Referent - German UPA
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Referent - German UPA
Matthias Peissner Kerstin Röse (Hrsg.) Usability Professionals 2003 Berichtband des ersten Workshops des German Chapters der Usability Professionals Association e.V. Impressum Herausgeber: Matthias Peissner, Fraunhofer IAO Kerstin Röse, Universität Kaiserslautern Vertrieb: German Chapter der Usability Professionals Association e.V. Postfach 80 06 46 70506 Stuttgart Bestellungen an: mc2003@gc-upa.de Copyright: German Chapter der Usability Professionals Association e.V. ISBN: 3-8167-6376-6 Erscheinungstermin: September 2003 Cover Design: Nick Kapica ständige vertretung design und kommunikation gmbh http://www.staendige-vertretung.com Druck: Fraunhofer Informationszentrum Raum und Bau IRB © German Chapter der Usability Professionals Association e.V. Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist einschließlich seiner Teile urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die über die engen Grenzen des Urheberrechts hinausgeht, ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen sowie die Speicherung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen und Handelsnamen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass solche Bezeichnungen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutzgesetzgebung als frei zu betrachten wären und deshalb von jedermann benutzt werden dürften. WILLKOMMEN ZUM ERSTEN WORKSHOP DES GERMAN CHAPTERS DER USABILITY PROFESSIONALS ASSOCIATION E.V. Liebe Kollegen! Nun ist es schon fast ein Jahr her, dass in Darmstadt die Gründung des deutschen Berufsverbands der Usability Professionals statt gefunden hat. Neben all den bürokratischen Herausforderungen, die die Gründung eines Berufsverbandes mit sich bringt, haben wir unseren wichtigsten Auftrag, die Organisation des ersten Workshops, in Angriff genommen. Und jetzt ist es endlich so weit: Erstmals findet auf der diesjährigen Konferenz „Mensch & Computer 2003“ der Usability Professionals Track statt. Diese Workshopreihe konzentriert sich auf die praktischen Fragestellungen des Usability Engineerings und bietet Usability Praktikern die Möglichkeit, Erfahrungen auszutauschen, sich über neue Methoden, Techniken und Trends zu informieren, sowie neue Kontakte zu Partnern aus dem gesamten deutschsprachigen Raum zu finden. Als Organisatoren des Usability Professionals Tracks freuen wir uns, dass wir schon bei der ersten Durchführung ein so vielseitiges und interessantes Programm präsentieren können. Vielen Dank an alle Autoren, Referenten und Session Chairs! In insgesamt 13 Usability Professionals Sessions werden die wichtigsten Themen und die aktuellsten Trends des Usability Engineerings behandelt. Der hohe Anteil an Referenten aus der Industrie und von namhaften Partnern der angewandten Forschung verdeutlicht die starke Praxisorientierung und Praxisrelevanz der Sessions. Ein besonderes Anliegen bei der Vorbereitung des UPA-Tracks war es, die klassischen Beitragsformate einer wissenschaftlichen Konferenz zu erweitern und eine möglichst offene und interaktive Gestaltung der Sessions zu erreichen. Dieser Berichtband fasst die Beiträge von 3 Tagen Workshop in Kurzform zusammen und gibt einen Überblick zu den einzelnen Referenten. Im Sinne des Networking sind kurze Beschreibungen und Kontaktinformationen zu den jeweiligen Referenten enthalten. Der Usability Professionals Track wird vom German Chapter der Usability Professionals Association e.V. (www.gc-upa.de) organisiert und ist dessen erster Workshop, der von nun an jährlich stattfinden wird. Unser ganz besonderer Dank gilt den Veranstaltern und Organisatoren der Mensch & Computer 2003, die es uns ermöglicht haben, uns mit einer kompletten Workshopreihe an der Gestaltung der Konferenz zu beteiligen. Allen voran Herr Professor Dr. Jürgen Ziegler, der von Anfang an unsere Einbindung in die Mensch & Computer 2003 unterstützt hat. Wir hoffen, dass das German Chapter der UPA e.V. mit dem Usability Professionals Track durch interessante Präsentationen und Workshops, durch die stärkere Einbeziehung von Praktikern aus der Industrie und nicht zuletzt durch persönliche Begegnungen zwischen Forschern und Praktikern zu einer echten Bereicherung der Konferenz beitragen kann. Stuttgart, September 2003 Matthias Peissner Kerstin Röse Im Auftrag des German Chapter der Usability Professionals Association e.V. Kontakt: German Chapter der UPA e.v. Postfach 80 06 46 70506 Stuttgart matthias.peissner@gc-upa.de kerstin.roese@gc-upa.de http://www.gc-upa.de Wir danken den Sponsoren der Mensch & Computer 2003 INHALT Assistenzsysteme: Woher und wohin? 3 Assistenzsysteme: Woher und wohin? H. Wandke, E. Wetzenstein-Ollenschläger 8 Ermittlung von Assistenzwünschen von Fahrern mit Hilfe der Methode Nutzer-Mock-Up H. Enigk, K. Polkehn 13 Mehr als Look and Feel: virtuelle Helfer N. Krämer Der Weg zu einer stärkeren Verzahnung von Usability Engineering und Software Engineering 21 Der Weg zu einer stärkeren Verzahnung von Usability Engineering und Software Engineering K. Kohler, F. Leidermann, A. Birk Usability Professionals und Requirements Engineering 29 Usability Professionals und Requirements Engineering - Erfahrungen und Trends A. Beck 34 Anforderungsmanagement als eigenständige Disziplin R. Fahney 39 Customer-centered "New Application" Design M. Hatscher, J. Beringer 44 Praktische Integration des Requirements-Engineering im Feld der multimedialen interaktiven Lehrmedien R. Hartwig 49 Requirements-Analyse und GUI Design F. Strauß Sprache und Multimodalität 57 Praxisbericht zur Gestaltung auditiver Benutzungsoberflächen P. Klante 63 User Modelling in a Dialog System R. Kompe, M. Emele, S. Goronzy, R. Mencl, S. Torge 69 Voice Portale - Usability Aspekte aus der Praxis P. Wetzel V Inhalt Usability Professionals in Deutschland 75 Das German Chapter of the Usability Professionals' Association e.V. K. Röse, A. Beu, M. Hassenzahl, M. Peissner 79 Das Netzwerk der regionalen Gruppen des German Chapters der UPA e.V. S. Stoessel 84 Usability Report Deutschland 2003 - Eine Befragung zur Situation der Usability Professionals in Deutschland A. Beu, E. Reitmayr, P. Vogt, D. Mauch, K. Röse Erlernen und Anwenden: Projekterfahrungen mit Methoden benutzerzentrierten Gestaltens 93 Focus Group Erhebung des Informationsbedarfs für das Intranet der Polizei im Projekt "Polizei-Online" F. Länge, S. Lotterbach 98 Bedienerverhalten und Feedbackqualität bei der Steuerung einer computersimulierten Heizungsanlage C. Schmeink, J. Sauer, D. Wastell 103 Optimierung der redaktionellen Workflows in einer Online-Redaktion P. Schumacher, B. Terwey, R. Wessler 107 Projekt Hilwa - Benutzerorientierte Gestaltung eines Lerncontentmanagementsystems für die Berufliche Aus- und Weiterbildung S. Raimer Phaszination Ergonomie: Von der Entlastung am Fließband zur Inspiration im Design 115 Phaszination Ergonomie: Von der Entlastung am Fließband zur Inspiration im Design C. Lazzeroni, P. Gersch, T. Hofmann, C. Noss Methoden und Prozesse 123 Design Faktoren als ein Instrument zur Verbesserung der Qualität von Design-Prozessen H. Degen 127 Methoden zur Einbindung des Kunden in Planung, Durchführung und Auswertung eines Usability-Anwendungstests S. Krause, J. Heuer If it doesn't feel right - who cares if it works 135 "If it doesn't feel right, who cares if it works?" oder "Muss Software mehr als nur gebrauchstauglich sein?" M. Hassenzahl, E. Hofvenschiöld User Interface Tuning 143 User Interface Tuning - mit Benutzern gestalten J. Machate, M. Burmester 147 Sicherheit fängt beim Benutzer an - benutzerzentrierter Gestaltungsprozess für SAM Jupiter J. Schwagereit, A. Kern, A. Beu VI Usability Professionals 2003 Inhalt 151 Gestaltung touchscreen-basierter Maschinensteuerungen bei TRUMPF K. Bauer, A. Beu 156 Website-Evolution - Was der Besucher wirklich braucht J. U. Parkitny, C. Görner 161 Interaktives Fernsehen erleben A. Weiss, F. Koller Interkulturelles Usability-Engineering 167 Kulturdimensionen für die Gestaltung und Analyse internationaler User Interfaces: Welche sind wichtig und nützlich? V.-J. Baumgartner 171 Determining Cultural Issues in Attitude to and use of Mobile Phones E. Hofvenschiöld 175 Interkulturelle Unterschiede in der Interaktion mit Fahrer-Informations-Systemen M. Peißner Barrierefreies Internet 181 Barrierefreies Internet: WebUsability for All M. Mund, F. Leidermann, H. Weber Mobile User Interfaces 189 Usability Engineering Prozess bei Vodafone Global H. Degen 194 Kleiner, bunter, lustiger - aktuelle Herausforderungen für die User Interface-Gestaltung mobiler Telefone U. Leiner, P. Honold 199 UI Design Patterns für Navigationssysteme auf mobilen Geräten F. Hermann, R. Gibbert VII ASSISTENZSYSTEME: WOHER UND WOHIN? ASSISTENZSYSTEME: WOHER UND WOHIN? Hartmut Wandke Institut für Psychologie der Humboldt-Universität zu Berlin Oranienburger Str. 18 D- 10178 Berlin hartmut.wandke@psychologie.hu-berlin.de http://www.psychologie.hu-berlin.de ABSTRACT Die zunehmende Häufigkeit, mit der von Assistenzsystemen bei der Entwicklung von interaktiven Systemen und auch in der Forschung zur Usability die Rede ist, steht im deutlichen Kontrast zur geringen semantischen Trennschärfe des Begriffs Assistenz. Es wird deshalb ein Assistenzkonzept vorgestellt, das sich an den zu unterstützenden Handlungsphasen bei der Nutzung interaktiver Systeme orientiert. Aus einer Analyse bekannter Assistenzsysteme und unter Bezug auf Formen sozialer Assistenz lassen sich 25 verschiedene Grundformen von Assistenz identifizieren. Weitere Merkmale von Assistenzsystemen (Anpassbarkeit; Initiative) werden erläutert. Elke Wetzenstein-Ollenschläger Institut für Psychologie der Humboldt-Universität zu Berlin Oranienburger Str. 18 D- 10178 Berlin wetzenstein@psychologie.hu-berlin.de http://www.psychologie.hu-berlin.de 2. ANWENDUNGSFELDER FÜR ASSISTENZ Assistenzsysteme für private Benutzer finden sich unter anderem • In PC-Softwarepaketen (Assistenten führen z. B. Benutzer Schritt für Schritt durch Installationsprozesse, Wizards helfen bei der Bewältigung von Aufgaben wie dem Entpacken von Dateien und dem Brennen von CDs, Programmfunktionen führen automatisch Formatierungsfunktionen oder Korrekturen aus). Bekannt, aber oft umstritten sind comicartige Wesen, die Tipps und Hinweise für den Benutzer bereit halten, wie er seine Aufgabe besser machen kann [5]. • Als Führer und Helfer in den unüberschaubaren Weiten des Internets, aber auch für umfangreiche Websites mit den entsprechend großen Datenbanken. 1. EINLEITUNG • Der Begriff „Assistenz“ spielt im der UsabilityForschung der letzten Jahre eine zunehmende Rolle. Dabei versteht man je nach Anwendungsgebiet sehr verschiedene Merkmale und Funktionen interaktiver Systeme, die Assistenz ausmachen. Obwohl einige Assistenzsysteme im professionellen Bereich schon lange existieren (z. B. der Autopilot im Flugzeug), ist dieses Thema erst mit ihrem Einsatz für private Benutzer in größerem Rahmen bekannt und zum Gegenstand der Usability-Forschung geworden. In Pkws finden sich mittlerweile zahlreiche Assistenten, die der Spurhaltung und der Fahrzeugstabilisierung dienen (ABS, Bremsassistent, ESP, Distronic), aber auch der Routenplanung (Navigationsund Zielführungssysteme) und der Bewältigung von Fahrmanövern wie Einparken (Parktronic), Darüber hinaus sollen Assistenten die Benutzung zahlreicher Komfort-, Kommunikations- und Entertainmentfunktionen im Fahrzeug erleichtern [1]. • In Form sogenannter Persönlicher Digitaler Assistenten (PDAs). PDAs bieten vor allem Unterstützung beim Termin- und Kontaktmanagement. Gegenwärtig entwickelt man PDAs, die über Lokalisierungsund Telekommunikationsfunktionen verfügen und die so situation awareness unterstützen sollen [4]. • Als Teil sogenannter Smart Home-Konzepte, bei denen Bewohner eines Hauses bei der Bewältigung alltäglicher Aufgaben (von der Regelung der Raumtemperatur bis zum Bestellen von Lebensmitteln) unterstützt werden. Aber nicht nur zu Hause, sondern auch auf Keywords Assistenz, Automatisierung, Funktionsteilung Mensch-Maschine-Systeme, User Interface. Es ist erlaubt digitale und Kopien in Papierform des ganzen Papers oder Teilen davon für den persönlichen Gebrauch oder zur Verwendung in Lehrveranstaltungen zu erstellen. Der Verkauf oder gewerbliche Vertrieb ist untersagt. Rückfragen sind zu stellen an den Vorstand des GC-UPA e.V. (Postfach 80 06 46, 70506 Stuttgart). Proceedings of the 1st annual GC-UPA Track Stuttgart, September 2003 © 2003 German Chapter of the UPA e. V. 3 Wandke, H. & Wetzenstein-Ollenschläger, E. Reisen sollen smarte Interaktionen mit der Umgebung möglich sein [8]. • Als Unterstützung für Benutzergruppen mit besonderen Anforderungen. Hierfür hat sich der Begriff assistive technology eingebürgert. Spezielle Assistenzsysteme helfen z. B. Blinden bei der selbständigen Orientierung in fremder Umgebungen [2]. Andere ermöglichen es gelähmten Menschen, die in der Bewegung ihrer Hände und Finger stark eingeschränkt sind, mit vertretbarem Aufwand Texte zu schreiben oder am Computer zu arbeiten. Zukünftig werden wir das Zusammenwachsen dieser verschiedenen Anwendungsbereiche erleben; wofür der Butler in Apple’s Video Szenario Knowledge Navigator ([7] ein bisher nicht erreichtes Vorbild darstellt. Für dieses Zusammenwachsen ist es wichtig zu wissen, worin die Gemeinsamkeiten und Unterschiede aller dieser Assistenzsysteme bestehen? Wie kann soll man sie gestalten? 3. WAS IST ASSISTENZ? Diese Frage kann unterschiedlich beantwortet werden. Assistenz in einem weiteren Sinne wird durch jedes technische Artefakt geboten. Bereits ein einfaches Handwerkzeug stellt dem Benutzer Funktionen zur Verfügung, über die er selbst nicht verfügt und die es ihm ermöglichen nicht nur Aufgaben schneller, mit weniger Kraft und mit geringer kognitiver Beanspruchung ausführen, sondern auch überhaupt Dinge zu tun, die er allein mit seinen natürlichen Fähigkeiten nicht tun könnte. Eine enge Auslegung des Begriffs Assistenz, wie sie in der traditionellen Mensch-Maschine-SystemForschung anzutreffen ist, sieht Assistenz als eine Zwischenform zwischen der rein manuellen/ mentalen Ausführung von Steuerungsaufgaben und der vollständig automatischen Ausführung. Damit werden jedoch alle neueren Anwendungsfelder nicht erfasst. Betrachtet man das gesamte Spektrum der Anwendungsfelder, so erscheinen zwei Einschränkungen des weiten Assistenzbegriffs sinnvoll: 1. Assistenz bezieht sich immer auf den Umgang mit interaktiven Systemen. Unterstützt wird nicht die Bewältigung aller möglichen Aufgaben, sondern nur solche, die die Nutzung von Technik (speziell von interaktiven Systemen) betreffen. 2. Assistenz bezieht sich auf den Zugang zu den Funktionen eines technischen Systems, nicht auf die Funktionsteilung. Die Funktionsteilung zwischen Mensch und Technik ist Voraussetzung für Assistenz, aber sie ist noch nicht die Assistenz selbst. Assistenz ist somit eine Brücke, die eine Verbindung herstellt zwischen den Wünschen, Zielen, dem Wissen und den Fähigkeiten der Benutzer auf der einen Seite und den Funktionen eines interaktiven 4 Systems auf der anderen Seite. Damit ist Assistenz natürlich auch Teil des User Interface. 3.1 Assistenz für Handlungsphasen Um entscheiden zu können, wie ein Assistenzsystem gestaltet sein sollte, damit Benutzer die Funktionen eines interaktiven Systems möglichst einfach in Anspruch nehmen können, ist es hilfreich zu wissen, welche Arten von Assistenz denn prinzipiell existieren und wodurch sie sich unterscheiden. Dabei erweist es sich als hilfreich, sich daran zu orientieren, WAS unterstützt werden soll. Ansätze zur Klassifikationen von Assistenzsystemen, die auf diesem WAS beruhen, stammen von [3], die sich auf zu unterstützende psychische Funktionen beziehen, und von [6], die vier Handlungsphasen differenzieren, die unterstützt werden können. De Gedanken der Handlungsphasen weiterführend unterscheiden wir sechs verschiedene Abschnitte einer Handlung, die einzeln oder in Kombination von einem Assistenzsystem unterstützt werden können. Jede dieser Handlungsphasen kann durch verschiedene Assistenzsysteme unterstützt werden. Wenn man die bisher in der Literatur beschriebenen Assistenzsysteme analysiert und den verschiedenen Handlungsphasen zuordnet, kommt man zu einer geordneten Menge von Assistenzarten. Diese Ordnung kann weiter ausgebaut werden, in dem man betrachtet, wie zwischenmenschliche Assistenz funktioniert. Auf diese Art und Weise lassen sich 25 verschiedene Assistenzfunktionen identifizieren, die in den verschiedenen Anwendungsgebieten und mit Hilfe verschiedener Techniken realisiert werden können: 1. Motivation, Aktivierung und Zielbildung (Aktivierungs-, Coach-, Orientierungs-, Warnund Mahnassistent) 2. Informationsaufnahme: Wahrnehmung von Signalen des interaktiven Systems und von Umgebungsinformation (Anzeige-, Verstärker- und Wiederholungsassistent) 3. Informationsintegration, Erzeugung Situationsbewusstseins (Präsentations-, ÜbersetzungsErklärungsassistent, Label Assistent) eines und 4. Entschluss zum Handeln, Treffen einer Entscheidung, Auswahl einer Handlungsoption (Angebots-, Filter-, Vorschlags-, Delegationsund Übernahmeassistent, informierender und stiller Ausführungsassistent) 5. Ausführung der Handlung oder Operation (Power-, Limit-, und Dosierassistent, Short Cut Assistent, Eingabeassistent) 6. Verarbeitung der Rückmeldung des Systems oder des eingetretenen Zustands (Rückmeldungs-, Kritikassistent) Usability Professionals 2003 Assistenzsysteme: Woher und Wohin? 3.2 Anpassung von Assistenz Wie andere Komponenten des User Interface sollte Assistenz angepasst werden können an verschiedene Benutzer, an deren Aufgaben und an unterschiedliche Situationsbedingungen. Wir unterscheiden Grundformen: zwischen folgenden Konstante Assistenz Konstante Assistenzsysteme verhalten sich bei allen Benutzern und in allen Situationen gleich. Sie weisen damit den Vorteil der Konsistenz und Transparenz auf. Benutzer erleben mit solchen Assistenzfunktionen keine Überraschungen. Allerdings sind solche Systeme aber auch inflexibel und die bereit gestellte Unterstützung passt nicht immer zum Benutzer und seiner aktuellen Situation. Anwenderspezifische Assistenz Solche Systeme sind “maßgeschneidert” für die Bedürfnisse bestimmter Anwender und für deren spezifische Aufgaben in spezifischen Kontexten. Die Anpassung erfolgt bereits während der Entwicklung. Diese Art von Anpassung erfordert eine sorgfältige Anforderungsanalyse. Zwar ist die Berücksichtigung von Anwenderbedürfnissen schon ein Verbesserung gegenüber dem „one size fitts all“-Ansatz, schafft aber Probleme, wenn sich z. B. der Benutzungskontext ändert oder Benutzer hinzulernen. Hier ist es angezeigt, die Anpassung in die Hände des Benutzers (Adaptierbarkeit) oder des Systems (Adaptivität) zu legen. Adaptierbare Assistenz Benutzer können diese Systeme an ihre speziellen Bedürfnisse, Aufgaben und Benutzungssituationen selbst anpassen. Die Anpassung kann zum einen durch Auswahl geschehen, z. B. wählt Benutzer A eine vollautomatische Schaltung und Benutzer B eine Tipptronic-Schaltung. Die Auswahl kann sich prinzipiell auf alle Merkmale von Assistenzsystemen beziehen. Benutzer X möchte z. B. immer eine aktive Assistenz, während Y eine passive Assistenz bevorzugt. Neben der Anpassung durch Auswahl, können Benutzer Assistenzsysteme auch durch Parameteränderungen anpassen. Benutzer beeinflussen z. B. das Verhalten von aktiven Assistenzsystemen durch das Einstellen von Schwellenwerten. Nur wenn das Telefon mindestens fünfmal klingelt, wird die Lautstärke des Fernsehers vermindert, die Teilnehmerinformation auf dem Schirm angezeigt und das Gespräch angenommen. Bei einem anderen Benutzer liegt diese Schwelle schon bei einmal klingeln. Neben der Klingeldauer lassen sich in diesem Beispiel eine Vielzahl weiterer Anpassungsparameter denken. Die Initiative zur Anpassung liegt immer beim Benutzer. Adaptive Systeme Bei adaptiven Systemen wird die Anpassung nicht auf der Basis von expliziten Auswahlentscheidungen oder Parametereinstellung des Benutzers vollzogen, sondern durch die Auswertung von aktuellen und gespeicherten Kontextmerkmalen durch das System. Adaptive Systeme passen die Assistenz selbständig an den Benutzer, seine Vorlieben, Wünsche und Bedürfnisse bezüglich der Unterstützung in bestimmten Situationen an. Analog zur Adaptierbarkeit kann man wieder Selektion und Parametereinstellung unterscheiden. Eine einfache Realisierungsform von Adaptivität auf der Basis eines singulären Kontextmerkmals ist die automatische Selektion der passenden Modalität bei der Ausgabe von unterstützenden Handlungsanweisungen in Abhängigkeit von der (durch Sensoren erfassten) Blickrichtung des Autofahrers. Schaut er auf ein Display erfolgt die Ausgabe des Textes visuell, ist sein Blick abgewendet, erfolgt die Ausgabe akustisch. Komplexere Realisierungsformen könnten zusätzliche Merkmale (wie die Fahrtgeschwindigkeit) berücksichtigen und z. B. auch gespeichert Daten dahingehend auswerten, wie oft der Benutzer bei beginnender Sprachausgabe den Blick auf das Display gelenkt hat. 3.3 Initiative Aktive Assistenz Bei dieser Form, die manchmal auch pro-aktive Assistenz genannt wird, um zu betonen, dass das System vorbeugend Unterstützung anbietet, ergreift das System die Initiative. Dazu braucht es Informationen: Wann und unter welchen Bedingungen soll es welche Assistenz anbieten? In den allereinfachsten Fällen reicht für diese Entscheidung die Identifizierung des individuellen Benutzers aus oder das System wird aktiv, wenn ein einzelnes Kontextmerkmal vorliegt, etwa eine bestimmte Ausprägung der Raumhelligkeit (dann wird z. B. das Licht gedimmt beim Fernsehen). In komplizierten Fällen wird das System über eine diagnostische Komponente verfügen müssen, um auf der Basis einer Vielzahl von aktuellen und gespeicherten Informationen über den Benutzer, sein Verhalten, den jeweiligen Zuständen und Zustandsfolgen des Systems, sowie seiner Umgebung eine hilfreiche Assistenz anbieten zu können. Die gespeicherten Informationen können dabei auf verschiedenen Wegen gewonnen worden sein. Benutzer können z. B. zuvor explizit nach ihren Wünschen und Vorlieben gefragt worden sein oder das Assistenzsystem schließt aus zurückliegendem Benutzerverhalten auf Wünsche und Vorlieben. Passive Assistenz Bei passiven Assistenzsystemen initiiert der Benutzer die Assistenz. Konventionelle Hilfesysteme sind einfache Beispiele für passive Assistenz. Aktive und passive Assistenz haben jeweils Vor- und Nachteile. Wenn die Initiative beim Benutzer liegt, so ist er es, der die Situation meistert und die Technik steuert und kontrolliert. Allerdings muss er bereits wissen, dass es diese Art von Unterstützung 5 Wandke, H. & Wetzenstein-Ollenschläger, E. gibt und er muss sich auch in schwierigen Situationen wenigstens soviel Zeit und freie kognitive Kapazität haben, um sich daran zu erinnern und die Unterstützung abfordern zu können. Wenn die Initiative beim System liegt (aktive Assistenz) ist keine Erinnerungsleistung beim Benutzer notwendig. Systementscheidungen erfolgen meist sehr viel schneller und Aktionen werden schnell und präzise ausgeführt. Es kann aber sein, dass der Benutzer das Gefühl hat, der Technik ausgeliefert zu sein, insbesondere, wenn das System sich anders verhält, als es der Benutzer erwartet. Meist hat ein Benutzer mehr Kontextinformationen zur Verfügung als das System und kann diese Information auch besser verknüpfen. Aktive Assistenz hat hingegen den großen Vorteil der Schnelligkeit, was sich besonders in sicherheitsrelevanten Situationen (z. B. Bremsassistent) auswirkt. System. in K.-P. Timpe, T. Juergensohn, und H. Kolrep (Hrsg.) Mensch Maschine Systemtechnik - Konzepte, Modellierung, Gestaltung, Evaluation. Düsseldorf: Symposion Publishing GmbH, 41-62 (2000). [4] Kirste, Th., Situation-Aware Mobile Assistance. in Earnshaw, R.A. (ed.) Frontiers of HumanCentered Computing, Online Communities and Virtual Environments, London: Springer, 99-115 (2001) [5] Krämer N C. und Bente G., Virtuelle Helfer: Embodied Conversational Agents in der Mensch-Computer-Interaktion. In G. Bente, N. C. Krämer & A. Petersen (Hrsg.), Virtuelle Realitäten. Göttingen: Hogrefe, 203-225 (2002). 4. REFERENCES [6] Parasuraman, R., Sheridan, Th.B. & Wickens, Ch.D. (2000). A model for Types and Levels of Human Interaction with Automation. IEEE Transactions on Systems, Man, and Cybernetics, 30, 286-297 [1] Bubb, H., Fahrerassistenz primär ein Beitrag zum Komfort oder für die Sicherheit? in: VDIBerichte 1768, Der Fahrer im 21. Jahrhundert. (Düsseldorf: VDI Verlag), 25-45 (2003). [7] Sculley, J., The relationship between business and higher education: A perspective on the 21st century. Communications of the ACM 32, 10561061 (1986). [2] Enge, M., Sprachassistenz für verschiedene Nutzergruppen beim Bedienen von Automaten. In: VDI-Berichte 1678, Useware 2002: MenschMaschine-Kommunikation/Design, Düsseldorf: VDI-Verlag-GmbH, 61-66 (2002). [8] Wahlster, W., SmartKom: Symmetric Multimodality in an Adaptive and Reusable Dialogue Shell. in: Krahl, R., Günther, D. (eds): Proceedings of the Human Computer Interaction Status Conference 2003, Berlin: DLR, 47-62 (2003). [3] Hauss, Y. und Timpe, K.-P. , Automatisierung und Unterstützung im Mensch-Maschine- 6 Usability Professionals 2003 Assistenzsystme: Woher und Wohin? Referenten Hartmut Wandke ist Professor für Ingenieurpsychologie / Kognitive Ergonomie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Seine aktuellen Forschungsinteressen liegen u.a. auf den Gebieten: Arbeiten und Lernen mit Inter- und Intranet / Orientierung und Navigation in vernetzten Systemen / Website Usability / Benutzungsschnittstellen für interaktive Systeme im Alltag / Wissensmanagement / Assistenzsysteme /Hypermedia-Anwendungen. Elke Wetzenstein ist PD am Lehrstuhl für Arbeitspsychologie der HumboldtUniversität zu Berlin. Sie promovierte und habilitierte zu Fragen der multimodalen Kodierung. Im Rahmen der Lehre vertritt sie vor allem das Gebiet der Methodik Arbeits- und Ingenieurpsychologischer Forschung und zur anforderungsbezogenen Diagnostik von Personeneigenschaften. In einer Reihe von Praxisprojekten beschäftigte sie sich vor allem mit der Entwicklung von Assistenzsystemen für LkW, PkW, im Haushalt, zur Robotersteuerung oder zum Bedienen komplexer Produktionsanlagen. 7 ERMITTLUNG VON ASSISTENZWÜNSCHEN VON FAHRERN MIT HILFE DER METHODE NUTZER-MOCK-UP Holger Enigk DaimlerChrysler AG Research and Technology / Body and Powertrain 096/U152 RBP/BA 12274 Berlin Holger.Enigk@daimlerchrysler.com Knut Polkehn Humboldt-Universität zu Berlin Oranienburger Str. 18 10178 Berlin knut.polkehn@rz.hu-berlin.de http://arb1.psychologie.hu-berlin.de/ingpsy ABSTRACT sogar In diesem Beitrag des Workshops “Assistenzsysteme” wird der Benutzer-(Fahrer-) orientierte Entwurf von Fahrerassistenzsystemen am Beispiel der Methode “Nutzer-Mock-Up” vorgestellt. Die Teilnehmer werden die Methode bei der Konfiguration eines Systems zur Abstandsregelung ausprobieren. Die Ergebnisse werden anschließend mit den Ergebnissen realer Befragungen verglichen. ermöglichen. Dabei ermöglicht moderne Sensor-, Bildverarbeitungs- und Telekommunikationstechnik, differenzierte Informationen aus der Verkehrsumwelt und dem Fahrzeug zu erfassen. Die Drive-by-wireTechnologie erlaubt es, aufgrund der mechanischen Entkopplung von Lenkung, Bremse und Fahrpedal den technischen Prozess elektronisch zu steuern. Darüber hinaus werden ungeahnte Möglichkeiten eröffnet, das Fahrzeug zu personalisieren und individuelle Unterstützung anzubieten. Gleichzeitig werden die Freiheitsgrade in der Handlungsausführung, die durch die zunehmende Automatisierung entstehen, mit Zusatz- und Komfortfunktionen gefüllt. Hierzu werden Telekommunikations-, Infotainmentoder Internetdienste bereitgestellt. Keywords Fahrassistenz, Akzeptanz, benutzerzentrierte Entwicklung, Anforderungsanalyse, Evaluation, Nutzer-Mock-Up 1. FAHRASSISTENZ 1.1 Technik: Nicht ist unmöglich!? Die Entwicklung von Unterstützungssystemen boomt. Gegenwärtig werden in der Automobilindustrie große Anstrengungen unternommen, dem Fahrer eines Kraftfahrzeugs vielfältige Unterstützung anzubieten, um das Autofahren sicherer, komfortabler und wirtschaftlicher zu gestalten [3]. Die ersten Unterstützungssysteme, wie z. B. ein Antiblockiersystem oder ein Navigationssystem, kamen bereits Ende der 80er Jahre auf den Markt und gehören heute auch im unteren Fahrzeugsegment zur Serienausstattung. Momentan sind Systeme, wie der Abstandsregeltempomat (Distronic), der Bremsassistent oder das elektronische Stabilitätsprogramm (ESP) in aller Munde. Für die Zukunft gibt es Bestrebungen, die Fahraufgabe zunehmend zu automatisieren und Es ist erlaubt digitale und Kopien in Papierform des ganzen Papers oder Teilen davon für den persönlichen Gebrauch oder zur Verwendung in Lehrveranstaltungen zu erstellen. Der Verkauf oder gewerbliche Vertrieb ist untersagt. Rückfragen sind zu stellen an den Vorstand des GC-UPA e.V. (Postfach 80 06 46, 70506 Stuttgart). Proceedings of the 1st annual GC-UPA Track Stuttgart, September 2003 © 2003 German Chapter of the UPA e.V. 8 autonomes Fahren auf Teilstrecken zu 1.2 Wirkung: Alles so gewollt? Wenn die technische Unterstützung hinreichend gut ist, so erzielt ein Assistenzsystem die erwünschte Wirkung auf Fahrsicherheit, Komfort oder Wirtschaftlichkeit. Allerdings weiß man aus der Analyse sozialer Assistenz, das Unterstützung auch unerwünschte Wirkungen haben kann. Ein klassisches kommunikationspsychologisches Beispiel sei hier angeführt [7]. Auf die Anmerkung des Beifahrers “Da vorne ist grün” antwortet die Beifahrerin mit “Fährst Du oder fahre ich?”. Weitere Konsequenzen lassen sich erahnen. Auch beim Einsatz technischer Unterstützung sind derartige unerwünschte Reaktionen möglich. So kann z.B. ein durch den Fahrer selbst einstellbarer Schwellwert zur Warnung vor dem Unterschreiten eines Mindestabstandes dazu führen, dass ein geringerer Mindestabstand eingehalten wird als durch Fahrer, die kein Abstandswarnsystem benutzen [5]. Erste Ideen, was man gegen unerwünschte Wirkung von Assistenz unternehmen kann, finden sich in den Ergebnissen des Projekts “EMPHASSIS” [2]. In Untersuchungen am Fahrsimulator wurden am Beispiel der Unterstützung der Längs- und Querführung Hinweise darauf gefunden, dass die Sinnesmodalitäten Haptik und Kinästhetik eine Usability Professionals 2003 Ermittlung von Assistenzwünschen von Fahrern mit Hilfe der Methode Nutzer-Mock-Up besondere Rolle beim Rückmeldungen an den Fahrer spielen. 1.3 Akzeptanz: Was meint der Nutzer? Die Akzeptanz dient häufig als ein wichtiges Kriterium zur Evaluation von Assistenzsystemen. Dabei erhofft man sich Aussagen, die Rückschlüsse auf die Nutzungs- und Kaufabsicht zulassen. Das methodische Vorgehen spielt eine entscheidende Rolle, da man nicht weiß, ob eine Person, die Idee eines Systems oder dessen Realisierung bewertet, welchen Einfluss die Relevanz des Urteils (z.B. wegen einer anstehenden Kaufentscheidung) auf das Urteil selbst hat oder inwieweit die Versuchssituation (z.B. eine “Fahrsimulation”) in der Lage ist den Trade-Off zwischen der Maximierung der Sicherheit und der Minimierung des subjektiv empfundenen Eingriffs in die Entscheidungsautonomie zu vermitteln. Die Einbeziehung des Nutzers in den Entwicklungsprozess erfordert deshalb sowohl eine differenzierte Erfassung von Akzeptanz (z.B. Nützlichkeit vs. Zufriedenheit [8]) als auch die Verwendung weiterer Methoden (siehe Abschnitt 3) 2.2 Wo kann gestaltet werden? Die Abbildung 1 zeigt, welche Bereiche für die Gestaltung von Unterstützungssystemen relevant sind: die Gesellschaft, die Ausführungsbedingungen, die Aufgabe und deren verschiedene Unterebenen sowie die Markteinführung. Hauptgegenstand der Gestaltung sind die Teilaufgaben, die Bedienabläufe, die Ein- sowie Ausgabemedien und letztlich die Einzelinformationen und Bedienelemente. 2. ENTWURF VON FAHRASSISTENZ 2.1 Wie geht man vor? Wie lassen sich nun Systeme entwickeln, die technische Möglichkeiten mit erwünschten Wirkungen und einer hohen Akzeptanz durch den Nutzer kombinieren? Hierzu ist ein Kunden- und Fahrerorientierter Entwicklungsansatz notwendig, wie er z.B. von Enigk [3] speziell für Unterstützungssysteme im Kraftfahrzeug und allgemein für alle Unterstützungssysteme im Rahmen des Projektes EMBASSI [6] entwickelt wurde. Der Grundgedanke des Entwicklungsansatzes ist es, dass auf der Grundlage einer fundierten Anforderungsanalyse, der spezifische Unterstützungsbedarf der jeweiligen Nutzer für die jeweilige Fahraufgabe sowie den spezifischen Fahrzeugund Umgebungsbedingungen identifiziert wird. Diese Anforderungen bilden dann die Basis für den Entwurf eines Assistenzkonzepts. Dabei wird die Gestaltung von Assistenzsystemen im Rahmen der psychologischen Tätigkeitsgestaltung betrachtet. Nach Hacker, Timpe & Plath [4] unterliegen die Gestaltungsfragen bei rechnergestützten Tätigkeiten einem hierarchischen Konzept. So müssen Aussagen und Entscheidungen auf der jeweils höheren Ebene getroffen werden, bevor darunter liegende Schichten bearbeitet werden können. Das heißt, Entscheidungen auf der höheren Ebene bilden Grundlage und Rahmenbedingung für die Entscheidungen auf den tieferen Ebenen. Diese Hierarchie der Gestaltungsebenen für MenschMaschine-Systeme wurde von Enigk [3] auf die Gestaltung von Unterstützungssystemen angewandt. Abbildung 1: Hierarchie der Gestaltungsebenen bei Fahrerunterstützungssystemen (Enigk [3] in Anlehnung an Hacker, Timpe & Plath, [4]) 9 Enigk, H. & Polkehn, K. Die Gesamtaufgabe wird in der Regel nicht gestaltet, weil ein Unterstützungssystem “nur” ein Teilsystem im Gesamtsystem “Mensch und Fahrzeug” ist. Dies würde es erlauben, Gestaltungsentscheidungen im Sinne des Nutzers zu treffen und die Akzeptanz zu erhöhen. Das heißt, es wird im Allgemeinen nicht die Fahrtätigkeit als solche neu konzipiert oder die Mensch-Mensch-Aufgabenteilung verändert. Sondern es sind primär aufgabenrelevante Teilaspekte zu gestalten, um den Fahrer bei der Erreichung seiner Ziele in der Handlungsausführung zu unterstützen. Trotzdem müssen die Rahmenbedingungen, die durch die Gesellschaft, die Gesamtaufgabe und durch die Ausführungsbedingungen gegeben sind, analysiert und berücksichtigt werden. Sie bestimmen die Freiheitsgrade für die Gestaltung. Letztere werden nur Gegenstand der Gestaltung, wenn eine Innovation an die Grenzen der Umsetzbarkeit stößt. 3. METHODE: NUTZER-MOCK-UP 2.3 Was soll wie unterstützt werden? Für die Gestaltung von Assistenzsysteme im Fahrzeug bedeutet das, dass als erstes die Frage beantwortet werden muss, welche Handlungen unterstützt werden müssen und wie diese Unterstützung aussehen soll (unterstützte Handlungsphasen, nötige Assistenzform und Automatisierungsgrad bei der Ausführung – vgl. Wandke & Wetzenstein in diesem Workshop). Damit wird festgelegt, ob das System nur Informationen oder Warnungen liefern, Handlungsvorschläge geben, selbst Entscheidungen treffen oder auch automatische Eingriffe oder Handlungen durchführen soll. Auf der Ebene der Bedienabläufe stehen Fragen der Adaptivität, Adaptierbarkeit und Initiative der Assistenz im Mittelpunkt. Aufgrund der großen Dynamik der Fahrtätigkeit und geringen zeitlichen Freiheitsgrade in der Handlungsausführung bedarf es eines geeigneten Informationsmanagements. Es muss erreicht werden, dass der Fahrer zu jeder Zeit über die notwendige Information verfügt, ohne ihn dabei zu überfordert oder abzulenken. Die folgenden Ebenen beschäftigen sich dann mit klassischen Themen der Ein- und Ausgabemedien sowie der Gestaltung von Einzelinformationen und Bedienelementen. Diese Entscheidungen sind in der Entwurfsphase von Usability-Experten oder Entwicklern zu treffen. Allerdings besteht dann immer noch die Frage, ob das Assistenzkonzept vom Nutzer akzeptiert und in dieser Form gewünscht wird. Hierzu werden im Allgemeinen die Entwürfe in Form von Skizzen, Sitzkisten oder Prototypen umgesetzt und dann mit zukünftigen Nutzern oder Kunden bewertet. Dieses Vorgehen ist sinnvoll und notwendig, jedoch kann eine Evaluation erst mit der Umsetzung der Entwürfe erfolgen. Die Frage ist nun, ob nicht schon im Vorfeld der Entwurfsentscheidungen die Vorstellungen der Nutzer erfasst und in den Entscheidungsprozess einbezogen werden können. 10 3.1 Assistenz konfigurieren Die Methode des Nutzer-Mock-Up’s [1] dient dazu das aus Sicht des Nutzers ideale Unterstützungskonzept zu erfassen. Dem Probanden werden dazu ein oder mehrere Aufgaben und Situation vorgestellt, für die ein Unterstützungssystem entwickelt werden soll. Der Nutzer hat dann die Aufgabe, für diese Fahraufgabe (z. B. Abstandshaltung) ein für sich ideales Assistenzsystem zusammenzustellen. Dabei muss er die oben beschriebenen Gestaltungsfragen zur Automatisierung, aktiven und passiven Assistenz, Informationsdarstellung, Adaptivität und Adaptierbarkeit etc. beantworten. Die Methode kann somit als eine Art Assistenzkonfigurator verstanden werden, mit dem die naiven Vorstellungen der zukünftigen Nutzer und Käufer des Systems erfasst werden. Das Nutzer-Mock-Up kann bereits im Vorfeld des Entwicklungsprozesses eingesetzt werden, wenn gerade einmal eine erste Idee für ein zu entwickelndes System besteht. 3.2 Assistenz evaluieren Das Nutzer-Mock-Up kann aber auch zur Evaluation verwendet werden. Hierzu wird dem Versuchsteilnehmer das zu evaluierende System als Skizze, Video, Prototyp oder ähnliches als eine mögliche Alternative der Assistenz vorgestellt. Anschließend wird der Nutzer gefragt, ob er sich die Unterstützung so oder anders vorstellen würde. Mit Hilfe des Nutzer-Mock-Ups kann sich der Nutzer dann sein ideales System zusammenstellen. Dadurch erfolgt eine indirekte Evaluation des vorgestellten Systems, da die Differenz zwischen realisierter Gestaltung und dem beschriebenen Ideal bestimmt werden kann. Somit kann die Methode zu allen Zeitpunkten des Entwicklungsprozesses eingesetzt werden. Der Entwickler erhält Hinweise, welche Form der Assistenz der Nutzer wünscht. 3.3 Assistenz entwickeln Die Methode wurde mehrfach erfolgreich im Entwicklungsprozess eingesetzt und in einer Längsschnittuntersuchung evaluiert. Eine Längsschnittstichprobe evaluierte ein System zur Abstandsregulation im Fahrzeug. Hierbei wurde die Methode zu vier verschiedenen Zeitpunkten eingesetzt: im Vorfeld ohne Systemkenntnis, nach der Videopräsentation des Systems, nach einer Probefahrt mit dem System, nach einer mehrtägigen Nutzung des Systems. Ein und die selben Versuchsteilnehmer füllten den Fragebogen zum Nutzer-Mock-Up aus. Zusätzlich wurden zu jedem Zeitpunkt Querschnittsstichproben erhoben. Die Ergebnisse zeigen, dass die Nutzer bereits sehr früh Usability Professionals 2003 Ermittlung von Assistenzwünschen von Fahrern mit Hilfe der Methode Nutzer-Mock-Up eine recht konkrete Vorstellung vom idealen System besitzen. Diese Vorstellung konkretisiert sich, je mehr die Fahrer die Möglichkeit haben, das System mit allen Sinnen zu erleben und im eigentlichen Sinne des Wortes zu “erfahren” können. Somit können bereits in frühen Phasen Aussagen zur Akzeptanz und Schlussfolgerungen zur Gestaltung ermittelt werden. Wird die Methode bei einer hinreichend großen Stichprobe eingesetzt können zusätzlich, per Clusteranalyse spezifische Nutzergruppen und spezifische Systemkonfigurationen identifiziert werden. 4. VORGEHEN IM WORKSHOP (Förderkennzeichen: 19 S 9812 7). Würzburg: Interdisziplinäres Zentrum für Verkehrswissenschaften an der Universität Würzburg (IZVW) (2002). [3] Enigk H., Ein psychologisches Vorgehensmodell zur Entwicklung von Unterstützungssystemen für Kraftfahrzeuge. Dissertation. Berlin: Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät II der Humboldt-Universität zu Berlin (2003). [4] Hacker W., Timpe K.-P. & Plath E., Aufgaben und Ergebnisse psychologischer Forschung bei der Vorbereitung, Einführung und Nutzung von Schlüsseltechnologien. Psychologie für die Praxis, 4 (1989). Im Workshop wird die Methode “Nutzer-Mock-Up” bei der Konfiguration von Assistenz vorgestellt und an einem Beispiel für eine Fahraufgabe in Interaktion mit den Teilnehmern verdeutlicht. Die Ergebnisse des Workshops werden am Ende den Ergebnissen einer vorhandenen Nutzerbefragung gegenübergestellt. [5] Polkehn K., Preuschhof C. & Kussmann H., Assistenz und Automatisierung im KFZ – Simulationsstudien zur Unterstützung der Abstandshaltung. In: Situation Awareness in der Fahrzeug- und Prozessführung. DGLR-Bericht 2002-04, Bonn: DGLR (2002). 5. REFERENZEN [6] Projekt Embassi (Förderkennzeichen 01IL904A4). http://www.embassi.de [15.07.03] [1] Beier B., Enigk H. & Renner G., Methoden zur Bestimmung präferierter Automatisierungsgrade bei Assistenzsystemen. In Useware: MenschMaschine-Kommunikation/Design. Tagung Darmstadt 11./12. Juni 2002, VDI-Berichte 1678, Düsseldorf: VDI-Verlag (2002). [2] Buld S., Krüger H.-P., Hoffmann S., Kaussner A., Tietze H. & Totzke I., Wirkungen von Assistenz und Automation auf Fahrerzustand und Fahrsicherheit. Veröffentlichter Abschlussbericht Projekt EMPHASIS: EffortManagement und Performance-Handling in sicherheitsrelevanten Situationen [7] Schulz von Thun F., Miteinander reden: Störungen und Klärung. Allgemeine Psychologie der Kommunikation. Reinbek (1981). [8] Van der Laan J. D., Heine A. & de Waard D., A simple procedure for the assessment of acceptance of advanced transport telematics. Transportation Research - Part C: Emerging Technologies. 5 (1), 1 -10 (1997). 11 Enigk, H. & Polkehn, K. Referenten Holger Enigk ist stellvertretender wissenschaftlicher Leiter der Forschungsabteilung „Akzeptanz und Verhaltensanalyse“ der DaimlerChrysler AG. Zuvor war er mehrere Jahre Mitarbeiter am Institut für Psychologie der Humboldt-Universität, wo er auch Psychologie studierte und im Jahr 2003 promovierte. In seiner Promotion entwickelte er ein psychologisches Vorgehensmodell für die Entwicklung von Unterstützungssystemen im Kraftfahrzeug. Seit mehreren Jahren ist er im Bereich der Kundenforschung tätig. Er beschäftigt sich mit Fragen der Anforderungen und Evaluation von innovativen Systemen und Fahrzeugen aus Kundensicht. Ein weiteres Forschungsgebiet ist die kraftfahrzeugspezifische Entwicklung und Anpassung psychologischer Methoden. Knut Polkehn ist Diplom-Psychologe und seit 1998 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Ingenieurpsychologie / Kognitive Ergonomie an der HumboldtUniversität zu Berlin. Zu seinen Schwerpunkten gehörten zunächst Untersuchungen zur Navigation und Orientierung in Hypertexten, dabei insbesondere die Analyse gestaltungsrelevanter Merkmale einzelner Webseiten, sowie die Entwicklung von webbasierten Untersuchungsmethoden. Derzeit beschäftigt er sich neben der Lehre (webbasierte Kooperation und neue Techniken in der Mensch-Rechner-Interaktion) mit der Entwicklung und Evaluation von Assistenzsystemen für das KFZ. Von besonderen Interesse ist für ihn dabei die Analyse erwünschter und unerwünschter Auswirkungen von Assistenz. 12 Usability Professionals 2003 MEHR ALS LOOK UND FEEL: VIRTUELLE HELFER Nicole C. Krämer Psychologisches Institut Universität zu Köln Bernhard-Feilchenfeld-Str. 11 50969 Köln nicole.kraemer@uni-koeln.de http://www.uni-koeln.de/phil-fak/psych/diff/darkraem.htm ABSTRACT Im Zuge der Entwicklung neuer Mensch-TechnikInteraktionsformen muss auch die Usability Forschung neue Aspekte berücksichtigen und ihre Methoden den neuen Erfordernissen anpassen. Insbesondere die zunehmende Anthropomorphisierung von Schnittstellen durch aktuelle Entwicklungen im Bereich der sogenannten anthropomorphen Interface Agenten (AIA) erfordert die Anwendung neuer Methoden, die nicht nur auf die Erfassung klassischer Usability Kriterien ausgerichtet sind, sondern im Hinblick auf sozialpsychologische Konzepte erweitert werden. Der Beitrag stellt in diesem Sinne die Verschränkung von Effektivität/Effizienz und sozialen Wirkungen vor. Keywords Anthropomorphe Interface Agenten, multimodale Mensch-Technik-Interaktion, Evaluation, soziale Wirkungen 1. EINLEITUNG Als eine Möglichkeit zur Gestaltung intuitiver und möglichst natürlich bedienbarer Benutzungsschnittstellen werden in den letzten Jahren besonders häufig anthropomorphe Interface Agenten (AIA) präsentiert, die dem Nutzer langfristig einen der face-to-face Interaktion ähnelnden Kontakt mit der Technik ermöglichen sollen. Virtuelle, menschenähnliche Figuren sollen natürliche Sprache und Gestik nicht nur verstehen, sondern vor allem auch autonom produzieren können, um die Interaktion zwischen Mensch und Technik zu erleichtern. Es ist erlaubt digitale und Kopien in Papierform des ganzen Papers oder Teilen davon für den persönlichen Gebrauch oder zur Verwendung in Lehrveranstaltungen zu erstellen. Der Verkauf oder gewerbliche Vertrieb ist untersagt. Rückfragen sind zu stellen an den Vorstand des GC-UPA e.V. (Postfach 80 06 46, 70506 Stuttgart). Proceedings of the 1st annual GC-UPA Track Stuttgart, September 2003 Für den Bereich des Usability Engineering stellen sich in diesem Zusammenhang verschiedene Aufgaben. Zum einen sind zentrale Fragen sowohl zur Gestaltung als auch zum Einsatz anthropomorpher Agenten bislang unbeantwortet: Die Frage, welche Art von Helfer, im Rahmen welcher Aufgaben, von welchen Personengruppen akzeptiert wird sowie zu Effektivität und Effizienz beiträgt, ist beispielsweise nur unzureichend erforscht. Zum anderen kann vor dem Hintergrund erster empirischer Untersuchungen vermutet werden, dass virtuelle Helfer spezifische und neuartige Wirkungen auslösen, die mit Hilfe bisheriger Methoden nicht oder nur unzureichend erfasst werden konnten. Im Rahmen dieses Beitrages soll vor allem die letztgenannte Aufgabenstellung fokussiert werden. Eingegangen werden soll insbesondere auf sogenannte soziale Wirkungen von anthropomorphen Interface Agenten. Unter sozialer Wirkung ist hierbei zu verstehen, dass sich in Gegenwart des technischen Systems ähnliche emotionale, kognitive und verhaltensmäßige Reaktionen einstellen, wie in Gegenwart eines Menschen [6]. Häufig sind diese Wirkungen eng verknüpft nicht nur mit der Akzeptanz der Schnittstelle, sondern vor allem auch mit der Effizienz und Effektivität bei Bedienung und/oder Aufgabenerledigung. Soziale Wirkungen erscheinen somit hochrelevant auch im Zusammenhang mit den klassischen Usability Kriterien. Im weiteren werden nun zunächst empirische Ergebnisse zu sozialen Wirkungen geschildert, aus denen im Anschluss die relevant werdenden methodischen Erweiterungen abgeleitet werden. 2. EFFEKTE ANTHROPOMORPHER AGENTEN Im Folgenden werden zunächst Ergebnisse zur Evaluation anthropomorpher Interface Agenten berichtet, die einerseits als soziale Wirkung verstanden werden können, andererseits das Kriterium der Effektivität und/oder Effizienz beeinflussen. © 2003 German Chapter of the UPA e.V. 13 Krämer, N. C. 2.1 Aufmerksamkeit Eine der ersten Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist die nach der Aufmerksamkeit, die die anthropomorphen Interface Agenten auf sich ziehen sowie nach den damit einhergehenden Folgen für die Effektivität bei der Nutzung. Es konnte gezeigt werden, dass ein virtuelles Gesicht in Konkurrenz zu einem StandardInterface ebensoviel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen vermag wie ein reales menschliches Gesicht [1]. Darüber hinaus können virtuelle Gesichter auch zu spezifischen Inferenz- und Attributionsprozessen führen, wie sie aus der Humankommunikation bekannt sind. So stellen Takeuchi und Naito [14] fest, dass Versuchspersonen in der Interaktion mit virtuellen Figuren offensichtlich versuchen, deren Gesichtsausdruck im Sinne dahinter liegender Emotionen zu deuten und darüber sogar die gestellte Aufgabe vergessen. Während diese Ergebnisse eher darauf hindeuten, dass die Anwesenheit von virtuellen Personen eher zu einer auf diese fokussierten Aufmerksamkeit führt, die die Performanz behindert, lassen die Ergebnisse von Lester et al. [10] einen anderen Schluss zu: Hier steigt die Leistung der Probanden, wenn ein pädagogischer Agent anwesend ist, 2.2 Social facilitation Besondere Aufmerksamkeit bei der Untersuchung anthropomorpher Schnittstellen wurde der Frage entgegengebracht, ob die Gegenwart von virtuellen Personen zu Social Facilitation führt. Im Rahmen dieses Phänomens verursacht die Anwesenheit anderer Menschen, dass gut geübte oder wenig komplexe Aufgaben besser erfüllt werden, während es bei wenig geübten oder komplexen Aufgaben zu Leistungsverschlechterungen kommt [16]. Die Hypothese, dass anthropomorphe Interface Agenten ebenfalls als soziale Entitäten wahrgenommen, legt die Vermutung nahe, dass sich vergleichbare Effekte zeigen. Rickenberg und Reeves [12] untersuchten diesen Aspekt mit Hilfe eines Microsoft-Charakters („Professor“). Die Autoren konnten feststellen, dass Probanden, die einen animierten Charakter auf dem Bildschirm sehen, größere Angst erleben und mehr Fehler machen – insbesondere dann, wenn der Agent den Nutzer zu beobachten scheint. Es zeigten sich somit eher negative Effekte. Die Autoren führen dies auf eine durch die soziale Gegenwart bedingte höhere Erregung zurück, aus der sich dann eine Akzentuierung der vorhandenen Handlungsund/oder Gefühlstendenzen ergibt. Auch Sproull et al. [13] weisen Effekte nach, die sich konsistent zur Theorie der Social Facilitation interpretieren lassen: Ähnlich wie bei Rickenberg und Reeves [12] berichten Versuchspersonen, die mit einem anthropomorphen Interface konfrontiert sind, über eine höhere Erregung sowie weniger Selbstsicherheit und Entspannung. Walker, Sproull und Subramani [15] können positive Leistungsveränderungen bei 14 Nutzern feststellen, die mit einem synthetischen Gesicht arbeiten, und interpretieren dies ebenfalls im Sinne der Social Facilitation: Personen, die von einem synthetischen Gesicht befragt wurden, ließen sich mehr Zeit, machten weniger Fehler und antworteten ausführlicher auf offene Fragen. Dieser Effekt konnte sogar noch verstärkt werden, wenn das Gesicht einen ernsten statt neutralen Ausdruck zeigte – auch wenn dieses am wenigsten positiv bewertet wurde. 2.3 Kommunikation und Kooperation Auch Kommunikation und Kooperation im Sinne der Frage, ob Nutzer das System in einer adäquaten Weise bedienen und ob sogar Zusammenarbeit im Hinblick auf die gewünschte Zielerreichung gefördert wird, sind Aspekte, die Einfluss auf die Effektivität und Effizienz der Bedienung nehmen. Dabei steht hinsichtlich der Kommunikation beispielsweise im Vordergrund, ob Nutzer ein System mit anthropomorphem Interface Agenten bereitwilliger durch natürliche Sprache adressieren. Tatsächlich ließ sich nachweisen, dass Nutzer ein Video-System eher durch natürlichsprachige Befehle bedienen, wenn ein virtueller Helfer auf dem Bildschirm sichtbar ist [8]. Die Situation bzw. die Figur wird somit zumindest als so sozial wahrgenommen, dass mögliche Hemmungen, ein technisches Gerät anzusprechen, abgebaut werden. Sproull et al. [13] interessieren sich für Fragen der Kooperation mit virtuellen Agenten. Die empirischen Ergebnisse zweier Studien, innerhalb derer Nutzer und Computer kooperativ eine soziale Dilemma-Aufgabe lösen sollen, sind allerdings nicht konsistent: Während Kiesler, Sproull und Waters [4] berichten, dass die Nutzer weniger häufig mit dem Computer kooperieren, wenn ein menschenähnliches Interface präsent ist, zeigen Parise et al. [11], dass ComputerPersonen durchaus in ebenso großem Ausmaß kooperatives Verhalten auslösen können wie eine reale Person in einer Videodarstellung. Ebenfalls in diesem Zusammenhang eingesetzte HundeCharakter (computer dog und computer cartoon dog) dagegen werden zwar als äußerst liebenswert beurteilt, Kooperation erfolgt aber lediglich dann, wenn der Nutzer Hundebesitzer ist. Die Autoren schließen, dass „if participants were able to form a social expectation of the agents as a cooperator, then they could safely choose cooperation“ (S. 140). Dies sei bei einem menschenähnlichen Äußeren für die Mehrzahl der Nutzer der Fall gewesen; bei einem Hunde-Charakter jedoch nur für diejenigen, die gewöhnlich mit einem Hund interagieren. Die Inkonsistenz zur Studie von Kiesler et al. [4] erklären die Autoren mit dem Hinweis, dass dort ein künstlicheres Gesicht eingesetzt wurde. 2.4 Impression management Eine der interessantesten Formen sozialer Wirkungen konnten Sproull, Subramani, Kiesler, Walker und Waters [13] nachweisen: Füllten die Usability Professionals 2003 Mehr als Look und Feel: Virtuelle Helfer Versuchspersonen Fragebögen zu sozial erwünschtem Verhalten mit Hilfe eines anthropomorphen „Talking face“ aus, wurde eine verstärkte Tendenz zur positiven Selbstdarstellung beobachtet. Auch Krämer, Bente und Piesk [7] konnten zeigen, dass bei der Präsentation einer Auswahl von Fernsehbeiträgen durch einen virtuellen Helfer die Tendenz besteht, sich für eine sozial erwünschte Sendung zu entscheiden. Dieses auch als „Impression Management“ oder Selbstpräsentation bezeichnete Phänomen [2], tritt vorrangig in Gegenwart anderer Personen auf und führt häufig zu konformistischem oder sozial erwünschtem Verhalten [9]. Ziel ist das Hinterlassen eines möglichst 'guten Eindrucks', der das Gegenüber zu einer positiveren Behandlung veranlassen soll. Dieses Phänomen hat natürlich weitreichende Implikationen für den Einsatz anthropomorpher Interfaces im alltäglichen Leben. Denn dem denkbaren Nutzen eines adaptiven Interfaceagenten, im Sinne von Orientierung und Motivation des Users, stehen möglicherweise auch erhebliche psychologische Kosten gegenüber – auch in Bezug auf einen potentiellen Effizienzverlust - , die in der Evaluation zu berücksichtigen sind. So fragen denn auch Sproull et al. [13]: „Many people want computers to be responsive to people. But do we also want people to be responsive to computers?“ (S. 119). 3. ERFASSUNG DER SOZIALEN WIRKUNGEN Vor dem Hintergrund der berichteten Ergebnisse muss für die Usability Forschung im Bereich anthropomorpher Interface Agenten eine Erweiterung in Bezug auf sozialpsychologische Aspekte gefordert werden. Um dem Phänomen gerecht zu werden, ist nicht nur eine herkömmliche Erfassung von Akzeptanz und Effizienz/Effektivität erforderlich, sondern darüber hinaus wird eine Berücksichtigung potentiell sozialer Aspekte notwendig, die die Ergebnisse zu Akzeptanz und Effizienz/Effektivität möglicherweise mediieren. Hinweise auf soziale Wirkungen können einerseits durch die Erhebung subjektiver Daten, andererseits durch objektive Daten gewonnen werden. Möglichkeiten zur Erhebung subjektiver Eindrücke in Bezug auf soziale Wahrnehmungen lassen sich etwa mit Hilfe von Fragebögen gewinnen, die auch im Rahmen der Humankommunikation eingesetzt werden. Vor allem bieten sich Verfahren zur Personwahrnehmung an – beispielsweise semantische Differentiale, aufgrund derer Eigenschaftszuschreibungen (sympathisch, nervös, dominant etc.) vorgenommen werden können [5]. Ein weiteres aufschlussreiches Instrument stellen die im Rahmen der Medienpsychologie entwickelten Verfahren zur Erfassung der sogenannten parasozialer Interaktion dar. Mittlerweile lässt sich auf diese Weise auch für virtuelle Personen prüfen, ob sich beim Nutzer eine andauernde Beziehung zur Persona, d.h. in diesem Fall zur virtuellen Figur, ausgebildet hat [3]. Um auch anhand objektivierbarer Aspekte Aufschluss über soziale Wirkungen zu erhalten, empfiehlt sich beispielsweise Verhaltensbeobachtung, mit deren Hilfe Aspekte im Sinne der oben angeführten Ergebnisse erhoben werden können. So kann erfasst werden, ob in höherem Ausmaß sozial erwünschte Verhaltensweisen auftreten, ob die Kooperation ansteigt oder die Kommunikation natürlicher wird, wenn ein virtueller anwesend ist. 4. FAZIT Bisherige Ergebnisse zu anthropomorphen Interface Agenten zeigen, dass diese in verschiedener Hinsicht Einfluss auf die Mensch-TechnikKommunikation nehmen. Dabei scheinen Effekte, die die Effektivität und Effizienz betreffen, eng verbunden zu sein mit spezifischen sozialen Wirkungen, die denen der Humankommunikation ähneln. Dies kann je nach Bereich zu einer Effizienz- oder Leistungsverbesserung, aber im Gegenteil auch zu deren Minderung führen. Künftige Usability Studien müssen diesen zusätzlichen Einflussfaktor mit Hilfe angemessener Methoden berücksichtigen, um Effekte nicht nur erklären und vorhersagen zu können, sondern um vor allem auch entsprechende Optimierungen anzuregen bzw. die Einsatzgebiete von virtuellen Helfern zu planen. 5. REFERENCES [1] Dehn D. M. & van Mulken S., The impact of animated interface agents: a review of empirical research, International Journal of HumanComputer Studies, 52, 1-22 (2000). [2] Goffman E., The presentation of self in everyday life. New York: Doubleday & Company, (1959). [3] Hartmann T., Klimmt C. & Vorderer P., Avatare: Parasoziale Beziehungen zu virtuellen Akteuren, Medien und Kommunikationswissenschaft, 49 (3), 350-368 (2001). [4] Kiesler S., Sproull L. & Waters K., A prisoner´s dilemma experiment on cooperation with people and human-like computers. Journal of Personality and Social Psychology, 70, 47-65 (1996). [5] Krämer N. C., Bewegende Bewegung. Sozioemotionale Wirkungen nonverbalen Verhaltens und deren experimentelle Untersuchung mittels Computeranimation, Lengerich: Pabst (2001). [6] Krämer N. C. & Bente G., Virtuelle Helfer: Embodied Conversational Agents in der Mensch-Computer-Interaktion, In G. Bente, N. C. Krämer & A. Petersen (Hrsg.), Virtuelle 15 Krämer, N. C. Realitäten (S. 203-225), Göttingen: Hogrefe (2002). Computers in Human Behavior, 15, 123-142 (1999). [7] Krämer N. C., Bente G. & Piesk J., The ghost in the machine. The influence of Embodied Conversational Agents on user expectations and user behaviour in a TV/VCR application. In G. Bieber & T. Kirste (Eds.), IMC Workshop 2003, Assistance, Mobility, Applications, (2003). [12] Rickenberg R. & Reeves B., The effects of animated characters on anxiety, task performance, and evaluations of user interfaces. Letters of CHI 2000, April 2000, 49-56 (2000). [8] Krämer N. C. & Nitschke J., Ausgabemodalitäten im Vergleich: Verändern sie das Eingabeverhalten der Benutzer? In R. Marzi, V. Karavezyris, H.-H. Erbe & K.-P. Timpe (Hrsg.), Bedienen und Verstehen. 4. Berliner Werkstatt Mensch-Maschine-Systeme (S. 231248), Düsseldorf: VDI-Verlag (2002). [9] Leary M. R., Self presentation. Impression management and interpersonal behavior. Madison, Wis.: Brown & Benchmark Publishers (1995). [10] Lester J. C., Towns S. G., Callaway C. B., Voerman J. L. & FitzGerald P. J. Deictic and emotive communication in animated pedagogical agents. In J. Cassell, J. Sullivan, S. Prevost & E. Churchill (Eds.), Embodied Conversational agents (pp. 123-154). Boston: MIT Press (2000). [13] Sproull L., Subramani M., Kiesler S. Walker J. H. & Waters K., When the interface is a face, Human Computer Interaction, 11 (2), 97-124 (1996). [14] Takeuchi A. & Naito T., Situated facial displays: towards social interaction. In I. Katz, R. Mack, L. Marks, M. B. Rosson & J. Nielsen (Eds.), Human factors in computing Systems: CHI´95 Conference Proceedings (pp. 450-455), New York: ACM Press (1995). [15] Walker J. H., Sproull L. & Subramani R. Using a Human Face in an Interface. In B. Adelson, S. Dumais & J. Olson (Eds.), Human Factors in Computing Systems: CHI´94 Conference Proceedings (pp. 85-91), Boston: ACM (1994). [16] Zajonc R. B., Social facilitation. Science, 149, 269-274 (1965). [11] Parise S., Kiesler S., Sproull L. & Waters K., Cooperating with life-like interface agents, 16 Usability Professionals 2003 Mehr als Look und Feel: Virtuelle Helfer Referentin Dr. Nicole Krämer ist Diplom-Psychologin und seit 1998 wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung Differentielle Psychologie und Kommunikationsforschung der Universität zu Köln. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen vor allem Mensch-Computer-Interaktion, nonverbale Kommunikation sowie Kommunikationsstrukturen in Organisationen. Ihre Lehrtätigkeit umfasst Sozialpsychologie, Differentielle Psychologie sowie Medien- und Organisationspsychologie. 17 DER WEG ZU EINER STÄRKEREN VERZAHNUNG VON USABILITY ENGINEERING UND SOFTWARE ENGINEERING DER WEG ZU EINER STÄRKEREN VERZAHNUNG VON USABILITY ENGINEERING UND SOFTWARE ENGINEERING Kirstin Kohler Fraunhofer IESE Sauerwiesen 6 D-67661 Kaiserslautern kohler@iese.fhg.de www.iese.fhg.de Frank Leidermann Bluewin AG Hardturmstrasse 3 CH-8037 Zürich frank.leidermann@team.bluewin.com www.bluewinag.com ABSTRACT Dieser Artikel beschreibt Herausforderungen und Lösungsansätze für das Zusammenwirken von Usability Engineering (UE) und Software Engineering (SE) in der Praxis industrieller Software-Projekte. Die Praktiken sowohl des UE als auch des SE müssen in viele Projekte noch stärker eingebracht werden. Dazu müssen UE- und SE-Methoden besser miteinander verbunden werden und auch im Praxisumfeld weiter reifen. Keywords Usability-Engineering, Software-Engineering 1. EINLEITUNG Die steigende Bedeutung von Usability für Software Produkte, die mit hohem Zeitdruck und unter Berücksichtigung anderer Qualitätsaspekte, wie zum Beispiel Sicherheit und Zuverlässigkeit entwickelt werden, erfordert die Anwendung von Usability Engineering (UE) und Software Engineering (SE). Doch trotz der Notwendigkeit, Methoden beider Disziplinen im Entwicklungszyklus von SoftwareProjekten einzusetzen, existieren gravierende Hindernisse. Ungenügend definierte Schnittstellen zwischen Aktivitäten beider Disziplinen führen zu Problemen, die sowohl den Entwicklungszyklus als auch die Qualität der Software negativ beeinflussen. Rollen wie die des Usability-Ingenieurs müssen auf die anderen Rollen und Aufgabenfelder eines Projektes abgestimmt werden. Terminologieprobleme müssen aufgedeckt und geklärt werden. Das folgende Kapitel gibt einen Überblick über die Herausforderungen bei der weiteren Etablierung von Es ist erlaubt digitale und Kopien in Papierform des ganzen Papers oder Teilen davon für den persönlichen Gebrauch oder zur Verwendung in Lehrveranstaltungen zu erstellen. Der Verkauf oder gewerbliche Vertrieb ist untersagt. Rückfragen sind zu stellen an den Vorstand des GC-UPA e.V. (Postfach 80 06 46, 70506 Stuttgart). Proceedings of the 1st annual GC-UPA Track Stuttgart, September 2003 © 2003 German Chapter of the UPA e.V. Andreas Birk sd&m AG Löffelstraße 46 D-70597 Stuttgart andreas.birk@sdm.de www.sdm.de UE und SE in der Praxis von Software-Projekten. Kapitel 3 stellt dem Lösungsansätze und Empfehlungen gegenüber. 2. HERAUSFORDERUNGEN 2.1 Terminologie Terminologieprobleme sind auf den ersten Blick leicht überbrückbar. Im Alltag des Projektgeschäftes können sie aber große Missverständnisse und Schwierigkeiten bereiten. Daher ist es wichtig, mögliche Terminologieprobleme zu kennen und darauf vorbereitet zu sein. UE und SE haben sich weitgehend unabhängig von einander entwickelt und weisen somit Terminologiekonflikte auf. Auch innerhalb jeder einzelnen Disziplin gibt es Terminologieprobleme, die sich noch verstärken können, sobald sie auf andersartige firmenspezifische Terminologien treffen. Beispiele für unterschiedlich belegte Begriffe sind: Design, Usability, Test, Nutzer, Interface, Prototyp. 2.2 Konstruktive Methoden Konstruktive Methoden des UE und des SE sind jene, die primär gestaltenden Einfluss auf ein Software-System nehmen. Beispiele aus dem Bereich des UE sind Card Sorting, Storyboarding, Prototyping. Beispiele aus dem Bereich des SE sind Methoden zum Anforderungsmanagement (z.B. Volere), die Vielzahl objektorientierter Verfahren (z.B. Rational Unified Process, Catalysis, CRC Cards) und die verschiedenen Programmiertechniken (z.B. die Benutzung von ProgrammierMustern und –Idiomen, die Konzepte des TestDriven Programming und Pairwise Programming im Extreme Programming (XP) sowie Aspect-Oriented Programming). Die besondere Herausforderung bei der Integration von konstruktiven UE- und SE-Methoden ist, dass es sich bei diesen Methoden oft um in sich geschlossene Vorgehensweisen handelt. Zur Integration von Methoden müssen Teile von ihnen eng aufeinander abgestimmt werden. Nicht selten ist dies recht aufwändig und führt letztlich zu einer neuen eigenständigen Methode. 21 Kohler, K., Leidermann, F. & Birk, A. Auch die Übertragung der Methoden in die Projektpraxis ist oft nicht trivial. Viele Methoden sind noch nicht umfassend in der Praxis erprobt. Ihr Einsatz erfordert weitere Anpassungen und Nachbesserungen während des Projektablaufes. Exemplarisch werden im Folgenden einige konkrete Herausforderungen beim Zusammenwirken von UEund SE-Methoden skizziert: Es existieren keine ganzheitlichen Erhebungsmethoden, die es ermöglichen ein vollständiges Bild aller für ein Produkt relevanten nichtfunktionalen Anforderungen zu erlangen. Im UE werden zu Projektbeginn Usability-Ziele definiert, während SEMethoden in den frühen Phasen vorwiegend Anforderungen wie Zuverlässigkeit, Wartbarkeit und Portierbarkeit erheben. Die integrative Betrachtung der nichtfunktionalen Anforderungen (d.h. Usability und alle anderen) ist notwendig, um Abhängigkeiten und Konflikte rechtzeitig zu erkennen und zu lösen. So werden in der Praxis vielfach Entscheidungen zu User-Interface-Technologien getroffen werden, bevor die nicht-funktionalen Systemanforderungen geklärt sind . Des weiteren existieren keine definierten Schnittstellen zwischen UE- und SE-Aktivitäten. So ist zum Beispiel oft unklar, wie AufgabenBeschreibungen einer UE-Aufgabenanalyse zielgerichtet in ein objektorientiertes Design überführt werden können. Ebenso gibt es noch kein weithin anerkanntes Vorgehen, welches die Übergabe von Artefakten zwischen User-InterfaceDesignern und User-Interface-Entwicklern unterstützt, in dem es definiert, welche Information in welcher Notation zur Spezifikation eines graphischen User Interfaces übergeben sollte. 2.3 Evaluationsmethoden Evaluationsmethoden überprüfen die bereits vorliegenden Artefakte der Software-Entwicklung, sei es durch Verifizierung (Überprüfung gegenüber Vorgaben anderer Artefakte) oder durch Validierung (Überprüfung gegenüber den Erwartungen von Auftraggebern oder Benutzern). Beispiele im UE sind Heuristic Evaluation, Cognitive Walkthrough oder Usability Testing. Beispiele im SE sind Inspektionsmethoden und die Testverfahren wie Akzeptanztest, Regressiontests und Unittest. Evaluationsmethoden besitzen oft geringere Komplexität als konstruktive Methoden. Sie lassen sich somit einfacher miteinander kombinieren und auch leichter in einen gegebenen Projektkontext einfügen. Die Herausforderungen liegen hier vor allem darin, die Einsetzbarkeit und Effizienz der Methoden zu steigern. Das betrifft sowohl die Abstimmung evaluativer SE- und UE-Maßnahmen (bspw. zwischen Funktions- und Usabilitytests), als auch die Abstimmung zwischen konstruktiven und evaluativen UE- und SE-Maßnahmen aus UE und 22 SE (bspw. zwischen Komponentendesign). Usabilitytesting und 2.4 Werkzeugunterstützung Die wesentliche Herausforderung für die Werkzeugunterstützung von UE und SE ist die Integration der verschiedenen Werkzeuge und die Schaffung durchgängiger, unterbrechungsfreier Toolketten. Während hier im SE zuletzt große Fortschritte gemacht worden sind, bleiben UEAspekte noch weitgehend ausgespart. So wäre beispielsweise die Integration von Prototypwerkzeugen und GUI-Buildern (CodeGeneratoren) wünschenswert. 2.5 Organisatorische Aspekte Die Herausforderungen bei der Projektorganisation bestehen vor allem darin, die Belange von UE und SE zu integrieren. Industrielle Projekte orientieren sich vorwiegend an SE-Erfordernissen, während organisatorische Aspekte des UE nicht wirklich berücksichtigt werden. Dies umfasst z.B. Rollenmodelle und Zuständigkeitsregelungen sowie die Gestaltung von Kommunikationsmaßnahmen (Regelkommunikation, Ermöglichung informeller Kommunikation, Eskalationswege, etc.). So sind Prozessverbesserungen im Bereich UE in SE-gesteuerten Unternehmen deshalb schwer einzuführen, da die Ziele der einzelnen Organisationseinheiten kontraproduktiv wirken. Sollen durch Verbesserungen im UE Supportkosten gesenkt werden, so lastet die dadurch entstehende Mehrarbeit auf der Entwicklungsabteilung. Diese wird allerdings nicht anhand der Anzahl der Supportcalls bewertet, sondern deren Erfolg wird durch die Geschwindigkeit der Umsetzung von Funktionalität bestimmt [1]. Weitere Herausforderungen entstehen in der operativen Zusammenarbeit von UE und SEIngenieuren sowie Designer. Infolge der ungeklärten Schnittstellen zwischen Aktivitäten des UE and SE (siehe dazu Abschnitt 2.1). kommt es in der Praxis immer wieder zu Missverständnissen bzgl. den Verantwortlichkeiten, bspw. zwischen AnforderungsIngenieur und Usability-Ingenieur. An der Schnittstelle zwischen Aktivitäten des UE und SE treffen häufig verschiedene Disziplinen aufeinander. So sind im UE vorwiegend Psychologen und Designer tätig, während sich mit SE Ingenieure und Informatiker beschäftigen. Dies führt nicht selten zu Konflikten, Kommunikationsproblemen und beiderseitigem Unverständnis. Bedingt durch die personelle Situation übernehmen Software Ingenieure in der betrieblichen Praxis häufig Aufgaben, die traditionell dem UE zugeordnet sind (z.B. User Interface Design), ohne jedoch die Grundlagen dafür erlernt zu haben [2]. Dem gegenüber steht die fehlende SE-Vorbildung vieler Usability Ingenieure im Bezug auf Implementierung. Vorschläge von User Interface Designern sind unter Usability Professionals 2003 Der Weg zu einer stärkeren Verzahnung von Usability Engineering und Software Engineering Umständen schwer oder gar nicht in lauffähige Software umzusetzen, da den Usability-Spezialisten das technische Verständnis fehlt, wodurch sich zeitraubende Iterationen ergeben. Die Einbindung von Benutzern in den SoftwareEntwicklungzyklus wird in vielen SE-Verfahren wenig beachtet. Demgegenüber legen UE-Methoden großen Wert auf Benutzereinbindung. Sie kümmern sich aber wenig darum, dass Benutzer in der Praxis oft nur schwer verfügbar und zugänglich sind und dass die Benutzereinbindung die Anforderungen an die Projektplanung stark erhöht. 3. LÖSUNGSANSÄTZE 3.1 Methoden und Werkzeuge Auf dem Gebiet der Objekt Orientierten Methoden sind zunehmend Bemühungen zu erkennen, die Lücke zwischen HCI und SE durch entsprechende Vorgehensmodelle und Notationen zu schließen [3],[4],[5]. Ein Beispiel sind technologie-unabhängige „Essential Use Cases“ die als methodische Ergänzung zu den aus der Objektorientierung bekannten konkreten Use Cases entwickelt wurden [6]. User Interaction Patterns stellen einen vielversprechenden Ansatz dar, um den Übergang von Usability Anforderungen in geeignete Software Architekturen zu unterstützen. Im Esprit Projekt Status wurde eine Zuordnung von Usability Zielen zu User Interaction Patterns erarbeitet [7][8]. In anderen Ansätzen aus Praxis und Forschung wurden Vorgehen erarbeitet, die die ganzheitliche Spezifikation von User Interface Anforderungen und Funktionalen Anforderungen unterstützen, in dem sie die zu beschreibenden Elemente, Notationen und Abhängigkeiten zwischen den verschiedenen Typen von Anforderungen vorgeben. Allerdings sind diese Ansätze in der industriellen Praxis bisher noch weitgehend unbekannt [9][10]. 3.2 Organisatorische Aspekte Im Gegensatz zum SE ist das UE im industriellen Bereich selten systematisch und durchgängig in die Organisation eingebettet. Für eine organisatorische Integration von SE und UE ist diese (auch als „Strategic Usability“ [11] [12] bezeichnete) Einbettung die Grundvoraussetzung. kontinuierlichen Pflege muss ein besonderes Augenmerk auf die Integration der beiden Kompetenzbereiche SE und UE gelegt werden. Mittel für Kompetenzaufbau und –pflege sind klare Kompetenzprofile für die verschiedenen Rollen, angemessene Schulungsund Ausbildungsprogramme, Unterstützung für Training-on-the-Job, sowie vielfältige Wissensmanagement-Maßnahmen. Das Zusammenspiel von UE und SE in der Projektpraxis lässt sich nicht durch kurze einmalige Maßnahmen erreichen. Vielmehr sind eine schrittweise Einführung und der kontinuierliche Ausbau von UE- und SE-Praktiken erforderlich. Diese kontinuierlichen Prozesse sind dauerhaft im Projekt oder der Organisation zu etablieren. Diese Aufgabe korrespondiert teilweise mit der kontinuierlichen Kompetenzpflege, geht aber auch darüber hinaus. Fragestellungen dieser Art werden im SE als kontinuierliche Prozessverbesserung behandelt [15]. Einen sehr umfassenden Ansatz stellt die ISO 18529 dar, die ein UE-Prozessmodell beschreibt, dessen organisatorische Reife durch die in der SE-Welt zu verortenden Verfahren der ISO 15504 gemessen werden soll. 4. ZUSAMMENFASSUNG Die Herausforderungen an der Schnittstelle zwischen UE und SE sind vielfältig und bei weitem noch nicht vollständig verstanden oder gelöst. Der Workshop soll dazu beitragen diese Problematik vor allem aus dem Blickwinkel des Usability Engineering tiefer zu beleuchten und zu ergänzen, um aufbauend darauf Verbesserungspotential zu identifizieren und Synergien zwischen beiden Disziplinen zu fördern, die sowohl zur Zufriedenheit der Endkunden als auch der Designer und Entwickler (UE und SE) beitragen. 5. REFERENCES [1] McCoy, T., Letter from the Dark Side: Confessions of an Application Developer, interactions, 9, November 2002 [2] Maguire, M.C. and Graham, R., "A Survey of Usability Practice and Needs in Europe", Hanson, M.A. (Hrsg.), Contemporary Ergonomics, Taylor & Francis, 1998 Diese setzt wiederum in vielen Fällen voraus, dass auf Ebene der Unternehmenskultur gegen UE („Usability Myths“ [13]) abgebaut werden. Als Leitsätze für Usability-Ingenieure können dabei dienen: „Be an engineer, not an artist.“; „Cast yourself as an ally, not an enemy“ [14]. Aber auch die Zusammenstellung interdisziplinärer Teams im User Interface Design und Development oder gegenseitige Schulungen sind hier Lösungsansätze. [3] Constantine, L.L., and Lockwood, L.A.D., Software for Use: A Practical Guide to the Models and Methods of Usage Centered design, Addision-Wesley, 1999 Bei dem in industriellen Umfeldern dringend erforderlichen Aufbau von Kompetenzen und deren [6] Constantine, L.L., and Lockwood, L.A.D., Structure and Style in Use Cases for User [4] Paterno, F., Towards a UML for Interactive Systems, Proceedings of EHCI2001, May 2001, Springer [5] Van Harmelan, M., Object Modeling and User Interface Design, Addision-Wesley, 1999 23 Kohler, K., Leidermann, F. & Birk, A. Interface Design, in: Van Harmelen, M. (Hrsg.), Object-Modeling and User Interface Design, Addison-Wesley, 1999 [11] Rosenbaum, S. et al., A Toolkit for Strategic Usability: Results from Workshops, Panels, and Surveys, Proceedings of CHI 2000 [7] STATUS, Software Architecture that supports Usability, Esprit Project, http://www.ls.fi.upm.es/status/index.html [12] Rosenbaum, S. et al., Usability in Practice: User Experience Lifecycle – Evolution and Revolution, Proceedings of CHI 2002 [8] Juristo, N., Lopez, M., Moreno A., Sanchez, I.; Improving software usability through architectural patterns, Proceedings of the ICSE Workshop Bridging the Gap Between Software Engineering and Human-Computer Interaction, May 2003 [13] Knight, J., Jefsioutine, M., Relating Usability to Design Practice, European Usability Professionals Association Conference, eupa’02, London, 2002 [9] Paech, B., Kohler, K., Task Driven Requirements in Object-oriented development, in Perspectives on Requirements Engineering, Kluwer Academic Publishers, to appear [10] Lauesen, S., Task Descriptions as Functional Requirements, IEEE Software, März/April 2003 24 [14] Mayhew, D. : Strategic Development of the Usability Engineering Function, interactions, september+october 1999 [15] Birk, A., Rombach, D. A Practical Approach to Continuous Improvement in Software Engineering, in: Meyerhoff, D.B., Wieczorek, M.J. (Hrsg.), Software Quality – State of the Art in Management, Testing, and Tools, Springer, Berlin, 2000 Usability Professionals 2003 Der Weg zu einer stärkeren Verzahnung von Usability Engineering und Software Engineering Referenten Kirstin Kohler leitet die Gruppe Usability Engineering am Fraunhofer Institut für Experimentelles Software Engineering (Fh IESE) in Kaiserslautern. Zuvor war sie mehrere Jahre für Hewlett-Packard im Bereich User-Interface Entwicklung und Einführung von User-Centered-Design Prozessen tätig. Ihr Interessensschwerpunkt liegt in der Integration von Software Engineering und Usability Engineering Methoden. Sie hat Informatik mit Nebenfach Wirtschaftswissenschaften (Dipl. Inform.) und Biologie (Dipl. Biol.) studiert. Frank Leidermann ist seit April 2003 als Usability Consultant beim Internet Service Provider Bluewin AG in Zürich tätig. Zuvor war er fünf Jahre am Institut für Technologie und Arbeit (ITA) Kaiserslautern beschäftigt (Schwerpunkte: Usability-Engineering, WebAccessibility und Design for All), unterbrochen von einem sechsmonatigen Gastaufenthalt in der Arbeitsgruppe für Human-Computer Interaction and Assistive Technologies (ICS-FORTH). Andreas Birk ist Berater und Projektleiter bei der sd&m AG, software design & management, in Stuttgart. Seit 1993 beschäftigt er sich intensiv mit Themen des Software-Engineering, zunächst als Berater und in der angewandten Forschung. Er hat Informatik mit Nebenfach Wirtschaftswissenschaften (Dipl.-Inform.) in Kaiserslautern studiert und ist im Bereich Software Engineering promoviert (Dr.-Ing.). 25 USABILITY PROFESSIONALS UND REQUIREMENTS ENGINEERING USABILITY PROFESSIONALS UND REQUIREMENTS ENGINEERING ERFAHRUNGEN UND TRENDS Astrid Beck GUI Design Offenbachstr. 18-20 70195 Stuttgart Astrid_Beck@gui-design.de http://www.gui-design.de ABSTRACT Usability und Requirements Engineering sind als gleichrangige Aspekte im Softwareentwicklungsprozess zu berücksichtigen. Dieser Beitrag formuliert Anforderungen und Anregungen zur Umsetzung. Der Beitrag ist Motivation und Einführung zum gleichnamigen Workshop auf der Veranstaltung des GC-UPA 2003. Keywords Usability, Usability Professionals, Requirements Engineering, Anforderungsermittlung, SW-Entwicklungsprozess 1. EINLEITUNG Einer meiner ersten Aufträge bestand darin, einen Style Guide für die Entwickler eines anspruchsvollen Entwicklungsprojekts zu erstellen. Ich arbeitete also einen Style Guide aus, erstellte dazu viele erläuternde Beispiele aus dem Projekt und berücksichtigte die gängigen Normen, programmierte eine Online-Hilfe und führte Workshops und Seminare zur Einführung durch. Teile des Style Guides konnten als fester Bestandteil des Fachtests etabliert werden. Doch der Style Guide wurde quasi nicht angewandt, die Benutzungsoberflächen wurden größtenteils genauso von den Entwicklern weiterentwickelt, wie sie es schon immer gewohnt waren – nämlich nach eigenem Wissen und Geschmack. Entsprechend inkonsistent sahen die Anwendungskomponenten aus. Was lief hier falsch? Meine Erkenntnisse möchte ich im folgenden vorstellen und sie sollen gleichzeitig den Austausch mit Usability Professionals anregen. Es hat sich als nützlich erwiesen, in SoftwareEs ist erlaubt digitale und Kopien in Papierform des ganzen Papers oder Teilen davon für den persönlichen Gebrauch oder zur Verwendung in Lehrveranstaltungen zu erstellen. Der Verkauf oder gewerbliche Vertrieb ist untersagt. Rückfragen sind zu stellen an den Vorstand des GC-UPA e.V. (Postfach 80 06 46, 70506 Stuttgart). Proceedings of the 1st annual GC-UPA Track Stuttgart, September 2003 © 2003 German Chapter of the UPA e.V. Entwicklungsprojekten – wenn nötig auch wiederholt – folgende Aspekte zu diskutieren und im Projekt transparent und verbindlich zu regeln: Usability ist im SW-Entwicklungsprozess zu etablieren Usability ist Teil des Requirements Engineering Usabilityarbeit ist Teamwork Usability ist Chefsache Die Rolle des Usability Professionals: Screen Visagist oder Usability Consultant? Im folgenden erläutert. werden diese Aspekte genauer 2. USABILITY IST IM SWENTWICKLUNGSPROZESS ZU ETABLIEREN Wie das einführende Beispiel zeigt, ist es nicht damit getan, einen Style Guide für das Projekt zu erstellen und dann zu hoffen, dass die Anwendung von nun an benutzerfreundlicher wird. Usability ist nicht bloß durch einen Style Guide zu bewerkstelligen, genau so wenig wie beispielsweise die Einführung eines Testtools den SW-Test verbessert oder ein QM-Handbuch die Qualität sicherstellen kann. Usability – also eine bestens zufriedenstellende Benutzbarkeit eines Produkts – ist nicht durch Regelwerke oder einmaliges Handeln sicherzustellenden. Usability ist auch kein Selbstläufer, der einmal angestoßen sich wunschgemäß manifestieren wird. Im Gegenteil – Usability kann erst durch konsequente, wiederkehrende Prozesse etabliert werden. Usability ist ein notwendiger Teil des SoftwareEntwicklungsprozesses. Dieser These werden sicher viele Usability Professionals zustimmen, im Projektalltag hat sie sich aber noch nicht überall durchgesetzt. Daher muss ständig daran gearbeitet werden Projektverantwortliche, Teamleiter, Chefentwickler davon zu überzeugen, dass der Usability im Projekt mehr Bedeutung und Zeit beizumessen ist. 29 Beck, A. Dabei ist Usability im gesamten Softwarelebenszyklus Aufmerksamkeit zu schenken. Die benötigten Usability-Prozesse und -methoden müssen im Projektvorgehensmodell etabliert werden, dabei können als Anhaltspunkte die DIN EN ISO 13407 [2] sowie die ISO/TR 18529 [8] dienen. Gleichzeitig sorgen auf Usability zielende Aktivitäten und Meilensteine, die auch Eingang in den Projektplan finden, für Transparenz und Messbarkeit. Usability stellt ein Qualitätsmerkmal dar, und ist im Projekt mit konstruktiven und analytischen Qualitätsmanagementverfahren sicherzustellen. Damit ist das Software-Qualitätsmanagement angesprochen und aufgefordert, mehr für Usability im Projekt und im Unternehmen zu tun. Hartwig plädiert für ein Prozessmodell, das einen iterativen, nutzerzentrierten Ansatz verfolgt. Dabei werden die Anforderungen konsequent aus dem Nutzungskontext begründet und zu konkreten, testbaren Kriterien verfeinert [6]. Bevan und Bogomolni [1] empfehlen die folgenden zehn Methoden in den Softwareentwicklungsprozess (Planung, Analyse, Design und Test) aufzunehmen. Sie betonen, dass keine kostenintensiven Tools benötigt werden und die Einarbeitungsaufwand sich in Grenzen hält. 1. Stakeholder meeting identify and agree on the role of usability, broadly identifying the intended context of use and usability goals, and how these relate to the business objectives and success criteria for the system 2. Context of use collect and agree detailed information about the intended users, their tasks, and the technical and environmental constraints 3. Scenarios of use document examples of how users are expected carry out key tasks in a specified contexts, to provide an input to design and a basis for subsequent usability testing 4. Evaluate an existing system evaluate an earlier version or competitor system to identify usability problems and obtain measures of usability as an input to usability requirements 5. Usability requirements establish usability requirements for the user groups and tasks identified in the context of use analysis and in the scenarios. 6. Paper prototyping evaluation by users of quick low fidelity prototypes (using paper or other materials) to clarify requirements and enable draft interaction designs 30 and screen designs to be rapidly simulated and tested. 7. Style guide identify, document and adhere to industry, corporate or project conventions for screen and page design 8. Evaluation of machine prototypes informal usability testing with 3-5 representative users carrying out key tasks to provide rapid feedback on the usability of prototypes 9. Usability testing formal usability testing with 8 representatives of a user group carrying out key tasks to identify any remaining usability problems and evaluate whether usability objectives have been achieved 10. Collect feedback from users collect information from sources such as usability surveys, help lines and support services to identify any problems that should be fixed in future versions Bei SAP verwenden Hatscher und Böringer [7] ganz ähnlich eine Mischung von Contextual Design, Goaldirect™ Design und Szenario-basiertem Design unter Mitwirkung der Kunden sowie frühzeitigem Prototyping. Auch Strauss [10] betont die Notwendigkeit von Prototyping. Dabei hat er gute Erfahrungen vor allem mit “low fidelity prototypes”, also Prototypen mit wenig aufwendigem Technikeinsatz gemacht. Darunter versteht man Papierprototypen, die manuell oder mit Grafikwerkzeugen erstellt werden. Es wird aber empfohlen, auf die Verwendung von GUI Buildern nicht zu verzichten, damit auch die technische Machbarkeit, insbesondere die Bildschirmdarstellung und -auflösung beurteilt werden kann. Bevan und Bogomolni [1] nutzen in ihrem Projektbeispiel Papierprototypen bereits während der Aufgabenanalyse. Benutzerfunktionen wurden mit Post-It-Notes ermittelt und gruppiert. Meiner Erfahrung nach sind es gerade die weniger techniklastigen Methoden, die bei Fachvertretern wie Softwareentwicklern gleichermaßen erfolgreich sind. 3. USABILITY IST TEIL DES REQUIREMENTS ENGINEERING Erst die umfassende Kenntnis der zukünftigen Anwender und deren Aufgaben stellt sicher, dass das Projektkonzept für die Usability auf einer soliden Basis aufsetzen kann. Aus Sicht der Usability ist die Nutzung der späteren Produkts während der Anforderungsermittlung zu analysieren. Auf dieser Basis lassen sich dann weitere Maßnahmen wie z.B. Style Guides, Usability Tests, Benutzerzirkel erfolgreich definieren und durchführen. Neuere Ansätze des Requirements Engineering (z.B. [11]) sehen neben Usability Professionals 2003 Usability Professionals und Requirements-Engineering funktionalen Anforderungen auch Benutzerfreundlichkeit und Anwenderanforderungen vor, aber es wird offen gelassen, wie diese zu erreichen sind und wer dies mit welchen Mitteln im Projekt dann letztendlich analysieren, entwickeln und umsetzen soll (und kann). Usability Professionals, Software Ergonomen, Psychologen sind eher die Mahner und Besserwisser, seltener die Bessermacher. Sie wissen noch immer zu wenig vom Alltag der Softwareentwickler und agieren oftmals isoliert und nicht als Projektmitglied. Systemanalytiker, Anforderungsermittler, Spezifikationsersteller – also jene, die Analyse durchführen und die Fachspezifikationen und Pflichtenhefte erstellen – werden unter Zeitdruck mit unvollständiger Dokumentation und widersprüchlichen Aussagen der Fachvertreter konfrontiert. Zusätzlichen Anforderungen aus Usabilitysicht wird entsprechend mit Skepsis begegnet. So hängt es stark von der “Einsicht” der Projektverantwortlichen ab, ob man sich mit Usability und deren Anforderungen beschäftigen “darf”. Projekt- oder sogar unternehmensweite Vorgaben können hier die Lösung sein, die in einheitlicher Weise festschreiben, wie Benutzeranforderungen im Rahmen der Anforderungsermittlung zu erheben und zu integrieren sind. Dazu gehört auch, die Rolle des Usabilitymitarbeiters so zu formulieren, dass dieser gleichberechtigtes Projektmitglied ist und entsprechende Aufgaben übernimmt wie z.B. Analyse, Qualitätsmanagement, Test und Evaluation (es gäbe hier noch viel aufzuzählen) und im Rahmen dieser Tätigkeit Usability umsetzt. Ein stärkeres Augenmerk auf Requirements Engineering insgesamt zu legen, dafür plädiert Fahney in seinem Beitrag [5], da “professioneller Umgang mit Anforderungen ein Drittel bis die Hälfte des Erfolgs von erfolgreichen IT-Projekten ausmacht”, Anforderungsmanagement in Projekten aber noch zu unprofessionell betrieben werde. Kürzere Produktionslebenszyklen führen zu ständig neuen Anforderungen (s.a. Projektbeispiel, dargestellt in [5]). Dementsprechend sind die bezüglich Usability ermittelten Anforderungen nicht fix sondern ebenso einem Change-Request-Prozess zu unterwerfen. Daraus wiederum ergibt sich ein Bedarf nach kontinuierlichem Anforderungsmanagement, permanenter Zusammenarbeit mit Kunde und Benutzern, sowie ständigem Aktualisieren von Dialogoberflächen, Style Guides, Testfällen etc. (s.a. [6]). 4. USABILITYARBEIT IST TEAMWORK Den eben geschilderten Problemen ist frühzeitig durch Rollenbeschreibungen zu begegnen. In der Sprache des Projekts ist festzulegen, wer Anforderungen ermittelt, festschreibt und freigibt und wie deren Änderungsprozess definiert ist. Bevan und Bogomolni [1] schlagen vor, dies in einem Stakeholder meeting (s.a. Abschnitt 2) zu erarbeiten. Benutzeranforderungen sind – beispielsweise auf Grundlage der DIN EN ISO 9241-10 – zu erheben und in die Spezifikation mit aufzunehmen. Anforderungen der verschiedenen Interessengruppen sind nicht unumstößlich, sondern ein Aushandlungsprozess. Was Usability im Projekt bedeutet, ist mit allen Teammitgliedern gemeinsam zu erarbeiten. Dies ist in der Projektdokumentation (z.B. Usability Spezifikation, Style Guide, QM- oder PMHandbuch, Projektakte, Fachspezifikation) festzuhalten. In dem eingangs angesprochenen Projekt (wie auch in vielen späteren Projekten) habe ich zusammen mit engagierten Entwicklern sowie Mitarbeitern der Fachseite, einem Trainer und einem Mitarbeiter des Benutzerservice ein ”Style-Guide-Team” gebildet, in dem der Style Guide kritisch überarbeitet und verabschiedet wurde. Regelmäßige Treffen stellten sicher, dass aktuelle Fragestellungen mit Lösungen erarbeitet und in den Style Guide aufgenommen wurden. Die Akzeptanz des so erarbeiteten Style Guides war drastisch verbessert worden. Um Style-Guide-Konformität auch praktisch sicherzustellen, wurden Framework-Komponenten entwickelt, die von nun an verpflichtend zu verwenden waren. Ein Style Guide ist folglich nicht als Quantensprung anzusehen, sondern ein kontinuierlicher, partizipativer und iterativer, kritischer Prozess. Benutzerbeteiligung (“User Involvement”) ist der wichtigste Erfolgsfaktor in der Softwareentwicklung [4, 9]. Strauss [10] beschreibt beispielsweise User Boards, die sich in Entwicklungsprojekten als höchst sinnvoll und praktikabel erwiesen haben. In diesen User Boards, die sich aus Mitarbeitern des Projektteams inklusive Kunden und Benutzern zusammensetzen, werden Dialogentwürfe konstruktiv durchgespielt und bearbeitet. Gearbeitet wird dabei mit Papierausdrucken, Overhead-Folien und Post-Its. 5. USABILITY IST CHEFSACHE Wie man bereits vom Qualitätsund Projektmanagement weiß, lassen sich unbeliebte und scheinbar erst mal nur Arbeit erzeugende Tätigkeiten nur dann erfolgreich im Projekt einsetzen, wenn sie auch vom Management konsequent gewollt und verfolgt werden. Aufgabe des Managements ist es, Usability zu würdigen und die Forderung nach Usability bei den Entwicklern durchzusetzen. Ein gemeinsames Verständnis zu Usability ermöglicht allen Beteiligten zu erkennen, welchen Nutzen Usability neben einer guten Funktionalität für das Produkt, die Anwender und das Unternehmen bringt. “Wir wollen eine benutzungsfreundliche Software” lässt sich als Anspruch erst dann durchsetzen, wenn entsprechende Ressourcen im Projekt vorgesehen 31 Beck, A. werden, wenn beispielsweise Usability Tests nicht als Luxus und zu kostspielig abgetan werden und wenn der Projektleiter auch bei Zeit- und Budgetdruck hinter den ursprünglich geplanten Maßnahmen steht und diese regelmäßig auf der Agenda hat. 6. DIE ROLLE DES USABILITY PROFESSIONALS: SCREEN VISAGIST ODER USABILITY CONSULTANT? Die dargestellten Aspekte legen nahe, dass ein Usability Professional mehr können und sein muss als ein Screen Visagist. Der Usability Consultant ist im Requirements Engineering genauso zu Hause wie in der Softwareergonomie, er hat umfassende Kenntnisse von Qualitäts- und Projektmanagement, er kann programmieren sowie präsentieren und Schulungen durchführen. Er berät User gleichermaßen wie Entwickler und das Management. Hilfreich sind Kenntnisse von Softwarearchitekturen (z.B. Komponentenbasierte Technologien, Corba, XML, Webservices). Er (oder sie) hat weitreichende soziale Kompetenzen, um mit unterschiedlichen Charakteren und Projektbeteiligten konstruktiv agieren zu können. Hilfreich sind natürlich auch Fach- und Branchenkenntnisse. Kurz gesagt: es ist ein Berater gefragt, der zu den Fragen des Software-Entwicklungsprozesses Stellung beziehen und Lösungen anbieten kann. Usability lässt sich dann am erfolgreichsten umsetzen, wenn z.B. die Bewertung einer Benutzungsoberfläche oder die Entwicklung eines Style Guides Teil von projektbegleitenden und übergreifenden Usability-Maßnahmen sind. 7. REFERENZEN [1] Nigel Bevan, Itzhak Bogomolni: Incorporating user quality requirements in the software development process, 4th International Software Quality Week Europe (Qwe2000) http://www.soft.com/QualWeek/QWE2K/Papers. pdf/Bevan.pdf [2] DIN EN ISO 13407, Benutzerorientierte Gestaltung interaktiver Systeme, 2000/11 [3] DIN EN ISO 9241-10, Ergonomische Anforderungen für Bürotätigkeiten mit Bildschirmgeräten. Grundsätze der Dialoggestaltung, 1996/07 [4] Steve McConnell: From the Editor - The Best Influences on Software Engineering. IEEE Software 17(1): 2000, p. 10-17 [5] Ralf Fahney, Anforderungsmanagement als eigenständige Disziplin, GC-upa 2003 [6] Ronald Hartwig, Praktische Integration des Requirements-Engineering im Feld der multimedialen interaktiven Lehrmedien, GC-upa 2003 [7] Michael Hatscher, Jörg Beringer: Customercentered ”New Application” Design, GC-upa 2003 [8] ISO/TR 18529, Ergonomics of human-system interaction - Human-centred lifecycle process descriptions, 2000/06 [9] Standish Group. ”CHAOS Chronicles or CHAOS: A Recipe For Success”, 1999 http://www.standishgroup.com/chaos/intro1.php http://www.standishgroup.com/sample_research/ PDFpages/chaos1998.pdf [10] Friedrich Strauß: Requirements-Analyse und GUI Design, GC-upa 2003 [11] Volere 2003, http://www.volere.co.uk/ 32 Usability Professionals 2003 Usability Professionals und Requirements-Engineering Referentin Dipl.-Inform. M.Sc. Astrid Beck hat in Berlin Informatik und in Los Angeles Computer Science studiert. Zuvor hat sie eine Ausbildung als Informatik-Assistentin absolviert. In Stuttgart war sie bei der Universität Stuttgart in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation tätig, bis sie sich 1994 selbstständig machte. Astrid Beck ist seitdem als Beraterin aktiv für Software-Qualitätsmanagement. Ihre Beratungsschwerpunkte sind die Gestaltung von Benutzungsoberflächen, Konzeption von Webprojekten sowie Methoden und Verfahren für die Softwareentwicklung, wie z.B. Anforderungsermittlung und Test. Ihre Kunden sind Banken und große Unternehmen. 33 ANFORDERUNGSMANAGEMENT ALS EIGENSTÄNDIGE DISZIPLIN Ralf Fahney Anforderungsmanagement Helfrichstrasse 8 D-82041 Oberhaching fahney@anforderungsmanagement.de www.anforderungsmanagement.de ABSTRACT Veränderung der Anforderungen schützen. Studien belegen, dass professioneller Umgang mit Anforderungen ein Drittel bis die Hälfte des Erfolgs von erfolgreichen IT-Projekten ausmacht. Umgekehrt liegt es etwa zur Hälfte an mangelhaftem Anforderungsmanagement, wenn ein IT-Projekt schief läuft. Dieser Beitrag Anhand eines Praxisbeispiels und der gängigen Literatur motiviert dieser Beitrag, Anforderungsmanagement als eigenständige Disziplin in IT-Projekten zu sehen. Er zeigt das Entwicklungspotenzial für Unternehmen auf, die Anforderungsmanagement als Disziplin im Unternehmen etablieren. Keywords Anforderungsmanagement, Anforderungsanalyse, Requirements Management, Requirements Engineering, Change Request Management 1. EINLEITUNG Besonders Großunternehmen sind von Einflüssen betroffen wie • allgemeine wirtschaftliche Entwicklung; • internationale Akquisitionen; • gesetzliche und politische Vorgaben; • wechselnden Unternehmen. Verantwortlichkeiten im Es ist hier zum einen wichtig, den Umfang von IT-Projekten so zu vereinbaren, dass in kurzer Zeit Ergebnisse entstehen, die Nutzen erzeugen und weiter verwendbar sind. Zum anderen muss man Projekte gegen unkontrollierte und ungewollte Es ist erlaubt digitale und Kopien in Papierform des ganzen Papers oder Teilen davon für den persönlichen Gebrauch oder zur Verwendung in Lehrveranstaltungen zu erstellen. Der Verkauf oder gewerbliche Vertrieb ist untersagt. Rückfragen sind zu stellen an den Vorstand des GC-UPA e.V. (Postfach 80 06 46, 70506 Stuttgart). Proceedings of the 1st annual GC-UPA Track Stuttgart, September 2003 © 2003 German Chapter of the UPA e.V. 34 • zeigt anhand eines Praxisbeispiels auf, wie klar vereinbarte Anforderungen stabile Rahmenbedingungen schaffen; • motiviert anhand des Praxisbeispiels, Anforderungsmanagement als eigenständige Disziplin in IT-Projekten zu sehen; • unterstützt diese Sichtweise durch Verweise und Zitate der Anforderungsmanagement-Literatur; • zeigt das Entwicklungspotenzial für Unternehmen auf, die Anforderungsmanagement als Disziplin im Unternehmen etablieren. 2. PRAXISBEISPIEL Aufgrund von Akquisitionen und gewachsenen Strukturen kommen im Kundenservice / Callcenter eines Logistik-Dienstleisters mehrere Auskunftssysteme zum Einsatz. 2.1 Projektziele In einem Projekt will der Logistik-Dienstleister die Beauskunftung harmonisieren und dem Callcenter eine einheitliche Sicht auf Sendungen verschiedener datenliefernder Systeme zur Verfügung stellen (Harmonisierungsprojekt). In einem zweiten Projekt will er das Reklamationsund Schadensmanagement stärker als bisher in den Arbeitsablauf im Callcenter integrieren. Parallel zu diesen Aktivitäten entwickelt ein drittes Projekt die IT-Unterstützung für ein neues Produkt (Produkt-Neuentwicklung). Das Projekt formulierte einen Change Request an das Harmonisierungsprojekt mit dem Ziel, die Auskunftsfähigkeit im Callcenter um das neue Produkt zeitnah zu erweitern und die Pilotierung des neuen Produktes unterstützen zu können. 2.2 Pflichtenhefte Der Logistik-Dienstleister lässt für die drei Aufgaben Pflichtenhefte erarbeiten. Hier sind wie üblich Masken, Dialogabläufe, Geschäftslogik, Schnittstellen usw. spezifiziert. Usability Professionals 2003 Anforderungsmanagement als eigenständige Disziplin In die regelmäßigen Abstimmungsgespräche sind der fachliche Auftraggeber, die Endbenutzer und die notwendigen Fachexperten eingebunden. Sie sind die wichtigsten Informationsgeber für die Spezifikation. 2.3 Reviewprozess Gemeinsam mit dem Auftraggeber begutachtet die Projektleitung die Pflichtenhefte. Es ergibt sich, dass die Anforderungen in zwei Bereichen ausreichend stabil für eine Implementierung sind: • Masken und Dialogabläufe für die Beauskunftung und für das Reklamations- und Schadensmanagement; • Geschäftslogik zur Sendungsinformation. Vereinheitlichung der Bei der Geschäftslogik für das Reklamations- und Schadensmanagement ergibt sich, dass die zentralen Vorgaben für die Gesamtarchitektur noch zu großen Spielraum für die Umsetzung lassen. Datenlieferanten ergeben sich geringfügige Änderungen im Modell der vereinheitlichten Sendung und der bereits implementierten Dialogoberfläche. Die Pflichtenhefte werden entsprechend aktualisiert. In Folgebeauftragungen erfolgte die planmäßige Umsetzung der vollständigen Lösung. 3. UNTERSUCHUNG DES PRAXISBEISPIELS Dieser Abschnitt untersucht nun die Tätigkeiten der Projektleitung unter den Aspekten Projekt-, Qualitätsund Anforderungsmanagement. Abbildung 1 setzt die drei Disziplinen schematisch zueinander in Beziehung. Sie verdeutlicht, dass es Überschneidungen und Abhängigkeiten gibt. Die Pfeile kennzeichnen den Informationsfluss zwischen den Disziplinen. Die Zahlen bezeichnen die Aspekte, die in den folgenden Unterabschnitten beleuchtet werden. Für die Anbindung der datenliefernden Systeme ist zum einen das technische Design weiter zu konkretisieren. Zum anderen sind die Releaseplanungen der datenliefernden Systeme mit der Terminplanung des Harmonisierungsprojektes zu synchronisieren. Projektmanagement 2 2.4 Beauftragung von Teillösungen Die Auftraggeber wünschen noch stärker sichtbaren Projektfortschritt. Gleichzeitig ist Raum erforderlich für die Klärungen z.B. im Bereich der Gesamtarchitektur und der Schnittstellen zu den datenliefernden Systemen. Es entsteht die Idee, umsetzbare Teillösungen zu ermitteln und zu implementieren, die für sich genommen bereits Sinn im Hinblick auf die Projektziele ergeben. In einem Klärungsprozess erarbeiten und vereinbaren alle Beteiligten zwei Teilprojekte, mit denen zum einen die gesamte Dialogoberfläche und zum anderen die Geschäftslogik zur Vereinheitlichung von Sendungen implementiert wird. Die Anforderungen aus dem Change Request des dritten Projektes sind so gestaltet, dass sie im Rahmen der beiden Teilprojekte mit umgesetzt werden können. Der Logistik-Dienstleister beauftragt Softwarehaus mit der Durchführung. ein 2.5 Weitere Durchführung der Projekte Der Umfang der beiden Teilprojekte und die umzusetzenden Anforderungen waren im Vorfeld so klar herausgearbeitet, dass der Dienstleister die Ziele innerhalb des geschätzten Zeit- und Budgetrahmens erreicht. Parallel zur Durchführung der Teilprojekte werden die erforderlichen Klärungen für die Stabilisierung der verbleibenden Anforderungen fortgeführt. Aus den finalen Schnittstellenabstimmungen mit den 1 Anforderungsmanagement 3 Qualitätsmanagement 4 Abbildung 1: Verhältnis der Disziplinen ProjektQualitäts- und Anforderungsmanagement zueinander 3.1 Gemeinsame Wurzel aller drei Disziplinen Alle drei Disziplinen beginnen ihre Arbeit mit der Frage nach Projektauftrag und Projektziel. Anforderungsmanagement erhält initiale Orientierung für die weitere Klärung von Anforderungen. 3.2 Überschneidungen zwischen Anforderungsund Projektmanagement Anforderungsmanagement bedient sich der Methoden des Projektmanagements, um sein eigenes Vorgehen zu planen und zu koordinieren. Projektmanagement benötigt geklärte Anforderungen, um verlässliche Aufwands- und Zeitschätzungen erstellen zu können. 3.3 Überschneidungen zwischen Anforderungsund Qualitätsmanagement Zu jeder Anforderung sind z.B. die Abnahmekriterien festzulegen. Die Anforderungen selbst müssen qualitativ hochwertig formuliert sein (z.B. vollständig, widerspruchsfrei, verbindlich). 35 Fahney, R. 3.4 Originärer Anteil des Anforderungsmanagements In diesen Bereich fallen sämtliche Tätigkeiten, die mit der Ermittlung, Klärung, Priorisierung, Dokumentation und Veränderung von Anforderungen zu tun haben. Im dargestellten Praxisbeispiel sind dies u.a. • Erstellung der Pflichtenhefte nebst notwendiger Informationsbeschaffung und -klärung; • Intensive Einbeziehung des Auftraggebers, der Endbenutzer notwendigen Fachexperten; • Einfordern von Konkretisierungen, Interpretationsspielraum blieb; • Formulierung und Abstimmung des Change Request für die Berücksichtigung der Anforderungen aus der Produkt-Neuentwicklung; • Klärung von Umfang und Abgrenzung der beiden Teilprojekte: Welche Anforderungen sollen in den Teilprojekten umgesetzt werden, welche nicht? • Fortführung der Klärungen im Bereich der Gesamtarchitektur, um daraus die Anforderungen an die Architektur ableiten zu können; • fachlichen und der wo Dokumentation und Kommunikation der veränderten Anforderungen z.B. im Bereich der vereinheitlichten Sendung und deren Darstellung im Dialog. 3.5 Zusammenfassung Eine konkrete zahlenmäßige Aufteilung der Arbeitsanteile in den Disziplinen ist von Fall zu Fall verschieden und darüber hinaus unterschiedlich je nach Projektphase: • Bis zur Auslieferung der Pflichtenhefte dominierte Anforderungsmanagement. • Während des Reviewprozesses ging es vor allem um Qualitätsmanagement. • Die Ausarbeitung der Beauftragung betraf wegen der Klärung und Abgrenzung von Projektumfang und unzureichenden Anforderungen wieder eher das Anforderungsmanagement. der sorgfältigen Vorarbeit aller Beteiligten konnte das Softwarehaus Aufwand und Zeit detailliert und präzise schätzen. Der fachliche Auftraggeber konnte beruhigt der Durchführung der Teilprojekte entgegensehen. Es gab nur wenig nachfolgenden Klärungsbedarf. 4. METHODISCHE GRUNDLAGEN DES ANFORDERUNGSMANAGEMENTS Studien der Standish Group ([8], [9]) belegen, dass professioneller Umgang mit Anforderungen ein Drittel bis die Hälfte des Erfolgs von erfolgreichen IT-Projekten ausmacht. Umgekehrt liegt es etwa zur Hälfte an mangelhaftem Anforderungsmanagement, wenn ein IT-Projekt schief läuft. Schienmann ([7] S.15) zitiert eine Studie der ESPITI, die “zu ähnlichen Ergebnissen kommt”. Anforderungsmanagement ist keine neue Disziplin. Der Einsatz von Pflichtenheften, Lastenheften, Fach- und Systemspezifikationen ist seit langen Jahren gängige Praxis. Es gibt jedoch Literatur (u.a. [3], [6], [7], [10]), die sich speziell beschäftigt mit • Ermittlung und Verwaltung von Anforderungen; • Verbindlicher Formulierung und Dokumentation von Anforderungen; • Umgang mit Anforderungen; • den für diese Tätigkeiten erforderlichen Kompetenzen. Hierzu gehört z.B. auch die erforderliche Konfliktmoderation ([4], [7]); • Einführung einer Methodik für Anforderungsmanagement in Unternehmen. Veränderungen von In dieser Literatur ist wenig bis gar nicht die Rede von den Themen, mit denen sich Projekt- und Qualitätsmanagement beschäftigen: • Terminplänen • Ergebnisstrukturplänen • Budgetplänen • Schätzverfahren • Testverfahren • Reviewverfahren • Die Vorbereitung der fachlichen Tests war wieder Gegenstand des Qualitätsmanagements. Der Rational Unified Process [2] kennt einen eigenen Requirements Workflow. • Zu jeder Zeit waren Methoden des Projektmanagement gefordert, um Koordination und Synchronisation in Gang zu setzen und die richtigen Personen an den Tisch zu bekommen. Das V-Modell kennt die Submodelle PM, QS, KM und SE ([1], [5]). Anforderungen werden im Submodell SE behandelt. Das V-Modell sieht den Umgang mit Anforderungen also weder im Projektmanagement noch im Qualitätsmanagement. In dem Praxisbeispiel hat konsequentes Anforderungsmanagement zu einem erheblichen Teil zum Erfolg der beiden Teilprojekte und der Projekte insgesamt beigetragen. Klare Vereinbarungen schafften stabile Rahmenbedingungen für die Umsetzung. Aufgrund 36 Aus diesen Feststellungen ergibt sich eine weitere Motivation, Anforderungsmanagement als eigenständige Disziplin zu betrachten. Usability Professionals 2003 Anforderungsmanagement als eigenständige Disziplin Damit leistet Anforderungsmanagement einen erheblichen Beitrag dazu, die Wirtschaftlichkeit der erstellten Lösungen sicherzustellen. 5. ENTWICKLUNGSPOTENZIAL FÜR UNTERNEHMEN Anforderungen sind eine treibende Kraft in Unternehmen. Unternehmen sind bedeutungslos, wenn Kunden keine Anforderungen an sie stellen. Eigene Visionen der Unternehmen über zukünftige Marktentwicklungen sind weitere Quellen von Anforderungen. Schienmann schlägt in [7] einen projektübergreifenden, kontinuierlichen Prozess des Anforderungsmanagements vor. Es gibt Unternehmen mit Organisationseinheiten, die speziell für Anforderungsmanagement im Unternehmen verantwortlich sind. Es ist möglich, den Umgang mit Anforderungen und den Prozess des Anforderungsmanagements zu hinterfragen und bei Bedarf zu optimieren. Mögliches Einsparungspotenzial ergibt sich z.B. in folgenden Bereichen: • Schnellere Informationsgewinnung durch unmittelbare dezentrale Erfassung von Anforderungen; • Detailliertes Controlling des Fortschritts der Anforderungsklärung; • Ermittlung der Auswirkungen der Veränderung von Anforderungen; • Einarbeitung neuer Mitarbeiter. Der Nutzen von Anforderungsmanagement liegt für Unternehmen in • klar herausgearbeiteten Rahmenbedingungen; Zielen und 6. REFERENCES [1] Bröhl, A.P., Dröschel, W. (1993): Das V-Modell – Der Standard für die Softwareentwicklung mit Praxisleitfaden. Oldenbourg, München 1993. [2] Kruchten, P. (1999): The Rational Unified Process – An Introduction. Addison-Wesley, Reading, Massachusetts 1999. [3] Leffingwell, D., Widrig, D. (1999): Managing software requirements – a unified approach. Addison-Wesley, Boston 1999. [4] Mayrshofer, D., Kröger, H.A. (2001): Prozesskompetenz in der Projektarbeit. Windmühle Verlag, Hamburg 2001. [5] Müller-Etrich, G. (1999): Objektorientierte Prozeßmodelle – UML einsetzen mit OOTC, VModell, objectory. Addison-Wesley, Bonn 1999. [6] Rupp, C. (2002): Requirements-Engineering und -Management. Professionelle, iterative Anforderungsanalyse für die Praxis, 2., überarbeitete Auflage. Carl Hanser Verlag, München, Wien 2002 [7] Schienmann, B. (2001): Kontinuierliches Anforderungsmanagement. Prozesse Techniken - Werkzeuge. Addison-Wesley, München 2001. [8] http://www.standishgroup.com/sample_research/ chaos_1994_1.php ff. (4 Web-Seiten) • der Möglichkeit fundierter Ressourcenplanung; [9] http://www.standishgroup.com/sample_research/ PDFpages/chaos1998.pdf • hoher Planungssicherheit (Budget, Termine); [10] Versteegen, G., Salomon, K., Heinold, R. • effizienter Umsetzung wegen klarer Ziele und Rahmenbedingungen; • der Eingebundenheit der Betroffenen mit der Konsequenz, dass diese die zukünftige Lösung kennen und mittragen. (2001): Change Management bei Softwareprojekten, Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2001 37 Fahney, R. Referent Ralf Fahney besitzt 14 Jahre Berufspraxis im Bereich Projektmanagement von ITProjekten, Produktmanagement, Objektorientierung, Einführung von Geschäftsprozessen. Seine langjährige Erfahrung als Berater bei verschiedenen Kunden in unterschiedlichen Branchen führten ihn zu der Überzeugung, dass professioneller Umgang mit Anforderungen erheblich zum Erfolg von IT-Projekten beiträgt. Seit Januar 2003 bietet er als freier Berater Anforderungsmanagement als Dienstleistung an. Er unterstützt bei der Einführung und Durchführung von Anforderungsmanagement in Unternehmen und Projekten. 38 Usability Professionals 2003 CUSTOMER-CENTERED “NEW APPLICATION” DESIGN Michael Hatscher SAP AG Neurottstr. 16 69190 Walldorf michael.hatscher@sap.com www.sap.com Dr. Jörg Beringer SAP AG Neurottstr. 16 69190 Walldorf joerg.beringer@sap.com www.sap.com aggregiert und angereichert ABSTRACT Der folgende Bericht beschreibt die Erfahrungen der SAP XDG (xApps Design Group) mit einem DesignProzess, der frühe Prototypen, massive Einbindung von (Pilot-)Kunden und enge Zusammenarbeit mit dem Produkt-Management als Kernelemente für ein erfolgreiches Design einsetzt. Es wird dargestellt, welche Elemente verschiedener Design-Methoden sich gut kombinieren lassen, und zwei Praxisprojekte werden skizziert. Keywords customer-centered design, goal-directed design, contextual design, SAP xApps, design patterns 1. WAS SIND XAPPS? WER IST XDG? SAP xApps sind SAPs neue Klasse von „composite applications“, Anwendungen, die auf bestehende Lösungen aufsetzen und prozessund komponentenübergreifend verschiedenen NutzerInnen in den Unternehmen die für ihre Aufgaben notwendigen Informationen und Funktionalität bereitstellen. Sie zeichnen sich durch folgende Merkmale aus: • cross functional: quer strukturen werden unterstützt • composite: Integration bestehender Systeme in neue Lösungen • collaborative: Zusammenarbeits-Szenarien werden unterstützt • content-driven: strukturierte und unstrukturierte Inhalte werden in den Geschäftsprozess integriert • zu OrganisationsGeschäftsprozesse close the loop: bestehende Information wird Es ist erlaubt, digitale und Kopien in Papierform des ganzen Papers oder von Teilen davon für den persönlichen Gebrauch oder zur Verwendung in Lehrveranstaltungen zu erstellen. Der Verkauf oder gewerbliche Vertrieb ist untersagt. Rückfragen sind zu stellen an den Vorstand des GC-UPA e.V. (Postfach 80 06 46, 70506 Stuttgart). Proceedings of the 1st annual GC-UPA Track Stuttgart, September 2003 © 2003 German Chapter of the UPA e.V. mit Kontextinformation Die xApps Design Group (XDG) ist eine zentrale, in Deutschland und den USA angesiedelte SharedServices-Gruppe im Bereich der xApp-Entwicklung, die die jeweiligen xApp-Produktteams bezüglich Anforderungsanalyse, Interaktions- und visuellem Design unterstützt. Zusätzlich arbeitet die Gruppe an xApp-übergreifenden Fragestellungen wie DesignMethoden und User Interface-Patterns und stellt diese Informationen Entwicklungsteams und xAppPartnern zur Verfügung. 2. XDG DESIGN-PROZESS Der XDG Design-Prozess verknüpft eine Reihe verschiedener Methoden zum Requirements Gathering und Interaktions-Design. Frühe Prototypen helfen dabei, die Ideen zu visualisieren; die Einbindung von Pilotkunden sorgt dafür, dass die xApps die Prozesse der Kunden optimal unterstützen. Später im Prozess erweist sich die enge Zusammenarbeit mit dem ProduktManagement (PM) und der Entwicklung als sehr fruchtbar bei der Definition realistischer Designs. Gegen Ende des Design-Entwicklungszyklus’ binden wir Produkt-Management und Entwicklung in Methoden zur Evaluation der Usability ein (meist Usability Tests, aber auch Cognitive Walkthroughs [3] beim Kunden oder auf Messen; siehe auch Wixons [4] kritischen Beitrag zu Literatur und Praxis im Bereich der Usability-Evaluation). Die Besonderheiten und Schwerpunkte dieses Prozesses werden in den folgenden Abschnitten auszugsweise dargestellt. 2.1 Produktdefinition Für die Anforderungsanalyse und frühe Konzeption einer xApp verwenden wir eine Mischung von Contextual Design, Goal-directed® Design und Szenario-basiertem Design: • Contextual Design (Hugh Beyer / Karen Holtzblatt) [1]: In Ergänzung zu konventionellen Methoden des Produkt-Managements beim Kunden werden für alle xApp-Projekte so genannte Contextual Interviews an Arbeitsplätzen potenzieller Benutzer durchgeführt. Dies geschieht in enger 39 Hatscher, M. & Beringer, J. Kooperation mit dem Produkt Management (PM). Diese werden auch von der XDG ausgebildet, Interviews selbstständig durchzuführen. Die Interviews werden mittlerweile sowohl intern als auch bei Kunden sehr geschätzt, weil sie viele neue Einsichten hervorbringen und sowohl PM als auch den Designern helfen, Produktmerkmale zu priorisieren. Der enge Zeitrahmen und die zeitund kostenintensive Anreise zu internationalen Pilotkunden zwingen uns jedoch dazu, die Aufarbeitung der Daten auf ein Minimum zu beschränken. Interpretation Sessions, Flow- und Sequence-Modell und Affinity Building sind für uns die wesentlichen Maßnahmen, um Interviewdaten maximal zu nutzen. Die FlowModelle sind für die Spezifizierung der Worksets (SAPs Rollendefinitionen) und kollaborativen Strukturen äußerst hilfreich. Mit den SequenceModellen können wir wiederkehrende Arbeitsprozesse spezifizieren und als Szenario beschreiben. Diese Modelle geben uns Aufschluss über die tatsächlich gelebten Arbeitsprozesse, die sich i.d.R. in formalen Prozessbeschreibungen nicht oder nur teilweise wieder finden. Mit den Affinity Notes identifizieren wir die wichtigsten verbesserungsfähigen Punkte für ein gegebenes Geschäftsszenario und helfen damit, den Innovationsgrad der xApp-Lösung zu erhöhen. • • 40 Goal-Directed® Design (Alan Cooper) [2]: Cooper setzt im Goal-Directed® Design so genannte „Personas“, fiktive archetypische Nutzerpersönlichkeiten, ein, die die in Interviews gewonnenen empirischen Daten greif- und handhabbar machen. In einigen Fällen entwickeln wir aufbauend auf den Daten des Contextual Designs Personas, um sie als Kommunikationsinstrumente und als Aufhänger für Szenarien zu verwenden. Sie dienen uns primär als Richtungsgeber für DesignEntscheidungen, während die substanzielle Information aus den Contextual DesignModellen kommt. Im Cooper’schen Sinne haben wir während des Designs bisher noch nicht mit Personas gearbeitet, d.h. wir haben sie nicht formal genutzt zur Ableitung oder Priorisierung der Requirements. Für generische Anwendungskomponenten aber erweisen sich Personas als besonders hilfreich, weil sich die Rollendefinition nicht unmittelbar aus einem betriebswirtschaftlichen Szenario ergibt und deshalb mit Hilfe von Personas künstlich geschaffen werden muss. Szenario-basiertes Design: Die durch die Contextual Interviews gewonnenen Sequence Modelle und die Liste der Verantwortlichkeiten von Rollen dienen als Ausgangspunkt für die Entwicklung von Szenarien. Szenarien sind für uns komplexe Use Cases, mit deren Hilfe die wichtigsten Design- und Systemanforderungen ermittelt werden. Diese Szenarien dienen einerseits als Grundlage für Demo-Skripts, anhand derer Prototypen erstellt werden, als auch zur Erstellung von Testfällen für Usability Tests. 2.2 Frühe Prototypen in HTML & Papier Zur Kommunikation unserer Ideen und Designs haben sich frühe konzeptionelle Prototypen (auf HTML-Basis) bewährt. Zwar bedeutet die Prototypen-Erstellung einen größeren Arbeitsaufwand, der aber in einem sehr guten Verhältnis steht zum Nutzen: Die Prototypen werden für Präsentationen vor Top Level Management (wegen der notwendigen Unterstützung) und vor Kunden (auf Messen und vor Ort) ebenso eingesetzt wie für erste konzeptionelle Usability Tests. Da zur Implementierung eine grundsätzlich andere Technologie zum Einsatz kommt, gibt es auch keine Versuchung, bestehenden HTML-Code für das Produkt zu übernehmen (und so das zu erzeugen, was Cooper “Narbengewebe” nennt). Zur schnelleren Iteration nutzen wir zusätzlich Papierprototypen oder quasi-interaktive so genannte „Wireframes“, grobe konzeptionelle Screen Designs auf PowerPoint-Basis. Im Rahmen von PrototypInterviews setzen wir diese als Kommunikationsgrundlage ein, um weitere Anforderungen zu sammeln und gleichzeitig Designideen und Anwendungsstruktur zu testen. Ein aufwendig gebauter Papierprototyp mit Post-it® Notes erwies sich im Test nicht unbedingt als den ausgedruckten Prototypen überlegen; zwar schien der Test den TeilnehmerInnen (zumindest anfänglich) mehr Spaß zu bereiten, aber der erhoffte Effekt trat nicht ein: Wir hatten erwartet, dass die Teilnehmer beginnen würden, Elemente auf dem Screen zu verschieben, um die Applikation neu zu strukturieren. Insgesamt helfen die frühen Prototypen sehr, die Produktidee zu vermitteln und zu testen, sie führen aber auch zu sehr frühem Interaktions- und visuellem Design, das oft ohne ausreichende Grundlage erstellt werden muss. Hierin liegt sicherlich ein Risiko, weil der Prototyp schnell als informelle Designspezifikation verstanden wird und man sich bekanntlich schwer von einem einmal existierenden Design trennen kann. Ein Reverse Engineering der Prototypen in User Environment Designs (siehe Contextual Design) mit nachfolgendem User Interface-freien Spezifizieren der Anwendungsfunktionalität und –struktur können diesen potenziell negativen Effekt eines Prototypen jedoch kompensieren. Der positive Effekt ist unserer Meinung vorherrschend, weil das User Interface der Prototypen wesentlich die Backend-Funktionalität und Datenmodelle der Anwendung mitbeeinflusst und hierdurch eine EndbenutzerIn-zentrierte Usability Professionals 2003 Customer-centered "New Application" Design Softwaregestaltung gefördert wird, indem die User Experience vor dem Datenmodell definiert wird. 2.3 (Pilot-)Kunden-Einbindung Ein weiteres zentrales Merkmal des xApp-DesignProzesses stellt die frühe Einbindung von Pilotkunden dar. Pilotkunden gewähren uns unter anderem Zugang zu ihren MitarbeiterInnen an deren Arbeitsplätzen und in deren Räumlichkeiten und geben uns somit die Gelegenheit, die tatsächlichen Arbeitsprozesse mit Hilfe von Contextual Interviews zu analysieren. Dieses Vorgehen hat sich schon bei vielen Pilotkunden bewährt und zu signifikant besserem Verständnis für die Anforderungen geführt. 2.4 Kooperation mit anderen Teams Die enge Zusammenarbeit mit anderen Teams (wie PM und Entwicklung) hat sich als sehr positiv herausgestellt. Vor allem Produkt-Management und Entwicklung in den verschiedenen Anwendungen konnten von uns gut in den Design-Prozess eingebunden werden. Ebenso werden wir von diesen Gruppen angefragt, wenn es Fragen zum Design gibt – d.h. uns ist es hier gelungen, unter Beweis zu stellen, dass unsere Arbeit die Qualität der Applikation signifikant verbessert. Beispiele für die erfolgreiche Einbindung sind • gemeinsame Kundenbesuche Interviews, Usability Tests) Auf Kundenseite werden Contextual Interviews als Beleg für SAPs Willen zu einem people-centric Anwendungsdesign wahrgenommen und führen auch nicht selten bei kunden-internen IT-Teams zu zusätzlichen Erkenntnissen. Auf der Entwicklungsseite sorgen die konkreten und realistischen Felddaten für ein tieferes Verständnis der Geschäftsprozesse und eventueller Probleme oder Verbesserungsmöglichkeiten. Mit diesem intensiven Verständnis kann der Wert von Produktideen und Produktmerkmalen in der Sprache des Kunden und an realistischen Beispielen des Kunden plastisch aufgezeigt werden. Die Position des Projektteams beim Kunden wird damit insgesamt verbessert, und MitarbeiterInnen fühlen sich in den Prozess eingebunden. • gemeinsame Tests) • gemeinsame Design-Aktivitäten Ein offensichtliches Risiko des Pilotkunden-Ansatzes ist die zu starke Spezialisierung des Erstprodukts auf einen spezifischen Kunden. Es ist deshalb wichtig, mit Hilfe der weiter oben beschriebenen Methoden die in den Interviews beobachteten Arbeitsvorgänge hinsichtlich des ursprünglichen Arbeitsziels zu betrachten und zu „best practice“Mustern zu abstrahieren, die in ähnlicher Formen bei anderen Kunden auch anzutreffen sind. Hierfür sind die Contextual Design-Modelle extrem hilfreich, weil sie eine abstrahierte ethnographische Beschreibung des Marktes ermöglichen und nicht eine einfache Protokollierung des Beobachteten sind. 3. PRAXISBEISPIELE Um zu einer repräsentativen Anforderungsanalyse zu kommen, werden selbstverständlich auch andere interessierte SAP-Kunden einbezogen, die eigenes Interesse daran haben, eine SAP-Standardlösung mit zu beeinflussen. In enger Abstimmung mit den Kunden entsteht so eine Anwendung, die an den konkreten Bedürfnissen der Pilotkunden orientiert ist (Benefit für den Kunden), gleichzeitig aber auch als eigenständiges Produkt verkauft werden kann, weil sie ein generisches Geschäftsproblem oder Szenario adressiert und allgemeingültig gestaltet ist (Benefit für SAP). Usability-Aktivitäten (Contextual (Usability Die organisatorisch zentrale Aufhängung der XDG macht jedoch eine ständige interne Promotion nötig und erzeugt den Druck, gute Designs und Mehrwert für die Produktteams zu liefern. Es hat sich als sehr hilfreich herausgestellt, wenn innerhalb des xAppProduktteams eine Person als Designerpartner agiert und somit dem zentralen XDG Lead Designer als Ansprechpartner für Designdiskussionen bereit steht. Ebenso stellt eine solche Person einen kontinuierlichen Wissenstransfer in das Produktteam sicher. Diese Rolle haben typischerweise ProduktManagerInnen oder Front End-EntwicklerInnen. Im Folgenden werden kurz zwei Beispielprojekte beschrieben, in denen wir den XDG Design-Prozess gut haben umsetzen können. 3.1 Product Definition xApp Die Product Definition xApp (xPD) wird derzeit in enger Zusammenarbeit mit einem Kunden aus den USA entwickelt. Bei dieser Applikation geht es darum, den Ideen-Prozess klar zu strukturieren, Ideen verfügbar zu machen, aus ihnen Produktkonzepte zu generieren und diese Konzepte zu einem Reifegrad zu führen, von dem aus die Produktion anlaufen kann. Hier begannen wir mit einer Demo, die erste grobe Ideen zu visualisieren half. Das Konzept und die Inhalte der Demo definierten wir gemeinsam mit dem Produkt-Management, d.h. wir waren in den Produkt-Definitions-Prozess bereits stark eingebunden. Später unterstützten wir die Entwicklung bei der eigentlichen Erstellung der xPDDemo, die auf der größten SAP-Kundenmesse eingesetzt wurde. Reger Austausch mit dem Pilotkunden ermöglichte uns später eine schrittweise Vereinfachung des Datenmodells und des User Interfaces – immer wieder wurde uns klar, dass wir schon in der Demo zu komplex gedacht hatten und die BenutzerInnen 41 Hatscher, M. & Beringer, J. für ihre Arbeit bestimmte Features gar nicht benötigen, über die wir uns lange den Kopf zerbrochen hatten. Mehrmalige Usability TestZyklen mit Papierprototypen (unter Beteiligung von PM und Entwicklung) erlaubten es uns, ein benutzbares User Interface zu konzipieren und eine sinnvolle Applikationsstruktur zu entwerfen, bevor die Anwendung in die Entwicklung ging. Mit den ersten lauffähigen Prototypen werden wir weitere Usability Tests mit MitarbeiterInnen des Kunden durchführen. 3.2 Employee Relationship Management xApp Im Employee Relationship Management geht es um eine Suite von Werkzeugen, die – auch wenig mit dem System vertraute – BenutzerInnen bei der Erledigung häufig anfallender sequenzieller Abläufe unterstützen sollen. Ebenso sollen die BenutzerInnen in die Lage versetzt werden, selbst solche Sequenzen aufzusetzen. Enge Zusammenarbeit mit PM und Entwicklung ließ auch hier schnell einen präsentierbaren Prototyp entstehen, der als Grundlage für weitere Iterationen (via Usability Tests) und Präsentationen (auf Messen) diente. Die gesamte Produktidee ist sehr stark von dem Prototyp getrieben, an dem sich nun die Entwicklung orientiert. Prozess scheint sich zu bewähren – gutes Feedback vom Top Level Management und von den Kunden sowie Test-TeilnehmerInnen bestätigen, dass die frühe Visualisierung von Produktkonzepten, die intensive Einbindung von Pilotkunden bei der Anforderungsanalyse und die enge Zusammenarbeit mit PM und Entwicklung während des Designs Früchte trägt. Wir hoffen, dass durch entsprechenden Produkterfolg sich dieser Design-Prozess weiter verbreitet und andere Produktteams sich von diesem benutzer-zentrierten, auf empirischen Daten basierenden Design-Prozess überzeugen lassen. 5. REFERENCES [1] Beyer H. and Holtzblatt K., Contextual Design: Defining Customer-Centered Systems. Morgan Kaufmann Publishers (1998). [2] Cooper A., The Inmates are running the Asylum: Why High-Tech Products drive us crazy and how to restore the Sanity. SAMS (1999). [3] Nielsen J., Usability Engineering. Morgan Kaufmann Publishers (1993). [4] Wixon D., Evaluating usability methods: Why the current literature fails the practitioner. Interactions, X.4, 28-34 (2003). 4. RESÜMEE & POTENZIALE Nachdem wir seit über einem Jahr wie beschrieben vorgehen, können wir sagen: Der XDG Design- 42 Usability Professionals 2003 Customer-centered "New Application" Design Referenten Michael Hatscher, Diplom (Psychologie) 2000 an der Universität Osnabrück über „Joy of use – Determinanten der Freude bei der Softwarenutzung“. Seit Anfang 2001 im SAP-Umfeld tätig: Usability Engineering Center der SAP AG; Consultant im Bereich Usability Engineering / User Interface Design (SAP Portals Europe GmbH & Co. KG; SAP Deutschland AG & Co. KG); seit Anfang 2003 Interaction/User Interface Designer bei den xApps der SAP AG. Dr. Jörg Beringer, seit 1997 bei SAP tätig als Produkt Designer und Architekt mit Schwerpunkten User-Integration, Collaborative Solutions, Enterprise Portale. Seit 2002 leitet er die xApp Design Gruppe und arbeitet an xApp Produktkonzepten und Koordination des UI Frameworks. 43 PRAKTISCHE INTEGRATION DES REQUIREMENTS-ENGINEERING IM FELD DER MULTIMEDIALEN INTERAKTIVEN LEHRMEDIEN Ronald Hartwig Institut für Multimediale und Interaktive Systeme Universität zu Lübeck Willy-Brandt-Allee 31a - 23554 Lübeck hartwig@imis.uni-luebeck.de www.imis.uni-luebeck.de ABSTRACT Der Artikel beschreibt die Besonderheiten, die bei der Integration des Usability-Engineering in Entwicklungsprozesse multimedialer Lernmedien zu berücksichtigen sind. Keywords e-Learning, Content-Management, QS, Usability 1. EINLEITUNG Die Entwicklung klassischer Arbeitsplatz-Software und die Qualitätssicherung innerhalb dieser Projekte ist ein inzwischen weitgehend untersuchter, wenngleich noch nicht abgeschlossener Forschungsbereich. Ziel des Software-Engineering ist die vorhersagbare Erreichung einer definierten Qualität, wobei die Gebrauchstauglichkeit als eine der zu betrachtenden Qualitäten die effektive, effiziente und zufriedenstellende Zielerreichung bei der Abarbeitung von Arbeitsaufgaben sicherstellen soll. Es ist fraglich, inwieweit diese Qualitätssicherung und die dafür notwendigen Prozesse in der Praxis bereits Einzug gehalten haben oder ob noch immer die „Software-Krise“ der letzten 20 Jahre anhält. Doch nun kommen immer weitere Entwicklungsfelder hinzu, bei denen nicht mehr eine klassische Arbeitsaufgabe im Mittelpunkt steht, sondern Unterhaltung oder Bildung die Einsatzziele der Systeme charakterisieren. Dort können die bekannten Modelle nicht mehr 1:1 umgesetzt werden, weil allein der Begriff der „Aufgabe“ und ihrer effektiven und effizienten Abarbeitung neu überdacht werden müssen. Im Gegensatz zu den grundsätzlichen Beiträgen [1], [2] und [4] soll in diesem Beitrag die praktische Kombination der verschiedenen Kompetenzen in Es ist erlaubt digitale und Kopien in Papierform des ganzen Papers oder Teilen davon für den persönlichen Gebrauch oder zur Verwendung in Lehrveranstaltungen zu erstellen. Der Verkauf oder gewerbliche Vertrieb ist untersagt. Rückfragen sind zu stellen an den Vorstand des GC-UPA e.V. (Postfach 80 06 46, 70506 Stuttgart). Proceedings of the 1st annual GC-UPA Track Stuttgart, September 2003 einem Entwicklungsprozess für e-Learning Module betrachtet werden. Die praktischen Erfahrungen stammen aus den BMBF-Projekten „Virtuelle Fachhochschule“ (VFH) und „Medien in der medizinischen Informatikausbildung“ (medin). 2. QUALITÄT IM E-LEARNING? Bei der Entwicklung von multimedialen Lehrinhalten („Modulen“) kommen neben den klassischen Qualitätsansprüchen an interaktive computerbasierte Systeme (Stabilität, Korrektheit, Gebrauchstauglichkeit, …) weitere Qualitätsfelder hinzu. Insbesondere die Pädagogik aber auch das ästhetische Design tragen zum Gesamterfolg eines solchen Moduls bei. In der Kombination wird dabei neuerdings vom Gesamterlebnis bzw. der „User Experience“ gesprochen, die es zu optimieren gilt. Diese enthält beispielsweise auch den Spaß bei der Nutzung „Joy of Use“ als Abgrenzung zur eher nüchternen Zielerreichung aus der ISO 9241-11. Dieser Beitrag kann dabei die Qualitätskriterien der verschiedenen Domänen nicht im Einzelnen darstellen, sondern nur einen praktischen Weg, diese im Rahmen einer gemeinsamen Entwicklungsrichtlinie und eines gemeinsamen Prozesses zu vereinen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang aber, dass die klassische Definition von Gebrauchstauglichkeit mit ihren Dimensionen Effektivität, Effizienz und Zufriedenstellung nun bezogen auf die Gesamtaufgabe Lernerfolg betrachtet werden müssen. Dabei sind bei Teilaufgaben, zum Beispiel dem Lösen einer Aufgabe durch die Lernenden, nicht immer die kürzesten Wege die optimalen. Im Gegenteil kann die bewusste Verlangsamung des Bedienablaufes einen didaktischen Hintergrund haben, der bezogen auf den Gesamtlernerfolg zu einer besseren Performanz des Nutzers führt. Aus Sicht der Usability müssen also auch gewohnte Herangehensweisen immer mit Blick auf übergeordnete didaktische Konzepte kritisch überprüft werden. Im Mittelpunkt steht die geschickte Umsetzung des Requirements-Engineerings im Rahmen der begrenzten verfügbaren Ressourcen. © 2003 German Chapter of the UPA e.V. 44 Usability Professionals 2003 Integration des Requirements-Engineering im Feld der multimedialen interaktiven Lehrmedien 2.1 Integration der verschiedenen Domänen In der Praxis der Großprojekte VFH und medin hat es sich bewährt, dass die verschiedenen Teilkompetenzen Technik, Didaktik, Design und Ergonomie aber auch zum Beispiel juristische Rahmenbedingungen in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe zu einem gemeinsamen Entwicklungsleitfaden (historisch begründet aber fälschlich als „Styleguide“ bezeichnet) finden. Als eine Hauptschwierigkeit stellten sich dabei die unterschiedlichen Begriffswelten der verschiedenen Bereiche heraus. Der so entstandene Styleguide [3] ist dabei in der Formulierung an die internationale Normung angelehnt und besteht aus „KANN“, „SOLL“ und „MUSS“-Forderungen. Dies war für den Bereich Technik und Ergonomie ein vertrautes Vorgehen, erforderte aber ein erhebliches Umdenken im Bereich der Pädagogik. Bemühungen auch das Design in diesem Leitfaden zu verankern, scheiterten an der politisch gewünschten Heterogenität des Projektes. Am Ende gelang es aber, dass zumindest die Anforderungen an eine pädagogische Planung auch in die Form solcher Regeln gebracht werden konnten, indem die Autoren der Module gezwungen werden, Konzepte und methodische Entscheidungen zumindest zu dokumentieren. Damit wird eine nach den Maßstäben der klassischen Qualitätssicherung nachvollziehbare und tragfähige Prozessdokumentation der einzelnen Module bestärkt, ohne dass ein zu strenges Korsett von Vorgaben über die Auswahl und die konkrete Ausgestaltung der Methoden die Autoren in ihrer Kreativität einengt. 2.2 Umsetzung eines Prozessmodells Bei der Kombination von Experten aus verschiedenen Domänen in einem Projekt mit mehr als 100 Entwicklern (VFH), hoher räumlicher und zeitlicher Verteilung und sehr heterogenen Entwicklungsteams, ist die Flexibilität der Prozessvorgaben von entscheidender Bedeutung, um nicht kleine Teams im Prozessoverhead zu ersticken, aber andererseits die rechtzeitige und ausreichend vorbereitete Kommunikation mit den jeweils zuständigen Kompetenzen sicherzustellen. Dazu wurde ein Prozessleitfaden erstellt, der Zeitpunkte definiert, zu denen Reviews initiiert werden müssen, die sich dann spezifischen Fragestellungen widmen. So ist am Anfang ein Review der didaktischen Methoden vorgesehen, wohingegen gebrauchstauglichkeitsbezogene Reviews erst nach erfolgreicher Begutachtung der didaktischen Modelle sinnvoll sind. Durch diese Entzerrung aber auch Hilfestellung wurde dem bis dahin in diesen Projekten auftretenden Problem begegnet, dass ein Großteil der Kommunikation aus dem Weiterleiten von Fragestellungen an die jeweiligen Experten bestand. Auf Seiten der Entwickler wiederum half dieser Leitfaden, die richtigen Fragen zu formulieren. Als Grundlage für das Prozessmodell diente die aus der klassischen Softwaren-Entwicklung bekannte ISO 13407, die einen iterativen, nutzerzentrierten Ansatz verfolgt. Dabei werden die Requirements konsequent auf den Nutzungskontext begründet und zu konkreteren Kriterien abgeleitet (siehe [2] für eine genaue Beschreibung). Dabei bildet die Entwicklung dieser Anforderungen den erfolgskritischen Anteil des Prozessmodells. 3. REQUIREMENTS-ENGINEERING Die Ableitung der Anforderungen an ein Produkt ist bereits bei klassischen Arbeitssystemen eine nichttriviale Aufgabe, deren Lösung sicher noch nicht abgeschlossen ist. Schon die Lücke zwischen den funktionalen Anforderungen aus dem Bereich des traditionellen Software-Engineering und den Gebrauchstauglichkeitsanforderungen der Usability scheint bis heute noch nicht überwunden zu sein. Im Falle eines so neuen Feldes wie des so genannten „e-Learning“ entstehen aber weitere, neue Unsicherheiten. Der Workflow, sofern es einen einheitlichen Workflow überhaupt gibt, während des Lernens auf der Lernerseite ist noch schwerer zu fassen als bei den Arbeitsaufgaben, die die Autoren der ISO9241 offenbar vorgesehen hatten. Dadurch entsteht zunächst eine Unterspezifikation, die eine seriöse Qualitätssicherung, zum Beispiel im Bereich Usability, fast unmöglich macht. Wie soll entschieden werden, ob etwas „aufgabenangemessen“ ist, wenn die optimale Lösung der Aufgabe mit den gebotenen Mitteln noch unklar ist. Erschwerend kommt hinzu, dass die Analyse der Lerneraktivitäten im Vorfeld in Ermangelung entsprechender Testobjekte schwierig war. Insbesondere der Nutzungskontext einer berufsbegleitenden und langfristigen Weiterbildung mittels eLearning Modulen war künstlich unter Laborbedingungen kaum nachstellbar. Deshalb wurde die Analysephase mit dem Test der ersten Prototypen zusammengelegt, wohl wissend, dass die Gestaltung der Prototypen bereits implizit deren Nutzung formte. Allein, es blieb gar keine andere Möglichkeit. So entstand eine pragmatische, iterative aber doch reduzierte Version eines Prozesses im Sinne der ISO 13407 [5] bei dem aber die Defizite einer eigentlich für die ersten Module zu späten Analyse bewusst in Kauf genommen wurden, um zumindest für deren Nachfolger eine bessere analytische Grundlage zu haben. 3.1 Meta-Requirements Zentrale Aufgabe bei der Erstellung und Dokumentation der Requirements aus den verschiedenen Domänen war die Qualitätssicherung dieser Requirements selbst. Es muss verhindert werden, dass widersprüchliche Anforderungen aus den verschiedenen Bereichen entstehen oder aber Requirements auf sehr unterschiedlicher Basis oder sehr unterschiedlicher Güte entstehen. Dazu wurden im Projekt Meta-Requirements aufgestellt, die die Mindestanforderungen an die eigentlichen Anforderungen definierten. 45 Hartwig, R. Die wichtigste Minimalforderung war, dass jede Anforderung sich zu einem prüfbaren Kriterium im Entwicklungsleitfaden konkretisieren lassen musste. D.h. eine allgemeine pädagogische Forderung nach selbstgesteuerten Lernmöglichkeiten konnte in konkretere technische und gebrauchstauglichkeitsrelevante Teilkriterien („Lernende müssen die Möglichkeit haben, frei innerhalb der Inhalte zu navigieren“) werden. Eine andere wichtige Anforderung aus der Praxis eines Produktionsprojektes war die Lesbarkeit und Kürze der aufgestellten Anforderungen an die Produkte. Die Erfahrung in diesem Projekt zeigte, dass den betroffenen Entwicklern und Autoren nur sehr wenig Zeit zur Aufnahme der Qualitätsforderungen im Allgemeinen und der Usability-Requirements im Besonderen zur Verfügung stand. Deshalb wurde bei der Entwicklung des Leitfadens darauf geachtet, dass die Gesamtzahl und der Umfang der Forderungen nicht wesentlich über 20 Seiten hinausgehen. Dadurch sollte die Einstiegshürde in die qualitätsrelevanten Richtlinien vereinfacht werden. Um dies zu erreichen, wurde vornehmlich nur solche Bereiche mit konkreten Regeln und Anforderungen beleuchtet, bei denen in den bisherigen Evaluationen tatsächlich auch Probleme aufgetreten waren. Dabei war auch die Entwicklung der Richtlinien einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess unterworfen, der über die gesamte Projektdauer lief. Entwickelt wurde die Richtlinie innerhalb einer speziellen Arbeitsgruppe, die mit Vertretern aus den verschiedenen Domänen (Technik, Didaktik, virtuelle Gruppenarbeit, Ergonomie) sowie Entwicklern, die diese Richtlinien dann umsetzen sollten, besetzt war. Durch diese enge Einbindung in den Entwicklungsprozess und die Entwicklerzentrierung bei der Richtlinienformulierung konnte die Akzeptanz der Richtlinie gesteigert werden. 3.2 Erhärtungsprüfung Das wichtigste Meta-Requirement bei der Erstellung der Richtlinie ist sicher die Validität der Requirements. Um diese sicherzustellen wurde auf eine aus dem DATech-Prüfbaustein Usability [1] entlehnte Form der „Erhärtungsprüfung“ zurückgegriffen. Dabei wurden die Forderungen und Kriterien vor der Aufnahme in die Entwicklungsrichtlinie daraufhin überprüft, welchen Einfluss ihre Nichteinhaltung auf die Effektivität, Effizienz und Zufriedenheit der Lernenden bezogen auf den Lernerfolg haben würde. Berührte eine Forderung vermutlich nicht diese drei aus der Usability bekannten Dimensionen, wurde es als vermutlich irrelevant verworfen bzw. die Relevanz bei der Auswertung der Benutzertests und der dabei stattfindenden Szenario-Erhebung besonders geprüft. 4. DATENHALTUNG Bei dem Versuch die oben beschriebene pragmatische Methodik konsequent anzuwenden, entstanden 46 Probleme mit der Gebrauchstauglichkeit der Werkzeugunterstützung für den beratenden Experten. Es entstanden umfangreiche Dokumente im Rahmen der Analyse, der Benutzertests, des Styleguides und der Reviews. Alle diese Dokumente standen zunächst unverbunden als Textdokumente nebeneinander. Aufgrund der langen Projektdauer wurde es zunehmend problematischer die implizite Vernetzung dieser Dokumente konsistent zu halten. Praktisch bedeutete dies, dass es nach einiger Zeit schwierig war, Requirements gegenüber Entwicklern zu rechtfertigen, da die Fundierung dieser Requirements in Beobachtungen aus den Benutzertests oder den Studienszenarien nicht gut zu dokumentieren waren. Verweise auf Textdokumente veralteten und wurden inkonsistent. Aus dieser Problematik heraus wurde ein ursprünglich zur Aufgabenanalyse entwickeltes webgestütztes Datenbank-System so erweitert, dass ein semantisches Netz mit den Prozessdaten über eine einfache Browserschnittstelle angelegt und gepflegt werden konnte. Da es sich bei den Zielprodukten ebenfalls um Web-Inhalte handelte, lag es nahe, diese ebenfalls in dieser Prozessdatenbank zu verwalten. So ist es dann möglich, dass Entwickler und unterstützende Fachexperten alle gemeinsam an einem Datenbestand arbeiten und ihre jeweiligen Anteile mit denen anderer Zuarbeiten vernetzen können. Eine genaue Beschreibung des Tools findet sich in [4] aber an dieser Stelle sei auf den Nutzen eines solchen Systems bei der Kommunikation der Richtlinien hingewiesen. Durch die Vernetzung der Richtlinien mit ihren Grundlagen und dem Herleitungsweg wird die Argumentation mit den Entwicklern erleichtert. Man kann nun nicht nur sehen, was gefordert wird, sondern das warum steht direkt dabei und kann bis zum Benutzertestprotokoll oder dem unterliegenden didaktischen Konzept zurückverfolgt werden. Diese kann durch die Experten indirekt nachgesehen und zusammengestellt oder von den Entwicklern direkt nachvollzogen werden. 5. ZUSAMMENFASSUNG Dieser Bericht kann die verschiedenen Aspekte des Requirements-Engineering in so einem neuen Feld nur kurz beleuchten und einige praktische Hinweise geben. Die wichtigsten „Best-Practices“ sind aus Sicht der Autoren: • Requirements aus verschiedenen Domänen anhand von gemeinsamen Meta-Requirements ausrichten und entwickeln. • Usability (Lesbarkeit, Verständlichkeit, Konstruktivität, Umfang) der Requirements und daraus abgeleiteter Richtlinien selbst prüfen. • Aus den Requirements abgeleitete Richtlinien in einem nutzerzentrierten Prozess analog der ISO 13407 entwickeln. Dabei sind die Entwickler die Nutzer! Usability Professionals 2003 Integration des Requirements-Engineering im Feld der multimedialen interaktiven Lehrmedien • Richtlinien und andere Qualitätssicherungsmaßnahmen als Hilfestellung und nicht als Reglementierung einbinden. • Das Überzeugen der Entwickler als wichtigen Aufgabenbestandteil verstehen und durch Beispiele und nachvollziehbare Herleitungswege für Vorschriften unterstützen. • Einbettung aller Prozessdokumente in ein ganzheitlicheres System, um Medienbrüche und vor allem „Prozessdokumentenfriedhöfe“ zu vermeiden. 6. REFERENCES [1] Dzida, W., Hofmann, B., Freitag, R., Redtenbacher, W., Baggen, R., Geis, T., Beimel, J., Hartwig, R., Hampe-Neteler, R., Peters, H. (2001): Gebrauchstauglichkeit von Software. ErgoNorm: Ein Verfahren zur Konformitätsprüfung von Software auf der Grundlage von DIN EN ISO 9241 Teile 10 und 11. Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Forschung Fb 921, Bremerhaven, Wirtschaftsverlag NW [2] Hartwig, R.; Triebe, J.K.; Herczeg, M. (2002): Software-ergonomische Evaluation im Kontext der Entwicklung multimedialer Lernmodule für die virtuelle Lehre. In Herczeg, M; Prinz, W.; Oberquelle, H. (Hrsg.): Mensch & Computer 2002: Vom interaktiven Werkzeug zu kooperativen Arbeits- und Lernwelten. Stuttgart: B.G. Teubner, 2002, S.313-322 [3] Hartwig, R.; Triebe, J.K.; Herczeg, M. (2002): Styleguide - Richtlinien zur Qualitätssicherung bei der Realisierung von Studienmodulen im Projekt VFH. Universität zu Lübeck - Institut für Multimediale und Interaktive Systeme; http://www.imis.uniluebeck.de/de/forschung/publikationen.html#2002 [4] Hartwig, R; Herczeg, M. (2003): XMendeL – Web-gestützte objektorientierte Datenhaltung in Usability-Engineering-Prozessen – Mensch und Computer 2003, Stuttgart, 2003 (to appear) [5] International Organization for Standardization (1999): ISO 13407 - Human-centred design processes for interactive systems. Berlin, Beuth Verlag [6] Rosson, M. B.; Carroll, J.M. (2002): Usability Engineering – Scenario based development of human-computer interaction, San Francisco, Morgan Kaufmann Pub. 47 Hartwig, R. Referent Dipl.-Inform. Ronald Hartwig ist seit 1999 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Multimediale und Interaktive Systeme der Universität zu Lübeck und parallel dazu als Usability-Berater (www.benutzerfreundlichkeit.de bzw. www.human-interface.de) tätig. Vorher war er in der allgemeinen ergonomischen Qualitätssicherung eines der größten deutschen Prüfhäuser tätig. Er arbeitet schwerpunktmäßig an der möglichst effizienten Einbringung von gebrauchstauglichkeitsteigernden Prozessbausteinen in Entwicklungsprozesse. Ziel ist dabei die Einbindung von bisher nicht ausreichend berücksichtigten Entwicklungskompetenzen (z.B. Design) und Qualitätskomponenten („Joy of Use“) in den Qualitätssicherungsprozess, um so eine ganzheitliche „User Experience“ gestalten zu helfen. Daneben hat Ronald Hartwig das Entwicklungsprojekt für das Prozessdatenmanagmentsystem „XMendeL“ geleitet. 48 Usability Professionals 2003 REQUIREMENTS-ANALYSE UND GUI DESIGN Friedrich Strauß sd&m AG Thomas-Dehler-Str. 27 81737 München strauss@sdm.de www.sdm.de ABSTRACT Die Anforderungsermittlung der Benutzerschnittstelle ist eng mit ihrem Design verbunden. In diesem Artikel erläutern wir, welches Vorgehen sich in der Praxis bei sd&m bewährt hat. Wir beschränken uns dabei auf zwei Aspekte: Weshalb ist Anforderungsermittlung und Spezifikation miteinander verschränkt und welche Techniken sind am effektivsten, um zu prüfen, ob ein eine Spezifikation und insb. das GUI-Design die Anforderungen erfüllt. Keywords User Boards, Paper Mockups, Spezifikation, Requirements-Analyse. Prototyp, 1. EINLEITUNG Eine Anforderungs-Analyse wird nicht dadurch besser, dass man alle Anforderungen detailliert dokumentiert. Dazu schildern wir in Abschnitt 2 ein Vorgehen, das ohne eine aufwändige Anforderungsdokumentation zu hochwertigen Spezifikationen führt. Die Aufgabenangemessenheit eines Systems gehört zu den wichtigsten Eigenschaften für ein gebrauchstaugliches System und hängt von den Funktionen des Systems wie von der Dialogoberfläche ab. In Abschnitt 3 erläutern wir, wie mittels MockupTechniken und Evaluationen einfach geprüft werden kann, ob das spezifizierte System die funktionalen und nichtfunktionalen Anforderungen erfüllt. Diese Erfahrungen beziehen sich auf betriebliche Informationssysteme, die als Individualsoftware von sd&m konzipiert und implementiert werden. Typischerweise sind die Projekte zwischen 5 und 50 Bearbeiterjahre groß. Es ist erlaubt digitale und Kopien in Papierform des ganzen Papers oder Teilen davon für den persönlichen Gebrauch oder zur Verwendung in Lehrveranstaltungen zu erstellen. Der Verkauf oder gewerbliche Vertrieb ist untersagt. Rückfragen sind zu stellen an den Vorstand des GC-UPA e.V. (Postfach 80 06 46, 70506 Stuttgart). Proceedings of the 1st annual GC-UPA Track Stuttgart, September 2003 2. REQUIREMENTS-ANALYSE Für die Anforderungsanalyse existieren mittlerweile viele Erhebungsmethoden und Dokumentationstechniken, die jedoch zumeist die Funktionalität im Fokus haben. Aber auch (Nichtfunktionale) Anforderungen an die Benutzerschnittstelle und das Design der Benutzerschnittstelle müssen in der Spezifikation berücksichtigt werden. Eine etablierte Requirementsdokumentation sind zum Beispiel die Volere Snowcards [4]. Hier werden Anforderungen einzeln als Snowcard mit Begründung, Messkriterium für die Umsetzung, Klassifikation und Anforderer beschrieben. Dies führt bei unseren Projektgrößen zu mehr als Hundert ggf. auch mehr als Tausend Anforderungen die dokumentiert und verwaltet werden müssen. Bei sd&m wird eine Anforderungsdokumentation a la Volere oder verwandte Verfahren nicht durchgeführt. Neben dem hohen Dokumentationsaufwand gibt es noch ein strukturelles Problem: Bei diesem Vorgehen können Anforderungskonflikte bei der Analyse nur schwer entdeckt werden, da die einzelnen Anforderungen unverbunden nebeneinander stehen. Viele fachliche Konflikte ergeben sich aber erst aus einer Kombination von mehreren Anforderungen. Statt einer vollständigen Anforderungs-Analyse als eigenständige Phase vor der Spezifikation, wird in der Regel die Anforderungs-Analyse mit der Spezifikationsphase verwoben. Am Anfang der Spezifikation – bei komplexen oder unklaren Themen ggf. in einer Vorab-Studie – steht die Festlegung einer kurzen Anforderungs-, Ausgrenzungs- und Prämissenliste (AAP-Liste) im Vordergrund. Diese AAP-Listen von typischerweise 3 mal 5-25 Punkten definieren vor allem den Umfang des Systems, als Basis für eine Beauftragung durch den Kunden. Die detaillierten Anforderungen werden implizit dokumentiert, indem die Spezifikation des Systems entsprechend erweitert wird. Dies hat zwei wichtige Vorteile: Zum einen werden inkonsistente Anforderungen viel früher und einfacher erkannt, da sie direkt in das entstehende Daten- GUI- oder Funktionsmodell integriert werden. © 2003 German Chapter of the UPA e.V. 49 Strauß, F. Abbildung 1 verdeutlicht die zeitliche Verschränkung von Anforderungsermittlung und Spezifikationsphase. Nach den AAPs werden zuerst die Anwendungsfälle identifiziert aber dann parallel zu Benutzerschnittstelle und Datenmodell spezifiziert und detailliert. Geschäftsprozessanalyse und -modellierung sind optionale Aktivitäten. Zu beachten ist, dass die Anforderungsanalyse nicht direkt mit der Erstellung des AAP-Dokuments endet. Zur Spezifikationstechnik von sd&m siehe auch [1,2]. Ergebnisse AAP-Papier P1 P2 N1 Anforderungsanalyse GeschäftsprozessAnalyse Fachkonzept Pro je ktgrun dlagen P1 Z en trale Zie le u .Ra hme nb ed ni gu ng en P2 Arc hitek turü be rblick A blä ufe un d Fun ktio nen F1 Ges chä ftspro ze sse F2 Anwe nd un gsfä le F3 Anwe nd un gs uf n ktion en Daten D1 Daten mo dell D2 Da ten typ env erz eichn is B enu tz erschn ittstelle B1 Dia logs pe zifik ation B2 Batch B3 Druc ka usg ab en S chnittstellen z u Alt-u nd Nachb arsyste men S1 Na chb ars yste m-Sc hn itts telle n S2 Daten migra tio n a us Alts yste men S3 Einfü hru ng / Mig ratio n Erg änze nde B au ste in e E1 Les ea nleitun g E2 Glos sar n e g n ru e rd fo n A l a nte e n f tio hasc n k n u igeE tfch i ale N ioktn nfu th 1 ic N N e t p ze n o tsk it n ch rse u Q 2N GeschäftsprozessSpezifikation AnwendungsfallSpezifikation DatenmodellSpezifikation DialogSpezifikation Zeit Abbildung 1: Zeitlicher Aufriss in der Spezifikation. 3. ANFORDERUNGEN AN DIE DIALOGOBERFLÄCHE Wir haben oben beschrieben, dass das explizite Dokumentieren von detaillierten Anforderungen aufwändig ist. Konkrete Anforderungen an Dialogoberflächen sind besonders kompliziert zu dokumentieren: Eine Anforderung zu beschreiben ohne eine Lösung vorwegzunehmen, führt schnell zu sehr abstrakten oder zu umständlich Texten. UseSzenarien sind vielleicht noch die praktikabelste Technik um vor allem Anforderungen an zu unterstützende Abläufe zu formulieren. Gerade für Dialogoberflächen gibt es sehr effiziente Methoden, um statt einer expliziten Anforderungsermittlung direkt ein GUI-Design zu erstellen bzw. abzuändern sowie das erstellte Design zu evaluieren. Für die Designerstellung bieten sich Paper-Mockups für den Ablauf und das Grob-Design an, sowie GUIPrototypen für die Detailphase der Spezifikation. Beim Durchspielen eines Anwendungsfalls anhand eines Mockups oder Prototypen prüft man, ob das Design die kritischen Anwendungsfälle geeignet unterstützt. Benutzer des späteren Systems können erheblich einfacher Probleme eines GUI-Designs identifizieren als Anforderungen benennen. Im folgenden erläutern wir, wie sd&m diese Methoden beim Erstellen der (GUI-) Spezifikation einsetzt und welche Vorteile und Nachteile sie besitzen. 3.1 Paper-Mockups Schwerpunkt bei den Paper-Mockups ist das GrobDesign inkl. Ablauflogik, d.h. wie verteilt sich die Bearbeitung auf einzelne Fenster bzw. Karteikarten 50 und wie verhält sich der Dialog. Durch die Nutzung von Papier, Ausdrucken, Post-Ist, Schere usw. wird ein Dialog viel schneller änderbar als mit DVUnterstützung. Eine gute Einführung zu MockupTechniken bietet [5]. Echte Paper-Mockups werden dabei in manchen Projekten nicht zusammen mit dem Fachbereich, sondern nur intern im Team erstellt. Dies hat den Vorteil, dass Design-Ideen in Ruhe ausprobiert und umgesetzt werden können; die Fachbereichsmitarbeiter des Kunden prüfen, ob das neue Design geeigneter ist. Hierzu setzen wir häufig User-Boards ein, die jedoch abhängig vom Kunden unterschiedlich durchgeführt werden (siehe unten). Paper-Mockups werden bei sd&m für GUIs erst in letzter Zeit häufiger eingesetzt. Das Haupthindernis ist die scheinbar einfache Nutzung von GUIBuildern. Ohne weitere Ergonomie-Kenntnisse greifen viele Mitarbeiter gerne schon am Anfang zu einem GUI-Builder, um schnell optisch ansprechende Oberflächen zu entwerfen. Mittlerweile wird aber die Paper-Mockup-Technik in den sd&m-internen Schools GUI-Gestaltung und Spezifikation geschult (seit 3 bzw. 2 Jahren). Ein einmaliges Ausprobieren in einer Schulung reicht bei vielen Kollegen schon aus, um es dann später auch in echten Projekten einzusetzen. Wichtigster Vorteil ist neben der einfachen Änderbarkeit der klare Low-Fidelity Ansatz: Ablenkende Diskussionen um Farben, Ausrichtung von Widgets Beschriftungen, fehlende Elemente wie Statuszeilen, Menüs usw. werden so gut wie nie geführt: Den Kundenmitarbeitern ist klar, dass dies noch nicht das endgültige Design ist. Dieser Vorteil bleibt erhalten, wenn man beim Feindesign nicht zu einem echten GUI-Builder, sondern zu MalWerkzeugen wie Powerpoint wechselt. 3.2 GUI-Prototypen Keine Spezifikation kommt ohne GUI-Prototypen aus. Ein GUI-Prototyp umfasst zumindest die statische Präsentation einzelner Fenster, er kann ggf. auch funktionale Ausschnitte umsetzen und vereinfachte Datenbanktabellen enthalten (zum Beispiel mit Microsoft Access programmiert). In diesem Sinne sind die oben beschriebenen PaperMockups genauso GUI-Prototypen, wie Visual-Basic Entwürfe oder die Programmierung der Oberfläche in der Zielplattform. Fast alle Informationssysteme sind sehr datenlastig: Das Dialog-Design ist hier immer auch ein Kampf um das Layout, wobei viele Daten gleichzeitig darzustellen sind und man trotzdem eine strukturierte, übersichtliche Oberfläche mit geeigneten Widgets definieren möchte. Mit einem Paper-Mockup (bzw. einem Malwerkzeug) kann man nicht sinnvoll entscheiden, ob noch drei weitere Felder auf eine Karteikarte passen oder nicht. Ist das (erste) Grobdesign fertig, dann lohnt bei solchen Fragestellungen der Wechsel zu einem GUI-Builder. Usability Professionals 2003 Requirements-Analyse und GUI Design Sind doch noch Änderungen am Grobdesign nötig, sollte man ruhig zur Papier-Mockup Technik zurückwechseln – unter Nutzung von zurechtgeschnittenen Ausdrucken! Problematisch ist der Bau von Oberflächenprototypen mit GUI-Buildern und insb. Access, weil es dazu verleitet Funktionalität einzubauen. Bei Nutzung von Access werden gerne Tabellen angelegt und mit Testdaten gefüllt, sowie elementare Funktionen in Basic programmiert. Der Aufwand dieser Prototypprogrammierung – die über die Erstellung statischer Präsentationen hinausgeht – zahlt sich häufig nicht aus. Da das System sehr datenlastig ist und sich die Anforderungen in der Spezifikation doch noch häufig ändern, erreicht der Prototyp selten eine ausreichende Qualität, um ernsthafte Fragestellungen zu beantworten. Hier sind ein oder zwei zusätzliche User-Board WKS effektiver, außerdem wird die Konzentration auf die Spezifikation so auch besser sichergestellt – beim Prototyp-Programmieren aber ohne ein paar schöne Schnörkel auszukommen, fällt wahrscheinlich nicht nur sd&m-Mitarbeitern schwer. Auch das von Projektleitern manchmal anvisierte Sparziel, den Prototyp-Code aus der Spezifikation in der Programmierung weiterverwenden zu können, wird selten erreicht, da doch viele Korrekturen und ggf. Redesigns nötig sind. Sinnvoll ist ein funktionaler Prototyp, um neue Konzepte exemplarisch vorzuführen. Die Nutzung von dynamischen Fensterbereichen und Split-Panes versteht ein Sachbearbeiter am einfachsten am Beispiel. Statt eines GUI-Builders wird manchmal auch Visio oder auch Powerpoint für das Design der Oberfläche genutzt. Hier ist die Bedienung noch einfacher, die Konzentration auf das Wesentliche fällt wegen der Low-Fidelity Technik einfach. Zudem sind die Grafiken leider bequem skalierbar, was zu einer gefährlichen Situation führen kann: Erst die spätere Programmierung mit Standardcontrols zeigt, ob man alle Widgets in der Standardgröße unterbringen kann. Nicht immer findet sich eine so einfach Lösung wie in einem ernsten Problemfall im Bankbereich: statt eines aufwändigen Redesigns, wurden die 25 Benutzer mit extra großen Monitoren ausgestattet. 3.3 User-Boards User-Boards sind bei uns Workshops mit 1-6 Benutzern des späteren Systems. In diesen Workshops werden Dialogentwürfe auf gute Bedienbarkeit und Vollständigkeit bzgl. der nötigen (GUI-) Funktionalität evaluiert. Außerdem nehmen 2-4 Personen des Projektteams (inkl. Kunden-IT) teil, ein Ergonomie-Experte wird nur in kritischen Projekten hinzugezogen. Die Ausgestaltung der Workshops ist in Abhängigkeit von Kunde und Projekt sehr unterschiedlich. Zwei wichtige Kernelemente gibt es aber immer: Die Dialogentwürfe werden auf großen Papierausdrucken (teilweise größer als DIN A0) oder auf Overhead-Folie mitgebracht. Zu einem Teilbereich werden jeweils von den Benutzern praktische Anwendungsfälle genannt (oder vorbereitet mitgebracht). Die Bearbeitung wird dann mit den Dialogentwürfen anhand konkreter Daten durchgespielt. Dabei werden bei Papierausdrucken gerne Post-Its zum Beschreiben genutzt. Dagegen war das Durchspielen eines Prototyps am Beamer häufig weniger effektiv. Anscheinend hilft der Einsatz von Low-Fidelity Techniken, um sich auf die wichtigen Aspekte zu konzentrieren. Das konkrete Durchspielen zusammen mit dem Fachbereich ist eine der effektivsten Maßnahmen. Dadurch können wir überflüssige Funktionen finden, inkonsistente oder unvollständige Abläufe entdecken und Hinweise zu anderen Bereichen der Spezifikation wie dem Datenmodell oder auch zu Geschäftsprozessen erhalten. Die durchgespielten Beispielanwendungsfälle (Use Szenarien) haben wir manchmal explizit dokumentiert, sind damit aber wenig glücklich geworden. Im Nachhinein stellte sich häufig raus, dass die Dokumentation nach der Erstellung nicht weiter genutzt wurde. Die richtige Granularität der Beschreibung zu finden, ist eine der Herausforderungen. In den Workshops einigte man sich in der Regel schnell auf bestimmte interessante fachliche Konstellationen und für das Spezifikationsteam reichte in der Regel die Dokumentation der Datenkonstellation oder ggf. die nötige Bearbeitungsreihenfolge. Diese User-Boards sind in der wissenschaftlichen Literatur als Review- bzw. Evaluationstechniken mit unterschiedlichen Schwerpunkten unter vielen Namen bekannt. Cognitive-Walkthrough ist die gängige Bezeichnung bei der Evaluation durch einen einzelnen Benutzer. Unser Vorgehen entspricht meistens dem simplified Thinking aloud wie es zum Beispiel im Discount Usability Engineering Approach von J. Nielsen [3] beschrieben ist. 4. EIN BEISPIELPROJEKT In einem Projekt im Automotive Bereich haben wir das Stammdaten-System für die Plausibilisierung von PKW-Aufträgen inklusive der bestellten Sonderausstattungen konzipiert. Die Baubarkeit für die ca. 200 verschiedenen PKW-Typen und der weit mehr als 700 möglichen Sonderausstattungen wird durch komplexe Regeln definiert: ein Navigationssystem kann zum Beispiel nur zusammen mit einem Radio für die Anzeige bestellt werden, verhindert aber gleichzeitig den Einbau eines CD-Wechslers bei PKWs mit Klima-Anlage (aus Platzproblemen) … . In einem Fachgrobkonzept wurde die Such- und Pflegeoberfläche für die Regeln konzipiert. Eine wichtige Anforderung war, möglichst wenige Fenster 51 Strauß, F. zu verwenden. In einem ersten Design wurde daher in einem Top-Down Ansatz versucht, die Fensterzahl durch Nutzung von Treeviews und Karteikarten einzudämmen und trotzdem die hierarchische Struktur der Daten sichtbar zu machen sowie flexible Zugriffsmöglichkeiten auf das komplexe Datengeflecht zu ermöglichen. Erst bei der Verfeinerung des Fachkonzepts wurden insgesamt sieben anderthalbtägige User-Board Workshops durchgeführt. Beim Durchspielen von Use-Szenarien, die vom Fachbereich genannt wurden, konnten relativ schnell Anforderungen an die gleichzeitige Anzeige von Suche, Ergebnisliste und ggf. auch des Bearbeitungspanels entdeckt werden. Zudem stellte sich raus, dass die übergeordnete und bekannte Struktur der Daten in Codes, Gültigkeiten, Kontexte usw. nicht kompakt visualisiert werden muss. Hier wurde ein dynamisches Layout eingeführt, bei dem Suche, Ergebnisliste und Bearbeitung in einem Fenster in drei horizontale Split-Panels gemeinsam dargestellt werden. Jedes Panel kann ausgeblendet werden, so dass ggf. die Ergebnisliste oder die Bearbeitung auch das gesamte Fenster einnehmen können. Neben dieser Änderung des Grobdesigns erwies sich das konkrete Durchsprechen aller Dialoge in den WKS auch als die geeignete Form, um die Anforderungen an Suchmöglichkeiten , Ergebnislisten usw. zu ermitteln und abzustimmen, und um einige überflüssige (weil nicht der Arbeitsweise entsprechend) Suchund Bearbeitungsfunktionen wieder aus der Spezifikation zu entfernen. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Tatsache, dass das endgültige Design einen guten ergonomischen Qualitätsstandard hat, obwohl kein Usability-Spezialist dabei war. Es war ausreichend, das im Team Mitarbeiter die Mockup-Technik (vor allem intern genutzt) und die User-Boards zum Analysieren eines Designs kannten und angewendet haben. 5. ZUSAMMENFASSUNG Ausgrenzungen und Prämissen AAPs für den Systemumfang zusammen mit einer Spezifikation sinnvoller ist als eine eigenständige AnforderungsAnalyse und - dokumentation. Vor allem mit Hinblick auf ein aufgabenangemessenes System ist es wichtig, dass die funktionale Spezifikation und das GUI-Design über User-Boards zusammen gebracht werden und direkt durch Kunde und Spezifikationsteam evaluiert werden. Dies ist mit Mockups bzw. GUI-Prototypen und User-Boards einfach möglich. Bei Designkonflikten oder sich widersprechenden Anforderungen kann hier auch sinnvoll entschieden werden, ob das Design einen akzeptablen Kompromiss darstellt. Diese Methoden können von einem Spezifikationsteam einfach erlernt werden und dann auch ohne Usability-Experten durchgeführt werden. Leider ist die Informatik Ausbildung derzeit in Deutschland meist noch nicht mal in der Lage, diese Methoden zu erwähnen, geschweige denn zu einzuüben. 6. REFERENCES [1] Kretschmer, D., Krug, W., Stutz, C. Siedersleben, J.: Analysis beyond UML. In Proceedings of the RE'02: IEEE Joint International Requirements Engineering Conference 2002, S. 215. [2] Krug, W., Siedersleben, J: Bausteine zur Spezifikation. In Siedersleben J. (Hrsg.), Softwaretechnik, Hanser (2002). [3] Nielsen, J., Guerrilla HCI: Using Discount Usability Engineering to Penetrate the Intimidation Barrier. In Bias, R. G., Mayhew, D. J., Cost-Justifying Usability. Academic Press (1994). [4] Robertson, J. und S.: Mastering the Requirements Process. London: AddisonWesley (1999). [5] Snyder, C.: Paper Prototyping. Morgan Kaufmann (2003). Wir haben erläutert, warum eine Mischung aus Anforderungsdokumentation durch Anforderungen, 52 Usability Professionals 2003 Requirements-Analyse und GUI Design Referent Dr. Friedrich Strauß, arbeitet seit 1995 bei sd&m in Projekten als Programmierer, Spezifikateur, Chef-Designer und Projektleiter über alle Phasen. Nebenbei unterstützt er bei sd&m das Wissensmanagement zur Ergonomie und ist Referent bei internen Schulungen zum Design graphischer Oberflächen und zur Spezifikationsmethodik. Als stellvertretender Sprecher der GI-Fachgruppe Software-Ergonomie will er darauf hinwirken, dass die in der Praxis wichtige Verbindung zwischen Software-Engineering und Software-Ergonomie auch Eingang in die Informatik-Ausbildung findet. 53 SPRACHE UND MULTIMODALITÄT PRAXISBERICHT ZUR GESTALTUNG AUDITIVER BENUTZUNGSOBERFLÄCHEN Palle Klante Kuratorium OFFIS e.V. Escherweg 2 26131 Oldenburg klante@offis.de http://www.offis.de ABSTRACT Der Bericht gibt einen Einblick in die praktischen Probleme, die bei der theoriegeleiteten Gestaltung von auditiven Benutzungsoberflächen auftreten. Auf Grundlage mehrerer Projekte zur Entwicklung von auditiven Benutzungsoberflächen ist eine verallgemeinerte Vorgehensweise entstanden, die in anderen Projekten als Handlungsrahmen eingesetzt werden kann. Wichtiges Prinzip bei der Vorgehensweise ist die strikte Trennung von Dialogstruktur, Entwicklung von Interaktionsobjekten und dem Sounddesign. Keywords Auditory User Interface, Hearcon, Multimodal Interaction, Usability Engineering, Sounddesign • Intensitätsunterschiede, die normalerweise für die Entfernungsschätzung genutzt werden, bekommen plötzlich eine andere Bedeutung. • Grosse Anzahl Geräusche. • Ständige Konzentration auf die Soundausgabe. • Lokalisation der Geräusche an der exakten Position durch zielgerichtetes Vorgehen. • Differenzierung mehrerer Soundquellen und korrekte Zuordnung von Soundquelle und Position. • Interaktion mit einem Objekt, welches nicht real (für den Benutzer kein greifbarer Gegenstand) vorhanden ist. • Permanentes Erklingen der Geräusche, die nur durch Interaktion leiser werden oder verschwinden. • Erkennung der Interaktionsmöglichkeiten mit einem Objekt und Identifizierung der Funktionalität. • Trennung der Geräusche aus dem realen Umfeld und der virtuellen Welt. 1. EINLEITUNG Zur Einführung in die Problematik eine kurze Beschreibung eines typischen Szenarios: Erklärt man potentiellen Benutzern vor einer Evaluation die Versuchsdurchführung und den Gegenstand der Evaluation, kommen die Probanden zunächst zu dem Schluss: „Dies macht bestimmt keine Schwierigkeiten. Ich kann gut hören und außerdem benutze ich meine Ohren ja den ganzen Tag.“ Die anschließende Versuchsauswertung macht deutlich, dass insbesondere bei Untersuchungen mit räumlich angeordneten Soundquellen eine Reihe von Problemen auftreten: • Identifizierung künstlich erzeugter Sounds, die nicht aus der eigenen und bekannten Erfahrungswelt stammen. • Erlernen dieser Geräusche. vollkommen fremden Es ist erlaubt digitale und Kopien in Papierform des ganzen Papers oder Teilen davon für den persönlichen Gebrauch oder zur Verwendung in Lehrveranstaltungen zu erstellen. Der Verkauf oder gewerbliche Vertrieb ist untersagt. Rückfragen sind zu stellen an den Vorstand des GC-UPA e.V. (Postfach 80 06 46, 70506 Stuttgart). Proceedings of the 1st annual GC-UPA Track Stuttgart, September 2003 © 2003 German Chapter of the UPA e.V. gleichzeitig erklingender Der gewünschte Grad an Realismus ist nur schwer zu erreichen und die tatsächliche auditive Ausgabe weicht von der theoretisch möglichen Ausgabe ab. Die Probleme betreffen nicht nur die potentiellen Benutzer, sondern auch die Gestalter des interdisziplinären Designerteams der auditiven Benutzungsoberflächen. Sie treten schon während des Entwicklungsprozesses auf und müssen dort berücksichtigt werden. Darüber hinaus liegen die Schwierigkeiten während der Entwicklung noch an anderen Stellen: • Zeitabhängigkeit des Mediums. • Ein „Screenshot“ spiegelt den Systemzustand nicht wider. • Minimale Auflösung einer auditiven Benutzungsoberfläche und mangelnde Darstellungspräzision. • Ungenügende Vorstellungskraft, wie sich die tatsächliche auditive Ausgabe zu einer 57 Klante, P. grafischen Darstellung anhört. • Interdependenzen zwischen den einzelnen Geräuschen, die zu falschen Informationsdarstellungen führen können. • Komposition der Geräusche und Interaktionsmöglichkeiten müssen gekoppelt werden und sind frühzeitig zu klären. • Wenig vorhandenes Basiswissen und Erfahrungen auf das Designentscheidungen gelegt werden kann. • Kommunikationsproblem, da nicht auf einzelne Objekte in einer Ausgabe gezeigt werden kann. Die genannten Probleme haben ihren Ursprung in der auditiven Informationspräsentation und unterscheiden sich deutlich von der Gestaltung und dem Vorgang der Gestaltung von grafischen Benutzungsoberflächen. 2. AUDITIVE BENUTZUNGSOBERFLÄCHEN Obwohl Akustik als Medium zur Kommunikation und Darstellung von Sachverhalten in unserer Umwelt verwendet wird, hat es relativ spät Einzug zur Bedienung von Rechnern erhalten. Es dient dort nur zur redundanten Darstellung primär grafisch präsentierter Informationen oder zur Ausgabe von Warnungen und ist damit eher negativ vorbelastet. Zur Einordnung der hier beschriebenen auditiven Benutzungsoberflächen eine kurze Kategorisierung: Im Wesentlichen kann die Unterscheidung zwischen einer Sprachausgabe, bei der die Ausgabe von Informationen über einen Sprachdialog erfolgt und einer nicht-sprachlichen Ausgabe erfolgen. Die Sprachausgabe ist ein serielles Medium, welches nur langsam und schrittweise Informationen ausgibt und eine Exploration des Datenbestandes nur schwer zulässt. Nichtsprachliche Ausgaben sind hingegen von Parallelität geprägt. Sie können gleichzeitig mehrere Objekte darstellen und geben einen Überblick. Gegenstand dieser Arbeit sind die nichtsprachlichen Benutzungsoberflächen, die sich dem Benutzer über Töne, Klänge, Musik oder Geräusche präsentieren. Vorreiter auf konzeptioneller Ebene sind die Arbeiten von Blattner [1] zu Earcons, wo einfache Töne genutzt werden, die zu Klängen erweitert werden, um Objekte und Hierarchien darzustellen. Eine Kombination von verschiedenen Tönen kann eine bestimmte Position in einer Hierarchie angeben oder verdeutlichen, welche Funktionalität auf ein Objekt angewendet werden kann. Dieses Konzept ist für eine große Menge an Informationen gut geeignet, hat jedoch Schwächen bei der Erlernbarkeit der Bedeutung der verwendeten Klänge. Hingegen haben die Auditory Icons von Gaver [2] als Grundidee, die Verwendung von assoziativen Geräuschen, die in der natürlichen Umwelt (Everyday Listening) existieren und bei 58 denen der Benutzer beim Hören des Geräusches sofort eine Vorstellung von dem zugehörigen Objekt bekommt. Diese Codierung ist leicht zu erlernen, hat aber auch Nachteile: Nicht für alle Objekte existieren entsprechende Geräusche und sie werden als unangenehm wahrgenommen, wenn man sie dauerhaft hört. Die Lösung zur Wahl geeigneter Sounds liegt in der geschickten Kombination dieser beiden Soundkonzepte. 2.1 Hearcons Wie der angegebenen Literatur zu entnehmen ist, sind entsprechende Konzepte zum Sounddesign relativ alt, was nicht zuletzt auch auf die zur Verfügung stehende Soundhardware zurückzuführen war. Diese Situation hat sich durch die Verbreitung adäquater Soundhardware, die stereophonische Soundausgaben ermöglichen, geändert. Es stehen somit mittlerweile innovative auditive Interaktionsmöglichkeiten zur Benutzung von Rechnern zur Verfügung. Entscheidendes Attribut ist die Dreidimensionalität. Objekte können in einem virtuellen akustischen Interaktionsraum positioniert werden. Diese Phantomgeräusche werden Hearcons [3] genannt und sind permanent klingende Objekte mit • einem spezifischen Geräusch, • einer bestimmten Schallintensität, • einer Position im Raum und • einer Interaktionsfläche. Hearcons sind die kleinste Komponente in einer auditiven Benutzungsoberfläche und alle Interaktions- und Informationsobjekte werden aus ihnen entwickelt. Diese Objekte bestehen dabei unter Umständen aus mehr als einem Hearcon. Die Umsetzung der Codierungsattribute wird im Folgenden genauer beschrieben und an zwei Szenarien erklärt. 2.2 Anwendungsbeispiele Zwei kurze Beispiele erläutern die Einsatzmöglichkeiten für auditive Benutzungsoberflächen: Im Projekt „Zugang zum Internet für Blinde“ [4] wurde ein auditiver Webbrowser (AirClient) für blinde Rechnerbenutzer entwickelt. Ziel war die Abbildung des Layouts einer Webbseite unter Beibehaltung der Topologie und Topographie in einem auditiven Interaktionsraum. Dazu wird die in einem grafischen Browser gerenderte Darstellung einer Webseite mit ihren Objekten ausgelesen und auf eine virtuelle auditive Wand vor dem Benutzer im auditiven Interaktionsraum übertragen. Unterschiedliche Kategorien von Typen wurden bestimmt und jedem Typ ein Hearcon zugeordnet. Der blinde Benutzer kann nun mit einem Eingabegerät die Webseite auditiv explorieren, wobei die sog. Fackelmetapher angewendet wird. Die Umsetzung eines mobilen auditiven MP3Players [5] verfolgt die Darstellung von Usability Professionals 2003 Praxisbericht zur Gestaltung auditiver Benutzungsoberflächen Hierarchiestrukturen, wie sie von typischen Menüs bekannt sind. Tragbare MP3-Player werden immer kleiner, wobei Grenzen hinsichtlich der Benutzbarkeit existieren. Häufig wird auf ein Display verzichtet, um den Formfaktor zu minimieren, wodurch als Nebeneffekt das System ohne Feedback-Mechanismen bedient werden muss. Dies widerspricht jedoch der Tendenz eine immer größere Titelauswahl anzubieten und dem Wunsch mehr Funktionalität in das System zu integrieren. Die Lösung ist eine auditive Steuerung, besonders weil die technischen Rahmenbedingungen schon existieren und akustische Inhalte verwendet werden. 3. GESTALTUNGSPROZESS Die Lösung der oben angegebenen Probleme kann durch ein strukturiertes zielgerichtetes Vorgehen erreicht werden, indem die Designkomplexität minimiert wird. Entscheidend ist die frühzeitige Identifizierung und Eliminierung der vielfältigen Abhängigkeiten, um so eine geeignete Grundlage für die Gestaltung zu schaffen. Als Grundlage des Auditory Usability Engineering Process dient eine weiterentwickelte Form von Mayhew [6] und des ISO Human-Centred Design Processes for Interactive Systems [7]. Dies sieht einen iterativen, sowohl vertikal, als auch horizontal mehrschichtigen Prozess vor. Auf die schnelle und kostengünstige Entwicklung von Prototypen und deren Evaluation ist aufgrund der Lücken in den Designprinzipien dringend zu achten. Abbildung 1: Entwicklungsphasen sind vertikal und horizontal getrennt In der Anforderungsanalyse werden erste Unterschiede deutlich. Es sind die Benutzercharakteristika (z.B. Hörvermögen des Benutzers), der Kontext der Bearbeitung (z.B. arbeitet der Benutzer allein oder ist er auf die Kommunikation mit anderen angewiesen), die Umgebung (z.B. befindet er sich in einem lauten Umfeld) sowie die Eigenschaften des zur Verfügung stehenden Systems (z.B. vorhandene technische Ausstattung, Kopfhörer) die entscheidenden Aspekte. Die Analyse der zu bearbeitenden Aufgaben unterscheidet sich hingegen nicht von der Vorgehensweise bei anderen interaktiven Systemen. Das Hinzuziehen von Design-Prinzipien und Grundsätzen ist problematisch, da sie für die Interaktion in auditiven Be- nutzungsoberflächen noch nicht ausreichend existieren. Erste verstreute Ansätze sind gemacht, aber es bedarf einer tieferen Auseinandersetzung mit der Materie um die wichtigsten Regeln aufzunehmen. Hier wird noch im Einzelfall entschieden und nicht regelbasiert die Suche auf einen bestimmten Aspekt gelenkt. Im Vorfeld eines Projekts sollten Designrichtlinien erstellt werden, welche weniger detailliert sind. Sie sollten nur die wichtigsten Designphilosophien festhalten (etwa Art der Interaktion oder zu verwendende Metapher). Das iterative Entwerfen, Testen und Entwickeln gliedert sich bei Mayhew in drei Ebenen, in denen der Detaillierungsgrad stetig zunimmt. In dieser Phase hat es sich für die Entwicklung von auditiven Benutzungsoberflächen bewährt, eine Trennung vorzunehmen (vgl. Abb.1): Es gibt weiterhin in der Vertikalen die drei Phasen Design, Prototyping und Evaluation mit der Überprüfung, ob die Designrichtlinien eingehalten worden sind. In der Horizontalen findet eine Aufteilung zwischen dem dialogbezogenen, dem objektbezogenen und dem geräuschbezogenen Teil der Benutzungsoberfläche statt. Die Trennung ist notwendig, da die Interaktionsobjekte noch nicht vollständig entwickelt sind und für jedes Projekt neu adaptiert werden müssen. Sie können somit unabhängig von der Dialogstruktur ausgetauscht und einzeln entwickelt werden. 3.1 Designphase Ziel ist die schnelle Integration der Interaktionsobjekte in die Dialogstruktur, um die Entwicklung des Systems in mehreren Teams zu ermöglichen. Die einzelnen Komponenten (vgl. Abb.2): Dialogstruktur, Interaktionsobjekte und Sounddesign können unabhängig voneinander evaluiert werden und für die Erstellung von MockUps oder Prototypen jederzeit zusammengefügt werden. Für diesen Schritt sollte ein Entwicklungstool wie VisualAID [8] verwendet werden, mit dem die am Prozess beteiligten Personen (Entwickler, Psychologe, Musiker, Komponist, Physiker, Interface Designer, Interaktionsspezialist) gemeinsam die Oberfläche erarbeiten können. 3.1.1 Dialogdesign Die Entwicklung der Dialogstruktur ist das federführende Element im Entwicklungsprozess. Sie orientiert sich am Storyboard und dem Szenenkonzept. Aus der Aufgabenanalyse heraus werden Hauptaufgaben identifiziert, die zu Teilaufgaben verfeinert werden. Diese Teilaufgaben werden in einem Storyboard exakt beschrieben und dabei ihr Zusammenspiel überprüft. Anschließend wird das Storyboard in einen Szenenbaum überführt. Szenen spiegeln entscheidend die Haupteigenschaft von Akustik durch ihre Dynamik wieder und unterstützen somit den zeitlichen Charakter der Akustik. Der Zustand der Benutzungsoberfläche verändert sich ständig. In ersten Versuchen wurde die Dialogstruktur noch mit Hilfe von Papierskizzen 59 Klante, P. entworfen, was bei häufigen Änderungen sehr mühsam ist. Zudem wird die Dynamik des Mediums dort nicht entsprechend dargestellt. Abbildung 2: Designebenen und Ergebnisdokumente Als Konzept wird die von Shneiderman postulierte Aufteilung von Informationen zur Visualisierung von grossen Datenmengen (Visual Information Seeking Mantra) [9] genutzt: Die Benutzungsoberfläche ermöglicht zunächst dem Benutzer sich einen Überblick über die angebotenen Objekte zu verschaffen. Anschließend wird automatisiert oder vom Benutzer eine Auswahl getroffen, die den darzustellenden oder interessanten Bereich weiter minimiert. Hierzu können Filter, Hierarchieinformationen oder Zooms genutzt werden. Schließlich kann ein Objekt ausgewählt werden und der Benutzer bekommt auf Anfrage weitere Informationen. 3.1.2 Objektdesign Die Gestaltung der Interaktionsobjekte beschreibt auch die Ausgestaltung der vorher in der Dialogstruktur festgelegten Szenen. Für jede Szene (als eigenständiges Interaktionsobjekt) werden die äußeren Rahmenbedingungen beschrieben, etwa die akustischen Eigenschaften des zu verwendenden virtuellen Raumes. Der Benutzer interagiert nur mit den Interaktionsobjekten innerhalb einer Szene. Sie ermöglichen es Verarbeitungen anzustoßen oder eine Szene zu verlassen. Es sollte dabei versucht werden mögliche Standardaufgaben zu finden, um für die Wiederverwendbarkeit der Interaktionsobjekte zu sorgen. Im Beispiel des AirClients ist dies etwa die Darstellung der Layoutstruktur in einer Szene. Der Benutzer bekommt Inhalts- und Navigationsbereiche angeboten, mit denen er interagieren kann. Im AirClient können diese Bereiche mit einem Zeigegerät selektiert werden und weitere Informationen dazu mit einer Sprachinteraktion abgefragt werden. Der Bereich kann aber auch aktiviert werden und die darin befindlichen Objekte werden präsentiert. Da sich die Form der Interaktion innerhalb eines ausgewählten Bereiches (die Objekte sind in einer Hierarchie strukturiert) von der Interaktion in der Hierarchiestufe darüber unter- 60 scheidet, wird eine neue Szene initiiert und der Inhalt darin angeboten. Beim MP3-Player befindet sich das Hauptmenü in einer Szene. Dieses stellt mehrere Untermenüpunkte dar, die Funktionen des MP3Players steuern. Der Benutzer kann über seine Cursortasten ein Untermenüpunkt auswählen, etwa zur Erzeugung von Playlisten oder zum Starten einer vorhandenen Playliste. Die Auswahl von Untermenüpunkten findet entsprechend in der gleichen Szene statt. Wird hingegen eine Funktion ausgelöst, wird eine neue Szene generiert. 3.1.3 Sounddesign Die Problematik des Sounddesign steht im Vordergrund der Entwicklung auditiver Benutzungsoberfläche. Um die Komplexität zu verringern, erfolgt ein Sounddesign zunächst auf Basis der Interaktionsobjekte. Weitere anwendungsbezogene Sounds werden erst nach der Integration entworfen. Die Kommunikation mit den Musikern und Komponisten erfolgt im Vorfeld deskriptiv. Es findet eine exakte Beschreibung der gewünschten Geräusche über Attribute statt. Die Deskriptoren sind leider nicht vereinheitlicht und jeder Mensch hat unterschiedliche Empfindungen beim Hören eines Geräusches oder nimmt es anders wahr. Nach dem Mapping der Geräusche auf die Interaktionsobjekte sollte das Ergebnis erneut vom Musiker auf die Einhaltung seiner Überlegungen und auf die nötige Synchronität der Geräusche überprüft werden. Zudem konkurrieren die Soundattribute miteinander: Hat man gerade einen Sound gefunden, der eine besonders gute Frequenzaufteilung für eine Lokalisation hat, ist es möglich, dass er nach einiger Zeit für den Anwender unangenehm ist. Oder man findet ein Geräusch, welches auch über einen längeren Zeitraum von den Benutzern als angenehm empfunden wird und es stellt sich heraus, dass die tiefen Frequenzanteile in dem Geräusch dafür sorgen, dass es nur schlecht lokalisiert werden kann. Die technischen Einflussfaktoren auf der Ausgabeseite sind nicht zu vernachlässigen. Es konkurrieren Standards, die es nötig machen eine möglichst offene Architektur zu finden, in der auch verschiedene Endausgabegeräte berücksichtigt werden. 3.2 Evaluationsphase Die Verwendung diverser Evaluationsmethoden muss auf die genutzten Modalitäten abgestimmt werden. So kann bspw. das „Laute Denken“ nur eingeschränkt verwendet werden, da der Versuchsteilnehmer nur sprechen kann, wenn keine Soundausgabe erfolgt. Die Kommunikation zwischen Versuchsteilnehmer und Versuchsleiter wird erschwert, wenn der Versuchsteilnehmer Kopfhörer verwendet, bzw. sich auf die akustischen Signale konzentrieren muss. Usability Professionals 2003 Praxisbericht zur Gestaltung auditiver Benutzungsoberflächen Dreidimensionale auditive Ausgaben können nicht direkt mit herkömmlichen Methoden, etwa der Videoaufzeichnung, gespeichert werden. Aus diesem Grund ist eine Abbildung der Informationen in einen grafischen Darstellungsraum notwendig. Zur Beantwortung der Frage, wie die Akustik adäquat über eine grafische Ausgabe dargestellt werden kann, konzentriert man sich auf die primären Codierungsattribute. Da wichtige Informationen über Lautstärke und Art des Geräusches codiert werden, müssen diese beiden Parameter in die grafische Ausgabe integriert werden. Zusätzlich müssen alle relevanten Informationen in einer Datenbank mitprotokolliert werden, um auditive Szenen nachstellen zu können. Typischerweise ist es notwendig, vorhandene Anwendungen um diese Funktionalität zu erweitern. 4. ZUSAMMENFASSUNG Die Beschreibung typischen Probleme nach der Auswertung einer Evaluation zu auditiven Benutzungsoberflächen, ermöglicht einen Einblick in die erzielten Ergebnisse. Die Vielzahl kleinerer Probleme und deren Interdependenzen machen es notwendig, eine möglichst starke Trennung der Entwicklungsschritte vorzunehmen. Bei der Entwicklung hat sich eine Trennung in Dialogstruktur, Entwicklung von Interaktionsobjekten und dem eigentlichen Sounddesign bewährt. Während der Entwicklungsphase können diese Komponenten regelmäßig zusammengeführt und einzeln, aber auch gemeinsam, evaluiert werden. Auf dem Gebiet des zur Verfügung stehenden Basiswissens besteht noch deutlicher Forschungsbedarf. Hier fehlen vor allem wichtige Grundlagenexperimente. Aber auch Guidelines und Styleguides, die direkt für eine bestimmte Benutzergruppe für definierte auditive Benutzungsoberflächen in einem bestimmten Kontext und für bestimmte Aufgaben konzipiert werden und dem Entwickler in seiner aktuellen Gestaltungsaufgabe unterstützen. Während der Entwicklung auditiver Benutzungsoberflächen ist ständig darauf zu achten, dass die theoretischen Überlegungen auch in kostengünstig erstellten Prototypen überprüft werden, um den Mangel an Erfahrungen auszugleichen. 5. REFERENCES [1] Blattner, M.M., Sumikawa, D.A., und Greenberg, R.M. Earcons and Icons: Their Structure and common design principles. In Journal of HCI, Special Issue on Nonspeech Audio; V4, N1, Lawrence Erlbaum Associates. (1989). [2] Gaver, W.W., The SonicFinder: An Interface that uses Auditory Icons In Journal of HCI, Special Issue on Nonspeech Audio; V4, N1, Lawrence Erlbaum Associates. (1989). [3] Bölke, L. und Gorny, P., Direkte Manipulation akustischer Objekte. In D.Böcker (Hg): Proceedings Software-Ergonomie ’95. Teubner Verlag, Stuttgart (1995). [4] Donker, H., Klante, P. und Gorny, P. The Design of Auditory User Interfaces for Blind Users. In Proceedings of the Second Nordic Conference on Human-Computer Interaction NordiCHI, Association for Computing Machinery (2002). [5] Klante, P. Mobiler MP3-Player mit auditiven Interaktionsobjekten. http://www-cghci.informatik. uni-oldenburg.de/~klante/wabo (2003) [6] Mayhew, D., The usability engineering lifecycle: a practitioners handbook for user interface design. Morgan Kaufmann, San Francisco, USA (1999). [7] ISO 13407. Human-Centred Design Processes for Interactive Systems. International Organization for Standardization (1999). [8] Klante, P. Visually Supported Design of Auditory User Interfaces In Human-Computer Interaction: Theory and Practice Volume 2 of the th Proceedings of the 10 HCI International 2003, Crete, Greece, Lawrence Erlbaum Associates (2003). [9] Shneiderman, B., Information visualization: Dynamic queries, starfield Displays, and Life Lines http://www.cs.umd.edu/hcil/ members/bshneiderman/ivwp.html (2003) 61 Klante, P. Referent Palle Klante arbeitet seit vier Jahren beim Oldenburger Forschungs- und Entwicklungsinstitut für Informatik-Werkzeuge und –Systeme (OFFIS) im INVITE Teilprojekt „Zugang zum Internet für Blinde“. Seit 2000 arbeitet er an seiner Dissertation zur „Gestaltung auditiver Benutzungsoberflächen“ an der Universität Oldenburg. Er studierte Informatik in Oldenburg und machte 1999 sein Diplom in der Abteilung SoftwareErgonomie & Computer Graphics. Sein Arbeitschwerpunkt ist die Entwicklung eines Usability Engineering Prozesses zur Erstellung von auditiven Benutzungsoberflächen. Dazu entwickelt er Methoden, Tools und Interaktionsobjekte, die in allen Prozessphasen das Entwicklungsteam unterstützen. 62 Usability Professionals 2003 USER MODELLING IN A DIALOG SYSTEM Ralf Kompe, Martin Emele, Silke Goronzy, Robert Mencl, Sunna Torge Sony International Europe (GmbH) Sony Corporate Labs Europe Advanced Software Lab Hedelfinger Str. 61 D-70327 Stuttgart {kompe, emele, goronzy, mencl, torge}@sony.de ABSTRACT In people’s home the amount of on-line available digital content such as video, music, or pictures is rapidly increasing. First home server products are available. Efficient selection of content will be a problem for users. We developed a flexible multimodal dialog system to overcome this. A keycomponent is the user model, which learns very fast from user behaviour. All information like key-words are determined automatically and scored according to their relevance. No manual setting is required. Keywords User model, recommendation, multi-modal dialog 1. INTRODUCTION The amount of digital content rapidly increases. Electronic program guides (EPG) become more and more popular. Home servers with large storage space become available. People will have large amounts of videos, music titles, and pictures on-line. It will be a problem to select content efficiently, in particular if the user does not have a specific item in mind. Therefore a system is needed which knows the user preferences very well and which can be operated in an intuitive and flexible manner, without the necessity of reading manuals or memorising a set of commands or key-words. The user should be free how to formulate a request and which I/O modality to use: Certain wishes are easier to express by speech others easier by gestures, e.g. pointing or crossing out or even a combination of both. Easy access of content as well requires meta-data to be associated with the content, which can be retrieved from broadcasted digital content, via the Es ist erlaubt digitale und Kopien in Papierform des ganzen Papers oder Teilen davon für den persönlichen Gebrauch oder zur Verwendung in Lehrveranstaltungen zu erstellen. Der Verkauf oder gewerbliche Vertrieb ist untersagt. Rückfragen sind zu stellen an den Vorstand des GC-UPA e.V. (Postfach 80 06 46, 70506 Stuttgart). Proceedings of the 1st annual GC-UPA Track Stuttgart, September 2003 © 2003 German Chapter of the UPA e.V. Internet or generated by the user. In any case metadata generation needs to be supported by automatic methods like speech recognition; we will not discuss this in this paper. Rather we want to focus on the user modelling aspect and give a description of our dialog system for content selection as far as necessary. 2. DIALOG SYSTEMS 2.1 Overview Current dialog systems range from pure graphical interaction to pure speech driven interaction. Concerning spoken dialog, systems are available which provide a simple menu-driven question/answer type of dialog. Sometimes speech input is even restricted to simple commands rather than spontaneous speech. Others allow flexible dialogs where the user can take the initiative and guide the dialog. The quality of speech recognition technology has undergone remarkable progress over the past years, however, it is still far behind human capabilities in particular in the presence of noise, room reverberation, or limited channel bandwidth. To cope with this, usually vocabulary and grammar are restricted and often close-talking microphones are necessary [6]. Prosodic information is sometimes used to support the interpretation process [8], which usually is conducted with a parser based on some type of grammar. Recently research shifted its interest towards multimodal dialog, where simultaneous I/O through different modalities is possible [7,11,14]. Multi-modal interaction increases robustness, efficiency, expressiveness, and the ability to correct errors [3]. 2.2 Qbit We developed a multi-modal dialog system (Qbit: Query by interaction technologies). Figure 1 depicts the components of Qbit. They were all developed within Sony apart from the dialog manager, which was obtained from SemanticEdge [12]. The application specific dialog model defining the flow of dialog was designed by Sony in cooperation with Semantic Edge. Qbit provides several simultaneous input channels. Currently, continuous speech recognition and pointing gestures on a touch screen are 63 Kompe, R., Emele, M., Goronzy, S., Mencl, R. & Torge, S. implemented. Speech interpretation relies on a robust coarse concept spotting rather than on interpretation of the exact meaning. On the output side simultaneous output by graphics or speech are possible. Research on haptics I/O (force-feedback) is still at a rather initial stage, however, it will play an important role in the future [9]. Typically the dialog system would e.g. upon a request for a movie for tonight display (or output by speechCore of the system are interaction management and underlying knowledge bases. On a semantic level the analysis hypotheses of the different input modalities are merged and scored. Cross-modal references are resolved, i.e., an utterance play these with these referring to a selection on the screen is interpreted correctly [5]. Based on the best scored hypothesis the dialog manager decides about the next action to be taken. This can be an output to the user or some actions on device-side. We use a mixed-initiative dialog system, where the user can take the initiative and guide the direction of the dialog. That means (s)he does not necessarily have to provide an exact answer to the questions of the system. On the other hand in order to reduce complexity of speech recognition the user is not free to arbitrarily change the topic of conversation. In case of output to the user the media fission [4] decides depending on a set of rules and the current context how to present the information to the user. The interaction management relies on several knowledge-bases. The application is defined by discourse and domain model. The context model allows situation-specific decisions. Personalised interaction is established by a user model which will be described in detail in the next section. depending on the context) to the user a list of 5-10 alternatives, leaving him/her some possibility to select manually without overloading him/her with irrelevant information. This list is computed with the user model described below. In case of too many well or similar matching suggestions the dialog system needs to ask the user for further constraints. In case of no good matches the dialog system as well would clarify with the user possible alternatives. Qbit functions as a central user interface, which allows to operate an arbitrary and dynamically changing number of devices through a planning module (plug-and-play). This translates complex user wishes into sequences of actions of possibly several devices or services based on their abstract function models. It also infers new functionalities arising from the combination of devices through a home network [13]. Figure 1: Structure of the dialog system Qbit 64 Usability Professionals 2003 User Modelling in a Dialog System like title, actors, artists, directors, genre, abstract of TV show, description of music, date and time broadcasted/ recorded/viewed, play-time. 3. USER MODELING 3.1 Why personalisation? Users want to have efficient access to the increasing amount of digital content available on-line in homes. Often, underspecified and vague requests like • Some happy music, • The pictures of the vacation in Venice, • A movie on Saturday night, need to be fulfilled, such that the set of matching items has to be restricted according to the user’s preferences, or the user needs to be asked for further constraints. A genre hierarchy as e.g. used by Amazon for music is tiring to use and often it is not clear how to categorise a title [10]. In general, using a genre hierarchy is in most cases not the way people want to access their music at home. 3.2 Key features We originally developed our user model for TV program selection, so that the following is focused on this. However, meanwhile we have successfully adapted it to music content and it can be easily applied to still picture selection, news filtering, etc. Our system differentiates from following ways [1,2]: others in the • It learns the user preferences very fast and fully automatically. The user does not have to specify any preferences or key-words manually. • It automatically generalises from past observations of the user behaviour without the need for any manually generated knowledgebase. • User’s are not classified into categories of similar behaviour. Rather real individual profiles are built. We do not use something like people who watched the same show as you also watched X. • • The suggestions usually fit very well the taste of the user, however (s)he is free to adjust the number of suggestions. The user is free about the constraints he specifies. For example, all of the following requests are possible: I want to watch TV, … watch a report, … a report about X. Our system is efficient in terms of CPU and memory usage and can thus be implemented on the client side. Therefore, no information on the user’s preferences has to be stored on any server. 3.3 Basic Algorithm Before describing our algorithm we have to define the usage of a few terms: • Article (a): contains for one broadcasted or recorded TV show (music title) all available meta-data as usually distributed with in an EPG • User history (h): stores everything the user did and all the articles of shows the user watched. It contains all relevant information like article, minutes viewed, zapping behaviour, switched on just for this show, etc. • User input: Everything the user does such as turning on the TV or requesting a movie to be recorded. • User profile: a weighted list of key-words/phrases based on a (filtered) user history. Keyphrases are taken from all text in the articles including title, genre. By this genre becomes just one parameter of many. • User model: comprises user profile, matching algorithm, and inference engine providing generalisation. The core of the algorithm consists of the computation of the weights (w) of words/phrases (p) given a specific article: w(p|a) = I1 (p|a) * I2(p|h) / I3(p|d) (1) where d denotes the whole database of articles, and Ii denotes a measure of importance. The term I2(p|h)/ I3(p|d) defines the weights contained in the user profile, i.e., the importance of a phrase in the user history normalised by the importance of the phrase in the whole database. Multiplying this with I1, the importance of the phrase in the given article, implies a matching of a specific article with user profile. Phrases with neglectable weights are discarded from the user profile for efficiency. The functions Ii are based on the commonly used inverse document frequency [1], which basically gives words a high score given a certain document or set of documents if they occur frequently in this and just rarely in others. We score each article of the future TV program al by the following algorithm: 1. filter the user history depending on the request, e.g., the day of the week specified by the user, if applicable. 2. compile the user profile for the filtered history based on the weights I2(p|h) / I3(p|d) 3. generalisation: extend the user profile by related words or phrases, where these get a slightly lower weight than the corresponding word actually being in the user profile 4. for each phrase pk in the history compute wkl(pk|al) according to equation (1) 5. the score wl for this article al is given by the normalised sum Σkwkl(pk|al) Then the N(wl) TV shows corresponding to the articles with the greatest score wl are suggested to the user. The number N depends on the weights, 65 Kompe, R., Emele, M., Goronzy, S., Mencl, R. & Torge, S. such that only few or even none suggestions are provided if none matches well. N can also be influenced by the user, depending whether (s)he wants few or many suggestions. The related words or phrases mentioned in step 3 are taken from a thesaurus. We compute the thesaurus automatically from the whole database of articles on the basis of co-occurrences of words. Thereby an application dependent thesaurus is computed which achieves better results than a generic thesaurus. 3.4 Evaluation This basic algorithm has been evaluated by a number of users. People were asked to mark in the past TV program what they watched. Then they got a suggestion for tonight’s TV program and had to rate the quality of the first, second, and third suggestion as being excellent, good, neutral, not too bad, or bad. Figure 2 shows the average rating for 20 users having marked 3-4 TV shows from the past program, i.e. a user history of 3-4 items. The suggestions are rather good even after such a short learning period: 80% of the first suggestion was rated as either excellent or good. Note that in each of these tests the user was not asked to compare the suggestions with the full program. So (s)he is not aware of what (s)he missed. The rating was done in rather general terms. 100% 80% 60% neutral 40% good excellent 20% 0% Top suggestion 2nd 3rd suggestion suggestion Figure 2: Quality of suggestions (history of 3-4 items) 3.5 Extensions Meanwhile we have extended our algorithm in order to better model different kinds of user behaviour. These will be described informally in the following. We can now provide the user with suggestions which depend on the time of day and whether the day is on a weekend or not. The weights in the user profile incorporate whether the user has watched a TV show from the beginning to the end and if he turned the TV on at the beginning of the show and turned it off afterwards. This indicates that (s)he really intended to watch this show. If the TV is just on for a longer period the shows of this period are being taken into account with a lower weight. 66 A forgetting factor ensures that “older” items in the history influence the user profile less than newer items. This, allows for a change of the user’s taste. Note that our algorithm implicitly handles the problem of favourite shows being broadcasted only seldom. Relevant for our algorithm is only the number of times the user actually watched the show relative to the number of times it was broadcasted. 4. CONCLUSIONS AND DISCUSSION The concern most frequently raised is that items important for the user might be missed. This can never be avoided but just minimised, however, fact is that people will need sufficient support by systems for contents selection. There should always be the option for manual selections and to adjust the degree of filtering done by the system. An explanation function should help users to understand certain decisions and to correct these. There are many details in daily operation of such a system which need to be taken into account. E.g., switching on a certain TV show accidentally can cause problems. As another example, user requests for tomorrow 10 pm have to be interpreted carefully: Everything shown between now and tomorrow 10 pm should be taken into consideration, because it could be recorded. As a third example, it might be obvious from past user behaviour that (s)he does not watch a show lasting for two hours or more after 10 pm. Our system is a good step towards a flexible personalised user interface for content access, and we have overcome some of above mentioned problems, however, there is still a lot of research necessary to make user modelling fool-proof and user interfaces really flexible. Our next step will be that the user himself can specify within the dialog with the system for a current TV show or music title if he considers it to be funny, happy, sad, exciting, … These attributes should be automatically incorporated into the scoring function. Also, we need to capture with our algorithm the following questions: Was the user unable to watch a show although it was interesting? Did the user zap because there was nothing interesting or because there were two interesting shows at the same time? Did the user watch a potentially interesting show deliberately not, because there was another one broadcasted on a different channel at the same time, or because it was just a repetition? 5. REFERENCES [1] P. 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Human Computer Interaction Conf., Berlin (2003) 67 Kompe, R., Emele, M., Goronzy, S., Mencl, R. & Torge, S. Referent Ralf Kompe obtained the diploma degree in computer science and the Ph.D. at the University of Erlangen in 1989 and 1996, respectively. From 1989 to 1990 he was research assistant at McGill University, Montreal working on speech recognition. From 1991 to 1996 he was a member of the research staff of the Institute for Pattern Recognition, Univ. of Erlangen working on the recognition of prosodic information and its use in parsing, speech understanding, and dialog control. In 1997 he joined the Sony Stuttgart Technology Centre. He is currently as a general manager responsible for user interface activities. Current research interests are in multi-modal interaction, user modelling, information retrieval, and usability. He is author or co-author of more than 70 publications including 7 journal articles and one monograph. 68 Usability Professionals 2003 VOICE PORTALE – USABILITY ASPEKTE AUS DER PRAXIS Peter Wetzel Infoman AG Vaihinger Str. 169 70567 Stuttgart wetzel@infoman.de www.infoman.de 1. EINLEITUNG Sprache und die Ausgabe von Informationen durch automatisiertes Vorlesen, genannt Text-to-Speech. Unter Voice Portalen werden Systeme verstanden, die über Telefon den Zugang zu Informationswelten schaffen, vergleichbar den gerade boomenden Webportalen in Intranet und Internet. Durch die schmale Bandbreite des Kommunikationsmediums gelten für Voice Portale eigene Ergonomieregeln. Der Autor stellt Lösungen und Erfahrungen aus der Praxis am Beispiel des Programms Customer Communication Portal Phone Manager vor. Dieses System implementiert übliche Ergonomieregeln von Voice Portalen und stellt dem Entwickler des Portals eine abstrakte, intuitive Weboberfläche zur Konfiguration zur Verfügung, so dass die resultierenden Portale leicht den Grundregeln der Ergonomie genügen können. In den neunziger Jahren wuchsen die verschiedenen individuellen Lösungen zu universellen Info-OnDemand-Systemen zusammen. Neue Technologien zur Medienintegration, wie z.B. die Telefonkomponenten von Unified Messaging Systemen traten hinzu. Gleichzeitig entwickelte sich die Spracherkennung und Text-To-Speech weiter und erreichten gegen Ende des letzten Jahrhunderts schließlich eine Qualität, dass natürliche gesprochene Dialoge zwischen Mensch und Maschine in greifbare Nähe zu rücken scheinen. 2. VOICE PORTALE a. unterstützen Voice Portale in der Regel gesprochene Spracheingabe und das Vorlesen von Texten, Voice Portale als automatisierter Telefonzugang zu Information existieren seit Anfang der achtziger Jahre. Sie haben sich aus einzelnen, früher unabhängigen Systemen heraus entwickelt. So standen am Anfang Fax-On-Demand-Systeme zur Anfrage von Faxdokumenten per Telefon und Tonwahltasten, VoiceMail-Systeme als elektronische Weiterentwicklung des Anrufbeantworters, Automated Attendants als einfachster automatischer Ersatz einer Telefonzentrale und Interactive Voice Response Systeme, die in der Regel über Tonwahl gesteuert verschiedenste Informationen vorspielen konnten. Der heutige Begriff des Voice Portals ist eine Wiederbelebung des ursprünglichen Ansatzes des Interactive Voice Response mit zwei wesentlichen, zusätzlichen Wesenszügen: b. wird die Dialogsteuerung und die Information durch eine Interpretationsschicht von der Telefoniesteuerung getrennt. Waren die Systeme anfangs von der Steuerung durch Tonwahltasten und Abspielen aufgezeichneter Audiodaten geprägt, so entwickelten sich schleichend dynamische und humanere Technologien, die Steuerung mittels gesprochener Es ist erlaubt digitale und Kopien in Papierform des ganzen Papers oder Teilen davon für den persönlichen Gebrauch oder zur Verwendung in Lehrveranstaltungen zu erstellen. Der Verkauf oder gewerbliche Vertrieb ist untersagt. Rückfragen sind zu stellen an den Vorstand des GC-UPA e.V. (Postfach 80 06 46, 70506 Stuttgart). Proceedings of the 1st annual GC-UPA Track Stuttgart, September 2003 © 2003 German Chapter of the UPA e.V. Abbildung 1: Voice Portale stellen Daten aus der ITWelt über das Telefon zur Verfügung. 69 Wetzel, P. 3. DIE GRENZEN DES SPRACHKANALS Der Spruch ‚Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte.’ drückt gut die Problematik aus, mit der Designer von rein sprachbasierten Schnittstellen, wie beim klassischen Voice Portal, leben müssen. Informationen, die in Sprache geliefert werden, sind im Vergleich zu einer Darstellung in Grafiken und Bildern wesentlich langsamer transportierbar, die Bandbreite des Kommunikationskanals wesentlich geringer. Dies gilt sowohl für die Eingabe, als auch für die Ausgabe aus den Systemen. Die Schnittstelle muss bewußt mit diesen Beschränkungen umgehen, um weder den Anwender noch die Maschine zu überfordern. Sprache birgt daneben noch ein intrinsisches Risiko: Die Differenzierung zwischen Maschine und Mensch fällt dem Anwender wesentlich schwerer als bei haptischen und grafischen Systemen. Heutige Systeme haben eine gute bis sehr gute Intonation, bei aufgenommenen Texten ist praktisch kein Unterschied zu einem menschlichen Gesprächspartner zu hören. Kommt noch die Möglichkeit der Spracheingabe von kompletten Sätzen hinzu, wird von der Maschine nicht nur das mechanische Erkennen der gesprochenen Worte, sondern das ‚Verstehen’ des Gesagten erwartet. Leicht kommt es dann zu Enttäuschungen und Frustrationen, wenn die Maschine eben nur wie eine immer noch reichlich dumme Maschine reagiert. Alternativen jedes Mal aufgezeigt werden und eine fast schon vom Benutzer geführte Interaktion, bei der der Anwender die Interaktionsmöglichkeiten kennt oder aus dem Kontext errät. So könnte z.B. ein System, dass das Lieblingstier erfassen möchte, erst allgemein fragen „Was ist ihr Lieblingstier?“ und dann, wenn es keine verwertbare Antwort auf die Frage bekommt, nachfassen mit „Was ist ihr Lieblingstier? Bitte sagen Sie ‚Hund’, ‚Katze’, ‚Armadillo’ oder ‚anderes’.“ um den Wertebereich der Antworten anzubieten. Oder ein System, dass in der Regel von Neulingen bedient wird, erwartet die Nennung von vorgetragenen Menüpunkten, erlaubt aber auch Aussagen über das aktuelle Menü hinaus, die dann systemübergreifend interpretiert werden. Z. B. können Sie sich in dem Voice Portal der Telekom (0190/055555) durch ein Menü führen lassen. Sagen Sie aber irgendwann „Ich möchte das Wetter.“ werden Sie sofort mit dem Wetterdienst verbunden. 5. EINFACHE ENTWICKLUNG ERGONOMISCHER VOICE PORTALE Zur Entwicklung ergonomischer Voice Portale wurde bei der Infoman AG das Produkt Phone Manager in der Familie Customer Communication Portal designed. Es versucht, u. a. die oben genannten Prinzipien in ein einfach zu administrierendes Produkt zu gießen Daher sollte trotz immer besser werdender Spracherkennung ein System auch heute noch den Kommunikationspartner spüren lassen, dass es eine Maschine ist und in der Sprache keine versteckten Botschaften übermitteln, die menschliches Verstehen assoziieren, wie z.B. rhetorische Fragen, eigene emotionale Äußerungen, Rede in der IchForm, u.ä. 4. ANFÄNGER UND VERSIERTE BENUTZER Sprachsysteme können im Unterschied zu grafischen Systemen nur sehr schwer den Wertebereich möglicher Eingaben übermitteln. Bei einfachen, menübasierten Systemen kann dies z.B. durch Aufzählen aller Möglichkeiten bestehen, wie z.B. ‚Wenn Sie mit der Geschäftsführung sprechen möchten, drücken Sie die Eins. Wünschen Sie den Vertrieb, drücken Sie die zwei, ...’ Bei Systemen mit umfangreichem Spracheingabewortschatz ist dies praktisch unmöglich. Hier muss der Anwender eine Vorstellung von den Fähigkeiten des Systems haben um z.B. eine Frage wie ‚Was ist ihr Lieblingstier?’ so zu beantworten, dass das System die Antwort versteht. In der Praxis zeigt sich, dass gute Systeme daher immer zwei verschiedene Interaktionsmodi mit dem Anwender zulassen, zwischen denen idealer Weise je nach Situation gewechselt werden kann: eine stark vom Computer geführte Interaktion, bei der die 70 Abbildung 2: Die Hauptstruktur der Weboberfläche von CCP Phone Die Administrationsschnittstelle ist eine rein webbasierte Benutzungsoberfläche, die die Komponenten des Voice Portals als Objekte, sogenannte Manager, mit klar definierten Aufgaben darstellt. Die einzelnen Aufgaben sind: • die Annahme von Anrufen in sogenannten Gates durch den Gate Manager • die Zuordnung von Sprache und Inhalten aufgrund der Herkunft im Number Mapper • die Zuordnung von Inhalten aufgrund des Anrufzeitpunkts im ServiceTime Manager Usability Professionals 2003 Voice Portale – Usability Aspekte aus der Praxis • den rechnergesteuerten Menüablauf im Call Flow Manager • die Verwaltung von vordefinierten Systemansagen im Prompt Manager • die Behandlung von Wartesituationen bei Weitervermittlung im Waiting Queue Manager • die Definition der Behandlung komplexer Spracheingaben im Grammar Manager • die Darstellung virtueller Faxgeräte für Faxannahme und –versand im Fax Manager Ich möchte hier nur auf die Funktion des Menüablaufs im Call Flow Manager eingehen, um die verschiedenen Formen der Ablaufkontrolle zu demonstrieren: Der Call Flow Manager definiert einen Dialogablauf als eine Menge von Menüs mit erwarteten Eingaben und damit verbundenen Aktionen. Jedes Menü hat daneben noch Einführungsansagen und eine Aktion, wenn keine Reaktion des Gesprächspartners erfolgt. Abbildung 3 zeigt einen solchen Menüaufbau. Wir sehen die Eingabe, die hier als Taste erfolgt, die ausgewählte Aktion und einen Verweis auf das Menü, das nach Durchführung der Aktion folgt. Mit Hilfe dieser Definitionen kann damit nicht nur ein klassischer Menübaum, sondern ein Transitionsnetzwerk zwischen Menüzuständen abgebildet werden. Sprache ist nun aber im Gegensatz zu den Tasten nicht auf einen so kleinen Wertebereich beschränkt. Heutige Spracherkenner können auch bei unbekannten Anrufern schon über 1000 Worte zuverlässig unterscheiden. Hat nun der Entwickler allen Menüaktionen Wörter zugeordnet, so kann der Anrufer auch Worte nennen, die nicht im aktuellen Menü aufgelöst werden können. In diesem Fall sucht das System alle für diesen Anrufer möglichen Aktionen, die mit diesem Wort verknüpft sind, führt eine eindeutige Aktion automatisch aus oder fragt, in welches Menü es verzweigen soll. Damit kann ein versierter Anwender schnell in den richtigen Gesprächskontext gelangen. Aber Sprache kann noch mehr: Die gesprochene Eingabe kann gleichzeitig mehrere Informationen und/oder Parameter enthalten. Z.B. sagt der Satz „Ich möchte Herrn Huber in der Geschäftsleitung sprechen.“ nicht nur, dass Herr Huber gefragt ist, sondern auch welcher Herr Huber gefragt ist. Um auch diese Interaktion möglichst einfach konfigurierbar zu machen, wurde der Grammar Manager eingeführt. Im Grammar Manager werden die möglichen Spracheingaben grammatikalisch beschrieben und den Satzteilen Bedeutungen zugeordnet, so dass im obigen Fall z.B. das System erkennt, dass ‚Geschäftsleitung’ einem bestimmten Menü zugeordnet ist und darin ‚Huber’ einer bestimmten Aktion. Durch den gefundenen Ansatz kann das System ohne Programmierkenntnisse des konfigurierenden Anwenders beide Ansätze, den rechnergesteuerten, menügetriebenen und den weitgehend anrufergesteuerten Dialogablauf realisieren. 6. AUSBLICK Die Sprachtechnologie hat sich insbesondere in den letzten drei Jahren mit großen Schritten weiterentwickelt. Ihr auf dem Fuß folgen Entwicklungen im Sprachverstehen und in der Führung von Dialogen, für grafische Schnittstellen gibt es sogar schon Ansätze, auch Emotionen zu verarbeiteten. Die reinen Sprachschnittstellen werden im Bereich der Mobilität Konkurrenz durch gemischt sprachlich-grafische Interaktionen, z.B. auf einem webfähigen Handy, bekommen. Abbildung 3: Die Definition eines einfachen Menüs: Die Taste 5 verzweigt zum ‘Fernservice’, tritt keine Aktion ein, wird der Anrufer einer Warteschlange zugewiesen. Tasten sind innerhalb eines einzelnen Menüs eindeutig und ja rein technisch auf 16 Werte, üblicherweise 12 Werte beschränkt. Ganz anders sieht dies aus, wenn Sprache hinzutritt. Die Schnittstelle erlaubt es, jedem Menüeintrag Schlüsselworte zuzuordnen. Spricht der Anrufer eines der Worte, so hat dies den gleichen Effekt, wie das Drücken der entsprechenden Taste. Technisch werden reine, telefoniebasierte Sprachsysteme aber erst dann einen richtigen Durchbruch erleben, wenn das Sprachverstehen der Systeme dem unbekannter menschlicher Gesprächspartner ähnelt, oder wenn genügend Menschen Verständnis für die Beschränkungen der sprechenden und hörenden Maschinen entwickelt haben. Bis dahin müssen Maschinen am Telefon klar erkennbar als Maschinen kommunizieren und stark rechnergesteuerte Dialogformen bereit halten um so dem Menschen eine sichere, frustrationsfreie Interaktion zu erlauben. 71 Wetzel, P. Referent Peter Wetzel (Dipl.-Inform.) studierte an der Universität Stuttgart Informatik und Linguistik. Er beschäftigt sich seit 1983 mit Fragen der Mensch-Maschine-Interaktion und hat an zahlreichen Forschungsprojekten zu Dialogsystemen mit Sprache, Zeigen, Gesten, grafischen Benutzungsoberflächen, Dialogwissen aktiv forschend mitgearbeitet. Seit 1996 baut er als Vorstand die Infoman AG mit dem Ziel auf, Produkte und Lösungen zu schaffen, die die zwischenmenschliche Kommunikation und die Mensch-Maschine-Kommunikation in den Mittelpunkt optimierter kundenorientierter Geschäftsprozesse stellen. 72 Usability Professionals 2003 USABILITY PROFESSIONALS IN DEUTSCHLAND DAS GERMAN CHAPTER OF THE USABILITY PROFESSIONALS’ ASSOCIATION E.V. Kerstin Röse Zentrum für Mensch-MaschineInteraktion, User-centered Product Development, Postfach 3049 67653 Kaiserslautern roese@mv.uni-kl.de www.mv.uni-kl.de Andreas Beu User Interface Design GmbH Lehrer-Götz-Weg 11 81825 München andreas.beu@uidesign.de www.uidesign.de Matthias Peissner Fraunhofer IAO Nobelstrasse 12 D-70569 Stuttgart matthias.peissner@iao.fhg.de www.usability.iao.fhg.de Marc Hassenzahl Institut für Psychologie Technische Universität Darmstadt Steubenplatz 12, 64293 Darmstadt hassenzahl@psychologie.tudarmstadt.de ABSTRACT Im vorliegenden Beitrag wird der 2002 gegründete Berufsverband für deutsche Usability-Professionals kurz vorgestellt; seine Struktur, aktuelle Aktivitäten, Networking und Planungen für das nächste Jahr. Zielstellung des Berufsverbandes ist es, den Stellenwert von Usability in der Öffentlichkeit und in den Unternehmen zu steigern sowie über die Bildung von beruflichen Netzwerken Plattformen für den persönlichen Austausch von Erfahrungen und Kompetenzen der Usability Professionals zu schaffen. Damit soll der Berufsstand der Usability-Experten gestärkt werden und eine allgemeine Interessensvertretung etabliert werden. KEYWORDS UPA, Networking, Ideen, Visionen 1. EINLEITUNG In Deutschland sehen sich Usability- Professionals mit dem Problem der fehlenden Lobby in Praxis und Forschung konfrontiert. Viel zu oft wird das Thema ‚Usability’ noch als nette Ergänzung zur Softwareentwicklung angesehen. Durch zahlreiche Initiativen (z.B. Zertifizierung von SoftwareentwicklungsprozesEs ist erlaubt digitale und Kopien in Papierform des ganzen Papers oder Teilen davon für den persönlichen Gebrauch oder zur Verwendung in Lehrveranstaltungen zu erstellen. Der Verkauf oder gewerbliche Vertrieb ist untersagt. Rückfragen sind zu stellen an den Vorstand des GC-UPA e.V. (Postfach 80 06 46, 70506 Stuttgart). Proceedings of the 1st annual GC-UPA Track Stuttgart, September 2003 © 2003 German Chapter of the UPA e.V. sen) und entsprechende Öffentlichkeitsarbeit (z.B. Tagungen wie ‚Mensch & Computer’ sowie ‚Useware’ und Zeitschriften wie ‚i-com’) wird versucht die Einstellung "Der Mensch ist lernfähig" hin zu "Der Benutzer ist das Maß der Entwicklung" zu beeinflussen. Der fachliche Austausch mit Kollegen ist eine wichtige Basis für qualitativ hochwertige Entwicklungsergebnisse, d.h. gut benutzbare Produkte im Sinne des ‚Usability’-Gedanken. Die Gründung des 'German Chapters' (GC) der 'Usability Professionals Association' (UPA) als Berufsverband ist ein erster Schritt, um gezielt die berufliche Situation und die Lobby der Usability-Professionals in Deutschland zu verbessern [1]. Unter dem Sammelbegriff Usability Professional werden alle mit Usability Engineering Methoden arbeitenden Entwickler und Designer von Useware zusammengefasst. Der Begriff gilt somit für alle Branchen vom Industrie- und Maschinendesign bis hin zum Konsumgüter- und Web-Design. Ein erster Überblick zur Situation in Deutschland wurde beim europäischen Treffen der Usability Professionals, 2002 in London, vorgestellt [2]. Um einen Überblick zur aktuellen Situation der Usability Professionals und den in der Praxis angewandten Methoden zu erhalten, wird aktuell ein Branchenreport erstellt, der 'Usability Report Deutschland 2003' 3]. 2. USABILITY: HEUTE UND MORGEN 2.1 Struktur des German Chapter der UPA e.V. Das 'German Chapter der Usability Professionals Association e.V.' (GC UPA) besteht aus mehreren Regionalgruppen (vgl. Abbildung 1) [5]. Diese Regionalgruppen treffen sich regelmäßig, um sich über Usability-Themen auszutauschen. Dies meint: Erfahrungen teilen, Probleme analysieren und besprechen, 75 Röse, K., Beu, A., Peissner, M. & Hassenzahl, M. Methoden erlernen und austauschen, etc. Jede Regionalgruppe hat einen 'Ansprechpartner' nach Außen, für alle anderen Mitglieder des ‚German Chapter’. Dieser Ansprechpartner koordiniert die Treffen vor Ort und veröffentlicht diese Termine Online auf der Website der Regionalgruppe, denn das ‚UPA-German Chapter’ hat ein wenig den Charakter einer OnlineCommunity. Warum Online? 2.2 Das Szenario für Morgen Der Usability-Professional wohnt und arbeitet in München und ist Mitglied der Münchener Regionalgruppe. Er hat eine Dienstreise nach Frankfurt. Er schaut auf die Webseiten des GC UPA und stellt fest, dass genau zu diesem Tag eine Zusammenkunft der Frankfurter Regionalgruppe ist (oder er kann den geplanten Frankfurt-Termin flexibel zum Termin der Zusammenkunft der Frankfurter Regionalgruppe legen). Termin, Treffpunkt und Kontaktinformationen des regionalen Ansprechpartners sind auf der Webseite der Frankfurter Regionalgruppe vermerkt. Somit besteht die Chance, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden und bei einem netten Abend die Kollegen und ihre Ideen in Frankfurt kennen zu lernen (oder natürlich: Kontakte aufzufrischen). eingeladen, um zumindest einmal im Jahr den persönlichen Kontakt zu Mitgliedern aus allen Teilen Steutschlands herzustellen. Hier wird auf Interdisziplinarität, Praxisbezug und rege Kontaktmöglichkeiten Wert gelegt. Dieses Szenario dient der Veranschaulichung der ‚Vison’ des German Chapter der UPA. Es wurde aus den Analysen der Bedürfnisse von deutschen Usability Professionals abgeleitet. Zielstellung des GC UPA ist die Schaffung eines Netzwerkes von persönlichen Kontakten (das Individuum steht im Vordergrund und nicht die Institution), um die fachliche Kompetenz jedes Einzelnen zu stärken bzw. auszubauen und auf diesem Wege eine Usability-Lobby für Deutschland zu schaffen, die dem interdisziplinären Anspruch der Usability Professionals entspricht. 3. AKTIVITÄTEN DES GC UPA 3.1 Zielgruppen Das GC UPA stellt ein Forum für Praktiker dar. Ein Ort um sich– abseits von allzu akademischen Ansprüchen – über Erfahrungen, Probleme und Wünsche auszutauschen. Typische Themen sind Erfahrungen mit der Anwendung bestimmter Methoden, die Rolle der Usability im Produktentwicklungszyklus, Fallstudien, oder ‚Politics’, also wie überzeuge ich als Usability Professional das Management von Usability. Jedes Thema wird 'von Praktikern für Praktiker’ auf den jährlichen Workshops präsentiert. UPA Workshops zeichnen sich durch ihren hohen Grad an Interaktivität aus. Soziale Kontakte, Erfahrungsaustausch und Wissenstransfer stehen im Vordergrund der Treffen. 3.2 Interaktive Plattform Um einen möglichst breiten Zugang zu den Aktivitäten zu ermöglichen wird aktuell ein Webserver mit unterschiedlichen Serviceangeboten aufgebaut. Von den Aktivitäten der Regionalgruppen über die Vorstellung einzelner Mitglieder des Berufsverbandes werden zahlreiche aktuelle Informationen zur Thematik ‚Usability’, aktuellen Trends und Innovationen angeboten. Ein Schwerpunktthema ist die Unterstützung des Aufbaus eines nationalen Netzwerkes für Usability-Experten, neben Job-Börse und Aktivitätenliste Abbildung 1: Regionalgruppen in Deutschland 2003 Einmal im Jahr wird ein Usability-Workshop veranstaltet. Zu diesem sind alle Mitglieder des GC UPA 76 3.3 Networking In Europa folgt die Initiative des German Chapter dem Beispiel Schwedens und Großbritanniens. Insbesondere Großbritannien hat bereits ein starkes Netzwerk von Usability Professionals aufgebaut. Weitere europäische Chapter wurden in letzter Zeit gegründet oder sind gerade in der Gründungsphase. Dazu zählen Italien, Niederlande und Schweiz. Neben einzelnen Chapter Aktivitäten gibt es auch ein jährliches Treffen der europäischen Chapter, die Usability Professionals 2003 Das German Chapter of the Usability Professionals’ Association e.V. EUPA [4]. Somit versteht sich das German Chapter der UPA als ein Baustein im europäischen Bauwerk des Usability-Networking. 3.4 Weltweites Networking Der Aufbau eines nationalen Networking ist weiterhin eine wichtige Zielstellung des Berufsverbandes. Als Chapter einer internationalen Organisation ist der internationale Austausch ein weiterer Aspekt. Um den internationalen Erfahrungsaustausch zu pflegen, werden Kontakte zu den weiteren 31 Chaptern gepflegt, die weltweit existieren (vgl. Abbildung 2) [6]. Dies ermöglicht in einigen Bereichen auch ein internationales Vorgehen, z.B. bei Themenstellung der Zertifizierung oder Ausbildung. Gemäß dem aktuellen Globalisierungstrend sind dies wichtige Aspekte, um eine angemessene Interessenvertretung als Berufsverband anzubieten. 4. ZUKUNFT DES GC UPA 4.1 Inhaltliche Arbeit Die Aufgabenstellungen des Verbandes waren im ersten Jahr eher bürokratischer Natur. Neben der Gründung und amtlichen Registrierung des Verbandes, der Ausgabe der ersten Mitgliedschaften, der Herstellung einer Arbeitsfähigkeit sowie dem internationalen Kontaktaufbau blieb kaum Zeit sich den inhaltlichen Herausforderungen zu widmen. Daher steht die inhaltliche Arbeit im Fokus der nun anstehenden Aktivitäten. Dazu werden zunächst die Interessen der im Berufsverband aktiven Usability Professionals gebündelt. Wir werden Professionals, die sich mit bestimmten Themen beschäftigen, wie z.B. 'accessibility', Zertifizierung, User Interface Design für mobile Geräte oder 'Joy of Use', dabei helfen, überregionale Kontakte zu knüpfen. So wird neben der räumlichen Vernetzung auch eine inhaltliche entstehen. 4.2 Berufsspezifische Informationen Eine weitere wichtige Aufgabe des GC UPA wird die Ermittlung von berufsspezifischen Informationen sein. Hierfür möchte das GC UPA Studien initiieren, in deren Rahmen entsprechende Daten erhoben und den Usability Professionals und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Diese Informationen sollen den Usability Professionals die Planung ihres Ausbildungs- und Berufswegs erleichtern und für die Öffentlichkeitsarbeit eingesetzt werden. Eine erste Studie ist bereits im Entstehen. Diese ermittelt die Arbeitsumstände von Usability Professionals in Deutschland im Jahr 2003 [3]. Weitere Studien, beispielsweise zu den Bedürfnissen und Anforderungen von Unternehmen und Organisationen, die entsprechende Usability Verfahren und Methoden einsetzen, oder zur Wahrnehmung des Themas 'Usability' bei den Konsumenten, sollen folgen. 4.3 Berufsverband Das Votum der Gründungsversammlung im Herbst 2002 war eindeutig. Es sollte ein Berufsverband und nicht irgendein Verein gegründet werden. Durch das German Chapter der UPA ist eine Plattform geschaffen, um die Probleme im Umgang mit Usability praxisnah und unkompliziert zu lösen. Im Sinne eines Berufsverbandes werden fachliche Informationen und Anleitungen vermittelt. Die gegenseitige Wissensvermittlung der Mitglieder sowie regelmäßige Weiterbildung stehen im Mittelpunkt unserer Aktivitäten. Ganz klar, das German Chapter der UPA kümmert sich nicht nur um die interne Weiterqualifikation seiner Mitglieder, es ist auch Ansprechpartner für die Industrie, Verwaltung, etc. und vermittelt für jedes Problem die entsprechenden Fachexperten. Die Arbeit im Berufsverband ist klassische VolunteerArbeit. An dieser Stelle ein Dankeschön an alle Aktiven des letzten Jahres, die geholfen haben dem Berufsverband Leben einzuhauchen. Es ist viel private Zeit investiert worden und die Mitarbeit aller Mitglieder bleibt somit weiterhin gefragt, um die Last des Einzelnen zu verringern. Das GC UPA versteht sich als ein aktiver Berufsverband und ist offen für Fragen der Mitglieder, als auch der Nicht-Mitglieder, Arbeitgeber und Freiberufler. Jeder Beitrag und jede Aktivität ist gefragt, denn unser gemeinsames Ziel ist und bleibt es, eine Usability-Lobby für Deutschland zu schaffen. 5. REFERENZEN [1] http://www.gc-upa.de [2] Peissner, M. und Röse, K., Usability Engineering in Germany: Situation, Current Practice and Netst working Strategies, Proceedings of the 1 EUPA conference (2002). [3] Beu, A.; Reitmayr, E.; Vogt, P.; Mauch, D.; Röse, K.: Usability Report Deutschland. Proceedings of the 1st annual GC-UPA Track, Stuttgart, September 2003. [4] Hassenzahl, M.: "Praktiker vor" – Über die erste europäische Konferenz der Usability Professionals' Association. In i-com Zeitschschrift für interaktive und kooperative Medien, 1, 2003. [5] Stoessel, S.: Lokale Gruppen beim German Chapter. Proceedings of the 1st annual GC-UPA Track, Stuttgart, September 2003. [6] Usability Professionals’ Association UPA, http://www.upassoc.org (2003). 77 Röse, K., Beu, A., Peissner, M. & Hassenzahl, M. Referenten Kerstin Röse hat an der Humboldt Universität zu Berlin Psychologie studiert und an der Universität Kaiserslautern im FB Maschinenbau promoviert. Von 1996 bis 2002 arbeitete Sie am Lehrstuhl für Produktionsautomatisierung sowie am Zentrum für Mensch-Maschine-Interaktion und wurde 2002 zur Juniorprofessorin für ‚Nutzergerechte Produktentwicklung' an der Universität Kaiserslautern berufen. Seit 1996 arbeitet sie als Usability Consultant. Sie ist außerdem Präsidentin des German Chapters der Usability Professionals’ Association e.V. Andreas Beu ist Senior Usability Consultant und Manager Industry Solutions bei der User Interface Design GmbH in München. Im Rahmen dieser Tätigkeit berät er Unternehmen aus dem industriellen Umfeld bei der benutzergerechten Gestaltung von Software Produkten und interaktiven Dienstleistungen. Anfang 2003 übernahm er zusätzlich die Leitung der UID Geschäftsstelle in München. Andreas Beu ist Vize-Präsident des German Chapters der Usability Professionals’ Association e.V. Mathias Peissner hat sein Studium der Psychologie an der Universität Regensburg 1999 abgeschlossen. Seit Anfang 2000 arbeitet er im Competence Center Human-Computer Interaction des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in Stuttgart. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Voice User Interface Design, Mobile Computing und Usability Engineering Methoden. Er ist Mitglied im Vorstand des "German Chapters der Usability Professionals Association". Marc Hassenzahl hat sein Studium der Psychologie mit Nebenfach Informatik an der Technischen Universität Darmstadt 1998 abgeschlossen. Danach arbeitete er als "Usability Engineer" im Fachzentrum "User-Interface Design" der Siemens AG in München und als "Senior Usability Consultant" bei der User Interface Design GmbH in München. Seit Oktober 2001 ist er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Psychologie der Technischen Universität Darmstadt in den Bereichen Sozialpsychologie, Forschungsmethodik und Urteilen und Entscheiden tätig. Seine Forschungsinteressen liegen im Bereich "Usability Engineering", attraktive Software (hedonische Qualität, Spaß bei Umgang mit Computern, "Joy of Use") und neue Analyse- und Evaluationsmethoden. Er ist Mitglied im Vorstand des "German Chapters der Usability Professionals Association". 78 Usability Professionals 2003 DAS NETZWERK DER REGIONALEN GRUPPEN DES GERMAN CHAPTERS DER UPA E.V. Sabine Stoessel Freie Informationsarchitektin Sigmundstr. 6 80538 München stoessel@ubibene.de www.ubibene.de ABSTRACT Das vorliegende Dokument beschreibt die Organisation des German Chapter der Usability Professionals Association e.V. (kurz GC UPA) auf regionaler Ebene. Nach einer kurzen Einleitung werden die einzelnen regionalen Aktivitäten und die regionalen Ansprechpartner vorgestellt. Abschließend erfolgen Informationen über das Beitreten und Gründen einer regionalen GC UPAGruppe. 2. DEUTSCHLANDWEITE INITIATIVEN Netzwerken passiert dort, wo Engagement ist. Hinter jeder Initiative stehen aktive Usability Professionals, die in ihrer Region Stammtische, Vorträge oder Themenabende organisieren. Diese regionalen Leiter sind Ansprechpartner ihrer Region und können bei Interesse persönlich auf der M&C 2003 oder per E-Mail kontaktiert werden. 2.1 Lübeck / Kiel Keywords Regionaltreffen, Neugründung Chapter- Der Usability Stammtisch Lübeck / Kiel trifft sich regelmäßig seit Januar 2003 in Kiel. Persönlicher Kontakt ist die Grundlage eines funktionierenden Netzwerkes. Die regionalen Initiativen des German Chapter der UPA e.V. bieten Usability Professionals die Möglichkeit der persönlichen Kontaktaufnahme mit der GC UPA und das Knüpfen neuer Kontakte - nicht nur mit den Organisatoren, sondern ebenso mit weiteren Usability-Interessierten der Region. Damit sind die Regionalgruppen die Knotenpunkte des GC UPA Netzwerkes. Stephan Raimer organisiert den Stammtisch. Regionalkontakte, 1. MOTIVATION In den letzten Monaten haben sich in ganz Deutschland regionale UPA-Initiativen gegründet. Diese Initiativen sind nicht nur Anlaufstellen für potentielle Interessenten, sondern ebenso „Augen, Ohren und Stimme“ der jeweiligen Regionen. Ansprechpartner Stephan Raimer e-Mail stephan.raimer@gc-upa.de URL http://kiel.gc-upa.de 2.2 Berlin Der Berliner Usability Stammtisch findet einmal im Monat an wechselnden Orten statt. Leiter des Stammtisches ist Jan Mühlig, Vorstand Relevantiv AG. Es ist erlaubt digitale und Kopien in Papierform des ganzen Papers oder Teilen davon für den persönlichen Gebrauch oder zur Verwendung in Lehrveranstaltungen zu erstellen. Der Verkauf oder gewerbliche Vertrieb ist untersagt. Rückfragen sind zu stellen an den Vorstand des GC-UPA e.V. (Postfach 80 06 46, 70506 Stuttgart). Proceedings of the 1st annual GC-UPA Track Stuttgart, September 2003 © 2003 German Chapter of the UPA e.V. Ansprechpartner Jan Mühlig e-Mail jan.muehlig@gc-upa.de URL http://berlin.gc-upa.de 79 Stoessel, S. 2.5 Dresden Der Dresdener Usability Stammtisch startet im Herbst 2003 in Zusammenarbeit mit der GI. Inhaltlich wird auch hier der Schwerpunkt im Usability Engineering und Anforderungsmanagement liegen. Durch die Mitwirkung von Prof. Liskowsky und Prof. Wünschmann von der TU Dresden werden aber auch Spezialthemen, wie z.B. EuroNormen, SW-Technologien oder behinderten-gerechte Gestaltung eine Rolle spielen. 2.3 Rhein / Ruhr Der Usability Stammtisch Rhein Ruhr trifft sich regelmäßig am ersten Mittwoch im Monat bei schlechtem Wetter im Haus Mengwasser, bei gutem Wetter ist der Treffpunkt das Cafe unter der Pegeluhr am Rheinufer. Ralph Hinderberger, Freelance Usability-Engineer über den Usability Stammtisch Rhein Ruhr: „Die Teilnehmer kommen zwar überwiegend aus dem Bereich der Telekommunikation, aber wir freuen uns über jeden Interessenten aus einem anderen Anwendungsgebiet. Die Gespräche finden in lockerer Atmosphäre statt und drehen sich zwar hauptsächlich, aber nicht ausschließlich um das Thema Usability“. Ansprechpartner Ralph Hinderberger e-Mail ralph.hinderberger@gc-upa.de URL http://rheinruhr.gc-upa.de Organisiert wird der Dresdener Usability-Stammtisch von Dr.-Ing. Gunter Dubrau (Dresdner Usability-Beratung) erreichbar unter gunter.dubrau@gc-upa.de Ansprechpartner Gunter Dubrau e-Mail gunter.dubrau@gc-upa.de URL http://dresden.gc-upa.de 2.6 Rheinland Der Rheinländer Usability Stammtisch befindet sich in der Entstehung. Dazu Arno Karrasch: „Wir sind noch dabei, uns mit den lokalen Verbänden auszutauschen und bauen den Verteiler auf. Das erste Treffen wollen wir bald in Angriff nehmen“. Das Einzugsgebiet erstreckt sich über Köln, Bonn und Düsseldorf 2.4 Hamburg Der Hamburger Usability Roundtable findet seit Frühjahr 2001 immer am ersten Montag im Monat statt. Organisiert wird der Hamburger Usability Roundtable von James Kalbach, Information Architect bei LexisNexis und Sven Heinsen, Dipl.-Psych., Wissenschaftl. Mitarbeiter & Doktorand am psychologischen Institut Uni Hamburg Lokale Ansprechpartner sind Arno Karrasch und Katja Busch. Arno Karrasch arbeitet selbstständig in der Beratung & Weiterbildung und ist über arno.karrasch@gc-upa.de erreichbar. Katja Busch, Dipl.Medienwirtin ist als Consultant bei KGB - Büro Klaus Greiner GmbH tätig (katja.busch@gcupa.de). Ansprechpartner Ansprechpartner James Kalbach Sven Heinsen e-Mail james.kalbach@gc-upa.de sven.heinsen@gc-upa.de URL 80 http://hamburg.gc-upa.de Arno Karrasch Katja Busch e-Mail arno.karrasch@gc-upa.de katja.busch@gc-upa.de URL http://rheinland.gc-upa.de Usability Professionals 2003 Das Netzwerk der regionalen Gruppen des German Chapters der UPA e.V. 2.7 Saar / Pfalz 2.9 Stuttgart Der Usability Stammtisch Saar / Pfalz trifft sich regelmäßig alle 5 Wochen, erstmals im Januar 2003. In aller Regel hat der Abend ein bestimmtes Thema bzw. eine Firma stellt sich vor. Der Stuttgarter Usability Stammtisch findet etwa alle sechs bis acht Wochen statt, meist im Anschluss an einen Vortrag des Arbeitskreis Interaktive Systeme, der von Astrid Beck geleitet wird. Der Vortrag findet im Schulungszentrum der Fiducia nahe dem Stuttgarter Hauptbahnhof statt. Kerstin Röse von der Universität Kaiserslautern und Kirsten Kohler, Projektmanagerin am Fraunhofer Institut für experimentelles Software Engineering organisieren diese Regionalgruppe. Ansprechpartner Die Teilnehmer werden über mehrere Verteiler zu den Veranstaltungen eingeladen, darunter auch der allseits bekannte sw-ergo. Dadurch ist der Kreis der gelegentlichen Teilnehmer sehr groß und heterogen. Das Einzugsgebiet konzentriert sich auf die Region Stuttgart, Gäste aus Frankfurt, Heidelberg, Freiburg, Ulm, etc. sind jedoch gerne willkommen. Die behandelten Themen sind sehr vielfältig. Die Ausweitung auf Usability Lab – Besichtigungen und Firmenbesuche ist geplant bzw. teilweise schon erfolgt. Kerstin Röse Kirsten Kohler e-Mail kerstin.roese@gc-upa.de kirsten.kohler@gc-upa.de URL http://saarpfalz.gc-upa.de 2.8 Frankfurt / Darmstadt Der Usability Stammtisch Frankfurt / Darmstadt findet alle zwei Monate statt. Marc Hassenzahl ist Gründer der GC UPA-Gruppe Frankfurt / Darmstadt. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am psychologischen Institut der TU Darmstadt. Matthias Peissner arbeitet seit 2000 im Competence Center Human-Computer Interaction des Fraunhofer IAO, Stuttgart. Ansprechpartner Matthias Peissner e-Mail matthias.peissner@gc-upa.de URL http://stuttgart.gc-upa.de Jürgen Mangerich arbeitet als Senior-Berater bei Zühlke Engineering. Für ihn bedeutet die GC UPA Networking, Erfahrungsaustausch, Lernen, und Tipps & Tricks für die tägliche Arbeit. Ansprechpartner Marc Hassenzahl Jürgen Mangerich e-Mail marc.hassenzahl@gc-upa.de juergen.mangerich@gcupa.de URL http://frankfurt.gc-upa.de 81 Stoessel, S. 2.10 München Der Münchner Usability Stammtisch München trifft sich regelmäßig seit Frühjahr 2001immer am letzten Donnerstag im Monat. Abwechselnd werden Vorträge gehalten, in Firmen eingeladen oder gemütlich beisammen gesessen. Patrick Huber, User Interface Manager bei Premiere Fernsehen und Sabine Stoessel, freie Informationsarchitektin sind die Ansprechpartner für den Münchner Usability Stammtisch. Ansprechpartner 3. GRÜNDUNG EINER REGIONALGRUPPE Möchten auch Sie: • ein Forum für Networking, Wissenstransfer, Erfahrungsaustausch und auch Weiterbildung für Usability Professionals schaffen • Ihre beruflichen Kontakte ausweiten • von Pressekontakten und Öffentlichkeitsarbeit persönlich profitieren • engagierte Usability Professionals auch privat kennen lernen • Aber in Ihrer Region gibt es noch keine GC UPA Ansprechpartner? Wenden Sie sich einfach an lokalgruppen@gcupa.de und gründen Sie Ihre eigene Gruppe. Das GC UPA Board steht Ihnen mit Tipps zur Seite und betreut Sie durch einen konkreten Ansprechpartner. Patrick Huber Sabine Stoessel e-Mail patrik.huber@gc-upa.de sabine.stoessel@gc-upa.de URL 82 http://muenchen.gc-upa.de Usability Professionals 2003 Das Netzwerk der regionalen Gruppen des German Chapters der UPA e.V. Referentin Sabine Stoessel erstellt als freiberufliche Informationsarchitektin Fachkonzepte und Informationsarchitekturen für User Interfaces und führt Usability Testings durch. Sie gründete 2000 den ersten deutschen Usability Stammtisch in München und ist Gründungsmitglied der gc-UPA. Seit 2002 betreut sie die regionalen gc-UPA Initiativen. 83 USABILITY REPORT DEUTSCHLAND 2003 EINE BEFRAGUNG ZUR SITUATION DER USABILITY PROFESSIONALS IN DEUTSCHLAND Andreas Beu User Interface Design GmbH Lehrer-Götz-Weg 11 81825 München andreas.beu@uidesign.de www.uidesign.de Ellen Reitmayr Universität Mannheim Schloss 68131 Mannheim reitmayr@uni-mannheim.de www.psychologie.uni-mannheim.de Daniel Mauch Carl Zeiss Vision Zeppelinstr. 4 85399 Hallbergmoos d.mauch@zeiss.de www.zeiss.de Kerstin Röse Zentrum für Mensch-MaschineInteraktion, User-centered Product Development Postfach 3049 67653 Kaiserslautern roese@mv.uni-kl.de Petra Vogt Pecos AG Musilweg 2 21079 Hamburg pvogt@pecos.de www.pecos.de www.mv.uni-kl.de Abstract Es gibt kaum Untersuchungen zur Arbeitssituation der Usability Professionals in Deutschland. Das German Chapter der Usability Professionals Association e.V. (gc-UPA) möchte mit einer umfassenden Befragung in Deutschland die individuelle und biographische Situation der Usability-Spezialisten, die eingesetzten und angebotenen Methoden, sowie das Honorar- und Gehaltsgefüge beleuchten. Ergebnisse der Befragung soll der „Branchenreport Usability 2003“ sein, der gleichermaßen für Usability Professionals, anwendende Unternehmen, ausbildende Organisationen, die Presse und die breite Öffentlichkeit interessant ist. Keywords UPA, Usability, Fragebogen, Methoden, Honorar, Gehalt 1. EINLEITUNG Usability – oder zu Deutsch „die Gebrauchstauglichkeit“ – ist ein etablierter Forschungsgegenstand in Es ist erlaubt digitale und Kopien in Papierform des ganzen Papers oder Teilen davon für den persönlichen Gebrauch oder zur Verwendung in Lehrveranstaltungen zu erstellen. Der Verkauf oder gewerbliche Vertrieb ist untersagt. Rückfragen sind zu stellen an den Vorstand des GC-UPA e.V. (Postfach 80 06 46, 70506 Stuttgart). Proceedings of the 1st annual GC-UPA Track Stuttgart, September 2003 © 2003 German Chapter of the UPA e.V. 84 verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen: Psychologen, Informatiker, Arbeitswissenschaftler, Designer, Soziologen und manche anderen Wissenschaftler aus benachbarten Bereichen beschäftigen sich schon seit Jahren damit. Der Durchbruch bei der Anwendung im Unternehmensalltag erfolgt im deutschsprachigen Raum jedoch nur zögerlich. In den USA dagegen, wo mit der Usability Professionals’ Association UPA schon seit 1991 ein eigener Berufsverband für Usability Spezialisten existiert, gibt es zahlreiche Firmen, die mit Usability Profis zusammenarbeiten bzw. eigene Usability Engineers angestellt haben. Die Website der UPA listet mehr als 60 Usability Dienstleister auf. Der größte von ihnen hat an die 100 Mitarbeiter [4]. In Deutschland ist das Thema Usability erst in den letzten Jahren verstärkt in das Blickfeld der Industrie gerückt. Besonders im Internet-Sektor fand das Thema viel Beachtung und auch MedienAufmerksamkeit. Die Bedienbarkeit hat hier eine besonders klar ersichtliche Bedeutung, da Websites direkt auf Anhieb überzeugen müssen, weil der Wettbewerber nur einen Mausklick entfernt ist. Aber auch in anderen Anwendungsbereichen – von der Öffentlichkeit eher unbemerkt – ebnete sich das Thema „Usability“ mehr und mehr den Weg in die Köpfe der Verantwortlichen. Die zahlreichen Neugründungen von Usability-Agenturen sind ebenso ein Indiz für diese Entwicklung wie die wachsende Anzahl von Stellenausschreibungen durch Unternehmen, die sich explizit an Usability Profis richten. Auf diese Art und Weise hat sich auch in Deutsch- Usability Professionals 2003 Usability Report Deutschland 2003 land ein Berufsbild für Usability Professionals entwickelt. Wie in jeder jungen, aber aufstrebenden Branche herrscht jedoch viel Unklarheit, viel Diskussion und viel Bewegung. Fragen nach Verdienstmöglichkeiten, Aufstiegsperspektiven, regionaler und branchenspezifischer Verteilung der Usability-Aktivitäten stellen sich. Welche Firmen agieren in diesem Bereich? Wie groß sind diese? Über welches Angebotsspektrum verfügen sie? Die Kenntnis des Preisgefüges wird als Grundlage für Business-Pläne und erfolgreiches Wachstum benötigt. Diese und viele weitere Fragen stellen sich jedem BerufsInteressenten, aber auch jeder Firma, die in dieses Thema investieren möchte oder muss. Um in der Branche professionell agieren zu können, ist es für alle sehr wichtig, einen „Marktüberblick“ zu haben. Dieser liegt jedoch bisher nicht vor. Derzeit existieren allenfalls Ansätze zu einem Branchenüberblick im Bereich Usability. So unternahm Jakob Nielsen 2001 im Rahmen seiner User Experience World Tour den Versuch, einen Gehaltsspiegel zu erstellen, um weltweit die Einkommenssituation von Usability-Spezialisten vergleichen zu können [1]. Dabei wurden nur diejenigen erfasst, die an der Seminarreihe teilnahmen – eine höchst spezielle Stichprobe. Auch der Hightext-Verlag unternimmt 2003 den Versuch, ein „Branchenhandbuch“ Usability herauszubringen – jedoch mit dem Fokus der Selbstdarstellung von Usability-Dienstleistern. Peissner und Röse haben 2002 eine Untersuchung zur Situation von Usability-Leistungen im Bereich der Webagenturen vorgestellt [2]. Alle diese Bemühungen bleiben bisher punktuell und haben nicht den Anspruch ein objektives, unverfälschtes Bild einer möglichst großen Menge aller in Deutschland im Bereich Usability Tätigen zu erheben. Aus diesem Grund ist das German Chapter der Usability Professionals Association e.V. (gc-UPA) als anerkannter Berufsverband der Deutschen Usability Profis angetreten, die Pionierarbeit zu leisten, den ersten Branchenreport Usability in Deutschland zu erstellen. 2. DER BRANCHENREPORT USABILITY 2003 Für den Branchenreport Usability muss das gc-UPA echte Basisarbeit leisten, da bisher wenige objektiven Daten vorliegen, die für einen Marktüberblick geeignet sind. Es erscheint am sinnvollsten im Sinne einer umfassenden Bestandsaufnahme mehrere Themengebiete zu beleuchten. Ingesamt kristallisieren sich vier Schwerpunkte heraus: 4. und der Gehaltsspiegel Wie aus den Themen Honorar- und Gehaltsspiegel schon ersichtlich, soll hierbei sowohl die Situation angestellter als auch selbständiger UsabilitySpezialisten erfasst werden. Natürlich können nicht alle Themen umfassend und unter Einbezug aller relevanten Abhängigkeiten in einem ersten Fragebogen behandelt werden. Vielmehr soll der Branchenreport Usability den Grundstein für eine empirische Untersuchung der Branche legen, dem mittelfristig weitere Detailuntersuchungen folgen. Die Schwerpunkte solcher Nachfolgeuntersuchungen werden entsprechend der Ergebnisse der Erststudie gesetzt: Stellt sich zum Beispiel heraus, dass in punkto angewandter Methoden noch viele Fragen offen geblieben sind, erscheint es sinnvoll, dort mit einer Detailstudie nachzusetzen. 2.1 Zielgruppen Der Branchenreport Usability dient (vgl. auch Abbildung 1) • zur Orientierung für jeden einzelnen Usability Professional • zur Information für anwendende oder interessierte Unternehmen und Organisationen • als Hintergrundinformation für ausbildende Organisationen und Institute • als Material für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Dem einzelnen Usability Professional soll der Branchenreport Usability behilflich sein, die eigene Position im Markt besser einschätzen zu können. So wird er dem Report beispielsweise entnehmen können, wie sich die Kollegen aus- und weiterbilden. Er kann sich informieren, welche Methoden eingesetzt werden, und hat damit einen Vergleich, ob er selbst noch „up to date“ ist. Er kann einschätzen, in welchem Bereich er sich mit seinem individuellen Gehalt im Vergleich zu den Branchenkollegen deutschlandweit bewegt. Der Branchenreport Usability soll auch einen Überblick darüber ermöglichen, welche Faktoren ausschlaggebend für ein höheres Gehalt sind, z.B. eine bestimmte Aus- oder Weiterbildung. Unternehmen profitieren vom Branchenreport Usability ebenfalls auf vielfältige Weise. Sie können durch den Marktüberblick einschätzen, welche Methoden die Wettbewerber einsetzen und vor allem, welche Preise dafür realisiert werden. Sie bekommen einen Einblick, welche Gehälter derzeit marktüblich sind und welche Voraussetzungen Bewerber typischerweise aufweisen oder aufweisen sollten. 1. die individuelle und biographische Situation der Usability-Spezialisten, 2. die eingesetzten und angebotenen Methoden, 3. das Honorargefüge im Sinne eines Honorarspiegels 85 Beu, A., Reitmayr, E., Vogt, P., Mauch, D. & Röse, K. Version bereits ab Mitte Juli 2003 zur Bearbeitung im Internet veröffentlicht. Anwendende Unternemen & Organisationen Usability Professionals Branchenreport Usability 2003 Ausbildende Institute & Organisationen Presse & Öffentlichkeit Abbildung 1: Zielgruppen, an die sich der Branchenreport Usability 2003 richtet Organisationen und Institute, die in der Aus- und Weiterbildung von Usability-Professionals engagiert sind, erhalten ebenfalls wichtige Informationen. Der Branchenreport Usability wird einen Überblick darüber geben, welche Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten Usability Professionals derzeit nutzen. Schließlich soll der Branchenreport Usability für die Presse eine wichtige Informationsquelle werden. Er ermöglicht Journalisten eine objektive Einschätzung der Branche, ohne allein auf individuelles PRMaterial einzelner Unternehmen oder Organisationen angewiesen zu sein. Dies ist ein wichtiger weiterer Schritt zur Professionalisierung der Branche. 2.2 Vorgehensweise Um einen möglichst breiten Überblick über die Branche zu erhalten, bot es sich an, die Daten vor allem über einen anonymen Fragebogen zu erheben. Der Fragebogen liegt in einer online veröffentlichten Form vor und wird zusätzlich in einer gedruckten Version auf der Mensch & Computer 2003 in Stuttgart ausgegeben. Die Durchführung einer quantitativen Befragung im Gegensatz zu qualitativen Interviews hat zum einen den Zweck, die Repräsentativität der ermittelten Daten zu gewährleisten. Durch eine möglichst umfassende Bekanntmachung der Umfrage auf verschiedensten Wegen soll eine möglichst große Stichprobe an Usability Professionals aus unterschiedlichsten beruflichen Umfeldern erreicht werden. Außerdem sollen durch anonymisierte Fragebögen Daten erfasst werden, die in einem persönlichen Interview vielleicht ungern genannt werden (z.B. Fragen nach Honoraren und Gehältern). Um bereits zur Mensch & Computer 2003 erste Ergebnisse präsentieren zu können, wurde die Online- 86 Trotz der genannten Vorteile sind zusätzlich zu dieser quantitativen Befragung qualitative Interviews vorgesehen, um vor allem den Bereich der eingesetzten Methoden etwas detaillierter untersuchen zu können. Geplant sind ca. 10 Interviews mit im Usability-Bereich arbeitenden Personen, die sich bezüglich der Eigenschaften des anstellenden Unternehmens möglichst stark unterscheiden und einen Querschnitt der Branche repräsentieren. 2.3 Der Fragenkatalog Entsprechend der Zielsetzung, ein möglichst breites Bild über die Usability-Branche zu verschaffen, wurde der Fragebogen mit einem relativ breiten Fragenspektrum angelegt. Um für den Honorar-Teil eine möglichst hohe Anonymität zu erreichen und einen Rückschluss auf einzelne Unternehmen oder Personen unmöglich zu machen, wurde der Fragenblock zu den realisierten Honoraren komplett vom übrigen Fragenkatalog getrennt. Später werden diese Daten getrennt gesammelt und ausgewertet. So soll die Basis geschaffen werden, diese heiklen Unternehmens- und Personendaten ohne Bedenken preisgeben zu können. Fragenkatalog zum Branchenreport Usability 2003 Allgemeine Fragen für den Branchenreport Usability Fragen zur Person Fragen zum Unternehmen Fragen zur Usability im Unternehmen Fragen zum UsabilityHonorarspiegel Erzielte Honorare Einschätzung der Lage Getrenntes Einsammeln und getrennte Auswertung Abbildung 2: Gliederung des Fragebogens Dementsprechend gliedert sich der Fragebogen in zwei unabhängige Teile (vgl. auch Abbildung 2): 1. Fragen für den allgemeinen Branchenreport Usability 2003 2. Fragen für den Usability-Honorarspiegel 2003 Jeder Teil hat der besseren Übersichtlichkeit halber eine zusätzliche Binnengliederung. Usability Professionals 2003 Usability Report Deutschland 2003 Der allgemeine Branchenreport Usability 2003 ist untergliedert in Fragen: a) zur Person b) zum Unternehmen c) zur Usability im Unternehmen Im ersten Teil macht der/die Befragte Angaben zur eigenen Person. Beantwortet werden Fragen zur eigenen Ausbildung, Berufserfahrung, sowie ergriffenen Weiterbildungsmaßnahmen. Anschließend wird nach den Eigenschaften des Unternehmens gefragt, in dem der Befragte arbeitet. Hauptsächlich geht es hier um Fragen wie zur Größe des Unternehmens oder die Anzahl an Mitarbeitern im Bereich Usability. Dieser Bereich wendet sich sowohl an Angestellte als auch an Selbständige. 3 Fragen zum Gehalt richten sich jedoch speziell an Angestellte. Darstellung der Ergebnisse Die Ergebnisse der Befragung werden als Branchenreport Usability 2003 in Berichtsform aufgearbeitet (vgl. Abbildung 3). Ziel ist es, den Branchenreport Usability 2003 einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen. Zusätzlich ist eine offensive Verbreitung der Resultate innerhalb und außerhalb der Usability Szene geplant. Dazu gehören beispielsweise weitere Veröffentlichungen sowohl in Fachmagazinen und auf Fachkonferenzen, wie auch in anderen Publikationen. Weiterhin wird die Presse angesprochen, um sie für das Thema zu interessieren. Der dritte Teilbereich zielt schließlich darauf ab, die Usability-Tätigkeiten des Unternehmens näher zu charakterisieren. In diesem Zusammenhang interessieren vor allem Fragen nach eingesetzten Methoden, zur Integration in den Projektablauf, nach dem Vorhandensein und der Ausstattung eigener Usabilty Labs und Methoden der Rekrutierung von Testpersonen. Der Usability-Honorarspiegel ist ebenfalls der besseren Übersichtlichkeit halber in Unterbereiche gegliedert: a) erzielte Honorare b) Einschätzung der Lage Dieser Teil der Befragung soll Auskunft über die von Unternehmen erzielten Honorare für "klassische" Usability-Dienstleistungen geben. Gefragt wird nach Art und Umfang bestimmter Angebotspakete, sowie dem Honorar, das üblicherweise für diese Dienstleistungen realisiert wurde. In diesem Zusammenhang interessiert auch die Zufriedenheit mit den erzielten Honoraren. Insgesamt werden 55 Fragen gestellt, die zum Teil in offenen und zum Teil in geschlossenen Antwortformaten vorliegen [3]. Offene Antwortformate, genau wie explorative Interviews, dienen dazu, relevante Kategorien zu erkennen, die in Folgeuntersuchungen eingesetzt werden können. Der Fragenkatalog kam in intensiver Diskussion und auf der Basis der vorliegenden Erkenntnisse zur Branche zustande. Bei der Konstruktion der einzelnen Fragen wurden bestimmte Hypothesen zugrunde gelegt, die sich aus dem Vorwissen über die Usability-Szene ergeben haben. Ein häufig genanntes Problem von Usability-Profis ist es beispielsweise, dass sie sich nicht 100% ihrer Zeit dem Thema selbst widmen können, sondern in ihrem Unternehmen zu einem großen Teil auch andere Aufgaben übernehmen. Durch eine Frage, die speziell auf dieses Phänomen abzielt, soll herausgefunden werden, wie verbreitet dieses Phänomen wirklich ist. Abbildung 3: Entwurf des Titelblatt zum ersten Branchenreport Usability 2003 3. WIE GEHT’S WEITER? Die Erstellung des Branchenreports Usability 2003 soll keine einmalige Aktion sein, vielmehr soll nach einem gewissen zeitlichen Abstand die Befragung wiederholt werden, um die Zahlen zu aktualisieren und Trends sichtbar zu machen. Dabei fließen natürlich methodische Erfahrungen aus der vorangegangenen Befragung ebenso ein wie Bedürfnisse der Usability Szene nach weiteren Informationen, die in der ersten Befragung noch nicht erhoben wurden. Doch es gibt noch viele Fragestellungen zum Thema „Usability“, die für Usability Professionals, Anwender, lehrende Organisationen und die Öffentlich- 87 Beu, A., Reitmayr, E., Vogt, P., Mauch, D. & Röse, K. keit ebenfalls sehr interessant sind, aber eigentlich nicht im Fokus des Branchenreports Usability liegen. Beispielsweise wäre eine Übersicht der Bedürfnisse und Anforderungen der anwendenden Unternehmen und Organisationen sehr aufschlussreich. Eine weitere interessante Frage könnte die Wahrnehmung des Themas „Usability“ bei den Konsumenten sein. Deshalb möchte das German Chapter der UPA e.V. versuchen, weitere Studien zu initiieren. Das gcUPA lädt daher alle Interessierten zu einer gemeinsamen Diskussion ein. Das Ziel ist, den Bedarf und die Themen für weitere Befragungen zu durchleuchten und möglichst nächste konkrete Schritte in die Wege zu leiten. Das gc-UPA bietet folgende Unterstützung hierfür an: • Fachliche Beratung • Zugang zu Usability Professionals • Bereitstellen des Namens und des Logos der UPA, um die Überzeugungskraft der Studie zu unterstützen • Unterstützung bei der Verbreitung 88 • Unterstützung bei der Vermarktung und Öffentlichkeitsarbeit Vielleicht gelingt es, den Startschuss zu einer Reihe von Studien unter dem Oberbegriff „Usability Report Deutschland“ zu geben, in der der Branchenreport Usability 2003 den Anfang macht. 4. REFERENZEN [1] Nielsen, J.: Salary Survey: User Experience Professionals 2001. Nielsen Norman Group 2001. [2] Peissner, M. und Röse, K., Usability Engineering in Germany: Situation, Current Practice and st Networking Strategies, Proceedings of the 1 EUPA conference (2002). [3] Bortz, J. und Döring, N., Forschungsmethoden und Evaluation für Sozialwissenschaftler, Springer Verlag (1995). [4] Usability Professionals’ Association UPA, http://www.upassoc.org (2003). Usability Professionals 2003 Usability Report Deutschland 2003 Referenten Andreas Beu ist Senior Usability Consultant und Manager Industry Solutions bei der User Interface Design GmbH in München. Im Rahmen dieser Tätigkeit berät er Unternehmen aus dem industriellen Umfeld bei der benutzergerechten Gestaltung von Software Produkten und interaktiven Dienstleistungen. Anfang 2003 übernahm er zusätzlich die Leitung der UID Geschäftsstelle in München. Andreas Beu ist weiterhin Vize-Präsident des German Chapters der Usability Professionals’ Association e.V. Ellen Reitmayr ist Studentin der Psychologie an der Universität Mannheim. Neben der Wahl entsprechender Studienfächer hat sie sich durch Praktika und das Schreiben ihrer Diplomarbeit in der Abteilung für User-Centered Design der IBM Entwicklung in Böblingen auf Software Usabiliy spezialisiert. Petra Vogt arbeitet als Consultant bei der Pecos AG in Hamburg. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Qualitätssicherung von Websites, besonders unter dem Gesichtspunkt Usability. Petra Vogt ist Autorin mehrerer Computer-Fachbücher. Sie ist Mitglied des Vorstands des German Chapters der Usability Professionals’ Association e.V. und dort für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Daniel Mauch ist bei Carl Zeiss Vision Projekt-Leiter für den Bereich Usability. Er ist dort zuständig für Prototyping, User Interface Design, Testing, Implementation, Entwicklung von Innovativen Bedienkonzepten und Einarbeitung des Usability Prozesses in die bestehende Firmenstruktur. Er ist außerdem Mitglied des Vorstands des german Chapters der Usability Professionals’ Association e.V. und dort zuständig für die Strategisches Zukunftsplanung. Kerstin Röse hat an der Humboldt Universität zu Berlin Psychologie studiert und an der Universität Kaiserslautern im FB Maschinenbau promoviert. Von 1996 bis 2002 arbeitete Sie am Lehrstuhl für Produktionsautomatisierung sowie am Zentrum für Mensch-MaschineInteraktion und wurde 2002 zur Juniorprofessorin für ‚Nutzergerechte Produktentwicklung' an der Universität Kaiserslautern berufen. Seit 1996 arbeitet sie als Usability Consultant. Sie ist außerdem Präsidentin des German Chapters der Usability Professionals’ Association e.V. 89 ERLERNEN UND ANWENDEN: PROJEKTERFAHRUNGEN MIT METHODEN BENUTZERZENTRIERTEN GESTALTENS FOCUS GROUP – ERHEBUNG DES INFORMATIONSBEDARFS FÜR DAS INTRANET „POLIZEI ONLINE“ Friederike Länge Hochschule der Medien (FB 3) Wolframstraße 32 70191 Stuttgart fl06@hdm-stuttgart.de www.hdm-stuttgart.de Silke Lotterbach Hochschule der Medien (FB 3) Wolframstraße 32 70191 Stuttgart silke@lotterbach.de www.hdm-stuttgart.de Stuttgart Focus Groups mit Polizeibeamten durch. ABSTRACT Im Projekt „Polizei-Online“ haben Studierende des Studienganges Informationsdesign der Hochschule der Medien (HdM) in Stuttgart eine Nutzungskontextanalyse für das Intranet der Landespolizei Baden-Württemberg erstellt. Dabei wurde die Methode der Focus Group angewandt, welche die Studierenden im Seminar Konzeption und Evaluation erlernten. Durch die Zusammenarbeit mit der Landespolizei bot sich den Studierenden die Möglichkeit, diese Methode anhand eines realen Projektes zu erlernen und praktisch anzuwenden. In studentischen Kleingruppen wurden 2002/2003 drei Focus Groups durchgeführt. Dr. Michael Burmester – Professor für Ergonomie und Usability an der HdM – betreute die Vorbereitung und Durchführung dieses Projektes. Die Landespolizei gewann durch die Zusammenarbeit wichtige Daten, die für den Relaunch der Intranetseiten verwendet werden. Keywords Focus Group, Polizei-Online, Ausbildung, Hochschule der Medien Stuttgart, Benutzerzentrierte Gestaltung, Nutzungskontextanalyse 1. EINLEITUNG Das Focus Group Projekt entstand durch die Kooperation der Hochschule der Medien in Stuttgart (www.hdm-stuttgart.de) mit der Landespolizei Baden-Württemberg. Diese betreibt in ihrem Intranet unter der Bezeichnung „Polizei-Online“ ein Bildungsund Informationssystem. Zur inhaltlichen Optimierung der Plattform führte der Studiengang „Informations- design“ der Hochschule der Medien in Es ist erlaubt digitale und Kopien in Papierform des ganzen Papers oder Teilen davon für den persönlichen Gebrauch oder zur Verwendung in Lehrveranstaltungen zu erstellen. Der Verkauf oder gewerbliche Vertrieb ist untersagt. Rückfragen sind zu stellen an den Vorstand des GC-UPA e.V. (Postfach 80 06 46, 70506 Stuttgart). Proceedings of the 1st annual GC-UPA Track Stuttgart, September 2003 © 2003 German Chapter of the UPA e.V. Ziel der Studie im Wintersemester 2002/2003 war es, herauszufinden, welche Informationen die Beamten wie schnell und in welcher Form benötigen. Im vorangegangenen Semester hatten die Studierenden des Studiengangs „Informationsdesign“ das Intranet der Polizei unter Usability-Aspekten evaluiert. Aus dem Bericht ging hervor, dass das Intranet erheblich besser strukturiert werden müsste, um für die Beamten attraktiv und nützlich zu sein. Für die Informationsdesign-Studierenden war dies eine gute Gelegenheit, den Studienschwerpunkt Konzeption und Evaluation zu vertiefen und praktische Erfahrungen mit einem realen Projekt zu machen. 2. METHODE – FOCUS GROUP Um möglichst vielfältige und qualitative Informationen von den Beamten zu erhalten, wurde die Methode der Focus Group gewählt. Dabei werden mehrere Personen gleichzeitig zu einem Thema befragt. Die Teilnehmer können sich unter Leitung eines Moderators gegenseitig austauschen und anregen. So können unterschiedliche Perspektiven und vielfältige Meinungen aufgezeigt werden. Die soziale Interaktion der Teilnehmer ist das unterscheidende Merkmal zu anderen Verfahren der Datengewinnung [1, 2, 3]. Anhand der Focus Groups sollte der Nutzungskontext des Intranets „Polizei-Online“ geklärt und Ideen für einen Relaunch der Seiten entwickelt werden. Zunächst wurden drei besonders wichtige Zielgruppen innerhalb der Polizei identifiziert, mit denen drei Studierendengruppen die Focus Groups durchführen sollten: Streifenbeamte, Ermittler und Führungskräfte. Die Studierenden des Studiengangs Informationsdesign bereiteten die Focus Groups in Kleingruppen vor und führten sie mit den jeweiligen Zielgruppen durch. Innerhalb von vier Monaten wurde ein detaillierter Moderationsleitfaden erarbeitetet, drei Focus Groups 93 Länge, F. & Lotterbach, S. durchgeführt und die gewonnenen Daten ausgewertet. In Übungen wurden die Studierenden für verschiedene Situationen sensibilisiert und konnten Sicherheit im Umgang mit problematischen Befragungs- und Moderationssituationen gewinnen. 2.1 Planungssitzung Bei der Planungssitzung war es wichtig, Umfang und Ziele des Projekts festzulegen. In der Studie sollten folgende Fragen geklärt werden: • Erhebung des Informationsbedarfs der Nutzer: Welche Informationen benötigen die Polizeibeamten bei ihrer Arbeit? • Erhebung des Anspruchs an die Qualität der Informationen: Wie aktuell und verlässlich müssen diese Informationen sein? • Erhebung von Perspektiven: Wie stellen sich die Nutzer die Zukunft des Intranets vor? Um Objektivität zu gewährleisten wäre die Durchführung von je zwei Focus Groups pro Zielgruppe ideal gewesen. Da das Seminar jedoch auf vier Wochenstunden begrenzt war, wurde nur je eine Focus Group pro Zielgruppe durchgeführt. Wichtige Kriterien für ein homogenes Ergebnis waren: • Jede Gruppe sollte den gleichen Anteil an Frauen und Männern haben. • Teilnehmer sollten unterschiedlich lange Berufserfahrung haben. • Alle Teilnehmer sollten auf der gleichen Hierarchiestufe stehen. Auf keinen Fall dürfen Vorgesetzter und Mitarbeiter in einer Gruppe vertreten sein. Dies hätte sich eventuell negativ auf die Offenheit einzelner Teilnehmer in der Gruppe auswirken können. 2.2 Moderationsleitfaden Ein guter Moderationsleitfaden trägt entscheidend zur Effektivität und dem Erfolg einer Focus Group bei. Der Moderationsleitfaden sollte vor der Anwendung getestet und gegebenenfalls überarbeitet werden. Die verschiedenen Phasen der Focus Group [4] sind im Moderationsleitfaden ausgearbeitet und mit Zeitangaben versehen: • Eröffnung: Begrüßung; Vorstellung; Organisatorisches. • Einleitung: Einstieg ins Thema und Aufbauen einer positiven Arbeitsatmosphäre. Frage: „Wann haben Sie zum letzten Mal im Dienst eine Information gesucht und nicht gefunden?“ • 94 Überleitung: führt in das Hauptthema ein. Frage: „Gehen Sie die letzte Woche in Gedanken durch und halten Sie alle Tätigkeiten auf einer Karte fest.“ • Schlüsselphase: Das Hautthema wird behandelt und die entscheidenden Daten werden gesammelt. Frage: „Welche Informationen haben Sie bei den jeweiligen Tätigkeiten benötigt?“ • Schlussphase: Das Thema wird abgerundet und abgeschlossen; die Teilnehmer erhalten die Gelegenheit, noch nicht Erwähntes anzubringen; Bedanken für die Mitarbeit. Im Projekt „Polizei Online“ enthielt der Moderationsleitfaden außerdem folgende Daten in einer übersichtlichen und schnell zu erfassenden Form • Die nötigen Vorbereitungen und Materialien am Tag der Durchführung. • Stichworte zum Vorgehen, Namen der handelnden Personen und Aufgabenverteilung. • Pausen, Bearbeitungs- und Diskussionszeiten. • Fragen und Ziele. Im Unterricht übten die Studierenden der Hochschule der Medien die Moderation der Focus Groups anhand des Leitfadens mit Kommilitonen als Teilnehmern. So konnten die Leitfäden im Vorfeld optimiert und die Moderation, Protokoll und Assistenz trainiert werden. Schwierige Situationen wurden im Vorfeld identifiziert und besprochen. Die Moderationsleitfäden für die verschiedenen Zielgruppen unterschieden sich nur in Details voneinander. Die Phasen, Aufgaben und Zeitangaben stimmten in allen drei Versionen überein, um die Ergebnisse miteinander vergleichen zu können. 2.3 Aufgabenverteilung Bei der Befragung zu Analyse des Nutzungskontextes ist folgende Haltung der Moderatoren von Vorteil: die Nutzer stehen im Vordergrund – sie kennen sich in ihrem Fachgebiet und Umfeld aus und sind dafür die Experten. Die Moderatoren fragen nach und versuchen, die Sicht- und Arbeitsweise der Nutzer zu verstehen – sie agieren wie Schüler [5]. Die Teilnehmer sollen sich möglichst authentisch verhalten, um reale Daten zu liefern. Im Projekt wurden pro Focus Group sechs Teilnehmer eingeladen. Die Moderatoren leiten den Diskussionsprozess und sind für die Durchführung der Focus Group verantwortlich. Es wurden für jede Focus Group zwei Moderatoren eingesetzt, um die hohe Verantwortung zu verteilen. Sie achteten darauf, dass der Moderationsleitfaden eingehalten wurde, konnten aber, wenn es nötig war, flexibel reagieren und auf die Teilnehmer eingehen. Die Protokollanten dokumentieren die Aussagen der Teilnehmer. Um die Aussagen auswerten zu können, ist es wichtig, dass sie den jeweiligen Teilnehmern zugeordnet werden können. Aus dem Protokoll muss auch hervorgehen, worauf sich die Aussagen beziehen. Im Transkript muss die Neutralität gewahrt werden, weshalb die Aussagen Usability Professionals 2003 Focus Group – Erhebung des Informationsbedarfs für das Intranet „Polizei Online“ chronologisch und möglichst wörtlich festgehalten werden sollten. Auf jeden Fall muss der Sinn erhalten bleiben. Es dürfen keine Interpretationen einfließen. Um ein möglichst präzises Transkript zu erstellen, wurden je zwei Protokollanten eingesetzt. Die Assistenten unterstützen die Moderatoren. Sie kümmern sich um die technische Unterstützung, Videoaufnahme, Arbeitsmaterialien und Getränke. In jeder Focus Group wurde ein Assistent eingesetzt. Im Projekt „Polizei-Online“ übernahm der Dozent die Rolle des Supervisors. Er verfolgte den Ablauf der Focus Group und konnte in schwierigen Situationen Tipps geben oder eingreifen. Die gute Teamarbeit war ein entscheidender Faktor bei der Durchführung. Die Studierenden konnten sich gegenseitig Hilfestellung geben und so Fehler vermeiden. 2.4 Durchführung Die Focus Groups wurden während der Dienstzeit der Beamten in den Räumlichkeiten der Polizei Baden-Württemberg durchgeführt und dauerten jeweils ca. 3,5 Stunden. Außer den oben erwähnten Teilnehmern war auch ein Vertreter der Projektgruppe „Polizei-Online“ als Beobachter anwesend. • Interpretation Bei der Interpretation wurden die Aussagen der Teilnehmer für den Abschlussbericht ausgewertet und komprimiert. Durch die Indexierung können alle Aussagen, die zur Interpretation geführt haben, zurückverfolgt werden. Nach der Auswertung lagen die Daten in übersichtlicher und strukturierter Form vor. Der Bericht, der an die Polizei Baden-Württemberg ging, erläuterte intensiv die Methodik, Durchführung und Ergebnisse der Focus Groups. 3. ERGEBNISSE Die Teilnehmer der Focus Group haben sich sehr konstruktiv an der Durchführung beteiligt, was zu einer großen Menge interessanter Informationen zum Informationsbedarf und zu den Anforderungen an das Intranet geführt hat. Insgesamt wurden 31 Themenkomplexe mit jeweils einer Fülle von Anforderungen erarbeitet. Folgende Beispiele demonstrieren die Art der erfassten Anforderungen und des Informationsbedarfs: • Den Streifenbeamten war es besonders wichtig bei der Aufnahme eines Verkehrunfalls unterstützt zu werden, zum Beispiel durch Formulare und Checklisten. • Für Ermittler ist es wichtig, auf aktuelle Listen mit Institutionen (Hotline/Telefonliste) für Opferbetreuung zugreifen zu können, da sie häufig mit Opfern und deren Angehörigen zu tun haben. • Nach jeder Focus Group folgte eine Besprechung der Moderatoren, Protokollanten und Assistenten mit dem Supervisor. Zu diesem Zeitpunkt sind Erfahrungen und Eindrücke noch sehr präsent und können leicht dokumentiert werden, um zukünftige Focus Groups zu optimieren. Außerdem können nochmals wichtige Ergebnisse festgehalten werden. Die Führungskräfte haben den größten Informationsbedarf. Sie brauchen Informationen, um Entscheidungen treffen zu können und Managementaufgaben zu erfüllen (z.B. Ressourcen- und Personal-Management). • 2.5 Auswertung Die Auswertung erfolgte in vier Schritten [5]. Alle Beamten waren sich einig darüber, dass gesetzliche Grundlagen unbedingt hochaktuell und zuverlässig sein müssen. Bei Informationen zur Meinungsbildung stand die Quellenangabe im Vordergrund. • Zu den Zukunftsperspektiven kamen wenige Anregungen. Dies ist vermutlich darauf zurück zu führen, dass es den Teilnehmern leichter fiel aktuelle Bedürfnisse zu formulieren als visionäre Wünsche. Es wurden die Teilnehmer nach dem Wunsch von Informationen zu eher privaten Informationen befragt. Hier zeigte sich, dass die Focus Group Teilnehmer eine klare Trennung zwischen Arbeit und Freizeit vornahmen. Trotz Nervosität war der Ablauf der Focus Groups zielgerichtet und erfolgreich, was für eine gute und präzise Vorbereitung sprach. Kleinere Probleme waren: • Die Verschiebung des Zeitplans. • Die Verspätung einzelner Teilnehmer. • Fixierung einzelner Teilnehmer auf spezielle Problemfelder. • Transkript Das Transkript enthielt eine chronologische Abfolge der Teilnehmeräußerungen ohne Interpretationen. • Textsegmente Aus dem Transkript wurden die einzelnen Aussagen der Teilnehmer extrahiert und aufgelistet. • Indexierung Bei der Indexierung wurden die Textsegmente inhaltlich gruppiert und bestimmten Inhalten (Indexen) zugeordnet. Die Anzahl der Unterpunkte in den einzelnen Bereichen variierte je nach Umfang der Informationen. 4. FAZIT Anhand des realen Projekts „Polizei-Online“ konnten die Studierenden intensive und praktische Erfahrungen im Umgang mit Focus Groups, benutzerzentrierter Vorgehensweise, Projektplanung, Organisation und Teamarbeit sammeln. 95 Länge, F. & Lotterbach, S. Im Gegenzug erhielt die Landespolizei eine qualitativ hochwertige Nutzungskontextanalyse zur Auswahl relevanter Informationen und deren Strukturierung im Intranets. Das Projekt mit einem Partner außerhalb der Hochschule zeigt auf, wie wissenschaftliche Methoden zur Datenerhebung und Analyse erfolgreich in der Praxis eingesetzt werden können. 5. TEAMARBEIT Folgende Personen trugen auf der Seite der Hochschule der Medien zum Gelingen des Focus Group Projekts „Polizei-Online“ bei: Der Dozent Prof. Dr. Michael Burmester und die Studierenden des Studiengangs Informationsdesign an der Hochschule der Medien Stuttgart – Yulia Abele, Agnes Bachtin, Beatrix Buck, Martin Burkart, Trixy Freude, Veronika Hilz, Ulrike Pfeil, Katrin Polzer, Jürgen Schiel, Mildred Schill, Silke Tanzer, Isabel Weissbrodt. 96 6. REFERENCES [1] Caplan, S. ‚Using Focus Groups Methodology for Ergonomic Design’, Ergonomics 33, 5, Seite 527-533 (1990). [2] Krueger, R.A. & Casey, M.A., ‘Focus Groups, A Practical Guide for Applied Research’, London: Sage (2000). [3] Nielsen, J., ‘Usability Engineering’, San Diego: Morgan Kaufmann (1993). [4] Wennecker, G. ‚Die Fokusgruppe. Eine Methode für die Requirementsanalyse zur ergonomischen Systemgestaltung.’ Diplomarbeit am Fachbereich Humanwissenschaften der Universität Osnabrück (2001). [5] Beyer, H. & Holtzblatt, K., ‘Contextual design: defining customer centered systems’, Morgan Kaufman Publishers (1998). Usability Professionals 2003 Focus Group – Erhebung des Informationsbedarfs für das Intranet „Polizei Online“ Referentinnen Friederike Länge studiert im 5. Semester Informationsdesign an der Hochschule der Medien in Stuttgart. Ein Schwerpunkt des Studiengangs ist es, Evaluationsmethoden kennen zu lernen und anzuwenden. Die Kooperation mit der Landespolizei BadenWürttemberg ermöglichte praktische Erfahrungen mit heuristischen Evaluationsmethoden und Focus Groups. Friederike Länge war vor ihrem Studium als Krankenschwester am Robert-BoschKrankenhaus in Stuttgart tätig. Sie wird ihr Studium voraussichtlich im Januar 2005 abschließen. Silke Lotterbach ist Studentin im 5. Semester Informationsdesign. Im Projekt „PolizeiOnline“ konnte sie den Studienschwerpunkt „Konzept und Evaluation“ praktisch vertiefen und Erfahrungen in der Durchführung von Focus Groups sammeln. Silke Lotterbach war drei Jahre als Werbe- und Medienvorlagenherstellerin tätig. Danach studierte sie vier Semester „Communication“ an der Napier University in Edinburgh/Schottland, bevor sie an die Hochschule der Medien in Stuttgart wechselte. Ihr Studiengang endet voraussichtlich im Januar 2005. 97 BEDIENERVERHALTEN UND FEEDBACKQUALITÄT BEI DER STEUERUNG EINER COMPUTERSIMULIERTEN HEIZUNGSANLAGE Claudia Schmeink Institut für Psychologie TU Darmstadt Hochschulstraße 1 64289 Darmstadt c.schmeink@web.de Jürgen Sauer Institut für Psychologie TU Darmstadt Hochschulstraße 1 64289 Darmstadt sauer@psychologie.tudarmstadt.de ABSTRACT Untersucht wurde der Einfluss unterschiedlicher Feedback-Qualitäten eines computersimulierten Heizungssystems auf das Steuerungsverhalten von Nutzern. Aufbereitetes Feedback unterstützte effizientes Steuerungsverhalten insofern, als eine detaillierte Rückmeldung über den Gesamtenergieverbrauch dabei zu einer besseren Steuerungsleistung führte. Weiterhin unterstützte eine graphische Darstellung der erreichten Raumtemperaturen im Vergleich zu den vorgegebenen den Nutzer bei der Systembedienung. Quantitative und qualitative Daten wurden bei der Untersuchung erhoben. In einer Nachbefragung zu der Bedieneroberfläche ergaben sich noch wesentliche Verbesserungsvorschläge. Gewünscht wurde u. a. ein Richtwert für die Menge an Energie, die normalerweise gebraucht wird, ein höherer Automatisierungsgrad und eine Anleitung, wie das Verschwenden von Energie zu vermeiden ist. Keywords Computersimulation, User Interface Design, HomeEnvironment 1. EINLEITUNG Bei der Suche nach Forschungsarbeiten zur Entwicklung und Gestaltung privat genutzter Geräte und Systeme findet man einige Veröffentlichungen (für einen Überblick: [1]). Untersuchungen zu Heizungssystemen gibt es jedoch nur wenige (z. B. Es ist erlaubt digitale und Kopien in Papierform des ganzen Papers oder Teilen davon für den persönlichen Gebrauch oder zur Verwendung in Lehrveranstaltungen zu erstellen. Der Verkauf oder gewerbliche Vertrieb ist untersagt. Rückfragen sind zu stellen an den Vorstand des GC-UPA e.V. (Postfach 80 06 46, 70506 Stuttgart). Proceedings of the 1st annual GC-UPA Track Stuttgart, September 2003 © 2003 German Chapter of the UPA e.V. 98 David Wastell Information Systems Institute University of Salford Salford, M5 5WT Great Britain d.wastell@salford.ac.uk [2]). Das ist erstaunlich, weil nahezu jeder Haushalt eine Heizung besitzt und zudem durch ungünstiges Heizverhalten Energie verschwendet wird. Damit gibt es Belastungen auf zwei Ebenen: gesellschaftlich durch die Umweltbelastung und durch das unnötige Verbrauchen von Ressourcen, und individuell durch vermeidbare Heizkosten. Unsere Untersuchung möchte einen Beitrag zur sinnvollen Gestaltung von Heizungssystemen leisten. In einer Voruntersuchung an 40 Haushalten in Südhessen stellten wir fest, dass derzeitige Heizungssysteme, falls sie überhaupt zugänglich sind, meist nicht transparent und damit für Laien nicht gut bedienbar sind. Ein Heizungsinstallateur riet dem Kunden beim Einbau des neuen Systems gar, dieses nicht zu verstellen, da es optimal eingestellt sei. Die Nutzer bekommen außer der jährlichen Heizkostenabrechnung und der tatsächlichen Temperatur in der Wohnung bei Anwesenheit keine Rückmeldung über die Güte des Heizverhaltens. Der Nutzer kann meist nicht nachvollziehen, ob er sparen könnte, wie viel und vor allem durch welche Maßnahmen. Laut Norman [3] jedoch soll der Benutzer leicht erkennen, wie das System funktioniert, welches Modell dahinter steht und zusätzlich den aktuellen Zustand des Systems feststellen können. Unangemessene Bedienung ist schließlich nicht das Erkennungszeichen eines schlechten Nutzers sondern eines suboptimalen Systems [4]. Unser Ziel ist es, Gestaltungsrichtlinien für Heizungssysteme zu entwickeln, die den Ansprüchen der Transparenz und der Bedienbarkeit gerecht werden. Das Problem der kostenintensiven Entwicklung komplexer Systeme für experimentelle Untersuchungen lässt sich durch den Einsatz von Simulationen umgehen (z. B. [5]). Diese bieten den Vorteil, mehrere mit Hilfe von qualitativen Daten entwickelte Benutzeroberflächen innerhalb kurzer Zeit von mehreren Nutzern parallel an verschiedenen Computern testen zu lassen. Zusätzlich ergeben sich ohne Mehraufwand verlässliche quantitative Daten, welche die Güte der Transparenz und Bedienbarkeit durch Leistungsmaße widerspiegeln. Usability Professionals 2003 Bedienerverhalten und Feedbackqualität bei der Steuerung einer computersimulierten Heizungsanlage 2. SIMULATIONSAUFGABE CHESS Unter Berücksichtigung der Erfahrungen und Rückmeldungen aus den Haushalten der Vorfelduntersuchung haben wir drei Bedieneroberflächen kreiert, die mit einem eigens dafür entwickelten computersimulierten Heizungssystem CHESS (Central Heating System Simulation) getestet werden können. Aufgabe der Benutzer ist es, eine 3-Zimmer Wohnung zu beheizen. Ihr Ziel ist es, ein vorgegebenes Temperaturniveau zu erreichen und zugleich den Energieverbrauch zu minimieren. Die Testpersonen stellen die Heizung zentral für jeden Raum der zu beheizenden Wohnung ein. Die Einstellung wird in einem Koordinatensystem vorgenommen, dessen Abszisse die 24 Stunden eines Tages und dessen Ordinate die zu erreichende Temperatur abbildet (siehe Abb. 1). Der Nutzer kann mit Hilfe der Maus einen Block markieren, der die gewünschte Betriebsdauer der Heizung und die zu erreichende Zieltemperatur darstellt. Diese Einstellungen können als Vorlagen gespeichert und modifiziert werden. F1 erhält der Nutzer in einer Monatsübersicht Rückmeldung über den Energieverbrauch und die Kosten aller simulierten Tage. Bei Feedbackqualitätsstufe F2 erhöht sich die Detailliertheit des Feedbacks noch um ein Maß für die geschätzte Energieverschwendung. Die Rückmeldungen werden unterschiedlich präsentiert. Alle Testpersonen bekommen für den jeweils zuletzt simulierten Tag eine Graphik, in der die erreichte Raumtemperatur für den Tag und Raum in einem der Heizungseinstellung entsprechen Koordinatensystem abgetragen ist (siehe Abb. 2). Als zusätzliche Information erhalten die Nutzer die Außentemperatur des Tages. Abbildung 2: Graphische Rückmeldung über die erzielte Raumtemperatur. In einem Monatsbericht erhalten die Versuchspersonen eine tabellarische Rückmeldung über ihre Ergebnisse (siehe Abb. 3). Diese ist unterschiedlich für die einzelnen Bedingungen. Abbildung 3: Tabellarische Rückmeldung im Monatsbericht, hier am Beispiel der Feedbackstufe F2. Abbildung 1: Einstellen der Heizung. Die drei getesteten Oberflächen unterscheiden sich im Grad der Transparenz des Systems. Die Systemtransparenz ist realisiert durch unterschiedlich detaillierte Rückmeldequalitäten über die erzielten Effekte der vorgenommenen Einstellungen (siehe Tab. 1). Versuchspersonen mit der Feedbackqualität F1 und F2 haben die Möglichkeit, Ihre Heizeffekte zusätzlich in einem Tagesbericht zu überprüfen. In dem Tagesbericht können Ergebnisse für alle Räume und Tage auch rückwärtig abgerufen werden (siehe Abb. 4). Feed- Rückmeldung zusätzlich zum erreichten back Komfort F0 Keine F1 Energieverbrauch / Kosten F2 Energieverbrauch / Kosten + Verschwendung Tabelle 1: Detailliertheit der Feedbackqualitäten. Rückmeldung über das Erreichen der vorgegebenen Zieltemperatur, im folgenden Komfort genannt, wird als grundsätzlich verfügbare Information angesehen und daher bei allen Rückmeldequalitäten konstant gegeben. Bei Feedbackqualitätsstufe F0 kann der Nutzer den Energieverbrauch am Ende eines simulierten Tages abrufen. In der Feedbackqualitätsstufe Abbildung 4: Tagesbericht am Beispiel der Feedbackstufe F2. 99 Schmeink, C., Sauer, J. & Wastell, D. 3. FRAGESTELLUNG UND HYPOTHESEN Ziel ist es zu ermitteln, welche Feedbackqualitätsstufe es dem Nutzer am einfachsten macht, die Heizung effizient zu regulieren. Effizient regulieren bedeutet in dem Experiment, zu genau definierten Zeiträumen in den einzelnen Zimmern genau vorgegebene Temperaturen zu erreichen und gleichzeitig möglichst wenig Energie zu verbrauchen. Unsere Hypothese ist, dass die Versuchspersonen mit den detaillierteren Rückmeldungen aus System F2 bessere Ergebnisse erzielen, also die vorgegebenen Temperaturen mit weniger Energie erreichen. Zudem prüfen wir, ob durch Übung implizites Systemwissen erworben wird und differenziertes Feedback überflüssig macht. 4. die dafür benötigte Menge an Energie (virtuelles Maß), die entstandenen Kosten in Euro und den geschätzten Anteil unnötig verbrauchter Energie. Im Anschluss an die experimentelle Phase erheben wir mit einem kurzen Fragebogen das gewöhnliche Heizverhalten der Versuchspersonen und das mentale Modell, mit dem die Heizung bedient wird. Zum Schluss befragen wir die Versuchspersonen in einem halbstrukturierten Interview noch zu den positiven und negativen Eigenschaften der Bedieneroberfläche und wie diese verbessert werden könnte. 5. ERGEBNISSE Bisherige Auswertungen scheinen zu bestätigen, dass sich eine erhöhte Rückmeldequalität positiv auf die Steuerungsleistung auswirkt (siehe Abb. 5). METHODE 4.1 Versuchspersonen Es nahmen 45 Studentinnen und Studenten an dem Versuch teil, die dafür mit 25 € entlohnt wurden. Die Stichprobe besteht aus 58% Ingenieursstudenten, 31% Psychologiestudenten und 11% Studierende anderer Studiengänge. An der Untersuchung haben 37,8% Frauen teilgenommen. 4.2 Versuchsdesign und Durchführung Unsere Untersuchung basiert auf einem 3x4 Versuchsplan. Die Variable Feedbackqualität hat drei Abstufungen (F0, F1 und F2), die Variable Durchführungsphase vier (Phase 1 bis 4). Der Versuchsplan ist in Tabelle 2 dargestellt. Die Versuchspersonen durchlaufen in unserem Design jeweils 4 Phasen. Jede Phase besteht aus von 30 simulierten Tagen. Aufgabe ist es, für diese 4 x 30 Tage eine 3-Zimmer Wohnung zu beheizen. Das Ziel ist dabei, die für jeden Raum vorgegebene Temperatur mit möglichst wenig Energie zu erreichen. Alle Personen bedienen in der ersten Phase das System F0, in dem außer dem Komfortlevel lediglich der Energieverbrauch des zuletzt simulierten Tages rückgemeldet wird. Diese Phase gilt als Baseline. Die nächsten zwei Phasen sind für je 15 VP entweder System F0, System F1 oder System F2. Die vierte Phase ist für alle Personen wieder gleich und besteht aus dem System F0. Phase 1 Phase 2 Phase 3 Phase 4 Gruppe F0 F0 F0 F0 F0 Gruppe F1 F0 F1 F1 F0 Gruppe F2 F0 F2 F2 F0 Tabelle 2: 3 x 4 Versuchsdesign (Feedbackqualität x Durchführungsphase) Durch die Computersimulation erhalten wir für jede Testperson und jeden simulierten Tag (also 4 x 30) Ergebnisse über den erreichten Komfort in Prozent, 100 Abb. 5: Effizienz der Steuerungsleistung als Funktion von Feedbackstufe und Bearbeitungsdauer. Die Nachbefragung ergab interessante Einblicke in das Nutzungsverhalten und Anregungen zur Verbesserung. Von allen Teilnehmern positiv bewertet wurde die Möglichkeit, die Heizung in einem Koordinatensystem durch Erzeugen von Heizblöcken einzustellen. Dies wurde als sehr anschaulich beschrieben. Entsprechend positiv fiel die Bewertung der graphischen Rückmeldung über den Temperaturverlauf (siehe Abb. 2) aus. Sowohl die graphische wie die tabellarische Rückmeldung über den prozentualen Grad der Komforterreichung wurde von allen Teilnehmern als Informationsquelle genutzt. Auch die Vorgehensweise ähnelte sich laut Interviewaussagen: war der erreichte Komfort auffällig gering, schauten die Personen in den graphischen Darstellungen nach, wodurch das Ergebnis verursacht ist, um Gegenmaßnahmen einzuleiten. Hierfür sahen sich die Teilnehmer mit Feedbackqualität F1 und F2 den Tagesbericht an, während die Teilnehmer mit Feedbackqualität F0 die graphische Darstellung des Temperaturverlaufs des letzten Tages nutzten. Die Rückmeldung über die verbrauchte Energie wurde von den Versuchspersonen weniger stark berücksichtigt, was nach Aussagen einiger Personen daran lag, dass kein Richtwert zur Bewertung der gebrauchten Energie zur Verfügung stand. Eine Rückmeldung von beispielsweise 394 verbrauchten Energieeinheiten gab keinen direkten Hinweis darauf, Usability Professionals 2003 Bedienerverhalten und Feedbackqualität bei der Steuerung einer computersimulierten Heizungsanlage ob das als ein gutes oder schlechtes Ergebnis zu interpretieren ist. Die entstandenen Kosten spielten bei der Evaluation der eigenen Bedienerstrategie eine sehr untergeordnete Rolle, da sie dem Energieverbrauch proportional entsprach. Das in der Feeback-Qualitätsstufe F2 rückgemeldete Maß für die Verschwendung wurde von allen Teilnehmern, die dieses Maß abrufen konnten, genutzt und als Informationsquelle sehr positiv bewertet. Einige Teilnehmer gaben an, in der letzten Phase, in der diese Information nicht mehr zur Verfügung stand, sensibilisiert gewesen zu sein für dieses Maß und mehr auf den Energieverbrauch geachtet zu haben. Insgesamt zeigten sich die Testpersonen zufriedener mit dem Feedbacksystem F2, dem System mit dem höchsten Transparenzgrad. Es ergaben sich aus der Nachbefragung wertvolle Hinweise zur Verbesserung der Bedieneroberfläche. Eine wichtige Anregung war, der Information zur Energieverschwendung den Grund für die Verschwendung hinzuzufügen. Als hilfreich wurde eine Anleitung für zukünftige Sparmaßnahmen gesehen. Diese sollte möglichst graphisch dargestellt werden. Weiterhin wurde eine automatische Anpassung des Systems auf sich verändernde Außentemperaturen angeregt. Einige Testpersonen wünschten sich insgesamt einen höheren Automatisierungsgrad des Systems. Kritisiert wurde vielfach die Umständlichkeit mit verschiedenen Fenstern arbeiten zu müssen. Angeregt wurde von diesen Personen, alle Funktionen und Rückmeldungen in einem Fenster zu integrieren. Vielfach wurde ein Richtwert für den durchschnittlichen Verbrauch gewünscht, der es dem Nutzer vereinfacht, die Verbrauchsangaben zu bewerten. In der Weiterentwicklung könnte das bedeuten, den Energieverbrauch direkt zu bewerten. 6. DISKUSSION Methodisch beinhaltete die Untersuchung die Erhebung quantitativer Daten durch die rechnergestützte Simulation und die Erhebung qualitativer Daten, einerseits durch das Aufzeichnen eines Journals mit dem alle Arbeitsschritte der Versuchspersonen nachvollzogen werden können, andererseits durch die Nachbefragung der Testpersonen. Diese Daten ergeben ergänzend ein umfassendes Bild über die Qualität der Benutzeroberfläche. Qualitative Daten zur Bedienbarkeit gaben wichtige Informationen zur Weiterentwicklung der Systemoberfläche. Die Erhebung von qualitativen Daten bietet zusätzlich die Möglichkeit, zu prüfen, welcher Transparenzgrad nötig und welche Feedbackinformationen relevant sind für die umweltgerechte Steuerung eines Heizungssystems. Das Ziel der Untersuchung war es, Gestaltungsrichtlinien für Heizungssysteme abzuleiten. Einige Aspekte der Untersuchungsergebnisse können auf die in der Regel eher kleinen Displays von Heizungsanlagen übertragen werden. Die Ergebnisse sind natürlich besonders relevant für die Gestaltung von PC gestützten Steuerungssystemen von Heizungsanlagen. Durch die Untersuchung sollten Hinweise für effektive Informationen und deren optimale Darstellung gewonnen werden. Das Heizungssystem wurde von den meisten Testpersonen möglichst automatisiert gewünscht. Dem Wunsch der Vollautomatisierung steht der Verlust der Kontrolle über das System dann entgegen, wenn es für den Nutzer nicht mehr Transparent ist. Hohe Transparenz löste sowohl größere Zufriedenheit bei den Testpersonen aus, als auch bessere Regulationsergebnisse aus. Heizungssysteme sollten also 1. einen hohen Automatisierungsgrad erreichen, 2. Systemfunktionen und Effektgrößen transparent darstellen, 3. Kontrollmöglichkeiten bieten und 4. detaillierte Hinweise darüber geben, wie das Heizverhalten optimiert werden kann. Letztendlich würde eine Bewertung der aktuellen Einstellungen des Systems dem Nutzer Anhaltspunkte für die Optimierung der Systemanwendung geben. Eine Weiterentwicklung des untersuchten Systems mit besonderem Fokus auf die praktische Umsetzbarkeit der Gestaltungsrichtlinien ist notwendig und wird folgen. 7. REFERENCES [1] Sauer J. und Rüttinger B., Nutzerorientierte Gestaltung von Gebrauchsgütern. In B. Zimolong und U. Konradt (Hrsg.): Enzyklopädie der Psychologie: Ingenieurpsychologie. Göttingen: Hogrefe (2003). Zur Begutachtung eingereichtes Manuskript. [2] Kempton W., Two theories of home heat control. Cognitive Science. 10, 75-90 (1986). [3] Sauer J., Wastell D., Hockey G.R.J., Crawshaw C.M. and Downing J.C., Designing micro-worlds of transportation systems: the computer-aided bridge operation task. Computers in Human Behaviour. 19 (2), 169-183 (2003). [4] Wandmacher J., Software-Ergonomie. Berlin: Walter de Gruyter & Co. (1993). [5] Norman D., The Design Of Everyday Things. Cambridge, MIT Press (1988). 101 Referenten Claudia Schmeink studiert seit 1998 Diplom - Psychologie am Institut für Psychologie der TU Darmstadt. Sie ist seit 1999 als wissenschaftliche Hilfskraft in der Arbeitsgruppe für MCI bei Herrn Prof. J. Wandmacher tätig. Ihr Praktikum absolvierte sie in der Abteilung für Personalentwicklung der Commerzbank AG, Frankfurt. Sie leitet seit 2000 für die innerbetriebliche Aus- und Weiterbildung der TU Darmstadt sowohl EDVSchulungen, als auch Seminare zum Thema „Argumentieren und Verhandeln“. Die Untersuchung ist zentraler Bestandteil ihrer Diplomarbeit, welche betreut wird von Dr. J. Sauer. Dr. Jürgen Sauer arbeitet als Hochschulassistent in der Arbeitsgruppe Arbeits- und Organisationspsychologie am Institut für Psychologie der TU Darmstadt. Zuvor war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Universitäten Bochum und Hull (GB) tätig. Seine Promotion schloss er im Jahre 1997 an der Universität Hull zum Thema „Human skill maintenance in complex work environments“ ab. Er studierte Psychologie in Giessen und erhielt einen M.Sc. in „Occupational Psychology“ von der Universität Sheffield. Seine Forschungsinteressen gelten der nutzerorientierten und umweltgerechten Gestaltung von Gebrauchsgütern und den Auswirkungen von Arbeit in komplexen hochautomatisierten Arbeitsumgebungen. In diesen Forschungsfeldern hat er zahlreiche Fachzeitschriftenartikel und Buchbeiträge veröffentlicht. David Wastell gained his Ph.D. in Psychology from the University of Durham in 1978. He then moved to the Applied Psychology Unit in Cambridge where he undertook a major project involving the psychophysiological analysis of stress and technological change in British Telecomm. In 1980, he moved to Manchester taking up a lectureship in Medical Informatics. He was promoted to Senior Lecturer in Information Systems in 1990, and in July 2000 took up his present position as Professor of the Information Society at the University of Salford. He is currently moving to the University of Manchester to take up a chair in the School of Computation. 102 Usability Professionals 2003 OPTIMIERUNG DER REDAKTIONELLEN WORKFLOWS IN EINER ONLINE-REDAKTION Patrick Schumacher Sapient Deutschland GmbH Speditionsstrasse 5 40221, Düsseldorf pschumacher@sapient.com www.sapient.de Boris Terwey Sapient Deutschland GmbH Kellerstrasse 27 81667, München bterwey@sapient.com www.sapient.de ABSTRACT Der vorliegende Artikel umfasst sowohl den Datenerhebungsprozess als auch die Entwicklung von Designlösungen für ein Content-ManagementSystem in einer Online-Redaktion. Die Datenerhebung erfolgte v.a. unter Verwendung ethnografischer Interviews. Basierend auf den gesammelten Daten wurden dann in partizipativen Designsessions gemeinsam mit den Redakteuren optimierte Kooperationsmodelle und Eingabeformulare erarbeitet. Keywords Ethnografische Interviews, partizipatorisches Design, Workflowoptimierung, essential Use Cases 1. EINLEITUNG In einer großen deutschen Online-Nachrichtenredaktion produzieren bis zu 100 Redakteure parallel Inhalte unterschiedlichster Art für verschiedene, gleichberechtigte Kanäle (Web, WAP, PDA und TV). Ein Content Management System (CMS) stellt das zentrale Arbeitswerkzeug dar, mit dessen Hilfe sämtliche Inhalte erstellt, arrangiert und veröffentlicht werden. Allerdings erschwerten die gegebenen Arbeitsabläufe und Eingabemasken eine effektive und effiziente Erledigung der täglichen Aufgaben. Neben der daraus resultierenden Unzufriedenheit der Redakteure gab die Höhe der anfallenden Betriebs- und Supportkosten den Anlass für das hier beschriebene Optimierungsprojekt. Rainer Wessler Sapient Deutschland GmbH Speditionsstrasse 5 40221, Düsseldorf rwessler@sapient.com www.sapient.de 2. PROJEKTBESCHREIBUNG Das Projekt wurde von Sapient’s Seite aus mit zwei Beratern aus dem Bereich User Experience und einem Projektmanager aufgesetzt. Von Kundenseite bestand das Projektteam aus den beiden Auftraggebern wie auch aus einer Arbeitsgruppe von ca. 6 Redakteuren. Das Projekt wurde in zwei Phasen zu je 3 Wochen abgewickelt. 3. PROJEKTZIELE Um einen Erfolg des Projektes anhand messbarer Kriterien überprüfbar zu machen, wurden in Einklang mit Sapient’s Arbeitsansatz für die Verbesserung der Gebrauchstauglichkeit [1] die folgenden messbaren Geschäftsergebnisse (Measurable Business Results, MBR’s) vereinbart [2]: Optimierung der Effektivität: • Verringerung der Fehlerhäufigkeit • Optimierung der Erlernbarkeit Optimierung der Effizienz: • Verringerung der „Time-to-Publish“ • Verringerung der notwendigen Interaktionsschritte pro Aufgabe • Optimierung der Erlernbarkeit Steigerung der Nutzerzufriedenheit: • Verringerung der Medienbrüche • Vermeidung von indirekten Interaktionsschritten 4. VORGEHEN Es ist erlaubt digitale und Kopien in Papierform des ganzen Papers oder Teilen davon für den persönlichen Gebrauch oder zur Verwendung in Lehrveranstaltungen zu erstellen. Der Verkauf oder gewerbliche Vertrieb ist untersagt. Rückfragen sind zu stellen an den Vorstand des GC-UPA e.V. (Postfach 80 06 46, 70506 Stuttgart). Proceedings of the 1st annual GC-UPA Track Stuttgart, September 2003 © 2003 German Chapter of the UPA e.V. In einem ersten Workshop mit den Auftraggebern wurde vom Projektteam das folgende Vorgehen vereinbart: 4.1 Ethnografische Interviews Da an der Veröffentlichung von einzelnen Inhalten fast ausnahmslos mehrere Nutzergruppen beteiligt sind, erschien es notwendig, neben den individuellen Arbeitsabläufen auch die Kooperationsmodelle unter den beteiligten Nutzern in dem gegebenen Nutzugskontext zu verstehen und zu beschreiben [3]. Eine 103 Schumacher, P., Terwey, B. & Wessler, R. ethnografische Beobachtung der Arbeitsgruppen am Arbeitsplatz wurde daher individuellen Labortests vorgezogen. Es wurden 22 Interviews durchgeführt, die sich aus den folgenden Komponenten zusammensetzten: • Einleitendes Interview, qualitative Erhebung von Schwachstellen und Verbesserungsmöglichkeiten aus der Sicht des Redakteurs • Aufgabenbearbeitung durch den jeweils befragten Redakteur in der betrachteten Arbeitsgruppe, teilnehmende Beobachtung und Hypothesenbildung durch den Interviewer. • Abschlussinterview, Validierung der durch den Interviewer gesammelten Eindrücke und Hypothesen, Erfassung von Aufgabenfrequenz, Feldnutzungshäufigkeiten und Nutzercharakteristika Die Ergebnisse der erhobenen Arbeitsabläufe wurden dann zur Beschreibung des Ist-Zustandes als Use Cases dokumentiert: Nutzerziel: Veröffentlichung eines PDA-Artikels Vorbedingung: Web-Artikel ist bereits erstellt Nutzerziel: Veröffentlichung eines PDA-Artikels Vorbedingung: Web-Artikel ist bereits erstellt notw. Vowissen: Kenntnis des Multichannelprozesses Nachbedingung: Fehlerfreie Artikelseiten in Web & PDA 1) Erzeugen eines verbundenen Artikels für den PDA-Kanal 2) Anpassung von Text- und Bildinformation für die Gegebenheiten des Ausgabemediums PDA Abbildung 2: Erstellung eines Plattformdokumentes in der Notation als "essentieller Use Case" (Auszug) 4.4 Analyse der essentiellen Use Cases & Gestaltung von Steuerelementgruppen Die zuvor beschriebenen „essentiellen Use Cases“ wurden im nächsten Schritt auf häufig wiederkehrende, generische Aktionen (Microtasks) untersucht. Es wurde dann versucht, Steuerelementgruppen zu gestalten, mit deren Hilfe diese generischen Aktionen auf der zukünftigen Bedienoberfläche abgebildet werden sollten. Die so entwickelten Steuerelementgruppen bildeten die Grundbausteine der überarbeiteten Bedienoberfläche. notw. Vowissen: Kenntnis des Multichannelprozesses Nachbedingung: Fehlerfreie Artikelseiten in Web & PDA 1) Öffnen des Masterdokumentes 2) Auswahl des Dokumenttyps, Klick auf ‚Generieren’ 3) Auswahl einer Plattform 4) Auswahl der Option ‚Inhalte übernehmen’ 5) Anpassung der Textinformationen 6) Öffnen des verbundenen Bild-Dokumentes 7) Wiederholung der Schritte 1) – 5) f. d. Bild-Dokument 8) Auswahl eines anderen Bildes 9) Anpassung der beschreibenden Bildinformationen Abbildung 1: „Erstellung eines Plattformdokumentes“- Liste der derzeit notwendigen Benutzeraktionen zum Erreichen seines Aufgabenzieles als „aktueller Use Case“ (Auszug) 4.2 Identifikation und Priorisierung von Usability-Problemen Basierend auf den erhobenen Daten und unter Berücksichtigung des Nutzungskontextes wurde eine erste Liste von Usabilty-Problemen erstellt und zusammen mit den dokumentierten Use Cases in einem Workshop mit Vertretern der befragten Redakteure validiert und priorisiert. 4.3 Erstellung von essentiellen Use Cases Um bei der Modellierung optimierter Arbeitsabläufe nicht zu sehr durch die aktuelle Implementierung des CMS beeinflusst zu werden, wurden die „aktuellen Use Cases“ in einem nächsten Schritt in „essentielle Use Cases“ überführt [4]. Hierfür werden die im Augenblick tatsächlich notwendigen Arbeitsschritte auf eine häufig deutlich kürzere Sequenz von Nutzer-Unterzielen reduziert: 104 Abbildung 3: Steuerelementgruppe zum Erstellen von Dokumentverweisen mit "Zuletzt Verwendet"Funktion 4.5 Initiales Formulardesign Mit Hilfe der zuvor entwickelten Steuerelementgruppen und unter Berücksichtigung der Variablen des Nutzungskontextes wurde für die wichtigsten Arbeitsabläufe eine erste Version von Eingabenmasken erarbeitet. 4.6 Anschließende Optimierung der Formularentwürfe mit den Redakteuren Die Formularentwürfe wurden schließlich in zwei partizipativen Designsessions mit den Redakteuren optimiert. Hierfür wurden die Formularentwürfe auf Poster gedruckt und unter Verwendung von Stiften und „Sticky Notes“ modifiziert. 5. DISKUSSION Mit Hilfe des oben beschriebenen Vorgehens war es uns gelungen, mit vergleichsweise geringem personellen und zeitlichen Aufwand ein komplexes System neu zu gestalten. So konnten vor allem durch die Verwendung ethnografischer Interviews tiefe Einblicke gewonnen werden. Es viel einmal mehr auf, dass durch die Beobachtung im tatsächlichen Arbeitsumfeld Optimierungsmöglichkeiten entdeckt wurden, die durch eine bloße Befragung oder einen Labortest nicht identifiziert Usability Professionals 2003 Optimierung der redaktionellen Workflows in einer Online-Redaktion worden wären, weil die Redakteure nach der mehrjährigen Arbeit mit dem System den Blick für einige Nutzungsprobleme bereits verloren hatten, und diese folglich auch nicht hätten berichten können. So profitierte die Lösung von der Tatsache, dass die Beobachter mit einem unvoreingenommenen Blick im tatsächlichen Nutzungskontext arbeiten konnten [5]. Für die partizipatorischen Designsessions bestätigte sich einmal mehr eine bereits häufig von uns gemachte Beobachtung: Um einen offenen Dialog zu gewährleisten und um ein möglichst ungehemmtes In-Frage-Stellen der gegenwärtigen Designlösung zu motivieren, sollten die Artefakte ein möglichst geringes technisches Niveau aufweisen. So erscheinen befragte Nutzer eher bereit, radikale Änderungen am Design zu fordern, wenn sie lediglich mit einer detaillierten Handskizze umgehen, als wenn sie bereits vollends gestaltete Screens oder gar klickbaren Prototypen vor sich haben. Zuruf“ innerhalb weniger Tage parallel zum laufenden Designprozess zu planen, durchzuführen und zu analysieren. Jedoch gilt bei diesen „weichen“ Methoden mehr denn je, dass die für qualitative Methoden empfohlenen Gütekriterien eingehalten werden dass also Vorgehensweise und erhobene Daten gewissenhaft dokumentiert, offengelegt und Rückschlüsse für alle (insbesondere den Kunden) nachvollziehbar gemacht werden. 7. REFERENCES [1] International Organization for Standardization: ISO 9241-10: Grundsätze der Dialoggestaltung (1998) [2] International Organization for Standardization: ISO 9241-11: Anforderungen an die Gebrauchstauglichkeit - Leitsätze (1998) [3] International Organization for Standardization: ISO 13407: Benutzer-orientierte Gestaltung interaktiver Systeme (2000) 6. ZUR PRAXISTAUGLICHKEIT SOFTWARE-ERGONOMISCHER METHODEN [4] Constantine L., Lockwood L., Software for Use: A practical guide to the methods of usagecentered design, Addison Wesley Professional (1999) Das beschriebene Projekt ist ein Beispiel für die erfolgreiche Anwendung qualitativer softwareergonomischer Methoden in der Praxis. Aufgrund der kurzen Projektlaufzeit schien es angemessen, statt quantitativer Methoden wie z.B. summativen Usability-Tests eher auf Methoden zu setzen, die ein detailliertes Verständnis der Nutzungsprobleme und die Einbeziehung des gesamten Nutzungskontextes garantieren (Ethnografische Interviews). Sobald das System implementiert und eingeführt ist, sind summative Tests bzw. Fragebogenstudien zur Dokumentation des Projekterfolgs geplant. [5] Mayhew D: The Usability Engineering Lifecycle: A practitioner’s handbook for User Interface Design, Morgan Kaufmann Publishers (1999) Für unser Tagesgeschäft zeichnet sich ab, dass qualitative pragmatische Methoden die größere Zukunft haben. Umfassendere Untersuchungen mit mehr als 20 Teilnehmern und geschichteten Stichproben sind eher die Ausnahme. Sapient ist eine führende Management- und Technologie-Beratung, die ihre Kunden bei Entwicklung und Support fortschrittlicher Technologien zur Erreichung messbarer Geschäftsergebnisse unterstützt. Hierzu verknüpft Sapient ein umfassendes Leistungsangebot mit einem integrierten Projektmanagement zu Projekten auf Festpreis- und Festlaufzeitbasis. Die ca. 1.500 Mitarbeiter arbeiten weltweit in 13 Büros in Nord-Amerika, Europa und Asien. In Deutschland unterhält Sapient Niederlassungen in Düsseldorf und München. So liegt denn auch eine besondere Herausforderung darin, entsprechende Studien gewissermaßen „auf 105 Schumacher, P., Terwey, B. & Wessler, R. Referenten Patrick Schumacher arbeitet als Associate User Experience bei der Management- und Strategieberatung Sapient. Zuvor war er zwei Jahre als Usability-Spezialist in der Designagentur frogdesign tätig und leitete die dortige Usability-Gruppe sowie das UsabilityLabor. Er studierte Informatik an den Universitäten Bonn und Warwick (England). Sein Hauptinteresse gilt der erfolgreichen Projektarbeit im Spannungsfeld zwischen Auftraggebern, Entwicklern und Designern. Weitere Interessengebiete umfassen Visualisierungstechniken, Mobile Devices sowie Agenten. Boris Terwey arbeitet als Manager Program Management bei der Management- und Strategieberatung Sapient. Zuvor war er beim Kundebindungssystem Webmiles und der Multimediaagentur Medialab als Projektmanager tätig. Boris Terwey studierte DiplomMedienberatung und Kunstgeschichte an der Technischen Universität in Berlin. Sein Hauptinteresse gilt der Planung, Steuerung und Koordinierung von multidisziplinären Projekten. Besonders wichtig ist Boris Terwey dabei die Sicherstellung eines „One-Team-Approach“ bei Projekten mit Vertretern aus Strategie, User Experience und Technik. Rainer Wessler arbeitet als Manager User Experience bei der Management- und Strategieberatung Sapient. Zuvor arbeitete er als Usability Engineer bei der User Interface Design GmbH in München. Rainer Wessler studierte Psychologie mit einem Schwerpunkt auf „Mensch-Maschine-Interaktion“ an der Universität Osnabrück. Sein Hauptinteresse gilt dem Transformationsprozess, in dem das gesammelte Wissen um den Nutzungskontext eines Systems in eine Designlösung überführt wird. 106 Usability Professionals 2003 PROJEKT HILWA BENUTZERORIENTIERTE GESTALTUNG EINES LERNCONTENTMANAGEMENTSYSTEMS FÜR DIE BERUFLICHE AUS- UND WEITERBILDUNG Stephan Raimer Learnability – E-Learning & Usability Mangoldtstraße 8 24106 Kiel raimer@learnability.de http://www.learnability.de ABSTRACT Im Rahmen des Projektes HILWA (Hypermediales Informationsund Lernsystem webbasierter Automatisierungslandschaften) wurde in einem benutzerorientierten Entwicklungsverfahren ein Prototyp eines Lernsystems entwickelt. Obschon ein sehr spezieller Inhaltsbereich für das Lernsystem gewählt wurde, kann die gewählte Vorgehensweise sowie das erstellte Framework als exemplarisch für andere Lernprojekte angenommen werden. der Leitidee Handlungskompetenz subsumieren sich unterschiedliche Absichten und Qualifikationen. Während etwa Schüler an allgemeinbildenden Schulen ein grundlegendes Verständnis typisch technischer Denk- und Handlungsmuster erwerben und an exemplarischen Beispielen erproben sollen, geht es in der gewerblich-technischen Aus- und Weiterbitdung darum, berufsspezifische Denk- und Handlungsmuster kennen zu lernen, bis zur Routine zu automatisieren und als transferierbare Muster für unbekannte berufliche Situationen, vor allem problembehaftete, bereitzuhalten. Keywords Benutzerorientierte Gestaltung, berufliche Aus- und Weiterbildung, Problemlösen, Lern-ContentManagement-System (LCMS), HILS Framework, Web-Schnittstellen. 1. EINLEITUNG Technische Bildung als Teil einer Allgemeinbildung kann in der heutigen, von Technik und Wissenschaft in hohem Maße geprägten sowie abhängigen Gesellschaft als grundlegend betrachtet werden. Leitidee und Ziel von Vermittlungsprozessen im Rahmen technischer Bildung ist dabei auf allen Niveaustufen (von allgemeinbildender Schule bis zu beruflicher oder universitärer Bildung) technische Handlungskompetenz, verstanden als disziplintypisches Denken und Handeln. Technische Bildung ist ein Persönlichkeitsmerkmal und charakterisiert sich als Prozess und Ergebnis, unter Es ist erlaubt digitale und Kopien in Papierform des ganzen Papers oder Teilen davon für den persönlichen Gebrauch oder zur Verwendung in Lehrveranstaltungen zu erstellen. Der Verkauf oder gewerbliche Vertrieb ist untersagt. Rückfragen sind zu stellen an den Vorstand des GC-UPA e.V. (Postfach 80 06 46, 70506 Stuttgart). Proceedings of the 1st annual GC-UPA Track Stuttgart, September 2003 © 2003 German Chapter of the UPA e.V. Abbildung 1: Auszubildende im Projekt HILWA Auch wenn sich die Absichten, Anforderungen und Randbedingungen im Rahmen solcher Vermittlungsprozesse unterscheiden, eins ist allen gemein: Immer muss der Lerner technische Informationsträger und Beschreibungsformen, z. B. Texte, technische Zeichnungen, Simulationen. Modelle, Realobjekte, im Rahmen seiner psychophysiologischen Grenzbedingungen wahrnehmen, decodieren und - je nach Zielsetzung - zu kognitiven oder psychomotorischen Netzoder Handlungsmustern generieren. Daher haben Medien, verstanden als Reizkonfigurationen von Informationsträgem und 107 Raimer, S. Beschreibungsformen, gerade in Vermittlungsprozessen im Rahmen technischer Bildung einen großen Einfluss auf den Lernerfolg, weil einerseits die umfassende Normung vor allem grafischer Beschreibungsformen für technische Systeme, andererseits die psycho-physiologischen Grenzbedingungen und medialen Vorerfahrungen des Lerners, aber auch Effizienzkriterien des Lernprozesses zu beachten sind. Analoges gilt, wenn Lehrfunktionen ganz oder in Teilen auf computergestützte Medien übertragen werden. Zeitgemäße Lernangebote – auch wenn sie durch computergestützte Lehrformen realisiert werden - sollten nicht mehr nur auf die alleinige Vermittlung von Wissen setzen, wie es nicht erst zuletzt durch Ergebnisse im Rahmen von PISA oder etwa der BCG Studie [1] gefordert wurde, sondern Handlungskompetenz (s.o.) zum Ziel haben. Im Rahmen beruflicher Aus- und Weiterbildung treten nun auch Lernsituationen auf, in denen der direkte Zugriff auf die betriebliche Realität – etwa auf wie auch immer geartete komplexe technische Systeme – nicht möglich ist. Somit werden Mediensysteme notwendig, die die Komplexität der Realität in skalierbarer Reduktion des Gültigkeitsumfanges abbilden. 2. ANFORDERUNGEN AN HILWA Bedingt durch die dargestellte Konstellation wurden Anforderungen, welche aus den verschiedenen Bereichen resultieren, formuliert; diese sollen im Folgenden in allgemeiner Form erläutert werden. Den größeren Rahmen bilden dabei die didaktischen Anforderungen durch die geplante Lernsituation. Softwaretechnische Anforderungen an die Gestaltung des HILWA Prototypen werden anschließend genannt. 2.1 Didaktische Anforderungen Konstruktionsmethodisches Denken und Handeln kann als Spezialfall menschlichen Problemlösens eingeordnet werden. Lernprozesse welche Problemlösemethoden anbahnen und optimieren sollen, müssen also derart gestaltet werden, dass sie Erkenntnisse der Denkund Problemlösepsychologie integrieren und anwenden. Dazu gehören die Begünstigung von Lern- und Wissenstransfer, wie auch die „Einsichtgewinnung in relativ einfach strukturierte Probleme, strategisches Denken, kreative Einfälle und Systemdenken“, die in spezifischer Weise geübt werden sollten (vgl. [3], S. 227). Das Projekt HILWA sollte einen Beitrag zur Optimierung von konstruktionsmethodischen Lernmustern im Rahmen von technischen Vermittlungsprozessen leisten; methodisches Vorgehen im Sinne von aktivem Umsetzen spezifischer Handlungs- und Denkmuster (vgl. etwa VDI 2221) im Lernprozess war somit erklärtes Ziel. Das Projekt HILWA wurde als Akzeptanz- und Optimierungsstudie angelegt und im Rahmen einer Dissertation [2] in Zusammenarbeit mit der Firma Festo Didactic (Denkendorf) realisiert. Exemplarischer Inhaltsbereich des Projektes HILWA war die industrielle IT, hier hat in den letzten Jahren verstärkt das Ethernet an Bedeutung gewonnen (Schlagworte sind hier etwa „Factory Automation“, „Industrial Ethernet“ etc.). Auf Basis von Web- und Internettechnologien wurden Durchgängigkeit und Standardisierung auf allen Ebenen der Fertigung – von der Feldebene bis zum ERP-System – eingeführt, eine Kompatibilität zwischen Office- und der industriellen Vernetzung hergestellt. Diese Veränderungen in der Produktionstechnik bringen auch neue Anforderungen an die berufliche Aus- und Weiterbildung in betroffenen Berufsbildern mit sich. Der Bereich webbasierte Automatisierungstechnik stellt hier einen Schnittpunkt betrieblicher Realität für Berufsgruppen wie Mechatroniker, IT-Systemelektroniker oder Fachinformatiker dar; je nach Sichtweise und Akzentuierung gilt es Web- und Internettechnologien in den Berufsbildern unterschiedlich zu verankern. 108 Abbildung 2: Verknüpfung Lernsystem - MPS Station Für das Lernprojekt HILWA sollte eine Konfiguration aus computergestütztem Lernangebot und einem MPS Versuchsstand („Modulares Produktionssystem“ der Firma Festo Didactic) erstellt werden, um industrielle Realität (dezentrales Bedienen und Beobachten, Fernwartung und –diagnose etc.) praxisgerecht abbilden zu können. Die Verknüpfung von Lerngegenstand und Versuchsstand sollte durch Web-Schnittstellen realisiert werden; zusätzlich wurde für die Beobachtung eine leistungsfähige steuerbare Web-Cam über dem Versuchsstand montiert (s. Abb. 2). Unter Nutzung dieser Gesamtkonfiguration von Lernwerkzeugen sollten dann von berufsgruppenübergreifenden Teams von Auszubildenden der genannten Berufsgruppen praxisnahe Problemstellungen bearbeitet werden. Usability Professionals 2003 Projekt HILWA 2.2 Softwaretechnische Anforderungen Für das hypermediale Informations- und Lernsystem wurde schon sehr früh im Projektverlauf eine Neuentwicklung geplant, hierbei sollte ein Entwicklungsverfahren in Anlehnung an DIN EN ISO 13407 (Benutzerorientierte Gestaltung interaktiver Systeme) realisiert werden. Schwerpunkte bezogen auf die Berufsgruppen geben sowie Einstellungen und Kompetenzen der Durch Nutzung von Content Management Techniken sollte HILWA eine weitestgehende Entkopplung der Lerninhalte von ihrer grafischen Repräsentation erlauben und dazu die Möglichkeit bieten, Prototypen sehr einfach zu modifizieren. Als Basis sollte die für Open-Source-Projekte (s. etwa www.campussource.de für den Hochschulbereich) weit verbreitete LAMP-Architektur (Linux, Apache, PHP und MySQL) genutzt werden. Zusätzlich sollte für die Realisierung interaktiver Funktionalitäten der Benutzungsschnittelle Java-Script genutzt werden. Basisfunktionalitäten sind stichpunktartig aufgeführt: im folgenden • Strukturierte Präsentation von (multimedialen) Lerninhalte • Dokumentation ergebnissen • Einbeziehung und Anwendung von Vorwissen • Erstellen von Lesezeichen und Textmarkern • Suchfunktionen • Hilfefunktionen zur Bedienung von Lernwegen und – 3. REALISIERUNG DES HILWA PROTOTYPEN Nutzungskontext (die Anforderungen an das Lernsystem durch dessen definierte Funktionen) und Benutzeranforderungen wurden zunächst in internen Diskussionen am Institut für Technik und ihre Didaktik (CAU Kiel) erörtert. Diese führten zur Erstellung von grafischen Templates (Photoshop Entwürfe), um Anordnung der GUI Elemente und Bedienkonzept zu illustrieren (s. Abb. 3). Auch mögliche Dialogabfolgen wurden zunächst mit statischen HTML-Templates intern erprobt und diskutiert. Kennzeichnend für diese ersten Gestaltungslösungen war eine „gleichberechtigte“, zweifache Navigationsfunktionalität an der linken bzw. rechten Seite (Einmal als „Content Naviagtion“ zur Abbildung der Sachstruktur des Lerngegenstandes sowie eine als „User Topics“ bezeichnete Lesezeichen-Navigation). Im nächsten Schritt wurden Berufsschulen kontaktiert und Auszubildende der genannten Berufsgruppen gebeten, einen informellen (nicht standardisierten) Vorfragebogen zu beantworten. Dieser sollte Aufschluss über den spezifischen Kenntnisstand bezüglich der thematischen Abbildung 3: HILWA GUI Template allgemeinen Computernutzung ermitteln (vgl. [2] 110f). Für die Realisierung von HILWA wurde sodann ein Framework für hypermediale Informations- und Lernmanagementsysteme (HILS Framework) entwickelt, welches eine klare Gliederung in Funktionsmodule aufweist. Die Funktionsmodule können als Bausteine für die Realisierung von konkreten Lernsystemen herangezogen werden, eine Übersicht gibt Tabelle 1. Die Funktionsmodule des Frameworks können als so genannte eingebettete Frames (iframes) in eine Benutzungsschnittstelle integriert werden. Abbildung 4 zeigt die schließlich realisierte Gestaltungslösung des HILWA Prototypen mit einer exemplarischen Inhaltsseite. Für die Evaluierung dieses Prototypen wurden zwei Teams von jeweils vier Auszubildenden mit Problemstellungen konfrontiert, die in eine praxisnahe Rahmenhandlung eingebettet war. Unter Nutzung des Lernsystems sollten diese Problemstellungen gemeinsam gelöst werden, zeitlicher Umfang waren vier Termine von jeweils mindestens drei Stunden Dauer. Abschließend wurde von den Auszubildenden der standardisierte Benutzerbefragebogen ISONORM 9241/10 [4] sowie ein weiterer informeller (nicht standardisierter) Abschluss-Fragebogen beantwortet, außerdem wurden durch Diskussionsrunden mit den Auszubildenden weitere Rückmeldungen gesammelt. In den Diskussionen wurden die Auszubildenden gebeten zum einen ihr Vorgehen und ihre Lösungen bezogen auf die Problemstellungen darzustellen. 109 Raimer, S. Außerdem sollten Sie ihre Erfahrungen und gegebenenfalls Benutzungsprobleme mit dem HILWA Prototypen darstellen. Auch die Ergebnisse des ISONORM 9241/10 und des AbschlussFragebogens wurden den Teilnehmern vorgestellt und mit ihnen diskutiert. Tabelle 1: Funktionsmodule des HILS-Framework Funktionsmodul Navigation Topic Bookmark Memo Session Search Textmarker Lernweg Lernscript Hilfe Datenbank Reporting 110 Merkmale und Aufgaben • Anzeige einer baumartigen Navigations-Strukur auf Basis der in einer Datenbank enthaltenen Sachstruktur der Inhalte • Anzeige von Links mit Aufrufparametern für das TopicModul • Dynamische Generierung einer gewählten Informationsseite aus den Inhalten der Datenbank (ggf. unter Einbettung von Medienobjekten) • Anzeige des Inhalts einer gewählten Informationsseite • Verwaltung von Nutzer-Lesezeichen • Anzeige der Nutzer-Lesezeichen als Links mit Aufrufparametern für das Topic-Modul • Verwaltung von Nutzer-Kommentaren und Ergänzungen, die einzelnen Informationsseiten zugeordnet werden • Sessionverwaltung der Nutzerdaten • Speicherung von Lern- und Informationswegen in die Datenbank (Clickstreams) • Volltextsuchfunktion durch alle Informationsseiten, Lesezeichen und Nutzer-Kommentare / Ergänzungen • Dynamische Erzeugung von Textmarkern (als farbige Hinterlegung des Textes in Form einer Grafikdatei) • Übersicht der aufgerufenen Seiten, erstellten Textmarker, Nutzer-Kommentare / Ergänzungen sowie Lesezeichen. • Erzeugung einer PDF-Datei zum Drucken und / oder Speichern (unter Einbeziehung von NutzerKommentaren und Lesezeichen) • Anzeige von Hinweisen und Hilfestellungen zur Bedienung • Abstraktionsschicht für den Datenbankzugriff für alle Module • Bereitstellung von abstrahierten Datenbankfunktionen (diese werden nur hier in konkrete PHP-Funktionen für eine bestimmte Datenbank umgesetzt) • Analysemodul für die Auswertung der Benutzer-Protokolldaten (z.B. grafische Click-Streamanalyse) Abbildung 4: GUI des HILWA-Prototypen 4. ERGEBNISSE UND AUSBLICK Die Akzeptanz- und Optimierungsstudie hatte eine positive Beurteilung des HILWA - Prototypen zum Ergebnis, dies wurde durch Ergebnisse im ISONORM 9241/10 Fragebogen wie auch durch Rückmeldungen der Benutzer in den Diskussionsrunden klar belegt (vgl. Abb. 5 und [2], 121f). Gleichzeitig muss dieses Ergebnis bedingt durch die kleine Stichprobe klar relativiert werden. Abbildung 5: Ergebnisse des ISONORM 9241/10 Es konnten relevante Optimierungsansätze für die Weiterentwicklung des HILS - Framework gewonnen werden, diese bezogen sich zum einen auf eine Erweiterung der Suchfunktion sowie auf eine fehlende „Undo“-Funktion beim Löschen von Textmarkern, Notizen oder Lesezeichen. 4.1 Exemplarität der gewählten Vorgehensweise Die Benutzerorientierte Gestaltung des Lernsystems konkretisierte sich in den folgenden Schritten: • Ermittlung der (medialen Vorerfahrung der Lerner • Anwendung von Gestaltungsnormen für die Entwicklung eines Prototypen • Nutzung von voneinander unabhängigen GUI - Einzelelementen (s. Funktionsmodule) und inhaltlichen) Usability Professionals 2003 Projekt HILWA • Evaluierung des Prototypen durch informelle Fragebögen sowie den ISONORM 9241/10 • Unterstützung der Diskussionsrunden • Gestaltungsoptimierungen Fragebögen durch Die Relation von Aufwand und Nützlichkeit, z.B. bezogen auf den Umfang der ermittelten Erkenntnisse beim gewählten Vorgehen kann als klar positiv eingeschätzt werden. Als effizient hat sich die Verwendung von informellen und standardisierten Fragebögen erwiesen (besonders bei automatisierbarer Auswertung - s. online Version des ISONORM 9241/10 [5]). Auch die Nutzung einer vergleichsweise kleinen Stichprobe von Auszubildende, die in einem realen Anwendungskontext über einen umfangreichen Zeitraum (>12 Stunden, bedingt durch die Problemstellungen) mit dem Lernsystem konfrontiert waren, hat sich bewährt. 4.2 Ausblick Resultierend aus dem Projekt HILWA wurde die Übertragung auf andere Zielgruppen und Inhaltsbereiche beschlossen, um weitere Evaluierungsdaten (auch in größerer Quantität) zu ermitteln. Ein Lernmodul im Bereich Physik (Zielgruppe Gymnasialschüler) wurde bereits abgeschlossen, weitere sind in Vorbereitung (z.B. im dem Bereich moderner Kfz-Technik). außerdem befindet sich eine Umsetzung der graphischen Benutzungsschnittstelle in Macromedia Flash in der Entwicklung. 5. REFERENCES [1] Studie der Boston Consulting Group: Die Zukunft bilden – Eine gemeinsame Aufgabe für die Schule und Wirtschaft, 02/2002. http://www.netzworkshop.de/dyn/bin/2142-25151-bcg-studie.pdf [2] Raimer, S., Anbahnung und Optimierung konstruktionsmethodischer Lernmuster mit hypermedialen Lernsystemen in der technischen Bildung, Elektronische Dissertation (2002) http://e-diss.uni-kiel.de/diss_631/ [3] Edelmann, W., Lernpsychologie, PVU, Weinheim, 6.Auflage (2002) [4] Prümper, J., Der Benutzerbefragebogen ISONORM 9241/10: Ergebnisse zu Reliabilität und Validität In: Liskowsky, R. / Velichkovsky, B.M. / Wünschmann, W. (HRSG.) SoftwareErgonomie ´97: Usability Engineering: Integration von Mensch-Computer-Interaktion und Software-Entwicklung Teubner, Stuttgart, 55-69 (1997) [5] Der Fragebogen ISONORM 9241/10 zur Beurteilung der Software-Ergonomie www.sozialnetz.de/awca/pq.asp?id=jsi Für das HILS – Framework ist die Entwicklung weiterer Funktionsmodule (z.B. Glossar) geplant, 111 Raimer, S. Referent Stephan Raimer ist Gründer der Firma learnability (Kiel), Anbieter von Dienstleistungen rund um E-learning & Usability. Nach dem Lehramtsstudium der Fächer Mathematik und Technik promovierte er 2002 an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel über Hypermediale Lernsysteme zum Doktor der Erziehungswissenschaften. Parallel zum Studium arbeitete er am Institut für Technik und ihre Didaktik in verschiedenen Einzelprojekten sowie für über zwei Jahre in Teilzeit als Softwareentwickler (ISION Internet AG, Ohltec AG) mit den Aufgabenbereichen Webentwicklung bzw. Softwareergonomie. Seit 2001 führt er Lehraufträge an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel aus. 112 Usability Professionals 2003 PHASZINATION ERGONOMIE: VON DER ENTLASTUNG AM FLIESSBAND ZUR INSPIRATION IM DESIGN PHASZINATION ERGONOMIE VON DER ENTLASTUNG AM FLIESSBAND ZUR INSPIRATION IM DESIGN Claudius Lazzeroni, Thomas Hofmann, Petra Gersch, Christian Noss Institut für Ergonomie und Designforschung Universitätsstraße 45117 Essen {c.lazzeroni, thomas.hofmann , petra.gersch, christian.noss}@uni-essen.de www.uni-essen.de/ied ABSTRACT Der vorliegende Beitrag schafft die Basis für eine grundlegende Erweiterung des Ergonomieverständnisses. Durch die institutionelle Verknüpfung von Kommunikationsdesign und Industrialdesign bereiten wir uns auf die Verschmelzung der Disziplinen in zukünftigen Anwendungen vor. Die Auseinandersetzung mit dem Leibraum, als komplexes Gefüge und dem Zeitraum, als gesellschaftlicher Kontext, zollt dabei dem Mensch zentriertem Design den nötigen Respekt. Somit verstehen wir Ergonomie als Bestandteil einer Grammatik der Fantasie. Keywords Design, Ergonomie, Produktentwicklung 1. EINLEITUNG „Das Wesen, dem Wesentliches mangelt, ist auf Technik angewiesen, und da liegt es nahe, von Tools, extensions of man und Armaturen der Sinne zu sprechen.“ (Bolz, 2002) Von diesen Tools ist der Computer zwar nur eines, jedoch ein enorm populäres, dessen Leistungsfähigkeit immer noch extrem zunimmt. Gordon E. Moore, der Mitbegründer der Intel Corporation, stellte bereits 1965 die Prognose auf, dass die Zahl der Transistoren, die sich auf einem Chip integrieren lassen, jedes Jahr verdoppeln werden. Jetzt schreiben wir das Jahr 2003. Um auch nächstes Jahr wieder Argumente zu haben einen neuen, Es ist erlaubt digitale und Kopien in Papierform des ganzen Papers oder Teilen davon für den persönlichen Gebrauch oder zur Verwendung in Lehrveranstaltungen zu erstellen. Der Verkauf oder gewerbliche Vertrieb ist untersagt. Rückfragen sind zu stellen an den Vorstand des GC-UPA e.V. (Postfach 80 06 46, 70506 Stuttgart). Proceedings of the 1st annual GC-UPA Track Stuttgart, September 2003 doppelt so schnellen Rechner verkaufen zu können, steht die Computerindustrie vor dem Problem, dieses enorme Leistungspotential auch nutzbar zu machen. Gelingt das nicht, wird die Maschine unterfordert. Auf der anderen Seite steht das Wesen, dem Wesentliches mangelt, der Mensch. Auch ihm attestieren Gehirnforscher seit geraumer Zeit Unterforderung, schließlich nutzt er nur einen Teil der Hirnkapazität. Somit steht ein unterforderter Mensch vor einer unterforderten Maschine, verbunden durch eine Tastatur, eine grafische Benutzeroberläche und eine Maus. Diese ist eine Interface-Errungenschaft von Douglas Engelbart aus dem Jahre 1964. Populär wurde dieses Interfacekonzept, bestehend aus grafischer Benutzeroberfläche und Maus, jedoch erst durch Apple Anfang der 80er Jahre. Apples Lisa hatte einen mit 5 MHz getakteten Prozessor und 1 MB Arbeitsspeicher, also etwa 0.2% der Leistung heutiger Rechner. Es scheint offensichtlich, dass dieses 20 Jahre alte Interfacekonzept der geeignete Ansatzpunkt für Innovationen ist. Aber wie könnten diese Aussehen? 2. INTERFACE MIT HAND UND FUß Die Diplomarbeit „Fisch kann man auch mit zwei Gabeln essen“ von Heidrun von Irmer ersetzt Tastatur und Maus durch ein multimotorisches Interface. Hier sind bei der Steuerung des Computers Hände und Füße im Einsatz. Jedoch geht es in der Arbeit nicht um die Entwicklung einer Bedienschnittstelle, die es dem Benutzer im Sinne der EN ISO 9241 erleichtert seine Ziele in einem bestimmten Nutzungskontext effektiv, effizient und zufrieden stellend zu erreichen. Vielmehr geht es darum, die Bedienung des Rechners zu einer völlig anderen Erfahrung zu machen. Dabei sind die Emotionen des Benutzers wichtig. Bei dieser Arbeit steht das prototypische Interface für mehr als nur die Bedienung einer Maschine, denn es löst beim Benutzer sinnliche Erfahrungen aus. © 2003 German Chapter of the UPA e.V. 115 Lazzeroni, C., Hofmann, T., Gersch, P. & Noss, C. 3. INTUITIVE BEDIENKONZEPTE Ergonomische Untersuchungen im Design haben zum Ziel, Produkteigenschaften bezüglich ihrer Ausrichtung auf den Menschen zu optimieren. Je einfacher ein Produkt zu bedienen ist, desto besser. Einfacher bedeutet vielfach, in seiner Funktionalität selbst erklärend. Bei der Betrachtung eines Funktionselements soll dem Benutzer deutlich gemacht werden, welche Aufgabe das Element hat und wie es bedient wird. Im Bereich der Produktentwicklung wird eine intuitive Bedienbarkeit gefordert und als das Ziel einer benutzergerechten Gestaltung angesehen. Abbildung 1: Aufbau der Diplomarbeit „Fisch kann man auch mit zwei Gabeln essen“ Ein solches Mensch-Maschine Interfacekonzept ist nicht zwangsläufig den Bereichen Spiel oder Kunst zuzuordnen. Schließlich wird eine andere beliebte „extension of man“ auf ähnliche Art bedient: das Automobil. Aber auch zur Steuerung von Computerspielen werden neben dem Joystick auch wesentlich komplexere Bedienteile angeboten, die zwar einen hohen Lernaufwand haben, dafür aber sehr unterhaltsame, sinnfällige und effiziente Steuerungen ermöglichen. Aber ab welchem Punkt kann man von einem intuitiv bedienbaren Produkt sprechen? Sobald es an einem Gerät ein Bedienelement gibt, welches in seiner Bedienungsweise bekannt ist, wenn nach einem Erlernprozess die Funktionsweise schlüssig erscheint und immer wieder erinnert wird? Ist ein Produkt intuitiv, wenn die grafische Gestaltung Iconifizierung aus bekannten Metaphern benutzt oder ist es dann intuitiv bedienbar, wenn es als Gesamtprodukt ohne Einschränkungen vom Menschen bedient werden kann? Aber wie kann dieser Zustand definiert werden? Produktentwicklungen werden von unterschiedlichen Seiten beeinflusst. Oft sind es Vorgaben von "Maßzahlen" räumliche Abmessungen, Größe und Anordnung von Bedienelementen,die dem Gestalter einen Rahmen vorgeben. Sie basieren auf Untersuchungen, welche sich nah am Status Quo orientieren. Die Ergebnisse liefern Entsprechendes. Sie verändern das Bestehende nur in Nuancen zu Gunsten des Benutzers. Die Aufgabe des Designs ist jedoch vielfach eine andere. Hier steht nicht unbedingt die Annäherung des Bestehenden an eine optimale Form, sondern das Hinterfragen eines bestehenden Konzeptes auf seine Sinnfälligkeit und Angemessenheit. Kann man bei einem Softwarebetriebssystem von intuitiver Bedienung sprechen, wenn die Icons eine dreidimensionale Anmutung haben oder bei einem Infotainment Modul im PKW Bereich, wenn es mit einem multifunktionalen Bedienknopf auskommt? Spricht man von einer signifikanten Verbesserung der Usability, sollte man sich neuen Konzepten zuwenden und sich lösen von bekannten und suboptimalen Konzepten. Beispiele für eine Annäherung an menschoptimierte Lösungen werden häufig nur in Form von Science Fiction Thematiken bekannt. Abbildung 2: Steuergeräte für Computerspiele 116 Usability Professionals 2003 Phaszination Ergonomie: Von der Entlastung am Fliessband zur Inspiration im Design 4. INSPIRATION IM DESIGN Eine menschzentrierte Sichtweise bildet die primäre Grundlage und den Ausgangspunkt für das Design. So unterschiedlich die Aufgaben auch sein mögen, steht der Mensch mit seiner physischen, psychischen und emotionalen Konstitution am Anfang des Designprozesses und gibt ihm so eine entscheidende Richtung. 5. QUELLEN [1] Bolz, N. „Im Blindflug über das globale Dorf.“; in: Essener Unikate Design & Neue Medien, Essen: Wissenschaftsverlag, 2002 [2] EN ISO 9241–11: Ergonomische Anforderungen für Bürotätigkeiten mit Bildschirmgeräten, Teil 11: Anforderungen an die Gebrauchstauglichkeit – Leitsätze. Berlin: Beuth Verlag, 1998 Abbildung 3: Interfacelösung aus dem Film Minority Report [3] Abblidung 1: Aufbau der Diplomarbeit „Fisch kann man auch mit zwei Gabeln essen“, Heidrun von Irmer [4] Abbildung 2: Steuergeräte für Computerspiele, Thrustmaster® [5] Abbildung 3: Interfacelösung aus dem Film Minority Report, Twentieth Century Fox & Dreamworks LLC 117 Lazzeroni, C., Hofmann, T., Gersch, P. & Noss, C. Referenten Prof. Claudius Lazzeroni 1988 - 1993 Mediendesign Studium, Bildo Akademie für Kunst und Medien, Berlin 1992 - 1996 Creative Director bei der Pixelpark AG 1996 Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der im stall GmbH seit 1999 Professor für Interfacedesign an der Universität Essen seit 2003 Mitglied des Instituts für Ergonomie und Designforschung Forschungsschwerpunkte Dramaturgie des Zwischenraumes: Die Ausarbeitung von neuen Kriterien für die Basis der gestalterischen Arbeit mit nicht linearen Medien. Das bedeutet Instrumente zu schaffen, um als Mensch souverän mit Informationen und Emotionen umgehen zu können. Das setzt die Entwicklung von neuen Informationsstrukturen voraus und führt zu bisher ungedachten Dramaturgieformen. Sinnlichkeit der neuen Medien: Um die unbegrenzten Möglichkeiten von multimedialen Werkzeugen systematisch als Kommunikationsinstrumente einsetzen zu können, bedarf es eines grundlegenden Verständnisses über menschliche Wahrnehmungsformen in den durch den Fortschritt veränderten Umgebungen. Wir befinden uns auf dem Weg zu einer neuen Grundlehre, die Wahrnehmungslehre sein muss, in ständiger Reflexion über die entsprechende Reizform einer neuen Technologie. Dipl. Des Petra Gersch 1991 - 1999 Studium des Industrial Design, Universität Essen 1997 - 1998 freiberufliche Tätigkeit als Designerin in verschiedenen Designbüros 1998 - 2000 Gestaltungskonzept für die feste Ausstellung STAHLWERK im Rheinischen Industriemuseum Oberhausen. Erarbeitung der kompletten Ausstellungsarchitektur und des Graphik Designs 1999 Diplom mit dem Thema: „Schnittstellengestaltung für intelligente Bürosysteme, unter Einsatz von Agentensystemen, in Kooperation mit dem Fraunhofer Institut für graphische Datenverarbeitung in Darmstadt“. 1999 Tätigkeit als Dozentin für Grundlagen des Designs am Zentrum für audiovisuelle Medientechnik der Technischen Akademie Wuppertal 1999 - Juni 2000 Wissenschaftliche Hilfskraft im Fachgebiet Ergonomie im Design seit Juni 2000 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Ergonomie und Designforschung Forschungsschwerpunkte Museen und neue Medien: Wie werden neue Medien in Museen eingesetzt? Wie könnte eine Vorgehensweise beschrieben werden die bewirkt, das analoge und digitale Konzepte bei der Planung eines Museums oder einer Ausstellung zu einer sinnvollen Einheit zusammengeführt werden. 118 Usability Professionals 2003 Phaszination Ergonomie: Von der Entlastung am Fliessband zur Inspiration im Design Dipl. Des Thomas Hofmann 1993 bis 2001 Industrial Design Studium, Universität-GH Essen und freiberufliche Tätigkeit als Designer 1995 - 1997 Mitarbeiter IKEA Deutschland, Bereich Inneneinrichtung, Lehrtätigkeit für Zeichenkurse 1997 Stipendium an der Danmarks Design Skole 1999 Gründung Designbüro 2000 - 2001 Anstellung bei der Fraunhofer Gesellschaft (Institut für Medienkommunikation) 2001 Diplom (in Kooperation mit der Fraunhofer Gesellschaft), Thema: „Entwicklung eines Arbeitsplatzes für Industrial Designer unter Einbezug der Möglichkeiten Virtueller Entwicklungsumgebungen“. Schwerpunkt war, die Arbeit in der VR den Vorgehens- und Denkweisen des Designers beim Entwurf anzupassen. Ausgezeichnet mit einem LuckyStrike Junior Designer Award (innovativstes Produkt), Designpreis Neunkirchen seit 2001 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Ergonomie und Design- wissenschaften, Lehrauftrag für Ergonomie und Interfacedesign an der Fachhoch-schule Coburg, Lehrtätigkeit an der Universität Essen, Ergonomie Forschungsschwerpunkte Entwicklung intuitiver Interfaces: Die Technologie heutiger Computer ermöglicht die Umsetzung hochkomplexer virtueller Werkzeuge. Zum großen Teil ist es jedoch so, dass diese wenig ergonomisch ausgelegt sind und wenig mit dem vom Designer gewünschten workflow zu tun haben. Ziel der Arbeit ist es, die Entwicklungsum-gebung am Rechner intuitiver und an den Designer angepasster zu gestalten. Bewertung des Skizzenprozesses: Im Zusammenhang der Entwicklung intuitiver Werkzeuge wird derzeit im Rahmen einer Studie der Skizzenprozess bei Designern untersucht. Es soll untersucht werden, wo Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei der Erstellung bestehen, gibt es typische Charakteristika bei allen Designern? Dipl. Des Christian Noss 1993 - 2001 Industrial Design Studium, Universität-GH Essen 1998 - 2000 Designer bei ERCO Leuchten im Bereich digitale Kommunikation seit 2000 Geschäftsführender Gesellschafter der Klickmeister GmbH, Designbüro für digitale Medien 2001 Diplom mit dem Thema: "e-dötzchen und Klickmeister, digitale Gestaltungs- strategien für unterschiedlich geübte Nutzergruppen". Mai 2001 Wissenschaftlicher Designwissenschaften seit Mitarbeiter am Institut für Ergonomie und Forschungsschwerpunkte Gestaltung Web basierter Werkzeuge: Wie können Arbeitsprozesse durch den Ein-satz Web basierter Werkzeuge vereinfacht, verbessert und beschleunigt werden und wie können solche Werkzeuge benutzerfreundlich gestaltet werden? Evaluation von Webangeboten mit dem Maus-O-Meter: Das Maus-O-Meter ist eine Methode die es möglich macht, die Interaktion von Nutzern innerhalb eines World Wide Web Angebotes aufzuzeichnen und zu rekonstruieren. So können Designer Nutzern beim Umgang mit einer Website "über die Schulter gucken", und das online. 119 METHODEN UND PROZESSE DESIGN FAKTOREN ALS EIN INSTRUMENT ZUR VERBESSERUNG DER QUALITÄT VON DESIGN-PROZESSEN Helmut Degen Vodafone Holding GmbH Global Products & Services Mannesmannufer 2 40213 Düsseldorf helmut.degen@vodafone.com, hdegen@acm.org ABSTRACT Der vorliegende Beitrag beschreibt ein Instrumentarium zu Steuerung und Optimierung von Design-Prozessen. Das Instrumentarium besteht aus sechs Design-Faktoren: Content, Funktion, Media, Wording, Layout, Linkage. Diese Faktoren werden konstruktiv im Rahmen der Anforderungsermittlung eingesetzt. Über die Auswertung der Ergebnisse von Usability Tests können mit Hilfe der Design-Faktoren Schwächen im angewandten Design-Prozess aufgedeckt und gezielt Verbesserungsvorschläge gemacht werden. Weiterhin werden weitere Nutzungsmöglichkeiten der Design-Faktoren benannt. Keywords Usability Engineering, Prozess-Qualität, ProzessSteuerung, Design-Faktoren 1. EINLEITUNG In vielen Branchen gehört das Steuern und Kontrollieren von Prozessen zum StandardInstrumentarium. Zum Handwerkszeug des Usability Engineerings gehört zwar das Messen der ProduktQualität, also das Messen der Usability-Qualität von User Interfaces, aber bisher kaum das Steuern und Kontrollieren des Design Prozesses. Der DesignProzess umfasst hier alle Phasen, wie sie beispielsweise in der ISO 13407 beschrieben werden. In diesem Beitrag wird ein Instrumentarium vorgestellt, mit dem ein Design-Prozess gesteuert werden kann. Es soll damit möglich sein, die Qualität des angewandten Design-Prozesses zu messen und gezielt Verbesserungsmaßnahmen Es ist erlaubt digitale und Kopien in Papierform des ganzen Papers oder Teilen davon für den persönlichen Gebrauch oder zur Verwendung in Lehrveranstaltungen zu erstellen. Der Verkauf oder gewerbliche Vertrieb ist untersagt. Rückfragen sind zu stellen an den Vorstand des GC-UPA e.V. (Postfach 80 06 46, 70506 Stuttgart). Proceedings of the 1st annual GC-UPA Track Stuttgart, September 2003 © 2003 German Chapter of the UPA e.V. abzuleiten. Das Steuern und Messen der Qualität von Design - Prozessen erfolgt mit so genannten Design-Faktoren, die später vorgestellt werden. Die Design-Faktoren sind Teil eines DesignProzess-Frameworks, das für Design-Projekte von webbasierten E-Business-Anwendungen am Competence Center “User Interface Design“ der Siemens AG entwickelt wurde [1]. Der Beitrag gliedert sich in folgende zwei Abschnitte. Im nächsten Abschnitt werden in Kürze die Phasen eines Design-Prozesses nach ISO 13407 vorgestellt. Im dritten Abschnitt werden die 6 Design-Faktoren und deren Verwendung in den Phasen Anforderungsermittlung, User Interface Design, Evaluation und Prozess-Verbesserung beschrieben. Der Beitrag schliesst mit einer Zusammenfassung. 2. DESIGN PROZESS Um die Anwendungsweise der Design-Faktoren zu zeigen, wählen wir hier beispielhaft einen DesignProzess nach ISO 13407, der nachfolgend skizziert wird: • Nutzungskontext-Analyse: Identifikation von Nutzungsumgebungen, Benutzerprofilen, Aufgaben, Werkzeugen und Funktionen, Dokumenten sowie Contents. Die Nutzungskontext-Anaylse gibt Aufschluss darüber, welcher Content und welche Funktionen im welchem Nutzungskontext für die Benutzungsoberfläche benötigt werden. • Anforderungsermittlung: Identifizieren erwarteter Eigenschaften der zukünftigen User Interfaces. Die Anforderungsermittlung gibt Aufschluss darüber, wie die Benutzungsoberflächen gestaltet werden sollen. • User Interface Design: Gestaltung der User Interfaces, basierend auf den Ergebnissen der Nutzungskontext-Analyse und Anforderungsermittlung • (Formative) Evaluation: Überprüfen der Qualität der User Interfaces im Hinblick auf typische Aufgaben und Szenarien der Benutzer. Identifikation von Verbesserungs- 123 Degen, H. potentialen und ggf. von Verbesserungsvorschlägen. • Prozess-Verbesserung: Analyse von Schwächen und ihrer Ursachen im Design-Prozess und Identifikation von Verbesserungsmaßnahmen. Diese Phase ist nicht Bestandteil des Prozesses gemäß ISO 13407 und Bestandteil der vom Autor vorgeschlagenen Methode [1]. Innerhalb der ersten vier Phasen (NutzungskontextAnalyse, Anforderungsermittlung, User Interface Design, Evaluation) werden üblicherweise spezifische Methodenbausteine verwendet. 3. DESIGN-FAKTOREN 3.1 Definition Basierend auf der Auswertung von mehreren Usability Test-Ergebnissen konnten 6 DesignFaktoren identifiziert werden. Mit diesen können die Usability Probleme in Klassen von User InterfaceElementen klassifiziert werden. Es handelt sich um folgende Faktoren: • Content: Welche Art von Content erwartet der Benutzer? Wie sollte Content gruppiert werden? • Funktion: Welche Art von Funktionen erwartet der Benutzer? Welchem Content oder ContentGruppen werden die Funktionen zugeordnet? • • Information zu erfassen. Für die Erfassung von Anforderungen im Rahmen von webbasierten EBusiness-Projekten (vor allem B2B) wurde eine spezifische Methode entwickelt, die im Kern die Design-Faktoren enthält. Diese Methode wird NOGAP bezeichnet [1]. Kernidee dieser Methode ist es, die beteiligten Benutzer ihre Vorstellungen visualisieren zu lassen. Zu den visualisierten Darstellungen (Skizzen) werden dann gezielt Fragen unter Berücksichtigung der Design-Faktoren gestellt (siehe Abschnitt 3.1). 3.2.2 User Interface Design Die im Rahmen der Anforderungsermittlung identifizierten gewünschten und/oder geforderten Eigenschaften der User Interfaces werden für das User Interface Design systematisch ausgewertet und im Design berücksichtigt. 3.2.3 Usability Evaluation Die Design-Faktoren können nicht nur zur Steuerung des Design-Prozesses verwendet werden, sondern auch zur Messung der bisher erreichten Qualität des User Interfaces. Hierzu wird für jedes identifizierte Usability-Problem geprüft, welchen der DesignFaktoren es zugeordnet werden kann. Für die Zuordnung gibt es pro Design-Faktor Leitfragen, die nachfolgend aufgeführt sind: • Media: In welcher Medienform (z.B. Text, Grafik, Sound) sollte Content und/oder Funktionen dargestellt werden? Content: Content fehlt auf dieser Webseite; angebotene Contents auf dieser Webseite sind überflüssig. • Wording: Welche Ausdrucksform (textuell, grafisch, akustisch) sollte für Content und/oder Funktionen gewählt werden? Funktion: Funktionen fehlen auf dieser Webseite; angebotene Funktion sind auf dieser Webseite überflüssig • Media: Die angebotene(n) Medienform(en) werden nicht verstanden; eine Medienform fehlt. • Wording: Eine angebotene Ausdrucksform wird nicht verstanden; eine angebotene Ausdrucksform wird missverstanden. • Layout: Die Anordnung der Elemente ist nicht erwartungskonform; Gestaltungsmittel sind nicht erwartungskonform gewählt • Linkage: Die Abfolge der Webseiten ist nicht erwartungskonform. • Layout: Wie sollten die einzelnen Elemente (Content, Funktionen) auf einer Webseite angeordnet werden? Wie sollten sie gestaltet werden? • Linkage: Wie ist die erwartete Abfolge von einzelnen Webseiten? 3.2 Anwendung der Design-Faktoren Die Design-Faktoren werden in den vier Phasen unterschiedlich angewendet. Im Rahmen der Anforderungsermittlung und des User Interface Designs steuern sie den Design-Prozess, während sie in der Usability Evaluation die Qualität messen. In der Phase Prozess-Verbesserung können Verbesserungsvorschläge identifiziert werden, um die Qualität des Design-Prozesses gezielt zu verbessern. Nachfolgend wird die Anwendung der Design-Faktoren in den vier Phasen detailliert beschrieben. 3.2.1 Anforderungsermittlung Die sechs Design-Faktoren werden während der Anforderungsermittlung als Leitfaden verwendet, um für einzelne Szenarien gezielt design-relevante 124 Grundsätzlich ist es möglich, ein Usability-Problem einem oder mehreren Design-Faktoren zuzuordnen. Nach der Zuordnung der Usability-Probleme zu den Design-Faktoren ergeben sich Häufigkeiten für die einzelnen Design-Faktoren. Die Häufigkeit pro Design-Faktor gibt Hinweise darüber, in welcher Phase Verbesserungsmöglichkeiten bestehen. Dies wird im nächsten Abschnitt beschrieben. 3.2.4 Prozess-Verbesserung Gemäß der Logik des Design-Prozesses können die Design-Faktoren den eingeführten Phasen des Design-Prozesses zugeordnet werden: • Content: Nutzungskontext-Analyse Usability Professionals 2003 Design Faktoren als ein Instrument zur Verbesserung der Qualität von Design-Prozessen • Funktion: Nutzungskontext-Analyse • Media: Anforderungsermittlung • Wording: Nutzungskontext-Analyse, derungsermittlung • Layout: Anforderungsermittlung, User Interface Design • Linkage: Anforderungsermittlung Anfor- Liegen beispielsweise besonders viele ContentProbleme vor, liegt die Ursache in der Nutzungskontext-Analyse und dort besonders bei den Schritten, die für die Erfassung von Contents durchgeführt werden. Liegen viele Wording-Probleme vor, so kann die Ursache in der Nutzungskontext-Analyse, aber auch in der Anforderungsermittlung liegen. Liegen beispielsweise Linkage-Probleme vor, so liegt die Ursache in der Anforderungsermittlung. Häufen sich also die Usability-Probleme bei einzelnen Design-Faktoren, so können die Phasen im Design-Prozess und innerhalb der Phasen die angewandten Methoden-Bausteine identifiziert werden, die dann gezielt verbessert werden können. Es kann natürlich auch das Ergebnis einer solchen Prozess-Analyse sein, dass ein Methoden-Baustein fehlt, der dann in den Design-Prozess integriert werden sollte, um bestimmte Fehler zu vermeiden. Nutzungskontext-Analyse nur unzureichend der relevante Content und die relevanten Funktionen identifiziert werden können. Ohne Anforderungsermittlung wird nicht der Flow zwischen einzelnen Webseiten erhoben. Die drei Design-Faktoren Content, Funktion und Flow stellen die tragenden Säulen eines benutzerfreundlichen Konzepts für Webseiten dar. Bei der Beschreibung der Ursachenermittlung wurde in den bisherigen Beschreibungen davon ausgegangen, dass sich die Ergebnisse des Design-Prozesses 1:1 umsetzen lassen. Es passiert in Projekten aber immer wieder, dass im Rahmen von Abstimmungsprozessen zwischen Projektbeteiligten (z.B. Technik und Marketing) Ergebnisse nicht 1:1 umgesetzt werden können. Wurde die Nicht-Umsetzung bei der Prozess-Schwachstellenanalyse als Schwäche der Benutzungsoberfläche identifiziert, dann liegt natürlich keine Schwäche des Design-Prozesses vor. Ein solches Ergebnis lässt sich dann bei späteren Abstimmungsprozessen als Argument einbringen, um zu versuchen, Design-Entscheidungen zugunsten der Benutzerfreundlichkeit zu beeinflussen. 4. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK Die Benennung einer Phase ist für die Ursachenermittlung ein sinnvoller Startpunkt. In der Regel reicht die Phasenbenennung nicht aus. Da jede Phase in der Regel aus mehreren MethodenBausteinen besteht, wird die Ursachensuche dann bis zur Identifikation des betreffenden MethodenBaustein fortgesetzt. In diesem Beitrag wurden 6 Design-Faktoren vorgestellt, mit denen es möglich ist, einen DesignProzess zu steuern, die Qualität eines DesignProzesses zu messen und damit gezielt einen Design-Prozess zu verbessern. Hiermit ist es Usability Engineers gezielt möglich, ihre Arbeitstechniken und eingesetzten Methoden zu verfeinern und gegebenenfalls mit notwendigen neuen Methodenbausteinen anzureichern. 3.2.5 Weitere Nutzungsmöglichkeiten Die Qualität eines Design-Prozesses kann übrigens auch dann gemessen werden, wenn dieser gar nicht bekannt ist. Für die Qualitätsmessung genügt die Durchführung eines Usability-Tests und dann die Zuordnung der Usability-Probleme zu den DesignFaktoren. Aus der Verteilung lässt sich dann ablesen, welche Qualität der Design-Prozess hat, der für die Gestaltung eines beliebigen User Interfaces angewendet wurde. Der hier vorgestellte Ansatz zur Optimierung von Design-Prozessen bezieht sich auf webbasierte EBusiness-Anwendungen und einen Design-Prozess nach ISO 13407. Für andere Anwendungsarten (z.B. auf mobilen Endgeräten) und andere Prozess-Arten ist ein ähnliches Optimierungsverfahren ebenfalls anwendbar. Hier sind zuerst die relevanten DesignFaktoren zu ermitteln und dann der Zusammenhang zwischen den Design-Faktoren und den ProzessPhasen herzustellen. Die Zuordnung von Design-Faktoren zu einzelnen Phasen des Design-Prozesses basiert auf der Struktur des Design-Prozesses. Wenn ein DesignProzess der Logik des Prozesses nach ISO 13407 folgt, gilt die vorgeschlagene Zuordnung. Wird ein anderer Prozess-Typ verwendet, so kann die Zuordnung zu einem anderen Ergebnis kommen. Der Zusammenhang zwischen Design-Faktoren und Phasen im Design-Prozess kann bereits bei der Projekt-Akquise genutzt werden. Es ist häufig zu beobachten, dass potentielle Auftraggeber nur bestimmte Arbeitspakete (z.B. nur das User Interface Design) beauftragen wollen. Der Usability Experte kann argumentieren, dass ohne ACKNLOWLDGEMENT Ich danke Petra Vogt für die kritische Durchsicht und das schnelle und konstruktive Feedback. 5. REFERENCES [1] Degen, H. and Pedell, S.: JIET Design Process for e-Business Applications. Appears in: Diaper, D. and Stanton, N. (eds): The Handbook of Task Analysis for Human-Computer Interaction. Lawrence Erlbaum (2003). [2] ISO 13407: Human-Centred Design Processes for Interactive Systems, ISO 13407: 1999. 125 Degen, H. Referent Dr. Helmut Degen arbeitet seit Beginn des Jahres bei der Vodafone Holding GmbH und ist für die Gestaltung von Messaging-Produkten verantwortlich. Zuvor war er als Principal Consultant im Competence Center „User Interface Design“ der Siemens AG tätig, hier verantwortlich für den Aufbau einer E-Business-Gruppe und die Gestaltung von E-Business-Anwendungen. Helmut Degen entwickelte das JIET Design ProzeßFramework für webbasierte E-Business-Applikationen. JIET wurde in internationalen Projekten angewendet und international publiziert. Zuvor arbeitete er an der Freien Universität Berlin, an der er im Fach Informationswissenschaft promoviert. Helmut Degen studierte Informatik, Betriebswirtschaftslehre und Philosophie an der Universität Karlsruhe (TH) und Semiotik an der Technischen Universität Berlin. Sein Hauptinteresse gilt der Optimierung von Design-Prozessen unter Berücksichtigung der Qualität von User Interfaces und den bestehenden Rahmenbedingungen in der industriellen Praxis. Sowohl die interdisziplinäre Ausbildung wie auch die interdisziplinäre und internationale Erfahrung sind Grundlage für eine erfolgreiche Projektarbeit und den Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis. 126 Usability Professionals 2003 METHODEN ZUR EINBINDUNG DES KUNDEN IN PLANUNG, DURCHFÜHRUNG UND AUSWERTUNG EINES USABILITYANWENDUNGSTESTS Sven Krause IBM e-business Innovation Center Alter Wandrahm 10 D-20457 Hamburg svekra@de.ibm.com ABSTRACT In Usability-Anwendungstests kommt der Einbindung des Kunden über den gesamten Projektverlauf besondere Bedeutung zu. Anhand von Beispielen aus der Praxis zeigen wir, wo diese Einbindung gewinnbringend und fruchtbar ist und diskutieren die Methoden, welche sich dafür besonders eignen. Demgegenüber diskutieren wir Projektphasen, in denen diese Einbindung kritisch, wenn nicht sogar kontraproduktiv ist. Keywords Usability, Anwendungstest, Kundeneinbindung 1. EINLEITUNG Die Einbindung eines Kunden in Planung, Durchführung und Auswertung eines Anwendungstests stellt einen wichtigen Faktor für das Gelingen des Projektes dar. Sie birgt aber auch eine psychologische Herausforderung für den UsabilityExperten (UE), welcher zwar den Input des Kunden berücksichtigen sollte, sich aber durch dessen Einfluss nicht im Ablauf des Projektes behindern lassen darf. Dies gilt gleichermaßen, für den Fall, dass es sich bei dem “Kunden“ um eine Abteilung des eigenen Unternehmens handelt, wie für externe Auftraggeber. Im Folgenden werden deshalb am Beispiel eines idealtypischen Projektablaufes anhand der einzelnen Projektphasen Nutzen und Risiken dieser Einbindung diskutiert. Jens Heuer IBM e-business Innovation Center Alter Wandrahm 10 D-20457 Hamburg jens.heuer@de.ibm.com etabliert. Sie gehören zu der Gruppe von Tests, in denen potenzielle Endnutzer im Rahmen unterschiedlicher Szenarien eine Reihe von Aufgaben innerhalb einer Website, einer Software, oder einer vergleichbaren Anwendung ausführen sollen. Anhand der Ergebnisse lassen sich gegenüber dem Kunden Aussagen bezüglich der Erlernbarkeit und Bedienbarkeit seiner Site treffen, es werden aber auch Heuristiken, wie zum Beispiel Erwartungskonformität und Fehlertoleranz berücksichtigt. Am Beginn einer umfangreicheren Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber steht dabei oft die Bewertung des Webauftritts oder einer Software. Gerade bei einem ersten Kontakt kann eine solche Bewertung eine psychologisch recht schwierige Aufgabe darstellen. Besonders bei einem negativen Urteil kann es seitens des Kunden zu erheblichen Akzeptanzproblemen kommen. Aus diesem Grunde ist es wichtig, den Auftraggeber von Anfang an in das Projekt einzubinden. Auch bei der Auswahl der Testteilnehmer, der Erstellung geeigneter Szenarien und der Definition von “Next Steps“ stellt der enge Kontakt zum Kunden eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg des Testverfahrens dar. 2.1 Formen der Zusammenarbeit Prinzipiell lassen sich in einem Projekt vier Möglichkeiten unterschieden, wie der Austausch zwischen dem Auftraggeber und einem Usability Experten (UE) ablaufen kann: • Information des Auftraggebers Der UE erarbeitet selbständig die entsprechenden Dokumente und gibt diese dem Auftraggeber zur Kenntnis. • Input von Kundenseite Hierbei stellt der Kunde Dokumentationen oder andere Materialien zur Verfügung. Diese Informationen können auch im Rahmen von sogenannten ‚Briefings’ persönlich oder telefonisch vermittelt werden. • Abstimmungen Hier gibt der UE Inhalte und Dokumente in einem vorläufigen Status ab. Der Auftraggeber erhält die Möglichkeit, die Dokumente 2. USABILITY- ANWENDUNGSTESTS Anwendungstests haben sich in den vergangenen Jahren als Standardverfahren in der Usability-Arbeit Es ist erlaubt digitale und Kopien in Papierform des ganzen Papers oder Teilen davon für den persönlichen Gebrauch oder zur Verwendung in Lehrveranstaltungen zu erstellen. Der Verkauf oder gewerbliche Vertrieb ist untersagt. Rückfragen sind zu stellen an den Vorstand des GC-UPA e.V. (Postfach 80 06 46, 70506 Stuttgart). Proceedings of the 1st annual GC-UPA Track Stuttgart, September 2003 © 2003 German Chapter of the UPA e.V. 127 Krause, S. & Heuer, J. einzusehen und in einem gemeinsamen Treffen Änderungswünsche zu besprechen. • Gemeinsames Erarbeiten von Ergebnissen In gemeinsamen Workshops werden bestimmte Arbeitsergebnisse unter Anleitung des UE erstellt, wobei Auftraggeber und UE zu gleichen Teilen Inhalte beitragen. 3. UMSETZUNG EINES ANWENDUNGSTESTS IM PROJEKT Der prinzipielle Ablauf eines Usability-Testing Projektes gliedert sich immer in sieben Phasen auf, in denen eine unterschiedlich starke Beteiligung des Auftraggebers möglich ist. Planung • Input • Workshop Design Rekrutierung Pilot • Abstimmungen • Abstimmung • Kein Kontakt Durchführung Auswertung • Beobachtung • Information 2 Grobkonzept Nutzergruppen def inieren 4 Untersuchungsgegenstand def . 5 Fragestellungen ausarbeiten 6 7 Auf gaben/Szenarien Feinkonzept 8 Szenarien schreiben 9 Maße festlegen 10 11 12 Logisit k v orbereiten Rekrutierung Rekrutierungsprozess 13 Fragebögen v orbereiten 14 Agentur brief en 15 16 01. Sep ' 03 08. Sep '03 15. M D M D F S S M D M D F S S M Kickoff 3 Rücksprache mit Agent ur Abstimmung Testt eilnehmer 17 Pilot 18 Durchführung 19 Auswertung 20 Präsentation & Next Steps 21 Lessons Learned Abbildung 2: Typischer Projektplan eines Anwendungstests Aus dieser Grafik wird deutlich, dass die einzelnen Phasen starke Abhängigkeiten aufweisen. Gerade parallel ablaufende Phasen sind zeitkritisch, so dass hier eine problemlose Abstimmung mit dem Auftraggeber entscheidend für die Einhaltung des Zeitplans ist. 128 Welchem Ziel dient der Test? Es gibt Situationen, in denen Usability – Untersuchungen nicht einfach nur dem Zweck der Produktverbesserung, sondern als politische Argumentationshilfen dienen. • Wer ist der zentrale Sponsor (wer gibt den Test in Auftrag)? • Wer ist der fachliche Ansprechpartner zur Klärung von Fragen und zur Durchsetzung von Entscheidungen? • Wer sind die verschiedenen Gruppen (Marketing, Entwicklung etc.), die ggf. in den Test mit einbezogen werden sollten? • Workshops Überführt man diese generellen Phasen in einen Projektplan, ergibt sich folgendes Bild: Name • Präsentation Abbildung 1: Phasen eines Usability-Tests. "Dunkle" Elemente stehen für intensiven Kontakt, helle Phasen für wenig oder keinen Kontakt Nr. 1 3.1 Planung: Klärung von Rahmenbedingungen und Verantwortlichkeiten Ein wichtiger Aspekt bei der Vorbereitung eines Usability-Tests ist die Sondierung der bei einem Auftraggeber bestehenden ‚politischen Landschaft’. Hiermit sind alle organisatorischen Faktoren gemeint, die die Durchführung des Tests und vor allem die Aufbereitung und Präsentation der Ergebnisse betreffen können. Als wichtig haben sich insbesondere folgende Aspekte herausgestellt: Sind diese Punkte nicht im Vorfeld des Tests geklärt, kann sich die Abstimmung und die Durchführung der eigentlichen Untersuchung stark verkomplizieren, wenn zum Beispiel die Art der zu rekrutierenden Testteilnehmer nicht mit dem Auftraggeber abgestimmt werden kann. Einige dieser Fragen lassen sich erst bei dem im folgenden beschriebenen Kickoff-Workshop bearbeiten. Spätestens dann ist ihre Beantwortung jedoch unerlässlich für eine erfolgreiche Umsetzung des Projektes. Vor der Durchführung des Kickoff-Workshops sollten zusätzlich alle Informationen vorliegen, die der Auftraggeber zur Verfügung stellen kann. Hierbei handelt es sich um Informationen über Zielgruppen (z.B. aus Marketingstudien) oder vorherige Aktivitäten zum Thema Usability (z.B. bereits durchgeführte Tests, Umfragen etc.). Um möglichst schnell und effizient an diese Informationen zu gelangen ist ein guter Kontakt zu einem zentralen Ansprechpartner des Auftraggebers unerlässlich. Dieser übernimmt die Aufgabe, die Dokumente ggf. aus verschiedenen Fachabteilungen und Unternehmensbereichen einzusammeln und zur Verfügung zu stellen. Diese insgesamt recht umfangreichen Vorbereitungen ermöglichen eine genaue Planung der weiteren Aktivitäten und stellen sicher, dass der Test innerhalb des vorgegebenen Zeit- und Kostenrahmens durchgeführt werden kann. 3.2 Planung: Kickoff Workshop Den eigentlichen Projektstart markiert der Kickoff Workshop beim Kunden. In ihm werden nicht nur die zu testenden Aufgaben und die zu berückUsability Professionals 2003 Methoden zur Einbindung des Kunden in Planung, Durchführung und Auswertung eines Usability- Anwendungstests sichtigenden Nutzerprofile grob eingegrenzt, sondern auch die für die Anwendungstests in Frage kommenden Szenarien. Bei unterschiedlichen Teilbereichen der Anwendung, die verschiedene Verantwortliche haben (wie z.B. Subportalen, oder Microsites), sollten spätestens hier die einzelnen Ansprechpartner auf Seiten des Kunden definiert werden. Es macht Sinn, zu Beginn dieses Workshops dem Kunden nochmals kurz die verwendete Methode vorzustellen. Daraufhin sollten innerhalb dieses methodischen Rahmens die Fragestellungen des Kunden Berücksichtigung finden und konkretisiert werden. Ziele des Workshops sind, dass dem UE alle für die Planung und Durchführung der Anwendungstests nötigen Informationen zur Verfügung stehen, dass die inhaltlichen Schwerpunkte und Fragestellung des Kunden ausreichend im Testdesign Berücksichtigung finden, und dass man sich gemeinsam auf definierte „Meilensteine“ innerhalb des Projekts geeinigt hat. Insgesamt muss der Kunde in dieser Phase “mit ins Boot geholt“ werden, und es sollte ein Gefühl des Beteiligtseins vermittelt werden. Dies erleichtert dem UE die Arbeit und steigert die Zufriedenheit auf Seiten des Kunden. 3.3 Design: Erstellung des Grobkonzeptes Auf der Basis der bisher gesammelten Informationen ist es nun möglich, eine erste Version des Testkonzepts zu entwickeln. Hierbei handelt es sich typischerweise um eine Aktivität, die vom UE ohne direkte Beteiligung des Auftraggebers durchgeführt wird. Der Kundenkontakt gewinnt erst im Rahmen einer Abstimmung des Konzepts wieder an Bedeutung. Für diese Abstimmung bekommt der Auftraggeber Einblick in das Dokument und hat die Gelegenheit, Änderungswünsche zu äußern. In den meisten Fällen ist zur Diskussion von offenen Punkten eine Telefonkonferenz ausreichend. Am Ende dieser Phase besteht eine Übereinkunft zwischen dem Auftraggeber und dem UE über folgende zentralen Punkte des Tests: • • Definition der Zielgruppen: Festlegung auf eine handhabbare Anzahl von Zielgruppen und Testteilnehmern sowie deren spezifischen Eigenschaften und Kriterien für die Auswahl der Testteilnehmer (z.B. Auswahl nach demographischen Eigenschaften oder nach Rolle in einem Unternehmen). Klärung der zentralen Fragestellungen, auf deren Beantwortung der Auftraggeber besonderen Wert legt. Hierbei müssen die Interessen des Auftraggebers in Fragestellungen überführt werden, die spezifisch genug und vor allem messbar sind. Allgemeine Fragen wie ‚Versteht der Benutzer die Anwendung?’ oder zu spezifische Aspekte wie ‚Klickt der Nutzer auf die rechtlichen Hinweise?’ sind hierfür ungeeignet und müssen auf eine geeignete Granularitätsebene überführt werden. • Festlegung der zu testenden Aufgaben. An dieser Stelle muss mit dem Auftraggeber sehr genau abgestimmt werden, welche Aufgaben und Szenarien sich aus den Fragestellungen des Auftraggebers herleiten lassen und ob sie im Rahmen der vorgegebenen Zeit bearbeitet werden können. In dieser Phase muss vor die schrittweise Ausweitung der Fragestellungen und Aufgaben‚ vermieden werden (FeatureCreep). Besonders in dieser Phase ist es wichtig, auf Seiten des Auftraggebers einen dedizierten Ansprechpartner zu haben, der die ggf. unterschiedlichen Anforderungen der einzelnen am Testergebnis interessierten Parteien des Auftraggebers koordiniert und damit eine effiziente Diskussion erlaubt. 3.4 Design: Feinkonzept In dieser Phase werden die bisher festgelegten generellen Aspekte in einem finalen Testkonzept dokumentiert. Auch hierbei handelt es sich um eine Aktivität, die von dem UE selbständig durchgeführt wird. Dem Auftraggeber wird das finale Konzept zur Verfügung gestellt. Feedback in dieser Phase ist noch möglich, alle grundlegenden Entscheidungen sollten jedoch nicht mehr in Frage gestellt werden. Aktivitäten für das Feinkonzept umfassen: • Szenarien schreiben: Die vorher abgestimmten Aufgaben werden in zusammenhängende Testszenarien überführt. • Maße festlegen: Es wird festgelegt, inwieweit quantitative Maße (Fehlerzahl, Zeitdauer etc.) qualitative Daten (Beschreibung von einzelnen ‚Findings’) und subjektive Einschätzungen (z.B. Zufriedenheit) erhoben werden. • Logistik vorbereiten: Planung des zeitlichen Ablaufs, der erforderlichen Räumlichkeiten etc. Das finale Testkonzept enthält somit alle Vorgaben, die für die Durchführung des eigentlichen Tests erforderlich sind. Gleichzeitig ermöglicht die detaillierte Dokumentation dem Auftraggeber, den inhaltlichen Ansatz des Tests nachzuvollziehen. 3.5 Rekrutierung Möglichst früh im Projektablauf sollte mit der Rekrutierung begonnen werden. Dies kann entweder durch eine externe Agentur geschehen, oder vom UE selbst vorgenommen werden. Wir gehen im folgenden auf unsere Erfahrungen aus der Zusammenarbeit mit einer Rekrutierungsagentur ein. Sind die Nutzerprofile, die getestet werden sollen, hinreichend differenziert und mit dem Kunden abgesprochen worden, ist dessen Einbindung in dieser Projektphase nicht vorgesehen. Hilfreich ist in dieser Phase die Erstellung eines Rekrutierungsfragebogens, der die Nutzergruppen- 129 Krause, S. & Heuer, J. profile für die Agentur in eine Fragebogenform übersetzt. Dies beschleunigt die Arbeit der Agentur, schließt aber auch Missverständnisse bezüglich einzelner Nutzerprofilkriterien aus. der verschiedenen Testpersonen konsolidiert und entsprechend ihrer Schwere priorisiert. Zusätzlich werden die weiteren Maße aus Fragebögen oder quantitative Daten zusammengefasst. Von nun an findet eine laufende Rücksprache mit den für die Rekrutierung verantwortlichen statt. Die von der Agentur vorgeschlagenen Teilnehmer sollten in schwierigen Fällen dem Kunden vorgestellt werden, so dass er entscheidet, ob die gefundenen Nutzer in das von ihm definierte Profil passen, oder nicht. Während der Auswertung wird – basierend auf der Kenntnis des Testumfelds – festgelegt, in welcher Form die Ergebnisdarstellung erfolgen soll. Prinzipiell sind hier drei Varianten möglich: 3.6 Pilot Der Pilottest ist ein ‚Probelauf’, in dem die Testdurchführung noch einmal hinsichtlich des Zeitaufwandes und der Stimmigkeit der Szenarien überprüft wird. Diese ‚Generalprobe’ findet generell ohne Kundenbeteiligung statt. Für den Piloten müssen keine ‚echten’ Testpersonen rekrutiert werden – schließlich dient der Pilot nicht der Erhebung ‚echter’ Daten, sondern lediglich der Überprüfung des Testkonzepts. Auf der Basis dieses Probelaufs werden ggf. noch Änderungen an dem Testkonzept vorgenommen und soweit wie nötig (z.B. bei inhaltlichen Anpassungen) dem Auftraggeber kommuniziert. 3.7 Durchführung Auch während der Durchführung der Anwendungstests agiert der Usability-Experte weitestgehend autonom. Sollte die Rekrutierung zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen sein, finden unabhängig davon natürlich auch weiterhin Rücksprachen mit der Agentur und dem Kunden statt. Bei jedem der durchgeführten Tests sollte die Möglichkeit des Hospitierens bestehen, ohne dadurch den Testablauf zu stören. Dies ist vor allem für die folgenden drei Zielgruppen interessant: • Kunden, die sich ein Bild vom Ablauf und der Methode eines Anwendungstests machen möchten. • Eigene Mitarbeiter, um sie in der Durchführung von Anwendungstests fortzubilden. • Fachfremde Mitarbeiter (Programmierer, Consultans, Designer), vor allem wenn sie an der Gestaltung der Anwendung beteiligt sind um die Sensibilität gegenüber UsabilityAnforderungen auf Seiten der Nutzer zu erhöhen. Als sehr sinnvoll hat sich die Aufzeichnung der Tests per Kamera, oder Screencam gezeigt, um die Testprotokolle gegebenenfalls zu ergänzen, aber auch als lückenlose Dokumentation der Anwendungstests für den Kunden. 3.8 Auswertung Die Auswertung der Tests findet ohne Beteiligung des Auftraggebers statt. Hierbei werden die Findings 130 • Schriftlicher Ergebnisbericht. Dieser Bericht enthält in ausführlicher Form alle Daten und Beobachtungen des Tests. Dieser Bericht wird dem Auftraggeber zum ‚Selbststudium’ zur Verfügung gestellt. • Ergebnispräsentation: In dieser Präsentation werden die wichtigsten quantitativen Daten zusammengefasst. Kernpunkt ist vor allem die ausführliche Erläuterung von zentralen Problemen anhand von Screenshots der untersuchten Anwendung. Diese Präsentation wird im Rahmen eines Ergebnisworkshops mit dem Auftraggeber diskutiert. • Maßnahmendokument: Dieses Dokument dient dem Auftraggeber und dem UE für eine gemeinsame Diskussion und Ausarbeitung von Maßnahmen zur Problembehebung. Hier werden noch einmal in strukturierter Form alle einzelnen Findings dokumentiert mit Angaben zur Schwere, (vermutetem) Änderungsaufwand und Verantwortlichkeiten aufgelistet. Je nach Zielsetzung des Usability-Tests ist zu entscheiden, ob lediglich ein Ergebnisbericht zur Verfügung gestellt wird, oder ob ggf. alle drei Dokumenttypen zur Diskussion mit verschiedenen Beteiligten des Auftraggebers erforderlich sind. 3.9 Präsentation und Next Steps In einem abschließenden Workshop sollten den Verantwortlichen beim Auftraggeber unabhängig von den bereits übergebenen Ergebnisdokumenten nochmals die Findings der Anwendungstests präsentiert werden. Dies dient zum einen dazu, auf einen gemeinsamen Stand zu kommen und eventuelle Missverständnisse auszuräumen, zum anderen stellt es auch die Basis für eine Formulierung der weiteren Schritte und damit auch einer fortdauernden Kundenbindung dar. Zu diesem Zweck werden vom UE im Vorfeld die einzelnen Findings nochmals priorisiert und ihr UsabilityImpact sowie der Änderungsaufwand geschätzt. Im Meeting selbst werden diese Angaben dann um die Einschätzungen der Experten auf Seiten des Auftragebers ergänzt. Der Return of Investment sollte in diesem Prozess als Entscheidungsgrundlage dienen, so dass der Usability - Nutzen zukünftiger Investitionen für den Kunden maximiert wird. Gerade in diesem Workshop kann sich der UE beim Kunden als Experten auch für künftige Projekte bezüglich dessen spezieller Anwendung positionieren, die Usability Professionals 2003 Methoden zur Einbindung des Kunden in Planung, Durchführung und Auswertung eines Usability- Anwendungstests Einbeziehung des Kunden ist in dieser Phase entsprechend eng. 3.10 Lessons Learned Von entscheidender Bedeutung für die Evaluation und Weiterentwicklung der eigenen Methoden ist eine “Lessons Learned Session“ kurz nach Ende des Projektes. Diese verläuft ohne die Einbindung des Auftraggebers, da ausschließlich die interne Projektabwicklung sowie die Anwendung der Methode behandelt werden. Dieses Treffen soll Anhaltspunkte über Aspekte wie logistische Schwierigkeiten während der Durchführung, Stärken und Schwächen der Methode und besonders Anregungen für kommende Projekte liefern. Es ist deshalb wichtig, dass sie von einer neutralen Person moderiert wird, und dass das erstellte Protokoll danach jedem der Teammitglieder zur Verfügung steht. 4. VOR- UND NACHTEILE DER KUNDENEINBINDUNG Der vorgestellte Ansatz zeigt, dass die Einbindung des Auftraggebers an verschiedenen Stellen erfolgen kann. Abschließend sollen deshalb noch einmal kurz Vor- und Nachteile einer intensiven Kundenbeteiligung aufgezeigt werden. 4.1 Vorteile der intensiven Kundeneinbindung Die Gründe für eine intensive Kundenkommunikation sind: • Akzeptanz schaffen: Der Auftraggeber bekommt einen transparenten Einblick in das Vorgehen und kann aktiv auf die Gestaltung des Tests Einfluss nehmen. Dadurch wird die Akzeptanz für die Ergebnisse und ein Verständnis für die Verbesserungsmöglichkeiten geschaffen. • Kundenerwartungen treffen: Durch intensive Einbeziehung des Auftraggebers wird ein „Auseinanderdriften“ der Erwartungen des Auftraggebers und der tatsächlichen Arbeitsergebnisse vermieden. • Effizienz steigern: Durch genaue Festlegung der Verantwortlichkeiten werden unnötige Diskussionen und Leerläufe vermieden. Wenn sich alle Beteiligten auf ein gemeinsames Vorgehen und vorgegebene Methoden zur Kommunikation geeinigt haben, ist die Projektsteuerung des Gesamtprojekts deutlich einfacher. 4.2 Risiken Neben den Vorteilen gibt es unbestreitbar auch Risiken, die sich wie folgt zusammenfassen lassen: • Zeitaufwand: Rücksprachen und Abstimmungen mit dem Kunden erzeugen zum Teil hohe Zeitaufwände, die in das Gesamtprojekt mit eingeplant werden müssen. • Weitgehendes Mitspracherecht kann den Auftraggeber dazu verleiten, immer neue Anforderungen an das Projekt heranzutragen. • Wenn es nicht gelingt, auf Seiten des Auftraggebers einen dedizierten Ansprechpartner zu finden, kann sich die Kommunikation beliebig komplex gestalten. • Bei der Rekrutierung kann es leicht zu Verzögerungen kommen, wenn der Auftraggeber den vorgeschlagenen Testteilnehmern nicht zustimmt. 5. FAZIT Abschließend lässt sich feststellen, dass der Einbindung des Kunden vor allem in die Planung und Auswertung von Anwendungstests große Bedeutsamkeit zukommt. An diesen Stellen kann sich entscheiden, ob das Projekt erfolgreich verläuft und die Erwartungen des Kunden trifft oder nicht. Dabei ist es wichtig, den Kunden an einer Reihe von Entscheidungsprozessen zu beteiligen und seine Erwartungen und Bedürfnisse ernst zu nehmen, aber auch für die Durchführung des Anwendungstests unentbehrliche Materialien von dem Auftraggeber zur Verfügung gestellt zu bekommen. Der UE sollte dabei jedoch über den gesamten Projektablauf die Führung nicht aus der Hand geben und seine Rolle als Experte und Berater gegenüber dem Kunden wahrnehmen. 131 Krause, S. & Heuer, J. Referenten Sven Krause arbeitet seit Oktober 2002 im IBM e-business Innovation Center in Hamburg und ist dort vor allem für die Konzeption und Durchführung von Anwendungstests, Heuristischen Evaluationen und Benchmarks zuständig. Zuvor hat er zwei Jahre in einem DFG Projekt des Neuropsychologischen Instituts der Universität Hamburg, Grundlagenforschung in den Bereichen Blickbewegungen und Aufmerksamkeit bei Parkinsonpatienten betrieben. Er studiert im letzten Semester Psychologie in Hamburg. Jens Heuer studierte in Göttingen Psychologie mit den Schwerpunkt Kongnitionsund Arbeitspsychologie. Zwischen 1992 und 1996 arbeitete er am Labor für Mensch-Maschine System der Universität Kassel. Anschließend war er in verschiedenen Unternehmen im Bereich der software-ergonomischen Produktprüfung und –gestalltung tätig. Seit einem Jahr leitet er im IBM e-business Innovation Center die Usability-Community. 132 Usability Professionals 2003 IF IT DOESN'T FEEL RIGHT WHO CARES IF IT WORKS? "IF IT DOESN'T FEEL RIGHT, WHO CARES IF IT WORKS?" ODER MUSS SOFTWARE MEHR ALS NUR GEBRAUCHSTAUGLICH SEIN? Marc Hassenzahl Institut für Psychologie Technische Universität Darmstadt hassenzahl@psychologie.tu-darmstadt.de ZUSAMMENFASSUNG Seit einiger Zeit macht sich unter usability professionals Unbehagen über die – vielleicht vermeintliche – Überbetonung von Arbeitstätigkeiten, Effizienz und Effektivität breit. Selbst die für Benutzer geforderte Zufriedenstellung geht Praktikern und Wissenschaftlern noch nicht weit genug. Sie sehen in "Freude bei der Nutzung", "Spaß" oder anderen emotionalen Aspekten des Nutzungserlebens das eigentliche Gestaltungsziel. Dazu scheint es notwendig, sowohl den traditionellen Begriff der usability (Gebrauchstauglichkeit) zu erweitern, als auch neue, angemessene Methoden zu entwickeln. Zahlreiche Beiträgen thematisieren Ansätze, Chancen und Schwierigkeiten, die dabei auftreten können. Keywords Emotionen, funology, Freude, Spaß, hedonische Qualität 1. EINLEITUNG Mies van der Rohes „Weniger ist mehr“ ist eines der Prinzipien, denen sich usability professionals verpflichtet fühlen. Purismus, Klarheit, Einfachheit, Effizienz und kein „Firlefanz“ – so lautet ihre Gestaltungsphilosophie. Aber ist weniger wirklich mehr? Oder ist weniger – wie Robert Venturi, ebenfalls ein Architekt, es ausdrückt – einfach nur langweilig? Softwareprodukte haben sicherlich meist einen Zweck im klassischen Sinne. Personen besitzen sie, um ihre Umwelt zu manipulieren. Hat Software die angemessene Funktionalität (Nützlichkeit) und läßt sich diese Funktionalität auch bedienen (Benutzbarkeit), ist sie gebrauchstauglich im Sinne der DIN EN ISO 9241-11. Aber das Manipulieren der Umwelt ist nicht das einzige Bedürfnis, das Menschen mit ei Es ist erlaubt digitale und Kopien in Papierform des ganzen Papers oder Teilen davon für den persönlichen Gebrauch oder zur Verwendung in Lehrveranstaltungen zu erstellen. Der Verkauf oder gewerbliche Vertrieb ist untersagt. Rückfragen sind zu stellen an den Vorstand des GC-UPA e.V. (Postfach 80 06 46, 70506 Stuttgart). Proceedings of the 1st annual GC-UPA Track Stuttgart, September 2003 © 2003 German Chapter of the UPA e.V. Elizabeth Hofvenschiöld MT Usability Engineering Fraunhofer IAO elizabeth.hofvenschiold@iao.fhg.de nem Produkt verbinden. Sie suchen auch Stimulation, d.h. Neuartigkeit, Veränderung, Herausforderung. Sie kommunizieren ihre Identität, z.B. Einstellungen, sozialen Status oder Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe, durch ein Produkt. Darüber hinaus können Produkte symbolischen Wert haben, wie z.B. ein Souvenir, das seinen Besitzer an einen schönen Urlaub erinnert. Besitzen Produkte eine solche Qualität sind sie "hedonisch" (siehe [6], [4]; vgl. auch [1]). Gängige Prinzipien, Regeln und Methoden des usability engineerings bzw. der Software-Ergonomie betonen meist einseitig Effektivität, Effizienz und Zufriedenstellung im Sinne der Abwesenheit psychischer Belastung. Usability engineering ist in Deutschland in den Arbeitswissenschaften verwurzelt. Es ging in diesem Bereich traditionell um die Bedienung von Maschinen und später um die Gestaltung von Büroarbeitsplätzen. Leider spielen dabei Qualitäten jenseits der Aufgabenerfüllung – Attraktivität und Freude bei der Nutzung – keine ausgeprägte Rolle. Die Eingeschränktheit des klassischen Begriffs der Gebrauchstauglichkeit scheint allerdings erkannt. Unter dem Leitmotiv "New Horizons" wurde auf der diesjährigen "Computer–Human Interaction"Konferenz (CHI) der "Association for Computing Machinery" (ACM) besonders die Wichtigkeit von Emotionen und Bedürfnissen, die über die eigentliche Manipulation der Umwelt hinausgehen, betont: "As people become more sensitive to dimensions of products that go beyond traditional aspects of usability, the need to understand and create emotional and aesthetic resonance between people and technology products increases" (http://www.chi2003.org/theme.html). Auch andere Leitfiguren der usability professionals orientieren sich neu (z.B. [9], [10]). So schrieb beispielsweise Donald Norman in einem Beitrag für die InternetDiskussionliste CHI-WEB@ACM.ORG am 02.05.2002: "I'm starting a new career phase: Ugly is out, beauty is in. [...] Usability? Yeah, that matters, but beauty, pleasure, and fun – those are truly important. Yes, the product has to be balanced, yes, it should provide value, fulfil the needs of the users, and make good business sense. Sure, all of that. But if it is unattractive, if it doesn't feel right, who cares if it works? We need both pleasure and function. 135 Hassenzahl, M. & Hofvenschiöld, E. Beauty and usability." Sogar der neue ISO-Standard 14915-1 "Software ergonomics for multimedia user interfaces" erweitert die gängigen Dialogprinzipien der DIN EN ISO 9241-10 um die Kriterien suitability for explorati-on und suitability for engagment – beide Prinzipien zielen auf die Motivation der Benutzer und betonen damit auch "hedonische" Aspekte. Der Begriff der usability (Gebrauchstauglichkeit) soll also ergänzt oder erweitert werden. Einige Ansätze dazu wurden bereits gemacht (z.B. [2], [3], [7], [8]), allerdings ist man noch weit von einer gemeinsamen Position entfernt. Die Gefahr scheint zwar erkannt, aber noch lange nicht gebannt. Ziel des Workshops soll es sein, einen Beitrag zur Entwicklung einer gemeinsamen Agenda zur Erweiterung des usability Begriffs leisten. 2. BEITRÄGE DES WORKSHOPS Im folgenden werden die Inhalte der Beiträge zum Workshop kurz zusammengefasst Norbert Braun (Graphisch-Interaktive Systeme, Technische Universität Darmstadt) entwirft eine Zukunft der Interaktion, die sich über die Forderung der Effizienz- und Effektivitätsoptimierung hinwegsetzt. Nicht jedes interaktive System muss mit minimalem Aufwand, maximalen Effekt erzielen. Im Spaß und der Natürlichkeit der Interaktion sieht Braun die Zukunft; und akteur- oder erzählerbasierte Präsentation, virtuelle Charaktere, die mit Benutzern interagieren, Multimodalität und Formen des Theaters, bei denen sich das Publikum aktiv beteiligen kann, sind der Weg in diese Zukunft. Mit Hilfe des Projektes GEIST, einem augmented reality Spektakel im und um das Heidelberger Schloss, werden Ansätze und technische Lösungen vorgestellt. Steffen Büffel (Medienwissenschaft, Universität Trier) geht davon aus, dass durch die Allgegenwärtigkeit von Computern und dem Web, ihrer Verflechtung mit dem Alltag und der Tatsache, dass eine zunehmende Palette menschlicher Bedürfnisse mit dem Computer/Web befriedigt werden können, zu einer "Emotionalisierung" der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine führt. Seine These: Klassisches usability engineering wird dieser Veränderung nicht gerecht. Am Beispiel des emotionalen Bedürfnisses nach Vertrauen im Kontext eines OnlineAktienangebots zeigt Büffel exemplarisch den Zusammenhang zwischen emotionalen Bedürfnissen und software-ergonomischen Kriterien auf. Er plädiert für einen erweiterten integrativen Ansatz, der emotionale und soziale Aspekte berücksichtigt. Michael Hatscher (xApps Design Group, SAP) lenkt die Aufmerksamkeit auf die zugrunde liegenden Arbeitsaufgaben. Man kann alles tun, um ein Softwareprodukt so attraktiv wie möglich zu machen. Allerdings ist das immer nur eine Voraussetzung für Freude bei der Nutzung. Was Benutzer erleben, hängt von einer Vielzahl zusätzlicher Faktoren ab, wie eben der zugrunde liegenden Arbeitsaufgabe. 136 Die attraktivste Software kann nur bedingt Freude erzeugen, wenn die abgebildeten Arbeitsaufgaben langweilig, eintönig, nicht persönlichkeitsförderlich sind. Er warnt vor der Gefahr des "Anhübschens" von Benutzungsoberflächen – Freude setzt schon bei den abgebildeten Arbeitsaufgaben an. Eine zu starke Fokussierung auf die "Oberflächlichkeit des Produkts" selbst, seine visuelle Gestaltung, ist so problematisch, wie Zuckerguss auf einem übelschmeckenden Kuchen. Anja Hoffman (digital storytelling, Zentrum für grafische Datenverarbeitung, Darmstadt) und Jan Köppen (freiberuflicher Interaktionsdesigner) beschäftigen sich mit Herausforderungen und Belohnungen in Benutzungsoberflächen. Sie gehen dabei zunächst von dem erwünschten Zustand des flows aus, einem von Mihaly Csikszentmihaly geprägten Begriff für den Zustand der Freude, dem Gefühl des "Einssein mit dem Leben", des Entdeckens und des persönlichen Wachstums. Die Grundbedingungen für diesen Zustand sind zum einen Herausforderungen, zum anderen angemessene Fähigkeiten. Attraktive Softwareprodukte, so die These, schaffen es, die Balance zwischen Herausforderung und Fähigkeiten herzustellen. Mit Hilfe von Projektskizzen und Ideen demonstrieren Hoffman und Köppen entsprechende Gestaltungsansätze. James Kalbach stellt emotive design vor, einen Gestaltungsansatz, der explizit die emotionalen Zustände der Benutzer berücksichtigt. Moderne Forschung zeigt, das Kognition und Emotion nur schwer zu trennen sind. Trotzdem sind Gestaltungsansätze für Informationssysteme im Web oft rein kognitiv ausgerichtet: der Mensch wird als nutzenmaximierender Informationsverarbeiter verstanden; emotionale Prozesse werden schlichtweg ignoriert. Forschung im Bereich "Informationssuche" betont allerdings die Allgegenwärtigkeit von Emotionen. Je nach Phase (z.B., Erkennen eines Informationsbedürfnisses) herrschen andere Gefühle, Gedanken und Handlungen vor. Im Rahmen der Informationssuche erlebt ein Benutzer die Gefühlszustände Besorgnis/Unsicherheit, Optimismus, Verwirrung/Zweifel, Klarheit, Zuversicht, Erlösung/Zufriedenheit/Enttäuschung. An einem Beispiel verdeutlich Kalbach, wie auf diese unterschiedlichen emotionalen Zustände gestalterisch eingegangen werden kann. Steffen Klein und Lydia Wimmer (Research Communication and Interaction Design, DaimlerChrysler AG) weisen auf die Unterschiede zwischen engineering und design hin. Engineering wird als eine problemgeleitete Herangehensweise verstanden, die sich an notwendigen Kriterien orientiert. Design hingegen eröffnet durch gestalterische Differenzierung, die über das Notwendige hinausgeht, neue Spielräume für persönliche Identifikation und kulturelle Aneignung. In diesem Zusammenhang weisen Klein und Wimmer auf die Gefahr einer Verallgemeinerung von Gestaltungszielen wie Spaß und Freude hin. Usability Professionals 2003 "If it doesn't feel right, who cares if it works?" Um gestalterische Differenzierungspotenziale nicht auf formale Ausdrucksmittel einzuschränken, sollte eine hedonische Ausrichtung als Möglichkeit gestalterischer Differenzierung und nicht als notwendiges Kriterium, verstanden werden. Bettina Laugwitz (Zühlke Engineering GmbH) sieht keinen Widerspruch zwischen traditioneller usability und der geäußerten Forderung nach hedonischen Aspekten, Freude, Emotionalität bei der Nutzung. Die DIN EN ISO 9241-11, die das Qualitätsmerkmal usability verbindlich definiert, versteht die Zufriedenstellung der Benutzer als eine Komponente von usability. Versteht man Zufriedenheit weitgefasst als "positive emotionale Reaktion", dann beinhaltet sie schon die oben geforderte Erweiterung. Es ist dann auch gerechtfertigt, bei der Gestaltung alle Aspekte der Mensch-Maschine-Interaktion zu berücksichtigen, die in der Lage sind, positive Emotionen und Einstellungen zu erzeugen. Am Beispiel einer Studie über die Wirkung verschiedener, mehr oder weniger ästhetischer Farbkombinationen auf die Benutzer von Softwaresystemen diskutiert Laugwitz Farbgestaltung als ein Mittel zum Erzeugen positiver emotionaler Reaktionen. Axel Platz (CT IC 7, Siemens AG) und Claus Knapheide (Medical Solutions Health Services, Siemens AG, USA) stellen die Benutzungsoberfläche des Computertomographen Somatom Smile vor. Der Smile und die zugrunde liegende, von fast allen medizintechnischen Produkten des Siemenskonzerns realisierte Gestaltsprache "Syngo" machen deutlich, wie Ansprüche an die usability und die benutzungskontext-gerechte Anmutung eines Produkts erfolgreich in Einklang gebracht werden können. Ralph Tille, Stefanie Lauter und Ralph Bruder (IED, Institut für Ergonomie und Designforschung, Universität Duisburg-Essen) berichten über eine "motivierende" Benutzungsoberfläche für ein Fahrerinformationssystem. Ziel ist – neben dem Bereitstellen von fahrtbezogenen Informationen – die emotionale Unterstützung der Fahrenden bei ihren ersten Fahrten. An verschieden Gestaltungsbeispielen diskutieren die Autoren die Frage, wie man Fahrende emotional erreichen und zugleich wichtiges technisches Wissen vermitteln kann. Markus Weinländer (Automation and Drives, Siemens AG) macht kritisch auf einen essentiellen Unterschied zwischen Konsum- und Investitionsgüter aufmerksam, den weder das traditionelle noch die Entwürfe eines freude-zentrierten usability engineering berücksichtigen: Benutzer sind nicht die Käufer. Sind Benutzer und Käufer nicht identisch, kann oft nur schwer mit höherer Zufriedenheit oder sogar Freude argumentiert werden. Einkäufer gehen nach vermeintlich rationalen Kriterien vor: Usability muss sich nach Weinländers Erfahrung in gesteigerter Effizienz und Kostenersparnis ausdrücken, um als wertvoll erachtet zu werden. Die Rolle des visuellen Designs sieht Weinländer dementsprechend im überzeugenden Vermitteln dieser Effizienzbotschaft. 3. SCHLUSS Die Beiträge des Workshops zeigen die Übereinstimmung der Teilnehmer dahingehend, dass am Ende der Gestaltung ein Produkt steht, das über das rein Notwendige hinausgeht. Freude, persönliches Wachstum, neue Möglichkeiten und Emotionalität, wie z.B. Vertrauen, sind erste Bezeichner für dieses geforderte "Mehr." Bettina Laugwitz erinnert uns daran, dass es hier um eine Erweiterung bestehender Konzepte und Methoden der usability und nicht um eine radikale Negierung des bisher Erreichten geht. Die Balance zwischen softwareergonomischen und "anderen" Anforderungen steht im Vordergrund, so wie Hoffmann und Köppen die Balance zwischen Herausforderungen und Fähigkeiten betonen. Klassische usability hat letzteres im Auge, ein erweiterter Ansatz muss beides angemessen berücksichtigen. Dabei geht es nicht immer nur um das Produkt alleine, sondern wie auch bei der traditionellen Software-Ergonomie um die Aufgabe – denn Softwaregestaltung ist immer auch Arbeitsgestaltung [5]. Neben theoretischen Überlegungen und empirischer Forschung sind Projekte und Projektstudien eine wichtige Quelle neuer Erkenntnisse. Durch das Lösen der zugrunde liegenden Gestaltungsprobleme entstehen neue Sichten auf das eigentliche Problem. Diese können wieder in Theorie oder grundlegenderer Forschung zurückgeführt werden. Ein solcher research through design Ansatz bietet sich besonders auf vorliegendem Gebiet an. Projekte wie Norbert Brauns GEIST sind eine Spielwiese und eine Quelle für das Erfinden und Erproben neuer methodischer, technischer und theoretischer Ansätze. Projekte wie Axel Platz' und Claus Knapheides Computertomograph zeigen, dass auch im Rahmen von Investitionsgütern die Nachfrage nach usability und dem "Mehr" besteht. Und bei aller Aufbruchsstimmung, die den Beiträgen dieses Workshops anzumerken ist, ist es gut von Markus Weinländer zur Vorsicht gemahnt zu werden. Wir dürfen zwei Fragen nicht unbeantwortet lassen: Wo spielen neuen Gestaltungsziele – dieses "Mehr" – eine Rolle und wie mache ich Sie Anderen plausibel. 4. KONTAKTE Norbert Braun - norbert.braun@gris.informatik.tudarmstadt.de Ralph Bruder - ralph.bruder@uni-essen.de Steffen Bueffel - bueffel@uni-trier.de Marc Hassenzahl - hassenzahl@psychologie.tudarmstadt.de Michael Hatscher - michael.hatscher@sap.com Anja Hoffmann - anja.hoffmann@zgdv.de Elizabeth Hofvenschiöld - elizabeth.hofvenschiold@iao.fhg.de James Kalbach - kalbach@scils.rutgers.edu 137 Hassenzahl, M. & Hofvenschiöld, E. Steffen Klein - Steffen.Klein@daimlerchrysler.com Claus Knapheide - claus.knapheide@siemens.com Jan Köppen - contact@jankoeppen.de Bettina Laugwitz - bettina.laugwitz@gmx.de Stefanie Lauter - stefanie.lauter@uni-essen.de Axel Platz - axel.platz@siemens.com Ralph Tille - ralph_tille@gmx.net Markus Weinlaender - markus.weinlaender@siemens.com Lydia Wimmer - Lydia.Wimmer@daimlerchrysler.com 5. LITERATUR [1] Batra, R. & Ahtola, O. T. (1990): Measuring the hedonic and utilitarian sources of consumer choi-ce. Marketing Letters, 2, 159-170. [2] Djajadiningrat, J.P., Overbeeke, C.J. & Wensveen, S.A.G. (2000). Augmenting Fun and Beauty: A Pamphlet. Proceedings of DARE 2000: Designing Augmented Reality Environments, 131-134. Helsingor, Denmark. [3] Gaver, W.W. & Martin, H. (2000). Alternatives. Exploring Information Appliances through Conceptual Design Proposals. Proceedings of the CHI 2000 Conference on Human Factors in Computing, 209-216. 138 [4] Burmester, M., Hassenzahl, M. & Koller, F. (2002): Usability ist nicht alles – Wege zu attraktiven interaktiven Produkten. I-Com, 1(1), 32-40. [5] Hacker, W. (1987). Software-Ergonomie: Gestalten rechnergestützter geistiger Arbeit?! In W.Schönpflug & M. Wittstock (Hrsg.), SoftwareErgonomie '87: Nützen Informationssysteme dem Benutzer? (31-54). Stuttgart: B.G. Teubner. [6] Hassenzahl, M. (2003). The thing and I: understanding the relationship between user and product. In M. Blythe, C. Overbeeke, A. F. Monk, & P. C. Wright (Hrsg.), Funology: From Usability to Enjoyment (31-42). Kluwer Academic Publishers. [7] Hassenzahl, M., Burmester, M. & Beu, A. (2001). Engineering Joy. IEEE Software, January/February, 70-76. [8] Monk,A.F. & Frohlich,D. (1999). Computers and Fun. Personal Technology, 3, 91. [9] Nielsen,J. (2002). User Empowerment and the Fun Factor. Jakob Nielsen's Alertbox, http://www.useit.com/alertbox/20020707.html [on-line]. [10] Norman,D.A. (2002). Emotion and attractive. Interactions, July/August, 36-42. Usability Professionals 2003 "If it doesn't feel right, who cares if it works?" Referenten Marc Hassenzahl hat sein Studium der Psychologie mit Nebenfach Informatik an der Technischen Universität Darmstadt 1998 abgeschlossen. Danach arbeitete er las als "Usability Engineer" im Fachzentrum "User-Interface Design" der Siemens AG in München und als "Senior Usability Consultant" bei der User Interface Design GmbH in München. Seit Oktober 2001 ist er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Psychologie der Technischen Universität Darmstadt in den Bereichen Sozialpsychologie, Forschungsmethodik und Urteilen und Entscheiden tätig. Er leitete und arbeitete in zahlreichen Projekten, die vom Planen und Durchführen von Fokusgruppen zur Erhebung von Anforderungen an Computertomographen im chinesischen Markt über das Gestalten eines Hausautomatierungssystema bis zur Entwicklung eines Werkzeuges zur Messung der "Nutzungsqualität" interaktiver Produkte für Nokia, Schweden reichen. Seine Forschungsinteressen liegen im Bereich "Usability Engineering", attraktive Software (hedonische Qualität, Spaß bei Umgang mit Computern, "Joy of Use") und neue Analyse- und Evaluationsmethoden. Seit 1997 hat er über 40 Artikel in anerkannten internationalen Fachzeitschriften, Buchkapitel und Konferenzbeiträge publiziert. Er ist Mitglied im Vorstand des "German Chapters der Usability Professionals Association". Elizabeth Hofvenschiöld is a freelance HCI and interaction design consultant. She currently works with the Fraunhofer IAO in Stuttgart on a range of projects. In 2001 she completed her Masters of Science in Human-Computer Interaction with Ergonomics at University College London, England. Her main interests are in cultural issues, interaction design for mobile devices and applications and developing the user experience for ubiquitous human-computer interaction. She has presented and published her work on these subjects as well as on implementing a holistic approach to product development and evaluation through using a range of methods from different fields (e.g. marketing). 139 USER INTERFACE TUNING USER INTERFACE TUNING - MIT BENUTZERN GESTALTEN Joachim Machate User Interface Design GmbH Teinacher Str. 38 D-71634 Ludwigsburg joachim.machate@uidesign.de www.uidesign.de ABSTRACT Die DIN EN ISO 13407 beschreibt einen iterativen Produktentwicklungsprozess, in dem Benutzer eine zentrale Rolle zur Sicherung der Nutzungsqualität einnehmen. Wie dies in der Praxis umgesetzt werden kann und welche Methoden sich dabei bewährt haben, wird unter dem Begriff „User Interface Tuning“ beschrieben. Die gleichnamige Session des UPA-Tracks der Mensch und Computer 2003 stellt exemplarisch Projektbeispiele aus der Praxis vor, die sich diesen Ansatz zu Eigen gemacht haben. Keywords User Centred Design, User Interface Design, Benutzungsschnittstellen, benutzerzentriert gestalten, DIN EN ISO 13407 1. EINLEITUNG Der Begriff „User Interface Tuning“ legt nahe, dass ein vorhandenes Etwas, das „User Interface“ oder die Benutzungsschnittstelle, durch bestimmte Maßnahmen oder Eingriffe getunt werden kann. Tuning bedeutet ja auch immer, ein Gerät so zu trimmen, dass es in bestimmten Leistungseigenschaften mehr oder weniger deutlich über den Standard hinaus wächst. Im Hinblick auf die Entwicklung interaktiver Produkte wollen wir mit „User Interface Tuning“ Methoden und Maßnahmen bezeichnen, die dafür geeignet sind, Benutzungsschnittstellen interaktiver Produkte so zu entwickeln, dass sie ein hohes Maß an Nutzungsqualität erreichen. Produkte, deren Nutzen sich erst durch einen hohen Grad an Interaktion erschließt, haben sich längst bis in den letzten Winkel unseres Alltags ausgebreitet [2]. Der Umgang mit Menüs und computerunterstützten Dialogen beschränkt sich nicht mehr nur auf herkömmliche Computer, sondern ist allgegenwärtig. Es ist erlaubt digitale und Kopien in Papierform des ganzen Papers oder Teilen davon für den persönlichen Gebrauch oder zur Verwendung in Lehrveranstaltungen zu erstellen. Der Verkauf oder gewerbliche Vertrieb ist untersagt. Rückfragen sind zu stellen an den Vorstand des GC-UPA e.V. (Postfach 80 06 46, 70506 Stuttgart). Proceedings of the 1st annual GC-UPA Track Stuttgart, September 2003 © 2003 German Chapter of the UPA e.V. Michael Burmester Fachhochschule Stuttgart - Hochschule der Medien Wolframstr. 32 D-70191 Stuttgart burmester@hdm-stuttgart.de www.hdm-stuttgart.de Umso wichtiger ist es für einen nachhaltigen Produkterfolg, dass ihre Interaktions- und Navigationskonzepte so gestaltet sind, dass eine hohe Nutzungsqualität erzielt wird. Hohe Nutzungsqualität bedeutet, dass ein Produkt optimal zu seinen zukünftigen Nutzern passt, dass es unterstützt, was diese mit dem Produkt machen wollen, wie sie dies gerne tun möchten und wo das der Fall sein soll. Wenn all dieses Wissen in den Produktgestaltungsprozess einfließt, kann sichergestellt werden, dass das Produkt eine hohe Nutzungsqualität erreicht und somit für einen nachhaltigen Erfolg sorgt. Ein solches Vorgehen wird als benutzerzentrierte Produktgestaltung bezeichnet und ist in der Norm DIN EN ISO 13407 (2000) beschrieben [3]. Um aber Begeisterung an einem Produkt zu erreichen, reicht eine hohe Nutzungsqualität allein nicht aus. Erst wenn eine Benutzungsschnittstelle auch als attraktiv angesehen wird und positive Emotionen beim Benutzer hervorruft, wird der Umgang mit einem interaktiven Produkt als attraktiv wahrgenommen. So müssen bei der Entwicklung von Produkten beide Aspekte die „Nutzungsqualität“ und die so genannte hedonische Qualität - berücksichtigt werden [4]. Dies zu erzielen, ist Gegenstand des „User Interface Tunings“. 2. DIE PRAXIS Eine zentrale Komponente benutzerzentrierten Gestaltens ist, dass der Benutzer mit seinen Zielen, Aufgaben, Bedürfnissen, sozialen Kontexten, Nutzungsumgebungen und Verhaltensweisen als Maßstab für Gestaltungsentscheidungen gesehen und in den Gestaltungsprozess einbezogen wird. Leider wird diese Forderung in der Praxis häufig fehlinterpretiert und führt daher nicht selten zu einer voreiligen Ablehnung eines solchen Vorgehens. Als gängige Fehl-Interpretationen finden sich oft folgende Deutungen [1]: • „Alle Macht den Benutzern“ • „Denk wie ein Benutzer“ • „Ich bin selbst ein Benutzer“ • „Benutzer sind Versuchskaninchen“ Die genannten Fehl-Deutungen benutzerzentrierten Gestaltens ignorieren das tatsächliche Potenzial des Prozesses und werden entweder als Argument ge143 Machate, J. & Burmester, M. gen ein solches Vorgehen vorgebracht oder sie werden als Vorwand genutzt, sich lediglich am Rande mit realen Benutzern auseinandersetzen zu müssen. Benutzerzentriertes Gestalten hat zum Ziel, dass Informationen über Benutzer in der Zusammenarbeit mit den Benutzern selbst gesammelt werden. Das bedeutet, dass Benutzer nicht nur am Ende ein Ergebnis testen, auf das sie keinen Einfluss hatten, sondern dass Benutzer in jeder Phase des Gestaltungsprozesses eines Produktes spezifische Beiträge leisten. Der Benutzer ist von allen Beteiligten der größte Experte für seinen Fachbereich, und er liefert damit zentrale Basisinformationen. Entscheidungen auf der Grundlage dieser Informationen obliegen aber grundsätzlich dem Gestaltungsteam. Neben Vertretern des Produktmanagements, der SoftwareEntwicklung, des Usability Engineerings, des Marketings, der Grafik und anderen gehören natürlich auch zukünftige Benutzer zu diesem Team. Das Einbeziehen des Benutzers kann auf vielfältige Weise stattfinden. Beispielsweise können Benutzer am Arbeitsplatz befragt oder beobachtet werden. Benutzer können in Diskussionsgruppen Anforderungen und Ideen für neue Produkte liefern. Sie können an Gestaltungsworkshops teilnehmen und die fachlich korrekte Umsetzung von Anforderungen beurteilen. Sie können in Usability-Tests zur Beurteilung von Prototypen in verschiedenen Stadien der Entwicklung beitragen, und vieles mehr. Um Missverständnissen vorzubeugen, sei aber nochmals betont: Benutzer sind Experten für Ziele und Aufgaben. Sie sind keine Experten für das Gestalten: „users are not designers“ [8]. Die Mitwirkung von Benutzern in den Gestaltungsphasen ist unter der Moderation von UsabilityFachleuten aber sehr sinnvoll. Gestaltungsvorschläge von Benutzern erbringen wichtige Basisinformationen und Anregungen für die Gestaltung. Bei jedem Gestaltungsvorschlag ist es jedoch von äußerster Wichtigkeit zu verstehen, welche Anforderungen hinter diesem Gestaltungsvorschlag stehen. Das Gestaltungsteam muss seine Gestaltungsentscheidungen immer vor dem Hintergrund der Benutzeranforderungen treffen. Benutzer liefern Informationen, Anforderungen und Gestaltungsideen, Gestaltungsentscheidungen werden durch Gestaltungsteams getroffen. 3. METHODEN Hat sich ein Unternehmen dafür entschieden, benutzerzentrierte Methoden bei der Produktgestaltung einzusetzen, stellt sich häufig die Frage, wie dies am Besten verwirklicht werden kann. Dabei stehen folgende Fragestellungen im Raum: • „Wie lässt sich benutzerzentriertes Gestalten in existierende Softwareentwicklungsprozesse des Unternehmens einbinden?“ 144 • „Wie lässt sich Methodenkompetenz im Unternehmen verankern?“ • „Wie ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis im Vergleich zu herkömmlichen Methoden?“ Bei der Einbindung benutzerzentrierter Vorgehensmodelle in bestehende Softwareentwicklungsprozesse stellt sich oftmals heraus, dass gerade in großen Unternehmen der Softwareentwicklungsprozess in allen Phasen sehr genau festgelegt ist, siehe z.B. Rational Unified Process [6] und für die darin enthaltenen Phasen Rollen, Methoden und Artefakte genauestens beschrieben und hierfür benötigte Werkzeuge bereitgestellt werden. Der Benutzer erscheint zwar in der Regel als Rollenkonzept und wird auch besonders in der Analysephase in die Entwicklung eingebunden, im Fokus stehen aber hierbei häufig die Modellierung von Geschäftsprozessen und Arbeitsabläufen aus Sicht des Systems, also eher die Frage, was der Benutzer mit dem System tun soll. Wie er die Aufgaben erledigen will und wie dazu ein optimales Nutzungskonzept entwickelt werden kann, gerät dagegen öfter in den Hintergrund. Eine konsequente, auf den Benutzer zentrierte Vorgehensweise, die sich am Unified Process orientiert, bietet der User Centred Design Process der IBM [5]. In der Praxis, insbesondere bei kleinern oder mittleren Softwareentwicklungsprojekten, erweisen sich allerdings beide Prozessmodelle als zu aufwendig und schwer handhabbar. Von daher sollte bereits in der Projektplanungsphase genau überlegt werden, welche Ziele in Bezug auf die Nutzungsqualität erreicht werden sollen und welche Methoden dazu im Rahmen des Kostenplans eingesetzt werden können. Einen kleinen Überblick über benutzerzentrierte Methoden, die sich gerade auch im Einsatz bei kleineren Projekten bewährt haben, bietet Tabelle 1. Phase Methoden Analyse Kontextsitzung, Kontextbefragung, Fokusgruppen Gestaltung Szenarios, Gestaltungsworkshops Prototyping Low-Fidelity und High-Fidelity Prototypen Evaluation Usability-Tests, Pluralistischer Usability-Walkthrough, Heuristische Expertenevaluation, Fragebögen Tabelle 1: Bewährte Methoden der benutzerzentrierten Gestaltung Hinsichtlich der Methodenkompetenz bzw. deren Verankerung im Unternehmen steht als wichtige Frage sicherlich im Vordergrund, wie häufig und mit welcher Bandbreite Benutzungsschnittstellen im Unternehmen entwickelt werden. Davon abhängig entscheidet sich, ob die zentrale Verantwortung für die Sicherung der Nutzungsqualität aller Produkte einem „User Experience Manager“ obliegt, der für die jeweiligen Projekte den Einsatz der Methoden und Ressourcen koordiniert, oder ob dies jeweils neu für einzelne Projekte festgelegt wird. Je nach ProUsability Professionals 2003 User Interface Tuning – mit Benutzern gestalten jekterfordernissen und eigener Lage der Ressourcen und des Know-Hows ist hier häufig die Einbindung von qualifizierten externen Dienstleistern notwendig. Damit dies auch nach einem allgemein anerkannten Verständnis in der Vorgehensweise und hinsichtlich der Durchführungs- und Ergebnisqualität geschehen kann, haben sich in Deutschland Usability-Fachleute in einem eigenen Berufsverband, der Usability Professionals Association zusammengeschlossen [9]. Hier findet auch ein reger Austausch über das Kosten-Nutzen-Verhältnis, Effizienz und Trade-Offs der eingesetzten Methoden in Bezug auf die industrielle Praxis statt. 5. REFERENZEN 4. USER INTERFACE TUNING [4] Hassenzahl, M., Attraktive Software – Was Gestalter von Computerspielen lernen können. In: J. Machate & M. Burmester (Hrsg.), User Interface Tuning, Benutzungsschnittstellen menschlich gestalten, Software & Support Verlag (2003). Eine zentrale Konsequenz aus den vorangegangenen Überlegungen und unserer Praxiserfahrung ist, dass benutzerzentrierte Produktentwicklung immer auf die Bedürfnisse der aktuellen Projektsituation angepasst werden muss und kein starres Vorgehensmodell zugrunde gelegt werden darf. So wie in der Nutzungskontextanalyse für ein Produkt das Produktumfeld, die Nutzer und die Aufgaben analysiert werden sollten, sollte vor Projektbeginn das Umfeld für den Einsatz benutzerzentrierter Entwicklungsmethoden analysiert werden und die in Frage kommenden Methoden ausgewählt und entsprechend adaptiert werden. Solch ein flexibles Anpassen der Methoden auf die Projektbedürfnisse beschreiben die Praxisbeispiele aus „User Interface Tuning“ [7]. Als wichtigster Leitfaden hierbei gilt: „Frage Deine Benutzer“ und ermögliche dies in jeder Produktentwicklungsphase. [1] Burmester, M. und Görner, C., Das Wesen benutzerzentrierten Gestaltens. In: J. Machate & M. Burmester (Hrsg.), User Interface Tuning, Benutzungsschnittstellen menschlich gestalten, Software & Support Verlag (2003). [2] Cooper, A., The Inmates Are Running the Asylum, Why High Tech Products Drive Us Crazy and How To Restore The Sanity, Pearson Professional Education (1999). [3] DIN EN ISO 13407, Benutzer-orientierte Gestaltung interaktiver Systeme, Beuth Verlag (2000). [5] IBM Ease of Use, What is User-Centered Design? www-3.ibm.com/ibm/easy/eou_ext.nsf/ EasyPrint/2. [6] Kruchten, P., The Rational Unified Process – An Introduction, Second Edition, Addison Wesley Longman (2000). [7] Machate, J. und Burmester, M. (Hrsg.), User Interface Tuning, Benutzungsschnittstellen menschlich gestalten, Software & Support Verlag (2003). [8] Nielsen, J., Usability Engineering, Morgan Kaufmann (1993). [9] Usability Professionals' Association: German Chapter. www.uni-kl.de/pak/upa-germanchapter/ 145 Machate, J. & Burmester, M. Referenten Joachim Machate studierte Informatik mit Schwerpunkt Mensch-MaschineKommunikation an der Universität Stuttgart. Seine Dissertation über die Nutzung der Intonation in Dialogen mit sprachverstehenden Systemen erarbeitete er am Wissenschaftlichen Zentrum der IBM Deutschland Informationssysteme GmbH. Seit mehr als 15 Jahren ist er als Usability Consultant und Projektleiter im Bereich MenschComputer-Interaktion tätig. Seine berufliche Laufbahn begann am Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO), an dem er 1998 die Leitung des Marktstrategieteams „Interaktive Produkte“ übernahm. Im Jahr 2000 wechselte er als Mitglied des Management Boards und Leiter Softwareentwicklung zur User Interface Design GmbH (UID). Als Key Account Manager IT & Enterprise Solutions ist er bei der UID zuständig für die Betreuung von Kunden aus dem Finanzdienstleistungsbereich und Unternehmenssoftware. Neben seiner Tätigkeit als Usability Consultant ist er zudem als Autor und Lehrbeauftragter aktiv. Ein besonderer inhaltlicher Schwerpunkt seiner Arbeit richtet sich auf die Entwicklung von IT-basierten Verbrauchsgütern und multimodalen Systemen. Gemeinsam mit Michael Burmester ist er Herausgeber des Buches „User Interface Tuning, Benutzungsschnittstellen menschlich gestalten“, dem die in dieser Session vorgestellten Praxisbeispiele als Auszug entnommen sind. Michael Burmester studierte Psychologie an der süddeutschen Universität Regensburg. Er begann seine Karriere als Forscher am Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in Stuttgart. 1997 wechselte er zu Siemens Corporate Technology – User Interface Design als Usability Consultant und Forscher des Bereichs Usability Engineering. Ab März 2000 leitete er das Münchner Büro ebenso wie den Bereich Usability Engineering der User Interface Design GmbH, eines beratenden Softwareund Usability-Unternehmens. Seit September 2002 vertritt Michael Burmester die Professur für Ergonomie und Usability im Studiengang Informationsdesign an der Hochschule der Medien in Stuttgart. Parallel dazu betreut er den Bereich Research & Innovation bei der User Interface Design GmbH. Neben der Arbeit als Usability Consultant war Herr Burmester in mehreren nationalen und europäischen Forschungsprojekten als Projektmanager beteiligt. Seine Forschungsinteressen liegen in der Weiterentwicklung des Usability Engineerings in Richtung auf eine umfassende Gestaltungsdisziplin, die die Mensch-TechnikInteraktion zu einem für den Menschen positiven Erlebnis macht. 146 Usability Professionals 2003 SICHERHEIT FÄNGT BEIM BENUTZER AN – BENUTZERZENTRIERTER GESTALTUNGSPROZESS FÜR SAM JUPITER Johannes Schwagereit Beta Systems Software AG Josef-Lammerting-Allee 14 50933 Köln johannes.schwagereit@betasystems.com www.betasystems.com Axel Kern Beta Systems Software AG Josef-Lammerting-Allee 14 50933 Köln axel.kern@betasystems.com www.betasystems.com ABSTRACT Die Verwaltung von Benutzern und deren Zugriffsrechten ist nur so sicher wie die Administratoren im Umgang mit den Applikationen sind. SAM Jupiter ist eine übergreifende Administrationsplattform für verschiedene IT-Systeme. Die grafische Benutzungsoberfläche für SAM wurde mit Hilfe eines benutzerzentrierten Gestaltungsansatzes entwickelt, der u.a. drei internationale Usability-Tests mit Prototypen bzw. frühen Versionen beinhaltete. Besonders berücksichtigt wurde dabei die Möglichkeit, die grafische Benutzungsoberfläche an die Bedürfnisse unterschiedlicher Unternehmen anzupassen. Bei der Weiterentwicklung von SAM Jupiter ist die benutzerzentrierte Vorgehensweise inzwischen fest etabliert. Keywords Benutzerzentrierte Softwareentwicklung, UsabilityTests. 1. EINLEITUNG SAM Jupiter ist eine Applikation zur Verwaltung von Usern und Zugriffsrechten in heterogenen ITUmgebungen. Es stellt eine übergreifende Administrationsplattform über die vorhandenen Sicherheitssysteme verschiedener IT-Systeme (Betriebssysteme, wie Windows NT/2000, UNIX, z/OS, Datenbanken, wie LDAP, DB2 und Oracle, sowie Anwendungen, wie beispielsweise SAP R/3) dar. So kann mit Hilfe von Vorlagen (sogenannten Roles) ein Benutzer (User) zentral über SAM Jupiter eingerichtet werden. Die weiteren Schritte zum Einrichten der Es ist erlaubt digitale und Kopien in Papierform des ganzen Papers oder Teilen davon für den persönlichen Gebrauch oder zur Verwendung in Lehrveranstaltungen zu erstellen. Der Verkauf oder gewerbliche Vertrieb ist untersagt. Rückfragen sind zu stellen an den Vorstand des GC-UPA e.V. (Postfach 80 06 46, 70506 Stuttgart). Proceedings of the 1st annual GC-UPA Track Stuttgart, September 2003 © 2003 German Chapter of the UPA e.V. Andreas Beu User Interface Design GmbH Lehrer-Götz-Weg 11 81825 München andreas.beu@uidesign.de www.uidesign.de entsprechenden Benutzer und Berechtigungen in den einzelnen Zielsystemen werden dann von SAM Jupiter automatisch übernommen. Weiterhin können mit dem Zusatzmodul „SAM Jupiter Workflow“ organisatorische Abläufe zum Einrichten, Prüfen und Freigeben von Benutzern und Berechtigungen abgebildet werden. Anwender von SAM Jupiter sind mittlere und große Unternehmen aller Branchen. Dort ist die Administration der Benutzer und deren Zugriffsrechte ein äußerst anspruchsvolles und vor allem sicherheitskritisches Thema. Viele Unternehmen sind hochgradig von einer funktionierenden IT-Infrastruktur abhängig, diese ist Voraussetzung für die Arbeitsfähigkeit ganzer Unternehmensbereiche. Entsprechend hoch sind auch die Anforderungen an SAM Jupiter. Doch was nützen die ausgefeiltesten Funktionen von SAM Jupiter, wenn die Administratoren damit nicht sicher und zuverlässig umgehen können? "Sicherheit fängt beim Benutzer an": dies war der Anspruch, als Anfang 2000 mit der Gestaltung der grafischen Benutzungsoberfläche (Graphical User Interface GUI) von SAM Jupiter begonnen wurde [1]. 2. VORGEHENSWEISE Um den hohen Erwartungen an eine sichere und effiziente Bedienung gerecht zu werden, wurde ein benutzerzentrierter Gestaltungsansatz gewählt, bei dem der Benutzer und seine Anforderungen im Mittelpunkt stehen [2], [4]. Wesentliches Merkmal der Vorgehensweise war die Entwicklung ausführlicher Prototypen und die Durchführung mehrerer empirischer Untersuchungen (Usability-Tests). Die drei internationalen Usability-Tests für SAM Jupiter und SAM Jupiter Workflow mit Benutzern aus Italien, Norwegen, Großbritannien, Deutschland und den USA waren auch entscheidende Meilensteine bei der Entwicklung der GUI. Zahlreiche Gestaltungsdetails und Optimierungen des SAM User Interfaces beruhen auf bewussten Entscheidungen, die systematisch und gestützt auf empirische Daten herbeigeführt wurden. 147 Schwagereit, J., Kern, A. & Beu, A. Abbildung 1 Darstellung eines Antrags zum Einrichten von Zugangsberechtigungen für einen Benutzer im Zusatzmodul „SAM Jupiter Workflow“. Der Antrag wird auf einem virtuellen Klemmbrett dargestellt, welches verschiedenen Stellen zur Prüfung und Genehmigung „vorgelegt“ wird. Ergänzend wurden auch bestimmte Fragestellungen im Rahmen dieser Tests ausführlich durchleuchtet, beispielsweise die Individualisierbarkeit der GUI. Diese erfolgt weniger aufgrund persönlicher Vorlieben, sondern mehr aus betrieblichen Notwendigkeiten, d.h. SAM Jupiter muss an organisatorische Randbedingungen des jeweiligen Unternehmens angepasst werden können. So muss es problemlos möglich sein, Feldern ein anderes Label zu geben, die Auswahl der angezeigten Daten zu ändern oder eine neue Sprache für die Oberfläche zu definieren. Aber auch komplexere Anpassungen, wie kundenspezifische Wertebereiche für bestimmte Felder, müssen einfach realisierbar sein. Weiterhin wird SAM Jupiter von sehr unterschiedlichen Endbenutzern zu verschiedenen Zwecken genutzt: vom Frontoffice-Bankangestellten bis zum DV-Experten. D.h. die Endbenutzer haben teilweise sehr unterschiedliche Aufgaben und verfügen über ganz unterschiedliche Vorerfahrungen, so dass eine Adaption der GUI für verschiedene Benutzergruppen und Aufgaben erforderlich war. Aus diesem Grund war bei der Konzeption der GUI die leichte Anpassbarkeit immer ein wichtiges Thema. 148 Da mit einigen Lösungen Neuland betreten wurde, waren frühzeitige Rückmeldungen, ob diese Lösungen auch in der Praxis funktionieren würden, dringend erforderlich. Eventuelle Fehlentwicklungen mussten rechtzeitig erkannt und beseitigt werden. Die Usability-Tests lieferten hier wertvolle Daten und Hinweise zu Verbesserungspotentialen. 3. DISKUSSION UND AUSBLICK Die benutzerzentrierte Gestaltung ist inzwischen bei allen Weiterentwicklungen von SAM Jupiter fest etabliert, sie hat eine hohe Akzeptanz bei den Software-Entwicklern und der Projektleitung. Änderungen und Erweiterungen in SAM Jupiter werden daher ausgehend von der GUI gestaltet. In der Designphase wird jeweils zunächst beschrieben, wie sich das Aussehen und das Verhalten der neuen Funktionalität in der Benutzungsoberfläche darstellen. Die Lösungen werden dann mit Endbenutzern diskutiert. Erst wenn für die GUI eine zufriedenstellende Lösung gefunden wurde, werden die notwendigen Anpassungen in den Datenstrukturen und der SW-Architektur entwickelt und definiert. Usability Professionals 2003 Sicherheit fängt beim Benutzer an – benutzerzentrierter Gestaltungsprozess für SAM Jupiter Nach Abschluss der Implementierung gehören neben Tests der Funktionalität auch UsabilityÜberprüfungen zum festen Testprogramm der Qualitätssicherung. Alle Usability-Aktivitäten werden vorab im Projektplan eingeplant und mit ausreichend Zeit und Kapazität berücksichtigt. Dadurch kann sichergestellt werden, dass das hohe UsabilityNiveau von SAM Jupiter, welches in vorangegangen Usability-Tests bescheinigt wurde, erhalten bleibt. 4. REFERENZEN [1] Beu. A, Kern, A. & Schwagereit, J., Das User Interface ist wunderschön... – der benutzerzent- rierte Gestaltungsprozess nach ISO 13407 in der Praxis, Java Magazin, 5.2002, 28-35, 2002. [2] Burmester, M., Hassenzahl, M. & Machate, J., Benutzerzentriert - ja, aber wie? ISO13407: Empfehlungen für einen benutzerzentrierten Entwicklungsprozess, Java Magazin, 11.2000, 53-57, 2000. [3] DIN EN ISO 13407, Benutzer-orientierte Gestaltung interaktiver Systeme, Beuth Verlag (2000). [4] Machate, J. und Burmester, M. (Hrsg.), User Interface Tuning, Benutzungsschnittstellen menschlich gestalten, Software & Support Verlag (2003). 149 Schwagereit, J., Kern, A. & Beu, A. Referenten Johannes Schwagereit war nach dem Studium der Informatik an der Universität Kaiserslautern seit 1992 als Software-Entwickler bei der Kubus Software GmbH in Meckenheim angestellt. Er entwickelte dort für eine Anwendung der Druckereibranche u.a. das Datenmodell und die Benutzungsschnittstelle. Seit 1996 ist Johannes Schwagereit bei der Beta Systems Software AG in Köln (früher Systor Security Solutions GmbH bzw. Schumann AG) beschäftigt. Er arbeitet dort als Software-Ingenieur in der Entwicklung von "SAM Jupiter", eines Administrationstools zur Verwaltung von Benutzern und Zugriffsrechten in heterogenen IT-Umgebungen. Insbesondere gehören das Design und die Entwicklung einer neuen GUI zu seinen Aufgaben. Zu den Interessenschwerpunkten von Johannes Schwagereit zählen intuitiv verständliche Benutzungsoberflächen, die Datenbankmodellierung und Methoden der künstlichen Intelligenz. Axel Kern war nach dem Studium der Elektrotechnik als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Datenverarbeitungsanlagen der Technischen Universität Braunschweig beschäftigt. Er arbeitete dort im Rahmen des Verbundprojektes SUPRENUM, in dem unter Beteiligung von Industrie, Großforschungseinrichtungen und Universitäten ein Superrechner für die Bearbeitung numerischer Anwendungen entwickelt wurde. 1993 promovierte er hier über "Entwurf, Bewertung und Optimierung eines Kommunikationssystems für Parallelrechner". Axel Kern arbeitet seit 1993 bei der Beta Systems Software AG in Köln (früher der Systor Security Solutions GmbH bzw. Schumann AG) in der Entwicklung von SAM, einem Administrationstools zur Verwaltung von Benutzern und Zugriffsrechten in heterogenen ITUmgebungen. Zur Zeit ist er Projektleiter der Entwicklung von SAM Jupiter, der neuen Generation von SAM. Seine Interessenschwerpunkte sind Software-Entwicklungsmethoden, das Design von User Interfaces sowie Computer Security, hier insbesondere der Bereich Access Control. Andreas Beu ist Senior Usability Consultant und Manager Industry Solutions bei der User Interface Design GmbH in München. Im Rahmen dieser Tätigkeit berät er Unternehmen aus dem industriellen Umfeld bei der benutzergerechten Gestaltung von Software Produkten und interaktiven Dienstleistungen. Anfang 2003 übernahm er zusätzlich die Leitung der UID Geschäftsstelle in München. Andreas Beu ist Vize-Präsident des German Chapters of the UPA e.V. 150 Usability Professionals 2003 GESTALTUNG TOUCHSCREEN-BASIERTER MASCHINENSTEUERUNGEN BEI TRUMPF Klaus Bauer TRUMPF Werkzeugmaschinen GmbH+ Co. KG Johann-Maus-Straße 2 71254 Ditzingen klaus.bauer@de.trumpf.com www.trumpf.com ABSTRACT Anhand von zwei Pilotprojekten wurde eine neue Generation von touchscreen-basierten Maschinensteuerungen für den Werkzeugmaschinenhersteller TRUMPF entwickelt. Ziel war es u.a. eine besonders intuitiv bedienbare Benutzungsoberfläche zu schaffen, die für verschiedene Anwender individualisierbar sein sollte. Der benutzerzentrierte Gestaltungsprozess beinhaltete Nutzungskontextanalyse, Gestaltungsworkshops und Usability-Tests mit Prototypen, wobei jeweils potenzielle Endbenutzer einbezogen wurden. Da Interaktionskonzepte und Gestaltungsvorgaben für alle künftigen TRUMPF Steuerungen anwendbar sein sollen, wurden die Ergebnisse der einzelnen Pilotprojekte abgeglichen. Im TRUMPF Styleguide sind grundlegende und bindende Gestaltungsvorgaben für zukünftige Entwicklungen festgehalten. Bei den inzwischen gestarteten Folgeprojekten zeigt sich eine deutliche Reduzierung der Aufwände durch den Styleguide. Keywords Maschinensteuerung, Styleguide, User-centred design, Touchscreen 1. EINLEITUNG Die TRUMPF Gruppe gehört zu den weltweit führenden Unternehmen in der Fertigungstechnik. Innovationen von TRUMPF bestimmen die Richtung bei Werkzeugmaschinen für die Blech- und Materialbearbeitung, in der Lasertechnik, Elektronik oder Medizintechnik. Sie prägen technische Standards und eröffnen den Anwendern neue und produktivere Möglichkeiten. Die Entwicklung neuer Verfahren und leistungsfähiEs ist erlaubt digitale und Kopien in Papierform des ganzen Papers oder Teilen davon für den persönlichen Gebrauch oder zur Verwendung in Lehrveranstaltungen zu erstellen. Der Verkauf oder gewerbliche Vertrieb ist untersagt. Rückfragen sind zu stellen an den Vorstand des GC-UPA e.V. (Postfach 80 06 46, 70506 Stuttgart). Proceedings of the 1st annual GC-UPA Track Stuttgart, September 2003 © 2003 German Chapter of the UPA e.V. Andreas Beu User Interface Design GmbH Lehrer-Götz-Weg 11 81825 München andreas.beu@uidesign.de www.uidesign.de ger Maschinen, die rasche Umsetzung von technischen Gedanken in anwenderorientierte Innovationen, hohe Qualitätsansprüche und zuverlässige Betreuung der Kunden kennzeichnen TRUMPF. Mit der neuen Generation von touchscreen-basierten Bedienoberflächen soll dieser Anspruch unterstrichen werden. Entwicklungsziel war und ist die einheitliche Gestaltung der Bedienoberfläche für TRUMPF Maschinen aller Technologien (z.B. zum Stanzen, Nibbeln und Umformen, für die Laserbearbeitung, für die kombinierte Bearbeitung, für das Biegen ...) Dabei werden folgende Zielsetzungen verfolgt: • Entwicklung einer besonders intuitiv bedienbaren Bedienungsoberfläche, die den Umstieg zwischen den unterschiedlichen Maschinentechnologien erleichtert, • Abbildung von typischen Arbeitsabläufen, • Erzielen eines Alleinstellungsmerkmals gegenüber Wettbewerbern, • Kundenbindung durch eine besonders intuitive und attraktive Benutzungsoberfläche, • Optimale Touchscreen-Bedienung, • Möglichkeit der Individualisierbarkeit der Benutzungsoberfläche für verschiedene Anwender, • Reduzierung des Schulungsaufwands durch intuitives Bedienkonzept. Die einfache Bedienbarkeit der Maschinen mit einer attraktiv gestalteten Bedienungsoberfläche ist die Visitenkarte innovativer TRUMPF Produkte. 2. VORGEHENSWEISE Das Interaktionskonzept und visuelle Design für die zukünftigen touchscreen-basierten Bedienungsoberflächen von TRUMPF-Maschinen wurde anhand folgender Pilotprojekte entwickelt: • TRUMPF TrumaTube B10 • TRUMPF TrumaBend Die Pilotprojekte wurden in Anlehnung an den benutzerzentrierten Gestaltungsprozess nach ISO 13407 durchgeführt [2], [4]. Ziel der Pilotprojekte war 151 Bauer, K. & Beu, A. auch die Ableitung eines TRUMPF Styleguides für touchscreen-basierte Maschinenbedienoberflächen. Der Styleguide definiert Dialogbausteine und Bedienelemente und enthält konsistente Layout- und Interaktionsvorgaben. Der Styleguide berücksichtigt die Vorgaben etablierter Normen und Gestaltungsrichtlinien der ISO 9241 und der VDI-Norm zur nutzergerechten Gestaltung von Bediensystemen für Maschinen basieren [1], [6]. zelnen Pilotprojekten zu (vgl. Abbildung 1). Immerhin sollten Interaktionskonzepte und Gestaltungsvorgaben entwickelt werden, die für alle zukünftigen TRUMPF Maschinen gelten. Die Harmonisierung der Gestaltungsideen wurde durch folgende Maßnahmen gewährleistet: 2.1 Nutzungskontextanalyse Gestartet wurden die Pilotprojekte mit einer Nutzungskontextanalyse, die in Form einer Kontextsitzung [4] gemeinsam mit Endanwendern, Mitarbeitern des Vertriebs und Produktmanagern durchgeführt wurde. Ergebnisse waren Profile der verschiedenen Benutzergruppen, die Beschreibung der wichtigsten Tätigkeiten, sowie die Darstellung der Nutzungsumgebung. 2.2 Gestaltungsworkshops mit Visualisierung Es folgte eine Reihe von Gestaltungsworkshops. Hierbei wurden für die wichtigsten Arbeitsabläufe entsprechende Gestaltungsentwürfe entwickelt und diskutiert. Bei den Gestaltungsworkshops waren ebenfalls Endbenutzer beteiligt. Die Gestaltungsentwürfe wurden unmittelbar visualisiert, indem die Skizzen aus den Workshops von den Designern der User Interface Design GmbH (UID) grafisch ausgearbeitet wurden. Die ausgearbeiteten Entwürfe wurden so in einem Präsentationsprogramm eingebunden, dass ein „Rundgang“ durch das neue Design möglich was. Auf diese Art und Weise konnten die Gestaltungsentwürfe beim nächsten Workshop sofort diskutiert und bewertet werden. 2.3 Usability-Testing Anhand der Gestaltungsentwürfe wurde eine interaktive Bedienungsattrappe (Wegwerf-Prototyp) erstellt. Der Prototyp schaffte die Voraussetzung zur Durchführung eines Usability-Tests. Dazu wurden potenzielle Endbenutzer eingeladen, anhand von realistischen Aufgabenstellungen den Prototypen und damit die darin enthaltenen Gestaltungsideen zu bewerten. Die Aufgabenstellungen orientierten sich an den wichtigsten Tätigkeiten, die im Rahmen der Nutzungskontextanalyse erhoben wurden. Als Teilnehmer wurden in erster Linie Maschineneinrichter eingeladen. Diese wurde bei der Nutzungskontextanalyse als die wichtigste Benutzergruppe identifiziert, da sie den größten Anteil an Interaktionen mit der Steuerung haben, nahezu alle Tätigkeiten abdecken und auch bei der Kaufentscheidung für eine Maschine eine wichtige Rolle einnehmen. Die Ergebnisse der Usability-Tests flossen in die abschließende Phase des Feindesigns. 2.4 Abgleich zwischen den Pilotprojekten Eine wichtige Rolle bei der konsistenten Gestaltung der touchsreen-basierten TRUMPF Bedienoberfläche kam dem Abgleich der Ergebnisse aus den ein- 152 Abbildung 1: Dialog „Biegeteil laden“ für Abkantpresse TRUMPF TrumaBend (oben) und Rohrbiegemaschine TRUMPF TrumaTube B10 (unten) Parallele Durchführung der Gestaltungsworkshops aus allen Pilotprojekten Die Gestaltungsworkshops der Pilotprojekte wurden parallel durchgeführt. Dabei wurden die Inhalte der Workshops auf einander abgestimmt. Gestaltungsideen für Problemstellungen, die alle Pilotprojekte betrafen, wurden zuerst innerhalb eines Gestaltungsworkshops eines Projektes entwickelt. Die resultierenden Gestaltungsideen wurden dann den anderen Projekten vorgestellt, dort diskutiert und ggf. angepasst bzw. ergänzt. So wurden die maßgeblichen Ideen für die Service- und Wartungskomponente zuerst für die Lasersteuerung WinLas gestaltet und anschließend für die Maschinen adaptiert. Die viel beachteten Korrekturen-Dialoge waren eine Gestaltungsidee, die zuerst für die TRUMPF TrumaTube B10 entwickelt wurde und später auf die Abkantpressen übertragen wurden. Die Dialoge für die Zusammenstellung von Teilelisten waren hingegen eine Idee, die von der Abkantpresse stammte. Usability Professionals 2003 Gestaltung touchscreen-basierter Maschinensteuerungen bei TRUMPF Teilnahme von Experten aus anderen Technologie-Bereichen an den Gestaltungsworkshops Die Teilnahme von Experten aus anderen Technologie-Bereichen von TRUMPF während der Gestaltungsworkshops sicherte außerdem schon während der Ideengenerierung eine kontinuierliche Abstimmung. Diese Experten konnten Einfluss auf die Gestaltung nehmen, indem sie beispielsweise auf eigene Bedürfnisse bzw. auf etablierte Gestaltungslösungen aus ihrem Bereich aufmerksam machten oder an der Bewertung einzelner Gestaltungsideen teilnahmen. Dadurch wurde zugleich erreicht, dass die im Rahmen der Pilotprojekte entwickelten Gestaltungslösungen bereits sehr früh innerhalb von TRUMPF bekannt und allgemein akzeptiert wurden. Einrichtung eines Styleguide-Teams Das Styleguide-Team hatte vor allem die Aufgabe, aus den Gestaltungslösungen die Dialogbausteine und Bedienelemente zu extrahieren und diese einheitlich zu definieren. Dabei wurden in gemeinsamen Workshops mit Software-Entwicklern aus verschiedenen TRUMPF Bereichen Layout, Interaktionsverhalten, aber auch Implementierungsdetails diskutiert, und festgelegt. Damit hatte das Styleguide-Team wesentlichen Anteil an der einheitlichen Gestaltung zukünftiger TRUMPF Maschinensteuerung. Resultat dieser Workshops ist der TRUMPF Styleguide. Abbildung 3: Grundsätzliches Layout der Hauptfenster für zukünftige TRUMPF Maschinensteuerungen Die hieraus resultierenden Gestaltungsvorgaben sind für die betroffenen Bereiche der TRUMPF Gruppe bindend. Die Vorgaben lassen genügend Spielraum, um auf deren Grundlage touchscreenbasierte Benutzungsoberflächen für unterschiedliche TRUMPF Produkte zu entwickeln sowie auf die Anforderungen unterschiedlicher Technologien zu reagieren. Die Gestaltungsvorgaben sind so konkret wie möglich und so flexibel wie nötig anwendbar. Beschrieben werden das grundsätzliche Interaktionskonzept und Layout (vgl. Abbildung 3), wichtige Interaktionsmechanismen für Touch- und Tastaturbedienung, sowie alle Bedienelemente und Dialogbausteine. Die Beschreibung der Dialogbausteine und Bedienelemente erfolgte durch Abbildung 2: Beispiel für die Bemaßung eines Context Buttons im TRUMPF Styleguide 3. DER TRUMPF STYLEGUIDE Der TRUMPF Styleguide beinhaltet die grundlegenden und bindenden Gestaltungsvorgaben touchscreenbasierter Benutzungsoberflächen für TRUMPF Werkzeugmaschinen. Er unterstützt Softwareentwickler, Projektmanager und Designer bei der Entwicklung konsistenter und technologieübergreifender Interaktionskonzepte. • Definition des Verwendungszwecks • Darstellung der visuellen Gestaltung (Visuelle Gestaltung, Fokus, Bemaßung) (vgl. Abbildung 2) • Festlegung des Interaktionsverhaltens (Allgemein, Touch-Bedienung, Mausbedienung, Tastatur-Bedienung) 4. ZUSAMMENFASSUNG & SCHLUSSFOLGERUNG Inzwischen wurden bei TRUMPF bereits mehrere Folgeprojekte gestartet, welche die Gestaltung weiterer Bedienoberflächen für verschiedene Anwendungen zum Ziel haben (z.B. für CO2-LaserSteuerung, Stanz- und Laserbearbeitung, ScannerSchweißen, Metall-Laser-Schmelzen). Im Rahmen dieser Projekte hat sich sehr schnell gezeigt, welchen Vorteil der TRUMPF Styleguide für die Entwicklung der Benutzungsoberflächen hat. Die Zeiten und Aufwände für die Konzeption der Interaktion und der grafischen Gestaltung konnten erheblich reduziert werden. Eine wesentliche Erleichterung war das vorgegebene Grundlayout für die Hauptfenster der 153 Bauer, K. & Beu, A. Maschinensteuerung (vgl. Abbildung 3). Dieses Grundlayout konnte für nahezu alle Bedienoberflächen herangezogen und angepasst werden. Ebenso konnten viele Dialoge, die ursprünglich für einen bestimmten Maschinentyp entwickelt wurden, adaptiert und wieder verwendet werden. Die Dialogbausteine und Bedienelemente wurden teilweise als Klassenbibliotheken für die wichtigsten TRUMPFEntwicklungsumgebungen implementiert und zur Verfügung gestellt. Dadurch werden einerseits Entwicklungskosten gespart, andererseits wird durch die Vorgabe der Bedienelemente sichergestellt, dass die Benutzungsoberfläche optimal am Touchscreen bedienbar ist. Gleichzeitig integrieren sich die neuen Benutzungsoberflächen besser in die TRUMPF Landschaft. Sie vermitteln den Kunden ein einheitliches Bild und schaffen dadurch Vertrauen in die Marke TRUMPF (vgl. auch Abbildung 4). 5. REFERENZEN [1] DIN EN ISO 9241, Ergonomische Anforderungen für Bürotätigkeiten mit Bildschirmgeräten, Beuth Verlag (1997-2002). [2] DIN EN ISO 13407, Benutzer-orientierte Gestaltung interaktiver Systeme, Beuth Verlag (2000). [3] Görner C., Dialog building blocks - A useful means to improve compliance to international user interface standards. Proceedings of the ICAE'96. Istambul (1996). [4] Machate, J. und Burmester, M. (Hrsg.), User Interface Tuning, Benutzungsschnittstellen menschlich gestalten, Software & Support Verlag (2003). [5] Thomas, C. & Bevan, N., Usability Context Analysis - A Practical Guide, Version 4.04, www.usability.serco.com/trump/documents/ UCA_V4.04.doc. (1996), überprüft am 25.05.2003. Abbildung 4: Dialog zum Teachen eines Kreises mit drei Punkten im Raum (TRUMPF Scanner Schweißen) 154 [6] VDI-Richtlinie, VDI/VDE 3850, Blatt 1 – 3, Nutzergerechte Gestaltung von Bediensystemen für Maschinen, VDI Verlag (2000-2002). Usability Professionals 2003 Gestaltung touchscreen-basierter Maschinensteuerungen bei TRUMPF Referenten Klaus Bauer war nach seinem Studium der Technischen Informatik als SoftwareEntwickler bei der TRUMPF GmbH+Co. KG in der Steuerungsentwicklung tätig. Er war dort für Steuerungssimulationssystemen und -tests zuständig, später für die Einführung moderner Software-Architekturen und optimierter Software-Entwicklungsprozesse. 1997 wechselte er im Hause TRUMPF in das Kompetenzfeld Systementwicklung MMI, mit dessen Leitung er seit 1998 beauftragt ist. Zu seinen Verantwortungsgebieten gehört die Entwicklung moderner, attraktiver und tätigkeitsorientierter grafischer Benutzungsoberflächen für Stanz-, Laser- und Kombimaschinen. Seit 2002 leitet er ein internationales Projektteam zur Entwicklung eines technologieübergreifenden Bedienkonzeptes und eines firmenweiten einheitlichen User-Interface-Styleguides für das komplette Maschinenspektrum bei TRUMPF. Andreas Beu ist Senior Usability Consultant und Manager Industry Solutions bei der User Interface Design GmbH in München. Im Rahmen dieser Tätigkeit berät er Unternehmen aus dem industriellen Umfeld bei der benutzergerechten Gestaltung von Software Produkten und interaktiven Dienstleistungen. Anfang 2003 übernahm er zusätzlich die Leitung der UID Geschäftsstelle in München. Andreas Beu ist Vize-Präsident des German Chapters of the UPA e.V. 155 WEBSITE-EVOLUTION - WAS DER BESUCHER WIRKLICH BRAUCHT Jens Uwe Parkitny Expedia.com GmbH Landshuter Allee 10 D-80637 München jensuwep@expedia.com www.expedia.de ABSTRACT Der Artikel zeigt am Beispiel des Online-Reisebüros Expedia.de, wie die Internet-Dienstleistung mit Hilfe von Usability-Maßnahmen über mehrere Jahre situationsgerecht, erfolgskontrolliert und wirtschaftlich weiterentwickelt werden konnte. Keywords Web-Usability, Online-Reisebüro, Usability-Testing, benutzerzentrierter Gestaltungsprozess, user centred design process. 1. EINLEITUNG In der Zusammenarbeit mit Internet-Dienstleistern taucht regelmäßig die Frage auf: Was liest der Benutzer wirklich, was überliest er und warum? Die Gestaltung der Inhalte pendelt zwischen dem Wunsch übersichtlich zu bleiben und der Angst, die entscheidende Information wegzulassen, die den Benutzer hätte „fesseln“ können. Während Kleingedrucktes in herkömmlichen Verträgen auf Papier sehr oft ignoriert wird, zeigte sich bei Usability-Tests gerade der umgekehrte Effekt: Wichtige Informationen, die vermeintlich gut sichtbar dargestellt sind, werden überlesen, während Informationen, die sehr klein geschrieben sind, im Internet eher Misstrauen wecken und daher besonders gründlich studiert wurden. Die mess- und nachweisbaren Erfolge des OnlineReisebüros Expedia.de zeigen, wie man sich mit benutzerzentrierten Maßnahmen aus solchen Unsicherheiten befreien kann. Expedia sieht in der Qualität der Benutzungsoberfläche die wichtigste Komponente, mit der das Vertrauen und die Akzeptanz Claus Görner User Interface Design GmbH Teinacher Str. 38 D-71634 Ludwigsburg claus.goerner@uidesign.de www.uidesign.de durch die Kunden hergestellt und gesichert werden kann. Benutzerzentriertes Bewerten und Gestalten stehen daher bei jedem neuen Release der Website im Fokus. Allerdings wird Usability auch nicht zum Selbstzweck betrieben. Nur Anpassungen, die nachweislich zu Verbesserungen für Benutzer und Vertrieb führen, werden umgesetzt. 2. ONLINE-REISEBÜRO Expedia Inc. gilt heute als das weltweit größte Online-Reisebüro und weist rund zwölf Millionen Seitenabrufe pro Monat alleine in Deutschland auf. Im Oktober 1996 startete Expedia.com in den USA und erhielt bis heute zahlreiche Auszeichnungen und Preise für Nutzerfreundlichkeit, Funktionalität und Design. Ähnliche Erfolge verzeichnen Expedia-Sites in Kanada, Groß-Britannien, Belgien, Deutschland, Italien, Frankreich und den Niederlanden. Die deutsche Version der Reisewebsite Expedia ging im September 1999 live (www.expedia.de). Das Geschäftsmodell entspricht heute einem Mix aus dem eines herkömmlichen Reisebüros und eines Reiseveranstalters, also Verkauf und Vermittlung von Produkten aus den Bereichen Reise und Touristik. Der Expedia-Besucher kann in Deutschland je nach Saison bis zu 200.000 Reisen, Flüge von 500 Fluglinien und ca. 65.000 Hotels online abfragen. Die Zahl der „Unique Users“ in Deutschland (Nutzer, die nur einmal gezählt werden, selbst wenn sie innerhalb eines Monats öfters die Site benutzen), liegt bei etwa. 1,2 Millionen. Die Conversion Rate (Besucher/Käufer) und die Zahl der Neukunden entwickeln sich stetig wachsend. Es ist erlaubt digitale und Kopien in Papierform des ganzen Papers oder Teilen davon für den persönlichen Gebrauch oder zur Verwendung in Lehrveranstaltungen zu erstellen. Der Verkauf oder gewerbliche Vertrieb ist untersagt. Rückfragen sind zu stellen an den Vorstand des GC-UPA e.V. (Postfach 80 06 46, 70506 Stuttgart). Proceedings of the 1st annual GC-UPA Track Stuttgart, September 2003 © 2003 German Chapter of the UPA e.V. 156 Usability Professionals 2003 Website-Evolution - Was der Besucher wirklich braucht - 3. WEBSITE-EVOLUTION Abbildung 1: Im Vergleich von oben nach unten Erste Site (USA, 1996), Sites Deutschland 1999, 2002 und 2003 157 Parkitny, J. U. & Görner, C. 3.1 Expedia.com 1996; Erste Site (USA) Hauptmerkmale • Geprägt von redaktionellen Themen, Reportagen und Reise-News • Ein einziger Link zu verkaufsrelevanten Features auf der Startseite (Reisebüro). Wirkung • Bekanntheit und Besucherzahlen zufrieden stellend, Verkaufszahlen zunächst hinter den Erwartungen zurück. Usability-Strategie • Befragungen von Expedia-Interessenten in USA Erkenntnis • Redaktionelle Inhalte sind keine Voraussetzung für den Verkauf Konsequenz • Informatorische Inhalte werden durch leistungsfähige Buchungsmodule ersetzt, die z.B. erlauben, den Fensterplatz im Flugzeug automatisch zu reservieren 3.2 Expedia.de 1999; erste deutsche Site Hauptmerkmale Zahlreiche Links für Buchungsaktivitäten und Anlage persönlicher Reiseprofile • • • Kopf und Hauptnavigationsleiste Dreispaltiger Arbeitsbereich Komplexere Interaktionen für den Benutzer Wirkung Verkaufszahlen bleiben auch in Deutschland zunächst hinter den Erwartungen zurück. Usability-Strategie Benutzerbefragung, und Beobachtung von Benutzern, die einen beliebigen Flug buchen. Ziel einer besseren Einschätzung über Art der Nachfrage und der Kundenbedürfnisse Im Vordergrund steht die funktionale Ausgestaltung, noch nicht so stark die Bedienbarkeit. Subjektive Empfindungen von Benutzern haben zu diesem Zeitpunkt größere Bedeutung als die gezielte Beobachtung von ausgewählten Bedienabläufen. • • • • Wie wird die Site generell empfunden? Werden die wichtigsten Elemente und Funktionen erkannt und verstanden? Was gefällt, was stößt auf Ablehnung? Was hält vom Kauf ab? Erkenntnis • Unsicherheiten der Besucher bestehen bezüglich Verbindlichkeit der Buchung, der Produkthaftung, der Art der Bezahlung und dem Datenschutz • Vorrangig erwartet werden: niedrige Preise, hohe Performance (schneller Seitenaufbau und 158 • sehr gute Reaktionszeiten) sowie multimedial aufbereitete Hintergrundinformationen rund ums Reisen, die Spaß machen und unterhalten sollen. Der Registrierungszwang bereits vor einer Suchabfrage und wiederholte Datenabfragen werden als großes Hindernis gesehen. Konsequenz • Erweiterung und Änderung der Funktionalität • Änderung des grafischen Erscheinungsbildes, um die Attraktivität zu steigern • Abspecken der Informationsfülle auf der Einstiegsseite 3.3 Expedia.de März 2000 Hauptmerkmale • neues Grafik-Design, Einführung von Karteikarten • Mehr Abrechnungsmöglichkeiten und optimierte Buchungspfade • Situationsgerechte Informationen, z.B. Registrierung nur als Option Wirkung • Gesteigerter Appeal • Kauf auf Rechnung sehr gut angenommen, • steigende Flugbuchungen und steigende Zahl von Wiederholungskäufen Usability-Strategie Wettbewerbsanalyse: Welche Sites von Wettbewerbern kennen und besuchen die Benutzer? Wie schneidet Expedia im Vergleich ab? Funktionale Klärung: Bedarf an Auktionen und „Community“-Foren, Suchkriterien Erkenntnis • Noch zu viele, als unwichtig eingestufte Inhalte auf der Einstiegsseite. • Inhalte der Spalte C werden komplett ignoriert • Terminologieunklarheiten, z.B. Reisephasen „Herbstferien“ und „Weihnachtsferien“ • Navigationsleiste mit zwei Reihen von Reiterkarten bewährte sich nicht. Konsequenz • Guidelines für Übersetzer • Entfernung redundanter Webelemente wie Links und Icons 3.4 Expedia.de September 2002 Hauptmerkmale Die Komplexität der Benutzungsoberfläche ist immer mehr gewachsen und durch die gestiegene Anzahl von integrierten Fremdapplikationen schleichen sich Inkonsistenzen in der Benutzungsoberfläche ein. Usability Professionals 2003 Website-Evolution - Was der Besucher wirklich braucht - Wirkung Unübersichtlicher, inkonsistenter, sinkende Bedienbarkeit, nach wie vor sehr gutes Produktangebot Usability-Strategie Bisherigen Studien hatten große Anteil marktforschungs-orientierter Themen. Sie legten somit naturgemäß auch viel Wert auf die Befragung der Testteilnehmer. Jetzt rückt die Bedienbarkeit der Website in ihrer Gesamtheit stark in den Vordergrund. Die Untersuchung wird sehr detailliert. In dieser Studie waren drei Buchungsaufgaben vollständig durchzuführen, bei denen die Benutzer intensiv beobachtet wurden. Jede Situation, in der eine Bedienungshürde zu beobachten war, wurde detailliert protokolliert und analysiert. Befragt wurden die Tester erst im Anschluss an die Bearbeitung. Hilfestellungen gab es keine, denn die Benutzer sollten zunächst alles Notwendige selbst herausfinden. Während der ganzen Sitzung waren die Benutzer angehalten „laut zu denken“ und alle Erwartungen oder Überraschungen mitzuteilen. Unmittelbar nach jeder Aufgabe wurden die Testpersonen gebeten, bestimmte Aspekte der Website in einer 5Punkte-Ratingskala einzustufen. Im Anschluss an die Beobachtungsphase beantworteten die Testpersonen einen standardisierten Fragebogen, mit dem die subjektive Einschätzung bezüglich Usability und hedonischen Qualitäten der Website gemessen wurde. Erkenntnis Die Ergebnisse der Untersuchung machten deutlich, wie wichtig die direkte Beobachtung für eine sinnvolle Gewichtung der subjektiven Aussagen der Benutzer ist: • • • Befragt nach der Qualität der Website, waren viele Benutzer voll des Lobes. Dabei spielten vor allem Angebotsinhalte eine Rolle, wie die „sehr umfangreiche Reise-Auswahl“ oder die Informationsgenauigkeit, die z.T. “detaillierter als erwartet“ war. In der Auswertung des standardisierten Fragebogens wurde die Beurteilung bereits differenzierter: sowohl die pragmatische Qualität als auch die hedonische Qualität wurden als eher durchschnittlich eingestuft. Das bedeutet, dass noch viel Raum für Verbesserungen vorhanden war. Die Beobachtung selbst brachte die Erkenntnis, dass der Einstieg und das Suchen von Reiseangeboten ganz gut bewältigt werden (und darauf hatten sich bisherige Arbeiten ja auch vorwiegend konzentriert). Sobald es aber einen Schritt tiefer, von der Angebotssuche in die Auswahl und Kaufentscheidung ging, tauchten noch viele Ungereimtheiten und Ungenauigkeiten auf. Konsequenz In den bisherigen Versionen wurde vor allem die Einstiegsseite optimiert und immer wieder verfeinert. Bereits auf den nachfolgenden Seiten war die Gestaltung sehr stark von den verschiedenen Buchungssystemen (Flug, Städtereise, „Last Minute“) geprägt und führte zu sehr unterschiedlichen Erscheinungsbildern. Expedia entkoppelte daher zahlreiche Seiten der Website wieder von den Buchungssystemen, so dass bis zu einer gewissen Ebene nur noch die reinen Reisedaten geladen werden und diese in eigene, konsistent und attraktiv gestaltete Seiten eingebunden werden. 3.5 Expedia.de Januar 2003 Hauptmerkmale Inhaltliche reduzierte, aber konsistente Benutzungsoberfläche Wirkung Sehr klar, ansprechend, einfach zu bedienen. Usability-Strategie Die neue Version wurde einem verkürzten Usability Test mit wenigen Benutzern unterzogen und es wurde ein vergleichender Online-Feldtest durchgeführt. Die bisherige Version bekamen nur noch 50% der Besucher zu sehen, die anderen 50% erhielten bereits die neu gestaltete Version. Erkenntnis Der Usability Test zeigte deutliche Steigerungen der hedonischen und pragmatischen Qualität. Benutzer gaben durchweg sehr positives Feedback. Nach 3 Wochen A/B-Testphase zeigte sich, dass die neue Website signifikant weniger Abbrüche zu verzeichnen hat, als die Vorversion. Das Branchenmagazin Touristik R.E.P.O.R.T untersucht für die Ausgabe 10/03 fünf große InternetReisebüros mit dem Fokus Gestaltung/Layout, Inhalt/Reiseinformation, Angebotssuche/Buchung sowie Interaktionsdesign/Dialog. Die Begründung für den Testsieger Expedia.de bestätigt den großen Qualitätssprung im Vergleich zu Mitbewerbern: "Bei Expedia dreht sich alles um den Kunden. Der detaillierte persönliche Bereich, die individuellen Beratungsmöglichkeiten, nützliche Reiseinformationen und nicht zuletzt der einfache Such- und Buchungsprozess - all dies macht die Reisebuchung für Expedia-Kunden kinderleicht.“ Konsequenz Funktionale Erweiterungen und weitere kontinuierliche Usability Checks mit Zielsetzungen und Fragestellungen, die auf die aktuelle Situation zugeschnitten werden. 159 Parkitny, J. U. & Görner, C. Referenten Jens Uwe Parkitny, Manager Product & Business Development, Expedia.com GmbH, ist gelernter Verlagskaufmann und Diplombetriebswirt. Nach einem abgeschlossenen Volontariat arbeitete er als Redakteur für die Fachzeitung Touristik Aktuell und von 1995 bis 1997 als Auslandskorrespondent für in- und ausländische Medien, darunter Travel Asia, in Singapur. Für Expedia arbeitet er seit Anfang an, zunächst drei Jahre als Senior Producer bei Microsoft in der Travel Business Unit und seit dem Börsengang 1999 für die Expedia, Inc. Claus Görner ist seit 1998 Geschäftsführer der User Interface Design GmbH, und leitet ein Team von renommierten Usability Experten, die kontinuierlich software-ergonomische Methoden und Vorgehensweisen weiterentwickeln und in vielen Praxisprojekten anwenden. Er ist Autor von Artikeln und Büchern zur Software-Ergonomie, ISO 9241 und der Bildschirmarbeitsplatz-Verordnung. 160 Usability Professionals 2003 INTERAKTIVES FERNSEHEN ERLEBEN Andreas Weiss Programmdirektion Erstes Deutsches Fernsehen Arnulfstr. 42 D-80335 München andreas.weiss@daserste.de www.daserste.de ABSTRACT Das Wohnzimmer wird vom Fernseher und seinen Randbedingungen geprägt: Hohe Videoqualität, eher passive Mediennutzung, sehr unterschiedliche Nutzergruppen und eine einfache Fernbedienung zur Nutzung der Medien. Interaktive Anwendungen für den Fernseher werden anders als am PC genutzt und wahrgenommen. Bei der Konzeption und Entwicklung von interaktiven Anwendungen spielt das Prototyping eine wesentliche Rolle. Keywords Digital TV; enhanced TV; interaktive Produkte; Prototyping; benutzerzentrierte Softwareentwicklung. 1. EINLEITUNG Der Fernseher ist ein bedeutender Teil unserer Gesellschaft geworden und hat wie keine andere technische Errungenschaft dieses Jahrhunderts in fast allen Bereichen des privaten und öffentlichen Lebens gravierende Veränderungen bewirkt. Die Fernsehgewohnheiten werden sich weiter ändern und neue Herausforderungen an die technische Ausstattung der Geräte und Sender, an die Produzenten und Fernsehschaffenden und nicht zuletzt an den Konsumenten stellen. Digitales Fernsehen ermöglicht faszinierende und interaktive Formen der elektronischen Kommunikation. Allerdings können sich interaktive Dienste nur durchsetzen, wenn sie einfach zu benutzen sind. Insbesondere können Konzepte für grafische Oberflächen, wie man sie von Computern kennt, nicht einfach auf den Fernseher übertragen werden. TV-Bedienkonzepte müssen berücksichtigen, dass die Benutzer teilweise keinerlei Erfahrung mit Computern haben und sie den Komfort erwarten, den sie vom Fernsehen gewohnt sind: eine Franz Koller User Interface Design GmbH Teinacher Str. 38 D-71634 Ludwigsburg franz.koller@uidesign.de www.uidesign.de Fernbedienung, mit der sie bequem vom Sessel aus den Fernseher bedienen können. „Lazy Interactivity“ nennen Spötter das Konzept, sämtliche Funktionen über nur wenige Tasten der Fernbedienung zu steuern. Ein zweiter wichtiger Aspekt ist die enge Einbeziehung und Überzeugung der beteiligten Redaktionen. Ihr Augenmerk gilt nicht so sehr der technischen Innovation, sondern den inhaltlichen Verbesserungen ihrer Programme, der Stärkung der Zuschauerbindung und der Erweiterung der demographischen Reichweite. Im Zentrum steht nach wie vor das Fernseherlebnis, das heißt die vorwiegend passive Rezeption von Programmen in entspannter Haltung („Lean-Back-Position“). Diesem werden mit Hilfe digitaler Software-Applikationen und interaktiver Kommunikation personalisierte Inhalte „beigemischt“. Dadurch kann der Zuschauer bei Unterhaltungsprogrammen selbst mitspielen und gewinnen; Informationssendungen bieten nun persönliche Informationen und WerbeEinschaltungen gehen auf persönliche Vorlieben ein. Seit 1999 werden in dieser Weise angereicherte Fernsehsendungen („enhanced TV“) regelmäßig ausgestrahlt. Den Anfang machte die ARD mit der interaktiven Version der Unterhaltungsshow „Verstehen Sie Spaß?“. Ihr folgten bald das Ratespiel zur Krimiserie „Tatort“ und die interaktive Begleitung der Fußball-Europameisterschaft 2000. Es ist erlaubt digitale und Kopien in Papierform des ganzen Papers oder Teilen davon für den persönlichen Gebrauch oder zur Verwendung in Lehrveranstaltungen zu erstellen. Der Verkauf oder gewerbliche Vertrieb ist untersagt. Rückfragen sind zu stellen an den Vorstand des GC-UPA e.V. (Postfach 80 06 46, 70506 Stuttgart). Proceedings of the 1st annual GC-UPA Track Stuttgart, September 2003 © 2003 German Chapter of the UPA e.V. Abbildung 1: Screenshot aus “Verstehen Sie Spaß?” mit enhanced TV Anwendung 161 Weiß, A. & Koller, F. 2. DER WEG ZU ERFOLGREICHEN INTERAKTIVEN TV-FORMATEN Abhängigkeit von der aktuellen Szene verändert werden können. Für Design und Realisierung interaktiver Systeme eignet sich ein iterativer Entwicklungsansatz. Das benutzerzentrierte Vorgehensmodell [1],[2] gibt hierbei die wesentlichen Rahmenbedingungen vor. Zunächst geht es vor allem darum, Eigenschaften und Fähigkeiten des Nutzers, seine Aufgaben und Ziele und seine Umgebung zu verstehen, um ein Format entwickeln zu können, das seine Bedürfnisse optimal unterstützt und richtig Spaß macht. Nutzer werden herangezogen, um die A0nforderungen an das System zu definieren. Welche Funktionen sollen überhaupt verfügbar sein, welche Schnittstellen zu anderen Nutzern oder Systemen benötigt werden und welche Unterstützung soll der Nutzer bekommen [3]. Um die Ideen und Anforderungen in interaktive Konzepte umzusetzen, ist es wichtig neben der Zielgruppe auch die technischen Randbedingungen des interaktiven Fernsehens, die wesentlichen Einfluss auf die zu realisierende Konzepte haben, zu berücksichtigen [4], [5]. Den deutlichen Unterschieden zwischen PC und TV muss bei der Gestaltung und Umsetzung von interaktiven Anwendungen Rechnung getragen werden. Abbildung 2: Screen eines interaktiven Powerpoint Prototypen für eine Fußball-Wettanwendung Wichtig ist, dass die genannten Besonderheiten bei der Gestaltung von Konzepten für das interaktive Fernsehen zusätzlich zu den klassischen Anforderungen der Ergonomie (wie Konsistenz, Erwartungskonformität, etc.), berücksichtigt werden, sowie Konzepte für Benutzungsoberflächen frühzeitig visualisiert und auch auf den Zielplattformen getestet werden. 3. PROTOTYPING Die Entwicklung interaktiver Konzeptionen verläuft in aller Regel anders als die klassische Programmentwicklung im Fernsehen. Dies liegt in erster Linie an einem Vermittlungsproblem: wer immer eine Idee für ein interaktives Programmelement in die Diskussion einführt, sieht sich als technischer Laie einerseits der Unsicherheit ausgesetzt, ob die Idee tatsächlich umsetzbar ist; andererseits führt die (noch) geringe Erfahrung der Redaktionskollegen mit interaktiven Anwendungen zur Gefahr unerkannter Missverständnisse, die erst dann offenbar werden, wenn bereits erhebliche Ausgaben für die Softwareentwicklung getätigt worden sind. Zur Beherrschung dieses Dilemmas hat sich die Methode des Prototyping als früher Schritt zur Visualisierung von neuen Konzepten bewährt. Mit Hilfe einfach bedienbarer Autorentools (Director, Flash, Powerpoint) werden Ideen auch ohne Einsatz teurer Software-Entwicklungen auf dem Computer vorab visualisiert und Abläufe interaktiv erfahrbar gemacht. Teilweise müssen die Prototypen mit dem Video synchronisiert sein, so dass Interaktionen in 162 Abbildung 3: Screen eines interaktiven Prototyps für “Christiansen interaktiv” Die Anschaulichkeit der Darstellung vermeidet, dass unterschiedliche Vorstellungen über das interaktive Programmelement entstehen. Weiterhin leistet es gute Dienste bei der Ermittlung der Machbarkeit. Die frühzeitige interdisziplinäre Einbeziehung aller betroffenen Stellen ist bei der Klärung typischer Fragen unerlässlich. Hier eine Auswahl: • Stimmt die Interaktivität? • Gefällt den Nutzern das Konzept und verstehen sie die Interaktion und das zugrunde liegende Konzept? • Sind die ins Auge gefassten Funktionen technisch umsetzbar? Können sie auf allen gewünschten Plattformen (Kabel, Satellit, Terrestrik) wiedergegeben werden? Wie viele Zuschauer bleiben von der Interaktivität ausgeschlossen? inhaltliche Konzeption der Usability Professionals 2003 Interaktives Fernsehen erleben • Wie viel Übertragungsbandbreite erfordert die Applikation – und steht diese zum Zeitpunkt der Ausstrahlung zur Verfügung? • Erfordert die Anwendung – etwa bei Wetten und Ratespielen – eine präzise Synchronisation mit dem Videodatenstrom? Wie wird diese implementiert? • Ist für die geplante Interaktivität ein Rückkanal erforderlich? Müssen Punktestände, Wetteingaben, Abstimmungen u.ä. erfasst, ausgewertet und an die Zuschauer zurückgemeldet werden? Auf welche Weise und in welchen Zeiträumen geschieht dies? tauglicher Endgeräte gelingt und zugleich das Volumen attraktiver interaktiver Angebote wächst. Während sich die ersten interaktiven Programme stark an traditionellen Nutzergewohnheiten orientieren, werden die Applikationen der folgenden Format-Generationen zunehmend auch „jüngere“ Kommunikationsformen (SMS, E-Mail, Internet, neue Dienste) aufgreifen und damit den lange erwarteten Konvergenz-Prozess einleiten. Interaktive Fernsehprogrammformate werden dann parallel für unterschiedliche Plattformen entwickelt. Aktuelle „Content Management Systeme“ gestatten bereits heute die medienadäquate Anpassung von Inhalten an unterschiedliche Endgeräte. Eine große Herausforderung trifft dabei die ProgrammVerantwortlichen bei der Umstellung ihrer Produktionen auf eine integrierte, interdisziplinäre und vernetzte Arbeitsweise. 5. REFERENZEN [1] DIN EN ISO 13407, Benutzer-orientierte Gestaltung interaktiver Systeme, Beuth Verlag (2000). [2] Machate, J. und Burmester, M. (Hrsg.), User Interface Tuning, Benutzungsschnittstellen menschlich gestalten, Software & Support Verlag (2003). Abbildung 4: Interaktiver Prototyp für „Pilawa“, mit simulierter Fernbedienung und synchronisiertem Video (siehe auch http://www.cutty-media.de) 4. AUSBLICK Während interaktives Fernsehen besonders in Großbritannien wohl seinen Siegeszug fortsetzen wird, fallen Prognosen für Europa und insbesondere für Deutschland schwer. Das Kunden-Potenzial für interaktive Dienste scheint nach ersten Erfahrungen zwar überall vorhanden zu sein. Seine Erschließung hängt aber entscheidend davon ab, ob eine hinreichende Marktdurchdringung multimedia- [3] Mayhew, D., The Usability Engineering Lifecycle, Morgan Kaufmann Publishers, Inc. (1999). [4] Nielsen, J., TV Meets the Web, www.useit.com/alertbox/9702b.html, (1997), überprüft am: 10.03.2003. [5] Weiss, A. und Koller, F., Interactive TV, In: J. Machate & M. Burmester (Hrsg.), User Interface Tuning, Benutzungsschnittstellen menschlich gestalten, Software & Support Verlag (2003). 163 Weiß, A. & Koller, F. Referenten Andreas Weiß, Volljurist, war lange Jahre Fernsehredakteur beim Bayerischen Rundfunk. Nach Stationen im Wirtschaftsressort (PlusMinus, Ratgeber Geld), beim Politmagazin 'Report' und in der Auslandsberichterstattung zog Andreas Weiß 1986 als ARD-Fernsehkorrespondent für die Türkei und Iran nach Istanbul. Nach seiner Rückkehr zum BR im Jahr 1991 lag der Schwerpunkt seiner Tätigkeit in der Entwicklung neuer Programmformate. Auch engagierte er sich in der Multimedia-Entwicklung. Als Vorsitzender der Arbeitsgruppe 'Digitales Fernsehen' formulierte er maßgeblich die Strategie der ARD im digitalen Zeitalter. Seit 1997 ist Andreas Weiß als Koordinator Ausland in der Programmdirektion des Ersten Deutschen Fernsehens tätig. Auch in dieser Funktion setzt er sich besonders für Zukunftsstrategien der öffentlich-rechtlichen Sender Europas in der Welt der digitalen Kommunikation und konvergierender Medien ein. Er wirkte und wirkt unter anderem in folgenden Gremien mit: Mitglied der digitalen Strategiegruppe der Europäischen Rundfunkunion (EBU), Vorsitzender des Multimedia-Forums der EBU, Beirat der Industriemesse IBC, IDR - Initiative digitaler Rundfunk der Bundesregierung, Zahlreiche ARD-Gremien Andreas Weiß war an der Entwicklung des Elektronischen Programmführers der ARD beteiligt und entwarf die ersten sendungsbegleitenden Applikationen „Verstehen Sie Spaß?“ und „Tatort-Interaktiv“. Franz Koller, Diplom-Informatiker, arbeitete zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter und anschließend als Projektleiter am IAT der Universität Stuttgart. Am Competence Center Softwaretechnologie des Fraunhofer IAO leitete er das Multimedia Labor und wurde dann Leiter des Marktstrategieteams „Interaktive Produkte“. 1998 wechselte er zur schwedischen UI Design AB, Linköping als stellvertretender Leiter der deutschen Zweigstelle in Ludwigsburg. Im November 1998 wurde er geschäftsführender Gesellschafter der neu gegründeten User Interface Design GmbH. Schwerpunkte seiner Arbeit liegen in den Bereichen Medien & Consumer-Anwendungen (Digital TV, Smart Home) sowie Webanwendungen und -technologien. Franz Koller war Mitinitiator der Norm DIN EN ISO 14915: „Software ergonomics for multimedia user interfaces“ und ist Mitglied in der Gesellschaft für Informatik, der ACM, der Gesellschaft für Medien in der Wissenschaft und der FKTG. 164 Usability Professionals 2003 INTERKULTURELLES USABILITY-ENGINEERING KULTURDIMENSIONEN FÜR DIE GESTALTUNG UND ANALYSE INTERNATIONALER USER INTERFACES: WELCHE SIND WICHTIG UND NÜTZLICH? Valentina-Johanna Baumgartner mavas Screenusability Krenngasse 8/4/20 A-8010 Graz vj.baumgartner@mavas.at http://mavas.at ABSTRACT Der Artikel gibt eine Zusammenfassung der Diplomarbeit „A Practical Set of Cultural Dimensions for Global User-Interface Analysis and Design“, die im Rahmen des Studiengangs Informationsdesign an der FH JOANNEUM in Zusammenarbeit mit Aaron Marcus and Associates, Inc. entstanden ist. Diese Arbeit beleuchtet den Einfluss von Kulturdimensionen auf die Gestaltung von UserInterface-Elementen. Durch eine Umfrage unter ExpertInnen wurden die einflussreichsten Dimensionen herausgefiltert. Anschließend wurde versucht, praktische Anwendungsgebiete für den Einsatz dieser Dimensionen anzubieten. Modelle erarbeitet, wie diese subjektiven Kategorien erfasst und durch Kulturdimensionen beschrieben werden können. Ziel der Diplomarbeit war es einerseits, herauszufinden, ob es Kulturdimensionen gibt, die für das User-Interface Design besonders relevant sind, ob also ein Ranking nach Wichtigkeit subjektiver kultureller Dimensionen für den Bereich Interface Design möglich ist. Andererseits sollte ermittelt werden, ob bestimmte Elemente des User Interfaces durch kulturelle Unterschiede besonders stark beeinflusst werden. Im Folgenden soll die Frage der Relevanz von Kulturdimensionen im Mittelpunkt stehen. Keywords Globalization, Internationalization, Localization, UserInterface Design, Cultural Dimensions Langfristig soll diese Arbeit auch eine Grundlage für die Entwicklung von Content Management Systemen (CMS) bilden, die fähig sind, subjektive Kategorien kultureller Unterschiede handhabbar zu machen. 1. EINLEITUNG 2. KULTURDIMENSIONEN Die Gestaltung von User-Interfaces für international diverse Nutzergruppen benötigt die Anpassung von User-Interface-Elementen auf verschiedenen Ebenen. Um die Benutzbarkeit von Produkten für eine bestimmte kulturelle Zielgruppe zu optimieren, sollten nicht nur objektive Kategorien wie Sprache, Richtung des Schriftsystems oder Formatierungen von Zahlen oder Daten die Gestaltung von Bildschirmoberflächen berücksichtigt werden, sondern auch subjektive Kategorien, wie z.B. Wertesysteme oder Verhaltensmuster der betroffenen Zielgruppe. Durch primäre und sekundäre Literaturanalyse der AutorInnen bzw. AutorInnenteams Adler, Condon & Yousef, Hall, Hofstede, Kluckhohn & Strodtbeck, Parsons, Trompenaars, Victor und Wright wurden insgesamt folgende 29 Kulturdimensionen herausgearbeitet: Zahlreiche AnthropologInnen, PsychologInnen und KommunikationswissenschaftlerInnen haben Es ist erlaubt digitale und Kopien in Papierform des ganzen Papers oder Teilen davon für den persönlichen Gebrauch oder zur Verwendung in Lehrveranstaltungen zu erstellen. Der Verkauf oder gewerbliche Vertrieb ist untersagt. Rückfragen sind zu stellen an den Vorstand des GC-UPA e.V. (Postfach 80 06 46, 70506 Stuttgart). Proceedings of the 1st annual GC-UPA Track Stuttgart, September 2003 © 2003 German Chapter of the UPA e.V. • • • • • • • • • • • • • • • • • Achievement vs. Ascription Activity Orientation Affective vs. Neutral Authority Conception Context Degree of Power Economic Progress Experience of Technology Face-Saving Gender Roles Human Nature Orientation Individualism vs. Collectivism Instrumental vs. Expressive Internal vs. External Control International Trade and Communication Long-Term vs. Short-Term Orientation Meaning of Life 167 Baumgartner, V.-J. • Nonverbal Communication • Political Decentralization • Power Distance • Property • Resources • Space • Specific vs. Diffuse • Technological Development • Time Orientation • Time Perception • Uncertainty Avoidance • Universalism vs. Particularism Eine ausführliche Beschreibung dieser 29 Dimensionen und Praxisbeispiele für die Auswirkungen dieser Kategorien im realen Alltagsleben und im Design von Bildschirmoberflächen finden sich in Baumgartner (2003). 3. ARBEITSMETHODIK 3.1 Online-Fragebogen Mittels einer ExpertInnenumfrage wurde ermittelt, welche Kulturdimensionen in der täglichen Designund Analysearbeit wichtig und einflussreich erscheinen. Zu diesem Zwecke wurde ein Onlinefragebogen entworfen, der mittels einer 5teiligen Likert-Skala eine Bewertung der Wichtigkeit der jeweiligen Dimension zulässt. Der Fragbogen umfasst eine detaillierte Beschreibung jeder Dimension, weiters eine Hintergrundbefragen zu relevanten demographischen Daten der ExpertInnen (wie Herkunftsland, gegenwärtiger Aufenthaltsort, berufliche Erfahrung im Bereich User-Interface Design) sowie die Möglichkeit, allgemeine Kommentare zum Thema in einem freien Kommentarfeld zu geben. 4. ERGEBNISSE 4.1 Teilnehmende ExpertInnen 57 ExpertInnen aus 21 verschiedenen Ländern füllten den Fragbogen aus. 19 davon leben in anderen Ländern als sie geboren und kulturell geprägt wurden. Betrachtet man die Verteilung auf Kontinente, ergibt sich folgendes Bild: Kontinent Afrika Asien Australien Europa Nordamerika Südamerika Anzahl der teilnehmenden ExpertInnen 3 3 1 20 29 1 Tabelle 1: Verteilung der ExpertInnen nach Kontinent bzgl. derzeitiger Arbeitsstätte 168 4.2 Generelles Feedback Der Grundtenor zur Studie war positiv. Viele der Befragten merkten an, dass allein die Sammlung dieser Kulturdimensionen ein nützliches Werkzeug für ihre zukünftige Arbeit darstellt. Inhaltliches Feedback wird dominiert durch die Aussage „Everything depends“. Fast geschlossen wird vermerkt, dass eine generalisierende Aussage über die Auswirkungen von Kultur auf das Feld User-Interface Design schwierig erscheint. Je nachdem, um welches fachliche Gebiet des Produkts es sich handelt, sind andere Kulturdimensionen wichtig. 4.3 Die einflussreichsten Dimensionen Eine Faktorenanalyse der Daten ergab, dass folgende Kulturdimensionen als „sehr wichtig“ oder „wichtig“ eingeschätzt wurden: 1) Context, 2) Experience of Technology, 3) Technological Development, 4) Time Perception und 5) Uncertainty Avoidance. Kombiniert mit einer statistischen Mittelwertsauswertung und der Tatsache, dass sich bei Betrachtung der Werte, die sich aus den Daten der ExpertInnen ergeben, die über mehr als fünf Jahre an Erfahrung im Bereich User-Interface Design verfügen, die Dimension „Authority Conception“ auf Rang fünf findet, und die Dimensionen Technological development und Experience of Technology nahe beieinander liegen bzw. einander bedingen, schlage ich folgendes Wichtigkeits-Ranking vor: 1. Context 2. Technological Development 3. Uncertainty Avoidance 4. Time Perception 5. Authority Conception Die Dimension Context beschreibt die Menge an Information, die mit einer Aussage transportiert wird. High Context bedeutet demnach, dass eine Nachricht viele verschiedene Inhalte enthält und ihre Bedeutung stark vom Kontext abhängt. Personen in “high-context”-Kulturen sind bei Interaktionen stark auf die äußere Umgebung, die Situation, den Kontext angewiesen, um die Bedeutung einer Nachricht korrekt zu interpretieren. Es wird ein indirekter Kommunikationsstil bevorzugt. In „lowcontext“ Kulturen spielt die Umgebung eine geringere Rolle, es wird explizit formuliert und direkt kommuniziert. Für den Bereich User-Interface Design ist diese Dimension deshalb so wichtig, weil z.B. in High Context Kulturen viel vorsichtiger mit Informationselementen umgegangen werden muss, um nicht versehentlich Dinge zu vermitteln, die gar nicht vermittelt werden sollen. Technological Development beschreibt den Grad technologischer Entwicklung eines Landes. In direktem Zusammenhang damit steht der Einstellung der Bevölkerung gegenüber Usability Professionals 2003 Kulturdimensionen für die Gestaltung und Analyse internationaler User Interfaces: Welche sind wichtig und nützlich? Technologie. Die Skala rangiert hier von kontrollorientiert (Technologie wird grundsätzlich positiv wahrgenommen, die Umwelt soll und darf durch Technologie beherrscht werden) über harmonisierend (Technologie ist neutraler Teil der Umwelt) bis hin zu unterwerfungs-orientiert (es ist nicht wünschenswert, dass die Umwelt z.B. durch Technologie kontrolliert wird). bei einer Anpassung an eine bestimmte Kultur verändert werden müssen: Uncertainty Avoidance meint den Grad an Unbehagen mit dem Mitglieder einer Gesellschaft unsicheren oder unbekannten Situationen begegnen. Für den Bereich User-Interface Design ist dieser Faktor besonders hinsichtlich Navigation und Features wie Zahlungsmöglichkeiten wichtig. Time Perception meint die Art, wie Mitglieder einer Kultur mit Zeit umgehen. Die Skala reicht vom monochron/sequentiell (eine Tätigkeit folgt sequentiell der nächsten) bis zu polychron/synchron (mehrere Tätigkeiten werden parallel ausgeführt). Da sich diese Einstellung laut Hall, Trompenaars und Victor auch auf den Umgang mit Verbindlichkeiten zeitlicher Abmachungen gegenüber auswirkt, beeinflusst diese Kategorie z.B. das Design von Zeitplanungssystemen usw. aber auch die grundsätzliche Darstellung von Abläufen. Authority Conception beschreibt den üblichen Umgang mit Hierarchien und Macht innerhalb einer Organisation. Die Skala reicht laut Condon & Yousef von demokratisch über autoritätszentriert bis zu autoritär. Die Design Komponente, die durch diese Kategorie am meisten beeinflusst wird, ist – laut Meinung vieler ExpertInnen – der Bereich der Interaktion (z.B. Feedback-Nachrichten). 4.4 Visualisierung von Anpassungsnotwendigkeiten Fakt ist leider, dass uns nur über wenige Kulturdimensionen empirische gewonnene Werte für einzelne Länder vorliegen. Geert Hofsteede etwa hat in seiner sehr bekannten Studie für die von ihm propagierten Dimensionen Werte für ca. 80 Länder erhoben. Würden solche Werte für alle Länder und alle Kulturdimensionen vorliegen, könnte folgendes Tool hilfreich sein, um zu entscheiden, welche Bereiche Abbildung 1: Vergleich Kultureller Werte mittels StarChart Abbildung 1 geht davon aus, dass die konkreten Werte für ein Ursprungsland und das Zielland eines Bildschirmproduktes bekannt sind. Werden diese Werte in ein Starchart Diagram eingetragen, ergibt sich das klare Bild, dass die größten Veränderungen in den Bereichen, die durch die Dimension Context beeinflusst werden, durchgeführt werden müssen. 5. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK Die Arbeit hat gezeigt, dass es schwierig ist, ein generelles Wichtigkeits-Ranking der Kulturdimensionen für den Bereich User-Interface Design zu erstellen, da – laut Ansicht der für die Umfrage befragten ExpertInnen – der Fachbereich für die das Interface erstellt wird, essentiell ist und unterschiedliche Wichtigkeiten generiert. Trotzdem wurden die fünf wichtigsten Dimensionen und ihre Haupteinflussgebiete beschrieben. Ein interessantes Folgeprojekt wäre die Untersuchung dahingehend, inwieweit es in unterschiedlichen Domänen zu unterschiedlichen Rankings kommt. 6. REFERENCES [1] Baumgartner, Valentina-Johanna: A Practical Set of Cultural Dimensions for Global UserInterface Analysis and Design. Diplomarbeit 2003. 169 Baumgartner, V.-J. Referentin Valentina-Johanna Baumgartner studierte Geisteswissenschaften an der Universität Graz und Bremen und ist Absolventin des Studiengangs Informationsdesign an der Fachhochschule JOANNEUM in Graz, Österreich. Im Rahmen dieses Studiums und auch als Geschäftsführerin der von ihr mitbegründeten Firma mavas Webengineering Screenusability Computertrainings hat sie sich auf den Bereich User-Interface Design spezialisiert. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt im Bereich kultureller Unterschiede und deren Auswirkungen auf das Gebiet User-Interface Design. 2002/2003 war sie als Praktikantin bei Aaron Marcus and Associates, Inc. in California, USA als Designer/ Analyst tätig, wo sie sich forschungsmäßig hauptsächlich auf kulturelle Unterschiede für WWW-Auftritte konzentrierte. 170 Usability Professionals 2003 DETERMINING CULTURAL ISSUES IN ATTITUDE TO AND USE OF MOBILE PHONES Elizabeth Hofvenschiold Fraunhofer IAO Nobelstraße 12 70569 Stuttgart elizabeth.hofvenschiold@iao.fhg.de ABSTRACT Cultural background and occupational status can influence the way people interact with and perceive technology. A study was undertaken to gather information on the possible differences in the use of and attitude to mobile phones of British and German university students and young professionals. The research findings were to contribute to the development of future mobile phone interfaces and applications. Geert Hofstedes’s work on culture was used as a framework for interpreting the results and also determining its relevance to the field of HumanComputer Interaction (HCI) in general. The study proved that there were differences between the groups but also many similarities. Also, some of the differences were not as was predicted according to Hofstede. Keywords Emotional issues, occupational status culture, mobile phones, 1. INTRODUCTION Many factors need to be taken into consideration when designing interactive systems. Ergonomists and usability professionals have traditionally concentrated on the physical and the cognitive issues involved in product development. More recently issues concerning the emotional and motivational aspects have increased in importance and relevance to the fields of Ergonomics and Human-Computer Interaction (HCI). There is a growing move towards addressing the soft or emotional issues of interaction design (i.e. what the user wants) or understanding why a customer actually chooses and uses a product. As Teague and Es ist erlaubt digitale und Kopien in Papierform des ganzen Papers oder Teilen davon für den persönlichen Gebrauch oder zur Verwendung in Lehrveranstaltungen zu erstellen. Der Verkauf oder gewerbliche Vertrieb ist untersagt. Rückfragen sind zu stellen an den Vorstand des GC-UPA e.V. (Postfach 80 06 46, 70506 Stuttgart). Proceedings of the 1st annual GC-UPA Track Stuttgart, September 2003 © 2003 German Chapter of the UPA e.V. Whitney (2002) have pointed out, the emotional and motivational needs of users have direct impact on the usability and ultimate success of a design. Culture is a factor that shapes the development of a person’s values and beliefs and therefore conceivably influences his/her interaction with a product. 2. RESEARCH OBJECTIVES The general research objective was to gather information on the possible effects of a user’s cultural background and occupational status on his/her attitude to and use of mobile phones. Additional objectives were to test the applicability of Geert Hofstede’s cultural dimensions to HCI and to identify motivational and emotional issues for consideration in the development of future mobile phone interfaces and applications. University students and young professionals from the United Kingdom (UK) and Germany made up the participants for the study. The UK and Germany were chosen for several reasons. Firstly, they are part of northern Europe and have to a major extent been marketed to and designed for as a group. The two cultures have many similarities but differ considerably in certain areas. Also, the UK and Germany are the two countries that spent the most on 3G licenses. How far do the cultural differences need to be taken into consideration when designing interfaces (and interactivity) for future mobile phones? Cultural and other issues will influence the strategies that mobile device manufacturers and service providers decide to take. Two occupational groups were chosen so as to ensure that the groups in both countries were as similar as possible. A subsidiary objective was to see if there were differences between occupations, as they are in themselves their own sub-cultures. 3. THEORETICAL CONTEXT There are many definitions for what makes up a culture. For the purposes of this study, Hofstede’s cultural dimensions (see Hofstede 1980 and 1997) were used as a framework for contrasting and comparing the UK and Germany. Hofstede’s work was chosen because his research has been used by 171 Hofvenschiöld, E. many researchers and practitioners in various fields to define a culture (Pugh and Hickson 1996). Also, his work has defined the strategies developed for countries in advertising and marketing campaigns and more recently, HCI design practices (e.g. Jordan 2000). Using Hofstede’s research for this study was also a way of determining its applicability to HCI in general. His dimensions have been successfully applied to the fields of advertising, marketing, management and naturally organizational psychology. How useful are they for HCI? 3.1 How do Germany and the UK differ? Four out of the five dimensions Hofstede defined were used for this study. According to these, the UK and Germany are both masculine, individualistic and low-power distance cultures. However, the UK is a much more individualistic country than Germany is. And the dimension in which the UK and Germany differ most is in uncertainty avoidance. The UK scored very low in uncertainty avoidance whereas Germany has very high uncertainty avoidance. This was thought to be of particular importance to this study as the way in which people deal with uncertainty affects the technology, laws and religion(s) of a country (Hofstede 1997). Does the level of uncertainty avoidance and individualism influence the way different cultures interact with their mobile phones? Based on the information above, it is plausible that Germans would use and interact with their mobile phones in ways that would reflect a society that has high uncertainty avoidance. No fixed assumptions are offered as to how each group would differ according to where they are placed in the dimensional matrix. However, two general research hypotheses were constructed to guide the study. The first states that a person’s culture would affect the way he/she perceives, understands and uses a mobile phone. The second states that there will be differences in the perception and use of mobile phones between the different occupational groups (for more information please see Hofvenschiold 2002). 4. METHODS AND RESULTS 4.1 Data Gathering Techniques A literature review was undertaken for the preparation of the study and to help develop the framework of analysis. This was however not sufficient to fulfill the research objectives as at the time of the study hardly any literature could be found on the topic. A questionnaire was developed to gather data and a representative of each group was interviewed in-depth. The questionnaire was essentially divided into five categories: (i) personal information including nationality and occupation; (ii) mobile phone functions used and their usability ratings; (iii) suggestions for changes and additions of function and display; (iv) attitudes to mobile phones 172 in general; (v) frequency of, reasons for and perceived usability of personal Internet use. 4.2 The Participants 78 people participated in the study. Out of the 25 university students, 8 were British and 17 were German. And out of the 53 young professionals, 21 were British and 32 were German. The participants were 21 to 40 years old and 65% were male and 35% were female. 4.3 Questionnaire Results Only the most relevant results from the questionnaire are presented in this paper. Nearly all participants found the same four functions easiest to use when asked to list what they thought were the four easiest to use functions on their mobile phone. These were receiving a call, making a call, receiving and reading a text message and writing a text message. Only one group differed in the last function – the German young professionals found that the fourth easiest to use function was looking up entries in the phone book and not writing text messages. Generally all of the groups found the same functions harder to use and it is interesting to note that writing text messages was also included in this list. A majority of the British participants specified that they would like a colour screen while a large number of the Germans said that they would prefer a larger screen. Some of the British also specified that a larger screen was preferable and other German participants mentioned that a colour screen was desirable. They wanted the same things but prioritised them differently. Seven attitude statements were included in the questionnaire. The Mann-Whitney U test was used to check for significant statistical differences in the responses. 2 values were found to be significant at the 5% level. The university students of both countries were more likely to agree to the statement, “What a mobile can do is more important than its ‘look and feel’” than the young professionals of both countries were (significance value was 0.026). German young professionals were likely to disagree with the statement, “Your mobile is a status symbol” than the British young professionals (significance value was 0.05). 4.4 Interview Results The data gathered from the interviews was of a qualitative nature and much richer in detail than the questionnaire data. More interviews were planned but unfortunately were not carried out due to time and budget restrictions. The sample size was very small but from the answers given, it seemed that the British participants were more likely to individualize their mobile phones and more emotionally attached to them than their German counterparts. Usability Professionals 2003 Determining Cultural Issues in Attitude to and Use of Mobile Phones 5. DISCUSSION AND CONCLUSION The information gathered for this study suggests that culture and occupation do, to a certain extent, affect the way in which people interact with their mobile phones. For general usability issues, the groups responded in much the same way. Differences began to occur when the questions began to explore the more emotional and motivational aspects of mobile phone use. It is highly likely that a larger population sample and a different statistical approach would illuminate more than what was discovered for this study. Hofstede’s work did provide a good framework for this study but perhaps his dimensions are not entirely suited to this type of research. Based on his dimensions, the differences found in the data were not what were expected. For example, if someone came from a high uncertainty avoidance culture, he/she might be more disposed to having a mobile phone for security reasons. When asked, more British than German participants stated that they had purchased and intended to use their mobile phones for security purposes. The two cultural groups did vary in certain ways but perhaps not as you might expect, if your theoretical framework was based on Hofstede. However, some of the other findings related to the individualism dimension were more predictable. It is also conceivable that the dimensions affecting mobile phone use are the ones in which Germany and the UK are very similar and therefore no striking differences were discovered. Therefore a different approach to defining cultures might have been more appropriate for the study. In general, a tailored set of Hofstede’s dimensions and other cultural determinants might be more applicable for HCI. Another factor that has to be taken into consideration when discussing the data is that the mobile phones at the time of the study had predominantly text-based interfaces. Therefore they did not contain the culturally specific elements, such as icons and graphics that web sites or software applications do. This might be part of the reason why not as many differences were discovered as was expected from Hofstede’s results. This has implications for the development of coming mobile interfaces and applications. The mobile phones of the future will have increased functionality and graphical capabilities, which could lead to more complex graphic interfaces and culturally specific elements. It is not enough to study the existing mobile phones. It is important that other existing systems are involved when gathering user requirements for future developments. This study did include questions about Internet use (and personal digital assistant use in the interviews) but they were few and rather general in nature. 6. REFERENCES [1] Hofstede G., Culture’s Consequences: International Differences in Work-Related Values, Sage Publications, Beverley Hills, USA (1980). [2] Hofstede G., Cultures and Organizations: Software of the Mind, McGraw-Hill, USA (1997). [3] Hofvenschiold E., Cultural Issues in Human Computer Interaction and Ergonomics and the Design of Smartphones, Contemporary Ergonomics., 372-376 (2002). [4] Jordan P.W., Designing Pleasurable Products: An Introduction to the New Human Factors, Taylor and Francis, London, UK (2000). [5] Pugh D.S. & Hickson D.J., Writers on Organizations (fifth edition), Penguin Books Ltd, London, UK (1996). [6] Teague R. & Whitney H.X., What’s love got to do with it? User Experience, Vol. 1, no. 3, winter edition (2002) 173 Hofvenschiöld, E. Referentin Elizabeth Hofvenschiöld is a freelance HCI and interaction design consultant. She currently works with the Fraunhofer IAO in Stuttgart on a range of projects. In 2001 she completed her Masters of Science in Human-Computer Interaction with Ergonomics at University College London, England. Her main interests are in cultural issues, interaction design for mobile devices and applications and developing the user experience for ubiquitous human-computer interaction. She has presented and published her work on these subjects as well as on implementing a holistic approach to product development and evaluation through using a range of methods from different fields (e.g. marketing). 174 Usability Professionals 2003 INTERKULTURELLE UNTERSCHIEDE IN DER INTERAKTION MIT FAHRER-INFORMATIONS-SYSTEMEN Maria Peißner Harman/Becker Automotive Systems Raiffeisenstrasse 34 70794 Filderstadt m.peissner@caa.de http://www.becker.de ABSTRACT Ein intuitiv nutzbares Fahrer-Informations-System setzt eine Gestaltung der Schnittstelle zwischen Mensch, System und Information voraus, die eine Interaktion zwischen dem Fahrer und dem Informations-System optimiert. Aufgrund einer zunehmenden Globalisierung der Absatzmärkte erfordert die Entwicklung einer Nutzeroberfläche die Berücksichtigung kultureller Besonderheiten und interkultureller Unterschiede. Ziel der vorliegenden Untersuchung war es, herauszufinden, welche Unterschiede sich hinsichtlich der Nutzung und Bewertung von Fahrer-Informations-Systemen zwischen verschiedenen Kulturen ergeben. Dazu wurde parallel in Deutschland, Japan und den USA eine Usabilitystudie mit bereits am Markt erhältlichen Systemen durchgeführt. Erste Ergebnisse zeigen interkulturelle Unterschiede im Umgang mit FahrerInformations-Systemen. Eine kulturorientierte Anpassung des HMI an lokale Märkte kann den Erfolg von Informations-Systemen stark beeinflussen. Keywords Fahrer-Informations-System, Usability Testing interkulturelles 1. EINLEITUNG 1.1 Fahrer-Informations-Systeme Der Einsatz neuester Technologien ermöglicht eine Integration komplexer Kommunikationsund Informationssysteme im Fahrzeug. FahrerInformations-Systeme (FIS) liefern dem Fahrer Informationen über die zu fahrende Route, die Es ist erlaubt digitale und Kopien in Papierform des ganzen Papers oder Teilen davon für den persönlichen Gebrauch oder zur Verwendung in Lehrveranstaltungen zu erstellen. Der Verkauf oder gewerbliche Vertrieb ist untersagt. Rückfragen sind zu stellen an den Vorstand des GC-UPA e.V. (Postfach 80 06 46, 70506 Stuttgart). Proceedings of the 1st annual GC-UPA Track Stuttgart, September 2003 © 2003 German Chapter of the UPA e.V. Verkehrssituation, das Fahrzeug, etc. Gleichzeitig bieten sie eine Vielzahl an Entertainmentfunktionalitäten wie Radio, CD-, DVD-Spieler, mobiles Fernsehen und Kommunikationsapplikationen wie Telefon und künftig auch Internetzugang. Bei der Nutzung von FIS erhält der Fahrer nicht nur passiv Informationen vom System sondern gibt auch aktiv Daten ein (z.B. bei der Zieleingabe) und trifft eine individuelle Auswahl aus dem Funktionsangebot. Es entsteht eine Interaktion zwischen Nutzer und FIS. Neben Sicherheitsaspekten im Verkehr sollte ein FIS daher den Bedürfnissen und Erwartungen des Fahrers gerecht werden und nutzerfreundliche Interaktionsmöglichkeiten bieten [3]. 1.2 Interkulturelle Unterschiede Interkulturelle Unterschiede manifestieren sich in relativ überdauernden Interaktionsmustern mit der sozialen und materiellen, also auch technischen, Umwelt. Sie umfassen kulturell geprägte Aspekte der Wahrnehmung, des Denkens und Handelns sowie Glaubenssätze, Werte und mentale Modelle [2]. Beispielsweise können kulturell bedingte Differenzen in der Wahrnehmung von Struktur und Design eines Systems zu unterschiedlicher Risikobewertung eines Warnhinweises führen [8]. Andererseits spiegelt ein technisches System kulturspezifische Schemata und mentale Modelle der Kultur wider, in der es entwickelt wurde. Vor diesem Hintergrund können sich im und für den west-europäischen Markt konzipierte Systeme nicht selbstverständlich auch auf einem internationalen Markt behaupten. Im Rahmen der fortschreitenden Globalisierung des Marktes wird es unumgänglich, interkulturelle Unterschiede bei der Entwicklung eines Anzeigeund Bedienkonzeptes zu berücksichtigen. 2. METHODEN Ziel der Usability Studie war es, herauszufinden, inwieweit kulturell variierende Denkmuster, Problemlösestrategien und Nutzungsanforderungen Einfluss auf den Umgang mit FIS und ihre 175 Peißner, M. Bewertung durch den Nutzer nehmen. Parallel in Deutschland, Japan und den USA wurden summative Usability Tests mit drei FahrerInformations-Systemen durchgeführt, die sich in ihrem Bedienkonzept voneinander unterscheiden. 2.1 Untersuchte Systeme Für die Untersuchung wurden Systeme mit vergleichbarem Funktionsumfang und ähnlich großem farbigen Display ausgewählt. Zwei der untersuchten Systeme wurden von westeuropäischen Herstellern entwickelt, das dritte Fahrer-Informations-System stammt aus dem nichteuropäischen Markt. Wesentliche Unterscheidungsmerkmale der Systeme sind die Bedienelemente und eine entsprechende Nutzerführung. Als repräsentative Vertreter für aktuell handelsübliche Bedienprinzipien wurden ein FIS mit dezentralisiertem Bedienkonzept, ein System mit Touchscreen und ein System mit zentralem Stellteil evaluiert. Bei dem zentralisierten Konzept können alle Applikationen und Funktionen des Systems, wie beispielsweise Navigation, Entertainment und auch KlimaEinstellungen, über ein zentrales Stellteil angesprochen und kontrolliert werden. Sowohl bei dem dezentralisierten Konzept als auch bei der Lösung mit Touchscreen sind die Hauptfunktionen direkt über Hardkeys anwählbar, KlimaEinstellungen können über separate Bedienelemente modifiziert werden. Darüber hinaus bietet das System mit dezentralisiertem Konzept Multifunktionstasten, die über das Display variabel belegt werden, sowie weitere fix belegte Tasten zur Auswahl und Bestätigung. 2.2 Testpersonen In Deutschland nahmen 23 Personen an der Studie teil, in Japan 27 Personen. In den USA betrug die Stichprobengröße 26 Personen. Der Anteil an weiblichen Testpersonen konnte mit 20-30% über die Kulturgruppen parallelisiert werden. Er liegt auf einem repräsentativen Wert für die Zielgruppe von Fahrer-Informations-Systemen. 2.3 Testaufgaben Die Testaufgaben wurden so zusammengestellt, dass sie einen möglichst breiten Funktionsumfang der Fahrer-Informations-Systeme abdeckten und mit allen drei Systemen durchgeführt werden konnten. So wurde für die Bewertung durch die Testnutzer eine hohe Vergleichbarkeit zwischen den Systemen erzielt. 2.4 Subjektive Bewertung 2.4.1 Fragebögen Die Nutzerfreundlichkeit der FIS wurde anhand eines Usability-Fragebogens evaluiert, der bereits in vergleichbaren Untersuchungen eingesetzt wurde [4] [5] [6] [7]. Schwerpunkt dieses Fragebogens liegt auf 176 der Erfassung von leistungsbezogenen Dimensionen, wie beispielsweise Aufgabenangemessenheit. Er umfasst aber auch subjektive Aspekte von Usability, wie z.B. Akzeptanz [1]. Ausgehend von der deutschen Version wurden die englische und japanische Version in Zusammenarbeit mit Muttersprachlern erstellt. 2.4.2 Interview In einem abschließenden halbstrukturierten Interview hatten die Testpersonen die Möglichkeit, die drei Systeme untereinander zu vergleichen. Nach einem ersten Ranking wurden die Testpersonen entsprechend der von ihnen festgelegten Reihenfolge detailliert zu jedem der Systeme befragt. Hier interessierte vor allem, welche Eigenschaften den Nutzern jeweils am besten zusagten und worin sie die wichtigsten Kritikpunkte sahen. 2.5 Verhaltensdaten Zur Erhebung interkultureller Differenzen in der Bedienung von FIS wurden neben den subjektiven Urteilen auch objektive Verhaltensdaten herangezogen. Analysiert wurden die Lösungshäufigkeiten und Abweichungen vom optimalen Bedienpfad. Zu diesem Zweck wurde die Interaktion zwischen Nutzer und System mit Einverständnis der Testpersonen auf Video aufgezeichnet. 2.6 Versuchsdurchführung Jeder Versuchsteilnehmer testete jedes FahrerInformations-System in permutierter Reihenfolge. Für die Bearbeitung der Aufgaben in vorgegebener Reihenfolge wurde keine Bedienungsanleitung zur Verfügung gestellt Die Systeme wurde ausschließlich im stehenden Fahrzeug evaluiert. Konnte eine Aufgabe innerhalb eines bestimmten Zeitfensters nicht gelöst werden, wurde die Versuchsperson unterbrochen und zur Bearbeitung der nächsten Aufgabe aufgefordert, nachdem die Aufgabe exemplarisch vom Versuchsleiter zu Ende geführt wurde. Jeweils im Anschluss an eine Testsitzung füllte die Versuchsperson den Fragebogen zur Benutzerfreundlichkeit aus. Zum Abschluss der Untersuchung wurde das halbstrukturierte Interview durchgeführt. 3. ERGEBNISSE Um handlungsweisende Aussagen über interkulturelle Unterschiede im Umgang mit FIS treffen zu können, werden in einem ersten Schritt der Datenauswertung Interaktionseffekte zwischen den Kulturgruppen und den unterschiedlichen Bedienkonzepten analysiert. Eine detaillierte Auswertung der subjektiven Bewertungen und objektiven Verhaltensdaten soll Aufschluss geben, inwieweit Nutzeranforderungen und –Erwartungen Usability Professionals 2003 Interkulturelle Unterschiede in der Interaktion mit Fahrer-Informations-Systemen zwischen den Kulturen variieren und wie ihnen begegnet werden kann. In einem vorausgehenden, vergleichbar angelegten internationalen Usabilitytest [7] ergaben sich interkulturelle Unterschiede in der Bewertung von FIS in Bezug auf ihre Bedienkonzepte. Ein in Japan entwickeltes System mit Touchscreen erzielte in Japan deutlich bessere Werte als in Deutschland oder den USA. Das in Deutschland entwickelte System mit zentralem Dreh-Drück-Steller entsprach eher den Erwartungen und Verhaltensweisen der Testpersonen in Deutschland und den USA, wurde aber in Japan weniger akzeptiert als das FIS mit Touchscreen. 4. AUSBLICK Eine erste Analyse der Ergebnisse der aktuellen Studie zeigt entsprechend den zuvor berichteten Ergebnissen, dass im Entwicklungsprozess von Fahrer-Informations-Systemen mit zunehmender Globalisierung des Marktes kulturelle bzw. landesspezifische Einflüsse berücksichtigt werden sollten. Diese Forderung stellt einen hohen Anspruch an das Inteaktionsdesign eines FIS. Ziel der vorliegenden Studie ist es daher, kulturspezifische Besonderheiten im Umgang mit Infotainment-Systemen auszuloten, um so Handlungswissen für globale Entwicklungen technischer Systeme und lokale Anpassungen zu erhalten. 5. REFERENCES [1] Han S.H., Yun M.H., Kwahk J. and Hong S., Usability of consumer electronic products. Int. Journal of Industrial Ergonomics. 28, 143-151 (2001). [2] Honold P., Interkulturelles Usability Engineering. Fortsch.-Ber. VDI Reihe 10, Nr. 647, Düsseldorf: VDI Verlag (2000). [3] Norman D., The invisible computer. Cambridge: MIT Press (1998) [4] Rößger P. and Smyrek U., Licht und Schatten. TeleTraffic, 11/12 (November/December 1999), (1999). [5] Rößger P. and Smyrek U., Reifeprüfung. TeleTraffic, 11/12 (November/December 2000), 12-15 (2000). [6] Rößger P., Metternich B. and Smyrek U., Stunde der Abrechnung. Tele Traffic, 1/2 (January/February 2001), 22-25 (2001). [7] Rößger P.and Peißner M., Interkulturelle Unterschiede der Mensch-MaschineSchnittstelle von Fahrer-Informations-Systemen. Telematik im Kraftfahrzeug, VDI-Berichte 1728, Düsseldorf: VDI Verlag (2002). [8] Zühlke D. and Röse K., Design of global userinterfaces: Living with the challenge. Proceedings of the IEA 2000. 6, 154-157 (2000) 177 Peißner, M. Referentin Maria Peißner ist seit einem Jahr im Bereich Human Factors, Customer Projects & MMI Concepts der Firma Harman/Becker Automotive Systems tätig. Sie studierte Psychologie in Regensburg mit den Studienschwerpunkten Verkehrspsychologie, Mensch-Maschine-Interaktion und Psychophysiologische Beanspruchungsmessung. Ihr Hauptinteresse gilt der Einbeziehung zielgruppenspezifischer Endnutzer und ihrer Anforderungen in den Entwicklungsprozess eines Infotainment-Systems von der Konzeptidee bis zur Serienreife. 178 Usability Professionals 2003 BARRIEREFREIES INTERNET BARRIEREFREIES INTERNET: WEBUSABILITY FOR ALL Markus E. Mund Frank Leidermann Harald Weber Institut für Technologie und Arbeit Bluewin AG Institut für Technologie und Arbeit Gottlieb-Daimler-Straße, Geb. 42 Hardturmstrasse 3 Gottlieb-Daimler-Straße, Geb. 42 67663 Kaiserslautern CH-8037 Zürich 67663 Kaiserslautern mmund@ita.uni-kl.de frank.leidermann@team.bluewin.com hweber@ita.uni-kl.de www.ita-kl.de www.bluewinag.com www.ita-kl.de ABSTRACT Dieser Beitrag zeigt grundlegende Richtlinien für die Gestaltung barrierefreier Websites auf und beleuchtet diese hinsichtlich der Umsetzung in die Praxis. Darüber hinaus werden Empfehlungen für den begleitenden Evaluationsprozess ausgesprochen. Keywords Barrierefreie Informationstechnik, Zugänglichkeit, WCAG, WAI, BITV Accessibility, den letzten Jahren schrittweise voran gebracht. Im Juli 2002 trat die Bundesverordnung zur Informationstechnik BITV [1] in Kraft, die die öffentliche Hand u. A. zur barrierefreien Gestaltung ihrer Internetangebote verpflichtet. Entsprechende Verordnungen auf Landesebene werden zur Zeit erarbeitet bzw. wurden bereits verabschiedet (bspw. in Rheinland-Pfalz). Für die Privatwirtschaft haben diese Verordnungen zunächst noch Empfehlungscharakter. Im Folgenden sollen die technischen Kernpunkte der Verordnungen und deren Implikationen für die Praxis kurz vorgestellt werden. 1. EINLEITUNG Das Internet ist derzeit noch voller Zugangsbarrieren für NutzerInnen mit besonderen Anforderungen, bspw. für • NutzerInnen mit sensorischen oder motorischen Einschränkungen, • NutzerInnen, die mit PDA, Organizer surfen möchten, oder • NutzerInnen mit langsamem Internetzugang. Handy oder Barrieren entstehen dabei aufgrund des Designs von Web-Seiten, die die besonderen Anforderungen von Menschen mit Behinderungen, von neuen Zugangstechnologien oder beschränkten Übertragungskapazitäten nicht ausreichend berücksichtigen. In jüngster Zeit wird unter dem Begriff der „Barrierefreiheit“ primär das Gestalten von Produkten oder Dienstleistungen unter Berücksichtigung der Anforderungen von Menschen mit Behinderungen verstanden. Auf politisch-rechtlicher Ebene wird dieses Thema in Es ist erlaubt digitale und Kopien in Papierform des ganzen Papers oder Teilen davon für den persönlichen Gebrauch oder zur Verwendung in Lehrveranstaltungen zu erstellen. Der Verkauf oder gewerbliche Vertrieb ist untersagt. Rückfragen sind zu stellen an den Vorstand des GC-UPA e.V. (Postfach 80 06 46, 70506 Stuttgart). Proceedings of the 1st annual GC-UPA Track Stuttgart, September 2003 © 2003 German Chapter of the UPA e.V. 2. DESIGN- UND ENTWICKLUNGSRICHTLINIEN Grundlage zur Entwicklung barrierefreier Internetseiten sind die Richtlinien der Web-AccessibilityInitiative (WAI) des World-Wide-Web Konsortiums (W3C) [2]. Unter dem Titel „Web Content Accessibility Guidelines (WCAG)“, die derzeit in der Version 1.0 vorliegen, sind dort - nach drei Prioritäten gestaffelt - die Anforderungen an das Design barrierefreier Webseiten aufgeführt [3]. Derzeit wird an einer neuen Version dieser Richtlinien gearbeitet, die sich insbesondere durch eine neue Struktur auszeichnet. Die in diesem Artikel aufgeführten Richtlinien sind Bestandteil beider Versionen, die zur Referenzierung verwendete Nummerierung bezieht sich auf die geltende Version 1.0. 2.1 Exemplarische Richtlinien und deren Umsetzung An dieser Stelle sollen exemplarische Richtlinien und deren Umsetzung dargestellt werden. Dabei werden insbesondere solche Richtlinien ausgewählt, die zu einer Grundzugänglichkeit des Webauftritts führen und dadurch die größten Barrieren beseitigen können. In den folgenden Abschnitten werden thematisch ähnliche Richtlinien zusammengefasst. Am Anfang jedes Abschnittes werden in Klammern die Nummern der angesprochenen Richtlinien angegeben. 181 Mund, M., Leidermann, F. & Weber, H. 2.1.1 Validierende Quelltexte (Richtlinien 3.2; 5.1; 11.1; 11.2) Die Konformität mit den Standards des W3C ist die Grundvoraussetzung für Barrierefreiheit. Das bedeutet, dass jede Seite die HTML-Validierung des W3C [4] erfolgreich passieren muss. Es ist anzuraten, die aktuellen Versionen der jeweiligen Technologie zu verwenden, also HTML 4.01 oder XHTML 1.0 bzw. XML. Dies bedeutet auch, dass veraltete Auszeichnungselemente nicht mehr zu verwenden sind. 2.1.2 Verwendung von Cascading Stylesheets (Richtlinien 3.3; 3.7; 6.1; 11.1) Die Verwendung von Cascading Stylesheets (CSS) ist notwendig, um eine konsequente Trennung von Inhalt und Darstellung umzusetzen. Die Formatierung von Schriftarten, Farben, Abständen u. Ä. im Quelltext der Seite entspricht nicht mehr den aktuellen Versionen der Sprachen (X)HTML und XML. Die Verwendung von CSS geht aber über die reine Formatierung von Text hinaus und dient auch zur Positionierung von beliebigen Seitenelementen. Diese Trennung von Inhalt und Darstellung ist eine grundlegende Herangehensweise, um Barrierefreiheit im Kern umsetzen zu können. Dadurch ist gewährleistet, dass Webseiten nicht ausschließlich nur auf eine (visuelle) Bildschirmdarstellung hin optimiert werden. CSS ermöglicht die Anpassung von Inhalten an verschiedene Ausgabemedien. Dabei spielen in Bezug auf Barrierefreiheit insb. Screenreader/Voicebrowser oder Braille-Zeilen eine wichtige Rolle, da bei diesen der visuelle Ausgabekanal durch einen akustischen oder taktilen ersetzt wird. Moderne Browser unterstützen die aktuelle Version von CSS 2.0. Teilweise noch bestehende geringe Unterschiede in der Interpretation können durch Workarounds im Bedarfsfall ausgeglichen werden, ohne die Validität der CSS-Datei zu beeinflussen. Durch CSS ist es möglich, auf Hilfskonstrukte wie z.B. Layout-Tabellen zu verzichten. Dies hat darüber hinaus den Vorteil, dass die Reihenfolge der dargestellten Inhalte variiert werden kann. Somit kann im Falle einer linearisierten Darstellung, also bei nicht vorhandener CSS-Interpretation, eine optimale Struktur und Abfolge der Inhalte erreicht werden. Dies ist insbesondere für nicht visuelle Ausgabemedien wichtig, die Inhalte auf akustischem oder taktilem Weg nur zeilenweise, also sequenziell, wiedergeben können. 2.1.3 Markupgerechte Formatierung (Richtlinien 3.5; 3.6; 3.7) Bei der Auszeichnung der Inhalte ist darauf zu achten, die Formatierung mittels Markup entsprechend den Vorgaben des W3C durchzuführen. So sind bspw. die Tags <h1> bis 182 <h6> nur zur Auszeichnung von Überschriften, blockquote-Tags nur bei Zitaten zu verwenden. Diese Richtlinie bringt zum Ausdruck, dass Markups primär die Struktur von Dokumenten definieren sollen (z.B. Überschrift, Zitat, Liste), nicht dessen visuelle Erscheinung. 2.1.4 Farbunabhängigkeit und ausreichender Kontrast (Richtlinien 2.1; 2.2) Um die Inhalte für die visuelle Darstellung hinsichtlich Barrierefreiheit zu optimieren, sind einige Grundregeln zu beachten. So ist es bei der Wahl der Farben erforderlich, dass ausreichender Kontrast zwischen Hintergrund und Vordergrund (Text) gewährleistet ist. Dies lässt sich am leichtesten überprüfen, indem dies in einer Graustufen-Darstellung der gleichen Seite getestet wird. Ein Tool, was einen solchen Test durchführen kann, wird zum Einbau als „Favorit“ in den Microsoft Internet Explorer angeboten [5]. Wichtig ist diese Forderung auch bei der Hervorhebung oder Unterscheidung verschiedener Elemente (z.B. Unterscheidung von Links und Text). Bei Links bietet sich z. B. an, eine zusätzliche Hervorhebung durch Unterstreichung oder Fettung zu erzielen. Informationen müssen jederzeit auch ohne farbige Darstellung (z. B. bei Schwarz-WeißDarstellung oder Rot-Grün-Schwäche von BetrachterInnen) zugänglich sein. Informationen müssen also unabhängig von der Farbe erfassbar sein und - falls inhaltlich notwendig - durch geeignete Darstellungsoptionen eine klare Unterscheidungsmöglichkeit zu anderen Elementen bieten. 2.1.5 Textäquivalente für nicht-textuelle Elemente (Richtlinie 1.1) Um Menschen, die alternative (d. h. nicht-visuelle) Ausgabemedien verwenden, die Nutzung des Inhaltes einer Seite zu ermöglichen, ist darauf zu achten, jede Information, die in nicht-textlicher Form vorliegt, auch als Text-Äquivalent anzubieten. Dies ist insbesondere bei Bildern oder Animationen/Filmen erforderlich. Bei einer barrierefreien Gestaltung sollte jede Graphik und jedes Bild einen „sprechenden“ Alternativtext bereitstellen, der die gleiche Information, die das Bild transportiert, auch in textlicher Form bereitstellt. Dies wird ermöglicht durch das ALT-Attribut im <IMG>-Element, das diese Beschreibung enthält. Bei Graphiken, deren Beschreibung nicht in kurzen Texten ausreichend erfolgen kann, ist das longdesc-Attribut zu verwenden, durch das eine URL referenziert werden kann, unter der eine ausführliche Beschreibung der Graphik oder des Bildes abgelegt werden kann. Auch der barrierefreie Einsatz von Bildern, die reinen Layoutzwecken dienen, ist möglich. An dieser Usability Professionals 2003 Barrierefreies Internet: WebUsability for All Stelle sollte alt=““ eingesetzt werden, und ein möglichst sprechender Dateinamen, wie spacer.gif o. Ä. verwendet werden, um deutlich zu machen, dass diese Bilder keinerlei Information transportieren. Jedoch sollten Graphiken, die bspw. über Farben kenntlich machen, in welchem Bereich eines Site man sich aufhält, diese Information auch im alternativen Text tragen. 2.1.6 Skalierbare Darstellung (Richtlinie 3.4) Bei einer visuellen Darstellung wird es häufig eine dem Design entsprechende optimale Größe aller Elemente geben, die sich im Idealfall derart gestaltet, dass sie den Anforderungen durchschnittlicher BenutzerInnen entspricht. Um jedoch auch Anforderungen derjenigen Benutzer zu entsprechen, die auf eine größere visuelle Darstellung angewiesen sind, sollten alle Maße und Größen relativ definiert sein. Das bedeutet beispielsweise bei der Textauszeichnung, dass relative Einheiten, wie em oder %, den fixen Einheiten, wie pt und px, vorzuziehen sind. Auch bei der Definition von Elementgrößen ist dies anzuwenden, wodurch alle BenutzerInnen in die Lage versetzt werden, die Darstellung den eigenen Erfordernissen entsprechend individuell anzupassen. 2.1.7 Navigation (Richtlinien 3.1; 13.1; 13.2; 13.3; 13.5; 13.6) Um eine barrierefreie Navigation zu gewährleisten, sind verschiedene Punkte zu beachten. So sollte hinsichtlich der Skalierbarkeit darauf geachtet werden, dass Menüpunkte als Text und nicht ausschließlich über Graphiken bereitgestellt werden. Bei der Bezeichnung von Links ist es von erheblicher Bedeutung, dass „sprechende“ und zielführende Begriffe verwendet werden. Der Navigationsblock sollte als solcher gekennzeichnet und zusammengefasst sein und von markanten Punkten der Seite über Sprungmarken und Anker erreichbar sein. Diese Sprungmarken sollten lediglich Benutzern der linearisierten Version angeboten werden (bspw. durch display:none und visbility: hidden in der CSS-Datei). Darüber hinaus sollte die Navigationseinheit auch überspringbar sein, oder wahlweise am Ende der linearisierten Darstellung liegen. Ebenso über Sprungmarken erreichbar sein sollte der Beginn des eigentlichen Inhalts. Jede Seite sollte Links zu den wichtigen Seiten des Website beinhalten, wie bspw. Inhaltsverzeichnis (Sitemap), Startseite (Homepage) und Kontakt bzw. Impressumsseite. Hilfreich ist die Verwendung dieser semantischen Daten im <head>-Bereich durch Einsatz von entsprechenden meta-Tags (meta rel=). Diese Elemente werden zwar derzeit nur von wenigen Browsern unterstützt, der Einsatz ist aber hinsichtlich einer zukunftsorientierten Programmierung zu empfehlen, da er keinen „Schaden“ anrichten kann und im „schlimmsten“ Fall lediglich nicht interpretiert wird. 2.2 Diskussion In der Praxis ist es bei mangelnden Ressourcen nicht immer möglich, einen Website komplett zu überarbeiten. In diesen Fällen kann ein mehrstufiges Vorgehen gewählt werden. In einem ersten Schritt können die wichtigsten Seiten angepasst werden, in dem bspw. Layouttabellen entsprechend der Richtlinien möglichst barrierefrei gestaltet werden. Tabellen zu Layoutzwecken sind allerdings immer nur zweite Wahl. Daher sollte in einem zweiten Schritt ein Relaunch des Sites erfolgen, bei dem ein rein CSS-basiertes Layout getrennt von der semantischen Auszeichnung des Inhalts angestrebt wird. Dies zahlt sich langfristig aus, da Änderungen der gesamten Website-Darstellung leicht über Änderungen in einer einzelnen Datei erfolgen können und die saubere Struktur jeder Seite ebenfalls leichter zu handhaben ist. Praxisprobleme ergeben sich auch dadurch, dass Zugangstechnologien, Browser, aber auch Assistive Technologien wie z. B. Sprachbrowser, sich nicht durchgängig an W3C-Standards orientieren. Das größte Problem allerdings besteht darin, dass derzeit noch kein vollständig barrierefreien Quelltext erzeugendes Content Management System (CMS) bekannt ist. Da größere Web-Präsenzen aber auf CMS angewiesen sind, stellt eine Entwicklung in dieser Richtung derzeit eine wichtige Herausforderung dar. 3. EVALUATION Während der Gestaltung barrierefreier Seiten ist eine begleitende Validierung notwendig. Grundsätzlich hat die WAI eine entsprechende Vorgabe für diese Testphase beschrieben [6]. Da dieser Prozess hier nicht ausführlich dargestellt werden kann, werden im Folgenden nur die für die Praxis besonders wichtigen Aspekte angesprochen. Ganz wesentlich ist das Verständnis dafür, dass viele der skizzierten Richtlinien nicht durch automatische Tests überprüft werden können, sondern der experten-basierten Beurteilung bedürfen. Dabei ist es insbesondere wichtig, dass die Interpretation der Richtlinie und die Beurteilung der Umsetzung klaren Regeln folgt, möglichst durch erfahrene Fachleute durchgeführt wird und entsprechend dokumentiert ist. Dennoch bieten halbautomatische Testwerkzeuge wertvolle Unterstützung. Zunächst hat sich das Tool Bobby [7] etabliert, berücksichtigt aber nach Meinung der Verfasser unzureichend die Notwendigkeit zu manuellen Tests. Die Auszeichnung „bobby-approved“ impliziert jedoch Barrierefreiheit, obwohl mangels experten-basierter Untersuchung diese so nicht gegeben sein muss. Hilfreich sind daher Tools, die bei der Benutzung deutlich darauf hinweisen, welche Punkte der 183 Mund, M., Leidermann, F. & Weber, H. Anforderungen manuell zu überprüfen sind, und auf zertifikatähnliche Logos verzichten. Diese Forderung berücksichtigen die Online-Tools „Cynthia Says“ [8] und „Wave 3“ [9]. „Cynthia Says“ erzeugt ein Abbild der WAI Checkliste und bewertet lediglich die aus dem Quelltext automatisch zu beurteilenden Punkte. Darüber hinaus werden jedoch alle Richtlinien angezeigt, und die Gestaltung macht deutlich, welche Aspekte durch expertenbasierte Evaluation zusätzlich zu testen sind. „Wave 3“ ist ein graphisches Werkzeug. Die zu überprüfende Seite wird ergänzt um Symbole, die Gesichtspunkte der Zugänglichkeit beurteilen. Allerdings ist es auch hier nur möglich, einige ausgewählte Punkte zu überprüfen. Eine abschließende Beurteilung oder gar ein Zertifikat liefert „Wave 3“ nicht. Die Kombination von „Wave 3“ und „Cynthia Says“ gibt schon einen ersten recht guten Anhaltspunkt hinsichtlich der erreichten Barrierefreiheit. Daneben seien auch Tools erwähnt, die Erweiterungen von Entwicklungswerkzeugen darstellen (z. B. [10]) sowie die Fähigkeit einzelner Browser, verschiedene Nutzungsarten zu simulieren (z. B. [11]). Beispiele für den Einsatz von Opera für erste Test auf Barrierefreiheit sind unter [12] zu finden. Weitere Testwerkzeuge sind auf den Seiten der WAI aufgeführt [13] Darüber hinaus sind Tests mit Hilfe von assistiven Technologien erforderlich (z. B. Sprachbrowser) eingesetzt werden. Eine optimale Testsituation lässt sich selbstverständlich unter Einbeziehung von NutzerInnen mit den zu berücksichtigenden Einschränkungen erreichen. 184 Schließlich soll darauf hingewiesen werden, dass für alle Untersuchungen eine möglichst große Anzahl an Seiten herangezogen werden sollte. Eine Beschränkung der Evaluation auf einzelne exemplarische Seiten muss gut begründet sein. Abschließend bleibt der Hinweis, dass die Evaluation bzgl. Barrierefreiheit einigen Interpretationsspielraum bietet. Daher bedarf es einer dokumentierten und klar festgelegten Vorgehensweise. Derzeit wird von den Autoren eine solche Vorgehensweise sowie entsprechende Vorlagen für die Dokumentation entwickelt. 4. REFERENZEN [1] http://jurcom5.juris.de/bundesrecht/bitv [2] http://www.w3.org/WAI [3] http://www.w3.org/TR/WCAG10/ [4] http://validator.w3.org [5] http://www.508compliant.com/tools.htm [6] http://www.w3.org/WAI/eval/ [7] http://www.cast.org/bobby [8] http://www.cynthiasays.com/ [9] http://wave.webaim.org [10] http://www.macromedia.com/macromedia/acces sibility [11] http://www.opera.com [12] http://www.ita-kl.de/barriererfrei [13] http://www.w3.org/WAI/ER/existingtools.html Usability Professionals 2003 Barrierefreies Internet: WebUsability for All Referenten Markus Mund studiert Wirtschaftsingenieurwesen an der Universität Kaiserslautern. Seit November 2000 war er zunächst am Lehrstuhl für Industriebetriebslehre und Arbeitswissenschaft beschäftigt und wechselte ein Jahr später an das dem Lehrstuhl angeschlossene Institut für Technologie und Arbeit. Dort befasst er sich seit zwei Jahren mit der Gestaltung und Evaluation von Zugänglichkeit bei webbasierten Informationssystemen. Darüber hinaus ist er für den Internetauftritt des Institutes und des Lehrstuhls verantwortlich. Frank Leidermann ist seit April 2003 als Usability Consultant beim Internet Service Provider Bluewin AG in Zürich tätig. Zuvor war er fünf Jahre am Institut für Technologie und Arbeit (ITA) Kaiserslautern beschäftigt (Schwerpunkte: Usability-Engineering, WebAccessibility und Design for All), unterbrochen von einem sechsmonatigen Gastaufenthalt in der Arbeitsgruppe für Human-Computer Interaction and Assistive Technologies (ICS-FORTH). Harald Weber ist stellvertretender Leiter des Instituts für Technologie und Arbeit (ITA), Kaiserslautern. Er bearbeitet u. A. Forschungsprojekte im Bereich der Barrierefreiheit von Informations- und Kommunikationstechnologien. Schwerpunkt seiner Arbeit liegt auf dem Gebiet des Inclusive Design, um Partizipation zu ermöglichen und Chancengleichheit zu gewährleisten. 185 MOBILE USER INTERFACES USABILITY ENGINEERING PROZESS BEI VODAFONE GLOBAL Helmut Degen Vodafone Holding GmbH Global Products & Services Mannesmannufer 2 40213 Düsseldorf helmut.degen@vodafone.com, hdegen@acm.org ABSTRACT In diesem Beitrag wird die Rolle der User Experience Gruppe bei Vodafone Global Products & Services vorgestellt. Es werden der Usability Engineering Prozess und am Beispiel des Projekts “MMS-Album“ vier Besonderheiten des Prozesses herausgearbeitet: 1. Beteiligte Projekt-Rollen, 2. Meilensteine und Ergebnisse, 3. Design für verschiedene Kanäle und Devices und 4. Analyse und Evaluation im Prozess. Ein kurzer Ausblick über die Weiterentwicklung des Prozesses wird gegeben. Keywords Usability Engineering Prozess, Kanäle, Devices, Seamless Experience, 1. EINLEITUNG Usability Engineering Prozesse in der Literatur (z.B. [1,2]) beschreiben einen idealtypischen Ablauf einzelner Phasen und Schritte. In der industriellen Praxis sehen solche Prozesse häufig anders aus, d.h. die Prozesse aus der Literatur werden an Rahmenbedingungen und Ziele der industriellen Praxis angepasst. In diesem Beitrag soll am Beispiel eines Projekts, dem so genannten MMS-Album, der angewandte Usability Engineering Prozess bei Vodafone Global Products & Services beschrieben und die Besonderheiten dieses angewandten Prozesses herausgearbeitet werden. Der Beitrag gliedert sich in folgende Abschnitte: In Abschnitt 2 werden die Vodafone Gruppe und Vodafone Global Products & Services (im folgenden Vodafone Global genannt) vorstellt. Es wird weiterhin die Rolle der User Experience Gruppe innerhalb von Vodafone Global beschrieben. In Es ist erlaubt digitale und Kopien in Papierform des ganzen Papers oder Teilen davon für den persönlichen Gebrauch oder zur Verwendung in Lehrveranstaltungen zu erstellen. Der Verkauf oder gewerbliche Vertrieb ist untersagt. Rückfragen sind zu stellen an den Vorstand des GC-UPA e.V. (Postfach 80 06 46, 70506 Stuttgart). Proceedings of the 1st annual GC-UPA Track Stuttgart, September 2003 Abschnitt 3 wird das MMS-Album vorstellt. Es folgt eine Beschreibung des angewandten Usability Engineering Prozesses mit seinen Besonderheiten. 2. VODAFONE 2.1 Globaler Mobilfunk-Anbieter Vodafone ist zur Zeit der weltweit größte MobilfunkAnbieter. Vodafone hält in 28 Ländern Beteiligungen an Mobilfunkanbietern und in 7 Ländern ist Vodafone eine Partnerschaft mit Mobilfunkanbietern eingegangen. Am 31 März 2003 gab es ca. 119,7 Mio. Vodafone-Kunden. Die Rolle von Vodafone Global ist es, für die Vodafone-Landesgesellschaften Produkte und Services zentral zu entwickeln, die dann entsprechenden Länder ausgeliefert und installiert werden. Die zentrale Entwicklung hat 3 wesentliche Vorteile: 1. werden Kosten eingespart und 2. wird sichergestellt, dass die Kunden weltweit identische Produkte und Services angeboten bekommen und 3. Findet ein internationaler Wissensaustausch statt. 2.2 User Experience Gruppe Die Arbeit der User Experience (UE) Gruppe innerhalb von Vodafone Global ist von dem Qualitätsziel der “Seamless Experience“ bestimmt. Hierunter werden im wesentlichen zwei Qualitätsansprüche verstanden. Die zu entwickelnden Produkte und Services sollen eine attraktive und einfach zu bedienende Benutzungsoberfläche erhalten. Dieser Qualitätsanspruch setzt eine benutzerzentrierte Vorgehensweise voraus. Desweiteren soll die Marke Vodafone wiedererkannt werden, um den Bekanntheitsgrad zu steigern. Dies bedeutet, daß User Interfaces mit der für die Markenbildung zuständigen Abteilung abgestimmt werden. Das Qualitätsziel “Seamless Experience“ wird in folgenden Bereichen angestrebt: 1. Zwischen mobilen Endgeräten unterschiedlicher Anbieter, d.h. es wird eine anbieterunabhängige User Experience angestrebt. 2. Zwischen mobilen Endgeräten und internetbasierten Produkten und Services (Web und WAP), d.h. es wird eine geräte- und © 2003 German Chapter of the UPA e.V. 189 Degen, H. kanalübergreifende angestrebt. User Experience 3. Zwischen verschiedenen Produkten und Services, d.h. es wird eine anwendungsübergreifende User Experience angestrebt. 4. Zwischen verschiedenen Vodafone Landesgesellschaften, d.h. es wird für Reisende eine ortsunabhängige User Experience angestrebt. 2.3 Entwicklungsprozeß Im Entwicklungsprozess von Vodafone Global arbeitet die UE Gruppe dem Produkt-Management zu. Das Produkt-Management definiert zuerst ein Produkt/Service, d.h. es legt u.a. das Marktsegment und die Produkt-Feature fest. Die UE Gruppe gestaltet dann die entsprechende Benutzungsoberfläche für das Produkt/Service. Wichtigstes Ergebnis der UE Arbeit ist eine DesignSpezifikation, in der für die technischen Realisierer die Benutzungsoberfläche dargestellt und beschrieben wird. Nach der Lieferung der DesignSpezifikation und weiterer Dokumente implementieren technische Realisierer die Applikation. Es schließt sich die Auslieferung und Installation der Applikation in den Vodafone-Ländern an. 3. MMS-ALBUM Am Beispiel des MMS-Albums (MMS steht für Multimedia Messaging Service) soll dies beispielhaft erläutert werden. Vereinfacht gesagt handelt es sich bei der MMS um eine SMS (Short Messaging Service), mit der auch Bilder und Töne versendet werden können. Das MMS-Album erweitert die Möglichkeiten der MMS-Nutzung für den VodafoneKunden. Es bietet neben der Anwendung auf dem mobilen Endgerät zusätzlich über Web und WAP die Möglichkeit an, MMS zu erstellen, MMS zu speichern, gespeicherte MMS zu organisieren und MMS zu empfangen. Außerdem bietet das MMSAlbum die Möglichkeit, gespeicherte MMS freizuschalten, d.h. beliebigen Personen Zugriffsrechte auf gespeicherte MMS zu geben. Das MMS-Album Release 1.2 wurde im April 2002 gelauncht. Am Beispiel des MMS-Albums soll nachfolgend der Usability Engineering Prozeß beschrieben und die Besonderheiten des Prozesses bei Vodafone Global herausgearbeitet werden. 4. USABILTIY ENGINEERING PROZESS 4.1 Rahmenbedingungen Wichtige Größen, die den Usability Engineering Prozess beeinflussen, sind die zur Verfügung stehende Zeit und die Zielkanäle WAP und Web. Die zur Verfügung stehende Zeit wird durch die Release-Planung vorgegeben, die in der Regel 6 Monate beträgt. Für die UE-Arbeit verbleibt ein 190 Zeitfenster von ca. 10 Wochen für die Lieferung einer Design-Spezifikation. Im Einzelnen gehört hierzu, ein Design-Konzept zu erstellen und zu evaluieren, das Design-Konzept detailliert auszuarbeiten und die Design-Spezifikation zu erstellen, zu prüfen, zu überarbeiten und zu liefern. Der zweite relevante Parameter sind die beiden Kanäle WAP und Web. Mit 2 Kanälen erhöht sich der Aufwand entsprechend; denn es ist nicht nur die Design-Qualität für jeden Kanal sicherzustellen, sondern auch die Konsistenz zwischen den Kanälen (“Seamless Experience“). Dies bedeutet, dass der Aufwand für das Design mehr als doppelt so hoch ist. 4.2 Einzelne Prozeßschritte Der UE Prozeß beginnt mit der Beschreibung des Produkts durch den Produkt-Manager. Danach beginnt die Arbeit der UE Experten. Es erfolgt in der Regel zuerst ein Produkt-Benchmarking, d.h. der Markt wird nach ähnlichen Produkten durchforstet und erfolgreiche und/oder erfolg versprechende UE Design-Prinzipien identifiziert. Es schließt sich die Entwicklung eines Design-Konzepts an, in dem die Prinzipien des Designs mit Wireframes dargestellt werden und die zugehörigen Flüsse die Zusammenhänge zwischen den Wireframes zeigen. Danach erfolgt gegebenenfalls eine Anforderungsermittlung, d.h. Vertreter der betroffenen Benutzergruppen werden in Einzelinterviews oder Workshops zu ihren Vorstellungen und Nutzungserfahrungen hinsichtlich der zu gestaltenden Anwendung befragt. Innerhalb der Anforderungsermittlung werden die gestalteten Design-Konzepte zur Evaluierung den InterviewPartnern vorgelegt. Die Ergebnisse der Anforderungsermittlung fließen in die Überarbeitung und Ausarbeitung des Design-Konzepts ein. Das Design-Konzept wird dann ausgearbeitet und das Ergebnis fließt in die Design-Spezifikation ein. Wenn es die Zeit zulässt, werden die Zwischenergebnisse mit Vertretern der Benutzergruppe (keine Projektbeteiligten) evaluiert. Diese Ergebnisse fließen dann wiederum in die Design-Spezifikation ein, die als Grundlage für die technische Implementierung der Ziel-Applikation verwendet wird. In einigen Projekten wird nach der Erstellung der Design-Spezifikation ein Mock-Up gebaut. Dieser Mock-Up hat drei Funktionen: 1. Kommuniziert er die Design-Spezifikation für alle Projektbeteiligten, vor allem die Projekt-Ansprechpartner in den Vodafone Landesgesellschaften und die späteren technischen Implementierer. 2. ermöglicht der Mockup, die größten Usability-Probleme zu identifizieren und zu eliminieren. 3. wird die Vollständigkeit und Korrektheit der Design-Spezifikation selbst überprüft. Usability Professionals 2003 Usability Engineering Prozess bei Vodafone Global Im Falle von Änderungen wird nach der Mock-UpErstellung die Design-Spezifikation angepasst und an die technischen Realisierer ausgeliefert. Im Rahmen des Projekts MMS-Album verlief der Prozess featuregetrieben, d.h. es standen nicht Benutzergruppen mit ihren Szenarien als Ausgangspunkt der Gestaltungsarbeit, sondern eine Featureliste. Damit einher geht die Release- und Ressourcenplanung, die ebenfalls durch die Featureliste bestimmt wird. Dies führte zu einer suboptimalen Qualität der Benutzungsoberfläche, womit die vorab beschriebenen strategischen Ziele nicht erreicht werden können. Deshalb wurde diese Herangehensweise in diesem und in anderen Projekten geändert zu einem benutzerzentrierten Ansatz. Im Mittelpunkt stehen Benutzergruppen mit ihren bevorzugten Szenarien, für die dann DesignKonzepte und gleichzeitig die zugehörigen Featurelisten erstellt werden. Die Projekt- und Ressourcenplanung basiert jetzt ebenfalls auf dieser benutzerzentrierten Vorgehensweise. Dies führte beispielsweise dazu, daß mehr Ressourcen für die Gestaltung der Benutzungsoberflächen eingeplant werden. Insgesamt führt die veränderte Vorgehenweise zu einer höheren Qualität von Benutzungsoberflächen und letztendlich zu einer Zielerreichung im Hinblick auf “Seamless Experience“. Mit diesem Paradigmen-Wechsel im Entwicklungsprozess wird deutlich, wie wichtig für Vodafone die Qualität der Benutzungsoberflächen ist. 4.3 Besonderheiten des Usability Engineering Prozesses 4.3.1 Beteiligte Projekt-Rollen Wie sich dies bereits bei der Beschreibung des Prozesses angedeutet hat, wird der gesamte Prozess von den Produkt-Managern begleitet. Die Produkt-Manager achten darauf, dass sich die definierten Produkt-Anforderungen in den Benutzungsoberflächen widerspiegeln. Häufig beteiligen sich die Produkt-Manager bei der Ideensammlung und Evaluation des DesignKonzepts. Obwohl die UE Experten über Entscheidungskompetenz im Hinblick auf DesignEntscheidungen haben, nehmen die ProduktManager die Design-Konzepte mit ab. Je nach Projekt ist es ebenfalls möglich, daß das Design-Konzept auch von Technik-Experten evaluiert wird. 4.3.2 Meilensteine und Ergebnisse Es gibt 3 wichtige Meilensteine für die Gestaltung der Benutzungsoberflächen. Der erste Meilenstein ist das Vorliegen des Feature-Dokuments, mit dem das Produkt/Service spezifiziert wird. Dies stellt die Grundlage für die Gestaltung der Benutzungsoberfläche dar. Der zweite Meilenstein ist die Abnahme des Design-Konzepts. Zu diesem Zeitpunkt liegen alle Flows, die Benutzungsoberflächen als Wireframes und die wichtigsten Benutzungsoberflächen in visuell gestalteter Form vor. Der dritte Meilenstein ist die Lieferung der Design-Spezifikation einschließlich aller Anhänge wie Assets, Lokalisierungstabellen, Wording-Tabellen, Message-Tabellen, HilfeTabellen und Mock-Ups. 4.3.3 Design für verschiedene Kanäle und Devices Die Benutzungsoberflächen werden für mehrere Kanäle (Web, WAP) und Devices (PC, mobiles Endgerät) gestaltet. Aufgrund des Geschäftsmodells von Vodafone liegt die Priorität hierbei bei WAP. Bei der Gestaltung des Design Konzepts wird mit dem WAP begonnen und danach die Konzepte auf das Web übertragen und erweitert. 4.3.4 Analyse und Evaluation im Prozess Der in der Literatur beschriebenen Usability Engineering Prozess (z.B. [1,2]) hat eine analytische Phase, in der Informationen gesammelt werden und eine anschließende gestalterisch-konstruktive Phase, in der Benutzungsoberflächen gestaltet und evaluiert werden. Die Abfolge von Analyse- und Design-Phase ist besonders dann sinnvoll, wenn eine geringe Kenntnis der Benutzererwartungen und –gewohnheiten vorliegt. Diese Vorgehensweise setzt aber voraus, dass ausreichend Zeit zur Verfügung steht, um nach der Analysephase die Ergebnisse zusammenzufassen und Benutzungsoberflächen zu gestalten und zu evaluieren. Da es sich bei dem MMS-Album um eine KonsumerAnwendung handelt, ist potentiell jeder Designer auch ein Benutzer der Anwendung. Insgesamt liegen damit, z.B. im Vergleich zu speziellen BusinessAnwendungen, relativ viele Kenntnisse über Benutzererwartungen und –gewohnheiten vor. Weiterhin ist der Zeitraum für die Erstellung einer Design-Spezifikation insgesamt relativ begrenzt. Deshalb wird eine Analyse in eine Design-Phase eingebettet. Bevor eine Analyse mit Vertretern der Benutzergruppen (keine Projektbeteiligten) durchgeführt wird, werden Konzept-Varianten erstellt. Im Rahmen der Analyse werden diese als Design-Vorschläge den Beteiligten gezeigt werden, beispielsweise nach einer offenen Befragung. Dasselbe gilt für die Evaluations-Phase. Die Evaluation (z.B. ein Usability Test) wird ebenfalls mit Vertretern der Benutzergruppen (keine Projektbeteiligten) durchgeführt. Im Rahmen der Evaluation werden neben den eigentlichen Evaluationsaufgaben den Teilnehmern AlternativVorschläge vorgelegt. Diese Vorgehensweise hat das Ziel, die Auswertung möglichst effizient zu halten 5. ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK Eine hohe Qualität der Benutzungsoberflächen von Produkten und Services ist ein zentrales 191 Degen, H. Geschäftsziel von Vodafone. Hierbei spielt der Aspekt der “seamless experience” eine zentrale Rolle. Im Rahmen kurzer Release-Zyklen kann der in der Literatur beschriebene Usability Engineering Prozess ohne zusätzliche Anpassungen nicht angewendet werden. Wichtige Merkmale des angewandten Prozesses sind die Beteiligung von Produkt-Managern während des gesamten UsabilityEngineering Prozesses. Die Projektpraxis hat gezeigt, dass mit einem featuregetriebener ProzeßApproach der Qualitätsanspruch nicht erreicht werden kann. Deshalb wurde der Entwicklungsprozeß zu einem benutzerzentrierten Ansatz. Drei Meilensteine (Feature-Dokument, Design Konzept, Design Spezifikation) sind für die Gestaltung wichtig. Innerhalb des Prozesses werden Analyse- und Evaluationstätigkeiten konsequent in Design-Aktivitäten integriert. Innerhalb der beiden Aktivitäten wird systematisch mit vorbereitetem Design-Vorschlägen gearbeitet, um die vorhandenen Zeitfenster einzuhalten. Dokumenten-Vorlagen) kann insbesondere die gute Zusammenarbeit mit dem Produkt-Managern die Projektarbeit wesentlich vereinfachen. Hier genügen aber nicht nur fachliche Qualitäten, sondern insbesondere kommunikative Fähigkeiten und eine Offenheit für die Ziele und Belange der ProduktManager. ACKNOLEDGEMENT Ich danke Michael von Roeder für die kritische Dursicht und die konstruktiven Verbesserungsvorschläge. 6. REFERENCES [1] ISO 13407: Human-Centred Design Processes for Interactive Systems, ISO/IEC 13407: 1999. [2] Nielsen, J.: Usability Engineering. Morgan Kaufmann (1993). Der Prozess wird beständig weiterentwickelt. Neben der Ausarbeitung von Prozess-Tools (z.B. 192 Usability Professionals 2003 Usability Engineering Prozess bei Vodafone Global Referent Dr. Helmut Degen arbeitet seit Beginn des Jahres bei der Vodafone Holding GmbH und ist für die Gestaltung von Messaging-Produkten verantwortlich. Zuvor war er als Principal Consultant im Competence Center „User Interface Design“ der Siemens AG tätig, hier verantwortlich für den Aufbau einer E-Business-Gruppe und die Gestaltung von E-Business-Anwendungen. Helmut Degen entwickelte das JIET Design ProzessFramework für webbasierte E-Business-Applikationen. JIET wurde in internationalen Projekten angewendet und international publiziert. Zuvor arbeitete er an der Freien Universität Berlin, an der er im Fach Informationswissenschaft promoviert. Helmut Degen studierte Informatik, Betriebswirtschaftslehre und Philosophie an der Universität Karlsruhe (TH) und Semiotik an der Technischen Universität Berlin. Sein Hauptinteresse gilt der Optimierung von Design-Prozessen unter Berücksichtigung der Qualität von User Interfaces und den bestehenden Rahmenbedingungen in der industriellen Praxis. Sowohl die interdisziplinäre Ausbildung wie auch die interdisziplinäre und internationale Erfahrung sind Grundlage für eine erfolgreiche Projektarbeit und den Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis. 193 KLEINER, BUNTER, LUSTIGER – AKTUELLE HERAUSFORDERUNGEN FÜR DIE USER INTERFACEGESTALTUNG MOBILER TELEFONE Ulrich Leiner Siemens AG, ICM Haidenauplatz 1 D-81667 München ulrich.leiner@siemens.com ABSTRACT Mobile Telefone werden einerseits immer stärker Fashion-Artikel, andererseits sind sie auch mehr und mehr multifunktionale Alleskönner. In unserer Präsentation möchten wir dieses Spannungsfeld ausleuchten und daraus resultierende Fragestellungen an das User Interface (UI) Design herausarbeiten. Wir diskutieren Designalternativen, und zeigen anhand aktueller Produktbeispiele Lösungsmöglichkeiten auf. Keywords Mobile phones, handheld devices, miniaturization, smart phones, user interface design process, hardware design. 1. EINLEITUNG Mobile Telefone sind im Jahr 2003 aus dem Alltagsleben einer großen Anzahl von Menschen weltweit nicht mehr wegzudenken. Die Handys weisen dabei einen immer größeren Funktionsumfang auf. Gerade weil somit der Funktionsbedarf der meisten Nutzer erfüllt oder gar übererfüllt ist, treffen immer mehr Käufer ihre Produktentscheidung nach Fun & Fashion-Kriterien wie Design, Farben, Form und Größe und Vorzeige- und Unterhaltungswert des Telefons. Im Vergleich zu PC-basierten Systemen, deren Nutzungskontext relativ stabil ist, und deren Einund Ausgabeelemente (Tastatur, Maus, Display) größtenteils standardisiert sind, variieren Handys in Displaygröße und Tastatur ziemlich stark, ein Standardisierungsprozess hat (noch) nicht stattgefunden Pia Honold Siemens AG, ICM Haidenauplatz 1 D-81667 München pia.honold@siemens.com Weit über eine Milliarde weltweiter Nutzer bedingen Bedien- und Anwendungsszenarien, die wie kaum ein zweites technisches Alltagsgerät, quer durch alle Bevölkerungs- und Altersgruppen, Regionen und Kontinente gehen, der Nutzungskontext ist daher sehr breit. Der Geschäftsbereich „Mobile“ der Siemens AG hat dieser Herausforderung Rechnung getragen und vor über 8 Jahren die Abteilung „Competence Center User Interface“ gegründet. Sie beschäftigt sich mit den speziellen Anforderungen an die Gestaltung leicht bedienbarer mobiler Endgeräte. Wir möchten aus der Praxis-Sicht beschreiben, welche Anforderungen an die Gestaltung von User Interfaces sich in unserem Geschäft tagtäglich ergeben, gemeinsam mit den Teilnehmern der Tagung Gestaltungsalternativen diskutieren, und anhand von Produktbeispielen Lösungsmöglichkeiten aufzeigen. 2. EINE RADIKALE ANTWORT: DIE FASHION-PHONES VON XELIBRI Das Handy wird immer mehr als Accessoire betrachtet, und unterliegt damit immer stärker den gängigen Modetrends. Nicht Funktion, sondern Marke und Trend bestimmen bei Geräten gerade für eine junge Zielgruppe die Anforderungen an das Design. In diesem Frühjahr hat Siemens daher eine neue Marke eingeführt - Xelibri -, die diese Entwicklung bewusst aufgreift und den techniklastigen Feature-Zählern eine radikale Alternative entgegenstellt. Es ist erlaubt digitale und Kopien in Papierform des ganzen Papers oder Teilen davon für den persönlichen Gebrauch oder zur Verwendung in Lehrveranstaltungen zu erstellen. Der Verkauf oder gewerbliche Vertrieb ist untersagt. Rückfragen sind zu stellen an den Vorstand des GC-UPA e.V. (Postfach 80 06 46, 70506 Stuttgart). Proceedings of the 1st annual GC-UPA Track Stuttgart, September 2003 194 Abbildung 1: Gerät ohne Nummerntastatur Xelibri 3 Usability Professionals 2003 Kleiner, bunter, lustiger – aktuelle Herausforderungen für die User Interface-Gestaltung mobiler Telefone 2.1 UI: Wenige Funktionen, neuartige Tastaturen Die Xelibri-Telefone stellten zwei neue Anforderungen an das UI-Design, die nur auf den ersten Blick unabhängig voneinander zu sein scheinen: • • Verringerung und Vereinfachung der Funktionen des Geräts und darauf aufbauend eine Verschlankung des Menübaums als Funktionszugang. Seien es Cell Broadcast oder Bluetooth, nahezu alle Funktionen wurden in Frage gestellt oder wenigstens deutlich reduziert. Unter der Annahme, dass die meisten Anwender nur einen Bruchteil des angebotenen Funktionsumfangs nützen, halten wir dies für eine plausible und Erfolg versprechende Hypothese. Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass der psychologische Aspekt “mehr fürs selbe Geld” bei der Kaufentscheidung doch den Ausschlag zugunsten eines reichhaltig ausgestatteten Geräts geben könnte. Reduktion der Hardware-Eingabeelemente bis zum möglichen Minimum. Bei allen Geräten wurde die Send- und End-Tasten eliminiert und ihre Funktion in die weiterhin vorhandenen Softkeys aufgenommen. 2.2 Beispiel aus der Praxis Beim Produkt Xelibri 3 wurde sogar ganz auf die Nummerntastatur verzichtet und nur eine 4-WegeNavigationstaste eingesetzt. Neben der erweiterten Spracheingabe (sprecherunabhängige Zifferneingabe) wurde auch die SMS-Funktion auf die Navigationstaste abgebildet. Dazu wurde eine komplett neue zweistufige Zeichen-Eingabe erarbeitet und implementiert. Usability-Tests zeigten, dass diese Methode zwar nicht gleichwertig zum 12-er-Ziffernblock ist, jedoch nach etwas Trainingszeit als tauglich für kurze Mitteilungen eingestuft werden kann. 3.1 Eine Antwort ist nicht genug Unsere Studien und Testergebnisse zeigen, dass es bei einer derart vielfältigen Nutzergruppe nicht ausreicht, nur einen Bedienweg, nur eine Möglichkeit der Aufgaben-Durchführung anzubieten. Daher bieten wir in unseren Mobiltelefonen fast überall verschiedene UI-Lösungen an, die mit dem Erfahrungsstand aber auch dem Nutzungskontext der Anwender korrelieren. Vereinfacht gesagt, unterscheiden wir drei Kenntnis- und NutzungsNiveaus: • Anfänger, die nicht oder noch nicht über nennenswerte Erfahrung mit unseren Geräten verfügen. Für diese Anwendergruppe ist das schrittweise Hinund Durchführen der Wunschfunktion optimal. Pro Schritt dürfen nicht zu viele Einzelinformationen und Entscheidungsoptionen angeboten werden. Im Idealfall steht auch noch eine Hilfefunktion zur Verfügung. • Standard-Anwender, mit einem mittleren Kenntnisstand, an denen sich die Hauptlösung orientiert. Für diese Nutzergruppe gilt, dass neben der Klarheit der Bedienschritte auch die Effizienz der Zielerreichung an Gewicht gewinnt und als Kriterium für optimale Usability herangezogen wird. • Power-User, die bereit sind auch komplizierte Bedien-Situationen zu durchlaufen oder Shortcuts zu erlernen, um Zwischenschritte und Zeit einzusparen. 3.2 Beispiel aus der Praxis Diese etwas abstrakt klingende Kategorisierung findet ihre Umsetzung in ganz konkreten UI-DesignLösungen unserer Geräte: • Daher halten wir diese Lösung für eine gelungene Synthese aus Miniaturisierung, Minimalistik der Bedienelemente und Absicherung der Bedienbarkeit. Standardlösung ist dieselbe Navigation auf einem Ikon-Gitter oder in Listen durchzuführen, die mehrere Einträge gleichzeitig anzeigen. Die Verwendung der Zifferntasten als Shortcuts zu ihnen zugeordneten Einträgen, kann schon in Richtung “Fortgeschritten” eingeordnet werden. 3. PASSENDE BEDIENFÜHRUNG FÜR JEDES NUTZER-NIVEAU Wie eingangs erwähnt, zeichnen sich Mobiltelefone durch eine kaum zu übertreffende Diversität ihrer Anwender aus: Vom Dauertelefonierer, über die SMS-Süchtigen bis hin zum sporadischen NurNotfall-Einsatz reicht die Spannweite. Dies stellt eine spannende Usability-Herausforderung: Wie muss das User Interface gestaltet sein, damit alle unterschiedlichen Anwendertypen sich optimal zurechtfinden und so ihre Zielfunktionen sicher, schnell und fehlerfrei ausführen können. Beispiel 1: Auffinden einer Applikation im Funktions-Menü: Einsteiger-Lösung ist zB die Anzeige nur eines Eintrags im Display. Durch Ab-/Auf-Navigation und Selektion wird schrittweise die Zielapplikation erreicht. Typische Power-User-Bedienung ist die Verwendung von “Hotkeys”, d.h. die Softkeys und die Zifferntasten aktivieren bestimmte Funktionen direkt aus Idle durch langes Drücken. Schließlich ist auch die Aktivierung der Sprachsteuerung und die Spracheingabe der Zielapplikation eine Power-User-Lösung. • Beispiel 2: Ein weiteres Beispiel für diese Varianten-Technik ist das Senden einer SMS: im einfachsten Fall geht man schrittweise über Optionen Senden – Auswahl – 195 Leiner, U. & Honold, P. Nummereingabe direkt oder aus Adressbuch – OK. Streng schrittweises Vorgehen nach einer möglichst einheitlichen Logik sind auch hier gut erkennbar. Die mittlere Lösung verwendet die Sequenz: Sendetaste - Nummereingabe direkt oder aus Adressbuch – OK. Die Beschleunigung wurde durch einen Tasten- und Logikwechsel erkauft. Eine Power-User-Lösung wäre es, sich vorab unter “SMS-Profile/Empfänger” die 5 häufigsten Empfänger einzutragen und die Profile entsprechend zu benennen. Beim Abschicken hätte man dann die Sequenz: Optionen – Send via – Profil – OK. Wenn man dann noch berücksichtigt, dass die “send via”-Option statt mit 10 Abwärtsklicks auch mit 2 Aufwärtsklicks erreichbar ist, hat man den Status “Power-User” sicherlich erreicht. Eine flexible, neuartige Gestaltung der Nummerntastatur ermöglichte hier eine Einsparung von ca. 80% der Größe konkurrierender Modelle. Usability Tests zeigten zwar, dass z.B. das Schreiben von SMS einen gewissen Lernaufwand erforderten, und Zweihandbedienung von den Nutzern favorisiert wurde. Durch die große Gestaltung der Nummerntasten konnte aber dennoch die Bedienbarkeit optimiert werden. 4. KLEINER IST BESSER – ODER? Die Mobilität von Handys wird auch dadurch gewährt, dass sie so klein sind, dass die Nutzer sie mühelos überall mitnehmen können. In den letzten Jahren gab es daher einen stetigen Prozess der Miniaturisierung. Auf der anderen Seite gehören multimediale Anwendungen (Photo, Video) und Datendienste (E-Mail, Chat, Internet) mittlerweile zum Featureset der Oberklassengeräte. Daraus resultiert, dass Displays zur Darstellung dieser Informationen möglichste groß sein sollten. Das bedeutet, dass möglichst große Displays in möglichst kleine Geräte integriert werden müssen. 4.1 UI-Design Herausforderungen Aus der Forderung „kleines Gerät/großes Display“ ergibt sich die Gefahr, dass an anderen Elementen, z.B. der Größe der Tastatur, gespart wird. Aber: Während die Technologien miniaturisiert werden können, sind die Maße des menschlichen Körpers offensichtlich weniger flexibel. Aufgabe des Usability Spezialisten ist daher, gemeinsam mit IndustrieDesignern im Spannungsfeld Miniaturisierung – Usability bedienfreundliche Lösungen zu generieren. Abbildung 2: SX1 mit 2x6 Nummerntastatur Eine weitere Möglichkeit, die neue Tastenanordnung funktional zu Nutzen besteht in der Möglichkeit, die Nummerntasten in spezifischen Anwendungen als Softkeys zu nutzen. Als Beispiel sei hier etwa die Funktion „Radio“ angeführt. Generell ergab sich durch die Tastennordung ein größerer Gestaltungsspielraum. 4.2 Design-Alternativen Konzentrieren wir uns im folgenden auf die Widerspruch: Großes Display, bedienbare Tastatur. Folgende Designalternativen können dabei etwa erörtert werden: • Slider (z.B. Nokia 7650, Samsung SPH-N270), • Clamshell (z.B. Samsung SGH-V200), • Monoblock Design mit 2x6 Tastatur (Siemens SX1). 4.3 Beispiel aus der Praxis Für das SX1 standen wir genau vor der beschriebenen Fragestellung: Eine Vielzahl von Funktionstasten und Nummerntasten mussten im Design „untergebracht“ werden. 196 Abbildung 3: Nutzung von Nummerntasten als Soft keys 5. VISUAL DESIGN: EINBINDUNG NEUER KOMPETENZEN Wie bereits beschreiben, werden die Displays immer größer – und sie werden auch immer farbiger und brillanter. Somit erhält das „Visual Design“ der Bedienoberflächen fast einen ebenso hohen Stellenwert für die Nutzerakzeptanz wie das Industriedesign. Usability Professionals 2003 Kleiner, bunter, lustiger – aktuelle Herausforderungen für die User Interface-Gestaltung mobiler Telefone 5.1 UI-Design Herausforderungen Im Bereich der Mobiltelefone besteht ein großer Erfahrungsschatz, wie man mit den Restriktionen kleiner schwarz-weiß Displays zu optimalen Ergebnissen gelangen kann. Durch die neuen Möglichkeiten in punkto Größe und Farbe bestand die Herausforderung darin, durch das Grafikdesign diese technischen Neuerungen maximal auszuschöpfen und für die Kunden sichtbar zu machen. 5.2 Design-Alternativen Wie lässt sich die hohe Qualität eines Displays durch das „Visual Design“ umsetzen? Folgenden Alternativen wurden diskutiert • Symbolische Darstellungen 2D, • Symbolische Darstellungen 3D, • Realistische Darstellungen, • Hyperrealistische Darstellung. 5.3 Beispiel aus der Praxis Für das SX1 entschieden wir uns für einen hyperrealistischen Stil. Dieser hat den Vorteil, dass er durch die schwebend 3-dimensionale Gestaltung auf der einen Seite einen durchgängigen Stil generiert, auf der anderen Seite die Begrenzungen eines naturalistisch/realistischen Stils aufhebt . Abbildung 4: Hauptmenüicons SX1 6. AUSBLICK Das Mobiltelefon hat sich in den letzten Jahren vom Kommunikationsgerät einerseits zum FashionArtikel, andererseits zum multifunktionalen Alleskönner entwickelt. Die Aufgabe für Usability Spezialisten ist dabei, die Belange der Endnutzer zu vertreten, und gleichzeitig Produktmanager und Marketing in der Verwirklichung ihrer Produktvisionen zu unterstützen. Ziel dabei ist nicht, einen Kompromiss zwischen allen beteiligten Parteien (Marketing, Softwareentwicklung, Industriedesign, um nur einige zu nennen) zu schaffen, sondern gemeinsam eine optimale Nutzungserfahrung zu gestalten. 197 Leiner, U. & Honold, P. Referenten . Dr. Ulrich Leiner leitet das Team „Conceptual User Interface Design for Mobile Phones“ im Bereich ICM (Information and Communication mobile) der Siemens AG. Er studierte und promovierte in angewandter Mathematik and der TU München. Er arbeitet seit 1989 innerhalb Siemens, zuerst in der Zentralabteilung Technik auf den Gebieten Computeranimation, 3D-Interaktion, Multimedia, User Interface Design und Managementsysteme, sowie selbstgenerierende User Interfaces in der Anlagensimulation. 1998 wechselte er ins „Kompetenzzentrum User Interfaces“ für Mobil- und Festnetztelefone. Seine Aufgaben umfassen die firmenweite Definition der Bedienkonzepte für Siemens-Mobiltelefone unter ergonomischen, funktionalen und emotionalen Aspekten. Dr. Pia Honold ist im Team „Conceptual User Interface Design for Mobile Phones“ im Bereich ICM (Information and Communication mobile) der Siemens AG tätig. Schwerpunktmäßig beschäftigt sie sich mit der UI-Gestaltung für Smartphones. Pia Honold studierte und promovierte in Psychologie an der Universität Regensburg. In ihrer Dissertation „Interkulturelles Usability Engineering“ beschäftigte sie sich mit der Frage, ob und wie Usability Spezialisten technische Systeme für die Nutzung in anderen Ländern anpassen können. Sie arbeitet seit 1996 innerhalb Siemens, zuerst in der Zentralabteilung Technik in der Abteilung „User Interface Design“. Ihr Hauptinteresse gilt der Einbeziehung zielgruppenspezifischer Endnutzer und ihrer Anforderungen in den Entwicklungsprozess mobiler Geräte, und der Berücksichtigung kulturspezifischer Unterschiede in das Produktdesign. 198 Usability Professionals 2003 UI DESIGN PATTERNS FÜR NAVIGATIONSSYSTEME AUF MOBILEN GERÄTEN Fabian Hermann Fraunhofer IAO, Competence Center Human-Computer Interaction Nobelstr. 12, D-70569 Stuttgart Fabian.Hermann@iao.fhg.de http://www.hci.iao.fhg.de ABSTRACT In diesem Beitrag wird der Ansatz der Design Patterns für das UI-Desgin vorgestellt. Am Beispiel einer Design Pattern-Sprache für mobile Applikationen, im Besonderen Navigationssysteme, die im Rahmen des Forschungsprojekts SAiMotion entwickelt wurde, werden Erfahrungen für die praktische Anwendung des Ansatzes in Entwicklungsprojekten diskutiert. Keywords Design Patterns, User Interface Navigationssysteme, mobile Applikationen Design, 1. EINLEITUNG Ursprünglich von Christopher Alexander in den 1970er Jahren für architektonische Gestaltungsprobleme entwickelt [1, 2] und 1987 im Software Engineering aufgegriffen [4], wird der Design Pattern-Ansatz in den letzten Jahren auch für das User Interface- und Interaction Design als viel versprechende Methode gehandelt [3]. Ziel ist es, mit gut strukturierten und interdisziplinär verständlichen Beschreibungen bewährter “MusterLösungen” für Gestaltungsprobleme gesammeltes Design-Wissen in verständlicher und allgemein gültiger Form zu katalogisieren. Ein einzelnes Design Pattern beschreibt eine Lösung eines wiederkehrenden Design-Problems und gibt Beispiele für konkrete Umsetzungen. Eine Sammlung von Design-Patterns wird in einer Sprache strukturiert, d.h. einer hierarchischen Struktur von allgemeinen, abstrakten Problemen bis zu konkreten, spezifischen Designfragen. Es ist erlaubt digitale und Kopien in Papierform des ganzen Papers oder Teilen davon für den persönlichen Gebrauch oder zur Verwendung in Lehrveranstaltungen zu erstellen. Der Verkauf oder gewerbliche Vertrieb ist untersagt. Rückfragen sind zu stellen an den Vorstand des GC-UPA e.V. (Postfach 80 06 46, 70506 Stuttgart). Proceedings of the 1st annual GC-UPA Track Stuttgart, September 2003 © 2003 German Chapter of the UPA e.V. Rainer Gibbert Fraunhofer IAO, Competence Center Human-Computer Interaction Nobelstr. 12, D-70569 Stuttgart Rainer.Gibbert@iao.fhg.de http://www.hci.iao.fhg.de In diesem Beitrag stellen wir ein Beispiel für eine Design-Pattern-Sprache vor, die im Rahmen des Verbundprojekts SAiMotion (Situation Awareness in Motion) der Fraunhofer-Gesellschaft entstanden ist. In dem vom BMBF geförderten Projekt wird ein mobiles Informationssystem entwickelt, das den Besucher in einer komplexen Umgebung personalisierte und situativ angepasste Informationen bereitstellt. Als ein Anwendungsszenario unterstützt es die Vorbereitung, Durchführung und Auswertung von Messebesuchen. In SAiMotion wurde umfangreiche Studien und Usability-Tests für die Entwicklung benutzergerechter Kartendarstellungen auf mobilen Endgeräten durchgeführt. Ziel der Entwicklung der Design-Pattern-Sprache war es, dieses ergonomische Wissen integriert zu sammeln und aufzubereiten. Neben den Patterns für das Anwendungsgebiet der Navigationssysteme wurde eine abstrakt gehaltene Design Pattern-Sprache entwickelt, die Richtlinien für die Gestaltung mobiler Applikationen im Allgemeinen bietet. Insgesamt wurden so zwei Design Pattern-Sprachen erarbeitet, die zwar keine Ansprüche auf Vollständigkeit erheben, aber dennoch als Unterstützung bei der Entwicklung ähnlicher Systeme dienen zu können. Im Folgenden stellen wir die Struktur der DesignPattern-Sprachen sowie ein konkretes Beispiel vor und diskutieren abschließend die Relevanz des Ansatzes für den Einsatz in Entwicklungsprojekten. 2. DESIGN PATTERNS FÜR NAVIGATIONSSYSTEME AUF MOBILEN GERÄTEN Ausgehend von der Wurzel der Pattern-Hierarchie – dem Pattern “Navigation System” – wird zunächst zwischen den verschiedenen Anwendungsbereichen von Navigationssystemen – der Fahrzeugnavigation und der Fußgängernavigation – unterschieden. Letztere unterteilt sich wiederum in Innen- und Außennavigation. Alle weiteren Patterns teilen sich dann nach den drei Hauptaufgaben von Navigationssystemen auf – der Routenplanung, der Wegführung sowie den Interaktiven Karten (vgl. Abb. 1). 199 Hermann, F. & Gibbert, R. dem Anwender Orientierung in der Karte geben (vgl. Abb. 3 und 4). IN-CAR-NAVIGATION NAVIGATION SYSTEM SLOW -TRAVELERNAVIGATION INTERACTIVE MAPS INDOOR-NAVIGATION INTERACTIVE MAPS PLANNING A ROUTE OUTDOOR-NAVIGATION ROUTE GUIDANCE OVERVIEW Abb. 1: Haupt-Pattern und Patterns zu den Anwendungsbereichen und Hauptaufgaben Patterns der Routenplanung (vgl. Abb. 2) beschreiben unter anderem, wie ganze Routen als Favoriten abzuspeichern sind oder wie neue Routen mit Start, Ziel, Zwischenstationen und zu vermeidenden Bereichen angelegt werden können. Weiterhin wird erläutert, wie verschiedenen Eingabemöglichkeiten wie Texteingabe, Listenauswahl, Auswahl aus Adressbuch und Favoriten oder direkte Kartenwahl gestaltet werden können und wann welche dieser Möglichkeiten angeboten werden sollte. PLANNING A ROUTE ROUTE FAVORITS CREATING NEW ROUTES ROUTE TYPES LEVEL OF DETAIL DEPARTURE AND DESTINATION HELICOPTER FUNCTION ADAPTIVE INTERACTIVE LEGEND NAVIGABLE OVERVIEW W INDOW PANNING DISCRETE MOVEMENTS USING DOUBLE CLICKING LIST SELECTION CONTINUOUS PANNING USING SCROLL BARS CONTINUOS PANNING USING DRAG'N'DROP In den Wegführungs-Patterns (vgl. Abb. 5) werden Lösungen zur Darstellung einer konkreten Route und der Navigation entlang dieser gegeben. So können Routen einerseits als Ganzes dargestellt werden, beispielsweise in einer interaktiven Karte oder als Anweisungsliste. Eine inkrementelle Darstellung der Abbiegeanweisungen in 2D, 3D oder einfach als textuelle Ausgabe auf dem Bildschirm oder als Sprachausgabe kann jedoch auch sinnvoll sein. Weiterhin werden Patterns zu konkreten Elementen einer Anweisung wie Entfernungsbalken, Pfeildarstellungen in Piktogrammform oder auch zu wichtigen Landmarks beschrieben. EVASION ROUTE GUIDANCE INTERSTATIONS ADDRESS BOOK FAVORITE ADDRESSES MAP SELECTION POINTS OF INTEREST INSTRUCTIONS LIST FUZZY TEXT ENTRY DISCRETE MOVEMENTS USING BUTTONS Abb. 4: Patterns zu Interaktiven Karten II INCREMENTAL PRESENTATION ROUTE AS A WHOLE TEXT ENTRY NIGHT VIEW SIMILAR RESULTS 2D MAPS CARD ORIENTATION (user direction vs. north) PSEUDO-REALISTIC INSTRUCTIONS / 3D VIEW / PERSPECTIVE VIEW TEXTUAL AND SPOKEN INSTRUCTIONS DISTANCE DYNAMIC RECALCULATION 2D ROUTE SKETCHES PICTOGRAMS LANDMARKS DISTANCE BAR Abb. 2: Patterns zur Routenplanung Abb. 5: Patterns zur Wegführung Zur Gestaltung interaktiver Karten werden verschiedene Patterns mit Möglichkeiten zum Zoomen und Verschieben (Panning) des Kartenausschnittes beschrieben, die je nach Rechenleistung des mobilen Gerätes und/oder der verwendeten Rendering-Algorithmen kontinuierlich oder in diskreten Schritten realisiert werden können. ZOOM SLIDER ZOOMING DISCRETE VIEWS SPEED-DEPENDENT AUTO-ZOOM Kontext Sie wollen eine Überblicks-Funktion innerhalb interaktiver Karten gestalten. Die Funktion soll einen kurzen, aber informativen Überblick über die Umgebung des aktuellen Kartenausschnittes geben. Problem INTERACTIVE MAPS SCALE BAR 2.1 Beispiel: HELIKOPTER-FUNKTION WHERE AM I? Wie muss eine Funktion gestaltet werden, die auf Knopfdruck einen direkten und informativen Überblick einer Karte bietet? Welche Anforderungen hat eine solche Funktion? ZOOMING FOCUS Problembeschreibung und Kräfte MAGNETIC POSITIONS Abb. 3: Patterns zu Interaktiven Karten I Weiterhin sind Interaktionsmechanismen wie eine Interaktive Legende, eine Helikopter-Funktion zum kurzzeitigen Herauszoomen aus der Karte oder ein navigierbares Übersichtsfenster beschrieben, welche 200 Anwender, die sich mit einer hohen Zoom-Stufe innerhalb einer interaktiven Karte bewegen, verlieren leicht die Orientierung, wo der gerade dargestellte Kartenausschnitt innerhalb der Gesamtkarte liegt. Es besteht also der Bedarf nach einer Überblicks-Funktion. Diese wird spontan benötigt und sollte deshalb einfach aufrufbar sein und eine schnelle Orientierung bieten. Usability Professionals 2003 UI Design Patterns für Navigationssysteme auf mobilen Geräten Beispiele In Falk City Guide [5] existiert eine HelikopterFunktion, die, solange der Anwender das Symbol der Funktion anklickt, aus der interaktiven Karte herauszoomt. Anschließend verweilt die Karte für wenige Sekunden in diesem Zustand und zoomt danach auf den vorherigen Ausschnitt zurück. Der Online-Routenplaner Map24 [6] bietet ebenfalls eine solche Funktion – hier allerdings RocketFunktion genannt. Obwohl die Funktionalität dieselbe ist, trifft die Raketen-Metapher weniger zu, da Raketen im Gegensatz zu Helikoptern meistens nicht mehr zur Erde zurückkehren. Lösung Bieten Sie eine Helikopter-Funktion, die nach dem Aufruf aus dem aktuellen Kartenausschnitt herauszoomt, in dieser Übersicht einen Moment verweilt und anschließend automatisch in die vorige Ansicht zurückzoomt. Die Funktion sollte einfach auf Knopfdruck aufrufbar sein und lange genug im Überblicks-Zustand verweilen, so dass sich der Anwender Orientieren kann. Diagram User Interface Design, die Informationsarchitektur und das Interaktionsdesign ergeben. In der Hierarchie folgen zunächst Patterns zur Gestaltung von Fensteroberflächen auf mobilen Geräten (vgl. Abb. 7). Das Pattern “One True Window” [7] beschreibt die Richtlinie, Applikationen für mobile Geräte in nur einem sichtbaren Fenster zu gestalten – im Gegensatz zu DesktopComputern, auf denen mehrere verschiedene Anwendungen gleichzeitig dargestellt werden können. Ausnahmen zu diesem Pattern werden im referenzierten Pattern “Secondary Window” gezeigt, welches beispielsweise für Dialoge oder Meldungen angewandt werden kann. MOBILE APPLICATION ONE TRUE WINDOW SECONDARY WINDOW Abb. 7: Das Haupt-Pattern “Mobile Application” sowie Patterns zum Anwendungsfenster und Sekundärfenstern Weitere Unterpatterns zu “Mobile Application” zeigen, wie in mobile Anwendungen Platz auf dem Display gespart werden kann, indem beispielsweise Interaktionselemente oder weitere Informationen in Tooltips oder Kontextmenüs versteckt werden können und wie Bedienelemente dargestellt und dimensioniert werden sollten (vgl. Abb. 8). MOBILE APPLICATION A PICTURE IS SMALLER THAN A THOUSAND WORDS SAVING SCREEN SPACE Abb. 6: Diagramm Helikopter-Funktion BIG THUMB 3. DESIGN PATTERNS FÜR MOBILE APPLIKATIONEN Als Grundlage der Design Patterns für mobile Applikationen in diesem Beitrag dienen die Design Patterns von Noble und Weir [7]. Diese sind in einer Hierarchie angeordnet, die anhand eines zentralen Gestaltungsproblems mobiler Geräte aufgebaut ist, der beschränkten Displaygröße. Die im Folgenden vorgestellte Struktur erweitert die Pattern-Sprache von Noble und Weir [7] um einige Patterns und modifiziert wo notwendig Darstellung und Struktur, um insgesamt eine konsistente Hierarchie zu erreichen. Ausgangspunkt der Sprache ist das allgemeine Pattern “Mobile Application” (vgl. Abb. 5), das Charakteristiken mobiler Geräte beschreibt, wie z.B. deren unterschiedliche Nutzungskontexte, die kleinen Displays und die beschränkten Eingabemöglichkeiten, sowie die daraus resultierenden Anforderungen, welche sich für das TOOLTIPS DIAL 'H' FOR HELP HIDE AND SEEK CONTEXT MENU Abb. 8: Patterns zum Sparen von Platz auf dem Display und zu Gestaltung und Dimensionierung von Interaktionselementen Patterns zur Informationsarchitektur und zur Navigationsgestaltung beschreiben, wie zum Beispiel Dialoge strukturiert werden können, komplexe Informationen in hierarchischen Strukturen dargestellt oder in Kategorien unterteilt werden sollten (vgl. Abb. 9). “Cup Of Tea Test” [7] wiederum beschreibt, wie mobile Applikationen so gestaltet werden können, dass Anwender die Interaktion kurzfristig oder kurzzeitig unterbrechen können, ohne dass Datenverluste entstehen oder die Orientierung im Interaktionsablauf verloren geht. Als Lösung sollten beispielsweise immer Informationen zum aktuellen Status angezeigt oder in einen sichern Zustand zurückgekehrt werden. 201 Hermann, F. & Gibbert, R. MOBILE APPLICATION INFORMATION ARCHITECTURE AND NAVIGATION INFORMATION HIERARCHIES SCROLLING TREE VIEW CUP OF TEA TEST ASSIGNED CATEGORIES PATH CHAIN OF DIALOGS TABBED DIALOGS NESTED DIALOGS Abb. 9: Patterns zu Informations-Architektur und Navigation Adaptivität und Adaptierbarkeit sind ebenfalls wichtige Gestaltungsprinzipien mobiler Anwendungen. Diese werden in den Patterns “User Customization”, “Context Awareness” sowie “Task Adaptation”, auf welche im abstrakteren Pattern “Adaptability” verwiesen wird (vgl. Abb. 10), ausführlicher erläutert. Darstellung von Ergebnissen aus Usability-Studien und -Projekten bezogen auf bestimmte Anwendungsbereiche. Das Wissen über gewählte Design-Patterns und ihre ergonomische Qualität lässt sich auf diese Weise gut aufbereiten und vermitteln. Langfristig können so erweiterbare Bibliotheken bewährter Patterns entstehen, auch weil Pattern-Sprachen durch ihren modularen Aufbau leicht gepflegt und erweitert werden können. Design Patterns bieten so ein leicht handhabbares Format, das die Sammlung abstrakter Prinzipien und Gestaltungswissen unterstützt. Sie ergänzen sich damit gut zu UI-Spezifikationen oder Styleguides, sind jedoch kein vollständiger Ersatz dafür. Insbesondere bleiben sie in der konkreten grafischen Ausgestaltung des UI unkonkret und müssen deshalb um solche Beschreibungen ergänzt werden. 5. REFERENCES [1] Alexander C., Ishikawa S., Silverstein M., Jacobson M., Fiksdahl-King I. and Angel S., A Pattern Language. Oxford University Press (1977). [2] Alexander C., The Timeless Way of Building. Oxford University Press (1979) MOBILE APPLICATION [3] Borchers J., A Pattern Approach to Interaction Design. John Wiley & Sons (2001) ADAPTABILITY [4] Falk City Guide; http://www.falk.de USER CUSTOMIZATION CONTEXT AWARENESS TASK ADAPTATION Abb. 10: Patterns zu Adaptivität und Adaptierbarkeit 4. EINSATZ DER PATTERNS IM PROJEKT Die hier vorgestellten Design Patterns entstanden im Projekt, um mit relativ wenig Aufwand wesentliche Gestaltungsprinzipien zu formulieren und einfach im Team zu kommunizieren. Hierin zeigt sich nach unserer Auffassung die Stärke des Design PatternAnsatzes: auf allgemeiner Ebene können wichtige Richtlinien dargestellt und verständlich gemacht werden. Darüber hinaus eignen sich Design PatternSprachen zur Sammlung und integrierten 202 [5] Gamma E., Helm R., Johnson R. and Vlissides J., Design Patterns: Elements of Reusable Object Oriented Software. Addison-Wesley (1995) [6] Map24 - Das Internetportal für interaktive Karten; http://www.map24.de in May 2003 [7] Noble J. and Weir C., A window in your pocket: Some small patterns for user interfaces. In Proc. European Pattern Languages of Programs. The Hillside Group, Inc. (2001) Usability Professionals 2003 UI Design Patterns für Navigationssysteme auf mobilen Geräten Referenten Fabian Hermann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation im Bereich Usability Engineering, Methodenentwicklung und Interaktionsdesign. Seine Forschungsinteressen liegen auf der UI-Gestaltung und grafischen Informationsdarstellung für mobile Endgeräte mit kleinen Displays, insbesondere Kartenvisualisierungen. Für Kunden aus der Industrie und in Forschungsprojekten arbeitete er an der UI-Gestaltung und an Styleguides für mobile Applikationen und User-Interfaces auf verschiedenen Endgeräten, neben benutzergerechten Designs für industrielle GUIs, z.B. für tragbare Messgeräte. Fabian Hermann studierte an der Universität Freiburg Psychologie und promovierte dort in der Forschungsgruppe „Kognitive Systeme“ über rechnervermittelte Kooperation. Rainer Gibbert arbeitet derzeit im Competence Center Human-Computer Interaction des Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation in Stuttgart. Im Rahmen seiner Diplomarbeit erarbeitet er eine Design Pattern-Sprache für mobile Applikationen mit dem Schwerpunkt Navigationssysteme, die Grundlage dieses Artikels ist. Er studiert im Studiengang „Digitale Medien“ an der Fachhochschule Kaiserslautern, Standort Zweibrücken, und wird dort voraussichtlich im Oktober 2003 sein Diplom in Informatik erhalten. 203 AUTOREN Bauer, K. 151 Leidermann, F. 21, 181 Baumgartner, V.-J. 167 Leiner, U. 194 Beck, A. 29 Lotterbach, S. 93 Beringer, J. 39 Machate, J. 143 Beu, A. 75, 84, 147, 151 Mauch, D. 84 Birk, A. 21 Mencl, R. 63 Burmester, M. 143 Mund, M. 181 Degen, H. 123, 189 Noss, C. 115 Emele, M. 63 Parkitny, J. U. 156 Enigk, H. 8 Peissner, M. 75 Fahney, R. 34 Peißner, M. 175 Gersch, P. 115 Polkehn, K. 8 Gibbert, R. 199 Raimer, S. 107 Görner, C. 156 Reitmayr, E. 84 Goronzy, S. 63 Röse, K. 75, 84 Hartwig, R. 44 Sauer, J. 98 Hassenzahl, M. 75, 135 Schmeink, C. 98 Hatscher, M. 39 Schumacher, P. 103 Hermann, F. 199 Schwagereit, J. 147 Heuer, J. 127 Stoessel, S. 79 Hofman, T. 115 Strauß, F. 49 Hofvenschiöld, E. 135, 171 Terwey, B. 103 Honold, P. 194 Torge, S. 63 Kern, A. 147 Vogt, P. 84 Klante, P. 57 Wandke, H. 3 Kohler, K. 21 Wastell, D. 98 Koller, F. 161 Weber, H. 21, 181 Kompe, R. 63 Weiss, A. 161 Krämer, N. 13 Wessler, R. 103 Krause, S. 127 Wetzel, P. 69 Länge, F. 93 Wetzenstein-Ollenschläger, E. 3 Lazzeroni, C. 115 205 " Der Berufsverband der deutschen Usability-Professionals stellt sich vor German Chapter upa " Egal, in welchem Bereich Sie sich der Benutzerfreundlichkeit von Produkten widmen, der Berufsverband der UsabilityProfessionals ist Ihr Ansprechpartner und Ihre Interessenvertretung. Wer ist das GC UPA? " " Das GC UPA ist anerkannter Berufsverband der deutschen Usability-Profis. Es unterstützt seine Mitglieder bei der Anwendung von Usability-Methoden und Vorgehensweisen in der Praxis und fördert die Behandlung von Usability-relevanten Themen in Deutschland. Die Mitglieder kommen aus einer Vielzahl von verschiedenen Bereichen, neben anderen z.B. aus Psychologie, Informatik, Arbeitswissenschaften sowie Grafik- und Industriedesign. Alle folgen aber dem gleichen Ziel: die Entwicklung von effektiven, effizienten und gebrauchstauglichen Produkten und Dienstleistungen. Die Mitgliedschaft im Berufsverband der deutschen Usability-Professionals steht allen Personen offen, die in Ihrer täglichen Arbeit Usability Prinzipien anwenden. " " Werden Sie Mitglied! Der Berufsverband der deutschen UsabilityProfessionals vertraut in erster Linie auf das ehrenamtliche Engagement seiner Mitglieder. Doch ganz ohne Geld geht es leider nicht. Die moderaten Mitgliedsbeiträge dienen dazu, unvermeidliche Unkosten zu decken. Selbst wenn man sich als Usability-Profi nicht aktiv an der Arbeit des GC UPA beteiligen möchte, unterstützt man mit seinem Beitrag die Arbeiten vieler tatkräftiger Fachkollegen für das Thema „Usability“ - und damit für seine eigene Zukunft. Zu den Aktivitäten der Mitglieder gehören beispielsweise die Einrichtung regionaler Gruppen zum Erfahrungsaustausch vor Ort, die Durchführung von Studien zur Ermittlung der Arbeitssituation von Usability-Profis in Deutschland, die Durchführung des „Usability Professional Track“ während der Fachkonferenz „Mensch & Computer“, die Einrichtung von Arbeitskreisen zu speziellen Fragestellungen sowie der Betrieb einer eigenen Website und vieles andere mehr. Die Mitglieder des Berufsverbands lösen komplexe Gestaltungsprobleme in den verschiedenen Branchen - von der Automobilindustrie bis zum Versandhandel und tragen dazu bei, dass deutsche Produkte und Dienstleistungen auch in schwierigen Situationen im globalen Wettbewerb bestehen können. Außerdem fühlen sich die Mitglieder im besonderen Maße dazu verpflichtet, das Bewusstsein für die Rolle der Usability-Experten sowohl bei der Produktentwicklung als auch in Öffentlichkeit und Lehre zu fördern. Unabhängig vom jeweiligen Einsatzfeld sind die Mitglieder Kollegen und Mitstreiter beim Streben nach dem gemeinsamen Ziel der Förderung von Usability-relevanten Themen. Sie unterstützen sich gegenseitig und tauschen ihre Erfahrungen regelmäßig aus. Wollen Sie mehr wissen? Für nähere Informationen über den Berufsverband der deutschen UsabilityProfessionals besuchen Sie unsere Website unter http://www.usability-verband.de oder schreiben Sie uns eine e-Mail an info@usability-verband.de. Einen Mitgliedsantrag finden Sie umseitig oder online unter http://www.usability-verband.de/mitgliedwerden German Chapter upa Antrag auf Mitgliedschaft Hiermit beantrage ich die Aufnahme in den Berufsverband der deutschen Usability-Professionals (German Chapter der UPA e.V.) zum nächstmöglichen Beitrittstermin. "German Chapter Professional" Mitglied für € 30,-- pro Jahr "German Chapter Student" Mitglied für € 15,-- pro Jahr (nur für Studenten oder Auszubildende, Nachweis erforderlich) Die Mitgliedschaft ist freiwillig und gilt für ein Jahr. Nach Bestätigung meines Antrages überweise ich den Betrag unter Angabe meiner Mitgliedsnummer auf das Konto des Berufsverbandes. Meine persönlichen Informationen Frau* Herr* Name* Vorname* Email* Adresszusatz Hausnummer* Strasse* PLZ* Ort* Telefax Telefon* Mit "*" gekennzeichnete Felder bitte unbedingt ausfüllen. Durch meine Unterschrift stimme ich der Satzung zu und erkläre mich hiermit bereit, die Ziele und Zwecke des Berufsverbandes der deutschen Usability-Professionals (German Chapter der UPA e.V.) nach Kräften zu unterstützen. , den (Unterschrift) German Chapter der Usability Professionals’ Associaton e.V., Postfach 80 06 46, D-70506 Stuttgart e-Mail: info@usability-verband.de, URL: http://www.usability-verband.de Postbank Stuttgart (BLZ 600 100 70), Kontonr. 4084 21-709