wieland zur Brillenwahl und waren von Rühles Angebot begeistert. „Ich hab mir vor mindestens zehn Jahren zum letzten Mal eine Brille geleistet“, sagt etwa Michael Wieland. „Das überlegt man sich schon, wenn wenig Geld da ist.“ Boris Rühle hat „Respekt vor den Verkäuferinnen und Verkäufern, die sich wirklich anstrengen, etwas aus ihrem Leben zu machen. Ein guter erster Eindruck kann beim Verkauf helfen“, weiß er. Eine schicke Brille gehört dazu und wird hoffentlich zu schönen Aussichten für Straßenkreuzer-Verkäufer beitragen. Der Verein bedankt sich im Namen aller kurz- und weitsichtigen Verkäufer/innen herzlich bei Boris Rühle. Foto: Martin Schano Im richtigen Leben spielt Bianca bei der Damenmannschaft des TSV Falkenheim in der Bezirksliga. Beim „Cup der guten Hoffnung“, dem jährlichen Fußballturnier der Nürnberger Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe, verstärkte die junge Frau das Team Straßenkreuzer/ Wärmestube. Sie war sich für keine Grätsche zu schade und kaufte manchen männlichen Gegnern den Schneid ab. Da durfte sich Bianca schon mal eine Umarmung von Ex-Club-Trainer Hans Meyer abholen, der als Ehrengast zum Turnier gekommen war. Sieger war die Mannschaft der Fachstelle für Wohnungsfragen und Obdachlosigkeit, das Team Wärmestube/Straßenkreuzer kam auf den sechsten von acht Plätzen. Foto: Gerd Grimm Schicht-Wechsel – frischer Wind für die Nordroute Die Straßenkreuzer-Stadtführer haben die Nordroute neu konzipiert. Das war nach dem Umzug der Stadtmission von der Pirckheimer- in die Krellerstraße nötig geworden. Nun führt Heiko Lenthe vom Friedrich-EbertPlatz ins Domus Misericordiae, Notschlafstelle und Wohnheim der Caritas Nürnberg. Im Amt für Existenzsicherung am Kirchenweg kümmern sich Fachleute um Menschen, die keine Wohnung haben. Die Flüchtlingshilfe im Stadtteilzentrum Desi steht ebenso auf dem Programm wie ein Besuch im Haus Großweidenmühle, der städtischen Einrichtung für Obdachlose mit spannendem historischen Hintergrund. Die Nordroute komplettiert das Angebot der „Schicht-Wechsel“-Führungen des Straßenkreuzers. Weitere Routen führen in den Süden und durch die Altstadt nach Gostenhof zur Heilsarmee. Alle Führungen ermöglichen Einblicke in den Alltag von Armut und gesellschaftlicher Ausgrenzung. Mitarbeiter der Einrichtungen stellen ihre Arbeit vor. Die Führungen werden individuell vereinbart, dauern jeweils ca. 2 Stunden und kosten für Erwachsene 5 Euro, für Schüler, Studenten 2,50 Euro. Wer einen Nürnberg-Pass hat, zahlt nichts. Weitere Informationen unter www.strassenkreuzer.info oder 0911/459 76 36 Foto: Gerd Grimm Die Wärmestube braucht … Kaffee, Zucker, Einwegrasierer, Papiertaschentücher, Klopapier, Unterwäsche, Socken und (Turn-) Schuhe. Außerdem sucht das Team der Wärmestube eine ehrenamtliche Mitarbeiterin, die am Freitag zwischen 10 und 12 Uhr in der Kleiderkammer beim Sortieren und Ausgeben von Kleidung hilft. Wenn Sie helfen können, nehmen Sie bitte mit der Wärmestube Kontakt auf: Ökumenische Wärmestube, Köhnstr. 3, 90478 Nürnberg, Tel. 0911 443962, Mi 10–14 Uhr; Di, Do, Fr 10–17 Uhr; Sa, So 9.15–17 Uhr. Die Wärmestube kann leider keine Spenden abholen. Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung! bonjourquebec.com/de Nachhaltige Entwicklung liegt Quebec am Herzen – den Straßenzeitungen auch I m Mai 2010 fand die 15. Jahreskonferenz der Straßenzeitungen in Melbourne statt. Diese Veranstaltung, organisiert vom Internationalen Straßenzeitungsnetzwerk (INSP), bot Delegierten verschiedenster Länder und Kontinente die Möglichkeit, Erfahrungen auszutauschen und Projekte zur Unterstützung wohnungsloser Menschen zu entwickeln. INSP repräsentiert mehr als 100 Straßenzeitungen aus nahezu 40 Ländern. Zusammen erreichen die im INSP organisierten Magazine pro Ausgabe zehn Millionen Leser. In den vergangenen Jahren half die weltweite Straßenzeitungsbewegung 250.000 Wohnungslosen und Armen mit ihrem Beschäftigungsangebot des Zeitungsverkaufs bei ihrer gesellschaftlichen Reintegration. Straßenzeitungen steigern das Selbstwertgefühl und verhelfen sozial Benachteiligten, die vom regulären Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind, zu neuer Unabhängigkeit. Tourism Quebec fördert ebenfalls nachhaltige Entwicklung und setzt sich für verantwortlichen Tourismus ein. Deshalb hat Tourism Quebec als erste Organisation die INSP Konferenz durch eine Anzeigenkampagne in verschiedenen Straßenzeitungen weltweit unterstützt. Diese Anzeigenkampagne belegt, dass INSP aufgrund der Reputation seiner Magazine sowie seiner anspruchsvollen und interessierten Leserschaft Anzeigenkunden von internationalem Format gewinnen kann. INSP dankt Tourism Quebec und den Leserinnen und Lesern der Straßenzeitungen weltweit für ihre Hilfe bei der Steigerung der Lebensqualität für Menschen in sozialen Schwierigkeiten. Solidarität sollte Teil unserer gesellschaftlichen Reise sein. Ihnen allen in diesem Sinne eine gute Reise – und bis bald in Quebec! Serge Lareault Publisher of L’Itinéraire, Montréal Chairperson of INSP – Vorsitzender INSP Das Interview 25 Weckt das sichere Leben die Lust auf Krimis, Frau Janousek? Das klingt kriminell: Fürth führt seit Jahren den Titel „sicherste Großstadt“ in Bayern, die Regale mit mörderischen Büchern in der Volksbücherei aber werden regelrecht geplündert. Dabei schreiben sich rund zwei Dutzend Autoren im Großraum die Finger an Regionalkrimis wund. Sigrid Janousek, 53, die schon 30 Jahre in der Volksbücherei Fürth arbeitet, hat einen Verdacht Straßenkreuzer: Frau Janousek, können Sie sich die Neugier auf Mord und Totschlag in der Nachbarschaft erklären? Vielen Lesern sind klassische Krimis wie die von Chandler, Sjöwall-Wahlöö oder selbst die aktuellen von Stieg Larsson zu abstrakt. Sie möchten beim Lesen schöne, vertraute Gegenden wiedererkennen – wie überhaupt die heimatkundlichen Bücher bei uns sehr gefragt sind. Sigrid Janousek: Muss es dann unbedingt ein Krimi sein? Ich denke, ein guter Krimi ist immer auch Gesellschaftsschilderung und bevor ich mich hinsetze und ein soziologisches Werk lese, greif ich doch lieber zu spannender Lektüre. Wir haben viele Leser, die sich mit einem Regionalkrimi auf ihr Urlaubsziel einstimmen. Und Sie selbst schmökern auch? der Aufklärung hilft, wird gemordet. Auch in „Morddeutung“ von Jed Rubenfeld gibt es eine junge Frau, die tot in einem New Yorker Hotelzimmer liegt. Der Fall wird dann mit der Hilfe von Sigmund Freud, Carl Gustav Jung und Sándor Ferenczi – allesamt Größen der Psychoanalyse – gelöst. Die Übergänge zum Thriller sind da fließend. Was wird in der Volksbücherei am häufigsten verlangt? Wir haben 250 Regionalkrimi-Titel, alle mindestens doppelt. Viele auch als Hörbuch. Die Nachfrage ist ungebremst, seit Jacques Bernsdorf mit den Eifel-Krimis den Boom angeschoben hat. Wir haben einen eigenen Standort dafür eingerichtet, über der Signatur gibt es einen speziellen Aufkleber – weil sich die Leute dann am leichtesten tun. Teilweise werden uns die Krimis schon an der Rückgabe-Theke wieder aus der Hand genommen! Ja, gerne. In meinem ersten Regionalkrimi liegt eine Leiche auf einem Auch die kriminelle Literatur, so scheint es, unterliegt dem ZeitGrabmal auf dem St.Johannis-Friedhof in Nürnberg, eine Journalistin geist und hat ihre Moden. Welche ausländischen Autoren werden stolpert buchstäblich darüber. Mittlerweile gibt es ja auch Regional- denn gelesen? krimis für Jugendliche, „Oskar und das Geheimnis der Stieg Larsson natürlich und Camilleri mit seinem verschwundenen Kinder“ von Claudia Frieser spielt im „Commissario Montalbano“, vom neuen Donna Leon „Mord in der mittelalterlichen Nürnberg. Dazu werden sogar extra kaufen wir immer gleich fünf bis sechs Exemplare. Volksbücherei? Stadtführungen angeboten. Und Mankell ist natürlich ein Dauerbrenner – auch Durchaus.“ Sprachlich sind die Krimis der heimischen Autoren die Jugendbücher. Als er noch nicht so bekannt war, nicht immer gut, oder? haben die trotz vieler Auszeichnungen in den Regalen Das ist wirklich wahr! Tessa Korber kann schreiben, Veit Bronnen- gestanden wie festgemauert. meyer auch – aber viele andere… Wenn ich Sätze lese wie „blutrot Schweden ist eben doch weit weg. Apropos: Wie findet man Regiging die Sonne über dem Henkersteg unter“, dann muss ich das onalkrimis, wenn Ihre Regale immer leer geräumt sind? weglegen. Aber das hängt sicher auch damit zusammen, dass alle In unserem Katalog – oder auch über das unabhängige und ausgehalbe Jahr ein neues erscheinen muss. Bei amerikanischen Krimis zeichnete Portal www.krimicouch.de . Auf dieser Internetseite kann kann ich’s noch auf den Übersetzer schieben, wenn Metaphern nicht man in die Suchmaske auch einen Ortsnamen eingeben und die stimmen oder „ein ungeschliffener Goldklumpen“ den Besitzer wech- zugehörigen Krimis erscheinen. Praktisch, finde ich. selt. Das ist furchtbar. Ich habe auch schon Bücher an die Wand Könnten Sie sich denn vorstellen, dass ein neuer Regionalkrimi geworfen – meine eigenen natürlich. hier…? Und wie steht es um den Plot? Mord in der Volksbücherei? Durchaus. Wir können ja mal in den Manche können es! Meine wirkliche Lieblingsautorin Virginia Doyle Keller gehen… Da gibt es einige Ecken, wo man jemanden vergraben – ein Pseudonym – schickt Meisterkoch Jacques Pistoux auf Wan- könnte. Ich kenne manche Leser, bei denen ich ein starkes Bedürfnis derschaft. Er kommt auch nach Nürnberg, wo er einen toten Jungen verspüre… Wenn sie zum Beispiel Bücher zurückbringen, aus denen in einer Gasse findet. Im Mund hat er ein Stück Lebkuchen… Die noch das Wasser tropft, und behaupten: „Das war schon so“! Aber Lebenssituation im 19. Jahrhundert ist gut geschildert, die Fälle sind morden würde ich deshalb natürlich nicht. Einen nagelneuen Krimi spannend. Aber ich mag auch historische Krimis wie „SPQR“ von habe ich selbst mal ruiniert: Ich hatte mich am Papier geschnitten John Maddox Roberts, der im alten Rom spielt, und die Fälle von und habe es nicht gemerkt, die Seiten waren dann buchstäblich blutRichter Di aus dem alten China, die Robert van Gulik geschrieben befleckt. Natürlich habe ich Ersatz gekauft – so begierig wie unsere hat. Oder Carl Hiaasen, der witzige, skurrile Geschichten erzählt. Leser auf Krimis sind. Ohne Tote kommt vermutlich kein Krimi aus? Spontan würde ich sagen, stimmt. Sogar in den Krimis von Frank Tallis, wo der Psychoanalytiker Max Liebermann dem Detektiv bei Interview: Gabi Pfeiffer, Straßenkreuzer Redaktion Foto: Peter Roggenthin, www.roggenthin.de 26 Sozialbörse 211.000 Menschen in Deutschland Der Straßenkreuzer misst die Qualität des Miteinanders, gibt dem Status Quo der sozialen Gerechtigkeit eine Größe und bilanziert das Auf waren 2007 nicht krankenversichert. und Ab der sozialen Wohltaten, Missstände und Frechheiten: Wo wird 45.000 sind es auch heute noch. Geld gekürzt, was läuft falsch, wer ergreift die Initiative? Das soll an unserer Sozialbörse mehr interessieren als Dow, Dax und TecDax. Zwar hat die Einführung der Versicherungspflicht die Zahlen massiv gesenkt. Doch wer sich wieder versichern will, Preise unter Strom schreckt viele Arme ab. Steigerung der Preise von 2005 bis 2009 22% 17% 7,6% Kauf, Unterhalt und Betrieb von Kraftfahrzeugen Sitzen zu viele Angestellte und Beamte in deutschen Amtsstuben? Immerhin sind elf Prozent aller Erwerbstätigen im öffentlichen Dienst beschäftigt. In den USA sind es jedoch 16 und in Großbritannien sogar 19 Prozent. Beiträge rückwirkend erstatten. Das Fernreisen mit der Bahn Stets zu Diensten muss alle seit 1. April 2007 angefallenen Fahrten mit öffentlichen Verkehrsverbünden Die Strompreise steigen. Aber nicht für alle: Während private Haushalte kräftig in die Tasche langen müssen – eine dreiköpfige Familie zahlte 2009 durchschnittlich 7,2 Prozent mehr als im Vorjahr –, kann die Industrie satte Rabatte heraushandeln. Für Großverbraucher sind die Strompreise um 20 Prozent gefallen. Glauben Sie nicht? Die Zahlen stammen aus einer unverdächtigen Quelle: dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft. Er prognostiziert übrigens weitere leichte Steigerungen im laufenden Jahr, für Kleinverbraucher. All Inclusive für Arme Der preiswerte All-Inclusive-Urlaub bleibt für die Masse der deutschen Urlauber das einzig Machbare. Wer es sich leisten kann, sucht aber den „besonderen Urlaub“ mit Öko-Anspruch, Kontakt zu Einheimischen, ein wenig Abenteuer und das Gefühl, individuell in fremde Kulturen eintauchen zu können – aber immer auf Nummer sicher. 80 Prozent der Beamten leisten sich eine Urlaubsreise, aber nur 41 Prozent der Arbeiter. Persönlichkeit zählt Moderne Zufluchtsstätte „Spitzenarchitektur für Obdachlose“ verspricht der Titel des Hochglanzmagazins Architectural Digest. Auweia, wie peinlich, ist der erste Gedanke – aber falsch gedacht. In einem ausführlichen Beitrag ist zu erfahren, dass da in Los Angeles sensible und menschliche Architektur entstand. Architekt Michael Maltzan: „Menschen, die auf der Straße leben, ziehen zuallererst Schutzwälle um sich hoch, innere ebenso wie solche aus Pappkartons, um zumindest das Gefühl von Sicherheit zu bekommen. Ich muss ihnen also erst gemauerte Schutzwälle geben, damit sie sich seelisch wieder öffnen können.“ Nach außen eine Art Trutzburg erweist sich das Gebäude nach innen erstaunlich offen und großzügig, und von der schicken Dachterrasse blicken die Bewohner auf jene Straßen, denen sie eben erst entkommen sind. – Respekt, Herr Architekt! Es sind nicht die Noten! Wenn Unternehmen neue Mitarbeiter frisch von der Uni einstellen, zählen vor allem Persönlichkeit, Kommunikationsfähigkeit und die praktischen Erfahrungen des Bewerbers. Das ergibt eine Umfrage des CRF Instituts, einem unabhängigen Zusammenschluss von Personaldienstleistern, unter deutschen Unternehmen. Sprachkenntnisse sind nur für jeden vierten Chef entscheidend, auf Auslandserfahrung legt nur jeder sechste Wert. Und sogar Kreativität und ehrenamtliches Engagement sind wichtiger als die Schulnoten (zehn Prozent) und die Studiendauer (drei Prozent). Nein zum Ja-Wort Die Bevölkerungsforscher wissen es jetzt schon: Immer mehr Menschen in Deutschland bleiben ledig – ihr Leben lang. Von den Jüngeren wird ein Drittel der Frauen niemals ein „Ja-Wort“ geben, bei den Männern bleiben fast 40 Prozent ehelos. Lebensmut verloren Wenn Eltern sich das Leben nehmen, sind auch ihre Kinder stärker suizidgefährdet. Eine Studie von amerikanischen und schwedischen Wissenschaftlern hat Lebensläufe von Kindern, deren Vater oder Mutter sich umgebracht hatten, mit denen von Kindern lebender Eltern. Ergebnis: Wer als Kind oder Jugendlicher einen Elternteil durch Suizid verloren hat, verübt später dreimal so häufig Selbstmord. Auch die Wahrscheinlichkeit für Gewaltverbrechen steigt. Waren Kinder beim Tod des Vaters oder der Mutter jedoch mindestens 18 Jahre alt, erhöht sich das Risiko nicht. Teure Gesundheit Viel Glück und natürlich Gesundheit, das wünscht man sich zum Geburtstag. Und muss den Rest des Jahres zahlen: 3210 Euro pro Einwohner hat das deutsche Gesundheitssystem im Jahr 2008 gekostet. Ein Anstieg von rund vier Prozent auf 263 Milliarden Euro. Die Hälfte der Ausgaben verschlingen Arztpraxen, Apotheken und Pflegeeinrichtungen. Kopf und Zahl 27 Alles im grünen Bereich Immer mehr, immer größer, immer moderner – Gewächshäuser im Knoblauchsland sind gläserne Symbole für die starke Konkurrenz im nationalen wie internationalen Gemüseanbau und zeigen den Kampf um die letzten Flächen im Gebiet nördlich von Nürnberg. Das Knoblauchsland gilt seit jeher als „Gemüsegarten“ der Städte Nürnberg, Fürth und Erlangen. Nur im Nordwesten hat eine Spezialisierung auf Tabakanbau stattgefunden. Als in den 1960er Jahren die Folienabdeckung eingeführt wurde, konnte sich wohl niemand vorstellen, wie massiv wenige Jahrzehnte später riesige Gewächshäuser das Landschaftsbild bestimmen würden. 1984 gab es im Knoblauchsland Glashäuser auf einer Fläche von 22 Hektar. Heute hat sich die Fläche auf 57 Hektar vergrößert. Das entspricht einer Steigerung von 160 Prozent in knapp 25 Jahren. Eine aktuelle Bestandsaufnahme der Stadtverwaltung Nürnberg zum Gewächshausbestand und zur Entwicklung des Gebietes nennt den Flughafen, Bauflächen und Naherholung als größte Konkurrenten der Gemüsebauern. Sie verschweigt auch nicht, wie sehr Maschinenhallen und immer neue Gewächshäuser das Landschaftsbild verändern. „Es bildet sich ein neuer Typus eines dörflichen Ortsrandes heraus, geprägt durch das spannungsvolle Nebeneinander von technischen Bauwerken (Glashäusern) und der gewachsenen dörflichen Bebauung.“ Aus ökologischer Sicht verursacht der Gewächshausbau Probleme: Versiegelung des Bodens und damit weniger Grundwasser, immer höherer Energiebedarf vor allem durch das Beheizen der Häuser, Verdrängung von Tieren. Andererseits ist die ortsnahe Versorgung mit Gemüse ein wichtiger Aspekt in Zeiten steigender Energiepreise. Gemüsebauern erhalten auch keine EU-Förderung. Sie müssen sich im Markt durchsetzen. Zusammen mit den Landwirten sollen nun Konzepte für Bebauung und eine gemeinsame Energieversorgung entwickelt werden. Foto: Herbert Liedel, www.herbert-liedel.de 28 Andere Ansichten / Martina Wember Martina Wember, geboren 1961 in Erlangen, studierte Kommunikationsdesignund –wissenschaften an der Kunsthochschule Berlin Weissensee und der UdK. Sie illustriert für den Tagespiegel, Magazine und Verlage. Einige prämierte Zeichenbücher erschienen beim Verlag Mandelkow, bei Ritter und artistbooks. Ihr Plakatentwurf für den Code der Stadt Berlin wurde vergangenes Jahr mit Gold ausgezeichnet. Ihr Comic „Die Krokotasten“ ist eine Hommage an Wilhelm Busch und transportiert seine „bösen Ideen“ in die heutige Zeit. Martina Wember lebt und arbeitet in Berlin. www.wemberzeichnung.de Straßen der Welt 29 Der Straßenkreuzer ist Mitglied im Weltverband der Straßenzeitungen, dem INSP (International Network of Street Papers). Etwa 100 Magazine haben sich hier zusammengeschlossen, pflegen den Austausch und wollen Sprachrohr sein für sozial benachteiligte Menschen. Ein Klick auf die Seiten von www.street-papers.org zeigt die Welt aus der Perspektive von Armut und Ausgrenzung, stellt aber auch viele Projekte vor, die Mut machen, und Menschen, die kein Blatt vor den Mund nehmen. Ein Blick auf diese Seite führt regelmäßig in die Berichterstattung des INSP. Obdachlose Kinder in Denver rechnen mit besseren Noten In Denver (Colorado) sind rund 16.000 Schüler „obdachlos“ gemeldet. Überall in den USA steigt die Zahl der Kinder ohne ein sicheres Zuhause stark an. Denver hat eigens eine „Koordinatorin für die Ausbildung von obdachlosen Kindern und Jugendlichen“ installiert und versucht nun, mit mehr Geld für Nachhilfe vor Ort und Übernahme anderer Schulkosten den betroffenen Mädchen und Jungen bessere Chancen für ihre Zukunft zu bieten. Das hilft auch Eltern, wie das Beispiel von Luz Hernandez zeigt uz Hernandez und ihre beiden Kinder leben im LambuthFamilienheim der Heilsarmee in Denver – und es geht ihnen heute deutlich besser als noch vor einem halben Jahr. Damals hatte Hernandez zwar zwei Jobs und eine Wohnung, aber kaum Zeit für ihre Kinder Tochter Lesley (13) und ihren Sohn Adrian (12). Dass sich die Mutter und ihre Kinder im Heim wohlfühlen, hat mit der einladenden Atmosphäre, mit Holzböden und Sesseln zu tun, aber auch mit dem neuen Schulprogramm, das ins Haus kommt. Das hilft den Kindern, zumindest in der Schule mit anderen mithalten zu können. Die Kinder im Heim lernen heute in einer Weise, wie es vor einem Jahr noch nicht möglich war. „Denver Public Schools“ hat ein Programm für obdachlose Schüler eingeführt, in dem auch Adrian und Lesley mit staatlicher Finanzierung Nachhilfe erhalten. Das Problem der Obdachlosigkeit wächst in atemberaubender Geschwindigkeit. Die Zahl obdachloser Schüler in Colorado lag im Schuljahr 2007/08 bei 12.302. Im Bericht des Bundesstaates Colorado für das Schuljahr 2008/09 werden bereits 15.834 obdachlose Schüler genannt. Ein Zuwachs von 24 Prozent gegenüber dem Vorjahr. L Immobilienkrise trifft die Jüngsten Es ist ein Trend, der sich über die ganze Nation ausbreitet und getrieben wird durch Arbeitslosigkeit und die Kündigung von Hypotheken. Schätzungsweise mehr als eine Million obdachlose Kinder sind in den USA von Vorschule bis High School eingeschrieben. Dana Scott ist „Koordinatorin für die Ausbildung von obdachlosen Kindern und Jugendlichen“ in Colorado. Sie beobachtet nicht nur eine steigende Anzahl, „auch die Komplexität der Fälle steigt“. So bedingen sich nach ihrer Erfahrung oft Arbeitslosigkeit und häusliche Gewalt. Doch sogar Familien mit besten Absichten würden aufgrund der miserablen Wirtschaftssituation die Bildung ihrer Kinder vernachlässigen. Wie die Mutter, die ihren Job unbedingt behalten musste, um das Haus zu bezahlen. Da sie sich keinen Babysitter leisten konnte, musste das ältere Kind zu Hause bleiben, um auf das jüngere Kind aufzupassen. „In diesem Fall“, so Scott, konnte der Schulbezirk „Geld auftreiben, um das jüngere Kind in einem Ganztageskindergarten unterzubringen“ damit das ältere wieder in die Schule gehen konnte. Ein Szenario, das sich sehr häufig so abspiele. Was Fachleute wie Dana Scott besonders beunruhigt, sind Fälle von „Vor-Obdachlosigkeit“, die versteckt, außerhalb der Heime, geschehen. Ein Schüler der Mapleton High School etwa lebte fast ein Jahr lang in der Garage seiner Verwandten, im Winter in eisiger Kälte. Nun wohnt er im Urban Peak Heim in Denver. Die Schule sei der einzige Ort gewesen, an dem der in Frieden lernen, essen und sich waschen konnte, erzählt er. Auch für Hernandez und ihre Familie war die schwierigste Zeit die, bevor sie in das Heim kamen. Adrian erinnert sich, wie er manchmal um drei Uhr früh aufwachte und seine Mutter weggehen hörte zu einem ihrer Jobs. Nach solch unruhigen Nächten war es „schwer, früh aufzustehen“, sagt der Junge. Wenn die Mutter bis spät nachts arbeitete, passte die Oma auf die Enkel auf. Jeder vierte Schulbezirk Das Geld, das verfügbar ist, um obdachlosen Kindern zu helfen, wird mehr – zumindest momentan. Für das laufende Schuljahr stehen in Colorado insgesamt 1,38 Millionen Dollar zur Verfügung. Dadurch konnten Programme in 48 der 178 Schulbezirke aufgebaut werden, bisher war dies nur in 32 Bezirken möglich. Am meisten Nachfrage habe für Nachhilfestunden bestanden, weiß ObdachlosenBeamtin Anna Stout. Die Kinder wollten „einen ruhigen Ort, wo sie sich auf ihre Schularbeiten konzentrieren können, während die alltäglichen Lebensumstände oft laut und chaotisch sind.“ Von Michael Neary, Denver Voice; übersetzt von Martina Hillbrand Foto: Adrian Diubaldo © Street News Service: www.street-papers.org 30 Köpfchen und Kröpfchen Kreuzer-Rätsel Kochen mit Jochen Vorsicht, Falle! Hähnchenbrust mit Risi Bisi Jeder nennt den Zeugenberg in Ehrenbürg so Jochen Banzhaf hat von seinen bislang 71 Lebensjahren 46 in Ein Junge heißt in Franken auch ganz Deutschland als Restaurantfachmann und Koch gearbei- Wird gerade im Burgfarrnbacher Schloss restauriert tet. Zuletzt sorgte der gebürtige Oberpfälzer im renommierten Lamm – hat in Erlangen diesen sehenswerten Zusatz „Goldenen Posthorn“ am Sebalder Platz dafür, dass der Service bes- Stand mal für Margarine aus Nürnberg tens klappt. Ein Anspruch, den er auch im Straßenkreuzer erfüllt. Improtheater in Nürnberg, das Appetit macht Unter dem Motto „Aus weniger mach mehr“ serviert der Profi Wenn der Kopf schmerzt, dröhnt fränkisch der leckeres Essen, bei dem eine Prise Fantasie wichtiger ist als eine dicke Portion Euro! (Ä=AE; Ö=OE; Ü=UE; ß=SS) Die letzten Buchstaben ergeben von oben nach unten das L ösungswort! Die Tatsachen: Das Risi Bisi (Risi e Bisi) oder Erbsenrisotto, ist ein Klassiker der venezianischen Küche. Traditionell wurde es in Italien zu Ehren des Apostels Markus im April den Oberhäuptern, den Dogen, als erster Gang eines Menüs serviert. Dogen gibt es nicht mehr, Risi Bisi schon. Hier hat mal der gute Geschmack überdauert. Risi Bisi schmeckt als Beilage oder pur. Es ist eine Variante der Risottogerichte, die immer mit Rundkornreis zubereitet werden. Reis ist seit der Renaissance in Italien bekannt und wird vor allem in der Poebene angebaut. 500 g Hähnchenbrust TK 2,20 Euro 300 g Reis, 1 kl. Dose Erbsen 2,20 Euro 1 kl. Glas Kapern, 1 Sahne 1 Zwiebel, 50 g Butter, Salz, Pfeffer, Zucker Jetzt geht’s rund. Ob man nun Fußball-Fan ist oder nicht, dem Sport für Millionen (im doppelten Sinne) entkommt man kaum. Warum auch, haben wir uns gedacht, als die Marketingabteilung von Dr.Oetker angeboten hat, fünf Fan-Pakete für eine Verlosung zur Verfügung zu stellen. Mit WM-Shirt und Fähnchen, Kühlbox und südafrikanischen Vuvuzela-Tröten. Nur die eigens zur WM kreierte Pizza ist nicht im Päckchen. Sie könnte ja verderben. Aber auch ohne Pizza ist das Paket auf jeden Fall kein Spielverderber. Nur besonders schnell sein müssen alle, die ein FanPaket gewinnen wollen. Damit es pünktlich zum WMBeginn bei Ihnen ankommt. Viel Glück! Lösungen bitte bis 7. Juni 2010 per Post, Fax oder Mail ins Redaktionsbüro des Straßenkreuzer, Glockenhofstr. 45, 90478 Nürnberg Fax 0911 / 4318671, Mail: post@strassenkreuzer.info Absender nicht vergessen – viel Glück! Lösung aus Heft 5/2010: „Trucker“ (Frost, Keller, Z-Bau, Mac, Sack, Sinne, Bär). Je eine von drei Tageskarten für das Truckerfestival in Geiselwind mit Gunter Gabriel haben gewonnen: Christine Schmalzbauer, Hermann Frieß, Alexander Diezinger, alle Nürnberg. Je ein Wochenendticket für das Festival vom 21.-24. Mai auf dem Gelände des Autohofs Strohofer haben gewonnen: Peter Vogt, Fürth; Christa Rauh, Langenzenn; Herbert R. Räder, Nürnberg. Wir gratulieren! Gesamt Bei 4 Personen 1,40 Euro 0,60 Euro 6,40 Euro ca. 1,70 Euro Los geht’s: Hähnchenbrüste langsam auftauen. Dann in etwas Butter von beiden Seiten anbraten, aus der Pfanne nehmen und bei 80 Grad im Ofen in Folie gewickelt warm stellen. Den Bratenfond in der Pfanne mit etwas Butter auffüllen und mit Sahne angießen. Langsam einkochen lassen, mit Salz und Zucker würzen und die Kapern ohne Saft dazu geben. Ca. 10 Min. köcheln lassen. Den Reis in Salzwasser gar kochen (Rundreis eignet sich besonders gut für Risi Bisi). Kurz vor Schluss die Erbsen dazu geben (ohne Wasser) und unter den Reis heben. Fertig ist das Risi Bisi. Die fertigen Hähnchenbrüste aus dem Ofen nehmen, aus der Folie wickeln, würzen und mit dem Risi Bisi servieren. Das Rezept schmeckt natürlich auch mit Spargel statt Kapern. Guten Appetit wünscht Jochen UnsersozialesEngagement. GutfürdieMenschen. GutfürNürnberg, StadtundLand. s Sparkasse Nürnberg DieSparkasseNürnbergübernimmtVerantwortung.SeitihrerGründungvorüber185 JahrenistdieseinfesterBestandteilihrerUnternehmensphilosophie.Dadurcheröffnet sievielenMenschendieChanceaufTeilhabeamwirtschaftlichenundgesellschaftlichen Leben.Rund800.000EurowendetdieSparkasseNürnbergjährlichfürsozialeZwecke auf.www.sparkasse-nuernberg.de 00176_93x132mm_gut_sozial.indd 1 21.05.2007 13:56:07 Uhr Gillitzer Werbeagentur Corporate Design · Corporate Wording · Printmedien · Websites · Editorial Design · Buchgestaltung · Interior- und Event-Design SERENADENHOF KONZERTE SOMMER 2010 Mi, 9. Juni 2010, 20.00 Uhr Do, 1. Juli 2010, 20.00 Uhr 1. SERENADE DA R F I C H B I T T E N ? 6. SERENADE Mo, 14. Juni 2010, 20.00 Uhr 2. SERENADE DURCH HAIN UND FLUR Ein romantischer Abendspaziergang mit Chefdirigent Alexander Shelley Musik von Carl Maria von Weber, Richard Strauss und Ludwig van Beethoven • Solist: Matthias Nothhelfer, Horn • Dirigent: Chefdirigent Alexander Shelley Di, 27. Juli 2010, 20.00 Uhr 7. SERENADE B R AV O, B R AV I S S I M O ! Vorhang auf für Oper und Belcanto Musik von Umberto Giordano, Pietro Mascagni, Giacomo Puccini, Peter Tschaikowsky, Giuseppe Verdi u. a. Solisten: Anne Lünenbürger, Sopran • Niclas Oettermann, Tenor • Randall Jakobsh, Bass • Dirigent: Daniel Jakobi Mi, 28. Juli 2010, 20.00 Uhr 8. SERENADE Programm und Künstler wie 7. Serenade Mi, 16. Juni 2010, 20.00 Uhr So, 1. August 2010, 20.00 Uhr 3. SERENADE OSCAR-VERDÄCHTIG! 9. SERENADE S W I N G A RO U N D THE WORLD Symphonisches aus Hollywood Musik von John Barry, Alan Menken, Monty Norman, John Williams, Hans Zimmer u. a. Dirigent: Rasmus Baumann Gastkonzert des Landes-Jugendjazzorchesters Bayern Überraschungsprogramm aus Swing und Jazz Leitung und Moderation: Harald Rüschenbaum Do, 17. Juni 2010, 20.00 Uhr Di, 3. August 2010, 20.00 Uhr 4. SERENADE 10. SERENADE Programm und Künstler wie 3. Serenade Programm und Künstler wie 1. Serenade Mi, 30. Juni 2010, 20.00 Uhr So, 8. August 2010, 20.00 Uhr 5. SERENADE DAVON GEHT DIE WELT NICHT UNTER 11. SERENADE SCHÖNE MISCHUNG UFA-Melodien und Broadway-Highlights Musik von Ralph Benatzky, Michael Jary, Theo Mackeben, Irving Berlin, Cole Porter, Andrew Lloyd Webber u. a. Solistin: Karin Pagmar, Gesang und Conférence • Dirigent: Heinz Walter Florin Gastkonzert des Bayerischen Landesjugendorchesters Musik von Leonard Bernstein, Victor Herbert und Peter Tschaikowsky Solist: Maximilian Hornung, Violoncello • Dirigent: Sebastian Tewinkel K A RT E N T E L E F O N : ( 0 9 1 1 ) 4 7 4 0 1 - 5 4 straub design Tango, Swing & Cha-Cha-Cha Musik von Georges Bizet, Glenn Miller, Astor Piazzolla, Cole Porter u. a. Solist: Lothar Hensel, Bandoneon • Dirigent und Moderation: Enrique Ugarte Programm und Künstler wie 5. Serenade Gut für die Region. s Sparkasse Nürnberg