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Lernfeld Computerspiele
Denkt man an Lernen und Computer, so richtet sich das Augenmerk meist auf das
mittlerweile unüberschaubare Angebot an Lernsoftwareprodukte. Die Computerspiele, die
von Kindern und Jugendlichen bevorzugt werden, werden in diesem Kontext zu selten
erwähnt. Dennoch lohnt es sich, auch diese genauer zu betrachten.
Mit CD-ROMs gefüllte Regale breiten sich immer stärker aus und nehmen schon jetzt ganze
Kaufhausabteilungen in Beschlag. Kinder und Jugendliche auf der Suche nach neuen
interessanten Herausforderungen stürmen direkt zu den Regalen mit den neusten
Computerspielen. Die Regale mit Lernsoftware- oder Edutainmentprodukten lassen sie dabei
oft links liegen.
Eltern und Pädagogen beobachten diese Entwicklung seit langem und stehen dem Ganzen
meist skeptisch gegenüber. Kinder und Jugendlichen sollten doch lieber ein Buch lesen, mit
Freunden spielen oder etwas lernen.
Doch genau das tun sie: Sie lesen (Hand)bücher, treffen sich mit Freunden, vernetzen ihre
Computer, spielen zusammen und lernen dabei in den Spielen und beim Spielen so einiges...
Lernfeld Computerspiel
Kinder spielen gerne Computerspiele. Sie sind fasziniert von der Möglichkeit, in die
unterschiedlichsten virtuellen Welten eintauchen zu können. Problemlos können sie in andere
Rollen schlüpfen, sich auszuprobieren, Abenteuer bestehen und Spaß haben.
Auf der Suche nach Spiel, Spaß und Spannung kann man heute nun mal auch in der
Computerspieleabteilung fündig werden. Kinder sehen die Möglichkeit, sich in den
zahlreichen virtuellen Welten austoben und ausprobieren zu können und nehmen diese
Chance wahr.
Die maßvolle Nutzung des Mediums vorausgesetzt, ist es für Kinder und Jugendliche schwer
zu akzeptieren, daß sich Erwachsenen derart in die Freizeitgestaltung einmischen, wie sie es
in Bezug auf Computerspiele tun. Im Büro jagt so mancher selbst Moorhühner oder spielt hin
und wieder Solitär. Doch betreten sie das Kinderzimmer, so verstehen sie nicht mehr, was an
Computerspielen fasziniert.
Das Spielen im Freien scheint per se besser zu sein als das Computerspielen. Welches
Argument bleibt aber, wenn Kinder von selbst für ein ausgewogenes Verhältnis sorgen,
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genügend Zeit mit ihren Freunden in der „Realität“ verbringen und doch vom Computer
aufspringen, wenn der Freund sie zum Skaten oder Fußballspielen abholt?
Es geht nicht darum, was besser und was schlechter ist – denn das ist keines von beiden. Es
geht um ein ausgewogenes Verhältnis. Die virtuellen Welten können die reale Welt nicht
ersetzen (das wissen auch die Kinder), sie können sie jedoch ergänzen und bereichern.
Die folgenden, kurz vorgestellten Spiele haben sich bzw. werden sich auf dem Markt
durchsetzen können. Sie bestechen durch Originalität und Qualität. Sie zeigen aber auch, daß
neben Spiel, Spaß und Spannung auch noch mehr in den Spielen stecken kann.
Disneys Achterbahn-Designer erlaubt dem Spieler, eigene Achterbahnen zu entwerfen. Das
Spiel wurde durch die Arbeit der Designer und Ingenieure von Walt Disney Imagineering
inspiriert, welche für die spektakulären Fahrgeschäfte in den Disney Themenparks weltweit
zuständig sind. Innerhalb kürzester Zeit kann der Spieler selber zum Schöpfer verwegener
Achterbahnen werden. Dank eines gelungenen, leicht zu bedienenden Editors stehen in
kürzester Zeit die ersten Wagen abfahrbereit zur Testfahrt der eigenen Achterbahn.
Im „Freihandmodus“ sind der Fantasie des Achterbahn-Designers absolut keine Grenzen
gesetzt. Alles ist erlaubt, jede nur erdenkliche Achterbahnkonstruktion ist möglich. Im
Freihandmodus können Achterbahnen gestalten werden, die im wirklichen Leben für jeden
Fahrgast und Konstrukteur unmöglich wären.
Im „Imagineermodus“ hingegen müssen anspruchsvolle Herausforderungen gemeistert
werden. Der Spieler übernimmt die Rolle eines Achterbahnentwicklers und gestaltet
Achterbahnkurse, die bestimmte Anforderungen erfüllen müssen. Für die AchterbahnAttraktionen werden realitätsnahe Daten ermittelt, z.B. G-Kräfte, die max. Geschwindigkeit
und die Länge der Fahrstrecke. Ziel ist es, die schnellste und exotischste Achterbahn zu
gestalten und somit ein wahrer Achterbahnguru zu werden!
Disney Interactive: Achterbahn Designer
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Ein anderes, gerade erschienenes Beispiel ist Bioscopia. Ähnlich dem erfolgreichen
Vorgänger Physikus (und dem ebenfalls gerade erschienenen Chemicus) liegt hier eine
Adventure-Spiel der besonderen Art vor. Der Spieler wird zum Forscher und Entdecker. Das
innerhalb
des
Spiels
benötigte
und
erworbene
Wissen
und
die
Vertiefung
naturwissenschaftlicher Kenntnisse helfen dem Spieler, das Geheimnis von Bioscopia zu
entschlüsseln. Lernen wird hier wahrlich zum spannenden Abenteuer.
Klett Heureka: Bioscopia
In die gleiche Richtung weißt auch eins der neusten Produkt der Firma Terzio. In „Welt der
Wunder Adventure-Game“ begibt sich der Spieler in der Rolle des Agenten Benjy auf eine
abenteuerliche Reise, in der er Spannendes über Naturphänomene und technische
Entwicklungen unserer Welt lernen kann. Vielleicht gelingt es ihm auch, das Geheimnis der
mysteriösen Vorkommnisse auf einer Pazifikinsel zu lüften.
Angelehnt an die Fernsehsendung Welt der Wunder besticht dieses Produkt neben seiner
spannenden Geschichte auch durch die Qualität der Informationsaufbereitung. Kindgerecht
wird in Filmen und Animationen Wissen in gut verdaulichen und verständlichen „Häppchen“
serviert.
Terzio: Welt der Wunder Adventure-Game
Englisch-Vokabeln pauken macht vielen keinen Spaß. Lernen macht nur dann Spaß, wenn
man sich für das interessiert, was man lernen muß bzw. lernen will. Intrinsische Motivation
versus extrinsische Motivation. Mathematik, Deutsch, Englisch oder anderer Lernstoff wird
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nicht automatisch interessanter, nur weil die Übungsaufgaben jetzt auf CD-ROM gepreßt
sind.
Der eine oder andere StarTrek-Fan wird sich dennoch neugierig ein Programm wie American
Slang – Konversationstraining in Originaldialogen anschauen und hier vielleicht spielerisch
zum Lernen angehalten und dies nicht als „quälende Paukerei“ empfinden.
United soft media: American Slang – Konversationstraining in Originaldialogen
Frederic Vesters Ecopolicy (die multimediale Umsetzung des Klassikers „Okolopoly“) ist eins
der gelungensten Beispiele dafür, komplexe Zusammenhänge in einer Art Computerspiel
darzustellen und den Spieler dieses Strategie-Simulationsprogramms zum vernetzten Denken
herauszufordern. Dies gilt jedoch nur für den, der sich auch darauf einläßt. In den Regalen der
Kaufhäuser findet man dieses Produkt sehr selten. Viele Kinder oder Jugendliche fühlen sich
von dem Spiel auch nicht angesprochen. Zu stark scheint der Lernaspekt, die reine Simulation
im Vordergrund zu stehen. Hingegen wird das gerade erschienene Spiel ZooTycoon mit
Sicherheit ein voller Erfolg bei Computerspielern. Man kann die Produkte nicht direkt
vergleichen,
in
beiden
ist
dennoch
gleichermaßen
das
Verständnis
komplexer
Zusammenhänge gefragt, es werden gute Managementfähigkeiten verlangt und das vernetzte
Denken wird geschult. Dem ZooTycoon wurde der Beigeschmack eines Lernprogramms oder
einer „fade“ erscheinenden Simulation dadurch genommen, daß dem Spiel ein gehöriger
Schuß Spaß beigemischt wurde. Diese Mischung machte vor einigen Jahren auch schon den
Roller CoasterTycoon zum Überraschungshit (der sich übrings heute noch weit oben in den
Spielecharts befindet).
Als Zoodirektors sind sie im ZooTycoon für den Auf- und/oder Ausbau eines Zoos
verantwortlich. Die Pflege und Gestaltung der Gesamtanlage fällt ebenso in ihr Ressort, wie
die artgerechte Unterbringung der unterschiedlichsten Tierarten. Was braucht ein Eisbär um
glücklich zu sein? Vertragen sich Giraffen und Elefanten? Was essen Zebras gerne?
Um in dem Spiel erfolgreich zu sein, muß der Spieler viel über die unterschiedlichen
Tierarten lernen. Einen Goldesel gibt es in ihrem virtuellen Zoo leider nicht und so muß sich
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der Spieler selber um die Finanzen kümmern. Wie in vergleichbaren Spielen (z.B. Roller
CoasterTycoon, Theme Park World) ist auch der besonnene Umgang mit den Finanzen
wichtig (optional kann man sein Startguthaben jedoch sehr, sehr hoch einstellen). Die Tiere
brauchen die richtige Pflege, einer artgerechte Unterbringung und jede Menge Futter und auch
die Parkanlage muß instand gehalten werden - all dies kostet. Neben den Fixkosten sollte der
Spieler aber auch genügend Spielraum für Investitionen und Forschung haben. Denn der Zoo
muß auch für die virtuellen Besucher immer attraktiv bleiben, denn nur so kommt dringend
benötigtes Geld in die Kassen.
Microsoft: Zoo Tycoon
Das letzte Beispiel ist ein Vertreter des Echtzeit-Strategie-Genres und gehört damit einem der
beliebtesten Spielegenres an. Das Spiel Empire Earth verspricht darüber hinaus auch noch
eines der erfolgreichsten Spiele seiner Gattung zu werden. Wie in vergleichbaren Spielen
(WarCraft, Age of Empires oder auch Siedler) geht es in diesen Spielen um den erfolgreichen
Auf-
und
Ausbau
Weiterentwicklung.
von
In
Kulturen
Empire
und
Earth
deren
kann
gesellschaftliche
der
Spieler
und
über
militärische
500000
Jahre
Menschheitsgeschichte, von der Entdeckung des Feuers bis zur Lasertechnologie nachspielen.
Ein erfolgreiches Ressourcenmanagement und die richtigen taktischen und strategischen
Überlegungen sind der Garant für das Überleben der vom Spieler gelenkten Zivilisation. Über
200
verschiedene
Einheiten,
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unterschiedliche
Zeitepochen,
diverse
Spielmodi
(Kampagnen, freie Szenerien, Einzelspieler- oder Mehrspielermodus etc.) machen das Spiel
ebenso interessant, wie ein bis ins kleinste ausgetüftelte Regelwerk mit für dieses Spielgenre
zahlreichen Neuerungen.
Sirra: Empire Earth
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Spielen sie mit ?!
Haben sie schon einmal mit ihrem Kind gemeinsam gespielt? Es ist interessant und
verblüffend, wie Kinder Computer(spiele) verstehen und beherrschen. Wie sie an Probleme
herangehen, welch kreativen Lösungen sie finden. Wie ihr Kind die virtuellen Welten sieht
und sie begreift, was ihm Spaß macht und was nicht – Antworten auf diese Frage finden sie
nicht in diesem Artikel, sondern in ihrem Kinderzimmer...
Wenn ihnen ihr Kind das nächste Mal hilft, den neuen Drucker zu installieren, sie ans Internet
anschließt, ihnen die Einladungskarten für Omas runden Geburtstag gestaltet oder gelöschte
Dokumente wieder hervorzaubern kann - fragen sie sich ruhig einmal, wieso ihr Kind oft auf
ganz interessante Ideen und Lösungsansätze kommt, wieso es sich plötzlich für Architektur,
für Biologie, für Wirtschaft, für Englisch oder für Geschichte interessiert.
Zum einen mag es an der generell spielerischen Herangehensweise beim Verstehen und Lösen
von Probleme liegen, zum anderen auch an Skripten und Schemata, die ihr Kind aus der
virtuellen Welt (dem Computerspiel) in die reale Welt transferiert, ggf. modifiziert und auf
Problemstellungen
überträgt
(Intermondiale
Transferprozesse,
Akkomodation
und
Assimilation).
Es macht einen Unterschied, ihrem Kind nur mal kurz (und vielleicht auch noch
voreingenommen) über die Schulter zu schauen oder sich die Zeit zu nehmen, sich ein Spiel
von ihrem Kind erklären zu lassen und mitzuspielen. Nehmen sie ihr Kind und seine
Bedürfnisse ernst.
Entdecke die Möglichkeiten
Erkennt ihr Kind ihre Bemühungen an, so kommen sie vielleicht gemeinsam auf ganz neue
Ideen und wecken weitere Bedürfnisse. Greifen sie Themen aus den Spielen auf und vertiefen
sie diese. Besuchen sie doch mal wieder gemeinsam einen Zoo oder Freizeitpark und
vergleichen die Realität mit ihrer virtuellen „Schöpfung“. Schauen sie sich doch mal einen
Kinofilm im Original an. Ergänzen sie in Spielen erworbenes Wissen über andere Kulturen
und besuchen eine Ausstellung. Mit den Kindern ins Museum – dies mag so unvorstellbar und
unrealistisch für sie klingen, wie es für viele Kinder unvorstellbar sein mag, daß sie sich
ernsthaft für ihre Computerspiele interessieren oder sogar selber einmal (mit)spielen.
Überraschen sie ihre Kinder und sich selber. Lernen sie ihre Welt kennen.
Es liegt an ihnen die reale Welt so spannend und aufregend zu gestalten, wie es die virtuelle
Welt für Kinder zu sein scheint.
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Weitere Informationen und Artikel zum Thema
http://www.sleegers.de
Dipl. Soz. Päd. Jürgen Sleegers
Referent und Autor auf dem Fachgebiet
"Kinder, Jugendliche und Neue Medien"
Kontakt:
http://www.sleegers.de
e-mail: juergen@sleegers.de
Screenshots: Disney Interactive, Heureka Klett, Terzio, United soft media, Microsoft, Sierra
Weiter Links:
Achterbahn-Designer: http://www.achterbahn-designer.de
Bioscopia / Chemicus: http://www.klett-verlag.de/heureka/lernadventure/index.htm
Welt der Wunder Adventure-Game: http://www.terzio.de
American slang: http://www.hqmedia.de
Zoo Tycoon: http://www.zoo-tycoon.com
Empire Earth: http://www.sierra-empireearth.de
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