11 V 09 - Moskauer Deutsche Zeitung

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11 V 09 - Moskauer Deutsche Zeitung
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UNABHÄNGIGE ZEITUNG FÜR POLITIK, WIRTSCHAFT UND KULTUR • GEGRÜNDET 1870
Der Staat
bin ich!
A
09
Süss-sauer:
Nach Höhen und Tiefen bei
Olympia gibt es Kritik an
den Sportlern - sie wollten
sich nicht genug quälen.
11
Самый западный.
«Мы – как в каменном мешке», –
говорит президент Немецкорусского дома Калининграда
Виктор Гофман
V
Foto: Reuters
Schwarz-WEISS:
Dem Bild von der
Sondereinheit Omon fehlen
die Zwischentöne - sagt ein
ehemaliger Kommandeur.
K o m m e n t a r
Von Alexander Heinrich
ls Premier Putin Ende Juli
seine Attacke gegen den Bergbaukonzern Mechel ritt, der Börsenkurs des
Unternehmens innerhalb eines Tages
in den Keller rutschte, da fühlten sich
viele Beobachter an den Fall Yukos
erinnert. Auch damals sprach der
Präsident von Steuerbetrug. Die Rhetorik ist gleich und doch liegt der Fall
anders. Im Gegensatz zum Ex-Yukos­
chef Chodorkowskij hat der MechelMehrheitseigner Sjusin bisher keine
politischen Ambitionen erkennen lassen. Worum also geht es?
Der Kohlepreis hat sich innerhalb
eines Jahres fast verdoppelt. Mit ihm
und den weltweit wachsenden Erzpreisen steigen die Kosten der Stahlproduzenten. Dafür allein Mechel verantwortlich zu machen, ist abenteuerlich. Allerdings ist das Unternehmen
größter russischer Kohlelieferant und
unterhält eigene Stahlwerke. Das ist
etwa so, als würde eine Airline eigene
Ölquellen für ihr Flugbenzin besitzen.
Es ist eine Marktmacht, die jede Kartellbehörde auf den Plan rufen muss.
Die Attacke ist ein Warnschuss für die
großen Montankonzerne. Sie dürfen
an der Ausbeute russischen Bodens
verdienen, aber der Staat will einen
Teil vom Kuchen haben. Das ordnungspolitische Anliegen ist legitim,
die Art und Weise, es durchzusetzen,
ist es nicht. Putins Sprüche kommen stark daher, lassen aber einen
schwachen Staat vermuten. Schlagkräftige Kartellbehörden und unabhängige Staatsanwälte, die nicht erst
auf Zuruf von oben ermitteln, können
diese Aufgabe besser erfüllen. So aber
entsteht wieder einmal der fatale Eindruck: L’état, c’est moi! – „Der Staat
bin ich!“.
Ausländische Investoren reagieren
verunsichert, sie dürften jetzt wieder
stärker das politische Risiko einkalkulieren. Dabei ist Russland dringend
auf sie angewiesen - auf ihr Knowhow für die einheimischen Industrien jenseits von Öl und Gas und
als Türöffner für die Märkte in West
und Ost.
ABHÄNGIG
UNABHÄNGIG:
Südosseten gratulieren
sich Ende August zur
russischen Anerkennung
der Unabhängigkeit. Die
georgische Armee hatte
zuvor die abtrünnige
Provinz unter Kontrolle
zu bringen versucht, sich
nach Russlands Intervention
jedoch zurückziehen müssen.
Der Kreml bezeichnete
die weltweit umstrittene
Anerkennung von
Südossetien und Abchasien
als notwendigen Schritt,
um „Menschenleben zu
schützen”. Russland hatte
beide Regionen bereits zuvor
großzügig unterstützt.
Alltag in Trümmern
Nach dem Krieg beginnt in Südossetiens Hauptstadt Zchinwali der Wiederaufbau
Ganze Stadtviertel liegen in Schutt und Asche, ausgebrannte Häuserskelette reihen sich entlang der Hauptstraße, die mit Glassplittern und zerbrochenen Eternitplatten übersät ist. Der Krieg hat deutliche Spuren hinterlassen in Zchinwali, der Hauptstadt Südossetiens. Wenige Tage nach den
schweren Angriffen georgischer Truppen kehrt langsam der Alltag zurück.
Die Geflüchteten kehren heim, russische Katastrophenschützer stellen die
Strom- und Gasversorgung wieder her, Bagger räumen die Trümmer beiseite, der Wiederaufbau beginnt. Doch das Kriegstrauma wird viele Menschen
in Zchinwali noch lange begleiten.
Von Florian Willershausen
Suliko Kamaido steht vor den
Dann führt er seinen Besucher
Trümmern seines Hauses und an den Ort, an dem es gescheknöpft sein schmutziges Hemd auf. hen ist: Ein dunkles Kellerverlies,
„Das haben sie mir angetan, die in dem rund 100 Menschen aus
Georgier“, möchte der 68-Jährige der Nachbarschaft während der
wohl sagen. Doch er schweigt und drei Nächte dauernden Angriffe
legt einen anklagenden Blick auf. Zuflucht gesucht hatten. Als er sich
Über seinen Brustkorb zeichnen in der zweiten Nacht auf den Trepdunkelblaue Fäden die Wunde nach, peneingang wagte, um frische Luft
die er bei der Detonation einer Gra- zu schnappen, ging in unmittelnate erlitten hat. Orangefarbenes barer Nähe eine Granate hoch und
Desinfektionsmittel klebt auf der fegte Metallteile durch die Luft.
Haut. Eine Woche hat der Rent- Ein Schulfreund und eine Frau,
ner im Krankenhaus von Zchinwali die er nicht kannte, waren sofort
verbracht.
tot, erzählt Kamaido. Verzweifelt
„Wir fürchten uns vor nichts, auch
nicht vor der Aussicht auf einen neuen
Kalten Krieg. Aber wir wollen keinen
Kalten Krieg, und in dieser Situation
hängt alles von der Haltung unserer
Partner ab.“
Russlands Präsident Dmitirj Medwedew
Ende August zur Nachrichtenagentur
ITAR-Tass nach der Bekanntgabe, die
Unabhängigkeit Abchasiens und Südossetiens offiziell anzuerkennen.
„Das, was in Georgien passiert, macht
mir ehrlich gesagt Angst. Das betrifft
sowohl das Geschehen selbst als auch
die Art und Weise, wie darüber in den
Medien berichtet wird.“
Der tschechische Präsident Vaclav Klaus
in einem Interview mit der Prager Zeitung
„Mlada Fronta Dnes“ wenige Tage nach
dem Krieg zwischen Russland und Georgien.
fragt er nach dem Sinn des Krieges:
„Warum? Warum mussten sie alle
sterben?“
Es war die Nacht zum 8. August,
in der sich das Leben von Suliko
Kamaido und das der anderen Einwohner von Zchinwali schlagartig
veränderte. Georgische Kampftruppen griffen Südossetiens Hauptstadt mit Kampfhubschraubern,
Granaten und Raketenwerfern an,
auch Streubomben sollen nach
Berichten von Mitarbeitern humanitärer Organisationen verwendet
worden. Auch wenn die offiziellen
Angaben über Todesopfer in Zweifel zu ziehen sind – jeder der rund
35 000 Bewohner von Zchinwali hat
mindestens ein Opfer im Familien-,
Freundes- oder Bekanntenkreis zu
beklagen.
Die Stadt gleicht einer Trümmerwüste: Ganze Viertel liegen in Schutt
und Asche, durch die verkohlten
Häuserskelette kann man selbst von
„Wir lassen uns von Moskau Energie
liefern und wollen Investitions­
möglichkeiten für unsere Unter­
nehmen, ohne Russland dabei aber
eine politische Rolle zuzuerkennen.
Da schwelte eine Frustration, die jetzt
leider explodiert.”
Italiens Außenminister Franco Frattini
im Gespräch mit Journalisten Ende
August.
einst verbauten Vierteln aus auf die
nahe gelegenen Berge des Kaukasus blicken. Sämtliche Geschäfte
sind verbarrikadiert, Glasscherben
und zerbroche Eternitplatten liegen
auf dem Boden, die Regale wurden
leer geräumt, vermutlich von hungernden Plünderern. Lediglich die
Apotheke an der Hauptstraße hat
geöffnet. Dort gießt eine ältere Frau
aus Fünf-Liter-Kanistern Trinkwasser in einen Plastikbecher, an dem
reihum alle Wartenden nippen. Die
Trinkwasserleitungen sind zerstört,
Brauchwasser gibt es nur für mehrere Stunden am Tag, Gas können sich die Einwohner an einem
Lastwagen in kleine Druckbehälter
abfüllen lassen. Vor den russischen
Gaslastern bilden sich wie auch vor
der städtischen Brotfabrik lange
Warteschlangen.
11
„Wir können der Welt heute sagen,
dass Zchinwali eine Heldenstadt ist.
Es ist wie Stalingrad – alles ist zer­
stört.“
Der Dirigent Walerij Gergijew Mitte
August bei einem Gedenkkonzert für die
Opfer der georgischen Raketenangriffe.
A u s g a b e v o m 2 7 . A u g u s t b i s 9 . S e p t e m b e r.
02
POLITIK
M o s k a u e r D e u t s c h e Z e i t u n g N r. 1 6 ( 2 3 9 ) A u g u s t 2 0 0 8
Gesuchter Kommandeur an der Front
Der tschetschenische Bataillonschef Sulim Jamadajew kämpfte trotz Haftbefehl in Georgien
Von Oliver Bilger
Sulim Jamadajew kämpfte im ersten
Tschetschenienkrieg mit den Aufständischen, wechselte im zweiten
Feldzug aber die Seiten und zog
zusammen mit russischen Truppen
ins Gefecht. Mit seinen vier Brüdern
spielte er eine wichtige Rolle bei der
Rückeroberung Tschetscheniens im
Winter 1999. Er baute die Eliteeinheit
Wostok auf, die überwiegend aus
ehemaligen
tschetschenischen
Widerstandskämpfern besteht und
Teil der russischen Militäraufklärung
ist. Die Soldaten zählen zu den kampferfahrensten des Landes. Jamadajew
bekleidet den Rang eines Generalmajors und trägt den Orden „Held Russlands“. Menschenrechtler werfen seinen Kämpfern brutale Säuberungsaktionen, Folter und Vergewaltigungen vor.
Anfang August wurde Haftbefehl
gegen Jamadajew erlassen. Das
tschetschenische Innenministerium
teilte mit, der Bataillonskommandeur
sei auf die föderale Fahndungsliste
gesetzt worden. Er wird verdächtigt,
in die Entführung und den Mord
eines tschetschenischen Geschäftsmanns im Februar 1998 verwickelt
zu sein. Der tschetschenische Präsident Ramsan Kadyrow erklärte,
Jamadajew solle „ungeachtet seiner
Medaillen und Verdienste“ verhaftet
und verurteilt werden. Präsident
Kadyrow und Jamadajew streiten um
Einfluss in der Republik. Kadyrow
sind die Sondertruppen von Wostok
ein Dorn im Auge, da sie sich seinem
Machtmonopol nicht unterordnen
wollen. Das Bataillon untersteht dem
Generalstab der russischen Streitkräfte. Im Mai dieses Jahres beschuldigte Kadyrow Jamadajew mehrerer
Entführungen und Morde und rief
Staatsanwälte zu Ermittlungen auf.
Beobachter sehen darin den Versuch
des Präsidenten, Jamadajew kaltzustellen, um seine Macht in der Republik zu festigen.
Jamadajews Bruder Ruslan, Abgeordneter der Staatsduma, sagte dem
„Kommersant“, dass sein Bruder seit
dem Frühjahr in Moskau lebe und die
Fahnder wüssten, wo er sich befindet.
Er verstecke sich nicht.
Der Gesuchte versteckte sich tat-
Soldaten der
Eliteeinheit
Wostok in
Zchinwali, der
Hauptstadt
Südossetiens.
sächlich nicht: Das Verteidigungsministerium in Moskau erklärte, dass in
Südossetien zwei Kompanien von
Wostok und dem analogen Bataillon
Sapad kämpften. Jamadajew gab nach
Ende der Gefechte ein Interview und
erklärte auf „Utro.ru“, dass seine Soldaten die südossetische Hauptstadt
Zchinwali von georgischen Scharfschützen „gesäubert“ hätten.
Menschenrechtsbeobachter von
Human Rights Watch berichteten in
den Kriegstagen unter Berufung auf
eigene Leute im Konfliktgebiet von
Plünderungen und Morden, an
denen auch Wostok-Kämpfer beteiligt gewesen sein sollen. Der frühere
US-Militärgeheimdienstoffizier
Ralph Peters schrieb in der „New
York Post“, Putin habe die „übelsten
Verbrecher in Uniform auf die Georgier loslassen“. Jamadajew widersprach Gerüchten, seine Leute hätten Hunderte Georgier auf dem
Gewissen. Auch ein Reporter der
„Nowaja Gaseta“, der Wostok begleitete, bezeichnete solche Behauptungen als unwahr.
Der russische Verteidigungsminister Anatolij Serdjukow entließ Jamadajew nach dem Krieg mit sofortiger
Wirkung aus der Armee. Die tschetschenischen Ermittlungsbehörden
erklärten den Haftbefehl für aufgehoben, nachdem Jamadajew in Moskau
gefunden worden sei. Unklar blieb
zunächst, ob er auch vor Gericht
gestellt wird.
„Historische Chance“ für Russland
Die Krise im Kaukasus hat gezeigt, dass eine Außenpolitik der Konfrontation in die Isolation führt
Das russische Vorgehen im Südkaukasus ist bei der eigenen Bevölkerung auf
breite Zustimmung gestoßen. Im Ausland erklärten sich jedoch nur Kuba
und Venezuela mit Russland solidarisch. Selbst die ehemaligen Sowjetrepubliken ergriffen öffentlich nicht Partei, mit Ausnahme der Ukraine und der
baltischen Länder – sie verurteilten die Intervention als Aggression. Diese
Isolation, schreibt die Internetzeitung Gazeta.ru in einem redaktionellen
Kommentar, habe sich Russland selbst zuzuschreiben: Sie sei das Ergebnis
einer Außenpolitik der Konfrontation. Die MDZ veröffentlicht den Beitrag
in leicht gekürzter Form.
In den vergangenen Jahren hat
Russ­land die westliche Welt als seinen mehr oder weniger größten zivilisatorischen Feind hingestellt und
tut das auch weiterhin. Jetzt steht die
russische Regierung, die sich davon
leiten lassen hat, dass die Politik der
westlichen Länder weder auf gemeinsamen Werten noch auf moralischen
Grundfesten basiert, vor der Wahl.
Natürlich kann die verbreitete Unzufriedenheit mit dem russischen
Vorgehen geradezu als Indiz dafür
interpretiert werden, wie zutreffend
doch die Ansicht über die westliche
Doppelzüngigkeit ist. Denn die Intervention in Georgien weist schließlich
viele Parallelen mit den westlichen
humanitären Interventionen auf, und
so wird sie in Russland auch wahrgenommen. Umso zynischer erscheint
im Lande die Verurteilung von draußen. Die Wahl besteht nun darin,
sich in dieser Meinung bestätigt zu
fühlen oder herausfinden zu wollen,
wie sich so eine breite antirussische
Front – von Lukaschenko bis Bush –
formieren konnte.
Russland war in der Ära Putin,
gelinde gesagt, nicht gerade ein Vorkämpfer für Freiheit und Menschenrechte. Der humanistische Aspekt
seiner Außenpolitik klang nur sehr
gedämpft durch die ständige Rhetorik im Geiste des Kalten Krieges.
Bei allen Vorbehalten vieler Länder gegenüber den USA wird deren
Rolle als Weltgendarm von den verschiedensten Staaten mitgetragen.
An Operationen, die gemeinhin als
Resultat amerikanischer Unbelehrbarkeit gelten, wie zum Beispiel im
Irak, in Afghanistan und in Serbien,
beteiligen sich Einheiten aus Dutzenden Ländern, wenn auch mitunter fast symbolisch. Das hat nicht
nur damit zu tun, dass die Amerikaner es verstehen, diese Loyalität
zu kaufen. Ein Grund dafür ist auch,
dass für die „amerikanischen“ Werte
der Bürgermacht, des Schutzes der
persönlichen Freiheit nicht nur in
den USA votiert wird. Russland hat
sich bisher weder Verbündete kaufen können noch ist es für irgendwen zu einem nachahmenswerten
Beispiel geworden.
Es hat Russland auch niemand
abgenommen, dass es Saakaschwili
nicht stürzen will. Zu oft hat der
Kreml versucht, Einfluss auf Wahlen
zu nehmen, ob nun in der Ukraine
oder selbst in Abchasien, wo nur
im letzten Moment ein Bürgerkrieg
verhindert werden konnte, ausgelöst
durch die standhafte Weigerung von
Putins Mannschaft, den Sieg von Sergej Bagapsch über ihren Favoriten
Raul Chadschimba anzuerkennen.
Unter solchen Vorzeichen wurde
Russlands „humanitäre militärische
Mission“ als gewaltsame Fortsetzung der Großmachtrhetorik eines
Landes aufgenommen, das versucht,
die schlimmsten Züge des sowjetischen Imperiums zu restaurieren.
Als die russischen Truppen in Georgien das auch dem Westen wohlvertraute Existenzrecht eines Volkes
zu verteidigen suchten (wobei die
Südosseten fast ausnahmslos die
russische Staatsbürgerschaft besitzen), zweifelte die Welt mechanisch
an der Aufrichtigkeit der russischen
Beteuerungen.
Dmitrij Medwedews mutige und
verantwortungsvolle Entscheidung
zur Einstellung der Kampfhandlungen, vielleicht die erste, die er
selbstständig getroffen hat, eröffnet
Russland die historische Chance,
eigene Werte zu formulieren, anstatt
wie bisher Politik über die Negation des „Fremden“, „Feindlichen“ zu
betreiben. Russland wird erst dann
und nur dann Verbündete finden,
wenn es der russischen Diplomatie
gelingt, die Welt von der Rechtmäßigkeit seiner Interessen zu überzeugen, anstatt sich aufzuplustern und
auf das Gasventil zu verweisen.
Der Krieg in Georgien und die Reaktion der Weltgemeinschaft darauf
haben der bisherigen Außenpolitik
der Konfrontation ihre logischen
Grenzen aufgezeigt. Russland ist,
auch das wurde offenkundig, weitgehend isoliert. Will es als Großmacht
agieren und tatsächlich Einfluss auf
Entwicklungen nehmen, so sollten
die Ursachen dieser Isolation ergründet werden, was bedeutet, den außenpolitischen Kurs der letzten Jahre zu
korrigieren, der ganz eindeutig in die
Sackgasse führt. Eine Zusammenarbeit mit den führenden Staaten der
Welt im Namen demokratischer
Werte ist nicht gleichbedeutend mit
„Fremdsteuerung“ oder der Preisgabe der nationalen Souveränität.
impressum
Herausgeber
Heinrich Martens
Redaktion
Jochen Stappenbeck, Chefredakteur
Olga Silantjewa
Stellv. Chefredakteurin
Larissa Chudikowa
(Moskowskaja Nemezkaja Gaseta)
Oliver Bilger
(Politik, Gesellschaft, Zeitgeschehen,
Regionen)
Tino Künzel
(Politik, Russlands Nachbarn, Leben
in Moskau, Letzte Seite)
Alexander Heinrich
(Wirtschaft, Feuilleton, Letzte Seite)
Korrektur
Nina Botschkarjowa
Raissa Kraptschina
Computersatz
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Namentlich gekennzeichnete Artikel
geben nicht unbedingt die Meinung der
Redaktion wieder.
K u r z
u n d
K n a p p
Zweifel an
Opferzahlen
Foto: Reuters
Welche Rolle spielte Sulim Jamadajew im Kaukasuskrieg? Der Kommandeur des berüchtigten tschetschenischen Bataillons Wostok
kämpfte mit den russischen Truppen
gegen die Georgier, obwohl er per
Haftbefehl gesucht wurde. Nach
dem Krieg wurde er aus der Armee
entlassen.
Nachrichten
Nachdruck nur mit Quellenangabe
möglich.
Registriert bei Roskompetschat.
Registriernummer 017576
Redaktionsschluss: 27. August 2008.
Gedruckt in der Druckerei „Pressa“.
Auflage 25 000 Expl.
Номер заказа 810914.
Газета в розницу
не распространяется.
Das südossetische Statistikamt hat die
Zahl der Todesopfer beim georgischen
Angriff auf Zchinwali abschließend
mit 1 492 beziffert. Worauf die Anga­
ben beruhen, bleibt jedoch unklar.
Bereits am ersten Tag der Kämpfe
hatte Südossetiens Präsident Eduard
Kokojty von 1 400 Toten gesprochen
und deren Angehörige als Quelle
genannt. Flüchtlinge berichteten, die
Stadt sei „voller Leichen“, doch sie
beriefen sich dabei auf die Medien, die
wiederum Zahlen der „russischen Seite“
verbreiteten. Wer die Toten gezählt hat,
konnten auch unabhängige Experten
vor Ort nicht in Erfahrung bringen.
Anna Neistat von Human Rights Watch
sagte der Deutschen Welle, es gebe
„Anlass, die Echtheit der Zahlen in
Zweifel zu ziehen“. Erfahrungsgemäß
gebe es dreimal so viele Verletzte wie
Tote. Man habe jedoch keine Kenntnis
von Tausenden Verletzten. Arkadij
Babtschenko, Reporter der „Nowaja
Gaseta“, schrieb nach mehrtägigen Re­­
cherchen in Zchinwali, seine Schät­zun­
gen beliefen sich auf „150, 200“ Tote.
Rascher aufbau
gefordert
Georgiens Präsident Michail Saaka­
schwili hat die Regierung seines Landes
zum aktiven Wiederaufbau aufgerufen.
„Wir müssen zerstörte Häuser und
Wohnungen wieder bewohnbar machen
und Entschädigungen auszahlen, nicht
nur an die Angehörigen der gefallenen
Militärs, sondern auch an die Familien
der zivilen Einwohner, die bei diesem
Konflikt ums Leben gekommen sind“,
erklärte Saakaschwili bei einer Sitzung
des nationalen Sicherheitsrates in Tiflis.
Der Wiederaufbau solle unverzüglich
begonnen werden, anstatt auf
ausländische Finanzhilfe zu warten.
Saakaschwili bewertete den russischen
Truppenabzug aus Georgien als „einen
guten Anfang und einen richtigen Schritt“
unter dem Druck der internationalen
Völkergemeinschaft. Weiter betonte
er: „Ich möchte nicht, dass unsere
Gesellschaft auf Russland erbost ist.
Wir sind ein zivilisiertes Volk. Zugleich
müssen wir alle dessen bewusst sein,
dass den Georgiern niemand Stolz und
Freiheitsliebe wegnehmen wird.“
Ukraine will
schnell in Nato
Angesichts des Konflikts im Kaukasus
hat der ukrainische Präsident Viktor
Juschtschenko zu einem raschen NatoBeitritt seines Landes aufgerufen. „Wir
müssen unsere Arbeit beschleunigen,
um einen Beitritt zum europäischen
Sicherheits­system zu erreichen und das
Verteidigungs­potenzial unseres Landes
zu stärken“, erklärte Juschtschenko
in seiner Rede zum 17. Jahrestag der
Unabhängigkeit der Ukraine.
Z
ahlen bitte!
7
... Minuten ließ die Nachrichtenagentur
Interfax Russland glauben, Michail Cho­
dorkowskij komme frei. Am 22. August
verbreitete sie um 11.24 Uhr, sein
Antrag auf vorzeitige Haftentlassung
sei bewilligt. Um 11.31 Uhr wurde die
Information per Eilmeldung zurückgenommen. In der Zwischenzeit hatten
die „Blue Chips“ an der russischen Börse
im Schnitt um zwei Prozent zugelegt.
03
M o s k a u e r D e u t s c h e Z e i t u n g N r. 1 6 ( 2 3 9 ) A u g u s t 2 0 0 8
P olitik
Mit zweierlei Maß
Nachrichten
K u r z
Europa kann nur dann eine Vermittlerrolle im Kaukasus-Konflikt
einnehmen, wenn es glaubwürdiger Sachwalter beider Seiten
ist. Das sagt die ehemalige ARDMoskau-Korrespondentin Gabriele
Krone-Schmalz. Im Interview mit
MDZ-Redakteur Alexander Heinrich spricht die Russlandexpertin
über langjährige Provokationen im
Kaukasus sowie die angestrebte
Nato-Mitgliedschaft Georgiens und
erklärt, warum für andere ehemalige Ostblockstaaten keine Gefahr
von Russland ausgeht.
Foto: Archiv
Die russische Armee ist tief ins georgische Kernland eingedrungen, nachdem georgische Truppen gewaltsam
in Südossetien eingerückt waren.
Halten Sie Russlands militärische
Reaktion für überzogen?
Wenn man die georgische Militäraktion gegen Südossetien isoliert
betrachtet, dann könnte man antworten: Ja, die russische Reaktion
war überzogen. Wenn man allerdings die Weltpolitik der letzten
zwanzig Jahre aus russischer Sicht
bewertet, so hat Russland eine Provokation nach der anderen mehr
oder weniger still hingenommen:
Nato-Osterweiterung, amerikanische Militärberater in Georgien
und so weiter. Das militärische
Vorgehen des georgischen Präsidenten Saakaschwili hat den Bogen
überspannt und diesen russischen
Paukenschlag ausgelöst, nach dem
Motto: jetzt reicht‘s, die Schmerzgrenze ist überschritten.
Nicht nur der Kreml, auch viele Russen
werfen dem Westen Doppelmoral vor,
weil er die Unabhängigkeit des Kosovo
von Serbien anerkennt, Südossetiens
oder Abchasiens Sezession hingegen
nicht. Misst der Westen mit zweierlei
Maß?
Natürlich misst der Westen mit
zweierlei Maß. Das lässt sich über
die Jahre mit vielen Beispielen belegen und fällt ja nicht nur Russen
und dem Kreml auf.
Was ist mit der territorialen Integrität Serbiens? War der Nato-Einsatz damals verhältnismäßig? Wenn
westliche Truppen Zivilisten töten,
dann nennt man das Kollateralschaden, bei russischen Truppen handelt
es sich um vorsätzliche Menschenrechtsverletzung. Diese Schlichtheit
ist für jeden halbwegs intelligenten
Menschen eine Zumutung.
Moskau hat in den vergangenen
Jahren Pässe an Südosseten ausgegeben und sie damit zu russischen Staatsbürgern gemacht –
völkerrechtlich ein problematisches
Vorgehen. Hat Russland den Konflikt
am Köcheln gehalten, um ihn nun
für sich zu instrumentalisieren?
Russland ist kein Unschuldslamm
in dieser Angelegenheit und es geht
auch nicht darum, die Position des
einen oder des anderen schönzureden, sondern darum, Interessenlagen deutlich zu machen. Russlands
Interesse ist es, den Einfluss der
USA vor seiner eigenen Haustür
zu verhindern oder einzudämmen.
Das halte ich für legitim. Die USA
handhaben das bei sich genauso.
Mehrere ehemalige Ostblockstaaten
fürchten nun, dass der große Nachbar
Russland sie wieder stärker in seinen
Einflussbereich zu bringen versucht
– notfalls auch mit Gewalt. Sind solche Befürchtungen nachvollziehbar?
Menschlich, psychologisch nachvollziehbar sind sie sicher. Die ehemaligen Ostblockstaaten haben
nun mal überwiegend keine guten
Erfahrungen mit Moskau gemacht,
sie haben viel Unrecht ertragen
müssen und jeder hat noch seine
eigene Rechnung offen. Klar, dass
sie sich in die weit geöffneten Arme
des Westens begeben. Aber eine
nüchterne Analyse russischer Interessen ergibt zweierlei: Russland ist
innenpolitisch auf verschiedensten
Feldern schwer beschäftigt, um
das erklärte Ziel zu erreichen, den
Menschen in einem verlässlichen
staatlichen Rahmen zu mehr Wohlstand zu verhelfen. Und zweitens:
Nach dem Zerfall der Sowjetunion
um Russland herum Ruhe zu haben
und in Ruhe gelassen zu werden.
Gewaltsame Einverleibung anderer
Staaten ist da nicht vorgesehen.
Russland wehrt sich gegen die
Aufnahme von Ländern wie der
Ukraine und Georgien in die Nato,
es sieht sich mit der Osterweiterung
des Verteidigungsbündnis immer
stärker eingekreist. Ist andererseits
eine Entscheidung für das westliche
Bündnis nicht das Recht souveräner
Staaten?
Die Sache ist kompliziert. Da
die Zustimmung Moskaus zur
Nato-Zugehörigkeit des vereinten
Deutschland an die Zusicherung
gebunden war, dass sich die Nato
nicht weiter nach Osten ausdehnt,
handelt es sich um eine Vereinba-
Foto: Reuters
Versäumnisse der EU in der Vergangenheit rächen sich jetzt – sagt Gabriele Krone-Schmalz
Was ist das nächste Ziel eines russischen Angriffs? Ein Plakat in der georgischen
Hauptstadt Tiflis beschreibt die Angst ehemaliger Ostblockstaaten. „Gewaltsame
Einverleibung anderer Staaten ist nicht vorgesehen“, glaubt Krone-Schmalz.
rung, die nicht dadurch hinfällig
wird, dass andere, an diesen Verhandlungen nicht Beteiligte, etwas
Anderes wollen. Wozu sollte man
dann noch etwas vereinbaren?
Mitte August hat Polen nun doch
noch der Stationierung des umstrittenen US-Raketenschirms zugestimmt. Zerschlägt Russland mit
Drohgebärden gegenüber „abtrünnigen“
Nachbarstaaten und nun mit dem Krieg
in Georgien zu viel Porzellan?
Auch da darf man Ursache und
Wirkung nicht verwechseln. Bislang
hatten Polen und die USA langwierig verhandelt, unter welchen Bedingungen die Stationierung in Polen
möglich sein soll. Die Begründung
für diese militärische Installation,
man müsse gegen Angriffe aus dem
Iran gewappnet sein, wird ja nicht
nur von Russen angezweifelt. Und
jetzt lässt man die Katze aus dem
Sack und hängt gleich einen amerikanisch-polnischen Beistandspakt
dran. Gegen eine iranische Bedrohung Polens wohl kaum. Fakt ist
natürlich: Das schlechte Image
Ru­sslands wird durch sein Verhalten in Georgien noch schlechter.
Aber was war die Alternative?
Nach Ansicht der meisten Beobachter
dürfte Georgien seine Provinzen
Abchasien und Südossetien kaum
halten können. Wären eine internationale Verwaltung unter UnoAufsicht oder gar die Unabhängigkeit
eine verantwortbare Lösung?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass
Südossetien und Abchasien nach
allem, was gewesen ist, Teile Georgiens bleiben. Eine vorübergehende
internationale Verwaltung wird nur
dann – wenn überhaupt – Erfolg
haben, wenn sie so neutral wie möglich besetzt ist und statt amerikanischer oder russischer Interessen
südossetische und abchasische Interessen eine Rolle spielen. Wie das
praktisch aussehen soll, ist natürlich
die Frage. Jedenfalls gehört es zur
Glaubwürdigkeit der internationalen
Staatengemeinschaft, Meinungsäußerungen von Menschen, die mit ihrem
Gebiet selbstständig werden wollen,
auch dann zu respektieren, wenn sie
sich anders entscheiden, als es sich
die westliche Welt wünscht.
Was bedeutet der Krieg für das
Selbstverständnis Europas und
seine Haltung gegenüber Russland?
Welche Vermittlerrolle kann Europa
übernehmen?
Versäumnisse der Vergangenheit
rächen sich jetzt bitter. Hätten die
EU-Europäer damals, beim Zusammenbruch der Sowjetunion, mit
Blick auf die USA und die Nato
stärker darauf gedrängt, gemeinsam
mit Russland eine neue Sicherheitsarchitektur zu erarbeiten, statt die
Nato zu einer politischen Institution aufzublasen, hätte der Jugoslawienkrieg vermutlich so nicht stattgefunden. Es spricht eine Menge
dafür. Wenn man nach vorne blickt,
dann kann eine Vermittlerrolle
Europas nur dann funktionieren,
wenn Europa in der Lage ist, glaubwürdiger Sachwalter beider Seiten
zu sein. Im Moment macht es nicht
den Eindruck. Ich will mich nicht
in Horrorszenarien ergehen, aber
wenn Europa nicht endlich erkennt,
dass es im ureigensten Interesse ist,
Russland als Partner zu haben, wird
Europa im Machtkampf künftiger
Großmächte zerrieben werden.
u n d
K n a p p
Chodorkowskij
bleibt in Haft
Der frühere Ölmagnat Michail
Chodorkowskij bleibt weiter in Haft.
Ein Gericht im ostsibirischen Tschita
lehnte die vorzeitige Haftentlassung
des wegen Steuerhinterziehung und
Betrugs verurteilten Ex-Chefs des
inzwischen zerschlagenen Ölkonzerns
Yukos ab. Die Verteidiger dürfen binnen
zehn Tagen Berufung gegen den
Gerichtsbeschluss einlegen, meldete
RIA Nowosti. Staatsanwalt Alexej
Fjodorow und die Gefängnisleitung
hatten sich während der Gerichtssitzung
gegen eine vorzeitige Haftentlassung
ausgesprochen. Chodorkowskij zeige
sich nicht einsichtig und sei nicht auf
dem Weg der Besserung, begründete
Fjodorow seine Forderung. Die
Begründung der Richter sei an den
Haaren herbeigezogen, sagte ein Anwalt
Chodorkowskijs dem Radiosender Echo
Moskwy. Nun darf der 45-Jährige erst
in einem Jahr wieder eine vorzeitige
Freilassung beantragen, teilte sein
Anwalt mit. Russlands bekanntester
Häftling hat fünf Jahre einer insgesamt
achtjährigen
Gefängnisstrafe
abgesessen. Zudem läuft ein zweites
Strafverfahren, bei dem Chodorkowskij
Unterschlagung und Geldwäsche von
über 18 Milliarden Euro zur Last gelegt
werden. Er bestreitet die Vorwürfe.
Gemeinsame
Verteidigung
Die Präsidenten Russlands und
Weißrusslands, Dmitrij Medwedew
und Alexander Lukaschenko, haben
Zeitungsberichten
zufolge
ein
gemeinsames
Luftverteidigungs­
system beschlossen. Das Abkom­
men, das Experten als Ant­wort auf
die Stationierung des US-Raketen­
abwehrsystems in Polen gilt, soll
im Herbst in Moskau unterzeichnet
werden, berichteten die Zeitungen
„Wedomosti“ und „Gazeta“. Polen
und die USA besiegelten ungeachtet
russischer Proteste ein Abkommen
über den Aufbau des Raketenschilds.
Lukaschenko habe der gemeinsamen
Luftverteidigung zugestimmt, um seine
Position zu Georgien zu kompensieren,
sagte Jaroslaw Romantschuk, Experte
des weißrussischen Mises-Zentrums:
Der Staatschef habe den Betroffenen
erst eine Woche nach Konfliktbeginn
sein Beileid ausgesprochen, was im
Kreml Unzufriedenheit hervorgerufen
habe. Lukaschenko erklärte, er habe
sich nicht eingemischt, weil Moskau
auch ohnehin mit der militärischen
Friedensoperation fertig geworden sei.
Kritik an
Schröder
Alt-Kanzler Gerhard Schröder ist für
Bemerkungen über den georgischen
Präsidenten Michail Saakaschwili
scharf kritisiert worden. Schröder hatte
in einem Interview mit dem „Spiegel“
den Einmarsch der Georgier in
Südossetien als „auslösendes Moment“
der Kämpfe im Kaukasus bezeichnet
und Saakaschwili einen „Hasardeur“
genannt. Der CSU-Außenpolitiker
Karl-Theodor zu Guttenberg sagte
der „Passauer Neuen Presse“: „Ich
bekomme mehr und mehr das Gefühl,
dass der Alt-Bundeskanzler ein
gestörtes Verhältnis zu seiner früheren
Betätigung hat. Sobald Russland
ins Spiel kommt, ist sein Urteil in
höchstem Maße unverhältnismäßig
und
unangemessen.“
CDUGeneralsekretär Ronald Pofalla nannte
Schröder einen „lupenreinen russischen
Interessenvertreter“.
Recht
K u r z
u n d
K n a p p
Änderungen im
Baugesetzbuch
Am 25. Juli 2008 ist das Föderale Gesetz
Nr.148-FZ „Über die Einbringung von
Änderungen in das Städtebaugesetz­
buch der Russischen Föderation und
andere gesetzliche Bestimmungen“ in
Kraft getreten (mit Ausnahme von Teil
1, Artikel 8 des Gesetzes). Das Gesetz
wurde angenommen im Zusammenhang
mit der wiederholt gescheiterten
Abschaffung der Lizenzerteilung für
Bautätigkeiten, Projektierungen und
ingenieurtechnischen Untersuchungen,
welche am 1. Juli 2008 hätte
erfolgen sollen und die Regelung
des schrittweisen Übergangs von der
Genehmigungserteilung zur Schaffung
einer Institution zur Selbstregulierung
im Bereich Bauwesen zum Ziel hatte.
Entsprechend den neuen Änderungen
des Städtebaugesetzbuches wird eine
neue Übergangsperiode festgesetzt,
derzufolge die Ausstellung von
Lizenzen zur Ausführung von
ingenieurtechnischen Untersuchungen,
Projektierungen und Bautätigkeiten zum
1. Januar 2009 und die Lizenztätigkeit
zum 1. Januar 2010 enden. Bis zum 1.
Januar 2010 werden Organisationen
zur Ausführung von Bautätigkeiten
zugelassen, welche über eine Lizenz oder
eine Sondergenehmigung verfügen, die
von so genannten „selbst regulierenden
Organisationen“ erteilt wurden.
Führungskräfte
ohne Quoten
Am 25. Juli 2008 hat das Ministerium für
Gesundheit und soziale Entwicklung den
Erlass Nr. 355n herausgegeben. Darin sind
bestimmte Berufsgruppen aufgelistet,
die von der Quote für den Erhalt einer
Arbeitsgenehmigung für ausländische
Mitarbeiter befreit sind. Es handelt
sich um 22 Führungspositionen, unter
anderem Biophysiker, Generaldirektoren
einer Aktiengesellschaft, General­
direktoren eines Unternehmens,
Repräsentanzleiter, Mikrobiologen,
Ingenieure für die Automatisierung
von Produktionssteuerungssystemen
und Abteilungsleiter (IT-Abteilung).
Die Quote des Föderalen Migra­
tionsdienstes für die Erteilung von
Arbeitsgenehmigungen an ausländische
Mitarbeiter in Moskau und in einigen
weiteren Regionen Russlands wurde für
das Jahr 2008 vorzeitig ausgeschöpft.
Auch nach einer Erhöhung der Quote im
Juli wurde der Bedarf an qualifizierten
Arbeitskräften in Russland bei weitem
nicht gedeckt.
Erteilung der
Arbeitserlaubnis
Am 25. Juli 2008 ist der Erlass über
die neue Verwaltungsordnung über die
Erteilung von Arbeitsgenehmigungen
und
Arbeitserlaubnissen
durch
vier Behörden (Föderaler Migra­
tionsdienst,
Ministerium
für
Gesundheit und Sozialentwicklung,
Transportministerium und Staats­
komitee für Fischerei) in Kraft
getreten. Veröffentlicht wurde der
Erlass (ohne Anlage Nr. 13) im „Bulletin
der Rechtsvorschriften der föderalen
Exekutivbehörden“ Nr. 28 am 14. Juli
2008.
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Konjunktur verliert an Schwung
Regierung korrigiert Wachstumsprognose nach unten – und die Inflationsrate nach oben
Sieben Jahre lang kannte Russlands
Konjunktur nur eine Marschrichtung: vorwärts, und zwar im Eiltempo. Zur Jahresmitte mehrten sich
jedoch die Anzeichen, dass sich die
Wirtschaft künftig mit angezogener
Handbremse entwickelt - noch vor
dem Krieg in Georgien und den
Turbulenzen an der Moskauer Börse.
Das Wirtschaftsministerium dämpft
die Prognosen für die Industrieproduktion, die Investitionen sowie die
Rohstoffexporte. Gleichzeitig steigt
der Inflationsdruck.
Von Bernd Honef (bfai, Köln)
Noch gehen Russlands Chefvolkswirte von einem Wachstum
des Bruttoinlandsproduktes (BIP)
von knapp acht Prozent für das
Gesamtjahr 2008 aus – nachdem
die Wirtschaft bereits in den ersten
sechs Monaten durchschnittlich um
diesen Wert gewachsen war. Insbesondere in den ersten drei Monaten
zeigte sie sich überraschend stark.
Seither jedoch nimmt das Wachstumstempo ab. Während das BIP
im Mai noch bei 7,7 Prozent lag,
waren es im Juni nur noch 6,5.
Von einem „Ausrutscher“ wegen
der Fußball-EM sprechen nur noch
die wenigsten Volkswirte. Schließlich deutet sich auch im Juli keine
deutliche Besserung an.
Hinter anderen makroökonomischen Kennzahlen steht ebenfalls ein dickes Fragezeichen. Das
russische Wirtschaftsministerium musste einige Prognosen nach
unten korrigieren. So dürfte etwa
die Industrieproduktion 2008 nur
um 5,6 Prozent steigen. Im Juni
stieg sie gerade einmal um knapp
ein Prozent. Auch wenn das für
Deutschland eine erstklassige Entwicklung wäre – für die zuletzt prosperierende russische Wirtschaft ist
dies das schlechteste Ergebnis seit
fünf Jahren.
Auch die Investitionen in Bruttoanlagegüter, also zum Beispiel in
Fabriken, Maschinen und Anlagen
werden wohl kaum um die zunächst
Foto: RIA Nowosti
04
WIRTSCHAFT
„Danke für die
Aufmerksamkeit!“
Wirtschaftsministerin
Nabiullina blieb es
vorbehalten, die
Wachstumsprognose
nach unten zu
korrigieren.
vorhergesagten 17,8 Prozent zulegen. Wirtschaftsministerin Elvira
Nabiullina erwartet mittlerweile
eine Steigerung von 16,5 Prozent.
Dabei bleibt abzuwarten, ob selbst
diese Prognose zutrifft. Schließlich
sank das Wachstum der Bruttoanlageinvestitionen im ersten Halbjahr 2008 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um ein Drittel.
Dabei wären gerade steigende
Investitionen in Maschinen und
Anlagen nötig, um die Wettbewerbsfähigkeit russischer Produkte
gegenüber den Importen zu erhöhen. Statt in die Werksmodernisierung fließt das Geld in immer
teurer werdende Energie und in
die Taschen der Mitarbeiter. Deren
Löhne und Gehälter steigen weiterhin: Während der Durchschnittslohn im Juni 2008 bei 17 808 Rubeln
(knapp 500 Euro) lag, waren es im
Vorjahr 13 848 Rubel (etwa 380
Euro).
All diese Faktoren trugen dazu
bei, dass sich die durchschnittlichen
Produktionskosten in Russland von
Juni 2007 bis Juni 2008 um mehr als
ein Viertel verteuerten, von März
bis Juni stiegen sie jeden Monat um
vier bis fünf Prozent. Laut Valerij
Mironow vom Zentrum für Entwicklung dürfte sich das Industriewachstum zum Ende des Jahres auf
vier bis fünf Prozent verlangsamen
und 2009 sogar bei drei Prozent
stagnieren.
Einer der größten Unsicherheitsfaktoren der russischen Wirtschaft
ist und bleibt die Inflation. Das
Wirtschaftsministerium erhöhte
Ende Juli die Prognose für 2008 von
10,5 Prozent auf knapp zwölf Prozent. Diese Revision hielten Volkswirte seit langem für überfällig. Im
Juni 2008 war der russische Durchschnittswarenkorb um 15 Prozent
teurer als im Vorjahresmonat. Und
in den ersten sieben Monaten des
Jahres stiegen die Verbraucherpreise
um knapp zehn Prozent. Nach wie
vor gehen unabhängige Finanzinstitute von einer Teuerungsrate in
Höhe von mindestens 13 Prozent
aus – weit mehr als die Regierungsprognose besagt.
Auch in einigen Branchen schrillen die Alarmglocken: Während die
Stahlproduktion im ersten Halbjahr
2008 noch um fünf Prozent zugelegt hat, kämpft die Bauwirtschaft
mit den Folgen der Hypothekenkrise und den daraus entstehenden Finanzierungsengpässen sowie
fehlenden Baustoffen. Mit einem
Wachstum im Wohnungsbau von
lediglich knapp drei Prozent hat
Russland so schlecht abgeschnitten
wie lange nicht mehr. In der Stadt
Moskau wurden nur halb so viele
Wohnungen gebaut wie noch im
Vorjahr. Das Moskauer Gebiet verzeichnete immerhin ein Minus von
sieben Prozent.
Selbst die russischen Erdöl-Konzerne dürften 2008 nicht die erwarteten 500 Millionen Tonnen des
schwarzen Goldes aus den Böden
des größten Landes der Erde pumpen, sondern bestenfalls 492 Millionen, glauben die Analysten im
Wirtschaftsministerium. Im Vergleich zum Jahr 2007 wäre das
zwar immer noch eine leichte Steigerung, aber nicht in der Höhe wie
die Marktbeobachter ursprünglich
angenommen hatten. Ebenso dürfte
der Erdölexport hinter den Erwartungen zurückbleiben.
Ende des Höhenflugs
Der Kaukasuskonflikt macht Investoren nervös, ist aber noch keine Zäsur - sagt Thorsten Nestmann
R
Die beiden abtrünnigen georgischen
Provinzen bergen Sprengkraft für
die russische Wirtschaft: Ausländische Anleger zogen seit dem Krieg
im Kaukasus ihr Kapital zurück, nach
seinem Höhenflug im Mai verlor der
Leitindex RTS mittlerweile bereits
40 Prozent an Wert. Über die Folgen
des Konflikts für die russische und
die georgische Wirtschaft sprach
Alexander Heinrich mit Thorsten
Nestmann, Analyst für die GUSLänder bei der Deutschen Bank.
Was bedeutet der Kaukasuskonflikt
für die russische Wirtschaft?
Kurzfristig hat dieser Konflikt vor
allem einen negativen Einfluss auf
den russischen Finanzmarkt gehabt.
Investoren haben vermehrt ihr Geld
aus Russland abgezogen, die Währungsreserven sind innerhalb einer
Woche um 16 Milliarden US-Dollar
gefallen. Der russische Finanzminis-
ter Kudrin rechnet damit, dass der
Nettokapitalzufluss aus dem Ausland
in diesem Jahr deutlich unter den 83
Milliarden US-Dollar im Jahr 2007
bleiben wird.
Die Moskauer Börse reagierte nervös,
der Leitindex fiel während des Krieges
Anfang August auf den tiefsten Stand
seit anderthalb Jahren. Eine Zäsur?
Es ist zu früh, von einem dauerhaften
Einschnitt zu sprechen. Man muss
abwarten, wie es in Georgien weitergeht und auch, welche politische Strategie der Westen gegenüber Russland
verfolgen wird: Etwa die Frage, ob und
wann Russland der Welthandelsorganisation WTO beitreten wird.
Der Bergbaukonzern Mechel und der
russisch-britische Rohstoffkonzern
TNK-BP stehen unter verschärfter
Beobachtung staatlicher Behörden:
Wie bewerten Anleger den russischen
Wachstumsmarkt?
Es könnte im Moment ein Umdenken stattfinden. Nach der YukosKrise 2003/2004 hatte sich ein Status
quo herausgebildet, die Investoren
hatten ein gewisses politisches Risiko akzeptiert. Nach den Ereignissen
der letzten Wochen könnten sie den
russischen Markt in einem anderen
Licht sehen, es ist schlicht mehr
Unsicherheit da. Hinzu kommt: Es
gab schon seit Anfang dieses Jahres Überhitzungsphänomene in der
russischen Volkswirtschaft, etwa die
hohe Inflationsrate und eine starke
Lohnentwicklung, die deutlich über
dem Zuwachs an Produktivität in
russischen Unternehmen liegt. Außerdem zeigt der Leitindex RTS immer
wieder, wie stark Russlands Wirtschaft vom Ölexport abhängig ist, das
gilt teilweise auch für börsennotierte
Unternehmen, die nicht unmittelbar
im Ölgeschäft tätig sind.
Welche wirtschaftlichen Folgen hat
der Konflikt für Georgien?
Wer in Georgien investiert hat, hat
wohl gewusst, dass es diesen eingefrorenen Konflikt gibt, allerdings nicht,
dass er so schnell in ein so bedrohliches Szenario umschlagen kann. Ein
großes Problem für die georgische
Wirtschaft dürfte jetzt das fehlende
Vertrauen der internationalen Investoren sein. Große Agenturen wie
Fitch und Standard & Poor’s haben in
ihren Ratings die Kreditwürdigkeit des
Landes heruntergestuft und bewerten
auch den Ausblick negativ, mit gutem
Grund. Georgien hat ein sehr hohes
Leistungsbilanzdefizit und das Land
ist auf dessen Finanzierung aus dem
Ausland angewiesen. Allerdings wird
es vermutlich nicht zu einem regelrechten Einbruch kommen. Ich rechne
eher damit, dass sich die Zusammensetzung der Kapitalgeber Kapitalzuflüsse ändern wird. Wenn private
Geldgeber ausfallen, könnten sich zum
Beispiel internationale Organisationen
entscheiden, einzuspringen. Ebenso
könnte der Anteil an kurzfristigen
Krediten steigen, während der Anteil
der Direktinvestitionen voraussichtlich zurückgehen wird.
Designer gesucht im
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Säbelrasseln fürs Geschäft
05
Eine Schamfrist hat der Moskauer Messe-Kalender nicht vorgesehen: Die
Kämpfe in Georgien lagen gerade einmal wenige Tage zurück, als sich russische
und ausländische Rüstungskonzerne Ende August in Moskau auf dem „III. Internationalen Salon für Rüstungs- und Militärtechnik“ (IDELF) präsentierten. 600
Aussteller aus über 15 Ländern stellten Neuentwicklungen vor, darunter Panzer,
Raketenwerfer und Marschflugkörper. Russlands Waffenschmieden verdienen
mit dem Export von Kriegsgerät ins Ausland – vor allem nach China und Indien.
Das Land ist nach den USA und vor Deutschland mit insgesamt 7,5 Milliarden
US-Dollar der zweitgrößte Rüstungsexporteur der Welt.
Kettenfahrzeuge,
gepanzerte
Transporter und mobile Raketenwerfer stehen eng aneinandergereiht
auf dem Messegelände des ExpoZentrums am Ostufer der Moskwa.
Ein Geschützrohr des T-90C Panzers, der in den kommenden 20
Jahren zur Grundausstattung der
russischen Armee gehören soll,
späht über die Köpfe der neugierigen Besucher hinweg zur anderen
Seite des Flusses.
Von André Naumann
Bereits am ersten Ausstellungstag
sind die Hallen voll gefüllt. Im so
genannten „Forum“ präsentierten
große internationale Rüstungsunternehmen ihre Produkte.
Der indische Raketenentwickler
„BrahMos Corporation“ wirbt zum
Beispiel mit einem Marschflugkörper, dem „BrahMos“, eine Gemeinschaftsentwicklung mit dem russischen Raketenhersteller „NPO
Maschinostrojenija“. Das Besondere
Russland rüstet auf und modernisiert seine Waffentechnik: Der Panzer T-90C soll in
wenigen Jahren zur Grundausstattung der russischen Landstreitkräfte gehören.
an diesem Objekt: Es ist ein „Seezielflugkörper“, der Überschallgeschwindigkeit erreicht und sowohl
von Schiffen und U-Booten als auch
von Luftfahrzeugen und von Land
aus gestartet wird.
Der größte russische Waffenexporteur „Rosoboronexport“ ist der
Hauptsponsor des diesjährigen
Salons. Im vergangenen Jahr machte
das staatliche Unternehmen einen
Umsatz von mehr als sechs Milliarden US-Dollar. „Rosoboronexport“
wickelt rund 90 Prozent aller Waffentechnik-Exporte ab und beliefert unter anderem China, Indien,
Venezuela, Ägypten, Vietnam,
Kasachstan und die Ukraine. „Uns
wird immer der Vorwurf gemacht:
Ihr handelt mit dem Tod“, sagt
„Rosoboronexport“-Sprecher Wjatscheslaw Dawidenko und setzt ein
altbekanntes Argument der Branche dagegen: „Wenn sich Russland
aus dem internationalen Rüstungsgeschäft zurückzöge“, rechtfertigt
er sich, „würden eben andere Produzenten Waffen in der Welt verbreiten, zum Beispiel die USA.“
Insgesamt verkaufte die russische
Rüstungsindustrie im vergangenen
Jahr Waffen im Wert von mehr
als sieben Milliarden US-Dollar.
Michail Dmitrijew, Direktor der
Föderationsbehörde für militärtechnische Zusammenarbeit erwartet,
dass es in diesem Jahr bereits 8,5
Milliarden US-Dollar sein werden.
Gefragt seien vor allem Waffen aus
dem Bereich der Luftfahrtechnik
und maritime Waffensysteme. Zum
Beispiel „Almas-Antej“: Der größte
russische Rüstungsproduzent nahm
allein mit dem Verkauf von Raketenwerfern nach China und Indien
knapp drei Milliarden US-Dollar
Fotos: André Naumann
Russland ist nach den USA der zweitgrößte Waffenexporteur der Welt
Ihren Jeep „Tigr“ präsentieren die Hersteller WPK und AMS als russische Version des
amerikanischen Armeefahrzeugs „Humvee“.
ein. Oder „Suchoj“: Der Flugzeugbauer machte im Frühjahr mit dem
Testflug seiner ersten zivilen Passagiermaschine „Superjet-100“ auf
sich aufmerksam, er verdient sein
Geld bisher vor allem mit Kampfjets: Sechs davon sollen bis 2009
nach Indonesien geliefert werden.
Das weltweit bekannteste und am
häufigsten nachgefragte Produkt
aus russischen Waffenschmieden ist
hingegen bereits mehr als 6o Jahre
alt: Die AK-47 – die nach ihrem
Entwickler Kalaschnikow benannt
ist. Auf den Vorwurf, russische
Militärtechnik sei veraltet, erwidert
„Rosoboronexport“-Sprecher Dawidenko: „Russische Waffentechnologie kann 20, 30 oder gar 40 Jahre
alt sein, aber sie bleibt immer noch
funktionstüchtig und jeder Zeit einsatzbereit.“
Dass russische Waffenproduzenten ihre Entwicklungen weni-
ge Tage nach dem Einmarsch russischer Truppen in Georgien präsentierten, war für manchen Besucher
befremdlich. Während Russlands
Nachbar China durch wirtschaftliche Dynamik und gesellschaftliche
Modernität auf der internationalen
Bühne an Einfluss gewinnt, scheint
Russland stärker auf Abschreckung
und militärischer Überlegenheit zu
setzen.
Dennoch ist für Rüstungsexperte Dawidenko Waffentechnik
nicht nur zum Säbelrasseln gut,
er sieht in ihr auch Verbindendes:
„Wir kommen an Kooperation und
Zusammenarbeit gar nicht vorbei“,
meint Dawidenko und verweist auf
das indisch-russische „BrahMos“Projekt: „Wir können uns heute
kaum solche Projekte aus eigener
Anstrengung leisten, deswegen setzen wir auf internationale Partnerschaften.“
Juristenkniffe in Dreipunkt-Schrift
Welche Kosten Auslandskrankenversicherungen für Expats übernehmen, steht oft nur im Kleingedruckten
Wer nach Russland reist, kennt die Prozedur: Neben Passbild und Visumantrag muss der Besucher im Konsulat auch den Nachweis einer Auslandskrankenversicherung vorzeigen. Was für Touristen nur wenige Euro
kostet, wird für Expats mit längerem Aufenthalt schon deutlich teurer.
Die Stiftung Warentest hat Krankenversicherung für das Ausland unter die
Lupe genommen – die Preise liegen zwischen 36 und mehreren Tausend
Euro, je nachdem, wie lange die Reise ist, wohin sie geht und wie alt der
Versicherte ist.
Von Catherine Zanev und Alexander Heinrich
Es ist niemandem zu wünschen, aber
Die Stiftung Warentest hat im Juni
einmal angenommen, man ist längere dieses Jahres 23 AuslandskrankenZeit in Russland unterwegs und wird versicherungen für längere Reisen
krank: Nicht bloß eine simple Erkäl- zwischen 90 Tagen und zwei Jahtung, sondern so krank, dass ein ren unter die Lupe genommen. Die
Besuch beim Arzt oder im Hospital Preise der verschiedenen Anbieter
dringend geboten ist. Was nun?
liegen zwischen 36 Euro und mehNatürlich hat jeder EU-Bürger eine reren Tausend Euro – je nachdem,
Auslandskrankenversicherung abge- wie lang die Reise ist, wohin sie geht
schlossen, bevor er nach Russland und wie alt der Versicherte ist. Fast
gekommen ist. Sonst hätte man ihn die Hälfte der getesteten Versichewahrscheinlich gar nicht erst herein- rungen haben mit „Sehr gut“ abgegelassen. Anders als zwischen den schnitten, keine war schlechter als
Ländern der EU existiert zwischen „Befriedigend“.
Deutschland und Russland kein SoziNur die „Barmenia“ schnitt in allen
alversicherungsabkommen. Und das Punkten mit sehr gut ab, sie gehört
heißt: Die gesetzliche Krankenkasse mit 179 Euro für eine 90-Tagespolice
in Deutschland zahlt keinen Cent, aber schon zur höheren Preisklasse.
der Expat muss für Arztrechnungen, Es geht auch deutlich preiswerter. Die
Medikamente und Krankenhausko- „Hallesche“ berechnet für 90 Tage 33
sten selbst aufkommen. Aus diesem Euro, die „Victoria“ für den gleichen
Grund braucht jeder, der in Deutsch- Zeitraum 36 Euro.
land nicht privat versichert ist, eine
Und bei längeren Aufenthalten im
Auslandskrankenversicherung. Aber Ausland? „R + V“ bietet zum Beiwas genau bietet eine solche Kran- spiel einen Einheitstarif für knapp
kenversicherung? Was macht die 350 Euro im Jahr, unabhängig vom
Police, für die Sie sich entschieden Geburtsdatum – allerdings nur bis
haben, so viel günstiger oder so viel zu einem Höchstalter von 69 Jahren.
teuer als die der Konkurrenz?
Jede dritte Police zieht eine solche
Altersgrenze – eine deutliche Form
von Altersdiskriminierung, meint
die Stiftung Warentest. Doch auch
ohne solche Einschränkungen zahlen ältere Reisende zumeist deutlich
mehr: bei „Hanse-Merkur“, „LVM“,
„Victoria“, „UKV“ und „Axa“ beispielsweise mit Tarifen zwischen
2 000 und 3 000 Euro für die Jahrespolice etwa zwei bis viermal so viel
wie ein 30-Jähriger.
Minuspunkte in der Bewertung
gab es beispielsweise dann, wenn die
Kasse bei medizinischen Behandlungen knausert, den Rücktransport
nur unter bestimmten Bedingungen
übernimmt und bei Vorerkrankungen des Versicherten nicht zahlt.
Wie so oft stecken die Fallstricke
im Kleingedruckten. Wie verhält
es sich zum Beispiel mit der freien
klären, bevor er sich ins Krankenhaus begibt.“
Und wie steht es mit der Bezahlung? Reisende werden im Ausland
in der Regel wie Privatpatienten
behandelt. Und das heißt: Sie werden oft zunächst einmal selbst zur
Kasse gebeten, das Geld müssen sie
sich dann später gegen Belege von
ihrer Versicherung zurückholen.
Isabell Pohlmann: „Auch hier gilt:
Sofern der Versicherte dazu in der
Lage ist, sollte er sich sobald wie
möglich mit seiner Versicherung in
Verbindung setzen. Wenn die rechtzeitig informiert ist, kann meist auch
eine Lösung gefunden werden, zum
Beispiel, wenn die Behandlungskosten das Budget des Versicherten
deutlich übersteigen.“
Trickreich ist auch die folgende
Ältere Reisende müssen deutlich tiefer in die Tasche greifen
- eine klare Diskriminierung, meint die Stiftung Warentest.
Arztwahl? Können sich Expats ohne
weiteres zum Beispiel in Moskau in
die Obhut privater Kliniken wie dem
„European Medical Center“ begeben? „Das hängt vom Anbieter ab“,
sagt Isabell Pohlmann von Finanztest: „Viele Versicherungen zahlen
nicht für private Kliniken, sofern
davon ausgegangen werden kann,
dass ein staatliches Krankenhaus die
gleichen Leistungen bietet. Der Versicherte sollte diese Frage auf jeden
Fall mit seiner Krankenversicherung
Formulierung: „Der Rücktransport
erfolgt nur dann, wenn er aus medizinischen Gründen erforderlich ist.“
Enthält die Police eine solche Klausel, dann heißt das nichts anderes,
als dass sich der Kranke wenig Hoffnungen darauf machen kann, möglichst schnell nach Deutschland zum
Arzt oder zum Krankenhaus seines
Vertrauens transportiert zu werden.
Solange die Versicherung der Meinung ist, dass der Kranke im Ausland
medizinisch ausreichend gut ver-
sorgt wird, muss sie den Transport
nicht übernehmen – so zum Beispiel
die Victoria. Anders sieht es aus,
wenn im Vertrag steht: „Der Rücktransport muss sinnvoll oder vertretbar sein.“ Dann übernimmt die Versicherung in der Regel die Kosten,
wenn der Patient es wünscht.
Und was ist mit jenen Expats,
die in Russland Wurzeln schlagen? Sollen sie nicht lieber gleich
die Krankenkasse in Deutschland
verlassen, wenn diese ohnehin in
Russland nicht zahlt? Wer sich mit
dem Gedanken trägt, eines Tages
zurückzukehren, sollte weiterhin in
seiner gesetzlichen Kasse als freiwillig Versicherter in Deutschland
bleiben – wer austritt, hat wenig
Chancen, je wieder hineinzukommen. Einige gesetzliche Krankenkassen bieten die so genannte Anwartschaft, eine Art ruhende Mitgliedschaft, die deutlich preiswerter als
eine freiwillige Versicherung ist. In
Internetforen berichten Betroffene
allerdings auch bei diesem Modell
von Schwierigkeiten bei der Rückkehr nach Deutschland. In jedem
Fall sollte sich der Versicherte vor
seinem Umzug nach Russland mit
seiner Gesetzlichen Krankenkasse in
Verbindung setzen und sich von ihr
erklären lassen, wie es bei der Rückkehr weitergeht – und zwar Schwarz
auf Weiß.
Die Testergebnisse finden sich
kostenpflichtig unter www.test.de
06
son d erthe m a : R U S S L A N DD E U T S C H E
M o s k a u e r D e u t s c h e Z e i t u n g N r. 1 6 ( 2 3 9 ) A u g u s t 2 0 0 8
Identitätswahrung durch Partnerschaften
Der Beauftragte für Aussiedlerfragen, Christoph Bergner, sieht für die deutsche Minderheit in Russland gute Chancen
Herr Bergner, was erwarten Sie von
der bevorstehenden Zusammenkunft
am 3. bis 4. September in Berlin?
Die Konferenz ist notwendig,
weil es wichtig ist, die enormen
Entwicklungen, die sich in zwanzig Jahren Aussiedlerpolitik sowohl
bei der Aufnahme der Aussiedler
als auch bei der Förderung der
deutschen Minderheiten vollzogen
haben, bewusst zu machen, zu analysieren und zu dokumentieren. Der
zweite Grund besteht darin, dass
diese Politik auch eine angemessene Fortsetzung finden soll. Insbesondere die Hilfenpolitik zugunsten der deutschen Minderheiten.
Dazu müssen wir über die Grundlagen dieser Politik offen diskutieren und gründlich nachdenken. Ihr
Ursprung war die Kriegsfolgenbewältigung, deren Bedeutung mit
jedem Jahr, das nach dem Ende
des Zweiten Weltkriegs vergeht,
abnimmt. Das Anliegen aber, aus
dem Zweiten Weltkrieg Lehren zu
ziehen und Partnerschaften und
friedensstiftenden Strukturen aufzubauen – das bleibt auch für die
Zukunft aktuell. Deutsche Minderheiten und Minderheitenpolitik
können zu einem Bestandteil solcher friedensstiftenden Strukturen
werden. Ich hoffe, die Fachtagung
hilft uns, zukünftige Förderziele zu
definieren.
Sind weitere Akzentverschiebungen
in der Hilfenpolitik bereits vorgesehen?
Ich hoffe, dass wir im Ergebnis
der Fachkonferenz Spielräume für
die Zukunft gewinnen, die uns
ermöglichen, eigenständig, auf ganz
spezifische Weise und gemeinsam
mit den Titularnationen mitzuhelfen, die kulturelle Identität und die
sprachliche Kompetenz der Deutschen zu stärken. Ich glaube, wir
werden im Bereich der materiellen
Hilfen weniger Handlungsnotwendigkeit haben. Es bleiben humanitäre Aufgaben, die wir noch erledigen müssen und denen wir uns stellen wollen, aber ein ganz wichtiges
Anliegen wird in der Zukunft die
Förderung der kulturellen Identität sein. Mein eigentlicher Wunsch
ist, dass die Förderung, die das
Bundesinnenministerium für die
Nordschleswiger in Dänemark gibt,
eine Art Vorbildfunktion für die
Förderung der deutschen Minderheiten in den Nachfolgestaaten der
Sowjetunion und in den MOELändern hat.
Welche Minderheit ist Ihrer Meinung
nach am besten aufgestellt?
Das ist eine schwierige Frage. Wie
gesagt, sähe ich am liebsten eine
solche Förderung wie für die deutsche Minderheit in Dänemark. Sie
hat am längsten und schon vor 1989
eine umfassende Förderung bekommen. Sie bezieht sich auf die Pflege
der muttersprachlichen Identität
über Kindergarten und Schule.
Wie lange wird die deutsche
Unterstützung zugunsten der deutschen Minderheit in Russland noch
gewährt?
Mein Bestreben ist es, dass wir
immer im Einvernehmen mit den
Titularnationen hier eine kulturelle Aufgabe sehen, die nicht zeit-
Foto: Olga Silantjewa
Anfang September findet in der Berliner Akademie der Konrad-Adenauer
Stiftung die Fachtagung „Zwei Jahrzehnte Politik für Aussiedler und natio­
nale Minderheiten – Bilanz und Perspektive“ statt, zu der Bundeskanzlerin
Angela Merkel und Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble über 200
Teilnehmer begrüßen werden. Politiker, Wissenschaftler, Jugendliche und
Vertreter der Minderheitenverbände werden in den Plenarsitzungen und
Arbeitskreisen die Ergebnisse der bisherigen Aussiedler- und Minderheitenpolitik bilanzieren und nach neuen Bezugspunkten fragen. MDZRedakteurin Olga Silantjewa sprach im Vorfeld der Konferenz mit ihrem
Veranstalter – dem Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen
und nationale Minderheiten Christoph Bergner.
„Ihr seid Deutsche!“, rief
Christoph Bergner den
Teilnehmern des Bundestreffens
der Russlanddeutschen in
Wiesbaden zu.
lich befristet ist. Anzustreben ist,
innerhalb der EU aus dem Ganzen
ein Projekt der kulturellen Kommunikation im vereinigten Europa zu machen und mit Blick auf
die GUS-Staaten ein Projekt zivilgesellschaftlicher Partnerschaften
zwischen den Ländern. Und wenn
das gelingt, dann reden wir nicht
über Befristung, sondern über eine
Aufgabe, die sich in der Zukunft
fortsetzt, ohne dass es eine äußere
Begrenzung gibt.
Wird sie dann noch notwendig sein?
Ein junger Deutscher aus der Slowakei hat in einem vor kurzem
durchgeführten Aufsatzwettbewerb
zu Fragen der Bewahrung der kulturellen Identität geschrieben, dass
die deutsche Minderheit in seinem
Land, wo einst 150 000 Deutsche
lebten, vor dem kompletten Aussterben steht.
Wenn es keine deutschen Minderheiten gibt, gibt es auch keine
Hilfenpolitik, das ist völlig klar. Der
Schlüssel liegt darin, dass es Menschen gibt, die von ihrer Herkunft
her, aber auch von ihrem allgemeinen
Interesse her wollen, dass in den klassischen Siedlungsgebieten deutscher
Minderheiten und deutscher Volksgruppen auch weiterhin diese kulturelle Besonderheit erhalten bleibt.
Tschechien, Slowenien, Kroatien – es
gibt Länder, in denen die deutschen
Minderheiten zahlenmäßig so klein
sind, dass man damit rechnen muss,
dass sie assimiliert werden, dass sie
verschwinden. Das ist ein Prozess,
der von Deutschland aus nicht zu
steuern ist. Uns geht es darum, dass
diejenigen, die ihre Eigenständigkeit
und die kulturelle Identität ihrer
Volksgruppe in ihrem Land behalten
wollen, einen Partner finden. Partner
bedeutet nicht, dass Deutschland
alles finanziert. Aber dass wir die
Gelegenheit haben, über Hilfen mitzugestalten und mitzuhelfen – das ist
das wesentliche Ziel.
Wie sehen Sie die Zukunft der deutschen Minderheit in Russland?
Für mich ist neben der Frage der
Jugendarbeit einer der Schlüssel
der Fortexistenz der deutschen
Minderheit in Russland, dass
Instrumente gefunden werden, in
der Diasporasituation, in der Ruslanddeutsche heute leben, kulturelle Identität zu bewahren. Dabei
spielt das System der Begegnungs-
zentren eine ganz wichtige Rolle.
Aber es wäre aus meiner Sicht
eine Illusion, davon auszugehen,
dass wir uns auf ein bestimmtes
Siedlungsgebiet beziehen oder auf
eine ganz bestimmte Region. Wir
müssen davon ausgehen, dass wir
eine Diasporasituation haben, so
wie es auch bei anderen Volksgruppen in Russland der Fall ist,
zum Beispiel bei den Armeniern.
Der Wille, in der Diaspora kulturelle Identität zu bewahren, stößt
auf besondere Schwierigkeiten. An
dieser Frage wird es sich entscheiden, ob die deutsche Minderheit
in Russland eine Zukunft hat. Ich
denke, die Voraussetzungen sind
gut, weil der russische Staat sich
dafür engagiert. Er hat ein erkennbares Interesse daran, dass es eine
deutsche Minderheit gibt. Und sie
werden auch dadurch besser, dass
wir Partnerschaften zu den Russlanddeutschen, die als Aussiedler
in Deutschland sind, begründen
und dass daher eine lebendige kulturelle Beziehung zur historischen
Heimat besteht. Ich denke, dass
das für die Bewahrung der kulturellen Identität sehr wichtig ist.
Wer sind wir?
Ein Heft voller Zuversicht, Hoffnungen und
Wünsche, beseelt von den Träumen einer jungen
Generation Deutscher aus zehn Ländern Osteuropas, der ehemaligen Sowjetunion und Dänemark. Ein Heft, das junge Menschen zusammenführt, die unterschiedlicher nicht sein können
und doch eine innige Gemeinsamkeit miteinander teilen: eine Identität, die gefunden und
geformt werden will, eine, die sich mit Kultur,
Geschichte und vor allem Sprache gestalten
lässt, die unabhängig und frei sein kann.
Die Sonderausgabe der MDZ „Herausforderung
und Auftrag für die junge Generation“ lebt
von dieser Sprache. Das 24-seitige Heft vereint
zahlreiche Stimmen aus einem Gebiet, das sich
über Tausende Quadratkilometer erstreckt - von
der Ostsee bis zum Schwarzen Meer, von Kopenhagen bis Kirgisien.
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son d erthe m a : R U S S L A N DD E U T S C H E
Aufgabe ersten Ranges
07
Im September 1988 beschloss das Bundeskabinett, einen Aussiedlerbeauftragten einzusetzen. In den 20 darauf folgenden Jahren kamen aus den
Ländern der ehemaligen Sowjetunion über 2,5 Millionen Deutsche nach
Deutschland. Die Mehrheit von ihnen hat sich erfolgreich in die deutsche
Gesellschaft integriert. Seitdem wurden aber auch die in ihren Herkunftsgebieten verbliebenen Deutschen mit knapp einer Milliarde Euro unterstützt.
Die Ergebnisse der zwei Jahrzehnte Politik für Aussiedler und Minderheiten
sollen nun die Teilnehmer der Fachtagung am 3. und 4. September in Berlin
bilanzieren und über ihrer Fortsetzung nachdenken.
Damals, vor 20 Jahren, fing alles
großartig und beeindruckend an.
Der Eiserne Vorgang fiel. Die
Wende ermöglichte Millionen
Deutschen, die seit Jahrhunderten,
zum Teil auch seit dem Mittelalter,
in den mittel- und osteuropäischen
Ländern lebten, in die historische
wohlhabende Heimat auszureisen.
Weit weg von den aus den Jahren
der Deportation und Vertreibung
gebliebenen Ängsten. Weit weg von
den sozialen und wirtschaftlichen
Krisen, die der Zusammenbruch
des Ostblocks auslöste.
In den Jahren 1991–1995 siedelten jährlich über 200 000 Menschen
in die Bundesrepublik um. Die
Schaffung würdiger Bedingungen
in den Erstaufnahmeeinrichtungen
für Tausende von Aussiedlern
wurde für die Bundesrepublik
Deutschland zu einer Aufgabe allerersten Ranges. Mehr als zwei Millionen neuer Bundesbürger benötigten dringend Wohnraum: Die
Lösung des Wohnproblems wurde
zu einer der wichtigsten Aufgaben
von Horst Waffenschmidt (CDU),
dem ersten Bundesbeauftragten für
Aussiedlerfragen. Aber den Aussiedlern eine Unterkunft zu sichern,
war nicht genug. Voraussetzung für
eine erfolgreiche Integration war
das Beherrschen der deutschen
Sprache: Aus diesem Grund setzten
Bund und Länder Milliarden Mark
für Sprachkurse frei.
Von Olga Silantjewa
Aber die Russlanddeutschen wurden nicht nur in ihrer Heimat aufgenommen und integriert, sondern
auch in den Herkunftsgebieten
unterstützt. Über Hundert Millionen Mark wurden in den Wohnbau
und in die Infrastruktur investiert.
Ins Gedächtnis prägte sich ein, wie
Horst Waffenschmidt mit den großen Bundeswehrmaschinen, begleitet von deutschen Politikern und
Journalisten, nach Sibirien einflog,
um ihnen zu zeigen, wohin die
Steuergelder der Deutschen fließen.
Die Bundesrepublik wolle den Bleibewillen mit ihrer Hilfe stärken,
hieß es damals.
Vieles war grandios. Die Summen,
die für die Integrations- und Aussiedlerpolitik ausgegeben wurden.
Die Anzahl der Deutschen, die noch
auf gepackten Koffern saßen. Selbst
die Person des Aussiedlerbeauftragten, der einen direkten Zugang zu
Helmut Kohl, aber auch zu Boris
Jelzin hatte, wenn es darum ging,
die Probleme der Russlanddeutschen zu lösen. Dem charismatischen Politiker will man nun ein
Denkmal im Deutschen Nationalrayon Asowo in Westsibirien errichten – im Rayon, der vor allem dank
der Politik Waffenschmidts jetzt ein
Zuhause für die Russlanddeutschen
bietet. Waffenschmidt war „eine
Kraft, die wollte, dass wir uns von
den Knien erheben“, sagt Bruno Reiter, Landrat des Rayons Asowo.
Dass es nicht mit diesem Schwung
weitergehen konnte, deutete sich
an, als nach der Bundestagswahl
1998 die SPD in das Bundesinnenministerium einzog und Jochen
Welt (SPD) zum neuen Aussiedlerbeauftragten ernannt wurde. Seitdem hieß es, dass große Wirtschafts- und Infrastrukturprojekte
von der Vorgängerregierung „zu
teuer, zu wenig effizient und weder
im gewünschten Maße zu steuern
noch effektiv zu kontrollieren
waren. Die erhofften Erfolge sind
nur begrenzt eingetreten und
kamen nur wenigen Menschen
zugute. Der Bleibewille der Russlanddeutschen konnte somit nicht
entscheidend gefördert werden“,
sagte Jochen Welt 2003 im Rahmen
der Nordrhein-Westfälischen Migrationsgespräche in Dortmund. Die
Unterstützung sollte nun als Hilfe
zur Selbsthilfe erfolgen und nicht
als „ständige Spritzen wie im Krankenhaus, weil diese süchtig machen.
Man gewöhnt sich daran.“
Unter Welt kam es nicht nur zu
Akzentverschiebungen in der Aussiedler- und Integrationspolitik,
sondern auch zu starken Finanzkürzungen. Gleichzeitig wurde sein
Aufgabenfeld erweitert: Dem Aussiedlerbeauftragten wurde die
Betreuung der vier autochthonen
Minderheiten - der Friesen, Dänen,
Sorben und Sinti und Roma - in
Deutschland übertragen. Mit dieser
Zuständigkeitserweiterung rückte
die Aussiedlerpolitik in den Kontext allgemeiner Fragen der Minderheitenpolitik. Ein weiterer
Schritt zur Vermischung dieses
Aufgabenfeldes mit ähnlichen Projekten wurde unter dem nächsten
Aussiedlerbeauftragten, Hans-Peter
Kemper (SPD), unternommen, als
mit dem Zuwanderungsgesetz am
1. Januar 2005 Ausländer- und Aus-
Horst Waffenschmidt (links), Wjatscheslaw Michajlow und Wladimir Jakowlew bei
der Grundsteinlegung des Dorfes Neudorf-Strelna bei St. Petersburg (1996).
siedlerintegration zusammengefasst
wurde. Seitdem lernen die russlanddeutschen Spätaussiedler ihre
Muttersprache in den Sprachkursen zusammen mit Afrikanern und
Asiaten.
Allerdings nimmt die Zahl der in
die historische Heimat ausreisenden Deutschen ständig ab. Waren
es 1994–1995 noch je 200 000 aus
Russland und Kasachstan, sind es
heute kaum 3 000. Die veränderte
soziale und wirtschaftliche Situation verlangt die Verschiebung der
Akzente in der Aussiedlerpolitik:
Der heutige Aussiedler- und Minderheitenbeauftragte Christoph
Bergner (CDU) spricht seit seinem
Amtsantritt 2006 über verstärkte
Identitätsförderung, die kulturelle
Avantgarde der deutschen Minderheit und Brückenfunktion zwischen
den Aussiedlern in Deutschland
und den Deutschen in den Her-
kunftsgebieten. Auch die Grundlage der Hilfenpolitik als Teil der
Politik der Kriegsfolgenbewältigung
soll überarbeitet werden. „Meine
Ära ist vielleicht von der Suche
geprägt, das Anliegen in einen größeren Zusammenhang zu stellen,
nicht mehr allein die Ursprünge der
Kriegsfolgenbewältigung zu sehen,
sondern das Anliegen so zu behandeln, dass wir von Deutschland aus
erkennbar mitverantwortlich für
die Erhaltung der kulturellen Identität der deutschen Minderheiten
sind.“ Die Fachtagung Anfang September in Berlin soll das Arbeitsmaterial für die Suche nach neuen
Konzepten liefern, damit sie für die
deutsche Bundesregierung wieder
wichtiger erscheinen. Außerdem
sollen sie den Deutschen den nötigen Mut geben, sich der kulturellen
Assimilierung in ihren Herkunftsgebieten zu widersetzen.
ANZEIGEN
Ausschreibung für Journalisten
In Erinnerung an Peter Boenisch, einen der bedeutendsten Nestoren der Publizistik in der Bundesrepublik Deutschland und Gründungsvorsitzenden des
Petersburger Dialogs, schreibt der Petersburger Dialog den Peter-BoenischGedächtnispreis 2008 aus. Er wird verliehen an junge russische und deutsche
Journalisten für Arbeiten, die sich mit Aspekten der deutsch-russischen Beziehungen befassen und die Einsicht in Lebensart und Probleme der beiden Völker
fördern.
Die Besonderheit der diesjährigen Ausschreibung besteht darin, dass die Preise
an Teilnehmer aus beiden Ländern vergeben werden, d.h. pro Preis gibt es jeweils
einen russischen und einen deutschen Gewinner.
Zugelassen sind alle Arbeiten in deutscher und russischer Sprache für Printund Onlinemedien, für Hörfunk sowie Fernsehen. Die Beiträge müssen das Datum und das Medium, in dem der Beitrag veröffentlicht wurde, enthalten. Alle
Be­werber sollten zudem ihren Lebenslauf einreichen. Die Beiträge werden von
einer unabhängigen Jury ausgewertet, der russische wie auch deutsche Journalisten angehören.
Einsendeschluss für die Ausschreibung 2008 ist der 10. September 2008 (Datum
des Poststempels). Zum Zeitpunkt des Bewerbungsschlusses darf der Teilnehmer
das 35. Lebensjahr nicht vollendet haben.
Foto: IVDK
20 Jahre Aussiedler- und Integrationspolitik auf dem Prüfstein
Der letztjährige Preiträger Benjamin
Bidder (25) und Lothar de Maiziere
bei der Preisverleihung 2007.
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Einsendungen (per Post oder per E-Mail) sind zu richten an die unten stehende
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«Конкурс им. П. Бениша»
197022, С-Петербург,
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2. 125 009, Москва, ул. Моховая, д. 9,
Факультет журналистики, ауд. 235,
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Fax: +7 (495) 629 5224
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„Wenn ich die Augen schließe, bin ich in Deutschland“
Die kurze Deutschlandreise der Erna Korbmacher - die historische Heimat wurde ihr kein Zuhause
Erna Korbmacher in ihrer Küche in Asowo.
Fremden auf den Dachböden. „Eine
schlimme Zeit war das, eine schlimme“, sagt Erna Korbmacher. Das
muss reichen – sie will sich nicht
weiter erinnern. Das Russische war
den Geschwistern damals fast noch
fremd, das Kasachische erst recht.
Und Deutsch war verboten. Trotzdem auch Gutes: „Ich saß gern mit
meiner Schwester auf der Bank vor
dem Haus, und wir haben uns auf
Deutsch unterhalten und überlegt,
was wir schon alles vergessen haben“,
sagt Erna Karlowna. „Wenn es uns
wieder einfiel, mussten wir lachen.“
Später bekam sie selbst Kinder.
Deutsch wollte sie mit ihnen reden.
In der Schule wurden die Wolgadeutschen deswegen gehänselt.
Ihr Ältester, Wladimir, beschwerte
sich: „Mama, warum sprichst du
Deutsch mit uns. Sie nennen uns
Faschisten – lass das.“ Also ließ sie
es. Heute sagt ihr Junge: „Mutter,
warum hast du nie Deutsch mit uns
geredet.“ Mittlerweile könnten sie
die Sprache gut gebrauchen, wissen aber nur „bitte“ und „danke“,
„guten Tag“ und „auf Wiedersehen“
zu sagen. Nimmt man es genau, so
ist die alte Frau wieder zurück nach
Russland gereist, weil außer ihr
in der Familie niemand Deutsch
spricht.
Es ging ihr nicht schlecht dort unten
in Bayern. Sie hatte eine kleine Wohnung für sich. Sie lächelt und zählt
auf: „Fließendes, warmes Wasser
aus der Leitung. Die Sonne scheint
oft, es ist dort nicht so kalt wie hier.“
Bequem und gemütlich. Und trotzdem wurde sie krank. Zuerst war es
nur das Heimweh. Sie konnte nicht
aufhören sich zu grämen, vermisste
ihre Kinder. Dann ließ die Sehkraft
auf dem linken Auge nach. Ein Nerv
war gereizt. Später wurde noch eine
Gallenoperation erforderlich. Erna
Korbmacher verfiel immer mehr.
Eines Tages sagte die Hausmeisterin zu ihrer Mieterin: „Wenn du
nicht vorzeitig an Heimweh sterben
willst, dann fahr doch zurück nach
Hause.“
Und sterben wollte Erna Karlowna noch lange nicht. Nach sieben
Monaten setzte sie sich wieder ins
Flugzeug nach Omsk. Ihre Kinder
holten sie ab. Sie wohnt wieder
dort, wo sie mit ihrer Tochter und
zwei Söhnen schon zehn Jahre lang
gelebt hat: im kleinen blauen Häuschen an der Komsomolskaja. Gänse
marschieren vor dem Tor entlang.
Im Hof liegen Holzscheite gestapelt. Der Herbst hat sich bereits
angekündigt. In den Blumenkübeln
wachsen keine Blumen mehr. In der
Diele köchelt das warme Wasser auf
dem Herd. „Ich habe versucht, dort
zu leben, aber es ist einfach nicht
meine Heimat“, sagt die alte Dame,
so als wolle sie sich entschuldigen.
„Aber wenn ich abends im Bett
liege und die Augen schließe, dann
bin ich in Deutschland.“
Z!
Erna Karlowna Korbmacher ist
aufgeregt. „Ach, ein Foto“, sagt sie
und wird rot. „Da muss ich mir
doch etwas Hübsches anziehen.“ Mit
flinken Schritten trippelt die alte
Dame durch das Wohnzimmer. Ein
breites, niedriges Zimmer. Samtene
Sofas nebeneinander, bunt bemustert, Kissen, Decken darauf gestapelt – wer sich da hinein setzt, versinkt wahrscheinlich tief im bunten
Plüschmeer. Ein großer Fernseher
in massiver Anbauwand. Dahinter,
winzig, ein weiß-blaues Zimmerchen. Ein Bett, steife, weiße Kissen
mit tiefem Knick in der Mitte, die
Bettdecke ordentlich glatt gezogen.
Gegenüber ein Schrank.
Davor nun steht Erna Karlowna
und zieht sich hastig um. Raus aus
der Kittelschürze. Das Kopftuch
abgestreift. Die gute rote Bluse
unter das schwarze Kleid gezogen.
Mit den Händen noch einmal die
Haare zurechtgestreift, den Zopf
geradegerückt. Frau Korbmacher
strahlt.
Als junge Frau muss sie einmal
sehr hübsch gewesen sein: Die
Rundungen am richtigen Fleck,
dichtes, dunkelblondes Haar, blaue
Augen und ein spitzbübisches
Lächeln. Wenn Erna Karlowna
lächelt, glitzern silberne Zähne im
Mund. Wenn sie spricht, klingt es
wie eine Mischung aus Bayerisch
und Jiddisch. „Verstehen Sie mich
überhaupt“, fragt sie. Natürlich.
„In Deutschland war das eine ganz
andere Sprache, die die da gesprochen haben“, erklärt sie.
Vor drei Jahren hatte sie versucht,
sich ihren Lebenstraum zu erfüllen: nach Deutschland reisen. Vielleicht dort bleiben und sterben. Da
war sie 77 Jahre alt. Geblieben ist
Von Christina Wittich
sie nur sieben Monate. Heute sitzt
sie wieder an ihrem Küchentisch
in Asowo, unweit der sibirischen
Metropole Omsk. „Deutschland
war nicht meine Heimat“, sagt sie
und knautscht ein Taschentuch in
ihren Händen. „Ich habe es versucht. Aber ohne meine Familie
konnte ich nicht sein.“
Ganz klein und schon nicht mehr
so gut zu Fuß stand sie damals am
Omsker Flughafen. Ihr Flug war
kein Direktflug, in Moskau stieg sie
um. Die großen Koffer gepackt mit
dem Nötigsten, was man in der vielleicht neuen Heimat so gebrauchen
könnte: Warme Sachen, die schöne
rote Bluse, die Kittelschürze, der
lange Rock, Bilder von der Familie.
„Wir kommen nach“, haben die Kinder gesagt. Erna Karlowna wollte in
Bayern auf sie warten. Dort, in der
Nähe von München, blieb sie dann
trotzdem allein. Die drei Söhne und
ihre Tochter durften nicht einreisen. Sie sprechen kein Deutsch.
Konnten, durften, wollten es nicht
lernen.
Mutter Korbmacher beherrscht
noch, was sie in ihrer Kindheit
gelernt hat. Bis zur fünften Klasse
lebte sie mit ihren vier Geschwistern im deutschen Siedlungsgebiet bei Saratow an der Wolga. Der
Unterricht war auf Deutsch. Ihre
Mutter sprach Deutsch mit den
Kindern, die Kinder untereinander
unterhielten sich nur in der Sprache ihrer Vorväter. Nicht in der des
Landes, in dem sie lebten. Dann
brach der Krieg aus, und Familie
Korbmacher wurde nach Kasachstan umgesiedelt. 1937 war der
Vater bereits gestorben.
Die Mutter überlebte den Krieg
nicht. Die Kinder wohnten bei
Foto: Christina Wittich
„Es gibt nur zwei Unglücke: Wenn sich ein Traum nicht erfüllt und wenn er
sich erfüllt.“ Dieses Bonmot von Oscar Wilde wurde für die heute 80-jährige Erna Korbmacher wahr. Endlich hatte sich ihr Lebenstraum erfüllt:
nach Deutschland auszusiedeln. Ihre Kinder würden bald folgen. Dann kam
alles ganz anders. Wenige Monate später kehrte sie wieder zurück nach
Sibirien. Nicht etwa, weil sie es ihr nicht gefallen hatte in Deutschland.
Erna Korbmacher wollte einfach nicht vor der Zeit an Heimweh sterben.
Heute sagt sie: „Ich habe versucht, dort zu leben, aber es ist einfach nicht
meine Heimat.“
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Н Е З А В И С И М А Я ГА З Е Т А О П О Л И Т И К Е , Э К О Н О М И К Е И К У Л Ь Т У Р Е • О С Н О В А Н А В 1 8 7 0 Г О Д У
О т
Фото участников молодежного обмена «Томск–Галле».
Голос
меньшинств
р е д а к ц и и
К
ажется, что события, связанные с грузино-осетинским
конфликтом и повлекшие
напряжение германо-россий­ских
отношений, затмили собой другие
информационные поводы. Ни набирающее обороты падение конъюнктуры в Германии, ни пессимизм
немецких промышленников, констатирующих отсутствие на будущее
заказов, большая часть которых
сегодня поступает из России, Китая,
Индии и Бразилии, не вызывают
такого беспокойства как ежедневно, словно с поля дипломатической
битвы поступающая информация
о шагах России и Запада в противоположные стороны.
Возможно, также потонет в
общем потоке информации
и важное для немцев Европы
событие, которое состоится на
следующей неделе в Берлине:
3–4 сентября в Академии фонда
им. Конрада Аденауэра пройдет
конференция, официально приуроченная к 20-летию введения
должности уполномоченного
федерального правительства
по делам переселенцев и начала политики помощи немецким
меньшинствам Центральной и
Восточной Европы и стран бывшего Советского Союза. Она
уже тем важна для российских
немцев и их соотечественников, что определит пути развития немецкого меньшинства на
будущее.
«Представьте себе, что природа
стала бы одноцветной, – написала в сочинении самая молодая
участница конференции Вероника
Ковзель из Казахстана. – Представить-то можно, но вот как-то
тускло получится, однообразно.
Так и народы, населяющие нашу
планету – у каждого своя культура,
язык, свое богатство. И все вместе
делают они наш мир красочнее».
Более двухсот участ­ников конференции – политики, ученые, молодежь, представители общественных организации более 10 стран
Европы и Центральной Азии –
могут ответить для себя на вопрос,
нужно ли сохранять национальную
идентичность, традиции и обычаи
национальных меньшинств, как
дать народам право на самоопределение, как обеспечить их мирное сосущест­вование с другими
народами, исключающее образование новых грузино-осетинских
конфликтов. Найдя ответы, они
могут предложить их Германии,
многонациональной России, другим странам. Голос одного меньшинства может быть услышан и
понят другими.
В ПУТЬ ЗА
ЗНАНИЯМИ
Немцы Томска и молодежь Галле подписали соглашение о партнерстве. Подробнее – на стр. V.
Кризис-менеджмент
В повестке дня предыдущих встреч федерального канцлера Ангелы
Меркель с российским президентом традиционно стоял вопрос
ущемления прав человека. С повесткой дня нынешней встречи
долго не могли определиться. Дней за десять до нее министр иностранных дел Франк-Вальтер Штаймайер предположил, что речь пойдет о модернизации России и возможном участии в этом процессе
Германии. За неделю до запланированной на 15 августа встречи
Медведева и Меркель в Сочи события в Южной Осетии дали тему
для беседы: снова ущемление прав, только на сей раз Грузии. Ее
прав на сохранение территориальной целостности.
Итоги своей полуторачасовой
беседы лидеры двух государств
подвели на пресс-конференции.
«Некоторые акции российских
военных были чрезмерными,
особенно, вторжение российских подразделений на территорию Грузии, – заявила Ангела
Меркель. – В остальном, я уверена, что в таком очень сложном конфликте редко бывают
случаи, когда вину несет кто-то
один». Реагируя на слова Дмитрия Медведева о «гуманитарной
катастрофе», «жестокой грузинской агрессии» и «геноциде», Меркель отметила, что она
приехала в Сочи не выяснять,
кто виноват: «Сейчас не время
искать точные причины и анализировать развитие ситуации,
II
Ангела Меркель начала
образовательное путешествие
по Германии
Ольга Силантьева
сейчас нам нужно идти вперед».
Канцлер потребовала срочно
приступить к реализации плана
«шести пунктов», инициированного ее французским коллегой
Николя Саркози, председательствующим в этом полугодии в
Евросоюзе. План был подписан
несколькими днями раньше, но
российские войска к 15 августа еще передвигались по Грузии. «По Центральной Грузии»,
– уточняет сама Меркель, как
будто внося этим термином
ясность в свои слова: она подразумевает под территорией, которую российским войскам следует покинуть, Грузию без Абхазии
и Южной Осетии.
Сравнение нынешней ситуации с февральской ситуацией в
ЕВРОПЕЙСКИЙ
РАЗНОБОЙ
III
Немецкая пресса о событиях
в Южной Осетии
Косово, когда Запад поддержал
часть Сербии в ее стремлении
к независимости, для Меркель
не является очевидным. Тогда
якобы были соблюдены резолюции ООН. На несоблюдении
резолюции № 1244 Совбеза
ООН, принятой в 1999 году
и гарантирующей территориальную целостность Сербии,
канцлер заострять внимание
не стала. Она перешла сразу к
своему сравнению: если сейчас, как уверяет господин президент, Россия прислушается к
голосу народов, проживающих
в Абхазии и Южной Осетии, то
почему никто не спросил когда-то чеченцев, хотят ли они
быть независимыми. «Если
каждая нация, желающая стать
независимой, получила бы на
это право, то мир выглядел бы
совсем иначе. России ведь эта
проблема знакома», – сказала
Меркель на пресс-конференции в Сочи 15 августа.
За ней последуют еще прессконференции в Тбилиси, Стокгольме, Таллине, Вильнюсе.
Канцлер совершает одну зарубежную поездку за другой. Она
пытается что-то делать, чтобы
САМЫЙ
ЗАПАДНЫЙ
Чем живет и как выживает
Немецко-русский дом
Калининграда
V
Они не забыты
28 августа в сотнях центров
немецкой культуры в России и
других странах бывшего Советского Союза пройдет День
скорби и памяти. О трагических по­следствиях, вызванных
декретом Президиума Верховного Совета от 28 августа
1941 года, будут вспоминать и
в Германии. 30 августа перед
Рейхстагом пройдет траурная
церемония памяти павших в
годы депортации и трудармии, в которой примут участие
представители Землячества
немцев из России, федерального объединения «Родина»,
других общественных организаций российских немцев.
На церемонии будет принята
резолюция «Они не забыты», в
которой заявляется, что немцы
из России «не понимают, как
спустя 63 года после окончания Второй мировой войны
ни в одной стране бывшего
Советского Союза не состоялось фактической реабилитации немцев из России, которые
до сих пор живут с обвинениями, выдвинутыми против них
в декрете от 28 августа 1941
года».
выйти из «самого серьезного
внешнеполитического кризиса
за годы ее пребывания в должности канцлера», как характеризует еженедельник «Шпигель» то состояние, в котором
пребывает сейчас Меркель,
уделяющая очень много внимания внешней политике. Даже
слишком много, по мнению
самих немцев.
Но эксперты говорят не только о кризисе федерального
канцлера. Очередной кризис
наблюдается и во внешней
политике Евросоюза. Грузиноосетинский конфликт разделил страны ЕС на два лагеря.
В стан критиков России и приверженцев ее изоляции входят
некоторые восточно-европейские соседи, переживающие,
скорее, за себя, чем за Грузию,
Швеция и Великобритания.
Немцы, французы, итальянцы
и другие выступают, напротив, за продолжение диалога
с Россией. На заседании кабинета министров за три дня до
поездки в Сочи Меркель сказала, что ЕС такую двойственность позволить себе сегодня
не может.
РЕГИОНЫ
ГЕРМАНИИ
VII
Кёльн: собор, карнавал,
одеколон и не только…
II
Г е р ма н и я
К О Р ОТ К О
Л ЕН Т А
Н О В О С Т Е Й
Бэтмены
помогут
Летучие мыши приостановили строительство моста через
Эльбу в Дрездене, которое должно было начаться 13 августа.
Существующий пока только на
чертежах мост стал уже печально известным: в том случае, если
проект все же будет претворен
в жизнь, столица Саксонии, вернее, приходящаяся на нее долина реки Эльбы, лишится статуса
«объект всемирного культурного
наследия» и будет вычеркнут из
списка ЮНЕСКО. На референдуме, проведенном три года назад,
жители города высказались в
пользу строительства моста,
который улучшит связь новых
промышленных районов с другими частями города, поэтому,
несмотря на протесты организации ООН по вопросам образования, науки и культуры, было
решено учесть волеизъявление
народа. До этого суды различных инстанций также выносили
решение в пользу строительства.
Однако сейчас административный суд Дрездена прислушался к поданному недавно иску
экологов, забивших тревогу:
строительство нового моста
может отразиться на популяции
редкого вида летучих мышей
– малого подковоноса. Власти
города собираются оспаривать
судебное решение.
Дорогая вода
Предприятия Германии платят
за потребление водопроводной воды гораздо больше, чем
фирмы в других странах, сообщает «Немецкая волна» со ссылкой
на компанию NUS Consulting.
Тогда как во Франции стоимость
одного кубического метра воды
для компаний составляет 1,27
евро, а в США всего 47 евроцентов, в Германии промышленное предприятие платит за
один кубический метр водопроводной воды 1,91 евро за
вычетом всех налогов и сборов. Там по­ступления от оплаты
потребления воды считаются
источником дохода местных
бюджетов и используются для
финансирования определенных
проектов.
«Тарифы на использование воды
устанавливаются местными
органами власти, и средства,
поступающие в бюджет, используются для финансирования местных программ, которые в ином
случае финансировались бы из
налоговых средств», – отмечает
сотрудник NUS Consulting. Зато
и повышения тарифов на воду
в ближайшее время не ожидается, несмотря на постоянный
и повсеместный рост цен на
ресурсы.
Z
ahlen bitte!
55
...процентов составил рост
цен в Германии на отопление
и электричество за последние
шесть лет. Такие данные сообщает информагентство dpa.
При этом потребители платят
за потребляемые в бытовом
секторе энергоресурсы на 55,7
процента больше, чем шесть
лет назад, а стоимость топлива
выросла за это время на 54,4
процента.
Московская немецкая газета №. 16 (239) Август 2008
Хладнокровная полиция и «миловидные нацистки»
В середине августа в Эрфурте во время футбольного матча местной
команды полтысячи скинхедов начали скандировать с трибун нацистские и антисемитские лозунги. В конце августа в Берлине неонацисты
вышли на демонстрацию, выступая против строительства индийского храма в столице. В середине августа на самом большом в мире
памятнике жертвам Холокоста, расположенном в центре Берлина,
появились свастики.
В прошлом году на территории Германии полицией было
зарегистрировано более 11 000
«правых» преступлений, из них
– 595, связанных с насилием.
Больше всего таких преступлений
было совершено в земле Северный
Рейн-Вестфалия, на втором месте
Берлин, далее – Нижняя Саксония, Саксония и Бавария. Такого
большого количества преступных
акций неонацистов не наблюдалось с 2001 года.
При сравнении этих данных с
данными позапрошлого года, становится очевидным, что число
правоэкстремистских преступлений увеличилось практически на
20 процентов. Эта возрастающая
тенденция вызывает все большую
тревогу в обществе. «Чрезвычайно
тревожным» назвал увеличение
числа противозаконных акций
правых председатель Комитета
по внутренним делам бундестага социал-демократ Себастиан
Эдати. Заместитель председателя
фракции ХДС Вольфганг Босбах
считает, что после провала процесса по делу о запрете Националдемократической партии Германии (НДПГ) правые экстремисты
почувствовали себя сильнее.
Саксонский министр внутренних дел Альбрехт Буттоло
Григорий Крошин
призвал демократические партии в дрезденском ландтаге не
ограничивать борьбу с правым
экстремизмом борьбой с НДПГ.
Для сторонников НДПГ решающую роль играют темы, а не
отдельные партийные активисты.
«Мы должны не концентрироваться на личностях, а противопоставлять лозунгам НДПГ
политические альтернативы»,
– говорит Буттоло. Он призвал
партии, церкви, союзы, а также
объединения добровольных
пожарных больше заботиться
о молодом поколении. И именно этот министр своей властью
запретил в 2007 году одиозную
организацию скинхедов «Шторм
34» из саксонского городка Миттвайда, больше года державшую в
постоянном страхе целый регион
вокруг Хемница. Характерно, что
название банды скинхеды взяли
от одноименной организации
СА, орудовавшей в регионе в
нацистский период, чьей целью
была «национальная очистка территории», а средством – насилие.
Нынешние неонацисты, бритоголовые парни в черных комбинезонах, с жестокостью нападали на
турецкие закусочные, на темнокожих пешеходов, на «панков» на
народных празднествах, на офис
местной левой партии, который
мешал им.
Все это время полиция, похоже,
лишь хладнокровно наблюдала за
действиями банды. Но последней акцией, переполнившей чашу
терпения общества и полиции,
было нападение 15 скинхедов на
бензоколонку и зверское избиение нескольких молодых мужчин. После этого пятеро главарей
банды в возрасте от 20-ти до 40
лет были арестованы и привлечены к суду. Следствие доказало, что
неонацисты были тесно связаны
с националистической партией
НДПГ, получая от нее задания
и руководство к действиям. В
суде, прошедшем в начале августа, выяснилось одно пикантное
обстоятельство: один из активнейших членов группировки
состоял одновременно на службе
в… государственном Ведомстве по
охране конституции ФРГ в качестве штатного осведомителя. По
приговору суда трое неонацистов
получили довольно мягкий приговор: 3,5 и 3 года тюрьмы, а двое
вообще были оправданы. Всего в
банде состояло около 50 членов и
вдвое больше сочувствующих, из
которых – весьма любопытный факт – минимум
53… женщины.
Последняя тенденция
вызывает сейчас в немецком обществе все большую настороженность
и является предметом
пристального изучения
учеными-социологами.
Так, самый известный
немецкий специалист в
этой области Микаэла Кёттиг из
университета Гёттингена убеждена: «За этими приветливыми
и внешне весьма симпатичными
женщинами скрывается угрожающая система проникновения в
общество „миловидных неонацисток“». По данным Кёттиг, максимум 10% всех актов насилия со
стороны неонацистов совершаются женщинами. Но, говорит
ученый, «стереотипы, согласно
которым большинство преступлений совершают мужчины, все
еще преобладают, поэтому в
полицейских отчетах женщины
по-прежнему чаще выступают
лишь в качестве свидетельниц
преступлений». Однако сегодня
много еще женщин среди неонацистов, которые – в соответ­
ствии с планами их группировок
– выбирают себе профессии в
области социальной работы или
воспитания: они готовят подрастающее поколение к «четвертому
Рейху». То есть здесь наблюдается
планомерное создание «системы
подготовки неонацистов», в котором женщины – «миловидные
нацистки» – играют все возрастающую роль.
В путь за знаниями
Ангела Меркель начала образовательное путешествие по Германии
К началу октябрьской конференции на высшем уровне по вопросам
образования федеральный канцлер Ангела Меркель планирует
завершить поездку по десяти федеральным землям и познакомиться
с рядом инновативных образовательных проектов. Начатое в середине августа турне дало повод федеральным землям попросить у правительства десятки миллиардов евро. На инвестиции в образование.
Федеральный канцлер планирует
посетить за поездку ряд детских
садов, школ и университетов,
чтобы поближе познакомиться с
немецкой образовательной системой, с проблемами и задачами,
стоящими перед грядущей реформой образования. Особый интерес
Меркель (ХДС) проявит к тем
учебным заведениям, в которых
используются новые педагогические методы – именно они могут
послужить образцами для реформы. Начало турне было положено
в Гессене: 21 августа канцлер посетила евангелический детский сад
во Франкфукте-на-Майне, прославившийся заботой об интеграции
детей мигрантов, и евангелическую высшую школу прикладных
наук для воспитателей в Дармштадте. Всего федеральный канцлер
посетит 12 учебных заведений.
Во всех поездках ее будет сопровождать министр образования
Аннетте Шаван (ХДС). Кроме
того, предполагается присутствие
министр-президентов соответ­
ствующих земель.
Людвиг Экингер, председатель
Союза «Образование и воспитание» высказал опасение, что
инициатива Ангелы Меркель
может превратиться в показательный тур: «Когда федеральный канцлер отправится в свое
Екатерина Келлер
образовательное путешествие,
речь не должна идти исключительно о показательных проектах.
Немецкая система образования
незамедлительно нуждается в
основательных реформах. Увеселительная поездка в этом случае
неуместна». Несмотря на наличие
многочисленных инновативных
проектов, говорить об успехах в
системе образования рано, полагает Экингер. Слишком много в
ней неразрешенных проблем.
Одна из проблем состоит в том,
что инвестиции немецкого правительства в образование слишком незначительны и до сих пор
не рассматриваются в качестве
инвестиций. На это указывают
все международные исследования. О необходимости вложений
заявляет и Андреас Пинкварт
(СвДП), министр образования
земли Северный Рейн-Вестфалия.
Он считает нужным выделить
дополнительно 10 миллиардов
евро на расширение университетов. «Сверх того, я исхожу из
минимума 10 миллиардов евро
на образование, которые в ближайшее десятилетие потребуются
Германии дополнительно. Федеральное правительство должно
взять на себя по меньшей мере
половину этой суммы», – полагает
Пинкварт.
Наряду с финансовыми вопросами остаются вопросы урегулирования актуальных проблем в сфере
образования. Экингер указывает,
к примеру, на такие аспекты как
селекция в школах, интеграция
детей из семей мигрантов, стигматизация общеобразовательной
школы, реформа школьной структуры, необходимость улучшения
образования для учителей.
Будут ли заниматься решением
этих и других проблем федеральные земли или существует необходимость решать образовательный вопрос во всех его нюансах
на общегосударственном уровне,
продолжает дискутироваться. По
мнению министра образования и
к ее сожалению, тема образования
еще не стоит в центре немецкой
внутренней политики. Между тем,
полагает Шаван, в землях наблюдается страх перед конкуренцией
друг с другом. Каждая инициатива
другой земли воспринимается как
угроза.
В интервью газете «Бильд»
Ангела Меркель от имени правительства высказала готовность
с землями, при этом подчеркнув,
что государство «не собирается
забирать у земель их компетении
и играть во всезнайку». И указала,
что землям следовало бы лучше
распоряжаться финансовыми
ресурсами, образовавшимися
вследствие снизившегося числа
школьников.
Перед политикой в сфере образования стоят на сегодняшний
день и вполне насущные задачи.
Меркель призвала школы особо
обратить внимание на поддержку
технических профессий. «Немецкая экономика ежегодно теряет
7 миллиардов евро только потому, что нам не хватает 95 тысяч
инженеров». Продолжает катастрофически не хватать и учителей.
Профсоюз «Воспитание и наука»
называет нехватку драматической:
по данным председателя профсоюза Ульриха Тёне в следующие
пять лет выходят на пенсию около
100 тысяч учителей, нуждающихся
в замене. Через 5 лет понадобятся
и 80 тысяч воспитателей.
В области высшего образования,
отмечают эксперты, было уже
достигнуто многое, например,
сформированы элитные университеты. Однако еще острее стоит
необходимость открыть высшие
учебные заведения для работающих. Шаван уже объявила конкурс учебных курсов на вечернюю
форму обучения.
Росс и я – Г ЕР М А НИЯ
Московская немецкая газета №. 16 (239) Август 2008
Европейский разнобой
К О Р ОТ К О
Л ЕН Т А
Немецкая пресса о событиях в Южной Осетии
На немцев решительно и строго смотрит Путин. Целую неделю с
обложки влиятельного журнала «Шпигель», продаваемого во всех
газетных ларьках и лежащего на прилавках магазинов. Немцы проходят мимо, задерживая взгляд на надписи «Опасный сосед. Владимир
Путин и бессилие Запада». Рядом выставлены другие издания, с изображениями русских танков на первых страницах.
Приходя домой, немцы включают телевизор и опять видят и
слышат информацию про события на далеком, мало им известном Кавказе. Военный конфликт
стал центральной темой новостей в Германии, соревнуясь
по частоте упоминания лишь с
Олимпийскими играми. «Все эти
страны одинаковы», – говорят
бюргеры через неделю, устав от
постоянно повторяемых новостей: Россия не выводит войска,
Меркель протестует, Грузия призывает. События в Афганистане,
Ираке, Палестине, а теперь и на
Кавказе слились для них в единый информационный поток.
Правда, последний регион все
же выделяется на общем фоне:
если Грузия еще далека и неизвестна, то Россия, участвующая
в конфликте, пусть и неизвестна, но недалека: она – необходимый игрок в сегодняшнем мире,
и с ним, к сожалению многих,
приходится считаться. Поэтому
и мнения прессы представляют
всю палитру мнений, начиная от
защитников интересов России и
заканчивая защитниками территориального единства Грузии.
– Исходным моментом сегодняшних боев на Кавказе стало
вторжение грузин в Южную Осетию, – напоминает экс-канцлер
ФРГ Герхард Шрёдер в интервью
журналу «Шпигель». Бывший
федеральный канцлер, называя Саакашвили авантюристом,
приветствует миротворческую
миссию ОБСЕ в Южной Осетии, также при германском участии. Но если подобная миссия
будет проводиться без четкого
согласия России, «я бы не хотел,
чтобы там участвовали немецкие солдаты», – говорит он.
Шрёдер, получивший в немецких СМИ прозвище «рупора
России», убежден: «Россия не
проводит на Кавказе политики
аннексии».
Либеральный еженедельник
«Цайт», как и многие другие
издания, вынес тему событий
на Кавказе на первую полосу:
над фотографией неизвестных
бегущих солдат, заголовок:
«Русская угроза», чуть пониже
подпись: «Своим нападением
на Грузию, сверхдержава показала себя жестокой, как в советские времена». Будет ли новая
«холодная война»? И далее:
«Российско-грузинская война
стала тяжелейшим мировым
кризисом со времени американского вторжения в Ирак в 2003
году. Для европейцев и Запада
от нее зависит еще и вопрос:
действительно ли закончилось
время революций, начавшееся в
1989-м, действительно ли начался откат от демократии и самоопределения на Востоке. Михаил Саакашвили, самовластный
и авантюристский грузинский
президент, который, с помощью непродуманного наступления на Южную Осетию, первым
вызвал всю эту катастрофу, не
идентифицируется с фигурами среднеевропейских героевосвободителей, таких как Вацлав Гавел или Иоанн-Павел II».
Далее «Цайт» продолжает: «На
Кавказе Грузия – единственная
страна, которая, как минимум,
похожа на демократию. В лице
Грузии российский премьер
Путин напал на единственного союзника Америки в регионе. Когда Джордж Буш посетил
Тбилиси в 2005 году, в его честь
собралось 150 000 человек.
Сегодня одна из улиц города
носит его имя. Примерно 130
служащих армии США обучают
сегодня грузинских военных.
Тщетно: российские войска за
пять дней продемонстрировали
всему миру, как они могут гнать
солдат, тренированных американцами».
Еженедельник «Штерн» назвал
свой фоторепортаж с Кавказа «Кровавый ответ России» и
сопроводил его комментарием,
в котором пишет, что «Саакашвили решился напасть, возможно, потому что верил в помощь
из Америки. Но, когда он в прошлую пятницу просил о под-
Своевременный ответ
Казалось бы, о событиях в
Южной Осетии сказано уже
много. И в российской прессе,
и в западной, хотя лучше бы она
рассказывала про Олимпиаду в
Пекине. «Россия возвращается к
советским временам… Грядет ли
новая «холодная война»? «Огромная Россия напала на маленькую
демократическую Грузию», – такими заголовками с незначительными вариациями пестрели в августе
немецкие газеты.
– Если Грузия – демократическая страна, то Россия – супердемократическая, – прокомментировал расхожее определение
кавказского государства московский телеведущий Максим
Шевченко, один из модераторов
встречи в «Адлоне».
Переполненный зал шикарного
берлинского отеля, собравший
Фото: Дитмар Густ
«После войны на Кавказе. Перспективы и сценарии». Под таким
названием в отеле «Адлон», что
у Бранденбургских ворот в центре Берлина, прошла 22 августа
публичная дискуссия, органи­
зованная по инициативе известного немецкого политолога
Александра Рара, эксперта Германского общества внешней
политики.
Александр Рар и Максим Шевченко дали немцам возможность взглянуть
на конфликт с позиции России.
многих российских журналистов, которые сами пережили
грузинское вторжение в Южную
Осетию, – явление для Германии
сегодня крайне неординарное.
В подиумной дискуссии принимал участие и Епископ Ставропольский и Владикавказский
Феофан, который прилетел на
конференцию сразу после концерта, состоявшегося во Владикавказе под управлением дирижера Валерия Гергиева, пожалуй, самого известного осетина
в мире. Рассказ священника о
грузинской агрессии против
Южной Осетии прошел при
встревоженном, если не испуганном молчании зала. Но это
было только начало.
Затем начали говорить журналисты, которые пережили войну
на самых разных ее этапах. Они
рассказывали о трупах, которые
валялись на улицах. Девушкаосетинка рассказала о том, как
нашла развалины дома своих
родителей. По немецкому телевидению о страданиях осетин не
передают.
III
держке, Белый дом
заявил, что вмешается
в конфликт в лучшем
случае на дипломатическом уровне». «Статус героя, который
Саакашвили
получил после перехвата
власти в результате
т.н. «революции роз»
в 2003 году, сильно
шатается», – продолжает «Штерн».
На обложке журнала
«Шпигель» фотография решительного и
строгого Владимира
Путина, с подписью:
«Опасный сосед». Чуть
ниже – снимок колонны российских танков
и подзаголовок: «Владимир Путин и бессилие Запада». «Ангела
Меркель хотела объяснить Медведеву в Сочи, как
действует подобная имперская
Россия на мир. Какие представления возникают, когда танки
катятся через независимую страну. Эти картины ее потрясли.
Медведев дал ей понять, что
российское отношение к стремящимся отделиться провинциям весьма противоречиво. «Кто
говорит, что Абхазия и Южная
Осетия сами должны решать
вопрос о своей независимости,
пусть решит сначала аналогичные проблемы в собственных
провинциях, например, в Чечне»,
– парирует Меркель. Как пойдут
дела дальше? Еще нет рецепта,
как обращаться с имперской
державой Россия, даже никаких
идей. Ясно только одно: «Это
будет, несомненно, тяжело», –
сказал министр иностранных дел
Штайнмайер на прошлой неделе
за чашкой кофе, и растерянно
посмотрел вдаль».
Реакция немецких журналистов
последовала вялая. «Мы режим
Саакашвили демократическим
не называли… России угрожает
потеря международного престижа… Да, всякая война – человеческая трагедия… Россия раздавала свои паспорта всем желающим
в Южной Осетии»…
Представитель
грузинской
прессы и чеченский сепаратист
пытались, как это называется,
«перевести стрелки», но на фоне
рассказов очевидцев подобные
попытки выглядели вяло.
Все это было ново для немецкой публики. Она не привыкла к таким выражениям, как
«грузинская агрессия», «геноцид осетин». Она не слышала
о том, как грузинские солдаты
бросали гранаты в подвалы с
беженцами…
Для большинства немецких
слушателей эта конференция
была шоком.
Станет ли она терапией? Если
люди захотят прислушаться и
задуматься, очень даже возможно. Это уже зависит от них
самих. Организаторы конференции сделали для этого все.
Материалы полосы подготовил
Андрей Окулов
Н О В О С Т Е Й
Суперпоезд
из Германии
в Россию
Уже через пару недель германская компания «Сименс» представит общественности новый
скоростной поезд Velaro Rus,
созданный специально для
России, который к декабрю
прибудет в российскую столицу. К этому же времени завершится создание инфраструктуры на линии Санкт-Петербург –
Москва в рамках организации
скоростного движения.
Договор о поставке восьми
высокоскоростных поездов
типа Velaro Rus был подписан еще два года назад: таким
образом, Россия стала после
самой Германии, Испании и
Китая четвертой страной, приобретшей высокоскоростные
поезда серии Velaro. Первые
поезда в Китае были пущены
к началу Олимпийских игр.
В целом в мире всего восемь
стран, которые могут позволить себе высокоскоростные
поезда, развивающие скорость
до 300 км / час. Россия станет
девятой.
Защита от
нежелательных
связей
Правительство Германии под­
держало в августе законопроект
о защите немецкой экономики
от нежелательных иностранных
инвесторов. О необходимости
подобного закона заговорили
еще год назад: тогда начали
высказывать опасения, что зарубежные государственные инвестиционные фонды, в частности,
российские и китайские, собираются приобрести акции немецких
компаний. После того, как в закон
о внешнеэкономической деятельности будут внесены соответствующие поправки, Минэкономики
ФРГ получит право в течение
трех месяцев после приобретения зарубеж­ным инвестором
немецкой фирмы постфактум
аннулировать сделку, если под
угрозой, по его мнению, окажется общественный порядок или
безопасность Германии.
Наша
промышленность
в Дрездене
В сотрудничестве с Петербургским диалогом правительство
Саксонии и Восточный комитет
немецкой экономики проводят
в середине сентября в Дрездене День промышленности
России. Симпозиум, в котором примут участие представители политики, экономики
и прикладных наук России и
Германии, должен, по словам
министра экономики и труда
Саксонии Томаса Юрка, стать
«двигателем для качественно
новых коммуникаций и кооперации между немецкими и
российскими предприятиями,
исследовательскими учреждениями и мультипликаторами из
ключевых отраслей машиностанкостроения, автомобильной промышленности и энергетики». К участникам встречи
обратится экс-канцлер Герхард
Шрёдер, который выступит с
докладом «Россия – партнер с
будущим».
IV
В то р а я р о д и н а
Ю рИДИЧЕСКАЯ
КОНСУЛЬТАЦИЯ
Рубрику ведут
адвокат Томас Пуэ и
Михаил Рушанов (ФРГ)
Испытательный срок
В этом выпуске нашей рубрики
мы продолжаем разговор о том,
как иностранец на законном
основании может остаться в Германии, и, в частности, о том, как
быть одному из супругов, если
распался брак с гражданином
ФРГ.
Обычно после фактического
распада брака, существовавшего
более двух лет, ведомство по
делам иностранцев продляет
вид на жительство на период
до одного года. После окончания этого испытательного года
иностранец должен финансово
стоять на собственных ногах.
Ведомство по делам иностранцев может по собственному
усмотрению продлить испытательный срок на период более
одного года, особенно, если
имеются некоторые основания
и обстоятельства.
Например, в исключительной
ситуации ведомство по делам
иностранцев может отказаться
от правила двухлетнего проживания и выдать иностранному
супругу независимый от семейных отношений вид на жительство в ФРГ и по результату
краткосрочного брака. Такими
признанными исключениями по
§ 31AufentG считаются невозможность продолжения брачной
жизни (насилие по отношению
к супругу и/или ребенку, постоянный супружеский обман,
алкоголизм или наркомания, а
также иное аморальное поведение супруга).
матери покинуть Германию, а
затем из-за границы реализовывать его немецкое гражданство.
Происходит это потому, что, по
мнению ведомства, муж матери
может оспорить свое отцов­ство,
ребенок может не родиться по
медицинским причинам, по
медицинским показаниям беременная женщина может считаться нетранспортабельной, что
может отсрочить ее высылку из
Германии. Отсрочить высылку
могут такие факторы, как тяжелые физические заболевания,
психические проблемы, депрессии, угроза самоубийства. Но
только если это будет документально подтверждено и надлежащим образом обосновано.
С юридической точки зрения
речь идет о том, когда же ино­
странца можно рассматривать в
качестве самостоятельной правовой фигуры, независимой от
состояния семейных отношений
с правомочным жителем Германии? Частично это урегулировано в § 31 закона о пребывании
(Aufenthaltsgesetz, AufenthG). Как
было сказано выше, если «семейное сообще­ство» сообщество
существовало не менее двух лет
на территории ФРГ, ведомство
по делам ино­странцев продляет
вид на жительство и после прекращения семейной жизни. Под
«семейным сообществом» понимаются фактические семейные
отношения, а не формальное
свидетельство о браке. Если
супруги не ведут общего хозяйства и семейной жизни, то они
Стаж семейной жизни за рубежом Германии
в требуемый двухлетний период не засчитывается
Грозящая иностранцу по возвращении в страну происхождения опасность также может
послужить основанием для
продления вида на жительство.
Например, если мусульманской
женщине, состоявшей в браке с
западным мужчиной, дома грозит «побитие камнями» от единоверцев. Такие случаи встречаются в консервативных мусульманских странах, но для стран
СНГ – нетипично. Известно, что
порой живущий в семье ребенок
немецкого супруга от первого
брака развивает теплые, прочные отношения со своей мачехой. Здесь требование о продлении вида на жительство бывшей
иностранной супруги отца такого ребенка можно подкрепить
прочным контактом с немецким
ребенком, потому что внезапный обрыв этой важной человеческой связи может нанести
ущерб его развитию.
Смерть немецкого супруга в
период семейной жизни на территории ФРГ также дает основание требовать продления вида
на жительство. Беременность
иностранной супруги в отдель­
ных случаях может служить
аргументом для продления вида
на жительство, особенно, если
отец ребенка – гражданин Германии, от которого он наследует немецкое гражданство. Не
надо, однако, автоматически
уповать и на очевидный аргумент о немецком гражданстве
еще не родившегося ребенка.
Ведомство по делам иностранцев может предложить будущей
не смогу отговориться тем, что
брак пока еще существует «на
бумаге».
Не так просто подсчитывается
общий стаж супружеской жизни
на территории ФРГ. Например,
стаж семейной жизни за рубежом
Германии в требуемый двухлетний период не засчитывается.
Здесь между ведомством и ино­
странцем могут возникать споры
о методике подсчета. В случае
краткосрочного существования
семейных отношений ведом­ство
по делам иностранцев имеет
обыкновение подозревать фиктивный брак. Ведомство должно
надежно обосновать свои обвинения, простые подозрения или
ссылки на внешне необычные
обстоятельства (например, большая разница супругов в возрасте, принадлежность к различным культурным или этническим
группам) не считаются надежной
аргументацией.
Обычные, связанные с выездом
из ФРГ, неудобства не считаются основаниями для продления
вида на жительство ино­странца.
Не впечатляют немецкие власти и указания иностранца на
отсутствие места работы и
жилья в стране происхождения.
Они указывают на обязанность
структур страны происхождения заботиться о благополучии
своих граждан. Также напрасны
ссылки на хорошую интеграцию
ребенка иностранного супруга от первого брака в немецкое
общество и его отставание от
школьной программы в стране
происхождения.
Московская немецкая газета №. 16 (239) Август 2008
Эра Бергнера
JAHRE
Aussiedlerbeauftragter
Рубрику ведет
Ольга Силантьева
В феврале 2006 года министр
внутренних дел Германии Вольфганг Шойбле (ХДС) представил
нового уполномоченного по
делам переселенцев и национальных меньшинств, которым
стал парламентский статс-секретарь в МВД Кристоф Бергнер
(ХДС). Интервью с ним накануне
конференции, приуроченной к
20-летию введения должности
уполномоченного, завершает
серию материалов об основных
этапах политики помощи, осуществляемой федеральным правительством для переселенцев и
национальных меньшинств в
1988–2008 годах.
Г-н Бергнер, почему именно Вы
получили предложение стать
уполномоченным, и из каких
соображений Вы его приняли?
Я был удивлен, когда в январе 2006 года министр сообщил, что передаст мне как парламентскому статс-секретарю
должность уполномоченного
по делам переселенцев. Я с удовольствием принял его предложение. Во-первых, тем самым
пост вновь занял замминистра,
как это было во времена Хорста Ваффеншмидта. Это большое
преимущество, так как парламентский статс-секретарь обладает особыми компетенциями и
полномочиями. Вторая причина
заключалась в том, что я проявлял интерес к проблемам немецких меньшинств еще с тех пор,
когда в 70-х годах встречался с
их представителями в Румынии
и Польше. Мои родители помогали в 1990–1991 годах в Тюрингии принимать переселенцев
из стран бывшего Советского
Союза. Они даже до сих пор дружат с некоторыми из них.
Что изменилось в политике помощи немецким меньшинствам с
тех пор, как Вы заняли эту должность?
Мне понадобилось около
полугода, чтобы войти в дело.
Постепенно я осознал, что нам
необходимо внести коррективы в политику помощи таким
образом, чтобы она имела будущее. Что касается стран СНГ,
то, я считаю, мы должны прикладывать усилия для укрепления системы самоорганизации
российских немцев, поддержки
молодежи и особенно создания
авангарда российских немцев.
Кроме того, мы должны развивать связи между переселенцами в Германии и российскими
немцами. Определив эти акценты, мы теперь можем двигаться
дальше.
Что касается стран Центральной и Восточной Европы, то тут
я столкнулся с ситуацией ожидания вступления в ЕС, после
которого финансирование со
стороны МВД должно было
прекратиться, что уже к тому
времени и начали претворять на
примере Польши. Я считаю это
ошибочным. Теперь для меня
важно найти обоснование для
того, чтобы федеральное правительство было заинтересовано в финансовой поддержке
немецких меньшинств в этих
странах. Для этого мы должны
обстоятельно обсудить сложившуюся ситуацию, определиться
с потенциалом – для этого мы и
проводим конференцию в сентябре.
Что Вы еще ожидаете от этой конференции?
Конференция
необходима, потому что она подведет
итог 20-летней политики для
переселенцев и национальных
меньшинств, будут проанализированы ее этапы, озвучена
необходимость ее продолжения, для чего предстоит открыто обсудить ее основы. Сегодня
политика помощи – еще часть
общей политики преодоления
последствий Второй мировой
войны. Значение этой политики
снижается с каждым годом, что
проходит с момента окончания
войны. Однако желание вынести урок из прошлого, выстроить партнерские отношения
и миротворческие структуры
– останется актуальным и для
будущего. Сейчас важно найти
инструмент, который позволит
немецким меньшинствам стать
частью этих структур. Я надеюсь, что на конференции мы
сможем это сделать и, таким
образом, определиться с целями поддержки.
Этапы, которые Вы упомянули,
связаны с именами уполномоченных?
Нет, скорее с тем, какая политическая партия стояла у власти.
Уполномоченный и являлся представителем правящей партии.
Да, это сложная история. Бесспорно, была эра Ваффеншмидта. Эра, когда принципиально
была признана ответственность перед немцами в странах
их проживания. Тогда начали
увлеченно работать, располагая
довольно большими средствами. Затем пришла эра Вельта
и Кемпера, когда сказали, что
все это – общая политика для
меньшинств и поле деятельности уполномоченного расширили, вверив ему и признанные
меньшинства Германии – сорбов, фризов, датчан, синти и
рома. Это был совсем другой
акцент: подчеркивалось значение не особой ответственности
перед немцами, а в целом перед
национальными меньшинствами. Что определяет мою эру?
Это поиск общей взаимосвязи,
которая подтолкнет Германию
признать и разделить ответственность за сохранение культурной идентичности немецких меньшинств. Как это уже
мы делаем, отвечая за немцев в
Дании.
Эра должна длиться больше трехчетырех лет, чтобы стать эрой.
Мы можем пожелать Вам и нам ее
продолжения?
Если Вы спрашиваете, хотел
бы я продолжать работать в
этом направлении, то скажу, что
работа эта мне нравится, и я бы
с удовольствием продолжил ее
в той или иной форме. В какой
именно, будет ясно после выборов в бундестаг, которые пройдут через год. Но как бы то ни
было, история показывает, что
все время находятся люди, которые хотят посвятить себя этой
работе.
Как долго правительство Германии будет оказывать поддержку
немецким меньшинствам?
Я стремлюсь к тому, чтобы в
полном согласии с титулярными
нациями мы видели в поддержке
культурную задачу, которая не
ограничена никаким сроком.
Каким Вы видите будущее немецкого меньшинства в России?
Я считаю, что важно найти
инструменты, которые позволят сохранять культурную
идентичность в условиях диаспоры, что и удается другим
народам, например, армянам.
При этом система центров
встреч будет играть важную
роль. Иллюзорно считать, что
мы будем поддерживать только
одну область или один регион. Я думаю, предпосылки для
того, чтобы у немцев России
было будущее, есть, особенно,
учитывая, что Российское государство заинтересовано в этом.
И они будут еще лучше, если
будут развиваться партнерские
отношения между немцами в
России и переселившимися в
Германию – это будет способ­
ствовать укреплению национального самосознания.
НЕ М Ц Ы Р О С С ИИ
Московская немецкая газета №. 16 (239) Август 2008
Томск плюс Галле
В начале августа состоялся молодежный обмен «Россия, Томск – Германия, Галле». Полные впечатлений молодые российские немцы,
вернувшись домой, поделились своими впечатлениями с читателями
МНГ.
Друзья из Галле встречали нас в
аэропорту с цветами, а мы в ответ
показали наш «коронный номер»
– танец с флагами и презентацию
томского клуба Wir+Sie.
Программа пребывания в Ширке – маленьком городке у подножья горы Броккен, которую
еще в XIX веке в своих стихах
воспевал сам Генрих Гейне, была
насыщенной. Мы посетили множество замков и музеев, аквапарк, пещеры, музей авиации,
поднялись по канатной дороге и
спустились с горы на санках с
колесами, поднялись на знаменитую гору Броккен, а все оставшееся время «выстраивали международные отношения». Этому весьма способствовали дискотеки,
прогулки по паркам, и, конечно
Андрей Котов, Таня Кушнер
же, многочисленные спортивные
мероприятия: волейбол, пионербол, футбол, катание на роликах,
теннис….
А по вечерам мы с немецкими
друзьями собирались в зале, чтобы попеть песни под гитару, рассказать о своих впечатлениях за
день. Ну и, конечно же, проводили развлекательные мероприятия – ролевые игры на знаком­
ство, поэтический вечер (от которого немецкие друзья расчувствовались и прослезились). Больше всего понравилась старинная
немецкая «игра в Ангела», которая сплотила всех нас. Мы стали
закадычными друзьями и решили
дружить и в будущем.
Тем более что мы – молодежные
организации из Томска и Галле –
подписали соглашение о партнерстве. Теперь у нас появилась
уникальная возможность реализовывать различные совместные
мероприятия и проекты. Уже в
следующем году молодежный
клуб Wir+Sie примет друзей из
Галле в Томске, а пока ребята
вместе отправились в Берлин.
За два дня мы успели побывать
на обзорной экскурсии и своими
глазами увидеть здание Рейхстага, Gedächniss Kirche, Бранденбургские ворота, Берлинский
собор, который поражает своей
мощью, Потсдамскую площадь…
Побывали в знаменитом берлинском зоопарке, на Александрплатц, покатались по реке Шпрее
на катере… Но самое главное, мы
побывали в Министерстве внутренних дел ФРГ и целый час
общались с уполномоченным
федерального правительства Германии по делам переселенцев и
национальных меньшинств д-ром
Бергнером. Он ответил на все
интересующие нас вопросы и
назвал нас «пионерами», поскольку заключенное накануне
нашими молодежными организациями соглашение о партнерстве
– «первая ласточка» в истории
молодежных российско-герман­
ских обменов. Мы также посетили центральный офис GTZ в Берлине, узнали много интересного о
деятельности этой организации и
даже поиграли в интеллектуальную игру.
Этот проект был задуман и
организован в рамках соглашения о партнерстве между Международным союзом немецкой
культуры, Немецким молодежным объединением (Москва, РФ)
и Землячеством немцев – выходцев из России (Штутгарт, ФРГ),
подписанного в мае прошлого
года в Висбадене. В молодежном
обмене приняли участие 19 ребят
из молодежного клуба Wir+Sie
Томского областного российсконемецкого дома и 20 – из моло-
V
дежной организации Землячества
немцев – выходцев из России
города Галле.
Разумеется, в организации проекта помогали и представители
«взрослых» объединений: референт по молодежной работе
Людмила Копп (от Землячества),
руководитель интеграционного
проекта в г. Галле Ольга Эберт, а
также активисты недавно созданного при Землячестве «Молодежного и студенческого объединения немцев – выходцев из
России и центральное бюро djo
– Deutsche Jugend in Europa.
Финансовую поддержку оказали
фонд
«Германо-российский
молодежный обмен», МВД ФРГ,
Федеральное ведомство по делам
миграции. С российской стороны организатором выступил
Томский областной РНД при
финансовой поддержке ЗАО
«Общество развития Новосибирск» и администрации Томской области.
Самый западный
«Мы – как в каменном мешке», – говорит президент НРД Калининграда Виктор Гофман
МНГ уже писала о нескольких Российско-немецких домах, которые в
2008-м отмечают круглые или полукруглые даты. Немецко-русский
дом Калининграда – еще один юбиляр этого года. Он был основан
15 лет назад.
Лариса Худикова,
фото автора
В течение этих лет НРД традиционно возглавляли граждане
Германии, но недавно последнего из них – Петера Вунша сменил российский немец Виктор
Гофман, который изначально
являлся соучредителем и вицепрезидентом этого Дома, а
теперь стал его президентом. В
1989 году Виктор Яковлевич
создал первое в Калининград­
ской области объединение российских немцев и пруссов
Eintracht («Согласие»). Оно и
выступило учредителем НРД.
– Ни к чему нам было шуметь
в Калининградской области в то
время, поэтому мы «не пустили»
в наш регион такие крупные
федеральные организации российских немцев, как «Видергебурт» и другие, которые проводили излишне активную и иногда скандальную политику, –
говорит Виктор Гофман. – Было
у нас создано и свое Землячество, потом – Немецкая национально-культурная автономия.
Хочу обратить внимание, что
все общественные организации
немцев Калининградской области объединены под крышей
НРД. Разногласий у нас нет, для
решения всех вопросов создан
Координационный совет. Важно,
что нам доверяют, и что после
немецких директоров все осталось под нашим – российских
немцев Калининградской области – контролем.
– А раньше российские немцы не
контролировали ситуацию?
– Нет, это вовсе не значит, что
раньше мы не контролировали
ситуацию. Но сейчас – в большей мере. Мы – единственный
Немецко-русский дом, который
на 80 процентов финансирует
Германия, остальную сумму на
свои нужды мы ищем сами. Я,
например, пытаюсь выделять
средства из своей предпринимательской деятельности. У наших
партнеров
–
федеральных
немцев – есть такая установка:
Дом должен зарабатывать ровно
столько, сколько ему надо, но не
больше. Я считаю, что это неправильно. Этот Дом нам стал явно
мал, а мы могли бы привлекать
и больше средств. Мы уже арендуем в городе дополнительно
два помещения для курсов
немецкого
языка.
Вскоре
несколько групп придется сократить, потому что в этом году
Германия выделила нам на 70
тысяч евро меньше, чем в прошлом.
– Какой может быть выход, и за
счет чего вы можете привлекать
дополнительные средства?
– Мы могли бы сделать языковые курсы платными, если бы
нам разрешили, все равно российских немцев на них учится
процентов 60. Если все сложится
удачно, то, может быть, в ближайшее время мы получим
лицензию на эту деятельность.
Еще одна возможность зарабатывать: при нашем НРД создан
Попечительский совет из предп р и н и м ат ел е й – р о сс и й с к и х
немцев, многие из которых весьма успешны в бизнесе. Например, праздничные мероприятия,
посвященные 15-летию Дома, на
70 процентов финансировали
они. Около 500 тысяч рублей
обошелся только ремонт.
– А что правительство Калининградской области? Молчит?
– Мы зарегистрированы как
некоммерческое партнерство, а
не учреждение культуры. Правительство области нам вообще не
помогает, хотя мы работаем для
всего города, для людей всех
национальностей. Наш Дом
очень популярен в Калининграде. Например, мы даем возможность выставлять свое творчество в стенах НРД художникам,
причем бесплатно. Но попасть к
нам непросто. А на этом тоже
можно зарабатывать. Или,
на­пример, использовать по пря-
Виктор Гофман
провожает
«золотую
молодежь» в
лингвистический
лагерь.
мому назначению наш уютный
«пивной садик» во дворе Дома.
– Почему такую возможность
художникам не предоставляют
другие национальные дома? Или
их нет?
– В сентябре появится Армянский дом, но до этого ни у одной
диаспоры города не было своего
здания, и мы давали возможность представителям каждой
национальности один раз в год
(причем тоже бесплатно) в стенах НРД представить свою культуру. Иногда для проведения
крупных «чужих» мероприятий
мы берем какую-то сумму, но
чисто символически. По сути,
все эти годы Немецко-русский
дом Калининграда выполнял
функции Дома дружбы.
– Поговаривают, что ранее уехавшие в Германию немцы охотно возвращаются в Калинин­
градскую область, едут и из
стран СНГ и других регионов
России – в рамках специальной
программы по переселению
соотечественников. Вы наблюдаете этот процесс?
– На мой взгляд, эта программа не продумана. К примеру:
дают переселенцам 200 тысяч
рублей на приобретение жилья
(а за эти деньги ничего приличного не купишь у нас) и 20 тысяч
– на ребенка. Предположим,
приехала молодая семья, ей надо
решить социальные вопросы. Но
нет регистрации – не купишь
жилье, нет жилья – не получишь
регистрацию. Замкнутый круг.
Кроме того, людей приглашают
на должности, оплата которых
– мизерна, да еще порой переселенцы слышат вслед: «Чем вы
лучше других, что вам все на
блюдечке принести надо?». В
Калининградской области проживают около 3–4-х тысяч до
сих пор не легализованных
граждан с еще советскими паспортами. А Калининград – анклав, окруженный странами–членами ЕС. Как, например, человеку взять в Карабахе или Нахичевани «справку о выбытии», если
у него паспорт просрочен, и он
из области никуда выехать не
может? Зато собакам паспорта
дают. Поймите: у нас особая
ситуация: мы – как в каменном
мешке. Некоторые дети прекрасно знают Европу, но не знают,
что такое «большая Россия».
Иногда даже можно слышать:
«Раньше я жил в России, а потом
переехал в Калининград».
Виктор Гофман уверен, что в
свое время, когда политика
помощи Германии российским
немцам была более щедрой, в
Калининградской области можно было получить землю и нормально обустроить хотя бы одно
немецкое поселение. Но в те
годы политическая ситуация в
России этому не способствовала. Теперь же «отцы города»
вроде бы не против поселить у
себя трудолюбивых и аккуратных немцев (разумеется, за
немецкий же счет), да помощь
из Германии с каждым годом
становится все меньше и меньше. Так что в вопросах переселения всем – и не только немцам
– приходится рассчитывать
только на себя.
– Зато у нас – золотая молодежь! – радуется Виктор Гофман,
провожая молодых немцев
Калининградской области в лингвистический лагерь.
Он традиционно организуется
для активистов МК и проходит
в живописнейшем месте Балтийского побережья – на Куршской косе. На этот раз 32-м
участникам, вожатым и преподавателям предстояли насыщенные и интересные 11 дней: занятия немецким языком, лаборатории страноведения, краеведения, танцев и даже… йоги.
Познакомиться с принципами
этого древнего учения пожелала
сама молодежь. Лаборатории
работали «по записи», так что
ребята смогли принять участие
в каждой из них.
Родителям участников лагеря
платить (или доплачивать) за
отдых и учебу своих детей необходимости нет: все расходы
берет на себя Немецко-русский
дом Калининграда. В Калининградской области создана и единая немецкая молодежная организация, которой сейчас руководят три сопредседателя.
– Время покажет, кто из них
сильнее, – говорит Виктор Гофман. – Мы будем пытаться развивать молодежные обмены. А
еще хочется дать им больше
самостоятельности – например,
в разработке и реализации
новых проектов. Возможно, в
следующем году наши молодые
активисты проведут вместе с
представителями других национальностей области спортивную
олимпиаду, и тогда лучших из
них (а если получится, то и всех
участников) мы наградим поездкой по Европе.
VI
И С Т О РИЯ И К У Л Ь Т У Р А
Московская немецкая газета №. 16 (239) Август 2008
Григорий Крошин
На фото: работы с выставки Х. ф. Маре
На выставке вниманию посетителей предложено в общей
сложности около 120 работ
Маре из коллекции самого Von
der Heydt-Museum (более 20
полотен), а также из собраний
Национальной галереи Берлина
и Новой пинакотеки Мюнхена,
отдельные работы получены для
показа на выставке из других
музеев и частных собраний Германии и Италии.
Удивительно, но до последнего времени имя художника,
родившнгося в 1837 году в Эль-
«Гребцы» (1873)
берфельде (тогдашнем пригороде Вупперталя, а сегодня –
его центральном районе) почти
ничего не говорило современникам. Сегодня же пресса наперебой комментирует не только
сами работы, представленные на
нынешней выставке, но и рассказывает любителям искусства
о жизни и творческом пути доселе изрядно подзабытого Маре.
В частности, о том, что будущий классик свой начальный
период обучения живописному
мастерству провел в Академии
художеств в Берлине, в мастерской известного художника-баталиста и мастера по изображе-
С 1873 года и до конца жизни
Ханс фон Маре жил и работал в Италии. Сначала – в Неаполе, потом во Флоренции, в
Риме. В том же 1873-м вместе
со своим другом, скульптором
Адольфом фон Хильдебрандом
Маре занимался оформлением помещения Зоологической
станции в Неаполе, расписывая
стены библиотечного зала станции. Объемно и в то же время
свободными энергичными мазками изображал Маре мощные
фигуры гребцов, выходящих в
море на лов рыбы («Гребцы»,
1873), женщин в саду, всадника,
рвущего апельсины, а в одной
«Автопортрет в японском
плаще» (1872)
из композиций изобразил даже
групповой портрет… сотрудников станции. Этот цикл, по единодушному признанию искусствоведов, стал одним из главных
созданий художника, вершиной
его творчества. Посетители
выставки в Вуппертале имеют
возможность видеть выполненные маслом масштабные эскизы, графические наброски к
росписям Зоологической станции. Больше того, весь комплекс фресок можно увидеть в
фильме, специально снятом для
демонстрации на вуппертальской выставке.
В последний период своей
жизни художник увлекся идеями известного немецкого философа и теоретика искусства
Конрада Фидлера (1841–1895).
Он вошел в так называемый
римский кружок, образованный
в 1860–1870-х годах немецкими художниками в Италии. Их
идейным вдохновителем и стал
философ и теоретик искусства
Конрад Фидлер, по убеждению
которого художник должен не
копировать повседневность, а
изучать ее, постигая таящиеся в
глубине «хаоса действительности» ритм и гармонию, которые
составляют суть подлинного
искусства. По мнению современников, взгляды Фидлера
наилучшим образом воплотил в
живописи Ханс фон Маре, ставший к тому времени одним из
руководителей кружка.
В 1870–1880 годах Маре вместе
с К. Фидлером и А. фон Хильдебрандом разрабатывали новое
направление в немецком искус-
стве – неоидеализм. В этот период Маре в своих работах стремился в аллегорических образах
воплотить мечту о «золотом
веке» человечества, добивался
пластической выразительности
и классической композиционной уравновешенности (такова,
например, картина «Золотой
век», 1879–1885).
В центре вуппертальской экспозиции – крупноформатные
эскизы, написанные маслом, к
тем самым фрескам для Зоологической станции в Неаполе.
Впервые выставка приобщает скульптуры его учеников, а
также коллег и друзей художника – Адольфа фон Хильдебранда
и Артура Фолькманна. Кроме
На фото: работы с выставки Х. ф. Маре
Во всемирно известном музее
Von der Heydt-Museum в Вуппертале открылась выставка Ханса
фон Маре (Hans von Marees). Это,
по сути дела, первая столь содержательная персональная экспозиция мастера на родине – не
считая маленькой выставки, устроенной еще в… 1904 году.
нию лошадей Карла Штеффека,
под пристальным присмотром
которого Маре впоследствии
создавал свои ставшие знаменитыми батально-исторические
полотна, как, например, «Атака»
(1860) и «Отдыхающие кирасиры» (1861–1862).
Затем Маре несколько лет
работал в Мюнхене, увлекся
портретным жанром, создав
серию психологически достоверных картин – «Автопортрет» (1862), «Портрет Адольфа
фон Хильдебранда» и «Портрет
бородатого мужчины» (оба –
1863). Критики особо отмечают мастерство автора в таких
оригинальных портретных композициях, как «Автопортрет
с Францем Ленбахом» (1863),
выполненный в традициях
романтизма, где впечатления
загадочности художник достигает с помощью точно найденных деталей – в частности, это
очки, скрывающие взгляд Ленбаха, и шляпа, затеняющая его
лицо. В дальнейшем художник
будет обращаться к жанру портрета на протяжении всей своей
жизни, создав солидную серию
прекрасных работ.
«Портрет К. Фидлера» (1879)
свидетельствующих о необычайной трудоспособности мастера. Фотографии итальянского
периода жизни художника и его
непубликовавшиеся письма проливают дополнительный свет на
неизвестные стороны сложной
биографии художника.
В последние годы жизни Ханс
фон Маре перестал выставляться и умер практически в
безвестности. Это произошло в
Риме 5 июня 1887 года. А спустя
два года, в 1891-м, его полотна
были выставлены на Мюнхенской выставке, и их ценность
вдруг стала очевидной. А еще
через десять лет, к началу XX
века, почти забытый при жизни
Маре был провозглашен… велиНа фото: работы с выставки Х. ф. Маре
В
ЕРНИCAЖИ
На фото: работы с выставки Х. ф. Маре
Возвращенный классик
«Автопортрет с
Францем Ленбахом»
(1863)
того, на выставке мы видим поэтичные пейзажи, полные психологизма портреты и яркие
жанровые сценки, сотни рисунков, набросков, черновиков,
чайшим немецким художником
века предыдущего. По крайней
мере, в его родном Вуппертале
сегодня в этом абсолютно уверены.
K a l e n d e r b l a t t
1 сентября
6 сентября
10 сентября
11 сентября
11 сентября
263 года назад (в 1745 г.) состоялась свадьба наследника русского престола Петра и немецкой принцессы Софии Августы
Анхальт-Цербской. Дочь прусского генерала из мелких вла­
детельных принцев АнгальтЦербст впоследствии стала
россий­с кой
императрицей
Екатериной II, заняла престол
после кончины мужа вследствие
дворцового переворота. Период
ее правления часто считают
«золотым веком» Российской
империи. Именно по ее Указу
немцы-колонисты стали массово
селиться в разных районах страны, прежде всего – в Поволжье.
9 лет назад (в 1999 г.) немецкая фирма «Рургаз-АГ», мини­
стерство культуры РФ и
Государ­с твенный музей-заповедник «Царское село» подписали соглашение о воссоздании Янтарной комнаты. Работы
были завершены в 2003 году.
Открытие вновь созданного
шедевра стало одним из ключевых в торжествах, посвященных юбилею Cеверной столицы.
Комната была создана в XVIII
веке немецкими и датскими
мастерами для прусского короля Фридриха I. В отделке преимущественно использовался
янтарь.
70 лет назад (в 1933 г.) в Гамбурге родился Карл Лагерфельд
– немецкий кутюрье, создатель
духов и фотограф. В 1955 г. он
получил первую премию в конкурсе дизайна пальто, который
организовал Международный секретариат шерсти. С 1963 года стал
работать сразу с четырьмя домами моды — Chloe, Krizia, Charles
Laurdan и Fendi, создавая для
каждого абсолютно разные коллекции. В 1974 г. Карл Лагерфельд
основал собственную линию – Karl
Lagerfeld Impression. В 1979 году
он получил приглашение преподавать в Венской высшей школе
прикладного искусства.
210 лет назад (в 1798 г.) в
Иохимстале родился Франц
Эрнст Нейманн – немецкий
физик, создатель научной школы,
иностранный член-корреспондент Петербургской академии
наук. Он учился в Берлине,
проявлял большой интерес к
минералогии, преподавал в
Кёнигсбергском университете,
в 1829 году стал профессором,
в 1834 году сотрудничал со знаменитым физиком Якоби.
63 года назад (в 1945 г.) родился
Франц Беккенбауэр, легендарный немецкий футболист, тренер, чемпион и вице-чемпион
мира и Европы. С 1994-го – президент ФК «Бавария», с февраля
2002-го – председатель наблюдательного совета этого футбольного клуба. В 1972-м и 1976 г.
был признан лучшим футболистом Европы. В 1974-м в составе
сборной Германии стал чемпионом мира. В качестве главного
тренера сборной ФРГ выиграл
чемпионат мира 1990 г.
Календарь подготовила
Татьяна Мейснер
Р е г и о н ы Г е р ма н и и
Московская немецкая газета №. 16 (239) Август 2008
Кёльн: собор, карнавал, одеколон и не только...
VII
Гитлеру жители этого города бросали цветы… вместе с горшками
«Кёльн – добрый, щедрый, веселый город, открытый всему миру
и глубоко самобытный не только
в суматошной пестроте карнавалов»… Так сказал об этом городе
известный правозащитник и германист Лев Копелев.
Константин Григорьев,
фото автора
А начиналось
так…
Юлия Агриппина, родившаяся на левом берегу Рейна, была
правнучкой императора Августа, внучкой полководца Марка
Випсания Агриппы, дочерью
Агриппины Старшей и полководца Германика и сестрой
императора Калигулы. В 49 году
н.э. эта решительная женщина
вышла замуж за императора
Клавдия – родного дядю. Она
и заставила мужа основать на
месте ее рождения колонию под
названием Колония Клаудио Ара
Агриппиненсиум. Постепенно от
этого названия осталось только
слово Колония, превратившееся
в нынешний Кёльн.
Русский историк-германист
Лев Копелев писал о Кёльне:
«Возник он 2000 лет тому назад,
построен римлянами, воздвигавшими здесь укрепления, пролагавшими дороги на запад, на
юг и на север и многие километры водопроводов. Здесь встречались и смешивались кельтские, германские и италийские
племена, и разноплеменные
римские легионеры, среди которых были представители балканских, малоазиатских и африканских народов… Уже в нашем
тысячелетии Кёльн был 73 раза
отлучен Папой за своеволье, но
всегда находились бесстрашно
упрямые священники или монахи, которые в подземных помещениях романских церквей, в
криптах, правили службу вопреки папским запретам, крестили,
причащали, венчали, отпевали
отлученных кёльнцев… Кёльн с
1794-го до 1814 года принадлежал сначала Французской Республике, потом Французской
империи. С 1815 года он стал
прусским городом, но в 70-е годы
XIX века упрямо сопротивлялся
имперской унификации Бисмарка, отстаивая свою католическую независимость. Нацисты в
свои самые удачливые годы не
набирали в Кёльне даже половины голосов, и о Гитлере говорили, что он неохотно приезжает
в этот негостеприимный город,
где цветы ему бросают вместе с
горшками.
Первый в
федеральной
земле
Когда поезд преодолевает
мост Гогенцоллернов над Рейном и тормозит перед вокзальным перроном, за окном встает
каменной громадой, закрывая
все другие виды, стена Кёльнского собора. А над бесчисленными рельсовыми путями во
всю ширь вокзального ангара
светится известная миру виньетка: «4711 ЕСНТ KÖLNISCH
WASSER». Так с первой минуты
древний город на Рейне открывает путешественнику свои
сокровенные символы.
Имя Кёльна слышится на всех
европейских языках: «о-де-
В Средние века
кёльнские патриции и богатые купцы приглашали ювелиров, художников,
скульпторов из
Южной Германии и Франции,
из Фландрии и
Праги. Они украшали монастыри,
храмы, фасады
домов, создавали скульптуры и
алтари. Но история сохранила
нам только одно
великое
имя:
Стефан Лохнер
(1410–1451 гг.).
Алтари и фрески
старинных церквей свидетель­
ствуют о том, что
в своих трудах
этот уроженец
Констанца был
не одинок, и это
позволяет говорить о «кёльн­
ской школе жи­во­
пи­си». Тогда же,
в XIV веке, был
основан Кёльн­
ский универ­ситет,
один из древнейших в Европе. Но
к 1388 году город
Вид на Кёльнский собор с берегов Рейна.
давно уже обладал устоявшейколонь», «кёльнская вода»… ся образовательной традицией
Собор, слава и гордость Кёль- благодаря монастырским шкона, высится над старинными лам. Год основания Кёльнского
кварталами и виден в городе собора (1248) совпадает с годом
ото­всюду. Город издревле стоит открытия «высшей школы»
на пересечении важных торго- доминиканского, францискансвых путей, что в каждую новую кого и августинского орденов.
историческую эпоху обеспечи- В 1388 году в Кёльнском унивало ему стремительный взлет. верситете вели занятия 20 проПо численности населения фессоров, учились 600 человек.
Кёльн (1 млн. 20 тыс.) – пер- Теперь студентов здесь в 100 с
вый в земле Северный Рейн- лишним раз больше, и это сказыВестфалия и четвертый город в вается на облике города и уровФРГ (после Берлина, Гамбурга и не его культурной жизни.
Мюнхена). Количество рабочих
мест здесь приближается к 431
тысяче, большинство из них – в
сфере услуг, торговле, банковсДостопримечательности Кёльна
кой и страховой сферах, в авто- начинаются прямо у вокзальной
мобильной промышленности и площади, и первой из них можно
станкостроении, в химической, считать само здание Главного
электротехнической и фарма- вокзала. Как памятник архитекцевтической промышленности. туры охраняется так называеТолько заводы Ford обеспечи- мый перронный зал, перекрытый
вают работой 21 тыс. человек. цилиндрическим сводом (ажурДавнюю традицию имеет фаб- ной конструкцией из металла и
рика Stollwerk, выпускающая стекла), сквозь который виден
шоколад и другие кондитерс- северный фасад Собора. На кёлькие изделия. Это и крупнейший нский вокзал каждый день прив земле Северный Рейн-Вест- бывает до 1300 поездов.
фалия медиа-центр. Из тех, кто
Слева от выхода ступени лестзанят в сфере массовых ком- ницы ведут к Кёльнскому собомуникаций ФРГ, каждый 10-й ру. Площадку перед ним называчеловек работает в Кёльне.
ют Domplatte. Это одна из самых
популярных точек Кёльна. Тут
группами и поодиночке гуляют туристы с фотоаппаратами.
Старый Домгород (Domstadt) Тут устраивают митинги стона Рейне известен в первую ронники чего-нибудь и борцы
очередь как город искусства с чем-то. Гоняют на роликах и
и интернациональный город скейт-бордах мальчишки. Воовыставок. Благодаря Кёльн- ружившись цветными мелками
скому собору и 12-ти римским и кружкой для монеток, набивцерквям, он считается одним шие руку художники невозмутииз важнейших культурных мо воспроизводят на мостовой
центров Германии. Бесцен- «Джоконду» или «Автопортрет»
ные находки римской эпохи Рембрандта.
Летом 1998 года Кёльн праздсобраны в городских музеях.
Строительство и археология новал 750-летие с того дня, когда
в Кёльне теснейшим образом архиепископ Конрад фон Хохштавзаимосвязаны. Почти каж- ден заложил первый камень в фундая попытка «рыть в глуби- дамент нового Собора, на строину» оборачивается здесь цен- тельство которого понадобилось…
632 года и 2 месяца!
ной находкой.
Под сенью Собора
Истоки культуры
Неисчислимы
художественные сокровища храма, обретенные
за прошедшие столетия.
Его величайшая святыня
– мощи Трех Королей-волхвов – хранится в саркофаге, выполненном мастером
Николаем из Вердена. Этот
золотой саркофаг (длина 2,2 м;
высота 1,53 м; ширина 1,1 м;
вес 600 кг) – самый большой из
подобных ему в Европе, имеет
форму трехнефной базилики.
Идем по
Старому городу
Неподалеку от Собора расположены важнейшие музеи Кёльна: Музей прикладного искусства, Городской, Музей шоколада,
Музей спорта и Олимпийских
игр, Архиепис­копский музей.
А непосредственно с Собором
соседствует Римско-германский
музей, посвященный наследию
римских времен и эпохи переселения народов. Обогнув его
слева, видишь Музей Людвига, где представлена солидная
коллекция фабриканта Петера
Людвига: американский попарт,
немецкий
экспрессионизм,
работы Пикассо, Леже, Клее,
Кандинского, Дали. Кёльнская
филармония расположена в буквальном смысле слова под Площадью Генриха Бёлля, образующей ее кровлю. Нижняя точка
амфитеатра находится глубже
уровня Рейна; от воды и грохота автомобилей в туннеле под
набережной филармонию защищает двойной бетонный корпус. Между прочим, Рейн весьма строптив: наиболее сильные
наводнения Кёльн пережил в
1993-м и 1995 годах, когда уровень воды достиг рекордной за
последнее столетие отметки –
10, 26 м, улочки Старого города
превратились в каналы…
Романская церковь Св. Мар­
тина выстроена там, где когда-то
были римские купальни, потом
римские склады и, наконец,
монастырь. Но в середине XII
века церковь уничтожил пожар,
а на ее месте возник нынешний храм. Кукольный «Хеннешен-театр», где представления
идут на кёльнском диалекте,
находится недалеко отсюда, на
Eisenmarkt. На Ostermannplatz
находится пив­ная с самым знаменитым в Кёльне названием
– Päffgen. Многие кёльнцы считают лучшим сортом «Кёльш».
Это пиво продается только в
розлив.
Готическую башню Ратуши,
которая была самым высоким
сооружением города до завершения в 1880 году Собора,
украшают 124 фигуры людей,
связанных с историей Кёльна, – курфюрсты и правители,
политики, ученые и так далее.
Среди них – архиепископ Хильдебольд, Карл Маркс, Конрад
Аденауэр, Генрих Бёлль и другие. Но выше всех располагаются, конечно, Три Короля и
святые покровители города.
Прежде со второго яруса башни
бургомистр оповещал граждан
о решениях Совета. Теперь он
появляется на площади раз в
год, ровно в 11 часов 11 минут
11 ноября, в день начала знаменитого кёльнского Карнавала…
От средневекового еврейского
квартала, очертания которого
выложены на площади цвет-
Городские ворота.
ным булыжником, сохранилась
только ритуальная купальня – Миква. Под стеклянной
пирамидой винтовая лестница
ведет на 16-метровую глубину. Рядом расположено новое
здание Музея Вальрафа-Рихарца, представляющего живопись XIII–XIX вв., скульптуру
и графику XIX в.; в коллекции
– работы Стефана Лохнера и
его школы, картины Кранаха
Старшего, Дюрера, Рубенса,
Ван Дейка, Рембрандта и др. А
за площадью Ноймаркт виден
могучий силуэт романской церкви Св. Апостолов. Рядом –
памятник Конраду Аденауэру,
первому бургомистру Кёльна и
первому послевоенному канцлеру ФРГ.
«Кёльнское
чудо»…
Еще несколько шагов вперед, и
перед нами – самое мрачное из
мемориальных мест Кёльна —
«Эль-Де-Хаус», куда в 1935 году
вселилось кёльнское гестапо.
В подвалах устроили камеры, где
содержали до 33 заключенных,
а во дворе – братскую могилу.
Постоянная выставка посвящена теме «Кёльн во времена национал-социализма».
Напомним: за годы Второй
мировой войны в бомбежках погибли 20 тыс. кёльнцев
и столько же на фронтах; 7100
евреев были уничтожены в конц­
лагерях. Когда 6 марта 1945-го
в Кёльн вошли американцы, он
был разрушен почти на 90 процентов. Но кёльнцы, возвращаясь к руинам своих жилищ, взялись за дело с немыслимым рвением, совершив то, что вошло в
историю Германии под названием «кёльнское чудо»: по историческим чертежам и планам
были заново отстроены целые
кварталы у Рейна. Восстановление Кёльна заняло более 20 лет
и было завершено к 1970 году, а
1985-й объявили «годом романских церквей» – именно тогда
двенадцать знаменитых храмов
засияли, наконец, прежней красотой.
VIII
Д О С У Г
Московская немецкая газета №. 16 (239) Август 2008
Письма оттуда
Радость общения
и всерьез
Привет тебе, Василий! Какое же
это счастье, что мы с тобой общаемся, верно? Хотя, может, для тебя
это – пустяки, а мне-то отсюда ох
как важно! Двумя русскими словами с нормальным другом переброситься иногда просто невтерпеж.
Хотя, конечно, есть и тут укромные русскоязычные места, не без
этого. Вот на днях в одном тутошнем явно торговом заведении-продмаге-супермаркете, куда охотно
приходят наши люди, картинку
наблюдал. Никто вроде ничего не
покупает, то есть процесса «товарденьги-товар» как такового не
наблюдается, а очередь к прилавку
грудится, да еще легкие и непринужденные беседы друг с другом и
с продавщицей без толку ведет. Ну,
я, терпел все это, но спеша, как
всегда, куда-то и видя, что очередь
– как та подмосковная речка у
Соловьева-Седого: «движется и не
движется», неназойливо так намекаю громко продавщице (ну, чтоб
не враз ее женское достоинство
тупостью своей оскорбить):
– Извините, говорю, а выручкато у вас какая-никакая тоже бывает? Минут двадцать уж прошло, а...
не похоже как-то, чтоб кто чего
ценного купил у вас...
Она же, наша закаленная труженица прилавка, совсем не обиделась на мою тупость, терпеливо
разжевывает клиенту:
– А у нас, дорогой, здесь не прос-
Не стал я, Вась, достаивать эту
бесцельную очередь, отвел душу
куда подальше из магазина в тот
раз... Но, как говорят и у нас, и у
немцев, «не плюй в колодец…».
Через какое-то время и меня прихватило: с утра пораньше поругался с женой Любой, хлопнул ей
даже дверью, и – голодный! – стал
бесцельно мотаться по городу. А
на углу у нас тут как раз знакомый
и вполне русский ресторан. Прохожу в хорошо знакомый зал и
сажусь за столик к хорошо знакомому официанту Мише.
– О, сколько лет, сколько зим! –
подбегает ко мне на родном языке
знакомый официант Миша, подает
меню и подсаживается, хотя ему
вроде и не положено. – Мне вроде
не положено, но тут такой редкий
гость, в кои-то веки!.. Как наши
дела?
– Есть охота, Миш, – признаюсь
я ему как на духу. – Та-ак... Значит,
на первое мне...
– А что, поссорились с супругой
Любой? И очень хорошо! А то прямо тут поболтать не с кем! Все
куда-то, черти, спешат, подгоняют,
будто официант – не человек.
– Не обращайте внимания, Миша,
– говорю. – Мне, значит, на первое
принесите рассольник «по-нижневартовски», на второе...
– Да как же не обращать-то!? Не
все ж понимают нас, как вы. И что,
тяжелая вышла ссора?
Миша придвинулся ближе.
– Да нет, не волнуйтесь, из-за
ерунды. Просто... я считаю Элизабет Тейлор хорошей актрисой, а
жена моя Люба... В общем, как я
сказал, рассольник «по-нижневартовски», лангет «по-крыжопольски», со сложным гарниром...
– Со сложным? – переспросил
Миша.
– Хорошо, Миша, не надо со
сложным, если вам сложно…
Несите с простым. Чтоб вам попроще. И, если можно, – побыстрее,
а то уже мутит…
– Понято. А жена?
– Что жена? – вздрогнул я. – Ах,
это... Ну... у нее другое мнение. Она
считает, что я вообще бабник. Что
для меня любая – талант, лишь бы
грудь во весь экран... Да, и еще,
пожалуй, томатный сок. Ну, и салатик, конечно.
– Конечно! А ей-то, наверное,
Тома Круза подавай, не меньше,
да?!
– Да-да, – сказал я. – Причем,
если можно, – с креветками...
– И все? – удивился он.
– Нет. Еще сказал ей, что не приду сегодня обедать. Вот и зашел к
вам...
– И очень правильно сделали! –
поддержал Миша. – Надо же с
кем-то отвести душу по-русски!
Он вдруг о чем-то вспомнил,
вскочил со стула и скрылся на кухне, а минут через десять появился
с кучей блюд на подносе – радостный, словно нес мне спасение от
голодной смерти. Однако... раздав
все направо и налево, Миша с пустым подносом подсел ко мне.
– Заждались? – участливо поинтересовался он. – Да-а, вы совершенно правы, не разбираются у
нас еще в киноискусстве. Да вы
возьмите хотя бы позднего Антониони!
– Поздно, – мрачно пошутил я.
– На голодный желудок его не
возьмешь.
– Ха-ха-ха! А как вам эта его
пресловутая некоммуникабельность, а?!..
Его окликнули слева. Криво улыбнувшись мне, Миша умчался. Вернулся быстро, минут через пятнадцать, подав соседям какую-то
аппетитную дичь с яблоками.
– Извините, что отвлекся... Черти, сбили мысль! Не дадут спокойно с нашим человеком пообщаться
от души! Так на чем мы с вами?...
Ах да! Так если взять последние
ленты Куросавы...
– Куропатки!..
– Что?! Я говорю: Куроса...
– Куропатки! Конечно, куропатки, – догадался я. – Им там, на
соседний столик, вы принесли
куропатки с яблоками, да?!!
Его окликнули справа... Когда он
вернулся, я этого даже не заметил.
– Ну, как вам у нас?.. – улыбнулся
Миша. – Аллес кляр?
– Аллес... Вернее, нет – все,
Миша, хватит, – выдавил я из
себя. – Рассольник по-..., лангет
по-... не надо, бог с ними, пошли
они все по-... А вместо сока можно
стакан молока. Чтоб вам попроще...
– Мо-ло-ка... – Миша глубоко
задумался. – По-моему, его нет. Но
знаете, для ВАС я найду! Кстати, в
одной рецензии писали, что если в
фильме все эпитеты и метафоры
доведены до гиперболы, то... не
помню дальше... Надо поискать эту
газету... Я сию минуту!
Спустя полчаса он пришел сияющий. Наверное, нашел-таки для
меня молоко.
– Нашел!!! – обрадовано шепнул
он мне, пробегая с подносом мимо,
к другим столикам. Рассчитавшись
с соседями, он снова склонился
надо мной:
– Нашел, представьте себе!
Конечно, валялась в кармане плаща. Вот!
Он положил передо мной измятую газету с рецензией.
– У них там, в Голливуде, говорят,
на актеров жуткий голод!
– У них... голод?! – я посмотрел
ему в глаза. – А у нас? Вернее, у вас,
здесь – не голод?!.. Рассольник,
салат с креветками! Вы случайно
не забыли?!
– Что вы!? Как же можно! – официант Миша, обиженный, открыл
свой блокнот. – И еще лангет. И
молоко вместо сока, верно? Все
четко. Видите, ничего не забыл, это
же моя работа. Вот вам и счет:
девять семьдесят. Что-то вы сегодня скромно...
Я уплатил ему по счету и, шатаясь
от голода, вышел из знакомого и
абсолютно русского ресторана. И
представь, Вась, я шел и думал, что
эта самая Элизабет Тейлор – не
такая уж, в сущности, и талантливая, а? И чего я из-за нее полез в
бутылку?! Жена Люба, пожалуй, в
чем-то права... Ты-то сам, Васёк,
как соображаешь?
Но… с другой стороны, и этот
Миша вроде прав: иногда с кем-то
отвести душу, как вот мы с тобой,
особенно на чужбине, – очень даже
полезно. Для здоровья. Чего и тебе,
Василий, желаю. И жена Люба
желает, хотя мы с ней пока не разго­
вариваем, но оба – все еще с приветом… Пока-пока.
Гр. Кр.
Ответьте, пожалуйста, по-немецки
КРОССВОРД cоставила Валентина Васильева
По горизонтали:
1. Ясность, четкость. 4. Мудрость. 9. Жанр песни. 10. Обмен.
11. Железный. 12. Дорожка для конькобежцев. 13. Близость. 16. Африканское государство. 18. Защитное голов­
ное по­крытие. 19. Бог любви в греческой мифологии.
22. Мясной продукт. 24. Вьющееся растение. 26. Здание
для постановки спектаклей. 29. Сторонник защиты экологии. 30. Обметать край материи. 31. Смесь. 32. Нравиться.
33. Основатель.
ä=ae,
ü=ue,
ö=oe,
ß=ss
По вертикали:
1. Съедобный плод. 2. Чувство опьянения. 3. Порода дерева. 5. Внутри. 6. Крупное животное. 7. Псевдоним. 8. Надменный человек. 14. Возбудитель болезни. 15. Составная
часть, компонент. 16. Воинское звание. 17. Небольшое
европейское государство. 20. Движение. 21. Разделяемый.
23. Женское имя. 25. Государство в Азии. 26. Район Берлина. 27. Вид пения. 28. Немецкая фирма – производитель
стеклопакетов.
Senkrecht:
1. (die) Kastanie. 2. (der) Rausch. 3. (die) Eiche. 5. innen.
6. (der) Hirsch. 7. (der) Tarnname. 8. (der) Snob. 14. (der)
Erreger. 15. (das) Element. 16. (der) General. 17. Andorra.
20. (die) Bewegung. 21. trennbar. 23. Stella. 25. Indien.
26. Tegel. 27. (die) Arie. 28. Rehau.
И
то торгуют. У нас здесь – разгова-
в шутку, ривают. Душу отводят то есть.
Waagerecht:
1. (die) Klarheit. 4. (die) Weisheit. 9. (das) Chanson. 10. (der)
Tausch. 11. eisern. 12. (die) Eisbahn. 13. (die) Naehe.
16. Ghana. 18. (der) Helm. 19. Eros. 22. (die) Wurst. 24. (die)
Liane. 26. (das) Theater. 29. (der) Gruene. 30. endeln. 31. (das)
Gemisch. 32. gefallen. 33. (der) Gruender.
Над выпуском работали редакторы Лариса Худикова и Ольга Силантьева. Корректор русских текстов Марина Лищинская.
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G esellschaft
M o s k a u e r D e u t s c h e Z e i t u n g N r. 1 6 ( 2 3 9 ) A u g u s t 2 0 0 8
„Wir müssen Stärke zeigen“
09
Wie arbeitet die berüchtigte Polizei-Sondereinheit Omon? Ein Ehemaliger gewährt Einblick.
Omon ist eine Elite-Einheit des
Innenministeriums. Wie schwer ist
der Einstieg in die Truppe?
Omon ist eine Kampfeinheit, dementsprechend werden die Bewerber
ausgewählt: Um den körperlichen
Gesundheitstest zu bestehen, müssen sie in Topform sein. Sie müssen
auch über bestimmte intellektuelle Fähigkeiten verfügen, es gibt
eine psychologische Untersuchung.
Bedarf an Kräften gibt es ständig, aber die Personalarbeit ist so
erfolgreich, dass wir fast immer voll
besetzt sind. Von 100 Bewerbern
werden ungefähr 30 genommen.
Wer entscheidet sich für den Dienst?
Die Motivation ist unterschiedlich. Meistens sind es junge Leute,
die gerade ihren Wehrdienst absolviert haben. Leute, die noch keine
ganz genaue Vorstellung über ihren
weiteren Lebensweg besitzen.
Andere haben sozusagen gewisse
romantische Vorstellungen, weil
bei Omon gekämpft wird und sie
im Umgang mit Waffen ausgebildet
werden. Auch der große Zusammenhalt der Truppe ist für viele
ausschlaggebend. Das gilt besonders für jemanden, der die Armee
verlassen hat, aber weiterhin ein
mit einem Kollektiv verbundenes
Leben führen will.
Gibt es auch Kollegen, die keinen
Militärdienst absolviert haben?
Sehr wenige. Ein Prozent etwa.
Wer nicht in der Armee war, wird
meistens nicht genommen.
Korruption ist alltäglich in Russland.
Erleichtert eine finanzielle Zuwendung auch die Aufnahme bei Omon?
Ich kann von meiner persönlichen
Erfahrung erzählen: Als ich damals
die medizinische Untersuchung
gemacht habe, stellten die Ärzte
leichte Plattfüßigkeit fest und versuchten mir so den Weg zu versperren. In so einer Situation muss man
einen Umweg finden.
Was kostet ein solcher „Umweg“?
Das kommt drauf an, welche Diagnose festgestellt wird.
Sie sagten es bereits: Plattfüße.
Ich hatte Glück: Ich bin in eine
andere Klinik gegangen, dort gab es
einen anderen Befund.
Was wird in der Ausbildung gelehrt?
In erster Linie Disziplin. Man
muss gut schießen können und
Kampfsportarten beherrschen. Man
lernt Zurückhaltung und Verhaltensstrategien bei Massenunruhen.
Erhalten Sie während der Ausbildung
auch eine politische Prägung?
Es gibt keinerlei politischen Aspekt
in unserer Arbeit. Bewerber werden
nicht nach ihren Ansichten gefragt.
Ein Beispiel: Vor den Duma- und
den Präsidentschaftswahlen gab
es überhaupt keine Wahlwerbung
bei Omon, auf die Mitarbeiter
wurde kein Druck ausgeübt. Nur
zur Abstimmung mussten wir alle
gehen. Aber für wen wir stimmen,
das war völlig unserem Gewissen
überlassen.
Wie hoch ist das Gehalt bei Omon?
Mein letzter Lohn als Kommandeur waren 23 000 Rubel. Anfänger
bekommen etwa 15 000 bis 17 000
Rubel im Monat.
Der russischen Armee eilt der traurige Ruf von Gewalt unter Kameraden voraus. Kommt dies auch in
Ihrer Spezialeinheit vor?
Es ist überall so, dass bestimmte
Menschen ein bisschen schikaniert
werden. Das passiert jedem in einer
Gemeinschaft, in die er nicht passt.
So jemand wird dann gezwungen
zu gehen. Manchmal ist das härter,
manchmal ist es weniger hart. Bei
Omon ist es härter als anderswo.
Sie prügeln ungeeignete Kandidaten
raus?
Wir wenden keine Gewalt an.
Dafür schlägt Omon auf die politische Opposition ein. Bei den oppositionellen Märschen von Garri Kasparow im vergangenen Jahr waren
viele Beobachter schockiert über die
Gewalt, die auch vor friedlichen
Demonstranten nicht Halt machte. In
St. Petersburg wurde ein deutscher
Fernsehreporter geschlagen, als er
über eine Kundgebung berichtete.
Der „Marsch der Unzufriedenen“
von Herrn Kasparow war eine unerlaubte Demonstration. Es war eine
politische Aktion, es versammelte
sich eine große Menschenmenge,
Demonstranten blockierten die
Straße. Das war eine Störung für
das Leben in der Stadt. Deswegen
wurde Omon eingesetzt. Wäre es
eine erlaubte Demonstration gewesen, hätte es keine Probleme gegeben. Es gibt auch genehmigte Kundgebungen der Kommunisten, bei
denen keine Schwierigkeiten entstehen und Omon nicht eingesetzt
wird. Beim „Marsch der Unzufriedenen“ ging es den Organisatoren
aber um die Destabilisierung der
Situation. Die Aufmerksamkeit der
Medien versuchten sie dann für
ihre Eigenwerbung auszunutzen.
Aber hätte Omon nicht weniger
brutal vorgehen können?
Hintergrund: Die „Schwarzen Barette“
Markenzeichen von Omon-Angehörigen sind der Tarnanzug und ihre
Kopfbedeckung. Umgangssprachlich ist deshalb oft von den „Schwarzen
Baretten" die Rede. Die Abkürzung Omon bedeutet übersetzt „Milizbrigade
besonderer Bestimmung“, die paramilitärische Polizeitruppe untersteht
dem russischen Innenministerium. Omon-Angehörige kommen bei Massen­
veranstaltungen, Razzien oder dem Objektschutz sensibler Einrichtungen zum
Einsatz. Eine speziell ausgebildete Untereinheit übernimmt besonders heikle
Aufgaben wie Geiselbefreiungen und Anti-Terror-Kampf. Den Polizisten
wird dabei häufig eine unverhältnismäßige Gewaltanwendung vorgeworfen.
Aus dem Tschetschenienkrieg sind Menschenrechtsverletzungen der
Spezialeinheit überliefert. Omon war auch bei der Befreiung des Moskauer
Dubrowka-Theaters im Oktober 2002 beteiligt und spielte eine entscheidende
Rolle beim dramatischen Ende der Geiselnahme von Beslan im Jahr 2004.
Beide Male starben viele unschuldige Menschen.
Foto: Reuters
Die Spezialeinheit Omon ist bekannt für ihre Härte. Im vergangenen Jahr
fielen die Polizisten in den blau-grauen Kampfanzügen durch ihr HaudraufVorgehen bei Demonstrationen der Opposition auf. Wie aber bewertet ein
Omon-Angehöriger dieses Verhalten? Ein ehemaliger Mitarbeiter spricht
im MDZ-Interview über Gewalt gegen Demonstranten, Korruption im
Arbeitsalltag und das Ansehen der Truppe in der russischen Bevölkerung.
Der Mittdreißiger arbeitete acht Jahre lang bei der Spezialeinheit der
russischen Miliz, zuletzt befehligte er als Zugkommandeur 36 Polizisten.
Vor einiger Zeit hat er Omon verlassen, ist aber weiterhin im Staatsdienst
tätig. Er möchte anonym bleiben, denn eigentlich ist es ihm nicht erlaubt,
öffentlich über seine Tätigkeit zu berichten.
Omon-Polizisten griffen bei einem Oppositionsmarsch im April 2007 in Moskau durch
und nahmen Dutzende Aktivisten in Gewahrsam.
Unsere Hauptaufgabe ist es, bei
Massenveranstaltungen, wie Sport­
ereignissen, Konzerten oder politischen Kundgebungen keine Störungen zuzulassen. Omon greift
nur hart durch, wenn es sich um
verbotene Aktionen handelt. In
diesen Fällen müssen wir einfach
unsere Stärke zeigen, um andere
abzuschrecken. Wenn wir zu liberal
sind, wird das die Menge als Schwäche verstehen und aktiver werden –
und wir scheitern bei der Erfüllung
unserer Aufgabe.
Ich muss aber sagen, dass niemand
einfach so verprügelt wird. Das sind
einfach Lügen. Ich kenne diese Bilder in den Medien: Dass ein Mensch
auf dem Boden liegt, von Polizisten
in den Bus geschleppt wird oder
dass jemand geschlagen wird. Die
Ausgangssituation wird dabei nicht
gezeigt: Oft gibt es Provokationen.
Jemand schlägt mir von hinten auf
den Kopf oder er hat eine Waffe in
der Hand. Haben Sie gesehen, wie
Omon-Einheiten ruhig dastehen
und geduldig ausharren, obwohl sie
bespuckt und mit Eiern beworfen
werden? Aber darüber wird nicht
berichtet.
Sie haben wahrscheinlich selbst
schon zugeschlagen.
Sicher.
Wie fühlt sich das an?
Glauben Sie, dass es angenehm
ist? Ich bin ein ausgeglichener
Mensch und aus dem Alter raus, in
dem es vielleicht Spaß macht, sich
zu prügeln. Der Zweck ist nicht,
jemanden zu erniedrigen, sondern
schwere Folgen zu vermeiden. Ich
muss noch erwähnen, dass wir bei
Massenveranstaltungen keine Waffen mit uns führen. Es wird nur
physische Gewalt angewendet.
Gibt es jüngere Kollegen, die eine
andere Einstellung zu Gewalt
haben?
Das ist eine Frage der Bewerber­
auswahl. Wenn die Psychologen
einen Fehler gemacht haben, dann
kann es passieren, dass so jemand
zu Omon kommt. Ja, wahrscheinlich gibt es solche Menschen.
Was denken Sie über den KremlKritiker Kasparow?
Er ist ein großer Schachspieler.
Über seine menschlichen Eigenschaften kann ich nichts sagen.
Ich verstehe nicht, was er will: Es
ist einfach, die Machthabenden zu
kritisieren. Aber was er selbst tun
würde, wenn er an der Macht wäre,
weiß ich nicht.
Was halten Sie von der außerparlamentarischen Opposition?
Sie ist schwach. Ich glaube ihnen
nicht. Sie verfolgen nur ihre eigenen
Ziele: Es geht um die Steigerung
ihrer eigenen Bekanntheit. Ihre
Popularität hängt davon ab, wie
viel über die Bewegung gesprochen
wird. Das ist alles reine PR.
Wie bewerten Sie die acht Jahre
unter Präsident Wladimir Putin?
Ich sehe sie positiv. Man muss
bedenken, in welchem Zustand sich
der Staat befand, als Putin an die
Macht gekommen ist und in wel-
chem Zustand sich der Staat heute
befindet. Es gibt noch immer einige
Probleme, die werden sich allerdings
mit der Zeit auch lösen lassen.
Ist Russland eine Demokratie?
Nein. Ich glaube auch nicht an
Demokratie. Nur im alten Griechenland gab es eine Demokratie.
Der politische Ton unter Dmitrij
Medwedew ist sanfter, als er unter
Präsident Putin war. Macht sich
diese Veränderung auch bei Omon
bemerkbar?
Es gibt eine Auswirkung auf unsere
Arbeit: Jede Führungspersönlichkeit
beginnt ihre Tätigkeit damit, Autorität herzustellen. Medwedew will sich
durch die Bekämpfung der Korrup­
tion profilieren. Ein Sprichwort besagt
doch, dass der Fisch vom Kopf her
stinkt. Medwedew trifft mit seiner
Anti-Korruptionskampagne hingegen
die unteren Stufen, die ausführenden
Mitarbeiter. Deswegen ist die Arbeit
für Omon oder die Miliz schwieriger
geworden.
Wäre es nicht besser, wenn es keine
Korruption mehr gäbe?
Das ist unmöglich. Korruption gibt
es überall: In Amerika, in China, in
Russland, auch in Deutschland.
Also werden auch Omon-Angehörige
bestochen.
Ja.
Bitte nennen Sie ein Beispiel.
Es geschieht meistens bei Festnahmen: Jemand versucht seiner Strafe
zu entkommen und bietet Geld an.
Das ist genauso wie bei der Verkehrspolizei: Das sind Situationen
aus dem täglichen Leben.
Was war die höchste Summe, die Sie
jemals angenommen haben?
Ich habe noch nie etwas angenommen. Ich kann aber sagen, was mir
jemand angeboten hat.
Gerne.
Der höchste Betrag waren 60 000
Rubel.
In welcher Situation war das?
Bei einer Festnahme wegen Drogenbesitzes.
Kamen Sie gar nicht in Versuchung,
das Geld anzunehmen?
Ich denke in solchen Fällen an
meine Familie. Sie ist mir wichtiger,
als das Risiko einzugehen, unehrenhaft entlassen zu werden. Natürlich
kommt man in Versuchung: 60 000
Rubel sind eine große Summe, vor
allem bei meinem niedrigen Lohn.
Doch derjenige, der die Bestechung
anbietet, kann später gegen den Polizisten, der das Geld angenommen
hat, klagen. Wenn ich wüsste, dass
ich kein Risiko eingehe, hätte ich
das Geld möglicherweise genommen. Aber das Risiko ist hoch.
Wir sprechen über Korruption und
Gewalt: Können Sie verstehen, dass
Omon einen schlechten Ruf hat?
Wer sagt das?
Es ist von vielen Russen zu hören.
Menschen, die das sagen, verstehen die Bedeutung von Omon nicht
oder es sind Menschen aus einer
bestimmten politischen Richtung,
die vielleicht Konfrontationen mit
der Einheit hatten und deswegen
Kritik üben. Bei großen Menschenmengen kann es ein Gedränge geben
und so eine Gefahr für die Menschen
entstehen. Wenn wir versuchen
diese Mengen auseinander zu treiben, geschieht das zum Schutz der
Bevölkerung und nicht zur Abschreckung oder zur Drohung. Man muss
das verstehen, um die Arbeit von
Omon richtig zu bewerten.
Das negative Ansehen in der Bevölkerung stört Sie also nicht?
Wer glaubt, dass Omon einen
schlechten Ruf hat, ist im Unrecht.
Das Gespräch führte Oliver Bilger.
10
RUSSLANDS NACHBARN
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Foto: RIA Nowosti
„Wer sagt denn, dass der
Zerfall der Sowjetunion
bereits abgeschlossen ist?“
Georgien wird ohne Abchasien und Südossetien ein besseres Land
werden, so wie Serbien ohne das Kosovo – glaubt Nikolaj Slobin
Der Ton zwischen dem Westen und
Russland verschärft sich immer
mehr. Ist diese Konfrontation ratio­
nal mit den Ereignissen rund um
Südossetien erklärbar?
Nein, das ist Aktionismus und
völlig unproduktiv. Wir erleben eine emotionale Phase der
Auseinander­setzung, die davon
geprägt ist, dass Rechnungen beglichen werden. Es hat sich viel an
Kränkung aufgestaut, und nun wird
zurückgeschlagen. Seriöse Politik
sieht anders aus. Allerdings bin ich
deshalb auch nicht so beunruhigt,
als wenn das alles wohlüberlegte
Schritte wären. Dieses Drama kann
nicht von langer Dauer sein. Das
darf es auch nicht, denn dafür ist
die Lage im Kaukasus inzwischen
viel zu akut. Allen war klar, dass
der Status quo in Abchasien und
Südossetien nicht ewig so bleiben
kann, dass man früher oder später etwas unternehmen muss. Aber
man hat sich immer wieder für
später entschieden.
Jetzt ist zumindest Bewegung in die
Statusdiskussion gekommen.
Nur sehe ich lediglich Improvisa­
tion, sonst nichts. Die USA schlagen vor, zur Konstellation zurückzukehren, wie sie vor Kriegsausbruch war, aber das ist unmöglich.
Die Europäer wollen erstmal eine
Friedenstruppe schicken und dann
weitersehen, was auch immer das
heißt. Selbst Russland hat im Grunde kein Konzept. Abchasien und
Südossetien die Anerkennung zu
verweigern, ging nach den jüngsten
Entwicklungen nicht. Die beiden
Regionen anzuerkennen, ohne sich
vorwerfen lassen zu müssen, mit
zweierlei Maß zu messen, setzt
jedoch die Anerkennung des Kosovo voraus. Dazu hat sich Russland
bis heute nicht durchgerungen.
Ist die Unabhängigkeit von Abchasien und Südossetien eine tragfähige Lösung?
Zumindest macht es aus meiner
Sicht keinen Sinn mehr, die territoriale Integrität Geor­giens zum Maß
aller Dinge zu erheben. Abchasien
und Südossetien sind in der Realität schon lange unabhängig von
Georgien, ob das nun zum Beispiel
die EU anerkennt oder nicht. Auf
einem anderen Blatt Papier steht,
wie unabhängig eine Provinz wie
Südossetien tatsächlich sein kann.
In diesen Statusfragen gibt es keine
verbindlichen Mechanismen, aber
Territorialkonflikte rein aus juristischer Sicht zu bewerten, führt in
die Sackgasse. Ich finde, man sollte
sie schöpferisch angehen. Recht
ist, worauf man sich einigen kann.
Es wandelt sich sowieso ständig.
Gesetze werden abgeschafft, neue
angenommen. Jede Revolu­tion ist
ein Angriff auf die geltende Verfassung. Wenn sich alle immer an
die Gesetze gehalten hätten, dann
würden wir heute noch im Alten
Rom leben.
Folgt man Ihrer Logik, könnte sich
die Landkarte erheblich verändern.
In Europa hatten wir 50 Jahre lang
eine stabile politische Geografie.
Jetzt beobachten wir einen Prozess
der Veränderung von Grenzen. Ich
als Historiker halte das für ganz
normal. Wer sagt denn, dass der
Zerfall der Sowjetunion bereits
abgeschlossen ist? Ich würde weniger die formale und völkerrechtliche Seite betonen. Gerade die oft
willkürlich gezogenen sowjetischen
Grenzen für unantastbar zu erklären, erscheint mir eine Dummheit.
Aber ist nicht eine Kettenreaktion
zu befürchten, wenn separatistische
Bestrebungen nachträglich legitimiert werden?
Foto: Archiv
Der Krieg im Südkaukaus hat die Fronten zwischen Ost und West nachhaltig verhärtet. Entspannung ist nicht in Sicht. Erst schlug das russische
Vorgehen in Georgien diplomatische Wellen, nun hat Russland auch noch
die Unabhängigkeit von Abchasien und Südossetien anerkannt. Nikolaj
Slobin, Direktor der Russland- und Eurasien-Programme am World Security
Institute in Washington, spricht im Interview mit MDZ-Redakteur Tino
Künzel über Auswege aus der Krise.
Mehrere Zehntausend Menschen demonstrierten Mitte August im Zentrum von
Abchasiens Hauptstadt Suchumi für die Unabhängigkeit der Provinz.
Die Gefahr besteht natürlich. Das
erklärt möglicherweise auch die
passive Reaktion der GUS-Staaten.
Die sind alle noch nicht so gefestigt, als dass ihnen in dieser Hinsicht keine eigenen Probleme drohen. Das gilt im Übrigen sogar für
Russland.
Georgien hat bereits erklärt, dass es
eine Unabhängigkeit seiner abtrünnigen Republiken niemals akzeptieren wird.
Für Georgien wäre es hilfreich,
sich von Abchasien und Südossetien zu lösen, so wie Serbien von
der Unabhängigkeit des Kosovo
profitiert, davon bin ich überzeugt.
Das öffnet den Weg für eine politische Gesundung und stellt die
Nationalisten ins Abseits. Anstatt
sich den Kopf zu zerbrechen, wie
Zchinwali zurückzuerobern sei,
beschäftigt sich die Politik endlich damit, die Lebensverhältnisse
zu verbessern. Wir befinden uns
im 21. Jahrhundert. Die Frage, wo
Menschen leben möchten, wird
zunehmend über die Lebensqualität entschieden. Warum wollen
denn so viele nach Deutschland?
Weil man es dort gut hat. Georgien hätte in Abchasien investieren
sollen, hätte Schulen und Kranken-
häuser bauen sollen, das wäre der
beste Weg gewesen, sich einander
anzunähern. Aber man hat vom
umgekehrten Ende angefangen
und versucht, den Konflikt mit
den Mitteln des 19. Jahrhunderts
zu lösen.
Wie könnte Russland die Beziehungen zu Georgien normalisieren?
Der Kreml hat sich viel zu schnell
eingeredet, Georgien sei nun
feindliches Ausland. Dass daran
ein politisches Interesse besteht,
verstehe ich natürlich. Feinde zu
haben, besonders wenn sie noch
dazu schwach sind, ist immer gut.
Und Russland behandelt Georgien
auch weiterhin als Feind. Unter
diesen Umständen kann Georgien
gar nicht anders, als wirklich Feind
zu sein. Saakaschwili als antirussischer Politiker hat keinen besseren Verbündeten als Russland.
Was konkret würden Sie dem Kreml
also raten?
Russland kann es sich leisten, die
Hand auszustrecken und beispielsweise sein Bedauern auszudrücken
über die Opfer der georgischen
Seite. Es könnte seine Bereitschaft
äußern, das bilaterale Verhältnis zu
verbessern, ohne Vorbedingungen.
Das wäre eine starke Geste.
Osteuropäische Länder wie Polen,
die Ukraine und die baltischen
Staaten haben sich in dem Konflikt
eindeutig hinter Georgien gestellt.
Wie erklären Sie sich das?
Man muss schon festhalten, dass
es Georgien war, das Südossetien
angegriffen hat. Saakaschwili trägt
die Verantwortung für den Tod vieler Zivilisten. In Osteuropa scheinen zahlreiche Politiker zu glauben, dass ihr Wert für den Westen
darin besteht, eine antirussische
Position einzunehmen. Aber das ist
ein Irrtum. Viel wichtiger wäre es,
wenn sie zeigen könnten, dass sie
mit Russland zu reden verstehen.
Zweifelhaftes Rückkehrrecht
Die Regierung von Südossetien hat Flüchtlingen aus den georgisch
bewohnten Orten der abtrünnigen Provinz die Rückkehr garantiert, einem
Zusammenleben aber offenbar bereits die Grundlage entzogen. Bei einem
Treffen mit UNO-Flüchtlingskommissar Antonio Guterres in Zchinwali
sicherte Präsident Eduard Kokojty zu, dass es keine Diskriminierung der
georgischen Minderheit geben werde. Außerdem habe sich Kokojty für die
Sicherheit aller Volksgruppen in Südossetien verbürgt, so Guterres vor der
Presse. In der russischen Tageszeitung Kommersant war zuvor ein Interview mit Südossetiens Präsidenten erschienen, in dem er erklärte, eine
Rückkehr der georgischen Bevölkerung komme nicht in Frage. Das russische Außenministerium bezeichnete diesen Standpunkt als emotionale
Über­reaktion und verwies auf internationales Recht. Die Komsomolskaja
Prawda zitierte derweil den südossetischen Parlamentschef Snaur Gassijew
mit den Worten: „Ich weiß, wir haben etwas Scheußliches getan, alle Häuser der Georgier in Brand gesteckt. Aber es gab keinen anderen Weg, den
Knoten zu zerschlagen. Wir haben diesen Krieg nicht angefangen.“ tk
Unfrei in die Freiheit
Drei begnadigte weißrussische Oppositionelle fordern ihre vollständige Rehabilitierung
Sie waren die letzten drei politischen Häftlinge in Weißrussland, deren
Freilassung der Westen zu einer der Vorbedingungen für eine Normalisierung
der Beziehungen zu Minsk erhoben hatte. Mitte August wurden Alexander
Kosulin, Sergej Parsjukewitsch und Andrej Kim, die Haftstrafen wegen
Protestaktionen gegen die Staatsmacht absaßen, innerhalb weniger Tage
von Präsident Alexander Lukaschenko begnadigt. Doch sie gelten nun als
vorbestraft – und sind damit nicht wählbar.
Noch im Frühjahr hatte Alexan­
der Lukaschenko in seiner Rede an
Parlament und Volk die inhaftierten
Oppositionellen der Lächerlichkeit
preiszugeben versucht. Es handele
sich um „gewöhnliche Randalierer“,
die von interessierter Seite zu Helden stilisiert würden. „Sogar einen
Namen hat man sich für sie ausgedacht: politische Häftlinge!“ Auf
Von Tino Künzel
Alexander Kosulin, der im März
2006 bei den Präsidentschaftswahlen gegen ihn angetreten war,
ging Lukaschenko besonders ein.
Der habe zu Jahresbeginn, als andere Oppositionelle freikamen, sogar
ein Angebot zum Erlass der verbleibenden Haftstrafe ausgeschlagen.
„Es muss sich ja erst die ganze Welt
für ihn einsetzen und der Staatsap-
parat in Weißrussland unter diesem
Druck zusammenbrechen. Aber
braucht dich etwa jemand?“
Nun öffneten sich für Kosulin tatsächlich die Tore der Strafkolonie
„Witba-3“. Der frühere Rektor der
Weißrussischen Staatsuniversität
und spätere Vorsitzende der sozial­
demokratischen Partei „Gramada“
hat zweieinhalb Jahre in Gefangenschaft verbüßt, unterbrochen
nur von drei Tagen Hafturlaub zur
Beerdigung seiner Frau Irina. Verurteilt worden war der führende
Oppositionelle 2006 wegen Verletzung der öffentlichen Ordnung
und Widerstands gegen die Staatsgewalt zu fünfeinhalb Jahren Haft:
Er hatte die Präsidentschaftswahlen
als gefälscht bezeichnet und eine
Demonstration angeführt.
Kosulin dankte in Interviews
ausdrücklich dem deutschen Botschafter Gebhardt Weiss für seine
Vermittlungsbemühungen. Die
weißrussischen Behörden hätten
im Winter in der Tat eine Freilassung in Aussicht gestellt, falls er mit
seiner Familie nach Deutschland
ausreise. Doch Kosulin machte klar,
dass er Weißrussland nicht zu verlassen gedenkt, und will sich auch
politisch weiter betätigen. Da er als
Vorbestrafter jedoch nicht für ein
Amt kandidieren kann, fordert der
52-Jährige die EU und die USA auf,
seine Begnadigung erst dann als
Freilassung zu akzeptieren, wenn
sie mit einer Rehabilitierung verbunden wird. Eine entsprechende
offizielle Erklärung ist in Vorbereitung. Ihr wollen sich auch der
43-jährige Unternehmer und Politiker Sergej Parsjukewitsch und der
22-jährige Jugendaktivist Andrej
Kim anschließen, die seit Anfang
des Jahres in Haft waren und kurz
nach Kosulin begnadigt wurden.
Alle drei hatten sich vor Gericht
nicht schuldig bekannt.
Experten kommentierten die Freilassung der Oppositionellen als
ein Signal Lukaschenkos an den
Westen. Eine nächste Nagelprobe
für die politische Kultur in Weißrussland werden die Parlamentswahlen am 28. September.
ZEITGESCHEHEN
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„Ausruhen, müde, ausruhen, müde“
11
72 Medaillen hat Russland bei den Olympischen Spielen in Peking gewonnen. Ist das viel oder wenig? Weder das eine noch das andere, lautet der
Tenor in der Heimat: Es ist Ausdruck eines Leistungsniveaus, mit dem sich
Russland international als dritte Kraft behauptet, während gleichzeitig der
Rückstand auf China und die USA gewachsen ist. Unaufgeregter sind die
Russen noch mit keinem Sportgroßereignis umgegangen. Trotzdem werden
hinter den Kulissen die Posten neu verteilt.
Von Tino Künzel
Pierre de Coubertin wird das Credo
der Olympischen Spiele zugeschrieben, dem zufolge die Teilnahme
wichtiger ist als der Sieg. In Ramsan Kadyrow hat er offenbar keinen Gefolgsmann. Bei der Rückkehr
der tschetschenischen Sportler aus
Peking wurden sie vom Präsidenten
Tschetscheniens auf dem Flughafen von Grosnyj vor einem riesigen
Transparent empfangen, das ihn unter
den olympischen Ringen und mit
dem Schriftzug „Lieber tot als Zweiter sein!“ zeigt. Das ließ für Salamu
Meschidow und Artur Biterbijew, die
im Judo und Boxen noch nicht einmal
die Vorrunde überstanden hatten,
geschweige denn Zweite geworden
waren, das Schlimmste befürchten,
sollte aber wohl eher metaphorisch
gemeint sein. Meschidow und Biterbijew bekamen sogar Drei-RaumWohnungen in Grosnyj geschenkt.
Das war dann allerdings tatsächlich
ein Trostpreis gegen die fürstliche
Belohnung für die tschetschenischen
Olympiasieger Buwajssar Sajtijew und
Islambek Albijew. Kadyrow holte die
beiden Ringer in einem Rolls-RoyceCoupé direkt von der Gangway ab
und fuhr sie in die Stadt. Sajtijew und
Albijew, die zu Ehrenbürgern Tschetscheniens erklärt wurden, erhalten je
500 000 Dollar Siegprämie aus dem
so genannten Kadyrow-Fonds und
Vier-Raum-Wohnungen in Grosnyj. Obendrauf gibt es 100 000 Euro
vom Staat und weitere 500 000 Dollar
vom Ehrenvorsitzenden des Ringerverbandes, dem Milliardär Sulejman
Kerimow.
Dass Olympia aus Sportlern über
Nacht Millionäre macht, ist allerdings
nicht nur nicht im Sinne des Erfinders, es erscheint auch dem übrigen
Russland befremdlich. Ein solcher
Geldregen wurde nirgendwo sonst
ausgeschüttet, und auch die Staatskasse hatte sich vor Peking schwer
getan, ihre Goldprämie auf 100 000
Euro mehr als zu verdoppeln. Schon
das galt so manchem als enormer
psychologischer Ballast: Vor allem
junge Athleten könnten im entscheidenden Moment versagen, wenn dermaßen viel auf dem Spiel steht. Und
sie versagten dann tatsächlich reihenweise – warum auch immer.
Russland erlebte bei der Olympiade
zu Beginn ein Debakel nach dem
anderen. Die Schwimmer, die Turner, die Schützen, die Radfahrer, die
Gewichtheber – sie holten zusammen nicht eine einzige Goldmedaille.
Russland mit seinen fast 500 Olympioniken brauchte lange, bis es in der
Medaillenbilanz wenigstens Michael
Phelps überholte, Amerikas achtfachen Olympiasieger im Schwimmen.
Auch in den populären Ballsportarten war die Ausbeute mit Silber für
die Handballerinnen sowie Bronze
für Basketballerinnen und Volleyballer bescheiden. Besonders das frühe
Aus der Basketballer, immerhin Europameister, hatte niemand eingeplant.
Nach einer ersten Woche, in der die
Russen quasi nicht teilnahmen, kamen
sie dann aber doch aus den Startblöcken. Die russischen Tennis-Damen
um Olympiasiegerin Jelena Dementjewa nahmen gleich das gesamte Siegerpodest für sich ein – so etwas war
zuletzt vor mehr als hundert Jahren
der Fall gewesen. Russlands Ringer
sorgten mit sechsmal Gold für Furore, die Kunstturnerinnen und Synchronschwimmerinnen gewannen,
was es zu gewinnen gab. Und auch
in der prestigeträchtigen Leichtathletik ließen die Russen alle anderen
Länder hinter sich, mit Jelena Isinbajewas 5,05-Meter-Raumflug im Stabhochsprung als Krönung – ein neuer
Weltrekord.
Mit 23 Goldmedaillen überflügelte
Russland im Endspurt noch die überraschend starken Briten und belegte
wie schon in Athen vor vier Jahren
Platz drei in der Nationenwertung.
Damals schienen China und die USA
jedoch nur eine Nasenlänge voraus,
diesmal lagen schon Welten dazwischen. 2004 hatte Russland insgesamt
92 Medaillen gewonnen, 2000 waren
es 88 gewesen. In Peking reichte es nur
zu 72. Dabei hatte das NOK im Vorfeld
„berechnet“, es sollten mindestens 80
sein – und das war noch tiefgestapelt.
Russland liebäugelte mit Platz zwei,
wollte China überflügeln und musste
erkennen, dass man die Konkurrenz
gnadenlos unterschätzt hatte. Doch
die Reaktion war auffallend gelassen,
eine Mischung aus Selbstkritik und
Freude auch über kleine Erfolge, die
bei der Jagd nach Quantität früher gern
übersehen wurden. In der Tageszeitung
„Sowjetskij Sport“ sagte Sportminister
Vitalij Mutko, das Gesamtergebnis
sei die heutige Leistungsgrenze. Es
gebe keinen Grund, nun übereinander
herzufallen und nach Sündenböcken
Foto: RIA Nowosti
Russlands Olympiabilanz ist durchwachsen – auch die Einstellung der Sportler wird kritisiert
Erfolgreiche russische Olympioniken bei ihrer Rückkehr nach Moskau.
zu suchen, eine gründliche Analyse
tue freilich Not. In einigen Sportarten müsse dringend etwas passieren.
Die „Komsomolskaja Prawda“ zitierte
NOK-Chef Leonid Tjagatschew mit
den Worten, Russland brauche eine
neue Generation von Managern, mit
der alten Trainerschule allein käme
man nicht weit.
Aber auch Zweifel an der nötigen
Leistungsbereitschaft der Sportler
wurden laut. Giovanni Caprara, ita­
lienischer Trainer von Russlands Volleyballerinnen, trat nach der Viertelfinal-Niederlage in Peking zurück und
nahm kein Blatt vor den Mund: „In
Russland höre ich immer nur zwei
Worte: ,Ausruhen, müde, ausruhen,
müde“. Dabei braucht es das Gegenteil: Arbeiten, arbeiten und nochmal
arbeiten. Aber ich kann nicht gegen
ganz Russland ankämpfen.“ Andere
Fachleute bliesen ins selbe Horn.
Doch Konsequenzen dürfte das
Abschneiden von Peking vor allem
auf höchster Ebene haben. Bereits im
Vorfeld deutete sich ein Hauen und
Stechen zwischen der Regierungsbehörde Rossport und dem NOK an,
das in öffentlichen Anschuldigungen
gipfelte. Im „Sport-Express“ wetterte
Ex-Eishockey-Star Wjatscheslaw Fetissow als Chef von Rossport nun frustriert gegen „Nichtstuer, Amateure
und Phrasendrescher“, die nichts weiter
könnten, als sich im Lichte der Erfolge
von Sportlern und Trainern zu sonnen
und lautstarke Erklärungen abzugeben. Das richtete sich offenbar gegen
die NOK-Führung. Für Fetissow war
Olympia nach eigener Aussage eine
„Lehrstunde“, Doppelstrukturen an der
Spitze abzuschaffen. Vermutlich wird
Mutko, der seit März im Amt ist, ein
Machtwort sprechen. Doch Rossport
scheint dabei die kleinste Lobby zu
haben. Fetissow war in Peking noch
nicht einmal für die Wettkämpfe akkreditiert und schaute sich die Spiele vom
Hotelzimmer aus im Fernsehen an.
01
Foto: Florian Willershausen
Und doch schöpfen die Menschen
wieder Hoffnung. Die Stadt ist fest
unter russischer Kontrolle, an jeder
Ecke steht ein Schützenpanzer mit
schwer bewaffneten Soldaten der 58.
russischen Armee. Nur ab und an
sind Detonationen in den Bergen
zu vernehmen, die letzten hörbaren
Zuckungen des Kriegs. Die Russen
sagen, es sei die Sprengung von Mienen. Vielleicht werden auch georgische Dörfer zerstört, damit deren
Einwohner nicht mehr zurückkom-
Rentner Ruslan vor den Trümmern
seiner Stadt.
men können und die zuletzt regelmäßigen Schießereien mit südossetischen Separatisten aufleben lassen.
Die Überlebenden von Zchinwali und russische Soldaten sind sich
einig: Die schwere Zerstörung geht
auf das Konto der georgischen Armee.
„Dort oben hat ein ‚Grad’ gestanden“,
sagt Rentner Ruslan und deutet mit
dem Arm auf eine grüne Wiese am
Horizont, von wo aus die Georgier
mit dem Mehrfach-Raketenwerfer
mit dem russischen Namen „Hagel“
auf sein jüdisches Viertel geschossen haben. Dann bückt er sich und
hebt zum Beweis ein Blechteil auf,
das dem Heck einer Rakete ähnlich
sieht. Tatsächlich ist der Bezirk völlig
zerbombt – anscheinend haben die
Angreifer ihre schweren Waffen auf
die Delmana-Straße gerichtet und
stundenlang draufgeballert. Ruslan
und seine Familie sind verschont
geblieben, zwei Nachbarn starben.
Jetzt lebt er in jener Hälfte seines
Hauses, deren Decken noch nicht
eingestürzt sind. Wie gut, dass Sommer ist in Südossetien.
„Die schwere Zerstörung von
Zchinwali ist nicht darauf zurückzuführen, dass die Georgier schlecht
geschossen haben“, sagt Anatolij
Korobowskij, ein Oberst der russischen Armee. Die Bombardierung
hätte psychologische Gründe gehabt:
„Solch einen schweren Beschuss hält
die menschliche Psyche nicht aus.“
Die Menschen sind gebrochen – und
leisteten keinen Widerstand.
Doch es bleiben auch Fragen offen:
Vertreter der russischen Friedens-
truppen, die seit dem letzten Krieg
im Jahr 1992 in Südossetien stationiert sind, behaupten, sie hätten
keine schweren Waffen zur Verteidigung besessen. Die Georgier griffen zuallererst die Kommandantur
auf einem Hügel über der Stadt an
– und nahmen die Kaserne trotz
heftiger Bombardierungen nicht ein.
Die Friedenssoldaten warteten, bis
mehr als ein Tag nach Beginn der
Attacke die Kampftruppen aus Russland einrückten und die Stadt eroberten. Haben sich die Russen dem
Angriff bis dahin bloß mit Kalaschnikow-Gewehren widersetzen können? Offen bleibt auch, ob der erste
Schuss von georgischer Seite ausging
oder ob Tiflis einen Schusswechsel
mit südossetischen Separatisten zum
Anlass für den Großangriff nahm.
Doch Details und Ursachen kümmern die Menschen von Zchinwali
derzeit wenig. Sie haben im Krieg
alles verloren – und denken jetzt an
den Wiederaufbau. Den übernehmen
zunächst Tausende Einsatzkräfte des
russischen Katastrophenschutzes.
Sie baggern unweit der zerstörten
Stadtverwaltung den Boden auf und
reparieren die Trinkwasserleitung.
Ein Panzer war dort eingebrochen
und hatte sie beschädigt. Anderswo rattern Caterpillar-Bagger durch
Vorgärten und schieben Trümmer
beiseite, aus denen ohnehin kein
Haus mehr zu bauen wäre. Auf einzelnen Dächern sitzen Menschen
und befestigen notdürftig den Dachstuhl, damit er nicht einbricht.
Viele Bewohner packen aber noch
Foto: Reuters
Alltag in Trümmern
Trümmerwüste Zchinwali: Ganze Stadtviertel der Hauptstadt Südossetiens liegen in
Schutt und Asche, ausgebrannte Häuserskelette reihen sich aneinander.
nicht mit an. Es sind ältere Menschen, die gedankenversunken auf
den Straßenbänken sitzen, trauern
und klagen. Oder Frauen mittleren
Alters, die bei den Helfen Lebensmittel organisieren und nach Hause
tragen. Einige der Männer scheinen
nach wie vor unter Waffen zu stehen
– in Uniformen der Separatisten, die
anhand von Sprache und Uniform
von den russischen Soldaten unterscheiden lassen. Den Einwohnern
von Zchinwali fehlt es nicht nur an
Baumaterial, sondern auch an Geld,
um die Stadt wieder aufzurichten.
Die russische Regierung hat 269 Millionen Euro für den Wiederaufbau
versprochen. Die Frage ist nur, ob es
bei den Menschen auch ankommt.
Seit Jahren zahlt Moskau Entwicklungshilfe an die kremltreue abtrünnige Republik Georgiens. Doch das
Geld soll oft in den Taschen des
korrupten Regimes um den dubiosen Präsidenten Eduard Kokojty
verschwunden sein.
Unterdessen sind viele Menschen
auf den Straßen, der Alltag kehrt
langsam nach Zchinwali zurück.
Doch die schrecklichen Erinnerungen an die Nacht zum 8. August
werden die Einwohner der Stadt so
schnell nicht aus ihren Köpfen vertreiben können.
12
FEUILLETON
M o s k a u e r D e u t s c h e Z e i t u n g N r. 1 6 ( 2 3 9 ) A u g u s t 2 0 0 8
Der Preis, ein Mensch zu bleiben
Orlando Figes' „Die Flüsterer“ gibt den namenlosen Opfern des stalinistischen Terrors eine Stimme
Jelena Bonner wuchs in Leningrad
auf. Ihre Eltern sah sie kaum, denn sie
widmeten ihre gesamte Zeit der Parteiarbeit. Jelena lebte bei ihrer Großmutter, doch vermisste sie ihre Eltern
sehr. Sogar den Sommerurlaub verbrachten sie getrennt. So wie Jelena
erging es vielen Kindern von Parteiaktivisten. „Ich wurde schon in frühem Alter dazu angehalten, Unabhängigkeit zu beweisen und alles selbst zu
erledigen“, erinnert sich Marxena Karpizkaja, die in Leningrad als Tochter
hoher Parteifunktionäre aufwuchs.
Die Kollektivierung der Landwirtschaft war ein weiterer tiefgreifender
Einschnitt in die jahrhundertealten
Gesellschaftsstrukturen Russlands.
Sie machte aus den russischen Bauern
ein Volk von Nomaden. Ganze Bauernfamilien wurden verhaftet und
deportiert, ihre Häuser in Brand
gesteckt, Vieh und sonstiges Eigentum
zwangskollektiviert. Als Klassenfeind
auf dem Land galt der „Kulak“, ein
„reicher“ Bauer, in Wirklichkeit waren
das meist die fähigsten und tüchtigsten Männer im Dorf. Millionen Menschen wurden entwurzelt und zu
Zwangsarbeit in die „Sondersiedlungen“ der Gulags geschickt. Das
„Umschmieden“ der Menschen nach
ideologischem Bilde stellte alles auf
den Kopf. Wer überleben wollte, versuchte, dem Sowjetkult zu huldigen
und seine Loyalität dem Staat gegenüber zu beweisen. Das führte zu
einem Klima der Denunziation, von
der selbst Blutsverwandte nicht verschont blieben.
Orlando Figes' Buch „Die Flüsterer“
bildet ein starkes Gegengewicht zum
Von Moritz Senarcles de Grancy
Optimismus mancher heutiger russischer Lehrbücher über die Sowjetgeschichte, weil es sich am Innenleben
gewöhnlicher Familien und Individuen orientiert. Hier sprechen die Opfer,
die Verurteilten, die Ermordeten und
Geschädigten und ihre Nachkommen,
die mit dem Stigma der sowjetfeindlichen Herkunft leben mussten. In ihren
Tagebüchern, Korrespondenzen und
besonders in den Hunderten Interviews mit Zeitzeugen und ihren Nachfahren, die Figes und seine Mitarbeiter
geführt haben, erzählen sie die unendlichen Geschichten ihres Leids und
der Gewalt in Stalins Russland.
So zeigte Pawlik Morosow, ein fünfzehnjähriger Junge, seinen Vater Trofim, einen fleißigen Bauern, bei der
örtlichen Miliz als „Kulaken“ an. Die
Sowjetpropaganda stilisierte Pawlik
zum mustergültigen Pionier, den bald
jedes Kind im Land kannte. Sein Vater
Trofim wurde zu Arbeitslager verurteilt und später erschossen. Die Menschen gewöhnten sich an ein Leben
wie unter Feinden, die man ständig
fürchten müssen. Wurden Verwandte
oder Bekannte verhaftet, geriet man
selbst in den Verdacht, nicht wachsam
genug zu sein oder gar deren „volksfeindliche“ Einstellung zu teilen. Viele
hassten das Sowjetsystem heimlich
und versuchten zugleich, ihre Ablehnung durch besondere Hingabe an die
sowjetische Sache zu überwinden.
Doppelleben wurden zur Normalität.
In den engen und überfüllten Gemeinschaftswohnungen war die Nähe
besonders bedrückend. Der Filmregisseur Rolan Bykow wuchs als Kind
in den dreißiger Jahren in einer
Foto: Verlag
Unter bestimmten Voraussetzungen kann Flüstern zwei Ursachen haben:
Furcht vor Repression oder Verrat. In der Geschichte der Sowjetunion
wurde den Menschen das Flüstern zur Gewohnheit – aus dem einen sowohl
als aus dem anderen Grund. Wie es sich damit im Einzelnen verhielt, versucht das Buch des englischen Historikers Orlando Figes „Die Flüsterer“
aufzuarbeiten.
land gesagt. Mit
dem „Großen Terror“ wollte er jegliche potenzielle
Opposition im
Land vernichten,
um für den Krieg
mit den Faschisten
keine Spione und
Feinde in den eigenen Reihen fürchten zu müssen. In
den beiden Jahren
1937 und 1938
wurden mindestens 681 692 Menschen
wegen
angeblicher
„ St a at s v e r b re chen“ erschossen.
Der „Große Terror“ brachte das
Sowjetvolk endgültig zum Schweigen. Ein unbedacht geäußertes
Wort genügte, um
wegen „Volksverbrechen“ zu Lagerhaft oder zum Tod
Den Opfern einen Namen geben: Serafima Osemblowski mit
durch Erschießen
ihren beiden Söhnen.
verurteilt zu werGemeinschaftswohnung auf. Er erin- den. Automatisch galt die Familie des
nert sich, dass man versucht habe, Verhafteten als mitschuldig, denn
jedes Zeichen von Individualität aus- wenn sie ihn nicht angezeigt hatte,
zulöschen. Die Enge dieser Lebens- war davon auszugehen, dass sie ihn
umstände formte viele Bewohner. unterstützte. Und es konnte jeden
Vorsicht, Selbstkontrolle und Anpas- treffen. Aus Furcht vor behördlichem
sung waren stets angebracht.
Druck, aber auch aus egoistischem
Viele Wellen von Massenverhaftun- Streben nach dem persönlichen Vorgen waren bereits über das Land teil leiteten viele Menschen Informagegangen, als schließlich der „Große tionen über Nachbarn und Kollegen
Terror“ einsetzte. Im Jahr 1937 war an die Behörden weiter oder arbeiteStalin überzeugt, dass der Sowjetuni- ten als Spitzel in Fabriken und
on ein Zweifrontenkrieg mit Hitler- Gemeinschaftswohnungen. Zur
deutschland und Japan bevorstand. Rechtfertigung seines Handelns
„Unsere Feinde aus den kapitalisti- erklärte ein Betroffener später: „Wir
schen Kreisen sind unermüdlich. Sie glaubten, dass wir es tun mussten ...
infiltrieren alles“, hatte Stalin schon Alle schrieben ...“ Andere, die von der
1935 dem Schriftsteller Romain Rol- Unschuld ihrer als „Volksfeinde“ ver-
hafteten Angehörigen überzeugt
waren, vermuteten, dass der NKWDChef Nikolaij Jeschow ohne Stalins
Wissen die Verhaftungen zu verantworten habe. Sie schrieben an Stalin:
„Es muss sich um einen Irrtum handeln.“ Doch es passierte nichts und
dann folgten weitere Verhaftungen
und Ächtungen, der Verlust der Wohnung, des Eigentums, der Karriere
und der sozialen Kontakte. Im selben
Zeitraum wuchs die Zahl der Insassen
von Arbeitslagern auf fast zwei Millionen. Die Gulags waren weit mehr als
Straflagerkomplexe. Sie gehörten zur
Industriewirtschaft der Sowjetunion,
dort arbeitete ein Riesenheer von
Ingenieuren und Forschern mit der
Möglichkeit, beruflich aufzusteigen.
Doch das waren Ausnahmen, für die
meisten Insassen bedeutete der Gulag
Entbehrung, Gewalt und Tod.
Die persönlichen Zeugnisse in „Die
Flüsterer“ geben ein erschütterndes
Bild der Sowjetunion unter Stalin.
Figes, dessen Buch „Die Tragödie
eines Volkes“ (1998) mittlerweile zu
den Standardwerken über die russischen Revolutionen gehört, versucht
mit seiner Geschichtsarchäologie, das
stalinistische Phänomen über einen
langen Zeitraum zu begreifen. Neben
der unvorstellbaren Härte der Schicksale dieser Menschen lassen ihre
Lebensgeschichten aber auch die große Willenskraft eines Volkes erahnen,
das Jahrzehnte in Unterdrückung und
individueller Unfreiheit verbracht hat.
Auf jeder Seite des Buches ist zu spüren, dass die größte Herausforderung
in Stalins Russland darin bestand,
Mensch zu bleiben. Wie hoch der
Preis ist, den Russland für seinen Weg
durch die Geschichte zahlt, muss
nach Figes‘ Buch neu bewertet werden.
Orlando Figes: „Die Flüsterer:
Leben in Stalins Russland“, Berlin
Verlag, 2008, 1088 S., 34 Euro.
Ein Löffel Teer im Honigfass
Boris Saidmans Roman „Hemingway und die toten Vögel” schildert eine jüdische Kindheit in der Sowjetunion
Trolleybusse verwandeln sich zu
Fleischwölfen mit Trollfiguren auf
dem Dach und vom Himmel fallen
halberfrorene Vögel, die ein geheimnisvoller jüdischer Onkel mit seinem
Atem zum Leben erwecken kann.
Der israelische Autor Boris Saidman
hat einen sehr persönlichen Roman
geschrieben, in dem er an den Ort
seiner Kindheit in der Sowjetunion
der 60er Jahre zurückkehrt.
Von Alexander Heinrich
Tal Schani mag nicht Russisch
sprechen, auch nicht am Telefon.
Der Werbegraphiker aus Tel Aviv
schaltet dann die Lautsprecherfunktion an seinem Handy aus und
drückt das Ohr fest ans Gehäuse.
„Wie eine Blondine mit schwarzer
Vergangenheit“ fühlt er sich. So ist
es auch diesmal, als ihn ein Anruf
der Jewish Agency erreicht, die ihn
zu einer Lesereise einlädt, ausgerechnet in jene ukrainische Stadt, in
der der kleine Tolik Schnajderman
aufwuchs, der Tal war, bevor er mit
seinen Eltern aus der Sowjetunion
nach Israel auswanderte.
Saidmans Romandebüt ist eine
Reise in die sowjetische Vergangenheit und mit viel Gespür für Figuren
und ihre Sprache, für jüdische und
russische Flüche am Küchentisch
zum Beispiel, die um Gottes willen
„das Haus nicht verlassen dürfen“. Es
ist eine Welt, in der sich Trolleybusse
zu Fleischwölfen mit Trollfiguren
auf dem Dach verwandeln, und ein
geheimnisvoller Onkel Vögel retten
kann, die vom eisigen Himmel fallen
wie Hagelkörner.
Saidman tastet sich über den
erwachsenen Tal langsam an seine
Romanfigur heran, er will dem kleinen Tolik die Hand reichen, ihm ein
großer Bruder sein, den dieser nie
hatte. Auch seine Großeltern hat er
nie kennen gelernt. Sie sind beim
Einmarsch der deutschen Truppen
im Zweiten Weltkrieg ermordet
worden, weil sie Juden waren, und
wenn der kleine Tolik nach ihnen
fragt, dann fällt der Vater in eisernes
Schweigen. Das ändert sich auch später nicht, in Israel, als aus Tolik ein
erwachsener Tal geworden ist und
nicht mehr fürchtet, dass die Deutschen, die „Fritze“, plötzlich anrücken, um eine „‚Aktion’ oder eine
‚Selektion’ oder weiß der Teufel was
für eine andere -tion' “ anzurichten.
Das Schicksal der Familie ist immer
präsent, auch wenn Tolik es in seiner ganzen Tragweite noch nicht
verstehen kann. „Fritz, so sagte man,
war der häufigste Name bei ihnen.
Sogar ihre Kinder hießen Fritz. Aber
wie nur kann man ein Kind Fritz
nennen? Sascha ist ein Kinderna-
me. Kolja und Mischa. Ljoschka
und Pawlik. Aber Fritz? Der Name
ist hässlich und fremd, beginnt wie
ein Weichtier und endet spitz wie
ein Dorn. Rostig und
scharf. Fritz-spitz und
Blut-spritz.“
Es muss eine einsame
Kindheit gewesen sein:
Tolik hat kaum Kontakt
zu Gleichaltrigen. Auch
die Fahrt ins Ferienlager
Artek fällt regelmäßig
aus. Um dort zu punkten, musste man schon
im Fußball gut sein,
aber wer war er schon,
„ein Bücherwurm, ein
Brillenträger“. Noch
dazu mit einem Makel,
der Schwarz auf Weiß
im Pass seines Vaters
eingetragen ist, jener „Löffel Teer
in einem Fass Honig“, der Tolik
schon früh begreiflich macht, dass
etwas mit ihm angeblich etwas nicht
stimmt. „Nationalität“ steht dort im
Pass „Nicht ‚Religion’ – schließlich
war die Religion nur ein Rest der
dunklen vergangenen Welt, in der
man Menschen nach ihrer Religion unterschieden hatte, nach ihrem
Glauben und ihrer Rasse, sondern
‚Nationalität’. Und unter dieser Überschrift stand das gewisse Wort. Ein
unbequemes Wort – Jewrej, Jude.
Punkt. Das war’s. Nicht zu ändern.“
Toliks Bezugspersonen sind die
Erwachsenen, der Vater, die Mutter vor allem, oder
Rosa, mit ihrem wilden Garten und dem
Gutshaus mitten im
Zentrum der Stadt, die
ihm die Tante ersetzt.
Im
Bücherzimmer
hängt ein Bild, das sich
Tolik für seinen Onkel
Niuma
zusammen
fantasiert,
Niuma,
der Weltbürger, der
zwischen Dnjepr und
Donau feststeckte,
stolzer
jüdischer
Offizier in der Roten
Armee, der aus dem
Krieg heimkehrt und
der dann im Gulag verschwindet.
Später entpuppt sich der Mann
auf dem Bild als Ernest Hemingway und mit dieser Enttäuschung
wächst bei Tolik die Erkenntnis, dass
Niuma wohl nie mehr aus dem Lager
irgendwo im Norden zurückkommen wird.
Schon mit zehn weiß Tolik die
Sprache der Erwachsenen zu deuten, er weiß, was „sitzen“ und was
„rauskommen“ bedeutet, er weiß,
was „Mischka im Norden“ heißt, was
zwar einerseits ein beliebtes Kinderkonfekt, andererseits ein Synonym
für den Gulag war. Vor allem aber
erfährt Tolik, dass Juden auch im
„besten Vaterland der Welt“ keine
vollwertigen Bürger sind.
„Hemingway und die toten Vögel“
entzaubert fortwährende kindliche
Illusionen – und nebenbei auch
manch eine Erwachsene über die
sowjetische Vergangenheit. Aber
diese Illusionen platzen nicht mit lautem Knall, sondern wie Seifenblasen,
denen ein verträumter Junge auch
dann noch hinterher blickt, wenn
er bereits ihren giftigen Geschmack
auf den Lippen spürt. „Alle Bürger
des Landes sehnten sich nach allem,
was westlich aussah, sich westlich
anhörte oder westlich roch. Nach
allen Symbolen der Dekadenz, deren
Bestimmung es war, sehr bald von
der Erde zu verschwinden, sobald
die Welt aufstehen und das Joch
des Kapitalismus von ihren starken
Schultern abschütteln würde. Doch
bis die Welt aufstehen und abschütteln würde, rannten die Bürger, um
möglichst viel von dieser Dekadenz
zu riechen und zu schmecken, abzubeißen und zu schlucken.“
Boris Saidman: Hemingway und
die toten Vögel. Berlin Verlag, Ber­
lin 2008, 238 S., 18,90 Euro.
Zeichen von oben
13
Moskau, was hast du drunter?
Befürchtete Feindseligkeiten gegen Georgier ausgeblieben
Russen und Georgier sind nicht nur Nachbarn von Staats wegen, sie leben
zum Teil auch tatsächlich Tür an Tür. Bei 30 000 Russen in Tiflis und 100 000
Georgiern in Moskau hat der Krieg um Südossetien deshalb Befürchtungen
geweckt, zur Zielscheibe von Aggressionen zu werden. Doch selbst in Moskau,
wo Minderheiten von Alltagsgewalt bis zu Behördenschikanen schon alles
erlebt haben, ist bisher eher der gegenteilige Effekt eingetreten.
Es war eine Gelegenheit, die Trittbrettfahrer nicht ungenutzt verstreichen lassen konnten. Kurz nach
Kriegsausbruch im Kaukasus brachte
sich die „Bewegung gegen illegale
Immigration“ (DPNI) in Erinnerung
und regte an, in Russland lebende Georgier in Lagern zu internieren – als Spione und Diversanten.
Ihr Eigentum solle nationalisiert
werden. Außerdem empfahl DPNIKopf Alexander Below die Dienste
seiner Organisation beim Aufspüren
illegaler georgischer Immigranten in
Moskau. Listen mit Adressen entsprecher Wohnungen, aber auch von
Treffpunkten „krimineller Autoritäten“ georgischer Herkunft, würden
bereits erstellt.
Die Rechtsaußen blieben mit
ihrem Versuch des Kriegsgewinnlertums allein. Dennoch nehmen
Menschenrechtler die Gefahr einer
neuen Welle an Fremdenfeindlichkeit ernst. Bei einer Veranstaltung
im Unabhängigen Pressezentrum in
Moskau sagte Alla Gerber, Leiterin
der Holocaust-Stiftung, sowohl der
Von Tino Künzel
Staat als auch die Zivilgesellschaft
seien gefragt, um rechtzeitig gegenzusteuern.
Die Warnungen kommen nicht
von ungefähr. Vor zwei Jahren hatte
schon weniger gereicht, um Moskau in antigeorgische Hysterie zu
versetzen. Nach der Verhaftung von
vier georgischen Militärs in Georgien war eine staatliche Kampagne
angelaufen, unter der besonders
die große georgische Diaspora in
der russischen Hauptstadt zu leiden hatte. Die Migrationsbehörde
erklärte, unter allen Ausländern in
Russland verstießen die Georgier am
häufigsten gegen das Gesetz. Nur ein
Prozent halte sich legal im Lande auf.
Georgische Unternehmer wurden
der Wirtschaftskriminalität beschuldigt, Casinos und Restaurants nach
Razzien geschlossen. Die Miliz förderte bei Kontrollen reihenweise
Gastarbeiter ohne Aufenthaltserlaubnis zu Tage. Deportiert wurden nach Angaben des georgischen
Konsulats mehr als 2 000 Menschen,
mehrere überlebten die Abschiebung
nicht. Feindseligkeiten in der Bevölkerung spielten vor diesem Hintergrund nur eine untergeordnete
Rolle. Allerdings sprachen sich in
einer Umfrage des Lewada-Instituts
38 Prozent für die Deportation aller
Georgier aus, sogar derjenigen, die
russische Staatsbürger sind.
Diesmal scheinen die staatlichen
Stellen im Gegenteil deeskalierend
auf die Situation einwirken zu wollen.
Präsident Dmitrij Medwedew sprach
noch während der Kriegshandlungen
bei einem Treffen mit den Chefs der
Parlamentsfraktionen davon, dass
„nationale Toleranz und Verständigung“ unbedingt gewahrt bleiben
müssten. Und bei den Georgiern in
Moskau heißt es, offenbar habe die
Miliz Instruktionen aus dem Rathaus erhalten, sich betont korrekt
zu verhalten. Igor Gwritischwili von
der Pressestelle der Union der Georgier in Russland sagt, nennenswerte
Vorfälle gebe es bisher nicht: „Das ist
keine Wiederholung von 2006.“ Auch
die Miliz und der Kongress Nationaler Vereinigungen erklärten, über
keine Hinweise auf antigeorgische
Übergriffe zu verfügen.
Inzwischen haben die georgische
und die ossetische Diaspora in Moskau eine gemeinsame Spendensammlung für Opfer des Krieges gestartet.
Die Aktion läuft unter dem Dach der
Russisch-Orthodoxen Kirche.
Der Festkalender für den 861. Stadtgeburtstag am ersten SeptemberWochenende ist eine stattliche Lektüre: Er umfasst 587 Punkte. Nur
scheint diesmal etwas mit dem Timing nicht gestimmt zu haben.
Bürgermeister Jurij Luschkow, der traditionell mit der Schere durch die
Stadt eilt, um rote Bänder zu durchschneiden, wird anno 2008 noch nicht
einmal ein klitzekleines Metrostatiönchen einweihen können, geschweige
denn ein Objekt vom Schlage Zarizyno, wo im Vorjahr halb Moskau die
Augen übergingen. Ein bisschen Eröffnung ist aber doch: Das künftige
Fünf-Sterne-Hotel „Moskau“ am Manegeplatz (Foto) macht sich hübsch –
und frei. Weil die Außenarbeiten auf der Langzeitbaustelle inzwischen
abgeschlossen seien, werde sich das Gebäude erstmals ohne Baugerüste
und Umzäunungen präsentieren, sagte Bauamts-Chef Wladimir Ressin.
Moskaus zwischenzeitlich größter Werbeträger wird sich damit vermutlich
auch der bunten Reklametafeln für Luxusgüter entledigen. Die Moskauer
können also einen unverstellten Blick auf die Fassade werfen. Mehr dürfte
den meisten auch dann nicht vergönnt sein, wenn der Innenausbau Ende
nächsten Jahres beendet sein soll. Das Hotel, dessen Vorgängerbau 2003
abgerissen worden war, wird im ohnehin hochpreislichen Moskau die
teuer­sten Zimmer anbieten. tk
Dem Himmel ein Stück näher
Nachrichten
Es soll Jelena Glinskaja gewesen sein, die Mutter von Iwan dem Schrecklichen, die das Frauenkloster auf dem Iwan-Berg gegründet hat. Damals lag
es jenseits der Stadt, oberhalb der Straße nach Wladimir. Heute genügt ein
kurzer Spaziergang von der Metrostation Kitaj-Gorod. Das Kloster, benannt
nach Johannes dem Täufer, hat eine reiche, widersprüchliche Geschichte.
Unter den Zaren und später den Bolschwiken wurde es als Verlies missbraucht, war dann mehr als 80 Jahre geschlossen. Seit dem Jahr 2000
stehen seine Tore wieder offen. Die engagierten Nonnen kämpfen mit den
Schatten der Vergangenheit – unterstützt von den deutschen Katholiken.
Nur wenige Tage nach dem Tod von
Alexander Solschenizyn hat Moskau
auf einen Erlass von Präsident Dmitrij Medwedew reagiert, den Namen
des Dichters zu verewigen – und
dafür sogar das Gesetz gebrochen.
Im Stadtbezirk Taganka wurde die
Große Kommunistische Straße in
Solsche­nizynskaja umbenannt. Nach
geltender Gesetzes­lage kommen
als Namensgeber nur Personen in
Frage, die vor mindestens zehn Jahren gestorben sind. Dem Stadtparlament soll nach dem Sommerurlaub
jedoch ein geänderter Gesetzentwurf
vorgelegt werden. Das Rathaus nahm
die Ent­scheidung nun bereits vorweg.
K u r z
Schwester Romana flüstert, obwohl
außer uns niemand in der Kirche ist:
„Wollen Sie mal hinter den Altar
gehen, solange er noch restauriert
wird? Wenn erst einmal alles fertig
ist, darf da nur noch der Priester hin.“
Die zierliche Nonne klettert über das
wackelige Holzgerüst, vorbei an
Farb­eimern und Leitern. Zu Sowjet­
zeiten diente das Gotteshaus dem
Innenministerium als Archiv. Bis
unter die Decke stapelten sich hier
Polizeiakten.
Die Kirche steht auf dem Gelände
des Ioanno-Predtetschenskij-Frauenklosters, das als Iwanowskij-Kloster
einst ein Wallfahrtsort der Zaren
war. Doch seine rund 500-jährige
Geschichte hat auch viele dunkle
Seiten. Hinter den Klostermauern
verschwanden zahlreiche missliebige
Mitglieder der Zarenfamilie bis ans
Ende ihrer Tage. So wurde Prinzessin
Augusta Tarakanowa, eine Tochter
von Zarin Elisabeth, 1785 gezwungenermaßen zur Nonne Dossifeja, weil
Katharina die Große eine Konkurrentin in ihr sah. Zur selben Zeit
verbüßte Massenmörderin Darja Saltykowa in Einzelhaft eine lebenslange
Gefängnisstrafe. Die Gutsherrin hatte
innerhalb von sieben Jahren 139 ihrer
untergebenen Bauern auf sadistische
Weise umgebracht, vor allem Frauen
und Mädchen. Dafür wurde sie 1768
zum Tode verurteilt, fristete dann
jedoch noch 33 Jahre ein abgeschiedenes Dasein im Kloster.
Von Catherine Zanev
1917 zählte das Frauenkloster etwa
300 Bewohnerinnen. Schon ein Jahr
später wurde es geschlossen und in
Moskaus erstes Konzentrationslager
umgewandelt. In seinen Kellern
erzählen Einschusslöcher in den
Wänden noch heute das Schicksal
vieler Insassen.
Erst im Jahr 2000 konnte das Kloster offiziell wieder eröffnet werden.
Doch die mehr als 20 Nonnen sind
bis heute in der Unterzahl. Eine Polizeischule nimmt immer noch drei
Viertel des Geländes ein.
Nicht alle Nonnen wohnen im
Kloster – entweder, weil kein Platz
für sie ist oder weil sie noch mit
einem Bein im weltlichen Leben
stehen. So wie Schwester Nikolaja.
Als Archäologin Dr. Natalija Winogradowa leitet sie Ausgrabungen in
Tadschikistan – und erfuhr bei einem
Archäologie-Kongress in Bayern vor
15 Jahren über einen anderen Teilnehmer von Renovabis.
Renovabis ist lateinisch für „Du
wirst erneuern“. Dahinter verbirgt
sich die Solidaritätsaktion der deutschen Katholiken mit den Menschen
in Mittel- und Osteuropa. 1993 von
den deutschen Bischöfen gegründet,
fördert Renovabis pastorale, soziale
und karitative Projekte. Dabei richtet sich die Förderung nicht nur an
katholische Gemeinden. Unter der
Überschrift der Ökumene werden
beispielsweise auch zwei Projekte
der rührigen orthodoxen Nonnen
Foto: Catheine Zanev
Moskaus umtriebigstes Frauenkloster ist die Polizei als ungeliebten Mitbewohner los
u n d
K n a p p
Solschenizyn
ist eine Strasse
Kunstviertel
an der Moskwa
Auch das leibliche Wohl
kommt nicht zu kurz:
Vor dem Eingang zum
Frauenkloster in KitajGorod lädt ein Imbiss
zur Einkehr ein.
aus Moskau unterstützt: der Bau
eines Altenheims vor den Toren der
Stadt und ein orthodoxes Gymnasium auf dem Klostergelände. Sechsstellige Beträge hat Renovabis dafür
zur Verfügung gestellt. Dr. Jörg Basten, Projektreferent für Russland
und den Südkaukasus in der Zentrale von Renovabis in Freising bei
München, sagt zur Begründung:
„Die russische orthodoxe Kirche
unterhält wenige soziale Projekte.“
Zudem zeichne sich die Arbeit der
Wladimir-Gemeinde durch ein
„hohes Maß an Qualität und Professionalität“ aus.
Es wirkt tatsächlich sehr professionell, wenn Natalija als Schwester
Nikolaja die Homepage des Klosters
(www.ioann.org.ru) aktualisiert und
dabei per Handy die Bauarbeiten am
Altenheim koordiniert. Es gibt viel
zu tun zwischen Morgenpredigt und
Abendgebet: Die Nonnen betreiben
ein kleines Restaurant, eine Bäckerei
und eine Schneiderei. Soeben haben
die Schwestern nach jahrelangem
Ringen eine Einigung mit dem
Innenministerium erzielt – die Polizeischule wird weichen.
Als Erstes soll ein neues Schwesternhaus gebaut werden. Die Nachfrage sei sehr groß, berichtet Natalija. Immer mehr Frauen würden in
das Kloster eintreten wollen. In einer
eigenen Werkstatt entstehen schon
die Türen und Fenster für den neuen
Wohnraum. Was danach folgen wird,
das weiß Natalija noch nicht. Aber
Ideen gibt es jede Menge.
Das Zentralhaus des Künstlers (ZDCh)
wird abgerissen. Der 1979 eröffnete
modernistische Bau in Nachbarschaft
zum Gorki-Park soll einem Kunstvier­
tel mit verschiedenartiger Bebauung
weichen. Darauf haben sich die Stadt
und die Betreiber geeinigt. Das ZDCh
beherbergt die Filiale der TretjakowGalerie für Kunst des 20. Jahrhunderts.
Außerdem stellt es seine Räume für
rund 250 Ausstellungen pro Jahr zur
Verfügung, darunter Schwergewichte
wie „Art Moskwa“, „Arch Moskwa“ und
„Non fiction“.
Lebensschule
am 1. September
Zu Beginn des neuen Schuljahres
wird in Moskau nicht nur das Lernen,
sondern auch das Sein thematisiert.
Wie der Radiosender „Echo Moskwy“
berichtete, stehen an allen Schulen
am 1. September Unterrichtsstunden
in Tole­ranz auf dem Programm. Motto:
„Wir sind verschieden, und das macht
uns reich. Wir sind zusammen, und das
macht uns stark.“
Foto: Tino Künzel
L eben in Moskau
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14
F reizeit
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WO und WAS in MOSKAU
5
KINO
R estaurant
B ü hne
K onzert
M useum
Highlights
Frisches Blut
der Kunst
Eine moderne Ausstellung stellt
mit „Fresh Blood“ junge herausragende Künstler der russischen
und ukrainischen Kunstszene vor.
Traditionelle Malarbeiten, kulturelle Abbildungen, Skulpturen
aus Plastik, die auf Neonröhren
montiert sind, Collagen, spielerischer Umgang mit Zitaten und
eine Dokumentation der deutschen
Loveparade durch vergrößerte Portäts von Teilnehmern erwarten hier
die Besucher. Den ausgestellten
Künstlern ist eine neue Sichtweise
auf ihre Umwelt und eine eigene
Verwendung der Kunstelemente
gemein. Durch die ungewöhnliche
Arbeitsmethodik präsentieren sie
den aktuellen Charakter Russlands
und der Ukraine in einem internationalen Kontext.
Bis 13. September
Diehl+Gallery One
Smolenskaja Nabereschnaja 5/13
M. Smolenskaja
geöffnet Di.-Sa. 11 bis 19 Uhr
Tel.: 244 0248
Fax: 244 0183
www.diehlandgalleryone.com
info@diehlandgalleryone.com
Snoop Dogg
live
Schwarz, düster, kriminell. So
muss amerikanischer Gangsta-Rap
sein. Die USA-Musiklegende Snoop
Dogg erfüllt alle diese Klischees.
Der 37-Jährige prägte mit seiner
Musik Anfang der 90er Jahre den
G-Funk. Schlagzeilen brachten ihm
aber auch seine Schwierigkeiten mit
der Polizei und seine Gefängnisaufenthalte ein. Trotzdem wurde er im
Laufe der Jahre für seine Arbeit vielfach ausgezeichnet und seine Platten
bekamen Platin-Status. Neben der
Musik ist er Producer, Schauspieler,
hat ein eigenes Bekleidungslabel,
einen Skateboard-Vertrieb, brachte
ein Cadillac-Modell und eine eigene
Action-Figur heraus. Nun ist das
Multitalent auch in Moskau live zu
sehen.
7. September, 21 Uhr
Club B1-Maximum
Ul. Ordschonikidse 11
M. Leninskij Prospekt
Tel.: 648 6777
www.b1club.ru
info@b1club.ru
Musiktheater
mit Burleske
Alle Probleme Russlands lassen
sich bekanntlich auf zwei zurückführen: Straßen und Idioten. So
jedenfalls das geflügelte Wort aus
Gogols „Revisor“. In Moskau sollen
sich nun die Wege all derer kreuzen, die sich offenherzig mit dem
zweiten Problem identifizieren.
„Die Weltkonferenz der Narren“,
so sei es neutral übersetzt, ist die
erste ihrer Art. Mit internationalen Größen wie dem spanischen
Anarcho-Clown Leo Bassi, der sich
vom klassischen Familienzirkus
abwandte, um als „gefährlichster
Clown der Welt“ sein Publikum mit
skurrilen Aktionen zu unterhalten
oder dem russischen KongressInitiator Slawa Polunin mit seiner
seit 1993 international bekannten
„Slava’s Snowshow“ wollen die Veranstalter Meilensteile in der Auslotung des Humors setzen. Nachdenklich stimmt allerdings, dass
Kinder unter zwölf nicht zugelassen
sind. Offenbar sind ihre Ansprüche
höher als die der Erwachsenen.
4.-15. September
Theater „Saz“
Prospekt Wernadskogo 5
M. Universität
Tel.: 930 5240
www.teatr-sats.ru
www.slavasnowshow.com
Brücke der
Expressionisten
Ernst Ludwig Kirchner, Fritz Bleyl,
Erich Heckel und Karl SchmidtRottluff gründeten 1905 die Künstlergemeinschaft „Brücke“, die sich
ausschließlich dem Expressionismus widmete. Weitere Künstler
wie Otto Müller und Max Pechstein traten der Gruppe bei, die
nicht nur eine neue Kunstform des
20. Jahrhunderts schuf, sondern
sich auch durch unkonventionelle
Lebensweise abhob. 1913 zerfiel
diese Gemeinschaft, nachdem viele
bekannte Werke geschaffen wurden, die die spätere Kunst- und
Filmwelt prägten. Nun präsentiert
das Puschkin-Museum zusammen mit dem Berliner Museum
„Brücke“ Arbeiten der „Brücke“Mitglieder. Insgesamt 131 Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen und
Grafiken der bekannten deutschen
Expressionisten können die Besucher bewundern.
6. September –
2. November
Design
des Alltags
Zum zweiten Mal veranstaltet
die Galerie Winsawod das internationale Forum für Industriedesign
„Design Act“ 2008. Die Besucher
können an Veranstaltungen wie
„Design Forum“, „Design Market“
und „Design Exhibition“ teilnehmen, bei denen verschiedene Ausrichtungen des Industriedesigns
vorgestellt werden. Ausstellungen
ungewöhnlicher Designobjekte und
ihr Verkauf, Kurse und Diskussionsrunden mit russischen und internationalen Designern erwarten hier
die Gäste. Eine kleine Stärkung bietet das „Design Café“ und unterhält
mit Lounge-, Funky-, JazzHouseoder NewJazz-Musik. Auf der
„Design Party“ am letzten Veranstaltungstag werden neben musikalischer Unterhaltung, Performance
und ArtVideo auch die Gewinner
des Wettbewerbs bekannt gegeben.
29.-31. August
4er Syromjatnitscheskij Pereulok 1,
Gebäude 6
M. Kropotkinskaja
Tel.: 917 4646
www.designact.ru
www.winzavod.ru
winzavod@gmail.com
Puschkin-Museum
Ul. Wolchonka 12
M. Kropotkinskaja
geöffnet Di.-So. 10 bis 19 Uhr
Tel.: 203 7998 oder 203 9578
www.museum.ru/gmii/
finearts@artsmuseum.ru
Kein leeres Geflimmer
Kunst ist nicht nur ein Bild in einer Galerie und auch nicht eine Skulptur
im Museum. Film und Musik sind ebenfalls Kunst. Und die Stadt mit
ihren Häusern, Straßen und Bäumen ist auch Kunst. Das Videoart-Festival
„PUSTO“ verbindet diese Sichtweise: Es bringt nun zum siebten Mal die
Kunst auf die Straßen Moskaus und erobert leere Flächen dieser durch bunt
flimmernde Filmprojektionen.
Von Anna Wirz
Wer gewohnt ist, Bilder in sau- schon ein unbenutztes Werbeschild
beren, schicken Galerien präsen- am Puschkin-Platz und Hauswände
tiert zu bekommen, wird sich bei am Lawruschinskij Pereulok, am
diesem Festival wundern. Keine Platz des Kulturzentrums ARTHallen, keine Dekoration, noch Strelka oder dem Dach des legennicht mal Räumlichkeiten machen dären Hauses „Dom Kommuny“.
die Veranstaltungsplätze hier aus. Sitzplätze sind nicht vorgesehen.
Die verschiedenen Videoproduk- Die Zuschauer versammeln sich
tionen werden dem Publikum auf und suchen sich auf den Wiesen
eine ganz neue Weise vorgeführt. oder sonst wo ein Plätzchen.
Die Organisatoren entschieden
Dieses Jahr findet das Festival
sich, bei dem Festival „PUSTO“, bereits zum siebten Mal statt und
wie der Name schon sagt, einfach gilt noch immer als das einzige
für leere, verlassene Orte Moskaus. offene Public-Art-Projekt in MosUnd mit großem Erfolg! Gleich bei kau. Versuchte „PUSTO“ die Jahre
der Premiere des Festivals 2002 zuvor, ein Teil der Architektur Mosfand das Konzept starke Befürwor- kaus zu sein, so erobert es in diesem
tung der Presse. Und 2006 wurde Jahr die Nische des Landschaftses im Bereich „Innovation“ mit der designs und tritt diesmal nicht in
Staatsprämie für moderne Kunst den Dialog mit Gebäuden, sondern
als das beste Kuratorprojekt ausge- mit Bäumen. Der Veranstaltungsort
zeichnet.
ist nun die Grünfläche vor dem
Dabei versucht das Festival immer Sacharow-Museum am Semljanoj
wieder neue Plätze Moskaus zu Wal 57.
erschließen und wechselt jedes
Das geplante Programm lässt wieJahr seinen Standort. So dienten als der große Erwartungen hegen. Es
Projektionsflächen unter anderen nehmen unter anderen am Festival
Foto: PUSTO
Das Videoart-Festival "PUSTO" erobert verlassene Orte Moskaus
Mehr als 7 000 Besucher zählte das Festival im Jahr 2007.
russische Künstler, wie Alexandra
Mitlanskaja, Elena Kowylina, Xenia
Peretruchina und die Gruppen
Volga Drive“, „ESCAPE Program“
und „Blauen Nasen“ teil. Der Kurator des „PUSTO“, Dmitrij Bulnygin,
zählt mit seinen „Verlorenen Zwillingen“ zu den besten Vorführungen
dieses Jahres. Weitere gezeigte Projekte sind „FOTOFOBIE“, „Videos
as stars in the sky“, „OUTVIDEO“
und einige Neuerscheinungen.
Eine Sonderstellung nehmen die
Videos von Jascha Kaschdan ein.
Alle seine gezeigten Arbeiten wur-
den große Erfolge des Festivals in
den Jahren ihrer Teilnahme.
Gleichzeitig bietet Kaschdan für
die Zuschauer von „PUSTO“ eine
Führung durch seine Ausstellung
„223°C“, die in den Räumen der
„Surab“-Galerie stattfindet. Treffpunkt für Interessierte ist am 30.
August um 17 Uhr der Twerskoj
Bulwar 9 in der Galerie.
„PUSTO“ versucht in seinen
Vorführungen stets auch eine Präsentation eines bestimmten Gebietes.
Dieses Jahr taucht das Festival in
die Welt der usbekischen Videoart
ab. Auch internationale Künstler
aus Frankreich und Amerika sind
dabei. Deutschland ist durch das
Programm der Experimental-Videoclips von 2003 bis 2007 unter dem
Namen „Zur Rettung der Popkultur“
ebenfalls vertreten. Wie bereits die
Jahre zuvor, unterstützt das GoetheInstitut die Veranstaltung.
Seinen Abschluss findet „PUSTO“
in der GazGallery am 31. August.
Neben den audio-visuellen und
poetischen Projekten „Multimediales Schattentheater“ und „Wie man
schaut“ wird auch diesmal als Sahnehäubchen eine Sammlung der Clips
„Verbotene Früchte“ vorgeführt, die
durch dank ihres pikanten Inhalts
nicht open air vorgeführt werden
können.
7. Videoart-Festival „PUSTO“
28. – 30. August, 20 bis 22 Uhr
Semljanoj Wal 57, Gebäude 6
Vor dem Sacharow-Museum
M. Kurskaja, Taganskaja
Abschluss des Festivals „PUSTO“
31. August, 20 Uhr
GazGallery, Nischnij Sussalnyj
Pereulok 5, Gebäude 3a
M. Kurskaja
www.gazgallery.com
F reizeit
M o s k a u e r D e u t s c h e Z e i t u n g N r. 1 6 ( 2 3 9 ) A u g u s t 2 0 0 8
Hoch hinaus
Eine Künstleroase feiert
Von Anna Wirz
Die weiße runde Kugel mit dem
kleinen Korb schwebt langsam in
die Höhe. Sanft gleitet sie an einem
Stahlseil befestigt hoch über Moskau und offenbart den staunenden
Passagieren die Stadt aus einer
neuen Sicht. Der Fernsehturm, das
Monument des Kosmonautenmuseums, das Ausstellungsgelände
WWZ – alles sieht ganz nah und
gleichzeitig ganz fern aus. Bis zu
18 Insassen gleichzeitig kann der
Ballon „Aerolift“ diese Welt aus der
Vogelperspektive von 150 Metern
präsentieren. Somit bietet die seit
2002 betriebene Attraktion die derzeit höchste mögliche öffentlich
zugängige Aussicht auf die Stadt.
Dabei ist für die Sicherheit stets
gesorgt, denn der Flug wird nur
bei gutem Wetter und bei Windstille durchgeführt, damit der Ballon nicht abtreiben kann. Gesteuert
wird das Fluggerät von ausgebildeten Piloten, die den Ballon bei
einem Reißen des Seiles sicher landen können. Der Ballon selbst ist
Foto: RosAeroSystems
aus stabilem Kunststoff gefertigt.
Gefüllt ist er mit nicht brennbarem
Helium-Gas. Die Sicherheit des
Aerolifts wurde auch durch Zertifizierungen von der Europäischen
Agentur für Flugsicherheit (EASA)
und dem Internationalen Flugkomitee (IAC) bestätigt.
Während der Sommersaison gönnen sich 30 000 Besucher den zwölfminütigen Flug. Eine spezielle Einund Ausstiegsvorrichtung macht
das Erlebnis noch komfortabler.
Erwachsene zahlen 450 Rubel für
die Fahrt und für die Kinder kostet
sie 300 Rubel. Ein vorheriges Anrufen ist empfehlenswert, da der Flug
vom Wetter abhängig ist.
Aerolift
M. WDNCh
Neben dem Kosmonautenmuseum
Tel.: 8 901 517 4877
Foto: FAQ Café
Vier ungewöhnliche Räume für kreative Menschen
Mit dem Ballon über Moskau schweben
Hochhäuser, überfüllte Straßen,
Autos und Menschen, Parks. Moskau
ist aus der Vogelperspektive wie ein
großer Ameisenhaufen: interessant
und voller Bewegung. Schade, dass
die Menschen nicht einfach hochfliegen und diese Aussicht genießen
können. Ein Blick aus der Höhe ist
aber trotzdem möglich - mit dem
Ballon „Aerolift“.
15
In jedem noch so pragmatisch orientierten Menschen schlummert ein
Künstler. Und Künstler brauchen ein
besonderes Ambiente, um ihre strapazierten Nerven zu regenerieren
und neue Ideen zu schöpfen. Die
MDZ stellt einen solchen Ort vor.
Von Katharina Esau
Das „FAQ Café“ feiert am 30.
August seinen vierten Geburtstag
und lädt alle seine Freunde und die,
die es werden wollen, zu einer großen Feier ein. Der Internetauftritt
des Cafés verspricht einen Ort, an
dem Menschen, die auf irgendeine
Weise künstlerisch aktiv sind,
zusammen treffen. Sie können dort
singen, malen, dichten, schreiben,
Spiele spielen, Ideen austauschen
oder einfach nur nachdenken. Der
kreative Gast ist König und soll
alles tun können, was ihm in den
Sinn kommt, solange es die anderen
Gäste nicht störrt.
Der erste Eindruck, den das
„FAQ Café“ vermittelt, täuscht. Die
Tür ist unscheinbar und auch die
schmale, steile Treppe wahrscheinlich nicht das, was ein Gast vorher
erwartet. Der erste Raum: schon
besser. Er erinnert an einen stilvollen Steinkeller mit gewölbter
Decke. Was sofort auffällt, sind die
Gäste. Es scheint, als sei keiner
wie der andere. Ein interessantes
Publikum. Das nächste Zimmer ist
noch viel einladender. Die Decke: in
einem leichten Gelbton getüncht,
Kissen und ein Hochbett im „Schlafzimmer“ des „FAQ Cafés" laden zum Ausruhen ein.
viele bunte Kissen auf bunten Sofas.
Der Blick wandert. Schließlich
durchwandert er alle vier Räume,
die das Café bietet. Das Gesamtbild
erinnert an ein riesiges bewohntes
Appartement. Nicht umsonst hat
jedes Zimmer einen Namen: Gästezimmer, Kinderstube, Schlafzimmer
und Bibliothek. Jedes ist seinem
Namen entsprechend eingerichtet. Das Schlafzimmer hat mit seiner komplett bemalten Decke das
interessanteste Design. In der Ecke
thront ein Hochbett. Das Menü
ist vielfältig und die Preise halten
sich im Rahmen des Erträglichen.
Abends lassen sich die Organisatoren des Cafés viel einfallen, um für
Abwechslung zu sorgen. Besonders
am Wochenende finden verschie-
dene Veranstaltungen statt. Sänger,
DJs, teilweise bekannte Bands und
andere Künstler sorgen für Stimmung. Auch Kinoabende finden
statt. Seinen ganz eigenen Film will
das „FAQ“ an seinem Geburtstag
drehen. Es ruft die Gäste dazu auf,
sich an diesem Tag zu verkleiden,
um alte russische Filme wie „Brilliantowaja Ruka“ nachzuspielen. Der
Eintritt beträgt 500 Rubel inklusive Snacks und einer großen Überraschung, die noch nicht verraten
wird.
FAQ Café
Gasetnyj Pereulok 9, Gebäude 2
M. Ochotnyj Rjad
Tel.: 629 0827
www.faqcafe.ru, cafe@faqcafe.ru
Restaurant
Chamowniki
Russische und europäische Küche
Tanzboden, jeden Abend Livemusik,
Unterhaltungsprogramm
am Wochenende
Business-Menü
Veranstaltung
von Banketten
und Kinderfesten
M. Park Kultury
Ul. Lwa Tolstogo 23, Geb. 3
(495) 248 39 31, 248 37 41
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Alchimik
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L etzte S eite
Rad und Staat
Tscherepowez
Dubna
Nowosibirsk
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M o s k a u e r D e u t s c h e Z e i t u n g N r. 1 6 ( 2 3 9 ) A u g u s t 2 0 0 8
Ganz grosses Kino
Nowosibirsk. Ein 34-jähriger Moskauer hat in Nowosibirsk mit
schauspielerischem Talent die Frau fürs Leben gesucht. Er gab sich
als Chef eines Kinostudios aus und lud per Flyer „junge Damen mit
Modellmaßen“ zu einem Casting ins Hotel „Sibir“ ein. Die Hoffnung
auf eine Filmkarriere ließ die Kandidatinnen zum vereinbarten Termin förmlich Schlange stehen. 46 Frauen zwischen 18 und 25 Jahren
füllten Fragebögen zu ihren persönlichen Vorlieben aus, ließen sich
fotografieren und spielten kurze Szenen. Mit einigen führte der falsche
Kinodirektor Vier-Augen-Gespräche, verabredete Treffen im Café oder
Spritztouren in den Altai. Als eine der Auserwählten in Begleitung der
Polizei erschien, flog der Schwindel auf. Der Moskauer entpuppte sich
als Fotograf, der bei seinen Eltern Urlaub machte. Strafbar fanden die
Beamten seine Scharade nicht.
Dubna. Der russische Innenminister Raschid Nurgalijew hat mit einem
eigenwilligen Plädoyer für das Radfahren ausgerechnet die Radfahrer gegen
sich aufgebracht. In Dubna, einer radfreundlichen Kleinstadt nördlich von
Moskau, warb er bei der Eröffnung
eines neuen Gebäudes der Verkehrspolizei auch für den nichtmotorisierten Verkehr. „In manch europäischem
Land sitzt fast die Hälfte aller Verkehrsteilnehmer im Sattel. Das ist gut
für die Umwelt und also auch für die
Menschen", trat der Minister verbal
in die Pedale. Dann schaltete er einen
Gang höher. Im Ausland seien nach
seinen Beobachtungen an den Fahrrädern Kennzeichen befestigt, nahm der
Monolog eine amtstypische Wendung.
Nurgalijew schloss eine Meldepflicht
auch in Russland nicht aus. Damit erntete er bissige Reaktionen in Internetforen und -blogs. Während die einen
ulkten, eine behördliche Regulierung
des Radverkehrs bedeute vermutlich
radelnde Beamte mit Blaulicht und
eingebauter Vorfahrt, spotteten andere, bald müssten wahrscheinlich auch
Skateboards und Inlineskates von der
Polizei abgenommen werden.
Obdachlose wohnen denkmalgeschützt
Tscherepowez. Mit dem Kauf eines verwahrlosten Holzhauses im nordrussischen Tscherepowez hatte eine
Moskauer Unternehmerin kein Glück. Die einstöckige Baracke war früher Sitz der örtlichen Parteiorganisation
der Kommunisten, seitdem steht sie leer und bot zuletzt Landstreichern ein Dach über dem Kopf, was in drei
Bränden und einem Mord endete. Bei einer Auktion wurde die Immobilie von der Stadt abgestoßen und von
der Moskauerin Irina Baskakowa erworben, die heute versichert, von Denkmalschutzauflagen nichts gewusst
zu haben. Als durchsickerte, sie wolle an der Stelle einen Büroneubau errichten lassen, stellte sich das städtische
Komitee für das Geschichts- und Kulturerbe quer: Das mehr als einhundert Jahre alte Holzhaus sei von historischem Wert und ein Abriss damit ausgeschlossen. Die Geschäftsfrau kapitulierte und will den Besitz nun ihrerseits verkaufen. In Tscherepowez, das als Industriestadt vor allem Nachkriegsbebauung aufweist, gehen nur rund
20 Gebäude auf das Ende des 19. und den Anfang des 20. Jahrhunderts zurück. Die meisten sind Privateigentum,
der Rest soll bis zum 1. Januar 2009 von der Stadt versteigert werden. Die Nachfrage ist gering.
Moskauer Sechskampf
P Moskau
lanet
Von Alexander
Heinrich
Während die Athleten ihre Körper
in Peking zu immer neuen Höchstleistungen antreiben, misst man in
Moskau ganz andere Kräfte: Der
Herbst naht, die Stadt füllt sich, und
Tausende von Zugezogenen suchen
nach einer Bleibe in der chronisch
überfüllten Stadt.
Wohnungssuche in Moskau ist
moderner Fünfkampf. Oder besser Sechskampf, denn hier gibt es
noch eine zusätzliche Disziplin: Der
Kampf gegen die Tränen. Meist
bleibt den Neuankömmlingen gar
nichts anderes übrig, als vorläufig mit
einer älteren Dame Dach und Tisch
zu teilen. Und das heißt: Zwischen
DDT-Postern und Spielzeuglokomotiven ihres Sohnes aufzuwachen,
der mittlerweile den Kinderschuhen entwachsen ist und in London
arbeitet, manchmal allerdings zu
Besuch kommt und dann das Bett
in Anspruch nimmt. Manche dieser Herbergsdamen beginnen nach
einiger Zeit, den Gast zu kritisieren
und äußern merkwürdige Wünsche,
zum Beispiel jenen, dass man die
Pantoffeln stets mit den Spitzen zur
Wand stellen solle und nicht mit
den Nachbarn zu sprechen habe. Im
Zweifel wählen jüngere Expats deshalb lieber die Wohngemeinschaft.
Das mag auch damit zu tun haben,
dass sie auf diesem umkämpften
Markt gewisse Vorteile haben.
Der Ladenhüter auf dem Moskauer WG-Markt ist nämlich russisch
und männlich. Russische WG-Män-
ner stehen im zweifelhaften Ruf, in
Geschirrhandtücher zu schnauben,
zu nachtschlafender Zeit als schnaufendes Ungeheuer durch die Wohnung zu poltern und eine Spur der
Verwüstung hinter sich zu ziehen
– wobei sich die MDZ ausdrücklich
nicht mit diesen Vorurteilen gemein
machen will!
WGs sind der Keim, in dem der
Gedanke der Völkerverständigung
gedeihlich sprießen kann. Sie sind
eine Art UN-Sicherheitsrat im Kleinen. Jahrhundertelang haben sich
die Europäer gegenseitig mit Kriegen überzogen – bis sie endlich auf
den Flitz kamen, den Nachwuchs
ins Auslandssemester und in Wohngemeinschaften zu schicken. Wer
in Rom oder Warschau mit dem
französischen Mitbewohner Socken
und Schlüpfer aufhängt, wird beim
nächsten Konflikt wohl kaum mit
schwerem Geschütz ins Nachbarland einfallen.
Wenn Russen stets darauf pochen,
sich vom Rest der Welt unverstanden zu fühlen, dann sollten sie mehr
WGs gründen. Moskau könnte mit
einem großen Investitionsprogramm
ein Vorreiter sein. Die MDZ-Redakteure wissen aus eigener Erfahrung,
worauf es ankommt: Sanierter Altbau in ruhiger Lage in fünf Gehminuten zur nächsten Metrostation am
Ring, Balkon mit Blick ins Grüne,
gerne auch Kremlblick, und das
Ganze natürlich zu moderaten Preisen. Entsprechende Angebote leiten
Sie bitte gern vertrauensvoll an diese
Zeitung.