Descargar Libro "ANFLUG AUF CHACABUCO"
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,.*¿.r;:-i ijI l? l¡ I r I F t, -1, l. l:..,!_- ¿ #r*&!*té - SrT 11 |r - I-tÉ¡r1l, dÍ!=rl.j .:i I Pablo Neruda Wenn es so ist. daB der Tag in die Nacht fállt, muB es einen Brunnen geben, der die Helle birgt. Es bleibt, sich an den Rand des dunklen Lochs zu hocken und gefallenes Licht zu fischen mit Geduld. .l i , ' .,j.",l' ''., ,..-:1, ,,,1 ,: :.iI :.'l'' ,, .'1: , .'ii i Hevnowski&srffi Peter Hellmich Mit Kamera und Mikrofon in chilenischen KZ-Lagern ,"/ i\ iJF' I ^ 'r\ i \¡_- xv\ ¡\ ,. v\ rl } v ¿, \ r\n' Verlag der Nation Berlin Saluda a us. , \ POR 3 .PDTE. L "PE DE \ *\-\t BA T Edec r D,l nel I Ich behaupte nicht, wir hátten nun schon vtillig über den Marxismus gesiegt. Der Marxismus, er ist wie ein. . . ein Gespensú. Es ist schwer, . ihn zu bándigen. Besser gesagt, er ist nicht zu bándigen. Dieses denkwürdige Eingestándnis sprach uns der prásident der "Ehienhaften Militárischen Regierungsjunta,,, General don Augusto Pinochet, in Kamera und Mikrofon. In seinem Dienstzimmer in Santiago, im chilenischen Sommer 1974. . . Hatte der General auf die berühmten Anfangssátze des Kommunistischen Manifests anspielen wollen? oder ha'ndelte es sich einfach um das Bekenntnis jenes Dilemmas, vor das sich die Bourgeoisie gestellt sieht, wo und wie immer sie versucht. die Arbeiterklasse, ihre organisationen, ihre parteien, ihre revolutionáre Theorie zu unterdrücken? war nicht die Zeit für - Esuns exegetische Übungen. Immerhin hatte der General eine Art Motto geliefert, das fortan über unseren Bemühungen stand. und diese zielten darauf, in den Norden des Landes zu gelangen, was nur mit der Genehmigung der Militárs, wenn nicht gar nur mit ihrer Unterstützung móglich war. Das Interview mit Pinochet war eigens zu dem zweekarrangiert worden, den obersten Henker der chilenischen Demokratie 5 -"ffi,:!F & & ;:, vertrauensselig zu stimmen. Betrachte den General in seiner blütenweiBen uniform durch den sucher der Kameia! Murmele ein Zeichen der Anerkennung, wie trefflieh er sich hinter seinem schreibtisch ausnehme! Bedauere gleichzeitíg, da8 die uniformjacke am Kragen Falten werfe schon wird sich der General leicht von seinem Sessel lüften, um die Rückenpartie glattzustreichen und herunterzuziehen. Hilf ihm dabei! Mache ihm vor, wie er auch noch die Quetschfalten in den Ellenbogenbeugen seiner Ármel glattbekommt! Der General wird gehorsam seine Ármelenden zwischen Daumen und Zeigefinger nehmgn und dann die Arme ausbreiten, um das Tuch glattzuziehen (so ist es gut!). und wird dabei denken: diese Herren da aus Europa wollen sicherlich nur mein Bestes. . . So besaBen wir denn beim Verlassen des Amtssitzes der Junta nicht nur eine belichtete Filmrolle und ein moduliertes Tonband, sondern vor allem zwei Dokumente, die uns den Weg in den Norden Chiles óffnen sollten. I "I ¡ REPUALICA DE CHILE .r¡ \1^ ill: ri¡rlnüxsr, ;A. l:ica, OEL JR.?:'¡:.Ji DEL;DECAX IIILIiNR A LA JIR:CClul{ OE 23 Je tncrú üc 1.,?;.- LÁ JJ:JfA A¿.(-:¡..U.iJA, ffi Pongo €n ccnocimi.inlo sidcnlc weio clét ¡v!ón ci¡1) - Iú¡ PIPER cHIRLli¡ por LJIS PJ;,ilIÁ, IoEc.dJ éntlc d¿ Jj. d€ joDiernr, dc Id ñ. iunl¡ Iquiquc, Sr. Pr¿- ¡{.trlc.la .I xsc, pi Ne 256 (:omcr- c-n :iccnci¡ Mic¡, s¡ntl¡¡go, (chuquLcú¿t¡) sfx, lue .l n¡ .utcri¿¡do Antof¡g¿st¡, c¡ y L¡ Sérén.. ' Esn¡ náquin¡ conJucc . los pe¡iodistas ¡leD¡- n.s srés- I Sel,ude e U5., \ i .PDIE.DE N SNTA ,m:. Betr.: Mitteilung über Flug in den Norden Santiago, 28. Januar 1974 Vom Militáradjutanten des Herrn Prásidenten der Junta an die Luf tf ahrtdirektion lch setze Sie davon in Kenntnis, daB der Herr.Prásident der Ehrenhaften Regierungsjunta dem Flugzeug PIPER CHEROQUI SIX, Kennzeichen KSO, mit dem Piloten LUIS PERALTA, Lizenznummer 256 (für kommerzielle Flüge), erlaubt, die ! Strecke zwischen Santiago, Arica, Iquique, Antofagasta, Calama (Chuquicamata) und La Serena zu fliegen. ln dem Flugzeug befinden sich deutsche Journalisten. Es grüBt Sie auf Befehl des Prásidenten der Junta Auf Anordnung des Herrn Prásidenten der iunta Sergio Badiola Broberg Oberstleutnant Militáradjutant FU B sa;T¡A@,28 dé Ercro d. !9?4._ DÉL EDEqN ü¡!¡I& DgL SR. PDTE.OE 4 a !G sres.coTÉs, @ffiilIcION Di : JWTA noñ. dc¡ S¡. F¡asldénté dc ¡¡ g. Jst¡ dc ^ Gobl€irc, r. .s!ü.c.r{ ¡ Us.(UD) dú r¡t f¡ctttdd.s dc¡ c¡so ¡ ¡os peslodlstú iffi tln d. quc .fccbl€n n¡ No!€ dc¡ p.f!. lo mt.rlo¡, f¿cilltdo h¡1 dc¡ürotlo d. sus fwtonc¡ ¡¡¡l{BUCfoN r ¡. g¿.@N¡C!ON ¿. cDEr@SN¡C¡Od 3. CDIE.SUÑMCIOX 4. CDTE.@&N¡C¡ON 5. Cm.@&¡ctoN 5. &HrV6._ uD !.po¡t¡Jé por ¡¡ u4 Stn vlsi!¿ d. dér.otdos. 9é!tlonc6 pü. !t nor pátodktlcu y Sc no ñ¡O ¡QU¡O@ NrcF¡*IA @(CHVaUICMIA) u strNA Santiago, 28. Januar 1974 Vom Militáradjutanten des Herrn Prásidenten der Junta an die Herren Garnisonskommandanten von: Im Namen des Herrn hásidenten der Ehrenhaften Regierungsjunta wáre man Ihnen dankbar für die jeweils notwendigen Arbeitserleichterungen für die Journalisten Damit sie im Norden des Landes eine Reportage durchführen kónnen. Ohne Besuch der Háftlinge. Mit oben Gesagtem wird der normale Verlauf ihrer journalistischen Tátigkeit gewáhrleisrer, ohne daB damit eine Ausnahmeregelung zu den bestehenden Anordnungen geschaffen wird. Es grüBt Sie auf Befehl des Prásidenten der Junta Auf Anordnung des Herrn Prásidenten der Junta Sergio Badiola Brober.r' Oberstleutnant Militáradjutant Verteiler: L Kommandant der Garnison Arica. 2. Kommandant der Garni son lquique. 3. Kommandant der Garnison Antofagasta. 4. Kómmandant der Garnison Calama (Chuquicamata). 5. Kommandant der Garnison La Serena. 6 Archiv 9 Die Flugerlaubnis galt für ern m santiago gemretetes Sportflugzeug vom Typ PIPER CHEROQUI mit dem Kennzeichen KSO: Diese Maschine war áuf allen Flugháfen militárischen wie zivilen zwischen La Serena und Arica als start- und landeberechtigt avisiert. Noch wichtiger das zweite Schreibón, ausgefertigt und mit Unterschrift und Siegel versehen vom Militáradjutanten des Generals Pinochet: Darin wurden die Kommandanten der Militárbezirke verpflichtet, unserer Kameragruppe bei" ihren Dreharbeitén im Norden behilflich zu sein. Wir waren gehalten, dieses Empfehlungsschreiben den jeweiligen Kommandanten vorzulegen: in Arica, Calama (Chuquicamata), Antofagasta, Iquique und so weiter. Das waren für uns sehr vertraute Namen; denn den Norden chiles hatten wir bereits vor Jahresfrist bereist, im chilenischen sommer 1973, im dritten Jahr der Unidad Popular. Wir kannten die trostlosen Wüsten unter der sengenden Sonne, die von der salpeterausbeute zerschundene Erde, auf die das ganze Jahr kein Regentropfen fállt. wir hatten verlassene Salpeterminen gesehen, die stalláhnlichen unterkünfte derer, die hier einmal gearbeitet hatten eine o KZ-Wirklichkeit, basierend auf der gnadenlosen Ausbeutung von Erde und Mensch >) - so bereits notiert am 27.3.1973 in Iquique. Spáter versorgten wir uns mit zeitgenóssischen Dokumenten: vergilbte Fotos, die das trostlose Leben in.den Wohnlagern der Salpeterminen zeigen, Menschen in der Einóde, Damalige... Und nun wuBten wir, da8 die Militárjunta in verschiedenen stillgelegten Salpeterminen des Nordens Konzentrationslager eingerichtet hatte, um dort die Freunde und Genossen der Parteien der unidad Popular massenhaft einzu-. schlieBen: z. B. in Chacabuco, Region Antofagasta. . . Sie aufzufinden, die Freunde und Genossen, sie der Weltóffentlichkeit vorzuweisen das war der Kampfauftrag für unsere Kamera und unser Mikrofon im chilenischen Sommer 1974.lJnd es hatte sich, über die Audienz bei General Pinochet, eigentlich recht erfolgversprechend angelassen. Immerhin stand unter 10 L &@.w s$ i'!,:. :i rt , ,, . Dokumenten die gewichtige Formel: ,, Es grüBt Sie auf lns-eren Befehl des Prásidenten der Junta . . . ,, Aber da stand in dem bereits erwáhnten .Empfehlungsschreiben noch ein anderer satz: Sln vf sf ta de detcnl,dos. Und das hei8t: .Ohne Besuch der Háftlinge., Damit hatten wir es amtlich und schwarz auf wei8, daB die Junta den Nachweis der von ihr geschaffenen KZ-wirklichkeit nicht wünscht. Für einen Dokumentarfilm allerdings ist das nichtgenug. diesen Satz lassen siÁ " Sin visita de detenidos, - über literarische Reflexioneh anstellen, sind Gedichte móglich. Für einen Film aber reicht er nicht: Die Kamera muB < vor ort >,, sie kann nicht erwágen, sie muB zeigen. schweren Herzens und nur in der Hoffnung, es móchte sich vielleicht in den Militárbezirken des Nordens eine Lücke finden, traten wir die Reise an. unsere Flugerlaubnis und das Empfeh_ lungsschreiben hatten wir R.ücken an Rücken in eine Klarsicht_ ffiffie b*-' "''l# mappe gegeben, der schonung und schnellen Handhabung wegen. Dieses Arrangement sollte sich als sehr nützlich erweisen. Die Móglichkeit, einen General vom anderen grüBen zu lassen, war schnell herausgefunden; auf dieser Ebene kennt beim Militár jeder jeden. So gelang es dann, dem Kommandanten der provinz Antofagasta ein Bein zu stellen: wáhrend er, interessiert an seinem Besuch aus Europa, leutselig palaverte, Iag vor ihm auf dem schreibtisch unsere Klarsichtmappe seite mit der - die Flugerlaubnis nach oben, dem General sichtbar. Die hohe Abkunft des Dokuments muBte ihn beeindruckt haben, die unterschrift, das Dienstsiegel; dazu die ihm überbrachten GrüBe, die verbunden mit der schilderung bereits geleisteter Dreharbeiten beinahe wie Empfehlungen klingen muBten. Kurz: der General wendete unsere Klarsichtmappe nicht, fragte auch nicht nach einer schriftlichen Referenz, sondern stellte sich zur verfügung. Als er wenig spáter vor Kamera und Mikrofon sal3, hatte er den Satz Sf n vlsit,e de deten5,dos " nicht gelesen. . . l3 - E* Ich bin General Joaquin Lagos, Oberkommandierender der Truppen, die in diesem Abschnitt, dieser Gegend, operieren, und Chef des Ausnahmezustandes in der provinz Antofagasta. Frage: Herr General, wir hórten davon, da8 sich hier im Wüstengebiet, námlich in Chacabuco, ein Háftlingslager. befinden soll. Warum gerade dort? Antwort: Das Háftlingslager wurde deswe_ gen in Chacabuco angelegt . . . weil mandort auf Einrichtungen und auf eine Siedlung zurückgreifen konnte, die ehemals einern Salpeterwerk gehórten, das stillgelegt war und verlassen. So konnten die dort bestehenden Einrichtungen genutzt werden. Die vielen noch existierenden Háuser und andre Bequemlichkeiten, die sich dort uns eben anboten. Bequemlichkeiten? General Lagos zeigte verstándnis für den wunsch, chacabuco mit der Kamera besuchen zu wollen. und so ergab sich schlieBlich die einigermaBen groteske situation, da8 unsere operateure im Hubschrauber des Generals in Richtung chacabuco flogen. GewiB, das geschah im Ergebnis einer Übertólpelei. Mit General Lagos war nicht eben,, fair,, verfahren worden. Aber Klassenkampf ist kein FuBballspiel. und: die chilenischen Militárs, die verfassungs- und eidbrüchig den rechtmáBigen Prásidenten chiles, Genossen salvador Allende, ermordet und die Macht okkupiert hatten sie haben sich damit selbst auBerhalb jeglichen Rechts und jeglicher Regeln eines norrnalen zwischenmenschlichen verkehrs gestellt; sie müssen es sich gefallen lassen, mit ihren eigenen MaBstáben gemessen zu werden. 15 ffiru;L i*.e*,: ' : l :11?i:i:i i: ',:f$ii;4, :::r:,AiFa" !t'i, i1 .i: iii:iaLllts t ;* il , l:: r'*d 'tr R$*. 1t' a'1a 1B):;: i; 'llli:iiiiil :. :iii;r :: i:i **"'*";. :.*,&" '' .'*¡-"i,r@;{}u' ," -,; *t:r,'-*r;;,1ii"*" , ; ;:; , Fr''ffi" + \ , r ,,*'*.;"4 é*,.'," -. ',-,;_**. I :l': , "fi #t., , :. '1,....+,¡$% *@, 1 ,:l:.: .., ;fi] : lir :i¡:rarr:r::' . :i: iti.9i:iitt t7 dfj 2A Im Hubschrauber des Generals, im Anflug auf chacabuco, blieb freilich für solche Überlegungen wenig Zeit. Tief unten die Atacama-Wüste, die trockenste 'der Welt: eine gleiBende, flimmernde Fláche. Dann in der Ferne erste matte Umrisse von Gebáuden, die grofie Mehrzahl flach an den Boden gedrückt. Landeanflug in weitem Bogen, die Kamera arbeitet. Geringere Hóhe: auf den geraden Lagerstrafien sind einzelne Menschen erkennbar. Es wird eine komplizierte Begegnung werden, die an Bedingungen geknüpft ist. Bild- und Tonaufnahmen dürfen nur mit Zustimmung eines Begleitoffiziers stattfinden" Es wirdkeinen unbewachten Augenblick geben. Es wird nicht móglich sein, sich den Gefangenen zu erkennen zu geben. Aber es war notwendig, auf diese Bedingungen einzugehen, um móglichst viele Freunde und Genossen als lebend identifizieren zu kónnen, im chilenischen Sommer 1974. 1ií¡:irii:¡:Yii :?i,i!& i:tii,i.l.:.¡ :jlt:¡;:!! :*fi:ir¡rlj* iéb. die Zeit, die man hier ist, ertráglicher pu machen und die Moral der Genossen zu festigen. ... Der Lárm des Helikopters ist verstummt. Bedrückend nun die Stille. Die Wüste ist leblos, ohne Laut. Die Wache am Lagertor vermeidet jede unnótige Bewegung. Ein Soldat hált einen Sicherheitsschlüssel in der Hand; als die Kamera auf ihn zugeht, wippt er das kleine blinkende Stück Metall nachlássig at¡f und ab. Schlüssel und SchloB? StacheldrahtundWachtürme? Die sind hier nur von symbolischer Bedeutung. der Atacama-Wüste wechseln glutheiBe Ivlittage und eiskalte Náchte, ein Temperatursturz, der an den Kráften zehrt. Mancher, der hier früher seinen Broterwerb suchte, gewóhnte sich an das Klirna nie, obwohl er es gerne gewollt hátte. Háftlinge nun gar, unfreiwillig hier, sind in Chacabuco auf besonders teuflische Art eingeschlossen von der gleichgültigen Umarmung der endlosen Pampa, durch die kein Fluchtweg führt. Ein überlegt ausgewáhlter Platz, der ohne jedes Dazutun, allein durch seine Lage, die physische und psychische Tortour vollstreckt. In 25 :.2. ff i. '1" .li ,(: 26 General Lagos: r I i i Aus diesem Grund wurden in dieses Lager Háftlinge gebracht, die, um die Wahrheit zu sagen, vorübergehend dort sind, bis ihnen die entsprechenden Verfahren gemacht werden. Eine andre Gruppe ist wegen'ihrer Gefáhrlichkeit, obwohl gegen sie keine Anklage erhoben wurde, dort ebenfalls in Haft für gewisse Zeít. Bis sie endlich begreifen, daB ihr Weg der falsche ist. Das symbolische Lagertor wird hinter uns verschlossen. Wir sind im Inneren des Konzentrationslagers Chacabuco. So viel wissen wir inzwischen: Hier gibt es Háftlinge, die auf"Verfahren warten, und andere, die ohne Verfahren festgehaltenwerden. WessenLos ist schlimmer, wessen besser? Es sind Nachrichten über Terrorurteile aus Chile nach drau8en gedrungen über zehn, zwanzig, drei8ig und mehr Jahre; bei.manchen Jugendlichen wurde auf lebenslánglich <erkannt>. Die anderen Háftlinge: gefangengesetzt auf unbestimmte Zeit ohne Anklage, ohne Verfahren, ohne Urteil. Das ist orientiert an der sogenannten > u " Schutzhaft oder " Beugehaft der hitlerfaschistischen KZ. Das ist der Verzicht selbst auf Scheinlegalitát, ist vóllige Rechtlosigkeit. Wessen Los ist schlimmer, wessen besser? Wir sehen die ersten gefangenen Genossen, und sie sehen unsere Kamera, unser Tonbandgerát, das Mikrofon. Da steht das MiBtrauen auf alle Gesichter geschrieben. Wer wird das schon sein, d'er da vom Lagerkommandanten hergeführt wird? Der überhaupt in dieses Lager eingelassen wird? Wie sich jetzt verhalten? Was sagen, was verschweigen? Wir überlegen: Wie sollten sie sich verhalten, selbst wenn sie wüBten, für wen sie sprechen sollen? Unter den Augen und Ohren der Bewachung? Was ist hier besser: Wissen oder Unkenntnis über die wirklichen Zusammenhánge? 27 Die früheren Unterkünfte der Salpeterkumpel, jetzt die Kerker der Genossen. Vor leeren Tür- und Fensterhóhlen hángen Lappen und anderes verschlissenes Zeug, Schutz gegen die Sonne, die steil vom Himmel brennt. Wenn ein Gefangener aus seiner Hóhle tritt, hebt er rasch die Hand vor die Augen, blinzelt uns entgegen. Da ist nun keine Umarmung móglich, wie sie uns früher selbstver- stándlich war, wenn wir sie mit unserer Kamera aufsuchten: in den Betrieben des sozialen sektors, in landwirtschaftlichen Genossenschaften, auf Baustellen, in Parteibüros. wertet die routinierten technischen Handgriffe nicht als Gleichgültigkeit, liebe Genossen. Sagt, wer ihr seid, damit die Welt erfáhrt, wo ihr seid! I I + sair:r' :,- , -:1!:r: 11, : i :-'ef'l: -i6t ;+1';P.i+tt : .;¡* i'l _.;,;::" .:,!" : : l;i : : ', , I i, ¡ : : ;;: i:i.:: l:: .'' . ,r;i .? |, :i il] #:E|ta:,::.':t:..1..t r :r ,. r:t iri egr F.: Wie ist bitte Ihr Name? A.: Eduardo Palomino Rojas. F.: Gehórten Sie irgendeiner politischen Partei an? A.: Sympathisant der Linken. F.: Und seit wann sind Sie hier? A.: Kam hierher in dieses Lager am 10. Dezember, ins Nationalstadion schon am 13. September. 30 I - F.: Kónnen Sie uns bitte Ihren Namen sagen? A.: Mario Molina heifje ich. F.: Waren Sie Mitglied irgendeiner politischen partei? A.: Nein. F.: Seit wann sind Sie hier? A.: Seit dem 19. September. F.: Was machen Sie beruflich? A.: Ingenieur für Mechanik. 3r F.: Würden Sie uns bitte Ihren Namen sagen? A.: Mario Ursua. F.: Woher kommen Sie? A.: Aus Santiago komm ich. Und ich hab dort studiert an der Staatlichen Technischen Universitát. F.: Waren Sie Mitglied irgendeiner politischen Partei? A.: Nein. F.: Und warum sind Sie hier? A.: Es ist noch nicht klar, wessen man mich konkret beschuldigt. Das muB man erst mal kláren. 32 F.: Wie ist bitte Ihr Name? A.: Fernando Fajardo Gonzalez. F.: Waren Sie Mitglied irgendeiner politischen partei? A.: Sympathisant der Sozialistischen Partei. F.: Und seit wann sind Sie hier? A.: Seit dem 9. November. F.: Warten Sie jetzt auf. den Proze8? A.: Wir warten, daB der ProzeB gegen uns nun anfángt. Denn wir alle sind inhaftiert worden ohne ein Gerichtsverfahren. 33 ' F.: Würden Sie uns bitte Ihren Namen sagen? A.: Orlando Valdes Barrientos F.: Gehórten Sie irgendeiner Partei an? A.: Der Arbeiter-und-Bauern-Bewegung für die Volkseinheit. F.: Und seit wann sind Sie in Haft? A.: Ich bin seit dem 22. September in Haft' F.: Warten Sie auf Ihren ProzeB? A.: Ich habe keine Anklage. Ich weiB nicht, wessen man mich beschuldigt. Also ich. . . ich weifj nicht, ob ich auf einen ProzeB warte. . . oder was man meinetwegen entscheiden wird' 34 É=r:rlixr..iii:#ffi F.: Wie ist bitte Ihr Name? A.: Luis Henriquez Alvarez. F.: Gehórten Sie zu irgendeiner politischen partei? A.: Zur Kommunistischen. F.: Und warum sind Sie hier? A.: Ich bin Journalist. Als solcher tátig in der Staatlichen Technischen Universitát. Und dort war's, wo man mich auch geholt hat, eines Morgens. Am 12. September. F.: Und seitdem sind Sie hier? A.: Bin ich immer im Lager. Zuerst im Nationalstadion und dann hier. F.: Warten Sie auf einen ProzeF.? A.: WeiB nicht, was für'n Proze8. Ich hab gearbeitet, nichts weiter. Und da hat man mich einfach weggeschafft zum Stadion und dann eben nach hier. 35 :jll$ 1;;.{ ,,i.*'si:i :tNi w F.: Wie ist bitte Ihr Name? A.: Doktor Danielo Bartolin Fovich. F.: Woher kommen Sie? A.: Ich war in der Moneda. F.: Sie sind Arzt? A.: Ein Arzt, ja. F.: Gehórten Sie irgendeiner politischen partei an? A.: Nein. F.: Und warum sind Sie hier? A.: Ich bekam den Befehl dazu. Am 12. September. F.: Und dann hat man Sie hierher gebracht? A.: Stadion Chile, Nationalstadion, Chacabuco. F.: Wie lange, glauben Sie, werden Sie noch hierbleiben? A.: WeiB nicht. F.: Und was rnachen Sie augenblicklich hier im Lager? 3V A.: Verantwortlich für árztliche Betreuung hier im Lager. Damit für die hiesige Poliklinik. F.: Gibt es viele Kranke? A.: Es ist so, daB wir eine Bevdlkerung von 850 Einwohnern betreuen. Wir haben hier schátzungsweise pro Tag30bis40 Fálle. F.: Schwere Krankheiten? F I I A.: In der Hauptsache Fálle von Neurose, psychische Stórungen. F.: Wie machen sie sich bemerkbar? A.: Der Patient leidet an Schlaflosigkeit oder zittert. Ist nervós. F.: Und was ruft diese Krankheit hervor? A.: Unsere Lage als Gefangene an sich. Und das Unbestimmte der Prozesse. Der Genosse Doktor nahm sich die Freiheit zu ausführlicherer Rede. Er, der sich in der Moneda auch um die Gesundheit von Salvador Allende sorgte, steht jetzt in einer Barackentür, über der ein hólzernes Schild mit handgemaltem rotem Kreuz den Eingang zu einer n Poliklinik , verspricht. Wie er da drinnen hilft oder heilt, konnten wir nicht feststellen. Jedoch konnten wir sehen, da8 er oft von hilfsbedürftigen Gefangenen umringt steht, mit denen er ,. Sprechstunde spricht ' in Chacabuco. Wie würden Árzte des Internationalen Roten Kreuzes die psychische und physische Lage der Háftlinge bewerten? Wir wissen e¡nicht. Die Junta verweigert solche Besuche. So haben wir nur dieses Zeugnis eines Arztes vorliegen, der selbst Háftling ist und sich deshalb genau überlegen muB, wie er den Zustand seiner Mitgefangenen diagnostiziert: in Form einer Chiffre. In Antofagasta, der Hafenstadt mit der pazifischen Brise, hatte Generai Lagos selbstverstándlich alles Wortgeprassel abrufbereit, was faschistische Kerkermeister seit eh und je über den Zustand ihrer Háftlinge anzubieten wissen. Ceneral l-agos: Mir gingen Erklárungen von den náchsten Verwandten zu, die dort zu Besuch weilten und denen spáter von der Propaganda ganz... denen ganz wirr wurde von den Entstellungen im Ausland. Sie wáren beruhigt heimgekommen, da sie sich überzeugt hátten von den perfekten Bedingungen alle sind ruhig hier und daB sie von Gesundheit fórmlich strotzen; das sowohl kórperlich als auch geistig, das ist wohl das wichtigste. Ja. Dort in dem l.¿gsr Chacabuco ist von uns versucht worden, ein Maximum an Bequemlichkeiten für. . . die vorübergehend dort inhaftierten Personen zü schaffen. Wir haben dort ja auch Werkstátten errichtet, in denen sich die Leute betátigen. Und zwar zu eigenem Nutz und Frommen, und zum Wohl der Allgemeinhpit. Chacabuco: in Vierergruppen werden Fláftlinge zur Arbeit geführt. Da gibt es die verlassenen Werkstátten, deren Demontage nicht lohnte, und da stehen einige Dreh- und Drechselmaschinen herum. So verrichten sie denn ihre vertrauten Handgriffe, die Dreher, Schlosser oder Schreiner. Die einen frásen aus Onyx-Rohlingen Ascher*becher, andere drechseln und hobeln Gegenstánde des táglichen Bedarfs. Wenn die Kamera die Einstellung verengt, findet eine merkwürdige Verfremdung statt: So kónnten auch Bilder aussehen selbst in einem sozialistischen Produktionsbetrieb erfahrene Hánde, die das Werkzeug führen, Funken-flug,ruhige, abgehobene Spáne, und die Augen der Arbeitenden, die das Ergebnis kontrollieren es ist, áuBerlich betrachtet, Arbeit o an sich',, die da stattfindet. Erst mit kürzerer Brennweite der Kamera. also erweitertem Blickfeld,. wird das Absurde dieser Arbeit in Chacabuco offenbar: Die eingesperrte Arbeiterklasse wird streng bewacht! zu ihrer ureigensten Bescháftigung befohlen: sie arbeitet. Unlósbares Dilemma der Bourgeoisie: ohne die Arbeiterklasse kann sie nicht existieren. Sie kann, was Chile beweist, die Arbeiterklasse dezimieren, sie kann groBe Teile der Arbeiterklasse einschlieBen aber sie kann auf die Kópfe und Hánde der Arbeiter nicht verzichten. Die Gefangenen arbeiten schweigsam und scheren sich nicht um die Kamera. Sie sind Angehórige oder Sympathisanten der Parteien der Unidad Popular. Ihr Verbrechen lautet, in Chile " ', den Nachweis begonnen zu haben, daB wenn schon die Bourgeoisie nicht ohne die Arbeiterklasse auskommt die - Das Arbeiterklasse umgekehrt ohne die Bourgeoisie leben kann. ist seit dem Oktober 1917 klargestellt, daran ándert sich nichts, trotz des 11. September 1973, trotz Chacabuco. . . 41 und sie gehen wohl auch nicht nur gezwungenermaBen an diese werkbánke und Maschinen. vor die Alternative gestellt, tatenlos über ihr vages schicksal nachzugrübeln oder den Kopf und die Hánde zu gebrauchen, entscheiden sie sich für das letztere: Bescháftigung als physische und psychische Therapie, aus Selbsterhaltungswillen. Was wird, eines Tages, der Onyx-Aschenbecher u made in chacabuco von der Junta in Santiago als souvenir verschenkt, über das Chile der Militárdiktatur aussagen? Nicht mehr und nicht weniger als die Lampenschirme, die sich die KZ-Kommandeuse Ilse Koch in Buchenwald anfertigen lieB. . . >>, 45 Da nicht alle Háftlinge in chacabuco an die Maschinen kónnen, greifen viele zur Selbsthilfe. Im Lager aufgefundene Bretter - das Material. Nágel, an der Spitze plattgeklopftund scharf geschliffen Schnitzwerkzeug. Da gibt es eine ganze Ausstellung von -künstlerischen Handarbeiten. Háufiges Motiv: die Rose die wohl fremdeste Vorstellung in der Atacama-Wüste. Madonnenbilder, nicht schwer zu deuten als die Sehnsucht nach Frau und Mutter, Ausdrucksform für familiáres Glück seit Cranach und Dürer. F.: Wie verbringen Sie Ihre freie Zeit? A.: Mit Schnitzereien. . . und zwar Holz. Und ich helfe den Kumpeln dadurch. F.: Wie macht man diese Schnitzereien? A.: Die Reliefs, die macht man mit Nágeln, spitzenNágeln. Noóh besser mit Metallstücken, die man im Lager findet. und daraus macht man sich werkzeug mit verschiedenen. . . mit verschiedenen Kanten und Spitzen. Und das, was Sie sehen, sind produkte daraus. . ,. ::::: =:l PsiFr! . iat :1r:i:t$:i:ii¿1i l .:.." :.:: i;:it:1::t i:i ¡tl .j :i i: iil1il+::i: ¡ !l i,:i i:l t ri:!:: :,: :;: :.1::t: :::iiiril:1:r . i:. i:,!r: i: 4,. 1.,. irir !::l*ffii.;iilli &. laü ,rd.ir,. Pr ' s é:' $ iÉ' #i +'e,{ ,1'..É ' '3'', '::i1f,:"f, 1u r: ,'Él+"1 €s il',fl'.t¡o wl: .ift I Vl.i.l : !$.::i:ii: I íi': 3::.:ü.t:¡*;;¡ :t "4 *" i: I,qr'.: i¡¡e .v 's', * +$ *$ r4; $:t - +4 ¡r$=ig={ ,:. '.::i :l :ll:: ,,É:$' ,1$';'' ' x.. 9'$-" *...-*rrr:¡P"r ,x k Br t** .rs F . x' *''{ *e ,'o l':, *'* r*d,.u ¡ o4 r'6 t 1' $¡ .s s I +.!- ffi; ! .t é"$;.-'$' :,*' ," H;; I i *s;tr W *:,,r,*, i;r1..;i j&r ..' €$ ¡tt 4,r ¡ d T ) General Lagos in Antofagasta wird nachgerade weich, wenn erauf diese Seite des Gefangenenlebens zu sprechen kommt. Da stilisiert er sich zum gütigen Onkel Joaquin,i, zur Vaterfigurgar, die stolz " und dennoch ein wenig verwundert isto im werktátigen Volk Chiles so viele Talente aufgefunden, verhaftet und eingesperrt zu haben. General Lagos: Wissen Sie, es gibt hier groBe Ensembles, vielseitige Künstler. Heiligabend zum Beispiel fand eine Weihnachtsfeier statt. ' Sowohl für Gláubige als Nichtgláubige. Und alle waren daran beteiligt. Es war'n religijises Fest für alle Glaubensrichtungen eingerichtet. Sie finden dort einen Chor für. . . für Messen und für Gesánge, für Lieder eben, die... die eben... zum Weihnachtsfest. Villancicos nennt man sib bei uns. Ganz etwas Wunderbares! Die Ensembles, die man dort erlebt, und die künstlerischen Leistungen, die man zeigt, sind etwas so Bewegendes, und sie erfüllen die Seele mit Freude. Jahrelang hatte die chilenische Reaktion sich bemüht, die Vértreter und Anhánger der Unidad Popular als ., kommunistische Teufel " zu denunzieren. Móglicherweise hat General Lagos erst durch das Eigenleben u seiner KZ-Háftlinge mitbekommen, daB " zur Unidad Popular auBer Sozialisten, Kommunisten und Radikalen auch Christen gehóren; so in der MAPU (Movimiento de Acción Popular Unitaria Bewegung für die Volkseinheit), die 1969 die Christdemokratische Partei des Sozialreformers Eduardo Frei enttáuscht verlassen und sich der UP angeschlossen hatte, und in der zum Bündnis der Volkseinheit gehórenden IC (Izquierda Cristiana Christliche Linke). - 5t Es zeugt für .dis tlnertráglichkeit der ]ateinamerikanischen Zustdnde, daft sich imnrer mehr GIáubigF den Bewegungen für soziale und politische Befreiung angliedern. Die katholische Ki¡che in Chile, iahrhundertelang eine S¿iitze der Ausbeuterherrschaft, standder ünidad Popular nicht nur loyal, sondernbeifállig 52 zur Seite: Fs ist daher nicht verwundgrlich, im militárfaschistisch beherrschten Chile gláubige Christen in Konzentraüonslagern 'anzutreffen, an der Seite von Atheisten, mit denen sie einig sind im auf das Diesseits gerichteten Denken und Handeln. I F ¡É. l* l-'lr I ,[+]1 :;: { +f,1- .;;E ::.j:::ldii !L¡:::P,,, , ,, ?,ll:::l:1lihi:.i 1' l:! : 1L¿;::'-l{iái::ii &,riarlarrr: .: '.itiil¡r: .;i$t f$tii -DiE Messe ist zelebrfert. Neben dern notdürftig hergerichteten Altar formiert sich eine Gruppe. Ein Gitarrespieler greift .rhythmische Akkorde, die voneinern Triangel akzentuiert werden: Das Instrument, ein gebogenes Stück Rundeisen, an einem Faden hángend, wird mit einem Nagel angeschlagen. Gesang he-bt ¿n. Chor, Solo und Rezitativ wee:hseln einander ab und erzáhlen die álteste Leidensgeschichte der weltliteratur. Wir erfahren: Der Liedermacher Angel Parra, der zunáchst selbst Háftling in Chacabuco war, dann aber frühzeitig - als námlich die Junta begreifen mu8te, wie schrecklich der ruchlose Mord an dem Volkssánger Victor Jara auf sie zurückgefallen war - auf freien FuB gesetzt wurde, hat hier im Lager eine Kantate geschrieben und seinen Genossen hinterlassen. Die Leidensgeschichte Christi wird nicht nur von gláubigen Háftlingen g€sungen. Die Stationen der Passion - Verrat, Gefangennahme, Folter und Tod, die Trauer der Maria- werden von allen, die da singen, und vonallen,dieOhrenhabeR,euhóren, als überkonfessionelle Botschaft verstanden: Ein Gleichnis auf die eigene Passion Die Passion des Volkes von Chile. 57 . . . para eso he venido yo, para esto.he venido al mundo. . . 58 . ffi .. . darum bin ich gekommen, darum bin ich in die Welt gekommen. . . 59 'i3' 1l ,. "a dar etr testirnonio de 60 1a verdad Y ei amcr . . . . ..Zeugnis abzulegen von der Wahrheit und der Liebe. . . 6r . .'. todo aquel que lo comporta Siente y escucha mi voz. . . .. . jeder, der dies teilt, hórt und lauscht seiner Stimme. .. 63 .. .y la condena entonces: vayafi a azotar que lo y con corona de espinas... 64 . . . und dann die Strafe: man solle ihn gei8eln und mit éiner Dornenkrone krónen. . . 65 la cruz a los hombros a Golgota caminaba en el empedrado. . . . . . con 66 % $ . . . mit dern Kreuz auf der Schulter ging er nach Golgatha auf dem steinigen Weg" ". 61 .. 68 .los soldados se reparten la tunica y los vestidos. . . . . . die Soldaten verteilten unter sich die Tunika und die Kleider. . . 69 . . . junto a la cruz encontraron a su madre que lloraba. 70 dem Kreuz fanden sie die weinende Mutter. . . . neben 7l Als wir zusammen mit Sergio Ortega, dem wohl bekanntesten jüngeren Komponisten Chiles (er schrieb nicht nur sinfonische Werke und Kammermusik, sondern auch die inzwischen weltberühmte " Venceremos r-Hymne der Unidad Popular), in unserem Studio in Berlin am Schneidetisch safJen, erlebten wir einen der groBen Augenblicke, die unser Beruf gelegentlich bereithált. Wir hatten Genossen Sergio eingeladen, die Musik für unseren Filrn ICH WAR,ICH BIN,ICH WERDE SEIN zuschreiben; wir kannten uns von Santiago her und hatten dort bereits im Frühjahr 1973 eine Zusammenarbeit verabredet. DaB Sergio nun, er arbeitet dort im Parteiauftrag mit al.ls der Pariser Emigration reisen muBte, hatten wir der Gruppe " Quillapayun > - zlt uns 72 damals freilich nicht vorausgesehn. Nun arso war es nótig, den Rohschnitt cies Films mehrmals zu besichtigen, um über den móglichen Musikeins atz zu beraten. Als die szenen vom chor der Gefangenen zu sehen und zu hóren sind, gerát sergio prótz;rich in groBe Erregung. Er bittet, den Film zu stoppen. Rückrauf. Noch mal abfahren! Nein ein Zweifel ist ausgeschlossen. Genosse ortega hat in dem solisten der Kantate einen Freund wiedererkannt, .in.n Genossen, dessen Name im chile der unidad popular einen liebenswürdigen Klang hatte: Dr. sergio Ipunza, ein Arzt mit besonderer gesellschaftlicher Funktion, námlich der des vizeprásidenten der organisation für die Betreuung der von der Regierung der up geschaffenen Kinderkrippen und -gárten. prásident der or_ ganisation war Salvador Allende. Dr. Sergio Ipunza, Arzt und Kinderfreund! Deine Stimme klingt voll und ungebrochen. Du singst, daB die Kriegsknechte den würfel um die Kleider des Gekreuzigten warfen, und duu.i hóren wir: Dein menschenfreundliches werk im Dienste der Kinder chiles wurde vom stiefel der Junta zertreten. Geschlossen die volksschulen, umgestofjen der tágliche Becher Milch. . . Da kann man nicht einfach .. weitermachen ,, am Schneidetisch. Da wird die Erinnerung máchtig. Die Bilder steigen auf. Da würgt es im Hals und werden die Augen feucht. Und wird das Versprechen erneuert: nicht eher zu ruhen, hier in Berlin, in paris, iiberall in der welt, bis chile wieder befreit ist alle Mittel, auch und gerade die Mittel der Kunst, dafür einzusetzen. Dr. sergio Ipunza, Arzt und sánger ! Heute Háftling in chacabuco. Wie viele solcher Schicksale gibt es in diesem Lager? Welche Geschichten gehóren zu wem? 73 Um einen Tisch herum sitzen neun Mánner, jüngere und áltere. Vor ihnen ausgebreitet liegen Papiere: handgeschriebene Blátter. einige Skizzen, Versalien auf Papierstreifen. Unsere Kamera triff : hier auf eine Art Redaktionskonferenz, aber der Begleitoffizie¡ móchte zunáchst jede Aufnahme verbieten: Es handele sich hier um besonders gefáhrliche Háftlinge, ehemalige Journalisten der Unidad Popular, und was sie hier herstellen, sei die Lagerwandzeitung. Wir protestieren scheinheilig gegen die Drehbeschránkung: Warum sollte die Weltóffentlichkeit nicht erfahren, daB es in j 74 Chacabuco so etwas wie eine Selbstverwaltung der Háftlinge gebe, ausgedrückt auch durch die Selbstbetátigung an einer Wandzeitung? Wir dürfen schlieBlich drehen, und unsere gefangenen Kollegen, selbst erfahren im Umgang mit Kamera und Mikrofon, erfassen die Situation augenblicklich, benutzen das vertraute Medium zu verschlüsselter Nachrichtengebung. 1 A.: Redakteur der Zeitung Ultima Hora und von Puro Chile. Und verantworlich für clie Óffentlichkeitsarbeit des Erziehungsministeriums. Ich wurci-é am 11. September verhaftet im Erziehungsministerium in meiner normalen Arbeitszeit, gegen zehn, morgens. Auch in meinem Fall ist es so, daB ich bis heute, obwohl ich schon fünf Monate hier inhaftiert bin, nicht wei8, welchen Delikts man mich beschuldigen soll, und verfüge selbstverstándlich auch wie alle hier über keinen Anwalt, der mich, falls man mich vielleicht bóser Taten beschuldigt, verteidigt. 76 A.: Ich war der Direktor des Senders Luis Emilio Recabarren, aus Santiago. Ich wurde verhaftet am ll.September, als ich gerade den Rundfunk verlassen wollte, der ab morgens neun Uhr aufhóren muBie zu senden, weil die gesamte Sendeanlage zerstiirt war, bombardiert. Auch ich weiB bis jetzt überhaupt nichts. Wie alle wurde ich über nichts informiert, was meine Verhaftung betrifft. 77 A.: Ich war Reporter von El Siglo. verhaftet wurde ich am 12. September. In der Technischen universitát. Ich wollte meine Frau an dem Tag abholen, sie ist ebenfalls Journalistin und arbeitet dort. Am Tage davor, da konnte ich nicht mehr raui, und am náchsten Tag war die Durchsuchung. Eben dort in der uni. Bis jetzt gibt's auch keine Anklageschrift. wie, wie bei allen Háftlingen, die hier sind. wir sind zwar schon fünf Monate inhaftiert, aber allesamt ohne Verfahren. 78 A.: Ich war Reporter der Ultimas Noticias. Und als ich verhaftet wurde, war ich auf dem Gelánde der Staatlichen Technischen Universitát. Ich bin schon in Haft seit 12. September, und sie nahmen mich wie viele meiner Kollegen in der Technischen Universitát fest, und ich kenn ebenfalls nicht die Gründe, warum ich seit fastfünf Monaten hier rn diesem Lager bin. 7e A.: Ich war zuletzt Reporter beim Sender der Technischen Universi{át. Ich wurde auch am 12. verhaftet, gleich am Morgen in der Technischen Universitát. Ich war als Reporter in der Universitát. . . Und natürlich berichtete ich über alles, was in dgn Tagen dort passierte. . . Als man uns plótzlich am Morgen dieses 12. zusammen mit andren, ungefáhr 400 bis 500 Personen, die sich gerade dort befanden, abholte. 80 A.: Ich arbeitete für die Zeitung La Nacion. Das war unsre offizielle Regierungszeitung. Und spáter arbeitete ich beim Sender der Staatlichen Technischen Universitát. Da war ich auch, als man mich festnahm.' "auch Ich wurde direkt am 12. verhaftet, und ebenfalls ohne Anklage. Und wie man allgemein hier hórt, geht's mir da nicht besser als jedem Háftling. . . Ich vermute, man nahm mich fest wegen meiner Funktion an der Technischen Universitát. 8r A.: Ich war verantwortlich für die Nachrichten in der Zeitung Clarin, als man mich festnahm. Ich wurde einen Tag spáter verhaftet. . . am 13. September, und zwar zo Haus, in der Nacht. Aus welchem Grund, das ist mir nicht bekannt. Und es ist auch bisher keine Anklage erhoben gegen mich. Ich meine und ich glaube, nur weil ich Journalistbin an einer unabhángigen Zeitung der Linken, hat man mich gleich verhaftet, nur darum. 82 lir# i rf A.: Ich arbeitete an der Zeitung Cronica in Concepcion und am Institut für Journalistik der Uni von Concepcion. Ja, verhaftet wurde ich am 13. November. Etwa zehn Tage, nachdem ich an einer Versammlung teilgenommen hatte, veranstaltet vom Nationalrat des Presseverbandes. Man hat mich bis jetzt noch nicht verhórt. 83 A.: Ich absolvierte das Institut für Journalistik und'ging von da zur Einheitsgewerkschaft und arbeitete als Journalist. Ich bin seit 150 Tagen in Haft. Ich kenne nicht die Anklage, die es gegen mich gibt. Als ich verhaftet wurde, fand das Bombardement auf die Moneda statt, um halb zwólf Uhr vormittags. Und ich wurde dann zusammen mit vielen andren in das Arbeitsministerium gebracht, um. . . weil unser Leben sonst in Gefahr wár. Die Version stammt von dem, vom Militár. Wir haben dann spáter niemals erfahren, wessen man unsbeschuldigt. Konkret, und . .. wie lang wir noch bleiben müssen in diesem Lager. 84 A.: Ich war Direktor der ZeitungClarin, aus Sa{rtiago. GemáB der Version von den Militárbehórden haben wir noch keine Anklage, keine spezifische. Also wir warten auf eine Lósung. 85 $.:h w$ K-$" ffis;:".ilq!, 6$1 F"':".,**^Sg)"" ffiiti6 -{ls im oktober 1973 die internationale presse erstmalig in das KZ-Stadion von santiago eingelassen wurde, hatten wir den Direktor des .. Clarin, schon einmal gesehen. Alberto Gamboa leitete die auflagenstárkste Zeitung in den letzten Jahren der I i chilenischen Demokratie: Táglich 250 000mal parteilichkeit für die Sache des volkes, vorgetragen mit jenem pfiff , der eine zeitung zum Massenblatt macht. wáhrend der vorbereitung der Prásidentenwahl im Jahre 1970 ersannen die Redakteure des o clarin " - dieser Name bedeutet übrigens soviel wie Signal, Horn oder freier auch: Weckruf - für die Reaktiondes Landes jenen Namen, der sich wie ein Lauffeuer von Arica bis Feuerland verbreitete: Los Momios Mumien. -Die Ein Begriff, der im volk zum Kürzel für alles verachtenswerte wurde, ein Synonym, das fortan von allen demokratischen Zeitungen des Landes verwendet wurde. ,,Raus mit dem Geld, Mumien>> so lautete zum Beispiel die Schlagzeile des Organs unserer Bruderpartei < El Siglo (Das " Jahrhundert) am 23.2.1973, mit der sie eine Forderung der Einheitsgewerkschaft CUT unterstützte. Es ist erklárlich, daB die wut der militárfaschistischen Reaktion die Medien der unidad Popular besonders hart traf : Verboten die Zeitungen, geschlossen die Rundfunk- und Fernsehstationen. Die Journalisten: ermordet oder eingesperrt. Jedes KZ-Regime das ist seit Dachau und Buchenwald bekannt mu8 dárauf bedacht sein, gewisse Formen der Selbstbetátigung -zuzulassen. Die KZ-Kommandanten und -Aufseher wollen erreichen, daB aus dem Lager so etwas wie ein sich selbst regulierender sozialer Organismus wird; das erleichtert den Schergen die Kontrolle und Führung. Die Gefangenen ihrerseits wissen die Grenzen ihres Spielraums auszuschreiten. Und so sind die in Chacabuco eingesperrten Journalisten der UP von Anbeginn tátig: als Parteijournalisten, als kollektive Agitatoren und Organisatoren. Ihr Medium ist eine Wandzeitung. 87 heiBt. die sie hier F.: Kónnen Sie uns sagen, wie die wandzeitung herausgeben? A.: Ja, ganz einfach: o unsrer Chacabuco 73 o' Weil 73 das Jahr Verhaftungist.Siewirdverteiltunderscheintzweimaljede Und dann noch am Sonntag' Woche, und zwar am Mittwoch und zu vermitteln an all zweckund Absicit sin¿. . . Informationen das' was hier so passiert' unsre Kameraden im Lager' Über kulturellundimsportut"h'Undganzbesondersüberdasgeistige sich bei vielen in der Haft Schópfertu*, d.ri Schópfergeist' der Begabungen' Sehr ausführlich offenbarte, darunter viále echte berichtenwirauchüberdieArbeitunsrerKünstler,der die groBe verdienste sich verschiedenen Künstlergruppen, ganzen Zeit unsrer Haft' Und erwarben, schon wáhrend der um zu mahnen' die Zeit im generell als aktivierendes Moment' Um die Moral der Lager nicht mit Jamm etn ganz allgemein ' ' ' es uns etwas leichter wird' den Genossen . . . zrr festigen' damit Aufenthaltzuertragen.WirkónnenvielleichtvieleProblemeund Haft mit sich bringt für jeden Leiden dadurch rniid.rn, die diese sehr oft' Artikel über von uns. nug.'d"* U'i"gtn wir' und Zum Beispiel interviewel Y:t Menschen, die sich hier hervortun' Oft Árzte zum Beispiel' die regelmáBig auch einige Genossen ' ' ' hierKan-leradenoperierthaben,direktimLaget,weilihre Krankheitdasebenverlangte'undsiewarenerfolgreich'Beiuns Ruf . Das gebietet fast, gibt,s manchen irr, uo' ilternationalem daBallevonihnenerfahrenundwissen,wasfürFáhigkeitensie besitzen,wassiebisherschonallesvollbracht'wassieeben wir in ihrem Leben insgesamt' Unser Blatt' geleistet haben, veróffentlichenauchüberunsrePoliklinikunddieArbeitdort Interviews.EbenfallsüberdiekünstlerischenWettbewerbe,die SonntagfürSonntagstattfinden.WieebenüberalleVeranstaltungenaufkulturellemGebiet,dieesunserlauben'dieLagehierzu ja gefangen. wir sitzen im Lager, mildern für uns alle. wir sind Angehórigen hier zu sehen' uncl es ist keinem móglich, seine Erwáhnenswert ist Keiner von uns hat mit ihnen verbindung. noch,dasistsowichtigundbedeutsam,da8sie',swissenmüssen: 88 r Wir haben ein paar Genossen, die erst im Lager lesen und schreiben lernten. Und sie sind heute, sie arbeiten mit hier an unsrer Zeitung. Wir betrachten sie als Kollegen, als ob sie schon immer bei der Presse gewesen wáren. Ich weiB noch, als wir einen von ihnen gebetenhaben, fürunsre Zeitungwas zu schreiben. Und wir druckten die Artikel, von einem dieser Genossen, die hier erst lesen und schreiben lernten. Und sein erstes Geschrieb'nes, das erste, was er verfaBte, das war ein Brief an seine Frau. iillrliráír:i:I , ;.i I :: t::,: , i I '1,iI ,:íi¡t I ¡i il il ' ,, .,: bl li : . i.1l' ':;¡ '-iirE' i ::. ll iiii?r$.1¡¡' l:'l .il.i .: I tttttl"t,x':""' i1a:!!r"!:: ll -Ir tÉ ;ll t1r-l:,:rir,:t:Er , .4. :;:.ll rI¡ i :l¡ i:tattt I i.EEi ltta!. Beflissen zeigt der Lagerkommandant auf ein Schild über einer Barackentür: ., Correo > Postamt. Ein Briefkasten, dessen einer Kategorie von Háftlingen offensteht für schwarzer Schlitz Lebenszeichen aus der Atacama-Wüste an die Familien in den fernen Stádten. DaB einer von denen, die da schreiben dürfen, die ersten Buchstaben hier im Lager gelernt hat, ist ein Zeugnis kráftigender Solidaritát von Genosse zu Genosse. Für eine andere Kategorie von Háftlingen, zu der Journalisten gehóren, ist das ., Correo Chacabuco ein Schweigelager. " unsere verschlossen. Für sie ist Aufschlüsse dieser Art sind aus dem zu gewinnen, was die Genossen in unser Mikrofon sprachen;Mitteilungen, die mitunter zwei- und mehrfach gelesen werden müssen, um ganz verstanden zu werden. Denn alles, was gesprochen wurde, ist mitgehórt worden und wurde vor dem Verlassen des Lagers nochmals kontrolliert. Wenn es móglich war, unsere Tonbánder aus Chacabuco herauszubekommen, so ñicht zuletzt deshalb, weil Gefangene und Wáchter nicht über den gleichen Zeichenvorrat verfügen: Was uns an den Aussagen der Háftlinge wichtig ist, mochte dem Kommandanten des Lagers als belanglos erschienen sein. 90 l i,;iiilil:ll1:11::.:i:::ti'.i.i;:i';ii+ir!¿ t;::::::i':l;ia .:llt r: ::- ;i i:ii: r:l 3,]l::i.+;:ii;:)f¿irirlri:l ; ilii¿i 92 F.: Sie sind der Kommandant dieses Lagers? A.: Im Augenblick bin ich oder vertret'ich den. . . Ich bin der zweite Kommandant, und ich vertrete so unsren Kommandantén. Er ist noch mit andrem beauftragt, in Antofagasta. F.: Welches ist Ihr militárischer Grad, und wie heiBen Sie? A.: Hauptmann der Landstreitkráfte Alejandro Avila- Arensen. F,: Wie viele Háftlinge gibt es in diesem Lager? A.: 866 sind hier zur Zeit inhaftiert. F.: Wann wurde es eingerichtet? A.: Im Oktober war das. Im Oktober 73. F.': Was war das hier früher? A.: Dies war vor Jahren 'ne Salpetermine. Die Besitzer, die sie ausbeuteten, waren aus England, und das war vom Jahre 26 an und ging bis ins Jahr 38. Chacabuco, im chilenischen Sommer 1974- das ist die Nachtdes Faschismus bei heller Sonne, ist ein dunkles Kapitel in der leuchtenden Geschichte des GroBen Nordens von Chile. In den Salpeterwüsten haben chilenische Arbeiter im Dienst fremder Herren bitterste Ausbeutung erfahren aber hier, im Grofien Norden, formierten sich diese Arbeiter auch zur Arbeiterklasse, hier, in den Weiten der trockenen Pampa, entspringt die wichtigste Quelle des heutigen Chile: die Geschichte der chilenischen Arbeiterbewegung. 93 Ein Gefangener zeigt uns etwas, was hier aus dem Boden wáchst wie die Steine aus dem Acker: den Rest eines Spatenstiels und eine Blechmarke: Vargas Espinoza Justo, Nr. 16608, Tagelóhner, ledig. Beides montiert auf ein hólzernes Brett, in das ein Schnitzwerkzeug die Mitteilung eingrub: Chacabuco 1974. 'Éj p.'*r ;..-1j,- ff ¡gl',ff "iF$f$t¿g *1iru. -.#;,' j' ;i?¡ ,t"; : illig''+ F.: Kónnen Sie uns sagen, was das ist? A.: So was wie ein Denkmal. Es ist von hier aus chacabuco. Der stiel einer schaufel, die man hier im Lager benutzt hat. vor vielen Jahren, wir wissen nicht, wann. Mit dem schild eines Kumpels. Der hier arbeitete. Mit dem Namen eines Kumpels, der hier arbeitete. Als salpeterarbeiter. Das hier wurde gefunden. und ich meine,' das spricht interpretieren. . . für sich selbst. Es láBt sich vielfáltig 9-s ffi l jl :/1 ,'e' J ffi - r,:':; ... I .,,r:.atlilr il,i:iÍ# '96 Luis Advís Die Sonñe in Ódnis und Leere, das Salz, das uns verbrannt, in der Einsamkeit die Kálte, der Dreck und die endlose Nacht. Der Hunger wie trockene Steine, im Ohr der Klagegesang' das Leben ein langsames Sterben, die Tráne verloren und bang. Das Haus, dem Besitzer genommen' und der Arbeiter, der den Schlaf erwartet, obwohl er Vergessen, verdrángte Hoffnung nur war. Der Wind in der weiten StePPe wird ewig ruhelos wehn, nie wird aus dem Land die schwere, die trockene Hárte gehn. Salpeter, freundlicher Regen, kehrte sich um zum Fluch' die Pampa, Brot und Segen, ein bitteres Leichentuch. Die Zeit trieb dahin, die Geschichte des Leidens blieb bestehn, nie wird aus dem Land die schwere, die trockene Hárte gehn. Die Sonne in Ódnis und Leere, das Salz, das uns verbrannt, in der Einsamkeit die Kálte, der Dreck und die endlose Nacht. Der Hunger wie trockene Steine, im Ohr der Klagegesang' das Leben ein endloses Sterben, die Tiáne verloren und bang. 97 ffi 1 t I ; 101 T ü : ¡:$l::I] : ' ffiffi i' r#¡Íi ;*- :riÉ', $ Iffi Ée üilffi ' t*' ;i.H#i.dffi;.-Wr*: e.lÉl!:YrH;::itnÉ& flrÉÉ'ígffiHffi 0 gBF=. 103 { ffi' hr Im xF.::r+¡g l-* lné t i::::;ia! :1i;r.r t::;ii:l 108 F- lr I r", : t{¡ 109 Teilansicht der ehemarigen salpetermine chacabuco, von einem Háftling des heutigen Konzentrationslagers in Holzgeschnitzt. In der linken unteren Ecke die Inschrift: chacabuco zz.r.r974 F. CH. R. ll0 Die Riickseite des Brettes trágt einen schwarzen Isolieranstrich, .der spuren von verwitterung zeigt. Das Holz, mit dem der schnitzer arbeitete, war selbst Teil der ehemaligen salpetermine. Die Darstellung wurde yom wachpersonal des Konzentrationslagers zum Kauf angeboten und befindet sich heute in der DDR. lll :', ¡:, ;:t; I ,¡t,:: ].j: -_J ...oF ir¡r'.' t¡,::':, i.r'::.' * r.! I ich spürte damals eine Zuneígung zu den Russen, dazu,'wie síe ihre Revolution . ... gemacht hatten. Ich fühlte Sympathie für sie, für die Arbeiterbewegung, dle es dort gab. Als die europáischen Industriestaaten - in erster Linie GroBbritannien die strategisch interessanten Minerale und -darangingen, Erze Chiles zu plündern (bereits 1849 gab es im Lande fünzig britische Firmen), konnten die überseeischen Ausbeuter nicht umhin, sich chilenischer Proletarier zu bedienen; unabXássig zogen aus dem landwirtschaftlichen Süden verarmte campesinos nach dem Norden, um dort ihr Glück zu suchen. Was sie vorfanden, war verglichen mit den grünen Auen des Südens eine karstige Landschaft ohne Baum und Strauch, majestátisch wohl in ihrer GróBe, doch auBerirdisch-fremd; was sie erwartete, war gemessen an der Ausbeutung durch die Latifundisten bitterste Qual, die seinerzeit wohl unmenschlichste auf dem Kontinent. Im GroBen Norden wurde sich das chilenische Proletariat seiner Lage bewuBt. Am Anfang war auch da die naive Frómmigkeit, die glaubte, durch demütig vorgetragene Petitionen eine Besserung der Lage zu erwirken. Iquique 1907: Tausende Salpeterarbeiter ziehen aus der Pampá in die Hafenstadt, um gehorsam ihre Bitten fi3 vorzutragen; mehr als zweitausend bleiben tot auf dem Hof der Schule Santa Maria zurück, zusammengeschossen von chilenischem Militár, dem Instrument der Kornpradoren-Bourgeoisie. Als wir im chilenischen sommer 1973 die Regierung Allende steht in ihrem dritten Jahr erstmalig den Platz des Martyriums - Schule ein Wandbild der Brigade 'besuchen, leuchtet an der ..Ramona Parra" der künstlerischen Agitatoren des Kommunistischen Jugendverbandes: ,.Schau auf zum Himmel: Aus der durchschossenen Pampabrust wird das Licht des neuen Tages ge- boren!" : Nicht weit von Iquique liegt in der Pampa eine verlassene Salpetermine. Ein Schild an der nahe vorüberführenden PanAmericana-StraBe erklárt: Es-Oficina Santa Laura - Reliquia Nacional". Ein Nationalheiligtuni also, dieses stillgelegte und menschenleere Werk. Ein Schrotthaufen auf den ersten Blick. Ausgetretene hólzerne Stufen, die zu riesigen Kesseln hochführen. Auf den sie haltenden Gerüsten dicke graubraune Krusten: Ablagerungen von Salpeterdámpfen. Ein eiserner Schornstein über allem, von rostigen ,Drahtseilen festgezurrt schwarzer Finger, der ein ,A.chtung-Zeichen in den flimmernden Himmel sticht. Schwere Holzkarren mit Doppeldeichsel, auf denen aus der Pampa die Caliche, das salpeterhaltige Wüstengestein, ins Werk transportiert wurde, gezogen vom Muli rr, dem Maultier. Und das Wissen darum, daBdie "Chefsu - die chilenischen Sachwalter der auslándischen Herren bei der Nachricht von einem Unfall zuerst besorgt fragten: o Ist dem Muli 'was passiert? r, Immer ,t << wieder im Gelánde kleine Gedenkstátten in Form winziger Háuser zu ebener Erde, das Kreuz darüber: Hier brannten die überlebenden Leidensgenossen Kerzen für tódlich verunglückte Kameraden ab. Zeugnisse eines landesüblichen Totenkults, aber auch der Solidaritát Am Haus der Chefs spendete ein üppiger Palmenhain Schatten, solange die Mine fündig war. In dieser verbotenenZonedes Werks gab es selbst so etwas wie einen Swimming-pool, neben einem Platz für Ballspiele. Ietzt sind die Palmen verdorrt, die l14 f K.ffifl.ffi€#s ; fu&ffiffie HflL&ffiffie ffi ffieffiffiet +j =r :1$3 *!: ,. Fensterscheiben des Herrenhauses zerschlagen. Als der Boden ausgepowert war, zog die Salpetergesellschaft weiter, zum náchsten fündigen Platz. Selten verirrt sich ein Vogel hierher. Fállt aber einer in die verdorrten Palmwedel ein, dann verursacht er ein so heftig brechendes Geráuseh, daB er verschreckt weiterfliegt. Kein Káfer kriecht über die Treppen und Dielen, kein Insekt tanzt in den Sonnenstrahlen. ..,,d schrág durch schadhafte Dácher in das Dunkel der leere* Ráume fallen. Totenstille. Nur wenn ein Wind vom Pazifik her über die Pampa streicht, kann es geschehen, da8 ein loses Blech sich bewegt und gegen seine Halterung schlágt, als Tempelgong für die Besucher der " Reliquia Nacional ". 1 1 fl 'ffi F$ r99::::;.;i¡, ¿,rl ,si$j:. ', .:: : :: I r ii:i g ii :: ;:;ii :1 é a¡! .:::,::;:ti,+t ii ii¡it¡!r.!r:t: :1tr:::iu: ::l:]!:?#i I ::::,::it !t:r ::r$ ,' : . : 1 :,:tr ::ii;j : !, t : r:::1q ' :l : i,:)!::a. :: ) rr:,,,.1f: ! a:r:l rr !?:: :r :il: : rr:1$ € ':::+. ..t 1t::r ,.'.:.::, s %' '' ,: .,.: ,.1 , ,, illr ;i re Wir sind durch das Gelánde des gaízenWerkes hindurch, haben staunend unsere Kamera auf die Relikte des Salpeterbooms gerichtet. Aber diese alte Produktionsstátte, die noch erkennbaren sie sind nur das ÁuBere. Dieeigentlich Produktionsinstrumente fündige Schicht liegt tiefer. Sie soll uns von Zeugen freigelegt werden, die wir um die Mittagsstunde hier erwarten. Zwei ehemalige Salpeterarbeiter, beide über siebzig Jahre alt, werden aus einer entfernten Siedlung geholt. Wie der eine von ihnen, Julio cabeza, sehr langsam und sehr mühsam an der Rückwand des . Herrenhauses vorüberhinkt, hebt er unversehens seine Krücke, schüttelt sie gegen die fensterlose Fassade und murmelt: Dies War die Verwaltung der Unternehmer von Santa Laura- Der Mann hieB Ricardo Morlaes. Der Verwalter von Santa Laura. Da wohnten unsere Chefs. Wir arbeiteten hier, bei der Salpeteraufbereitung, mit meinem Kameraden Segundo Gutierrez, der die Grabungen machte. - Segundo Gutierrez, ein scharfgeschnittenes Gesicht unter breitkrempigem Hut, erzáhlt: Ich und Julio Cabe za,wir haben an den Maschinen gearbeitet, ich verstehe alles von der Aufbereitung des Salpeters, vom Jod, das man ins Ausland nach Europa gebracht hat. Damals gewann man das noch durch die Mine. Heute ist hier verlassener Abfall, so, wie wir es sind. Alles alt, arm, ruiniert, so sind wir, genau wie der Abfall. Niemand erinnert sich an uns. Man hat nie an uns gedacht. Immer hat uns der Bourgeois gedemütigt, immer führten sie uns zum Hunger, zum Elend. Man hat uns ja sogar unser Stückchen t_ágliches Brot verweigert. Jetzt endlich geht es uns ein wenig besser. . . Er klimpert in seiner Tasche und legt mit einem bósen Lachen ein paar Metallstücke auf eine hólzerne Treppenstufe, kupferfarbene, silbrige und messinggelbe, kleine und gro8e, runde und achteckige. Wir erfahren, daB die einzelnen Salpetergesellschaften tatsáchlich souverán genug waren, um in Chile ihr eigenes Geld zu prágen. Was da vor uns liegt, ist eine Sammlerkollektion. 118 "Oficina Santa Laura,>, betrieben von ,.The London Nitrate CO. LTD.', Mit dieser Art "Wáhrung( banden die auslándischen Gesellschaften den chilenischen Arbeiter fest an ihre Betriebe. I : l, {l Dies der Kreislauf: Wer einen Karren mit Caliche zum Verarbeitungsbetrieb brachte, erhielt dafür einen metallenen Nachweisi "Vale por una carretada de caliche,, ..gut für eine I I iil Ladung.Caliche n heiBt es auf einem der achteckigen Stücke, die von der " Compania Salitrera Alemana rr; der Deutschen SalpeterGesellschaft, verwendet wurden. Eine klimpernde VerheiBung, diese achteckigen Stücke; denn ein Zahlungsmittel waren sie noch nicht. Je nachdem, welchen Preis die Ware Arbeitskraft gerade hatte, wurden die Stücke, die der Arbeiter in einer Schicht geschafft hatte, schlieBlich in die betriebliche Wáhrurg " eingetauscht, die allerdings ausschlieBlich in der wiederum >, Pulperia " gültig war, einem Mittelding zwischen Kantine. Die Preise der Pulperia bestimmte die betriebseigenen Laden und " Gesellschaft. Wenn sie erzáhlen kónnten, diese Münzen: oft gewendet, dünngegriffen, verha8t und doch begehrt, benótigt für Brot und für Branntwein wohl auch, die schreckliche Wirklichkeit zu vergessen, den Pampa-Alltag, in den so viele ausgezogen waren, ihr Glück zu machen und die in der Pampa geblieben sind für alle Ewigkeit. Nahe bei den verlassenen Salpeterminen liegen die Friedhófe, liegen Gráber, die kein Mensch mehr besucht. Da { il&;fr.|/. #,Si'i 1 *¿5r$ $$ffi 11:r:Lli:,1ü:i1f:fl Hiffi :,-É'li iá;iif iiíiil ffi * .*trli : r, itr+ . f;¿ ;gtt*.$.s t 'r:::::rBffir:!rrr: gt*.!yt: 'lli::lli::l: * Y-*' ts! r .: ::t!4iil "i:: s w K stehen Kreuze mit Namen darauf, die keiner mehr nennt. oAqui Yacen Los Resto Del Que Fue prosperino 2pn _,,Hier ruhen die Reste desjenigen, der prosperino d,er Zweite war)>. Aber viele, die in der pampa arbeiteten, erhielten niemals ein ordentliches Grab. wenn námlich die unertrágliche Lage der Arbeiter zu spontanen Revorten drángte dann flo8 das Blut in Strómen, wurden die Toten nach Hunderten und rausenden gezáhlt. Julio cabezaund segundo Gutierrez sind unser e zeugen. ¡s*t.!:*:.:;,1:l ;&& l2s tr '11 .::: :a::a: :l ll l.]: r ii;lta: t:;: n :1'll $l rÉ ililiii. !*i: ."i]; i-iS,¡i ;a % ,., * "...E' !r$::! :,lr]t:t i:i:ir¡ :j:t;iji;ir: .rt ffi."*i 'g*' ru;á#tr r: ll,''l i r:ii :l Segundo Gutierrez: Ist'n Andenken. . . Bóses! An das Massaker. . . das Blutbad von Coruna. Das war 1925. Prásident der Republik war Arturo Allessandri Palma.. Ich war Heizer in der Gesellschaft- Von der Mine San Pablo. Don Ernesto Conzalez war Verwalter der Gesellschaft. Wir erzáhlten das mal so, wie das war bei San Antonio und Coruna mit dem Blutbad. ba fanden sich allerhand Arbeiter ein von der ganzen Mine. Kanton-Süd und Kanton-Nord. Auch aus San Antonio! Und es fing an . . . Wir wollten nach Papua zu 'ner Kundgebung, da óffentlich reden. Und da kam ein General von 'n Granaderos. Da wurde unser Zuggestoppt. Und wir durften nicht weiter, weil da unt€n im Tal, da standen acht Kanonen. Und wir daraufhin ab nach San Antonio. Da haben wir die Erlaubnis gekriegt - . . wir durften 'ne Kundgebung abhalten: Auf den Hügeln . bei San Antonio. Da kamen zwei Polizisten. Die sagten: SchlufJ, auseinanderl Und da griff ein Kumpel vofl uns. . . 'n Fehler! Tótete aus Versehen 'n Polizisten. Dann lief die Sache weiter. Wir die Beine in die Hand und weg! Nach San Pablo und da. : woanders. Was 5o in der Náhe war, zum Beispiel die Salpetermine Argentina. Ganz in der Náhe. Oder sehr viele verschwanden Richtung Mapocho. Und dann am náchsten Tag fing das Militár die Schie8erei an. Ihre Kanonen, die standen dort in der Mine Paposo. Sie zeigten mit dem Visier direkt auf San Antonio. Bereit zum SchieBen. Und weiter hatten sie noch welche da oben. Da standen acht von diesen Biestern. Kanonen von Krupp, Deutschland, sieben Komma fünf mit solchem Rohr. Die gaben mehrere Salven ab. Auf Coruna. In Coruna war inzwischen Verstárkung durch Mánner aus Felisa. Die Kurnpel sa8en auf Mulis; hatten Revolver und Dynamit, doch was nützt das gegen Regirnenter? Rein gar nichts ! Und da fühlten sie sich eben besiegt, geschlagen und besiegt. Die Minenkantine machte zv. Die Leute waren halbtot vor Hunger und stürmten die Kantine und brachten den Wirt um, weil er ihnen nichts gab. Und da in der Minenkantine der Gesellschaft Coruna war auch, da war Garrido, war da der Anführer. So ganz auf russisch, auf einem Rappen, 'ne rote 127 Mütze, der führte uns. Er führte uns an, uns alle, die Arbeiter' Es waren sehr viele da. Viele Hunderte, Tausende. Und Hunderte und Tausende von Leuten, die da umkamen, oben in San Antonio. In Coruna gab's einen, Don Franzisco Caceres, er ruhe in Frieden, der schlimmste Verbrecher. Er liefj die Leute aus den Háusern holen, aber immer abends um acht und einfach so, um sie umzubringen. Er schleppte sie rauf auf irgend'n Berg von San Antonio, an irgend'n Abgrund, und da stieB man sie runter. Das ist mein Bericht von der Minengesellschaft coruna und denen, die durch sie starben, die vielen Tausend. sie mógen in Frieden ruhen. I Julio Cabeza: Nun die Geschichte der Gesellschaft Marusia. von dem Streik, den die Kommunistsche partei, den sie durchgeführt hat in Huara. Das war im Jahr 1924 oder rg?5,da bildete man in der Mine Marusia 'ne Gruppe der Kommr¡nistischen partei. und bald wurde die Marusia von ihnen besetzt. Das geschah um halb sechs, morgens. Grad im rechten Moment, der richtige Zeitpunkt, dawar noch áiemand in der verwaltung. In Rosaria de Huara. und als die dann wach waren, da schickten sie gleich im Eilmarsch die Kavallerie von Arica. und zwar zwei Regimenter. und da waren auch zwei Lastwagen, und die fuhren gleich los, und sie hatten Befehl, alles abzuknallen. Aber wir hatten in der Marusia schon den Kampf aufgenommen. Man schoB in Marusia, schoB in Huara. und dann spáter auch in coruna, wo mein Kamerad damals lebte. SchoB, bis ein GroBteil der Leute von Huara getroffen war. und man fuhr sie auf Karren gleich weg. Das Blut floB in Strómen von den Karren. und man warf sie dann dort in den Brunnen, wo die Leute noch liegen. unsre compañeros. weswegen? Nur weil uns dieses Pack kein Brot geben wollte. uns und unsren Kindern! Ihr chef , der wollte es nicht. Er wollte, da8 unser Leben ro utrn-bl.ibt. Das hab ich zu berichten von dem streik hier von 25. Ich war da auf 'm Abfall als Maultiertreiber. und da konnte man schon. . . In der Nacht um zwólf uhr oder gegen eins, da holten sie aus den Háusern die Familienváter. und das weinen der Kinder.hórte man überall! Diese Mánner sah man nie wieder. Gegenüber von Rosaria Huara gibt's ein Kreuz, das nennt man das Kreuz des Mai! In der Gegend liegen 'ne Menge Leichen. unsre Kameraden. In Huara. ebenfalls. Ich hoffe, ich hoffe wirklich, daB sie sich immer an die Provinz Tarapaca erinnern. Immer im Gedáchtnis lebendighalten, was hier passiert ist, in dieser Provinz. 131 Wie sollten wir vergessen! Heute liegt wieder das Schweigen über dem GroBen Norden, das'Erinnern bleibt stumm. Das Land ist unerlóst. Nur zwischen 1970 und 1973 war.es móglich, hier ein offenes Bekenntnis zu den kámpferischen Traditionen zu hóren, in den kurzen Jahren der Freiheit im Zeichen der Unidad Popular. Im April 1973 hatten wir in der Pampa den Genbssen Eloy Ramirez 132 getroffen, einen stolzen und starken Mann, den werkleiter dernoch fórdernden salpeter-oficina victoria. Nach dem I l. September 1973 wird er verhaftet und in das 4000'Meter hoch gelegene Dorf Putre an der bolivianischen Grenze verbannt werden. Damals, im April, stand er aufrecht vor uns, inmitten gebrochener Caliche. Langsam zog der Rauch der letzten Sprengung ab. 133 Eloy Ramirez: Also ich kam hierher in den Norden, das war so ungefáhr imJahre 1913. Kurz vor dem ersten Krieg in Europa. Ich war gerade acht Jahre. Als ich herkam. Acht Jahre alt. Da brachten mich meine Eltern in die Salpeterpampa von Capotilla. Ich hab hier Zeitungen verkauft. Die Tageszeitung " La Correspondancia ". Sie kam von Capotilla. Hierher in die Pampa. In der viel erzáhlt wurde über den Krieg von vierzehn. . . Und auf einmal kam dann die Revolution im Jahre 1917. Ich weiB nicht, wiesp, aber bei mir. . . Ich spürte, als ich das hórte, einfach Sympathie für die Russen. Wie sie die Revolution gemacht haben. Für die Arbeiterbewegung, die's bei "ihnen gab. . . Obwohl ich noch sehr jung damals war. Und. . . meine Eltern schickten mich dann arbeiten. Weil es für uns damals in rlen Salpetergesellschaften nur ganzwinzige Schulen gab. Drei Grundschulklassen, das war alles. Mehr gab's da nicht. Keine mehr! Ich konnte sie nicht besuchen. Als meine Eltern miph arbeiten geschickt haben, war ich knapp neun Jahre alt. und das Und da muBte ich. . . überall, wo gesprengt wurde .wurde gemacht, um danach den Boden wegzuráumen - dann muBte ich in das Sprengloch kriechen mit 'ner kleinen Schaufel, die n-ran mir gab. Das 'n ganzen Tag! Von morgens an! In aller Frühe, schon um sechs Uhr, stand ich auf und ging barfu8 los. Ohne Schuhe! So stapfte ich los, über die Schulter den Beutel geworfen, die Arme ineinander verschránkt. . . So fror ich! Die Augen voll Tránen, Tropfen an der Nase, egal, die Beine liefen tapfer drauflos. Zur Arbeit hin. Ich hab nur 20 Pesos und 80 Centavos damals verdient. Spáter hab ich dann schreiben und lesen gelernt. Weil ich es . . . Ich hatte die feste Absicht eben, was zu lernen, nicht? Und darum ging ich zur Schule, immer nach der Arbeit. Eine Señorita war damals mein Lehrer. Bei ihr lernte ich. Sie brachte mir die ersten Buchstaben bei. Und spáter ging ich. . . und bildete mich weiter in unsrer Arbeiterorganisation. In der Gewerkschaft, in die ich eintrat, sie hieB damals. . . das war der Arbeiterbund von Chile. Gegründet von dem Genossen Luis Emilio Recabarren. Und da hab ich 134 I i . ,1 ,,.,.iF U l!11 !::r 1 t:::;:;, .a¡ i::::::: ii:! ii . I35 gelernt. Und zwar sehr viel. Und dann begann ich zu arbeiten,. kriegte Verbindung zu den Arbeitern, und die wáhlten mich dann, zu ihrem Vertreter. Ich war für sie ein bi8chen mehr, ich wuBte ein biBchen mehr. So wurde ich ihr Gewerkschaftsführer. Ich arbeitete also da in der Pampa. Stampfte den Salpeter. Stampfen, so nannten wir's. Dafür hatten wir so einen Hammer, so groB!Der mindestens 25 Pfund wog. Und damit schlug man auf diese riesigen Klumpen. So lang; bis sie klein waren, ungefáhr so wie der. Auf diese GróBe!Dann wurde . . . muBtenwir sie aufladenauf solche Wagen. Und die haben wir dann beladen mit diesen Hánden, so, diqse Brocken. Und zwar hoben wir sie hoch und warfen sie mit Schwung in den Wagen. Millionen von Salpeterklumpen haben unsere Hánde bewegt. Denn wir begannen mit der Arbeit schon um drei Uhr morgens. Und das gingbis zwei, drei Uhr!Wir verdienten 15 Pesos. Nach so einem Arbeitstag war man total fertig. Ausgelaugt bis auf die Knochen! Jeden Tag war man erschlafft, todmüde, erschópft. Und dann kam man. . . kam man in sein Zuhause, hat sich gewaschen . . . 'n Bad hatte niemand von uns. Wir nahmen uns eine $chüssel, darin wuschen wir uns, was andres gab's nicht im Haus. Und dann haut man sich zu Hause . . . hin . . . im Zimmer, erschópft, ermüdet, um dann den náchsten Tag wieder früh zur Arbeit zu gehen. So lief das hier ab. Das waren die Bedingungen, unter denen wir früher arbeiteten. Es gab hier keir¡e sozialen Gesetze, es gab hier nichts, nichts, absolut gar nichts. Wenn jemand bei der Arbeit einen Unfall hatte; sich den Finger abschnitt, dann war dbr Finger eben ab. Oder die Hand abhackte, dann war sie abgehackt, eben weg. Und wenn sie 'ne Sprengung machten, den Salpeter sprengten, dann flog ein Haufen Brocken durch die Luft wie bei einem Vulkanausbruch. Dann muBte man aufpassen und schleunigst türmen. Kriegte man so 'n Ding ab, war man futsch. Einfach futsch! So war das hier. 136 i t37 Pablo Neruda Recabarren, Chiles Sohn, Vater Chiles, du unser Vater, aus deinem Werk, aus deiner Linie, geschmiedet in Erdenzonen und Qualen, erwáchst der kommenden, der sieghaften Tage Kraft. Du bist das Vaterland, Steppe und Volk, Sand, Ton, Schule, Haus, Wiedererstehen, Faust, Offensive, Ordnung, Aufmarsch, Angriff, Weizen, Kampf , GróBe, Widerstand. Recabarren, unter deinen Blicken schwóren wir, das Vaterland zu befreien von Wunden und Verstümmelung. Wir schwóren, daB die Freiheit ihr Blühen unverhüllt erheben wird auf der entehrten Erde. Wir schwóren, fortzusetzen deinen weg bis. r38 zum Sieg des Volkes. Santiago, in einer Straf3e der Unterstadt. Im ErdgesehoB eines Wohnhauses unterhált die Kommunistische Partei Chiles ein kleines Museum, das den Namen Luis Emilio Recabarrens trágt, Genosse Julio . . ., der uns einláBt, trágt am Revers seines Anzugs das Abzeichen der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Erinnerung an einen Freundschaftsbesuch in unserer Republik. In den Ráumen schattige Kühle. Nach hinten óffnet sich die Wohnung auf einen kleinen Lichthof: Da steht, unter schützendem, lichtdurchlássigem Dach, eine alte Druckmaschine, auf der did ersten Artikel Recabarrens vervielfáltigt wurden. An der Wand, gerahmt und unter Glas, eine blutgetránkte Zeitungsseite: Es ist das Blut der Genossin Ramona Parra, Funktionárin des Kommunistischen Jugendverbandes, die im Jahre 1948 bei einer Demonstration in Santiago erschossen wurde. Eine Lenin-Büste: Geschenk des Zentralkommitees der KPdSU zum 50. Jahrestag der Gründung der Kommunistischen Partei Chiles im Jahre 1972.. . Hier haben wir gefilmt und fotografiert. Gerade noch zur rechten Zeit; denn das Fartei-Museum wurde im September 1973 zerstórt, seine wertvollen Bestánde vernichtet Zeuge Julio.. ., der uns führte und erklárte, begann da, wo alle Geschichte der Arbeiterklasse Chiles beginnt: im GroBen Norden. 139 t Julio. . .: In diesem Museum haben wir die Kleidung und Werkzeuge der Arbeiter der Pampa ausgestellt. Aus den Jahren, als man den Salpeter noch manuell gewann' also sehr prirnitiv' so fest Sotctre Stiefel trugen die Arbeiter. Sie waren deswegen gemacht, damit sie lange halten, nicht gleich zerfallen in der gliih"nden Hitze, die die Platten ausstrómen. und da herrschte eine enorme Hitze. DiesenHammerhattensieTagfürTaginderHand,umdamitdas sie die Menge harte Salpetergestein in Stücke zu klopfen. Bis ",rru**.n 140 hatten, die man.táglich von ihnen verla¡rgte' l1 Das hier ist die Caramayola. Wir haben sie so genannt. Sie istganz primitiv, ganz aus Blech. Darin haben wir uns immer das Trinkwasser mitgenommen. Zur Arbeit in der Pampa. Geht zwar nicht viel rein, aber es muBte reichen, sowohl für den Vormittag als auch für'n Nachmittag, bis zum Feierabend. Diese Geráte, damit entdeckt man den Salpeter. Erst kratzt man damit 'ne Platte frei und probiert und probiert, dann nimmt man die brennende Zündschnur und hált sie ans Gestein. Und gibt's dann dabei lauter Funken, dann war's Salpeter. Wenn nicht, dann war es kein Salpeter und dann, dann warfen wir es beiseite, suchten weiter, bis wir eben was fanden. Weil wir nur Salpeter bezahlt bekamen. a, ¿ ü t Hier haben wir auch noch einen ziemrich kleinen schuh. Es arbeiteten damals sehr viele Kinder. Bei uns waren sie schon ab sechs Jahre in der Mine. weil es keine schulen gab und weil sie eben arbeiten mu8ten. Ich selbst, ich war auch sieben Jahre alt, cta ging ich das erste Mal zur Arbeit. t41 I =iiz;:,r;l ;iiAi¡r'ist Und das ist der Stock, mit dem man uns bestrafte, clarum der Name. Man wurde gefesselt. Die gebráuchlichste Strafe für die Arbeiter. Manche muBten bis zu vierTagendarinbleiben, nur weil sie einmal den Patron schief angeguckt oder ihm heftig geantwortet hatten. Schon das hat dafür gereicht. Auf diesen Bildern sieht man die Chefs. Die Chefs der pampa. Aufseher und Zahlmeister. Das war'n alles chilenen. und wenn ich ehrlich sein soll, wir ha8ten sie mehr als alle anoren. sie haben hier die Leute miBhandelt, mehr als unsere Ausbeuter aus England und Deutschland, also die wahren Ausbeuter. Sie waren es, die die MiBhandlungen an der Arbeiterklasse ausführten. *f*-! ffi ws-l ##, r44 ffi &.:**, # :,,r#' "' ru trt K *i f,: ri s. ri ti fl $.!* 1", Das ist ein Meeting der sozialistischen Arbeiterpartei. Das war anláBlich des l.Mai im Jahr 1913. Da sind viele, viele von den Jungs, die damals in der Pampa arbeiteten, und darunter bin auch ich. Hier, dieser! Noch jung, ich war damars gerade vierzehn! Ein Jahr spáter, 1914, wurde ich Mitglied in der sozialistischen Arbeiterpartei. t4_s \ , Chilenische Arbeitergeschichte . . . Kurz nach dem Erscheinen der , Geburtsurkunde des wissenschaftlichen Sozialismus, des Kommunistischen Manifests, wird 1850 in Chile die " Sozietát der Gleichheit " gegründet. 1875 ist der Jahrgang der ersten Arbeiterzeitung " El Proletario r'. 1886: Brüderliche Arbeitervereinigung. 1897: Sozialistischer Bund. 1912: Sozialistische Arbeiterpartei (in diese Partei ist Genosse Julio. . l9l4 eingetreten). 1922 gründet Recabarren die Kommunistische Partei. Die erste Landarbeitergewerkschaf t entsteht 1928. Die Sozialistische Partei 1933; zu ihren Mitbegründern gehórt Dr. Salvador Allende Gossens. 1936 bildet sich zwischen den Arbeiterparteien und radikalen bürgerlichen Kráften die erste " Volksfront ". Wichtiges Ereignis: . il m il die Gründung der Einheitsgewerkschaft (cur) im Jahre 1953. Dann 1956: die Front der volksaktion (FRAP). schlieBlich 1969: Unidad Popular - Volkseinheit. Doch in den fünfziger Jahren hatten die Kommunisten chiles eine Zeit schwerer Prüfungen zu bestehen. Im GroBen Nordenliegtein ort, der zum symbol dieser prüfungen geworden ist. Als wir ihn das erste Mal besuchten, war das ein Blick zurück in die chilenische Geschichte. . . Am steuer unseres wagens, wáhrend stundenlanger Fahrt durch die Pampa, saB einGenosse. Am Ziel erwies er sich als berufener Zeuge. ? ji$i., ijii:i6:t:: ¡ii= *"i Genosse Benedic¡. . .: óie. i.t das Konzentrationslager von Pisagua. Man brachte uns mit der ersten Gruppe von etwa 400 Verbannten, und alle aus der ganze salpeterpampa, hierher. In einem Eisenbahnzug, der die Wüste durchquerte. Dort auf diesen Berghángen, da waren fünf die Maschinengewehrstellungen ausgehoben. Damit hatten sie die ganzeUmgebung unter Kontrolle und hielten uns in Schach, etwa Insassen des Konzentrationslagers. Zur náchsten ortschaft keine 40 Kilometer, sonst nur wüste. Es gab also überhaupt ztrf Flucht. Denn übers Meer war es ebenso Móglichkeit r4l{ unmóglich. wie hátte man wieder ein ufer erreicht? Alles war gut zu bewachen. Man brauchte nur ein Maschinengewehr gegen Süden und eins noch gegen Norden zu richten, und einen weg hinaus gab es nicht. so daB rnan die 15 Monate im Konzentrationslager durchstehen muBte. Es waren 15 Monate Martyrium. . . Ich kam mit den ersten hier an. . . und ging mit den letzten wieder weg. Gebracht hat man uns per Eisenbahn und abtransportiert, die letzte Gruppe, mit .ner Barkasse. und erst heute nach 25 Jahren bin ich das erste Mal an diesen Ort wieder zurückgekommen 149 Wir hatten Pisagua sehen yolen; denn durch Studien zur jüngsten chilenischen Geschichte wuBten wir um den Signalcharakter dieses Namens. SChon in Santiago hatten wir uns um die wenigen erhalten gebliebenen Fotodokumente gesorgt, die die wechselvolle Vergangenheit des kleinen Hafenstádtchens belegen. Da war jener Stich; der Pisagua als Salpeterhafen zeigf Von Hand werden fragile Boote mit dem sackweise abgefüllten Salz beladen. . . Spáter, als die Salpetergewinnung in diesem Teil des Nordens zur Bedeutungslosigkeit sank, büBte auch Pisagua seine wirtschaftliche Rolle ein. Nur einige wenige Fischer, eher Selbstversorger als Hándler, benutzten die verbliebenen Hafenanlagen. Dennoch entstand in,Pisagua noch ein respektables, festes Haus: ein rotweiBes Gebáude, das karreefórmig einen freudlos-glatten Betonklotz umschlieBt. Ein Zuchthaus das Ganze, und das 150 weltabgeschiedene Hafenstádtchen fortan mit üblen Assoziationen belastet. Als unsere Genossen hierher deportiert wurden, muBten sie noch provisorisch untergebracht werden, zunáchst in einem heute mehr oder weniger verfallenen Spital, dann in verschiedenen früheren Funktionsgebáuden des Hafens, in einer verwaisten Markthalle gar. Hier lagen die Genossen Luis Corvalán, Volodia Teitelboim unter ihnen auf dem blanken Boden, bis sich der Ort in seine Rolle als Verbannungsstátte gefunden hatte; da nannten die Gefangenen eine ihrer Unterkünfte < Villa Ley Maldita n ,.Haus des verfluchten Gesetzes". Wir waren hierhergekommen wie an eine historische Státte. Hófliche Bewirtung im Hause des Polizeigewaltigen des Ortes, es gibt allerhand Meeresgetier, und unter den Essern auch der Lehrer, ein Kommunist. Wir wissen heute zu unserem Schmerz, daB dieser Genosse Lehrer nicht mehr lebt. Er wurde nach dem 11. September 1973 umgebracht. Damals aber, irn chilenischen Sommer 1973, gab es bei Tisch viel Lachen und Scherz, und Versonnenheit nur, wenn wir einem der habichtgroBen Vógel nachschauten, die, aufwindgetragen, in immer weiteren Kreisen über Pisagua in den Himmel aufstiegen: Wie oft niógen die Augen unserer einst hier gefangenen Genossen diesen Fliegern gefolgt seii, und wohin gingen dabei ihre Gedanken? t-5 I I\ i\ .fueg* w#.&,." wre & *,,, *é ,-? r'Ú * r53 auch für Es war eine Reise in die vergangenheit, Genossen Benedict . . ., der sich erinnerte: dieser mich' woran ich mich erinnere aus für Wicntigste das ,Ja, ZeitimKonzentrationslagerPisagua,istderHungerstreik,denwir durchführten'OerStreikda"erte15Tage'undwirhielteneisern durch,¿.""*i'wolltenaufdieArtunsreFreiheiterzwingen'Ich erinneremichdabeiauch,wobeiichdas..nochalsviel bedeutungsvollerbetrachte,anunserstudiumdesMarxismus,das wirdortindiesemKonzentrationslagerbetriebenhaben.Daswar imwahrstenSinnedesWorteseineUniversitátdesLebens. ljL'i ,¡rrfuo. f ,ii a:*.1.j.¡: j z. ; .ta.: aa:l a\ 4.., . '."- 1 i 155 wie. konnte es.geschehen, daB in chile die Kommunistische partei in den Jahren 1948 bis 1958 durch ein .. Ley Maldita ¡¡ si¡ verfluchtes Gesetz in der Illegalitát wirken muBte? April 1973 in santiago. Die Reaktion isr entráuschr; sie hat bei den Parlamentswahlen vom 4. Márz ihr ziel nicht erreicht. Der plan, durch ,die Gewinnung einer Zweidrittelmehrheit in beiden Kammern des Parlaments die Regierung Ailende noch vor Ablauf ihrer Arntszeit legal zu stürzen, ist gescheitert nun bieten erst " " die náchsten Prásidentschaftswahlen 1976 wieder eine chance, die vereinigte Linke loszuwerden. ist bezeichnend für das -. Es politische Klima dieser Tage im April, daB sich jetzt,nach vielen Jahren des Schweigens, der Mann wieder in der óffentlichkeit zu wort meldet, der 1948 die Kommunisten chiles in die Illegalitát schickte : Ex-Prásident Gabriel G onzalez Videla. G onzalez v idela w ar 19 46 - im zeichen breite r antif a s chi s tis cher Zusammenschlüsse nach dem zweiten wertkrieg mit den - auch gewáhlt stimmen der chilenischen Kommunisten zum prásidenten worden. wie es dazu kam, daB Gonzalez videla spáter seine wáhler verriet und sie auBerhalb der bürgerlichen Gesetzlichkeit stellte, wollten wir gerne von ihm selbst hóren, aus seinem Munde und aus seiner Sicht. Das weitláufige villengrundstück der Familie Gonzalez ist von einer übermannshohen und bewehrten Mauer umgeben. Eine Pforte, die durch die Mauer führt, mehrfach gesichert und von kráftigem Personal genau bewacht. Das palais inmitten gepflegter Grünanlagen ist luxuriós ausgestattet; in einem besonderen Kabinett bewahrt der alte, aber noch sehr bewegliche kleine Mann, dem der Kopf tief in den schultern sitzt, die Insignien seiner früheren Macht: schülterband und stern. Daneben orden in Hülle und Fülle, auf samtenem Grunde in glásernen vitrinen. Auf Bücherborden und an den wánden kostbar gerahmte, mit persónlichen widmungen versehene Fotos gekrónter und ungekrónter Háupter, mit denen der Ex-prásident in den Jahren 1946 bis 1952 persónlich zu tun hatte. Als Gonzalez videla in einem Sessel Platz nimmt, versinkt er tief. Denkt er manchmal daran. 157 ) t daB er als Vater des..verfluchten Gesetzesu.in die Geschichte Chiles eingehen wird? Gonzalez Videla: Aber mit Vergnügen, denn dieser Fakt ist für mein Land von historischer Bedeutung. Es wurde damals auch in ganz Amerika bekannt, warum ich dann den Bruch vollzog mit den Kommunisten, die zuerst an meiner Regierung beteiligt waren. Man muB davon ausgehen: Ich war Prásident der Republikin einer Epoche . . . gaflz kurz nach Ende des Krieges. Kurz nach Ende des zweiten Weltkrieges. Mein Kabinett war. . . Ich bildete mein erstes Kabinett auf der Grundlage sámtlicher linken Parteien, Radikale, Demokraten und einige von den, von der Liberalen Partei, und die Kommunistische Partei. Die Kommunistische Partei, der ich bescheinigen inuB, daB sie im Rahmen der demokratischen verfassungsmáBigen Normen handelte, behieit die Position, bis spáter Stalin die Politik veránderte, die der Zusammenarbeit mit'n Alliierten, dieses Bündnis zerriB und seinen berühmten kalten Krieg begann. Zu aller Leidwesen ist die Kommunistische Partei von Chile, genauso wie auch andre Parteien in Europa, ist ein ergebener Gefolgsmann der sowjetischen Politik. Ihnen fehlt die Unabhángigkeit in jeder Beziehung. Das brachte auch automatisch dann mit sich, als dann von Stalin die Order erging zu dem Bruch mit den USA, und der daB Forderungen an kalte Krieg begann -, mich von den Kommunisten gestellt wur158 i den, die darauf hinausliefen, mit den Vereinigten Staaten absolut zv brechen zugunsten der Politik der. . . von Ru8land. Ich sollte sie befolgen, den kalten Krieg auch zu meiner Sache machen. Wir müssen unsere Filmrollen wechseln. Wáhrend Gonzalez Videla selbstvergessen in der Nase bohrt, gehen uns die Antithesen durch den Kopf : Der kalte Kriegbegann bekanntlich damit, daB die USA darangingen, die Machtpositionen des deutschen Imperialismus zu restaurieren, und zwar durch fortgesetzten Bruch des Potsdamer Abkommens mit eindeutig antisowjetischer StoBrichtung. Kalter Krieg war die Politik des .. roll back ", wie Harry S. Ttuman und John F. Dulles sie betrieben, um die Ergebnisse des zweiten Weltkrieges rückgángig zu machen und die Sowjetunion globalstrategisch einzukreisen. Kalter Krieg war es nun, und so weiter. Es lohnt nicht, mit Gonzalez Videla über Ursachen und Wirkungen in der Nachkriegsgeschichte zu streiten. Denn ér war selbst eine Figur des kalten Krieges, einer seiner lateinamerikanischen Exponenten, als er sich bedingungslos auf die Position des Antikommunismus begab und die Interessen der USA über die von Chile stellte. . . 159 und die Abschaffung des Gesetzes war sein Wahlschlager. Und darum hat er es dann annulliert. Sonst wár'n wir nie in die schlimme Lage geraten, in der wir uns befinden, wenn dieses Gesetz bestehengeblieben wáre, für immer. F.: Wenn Sie heute wieder Prásident von würden Sie wieder solche Chile wáren MaBnahmen ergreifen wie damals? A.: Dann wár's mehrl Ich würde eS tun, und ich glaube, noch andre! Unser gesamtes Land, unser demokratisches aufrechtes Land wird solche Mafinahmen wollen. Es gábe ein neues Pisagua, es gáb auch, gáb das Gesetz zur Verteidigung der Demokratie, um die Kommunisten zu bándigen. Dessen bin ich mir absolut sicher. 162 Aber sie machen weiterIch bin sicher, daí sie uns nach einiger Zeit probleme sch,affen werden. verfluchte Gesetz ,,, das Gabriel GonzalezVidela einen platz in der chilenischen Geschichte sichert, nannte sich ., Gesetz zur Verteidigung der Demokratie ". 5e¡¡. Autoren waren noch darauf bedacht, der antikommunistischen Repressalie den Anstrich der Legalitát zu geben. Dergleichen hat die derzeitig in chile herrschende Militárjunta nicht nótig; denn sie hat mit ihrem putsctr vom 1 l. septemb er 1973 nicht nur die Regierung der unidad popular, sondern zugleich die bürgerliche Demokratie abgeschafft. wohl durften die noch lebenden ehemaligen Prásidenten chiles dabeistehen und zusehen, wie sich die neuen Herren eine Messe lesen lieBen, aber das war nur eine landesbráuchliche Formsache. so stand dann neben dem diensteifrigen Antikommunisten GaLrriel Gonzalez videla auch Ex-Prásident Jorge Alessandri, den eine Kamera dabei beobachtet hat, wie er kopfschüttelnd und die welt nicht mehr verstehend an der ausgebrannten Moneda vorübergeht. und neben Alessandri stand der groBe Sozialdemagoge Eduardo Frei, Das ., 163 der Amtsvorgánger Salvador Allendes, der in den drei Jahren der Regierung der Unidad Popular nichts unversuchtgelassenhat, das Land in ókonomische und politische Krisen zu stürzen; er hatte geglaubt, die Militárs würden für ihn gewissermaBen die Dreckarbeit besorgen, als sie die Regierung Allende wegputschten nun brauche er nur noch auf den Ruf in ein neuerliches -Prásidentenamt zu warten Nichts von dem aber geschah. Die Militiirs schickten nicht nur die Parteien der Unidad Popular in die Illegalitát, sondern auch die bürgerlichen Parteien nach Hause, die doch so fest darauf gebaut hatten, nach dem I 1. September die Früchte der Obstruktionspolitik ernten zu kónnen, die sie bis zu diesem Tag betrieben hatten. Das Parlament wurde aufgelóst, die verfassung suspendiert. An eine Rückkehr zu den verfassungsmáBigen Zustánden vor dem Putsch denkt die Junta nicht. was also haben sie gewonnen, die Gonzalez, Alessandri und Frei? Nichts. sie sind die betrogenen Betrüger. Das Ende der Regierung Allende brachte chile nicht, was sich die bürgerlichen politiker persónlich davon erhofften, sondern das Kriegsrecht. zu Gonzalez videlas Zeiten hatten die Háftlinge in pisagua ihr Lager mit einem Schild versehen: Villa Ley Maldita,, < " - Haus des verfluchten Gesetzes. > Heute heiBt es am Lagereingang: prisioñeros de Guerra. pisagua. ,, " Campamento Militar. Frl H ffi w ffiwffiw@W il %eW%ruw& Die Militárs betrachten also ihre Háftlinge als " Kriegsgefan- gene>. Gefangene welchen Krieges? Die Militárs behaupten -und begründen ihren Terror damit in Chile herrsche der Zustand -, eines ., inneren Krieges r. Aber jeder Beobachter und Kenner der Situation Chiles nach dem faschistischen Putsch vom 11. September 1973 weiB, daB von einem .. inneren Krieg in Chile keine Rede " sein kann; die Behauptung ist durchsichtig und eigens zu dem Zweck in die Welt gesetzt worden, selbst auf den Anschein einer Rechtlichkeit verzichten zu kónnen. Solange \ Chile auch nur ein o Kriegsgefangenenlager > existiert, erfüllt das bhilenische Militár die ehrlose Funktion einer Besatzungsmacht im eigenen Land. Pisagua nach noch nicht einmal Jahresfrist wiederzusehen das ist ein bitteres Erlebnis. Der würfelfórmige Gefángnisblock wurde von den dort üblicherweise untergebrachten Kriminellen geráumt. Einbrecher, Taschendiebe, Zuhálter, Hochstapler und Sittlichkeitsverbrecher durften ihre Zellen verlassen, wurden entweder amnestiert oder umquartiert. In den Betonklotz rückten dann Tage spáter die den Militárs gefáhrlicheren u Verbrecher " ein: Genossen der Unidad Popular, politische Aktivsten. Der Gefángnisbau ist heute überbelegt. Arbeitskommandos, zusammengestellt aus den ersten Háftlingen, reparierten in Eile die Bruchbuden aus der Verbannungszeit, die mit Gonzalez Videlas Namen verbunden ist. In die alten Verschláge wurde dann auch,.mancher junge Genosse eingewiesen, dessen Vater vor ihm in Pisagua war. Immer wieder ziehen Kolonnen durch den Ort. auf dem.Weg zü oder von der Arbeit. Militárlieder singend. Mit Vorliebe wird der Gesang eines Liedes befohlen, das in dem Regiment entstanden ist, in dem der Juntachef Pinochet in jüngeren Jahren Dienst getan hat. Von den wenigen StraBen des Ortes sind nahezu alle für Zivilisten gesperrt. Auf der Hóhe sind einige Jeeps mit rückstoBfreien Geschützen in Stellung gebracht. Schwer einzusehen, warum; denn Pisagua ist ebenso wie Chacabuco ein der Wachmannschaften Platz, keine Probleme aufgibt. r66 -r-!a¡E '+:ii .1' ::i é, :i : : ft rr'#,,F 'P"**6g6.ü,"_ ,: -+ !i! *:,.t,1, :r:.:l::lrll: I ": -::: ::::t :jiit-s-1$i::iái¡riftillriErtii:t trtt tt I tttt I \itu- tt I ia4i 169 .,'K.s i:,i:i .:.'l,: :- & ,8, :ir!r :i:'; l!1$i ,ili:ri: ¡ ¡:rr:,:.::r;: F: F.: Kónnen Sie uns bitte Ihren Namen sagen? A.: Mein Name ist Luis Velazquez Galvez. F.: Seit wann sind Sie in Pisagua? A.: Seit dem 6.Dezember 1973. F.: Waren Sie Mitglied irgendeiner politischen Partei? A.: Ja, Mitglied der Kommunistischen Partei. 170 F.: Wie hei8en Sie? A.: Jesus Humberto Marin pastene. F.: Waren Sie Mitglied irgendeiner partei? A.: In*der Sozialistischen Volksunion, USOpO. F.: Seit wann sind Sie hier? A.: Seit dem 24. September. 171 1W l l F.: Ihr Name, bitte. A.: Sergio Bassal Zuniga. F.: waren Sie Mitglied der Kommunistischen oder der sozialisti- schen Partei? A.: Nein, Señor. F.: Was machen Sie hier? A.: Ich bin in Vorbeugehaft, bis mein Proze8 an der Reihe ist. 172 F.: Kónnen Sie uns bitte Ihren Namen sagen? A.: Enrique Vandame Aldana, Señor. F.: Wann sind Sie nach Pisagua gekommen? A.n: Am 6. Dezember. F.: Gehóren Sie einer politischen Partei an? A.: Ja, mein Herr. F.: Welcher Partei? A.: Der Kommunistischen Partei. Mitglied der Kommunistischen Partei. t73 I I i ; F.: Kónnen Sie uns bitte Ihren Namen sagen? A.: Mein Name ist Carlos, meinen vollstándigen Patricio Prieto Pavez. F.: Waren Sie Mitglied irgendeiner Partei? A.: Nein, war unabhángig. F.: Seit wann sind Sie hier in Prsagua? A.: Ich bin in Pisagua seit dem 4. Oktober 1973. 174 Namen? Carlos F.: Kónnen Sie uns bitte Ihren Namen sagen? A.: Alberto Lorenzo Lopez Perez. F.: Waren Sie Mitglied irgendeiner Partei? A.: Anhánger der Sozialistischen Partei. 175 F.: Wie heiBen Sie, bitte. A.: Mein Name ist Doktor Wladislaw Kuzmició Calderón' F.: Waren Sie Mitglied irgendeiner politischen Partei? A.l Nein, ich war nirgends Mitglied. In keiner Partei. F.: Seit wann sind Sie hier in Pisagua? A.: Seit dem 30. November. F.: Was machen Sie hier in Pisagua? A.: Ich bin hier in meinem Beruf tátig als Arzt für alle politischen Gefangenen und auch für das Militárpersonal. Dazu gehórt auch das Personal, das sich aufierhalb des Lagers befindet, im Ort. 177 F.: Dürfen wir Ihren Namen erfahren? A.: José Steiner Montes. F.: Waren Sie Mitglied irgendeiner politischen Partei? A.:. Nein, ich war auch niemals Mitglied einer Partei. Gehórte zu den unabhángigen Linken. F.: Und augenblicklich sind Sie hier als Gefangener? A.: In Verwahrung, solang'man über mich Erhebungen anstellt. F.: Sie arbeiten hier als Arzt? A.: Als Arzt, ja. F.: Warum befinden Sie sich hier? A.: Also ich vermute, daB... daB man über mich nachforscht, weil ich mal einen Kursus für Sportmedizin besucht habe in Kuba. Dieser Fakt nun, der macht. . . macht mich in hohem MaB, so da¡f man's wohl nennen, macht mich verdáchtig. Vielleicht hab ich da noch andres getrieben und studiert! Ich fuhr nach Kuba im 178 Oktober vorigen Jahres. Für einen Monat. Wir fuhren hin, um eir¡en Kursus für Sportmedizin zu besuch.n, *"itln Iquique, in 'ier smdt' in der wir unsren neruiuurtiben als Arzt dagab,s einen Pan' da hatte man gerade einenpran für allgem.ir. sr"rrerziehung L'eschlossen. Dazu sollten durch uns medizinische barrieben werden. Deshalb schickte mun un, S¡udium nach Kuba. Forschungen iii,;;;;""arzum '$ s s #$ F.: Wie heifjen Sie, bitte. A.: Adolfo Aranda Ponce. F.: Seit wann sind Sie hier in Pisagua? A.: Seit 11. Dezernber. F.: Waren Sie Mitglied einer Partei? A.: ,Ich war bei der Radikalen. Und ich war Gewerkschaftsfunk' tionár zuletzt, bis sie mich hierherbrachten' am l1.Dezember, voriges Jahr. F.: Was machen Sie beruflich? A.: Bin SchweiBer. F.: Wie verbringen Sie Ihre Tage? A.: Wissen Sie, die verbringt man am besten. . . raus an die Luft und sich irgendwie zu bescháftigen, daB man nicht allzuviel zum Nachdenken kommt über das, was uns vielleicht noch erwartet. r80 i "Úber das, was uns vielleicht noch erwartetr'- das ist ein undefinlerbarer Zustand. wir hatten in santiago versucht, Genaueres über den status der Háftlinge des Pinochet-Regimes zu erfahren. Aber der Pressesekretár der Junta, Federico Wiloughby, drückte sich vollends verwaschen aus: Dieser Zustand des inneren Krieges, in dem wir uns befinden, erlaubt es unsren Behórden, Leute von einem Ort zum andren zu schaffen. Und die in dieser Lage sind, sie sind zwar verhaftet, aber nicht Gefangene. Es gibt eben Personen, die sind an ganz bestirnmte Orte verbannt. F.: Herr Pressesekretár, 4us welchen Gründen erlaubt es die Regierungsjunta den Vertretern der Óffentlichkeit nicht, die Gefangenenlager zu besuchen? A.: Sie fragen mich, weswegen man nicht den Leuten es gestattet, die Verhafteten zu besuchen. Ich glaube, das diktierten uns gewisse Überlegungen humaner Natur. Ich finde es einfach furchtbar, ein menschliches Wesen zu betrachten, wenn es leidet. Mir gefállt nicht, den Menschen in einem Moment. . . in einer Lage zu zeigen, wie eben der unbequemen eines Gefangenen. Ich glaube, daB das seine Würde verletzt. l8r Das ist ein Zynismus, der kaum noch zu überbieten ist, diese sorge um die Menschenwürde. sie haben die Menschenrechte au8er Kraft gesetzt, als sie Zehntausende folterten und mordeten, als sie in Nacht-und-Nebelaktionen riesige Gefangenentransporte zusammenstellten, Eheleute auseinanderrissen, váter und Mütter von ihren Kindern, sóhne und róchter von ihren Eltern trennten. #$iit 182 Und dann erfrecht sich der Sprecher der Junta, das Wort Menschenwürde in den Mund zu nehmen. . . Es hat uns tief betroffen, in dem Verbannungsort Pisagua auch auf eine Gruppe weiblicher Gefangener zu treffen, vorwiegend junge Frauen, in der Blüte ihrer Jahre. Wir fanden sie ruhig, gefaBt und was sie ausstrahlten, war Würde. :'".::"::-T:TE . '#^*' *""ffi'" ñ r83 -- ,,,.riu,, . ;.;xl , ffi F.: Seit wann Sind sie hier, Señorita, seit wann sind Sie hier? A.: Ich? Seit dem ZL.Dezember. F.: Waren Sie Mitglied irgendeiner partei? A:: Nein. F.: Bis wann denken Sie, daB Sie hierbleiben werden? A.: Hab keine Ahnung! 184 r:;rrÁi F.: Wie ist bitte Ihr Name? A.: Edelmira Escobar. F.: Waren Sie Mitglied'irgendeiner partei? A.: Syrnpathisant F.: A.: einer Partei. Seit wann sind Sie hier in Pisagua? Jetzt sind's wohl zwei Monate. 185 F.: Seit wann sind Sie hier? A.: Auch seit dem ZL.Dezember, Señor. F.: Waren Sie Mitglied irgendeiner Partei? r A.: Ja, Señor. F.: Bis wann denken Sie, daB Sie hierbleiben werden? A.: Ich habe keine Ahnung, Señor. 186 F.: Wie ist Ihr ln{ame, bitte? A.: Nadia Careia. F.: Seit wann sind Sie hier? A.: Seit 6. Dezember. F.: Waren Sie Mitglied irgendeiner partei? A.: Ja, Mitglied der Kommunistischen partei. r87 F.: Wie ist Ihr Name, bitte? A.: Leonor Alvarez Reyes. F.: Waren Sie Mitglied irgendeiner A.: Nein, von keiner. F.: Seit wann sind Sie hier? Partei? s A.: Seit dem 23. November. F.: Und bis wann werden Sie bleiben? A.: Solange 188 es der Kommandant anordnet. 3¿i¿íi::.i;i;:., F.: Wie ist Ihr Name, bitte? A.: Ines Cifuentes Castro. F.: Seit wann sind Sie hier? A.: Bald den dritten Monat! F.: Waren Sie Mitglied irgendeiner partei? A.: Sympathisantin! Durch die Arbeit F.: Wann denken Sie, daB Sie Pisagua verlassen werden? A.: Ich weiB nicht, Señor. 189 F.: Wie ist bitte Ihr Name? A.: Patricia Pizarro Latelier. F.: Bitte, seit wann sind Sie hier? .d.: Im Lager eingeliefert wurde ich am 15. November 1973. F.: Waren Sie Mitglied irgendeiner Partei? i A.: Nein, die einzige Organisation, zu der ich gehórte, war linker Studentenbund. 190 ein illXi:,irj:,1'l:'gii4 F.: Wie ist Ihr Name, bitte? A.: Isabel Pizarro. F.: Sind Sie. . . waren Sie Mitglied irgendeiner partei? A.: Mitgligd der Kommunistischen partei. F.: Wann wurden Sie verhaftet? A.: Am 20. Dezember. F.: Und bis wann denken Sie, daB Sie hierbleiben werden? A.: WeiB ich? Das entscheiden die, durch die wir hier sind. Vielleicht der Kriegsrat sogar. F.: Wie ist das Essen, gut? A.: Nein, nein, überhaupt nicht. 191 jiii;i.:: l!!uq¡ wie* i$ffiiie: . b.: -s"-"): ;t :r *..1 s+ 't' j i tti ttu:tits; lliLt::l: ü.is ¡; .:i;r:r ';g 192 ¡!i ii6iii: '4:# Auf ! " Hinlegen! >) Auf !)) " Hinlegen!" - " Ein steiniger Platz unterhalb der steil ansteigenden Felsen. Eine Gruppe Háftlinge mit nacktem Oberkórper. Ein baumlanger Feldwebel, Maschinenpistole umgehángt, kommandiert. Der Begleitoffizier erlaubt lediglich, diese Gruppe aus der Entfernung zu drehen; Tonaufnahmen sind nicht móglich. Wir sehen: Es handelt sich ausschlief3lich tlm junge Mánner. Und wir erfahren spáter: Es sind Jungkommunisten und -sozialisten, die o umerzogen' werden sollen dr¡rch militárischen Drill und die dazugehórigen Gesánge vorn süSen Tod fürs VaterlandAuf dem Appellplatz vor dem Gefángnis werden spáter "gymnastische Übungen o exerziert. Danach geht es eine Ewigkeit im Gleichschritt in der glühenden Mittagshitze um das Karree. Und Vier! ": Militárlieder, wieder und wieder immer wieder ,, Drei Wir beobachten das stupide Verfahren, in dessen die gleichen. Ergebnis " Disziplin o entstehen soll. Disziplin? Wir kennen sie doch, die jungen Genossen, als Tráger einer hohen Disziplin: Als sie zur freiwilligen Arbeit auszogen für Chile, da bewiesen sie .Disziplin unter Lachen, Gesang und Liebe. Als das Vaterland in Gefahr war, weil die Reaktion rnit tückischen Waffen gegen die Regierung der Unidad Popular antra*,da ¡l4fen sie als " Freiwillige des Vaterla.nds,, zur Stelle, verluden Material für die Fabriken, transportierten auf ihren bloBen Rücke n Lebensmittel für die vom << << Unternehmerboykott bedrohten Stadtviertel. Glaubt denn jemand, dafJ diese gro$e patriotische Disziplin aus den Kópfen und Herzen dieser jungen .l-eute herausgerissen werden kann? Salvador Allende hat diese Frage - in seinen letzten Worten aus der schcln brennenden Moneda-verneint. Sie müssen jetzt gehorchen, und sie tun es. Es wird ihre Lage erleichtern. Sie müssen über die Zeit kommen. Sie wissen: Chile braucht sie. 194 1,iffiffiffi !i!+;:?lf '4 ..d e ffiffi.¡ 196 u ffiw* pássqq ft iryiirrtit!¡l ffir:l jiltiiiiiii¡ii: 197 Ein Warnschild "Halt Sperrzurnel,.. dahinter die Lagerkommandantur. Der Begleitoffizier bereir"-t uns eine L-berraschung: zwei Háftlinge erscheinen, merkwürdige Gegensránde in den Hánden. Es hat den Anschein, als solle hier in Kürze eine Kinderbescherung stattfinden. Vor unseren Augen und eigen: für unsere Kamera wird auf der Strafie etwas aufgebaut: Wachtürme en miniature, ein Schlagbaum, das Lagerschild, daneben einJeep. Stolz erklárt unser Begleiter, daB diese Háftlinge damit beauftragt sind, das ganze KZ Pisagua im Modell nachzubilden. Das fertige Ensemble soll spáter zu Oberst Espinoza, Chef aller Lager des Landes, nach Santiago geschickt werden: eine Art gegenstándlicher Rechenschaftsbericht über die Aufbauleistungen im Zeichen der Militárherrschaft hier oben im Norden. Und daB in Pisagua gebaut wird, davon konnten wir uns wenige hundert Meter weiter überzeugen. I t98 ri '::: P.I .i: :rtr á,'l: if" i ':.t¿: .,,J:]; $ rrll:1i: i:ep.:l *; "+ s dea:: É.:t,i::.!il *:l t:.: ..1'i'.):: "s . l:rr' I|;'rl l: !i' .:!: :: t: :;: ifi#r' !¡i!l: ;,;ri:ri:: :: lir&r',1 ,!! ;. "' . í. ¡is'1,": ..t*::r:, ,J+S r. "4S"f.'l ,w-"x. 200 *,,, ^t Die Gefangenen, die wir in Pisagua sahen, waren noch sámtlich im alten Gefángnis oder in Háusern und Hütten untergebracht. Die Kapazitát des verbannungsorts war in den letzten fünfundzwanzig Jahren nicht gewachsen. Der selbsternannte Landesvater in santiago, dem der Zustand des von ihm selbst proklamierten u inneren Krieges bekommt wie eine Badekur, denkt in grófjeren " MaBstáben als etrra Gonzalez Videla. lch behaupte nicht, wir hátten nun schon vóllig über den Marxismus gesiegt. Der Pinochet: ."&; :*" Tffi 'ffi: -,w i,;i:' ' n Marxismus, er ist wie ein. . . ein Gespenst. Es ist schwer, ihn zu"bándigen. Besser gesagt, er ist nicht zu bándigen. Als die Bewegung des I 1. Septemb er zu wirken begann, sind die Marxisten verschwunden. Irgendwo untergetaucht! Um ein Wort zu gebrauchen, das sie selbst benutzen. Aber sie machen weiter. Und ich bin mir sicher, es wird nicht viel Zeit vergehen, und sie werden uns wieder Probleme aufgeben. Auf die wir vorbereitet sein müssen. Um sie unter unsere Kontrolle zu bringen. Landesváterliche Vorsorge für neue Verhaftungswellen. Pisagua ist zu eng geworden für die Planungen der Junta. An einer bisher unbebauten Stelle des Strandes erheben sich Neubauten: Baracke neben Baracke, bezeichnet mit den Buchstaben von A bis Z, ein groBer Appellplatz, eine Reihe von Latrinen, offen, jederzeit einzusehen. Alles umzáunt mit Stacheldraht. Ein menschenleeres Konzentrationslager ist ein gespenstischer Anblick. Da sitzen in Santiago irgendwelche schreibtischtáter und hecken einen Feldzug < gegen den Marxismus >> aus und schon erheben sich Tausende Kilometer rrórdlich diese Zweckbauten: pedantisch ausgerichtet, penibel sauber. Hier liegt die Grausamkeit in der Sachlichkeit. 202 rÉii:rrlt*,*¡;¡*r¡L'lffi 205 9 9l+ ;r:l:: :::l:Sll 206 'ff," t;" : "¡',,' ';: :::,ta .::, , ,;S',. '". ,,:r "w" '"", "% ;:,.;l: i,u;tÍt$ ' *':i* ,. :ai;.':1|:t!ip ,,'!ii¡,.l", .:,r:,, . , l:1!:lr1{ ¡:.}.:4: ,d ::?.i * ',;, : .. . .ri,, .. ' :: ,1 :i: lilr iia:' ,\: ..il .rra 2A7 I{ r¡ jl 208 : :r ..r:::: ffiitrriii In den Baracken zwei Reihen Doppelbetten, zwischen ihnen ein Mittelgang. Kein Stuhl, *ein Tisch. Die Decken auf den Matratzen sind noch unbenutzt, riechen neu. Noch hat keines Háftlings FUB das neue KZ Pisagua betreten, noch hat keiner auf diesen Pritschen gelegen. Aber die gafize Anlage, deren Modell gewissermaBen als Vollzugsmeldung nach Santiago geschickt werden soll, beweist, daB sich die Militárs auf einen langen Zustand des " inneren Krieges, einrichten. Das aber heiBt, daB sie ihrer Sache nicht sicher sind. Und damit rechnen müssen, .daB neue Kámpfer auferstehn. Denn der Militárputsch hat keinen der in Chile bestehenden Widersprüche gelóst, sondern jeden nur weiter verschárft. So, wie sich die Bourgeoisie im Proletariat den eigenen Totengráber schaffen mu8, so ruft die faschistische Militárdiktatur den antifaschistischen Widerstand des Volkes wach, werden neue Kampfbündnisse entstehen, breiter noch als die Unidad Popular. Was ist von der neuen <Ordnung" rn Chile zu halten? Dasselbe, was Rosa Luxemburg voñ der "Ordnung" hielt, die der Novemberrevolution folgte: "Ihr stumpfen Schergen! Eure ,Ordnung, ist auf Sand gebaut. Die Revolution wird sich schon rnorgen rasselnd in die Hóh' richten und zu eurem Schrecken mit Posaunenklang verkünden: Ich war, ich bin, ich werde sein!" 2r0 Auf dem Appellplal:zvor dem Gefángnisblock stehen die Háftlinge im' offenen Viereck angetreten. Tágliches Ritual in jedem chilenischenKZ: Die Háftlinge singen auf Befehl die chilenische befohlene Ma8nahme der Nationalhymne - zueine von der Junta "nationaler Gesinnungo. Freilich: Inzwi"Umerziehung, schen ist den Militárs die Hymne unheimlich geworden; allzudeutlich námlich wird in den Lagern und Gefángnissen, aber auch in den Schulen des Landes jener Satz des Textes akzentuiert, der von Chile sagt: < Du wirst sein das Grab der Freien oder die Zuflucht der Unterdrückten ". Besorgt lieB die Junta in der Zeitung n El Mercurio, am 10. April 1974 "trnstruktionen zur Interpretation der Nationalhymne " verlautbaren, in denen besonderer Wert auf die dritte S,trophe gelegt wird, die Strophe zum Lobe des Militárs. Chiles Nationalhymne * wie oft hatten wir sie gehórt, als wir vor Jahresfrist im Lande waren! Es sangen sie Kommunisten und \./ aber es sangen sie auch Sozialisten, Radikale und Christen Faschisten und Nationalisten. Zeitweilig trugen wir uns mit dem Gedanken, die Hymne zum. Ausgangspunkt einer filmischen Betrachtung zu nehmen,'wer denn nun eigentlich das Recht für sich in Anspruch nehmen dürfe, Sachwalter der chilenischen Nation zu sein. . . Als wir nun von unseren gefangenen Genossen die Hymne hórten, als wir die dazugehórigen Filmbilder immer wieder ablaufen lieBen, fiel uns jene Szene ein, in der Salvador Allende im Prásidium einer Kundgebung kurz vor dem stehend die Hymne sang. Das musikalifaschistischen Putsch sche Vorspiel war verklungen, Allende erhob beide Hánde, wie ein Dirigent, ein Lácheln, sein unverwechselbar ermunterndes Lácheln in den Mundwinkeln . . . So stand er und sang -- und sein Bild ist lebendig in denen, die heute unte.r Aufsicht singen. !:l:r r:: i:1, l: {r ::, !¡rr ¡r ¡ lij iii Lj,i; !] :]] ll :'il:il'| .: L!]] ¡]].:i..ni ji in,;: n i:j;.i :::::: il .: ;;::i :; :::; ::r;; rr:: l]] iiiair ii iar ;'i iiiii'iiii =:;i,a:::::: r:::ti::i ii l;ii;n¡i.:i Puro Chile es tu cielo azulade y tus brisas te cruzan tamtién 214 'f'.É.¡.q.,,r#ti? UE; Y u Reines Chile, dein Himmel ist blau, und der Meerwind streicht über dich hin. 215 l lr y tus campos de flores bordadod son la copia feliz del Eden 2t6 Deine blütenbesáten Felder sind ein glückliches Abbild des Paradieses. 217 E- Majestuosa es la blanca montana que te dio por baluarte el senor que te dio por baluarte el senor 2t8 ffi Majestátisch ragen deine weiBen Berge, die der Herr als Bollwerk dir gab, die der Herr als Bollwerk dir gab. 219 y ese mar que tranquilo te bana te promete futuro esplendor te promete futuro esplendor 224 Und dieses Meer, das sanft dich umspült, verkündet dir künftigen Glanz. Verkündet dir künftigen Glanz. 221 Dulce partia recibe los votos con que Chile en tus aras juro 222 Teure Heimat, vernimm die Stimmen, mit denen Chile dir schwórt: 223 que o la tumba seras de los libres o el asilo contra Ia oPresion 224 ._:-.! Du wirst sein das Grab der Freien oder die Zuflucht der Unterdrückten. 22s que o la tumba seras de los libres o el asilo contra la opresion 226 Du wirst sein das Grab der Freien oder die Zuflucht der Unterdrückten. 227 o el asilo contra la opresion o el asilo contra la opresion 228 die Zuflucht der Unterdrückten, oder die Zuflucht der Unterdrückten. . . . oder 229 l I I $ *Umerziehung zu nationaler Gesinnung>? Wie lácherlich diese AnmaBung! Als ob es einen Kámpfer der Unidad Popular geben würde, der nicht ein glühender Patriot wáre! Die Enteignung der auslándischen Monopole das war für Chile. Die Nationalisierung der Bodenschátze das war für Chile. Die Landreform das war für Chile. Der tágliche Becher Milch für die Kinder-das war für Chiles Zukunft. Nein, vaterlandslose Gesellen waren sie nie, die Kornmunisten und Sozialisten. Sind sie Internationalisten, so doch zugleich Patrioten. Sie, die da in Pisagua und anderswo von der Junta zum Gesang befohlen werden, haben für Chile mehr geleistet als alle bürgerlichen Regimes zusammen;denn sie haben den Weg_ gezeigt zu nationaler Würde, Unabhángigkeit und 230 Souveránitát. Wie begeistert sangen sie die Hymne ihres geliebten Chile, wieviel von ihrer Verhei8ung war Wirklichkeit geworden unter der Fahne der Unidad Popular! Ja, sie kennen ihren Text, die Háftlinge von heute, die Sieger von morgen. Das "reine Chile ", das die Hymne beschwórt es wird sein, wenn die Generalscliqye, die ihren Eid auf die Verfassung brach und damit das Vaterland verriet, vergessen sein wird. Die in der Beugehaft sind Ungebeugte; ihr Gesang wird zum Sturm werden. Sie werden bis ans Ende der Welt verfolgt und dem hilenischen Volk übergeben werden, damít es síe richte' Wir haben also Chacabuco und Pisagua vorge.zeigt bekommen' die Überrumpelung Anders láBt es sich nicht sagen; denn nachdem einmalgegtücktwar,gingesdenunsbegleitendenoffizierenum eine eefállige Darstellung. t Eingings* bereit, haben wir auf die komplizierte Situation hingewiesen, die uns wáhrend der Aufnahmen mit unseren zugleich von gefangenen Genossen und Freunden verband und ihn.r, trennte. DaB wir von Mifihandlung, Folter und Mord nichts Reise inden hóren und nichts sehen würden, war klar, als wir die nicht Norden antraten. DaB aber die chilenische KZ-Wirklichkeit GesangundSchnitzereiist,dasistebensoklar.Zuviele belegen, da3 in Zeugenaussagen néuesten Datums liegen vor, die der Atacama-wüste nicht nur <<táglich ein Stück gestorben>>, sondernmenschlichesLebenauchgewaltsambeendetwird. im Juni Unsere Aufnahmen drehten wir lange vor der Nachriqht 1974, dafS in Pisagua vier Háftlinge exekutiert wurden. 233 ¿j # ?,1 4 llI .,0 r^f *e\' -.Y "u1-*{ t'n" -- t *d' '*Sff Was also wird den " Kriegsgefangenen A. Peter " in Pisagua bewogen haben, auf ein Stück grundierter PreBpappe mit schwarzer Teerfarbe jene dunkle Gestalt zu malen, diesen hockenden Schützen, der dem Betrachter den Rücken zukehrt? Es wird das Bewu8tsein der stándigen Drohung sein, die über den Gefangenen lastet; es ist der Schatten der Gewaltherrschaft, die über Chile liegt. Der Mordschütze ein anonymer Táter? Das ist er nicht. Wer da gegenwártig eingespannt ist in den Dienst der Militárjunta ob als Schütze oder Schreibtischmórder, ob gezwungenermaBen sollte sich der Erfahrungen der deutschen oder freiwillig -, Faschisten erinnern, als nach dem Untergang des Nazireichs die Zeit der Abrechnung begann, der Abrechnung für Verbrecfren, die nicht verjáhren. Kommentarlos stellen wir deshalb neben das Bild des ., Kriegsgefangenen A. Peter, in Pisagua den Punkt VI. aus dem Bericht der ,,Internationalen' Kommission für die Untersuchung der Verbrechen der Militárjunta in Chile ',, so beschlossen auf ihrer ersten Sitzung im Márz 1974 in Helsinki: VI. An die Kommandanten der Konzentrationslager und an die Direktoren der chilenischen Gefángnisse Jeder Tag, der vergeht, bringt Nachrichten von neuen Grausamkeiten, die in den Konzentrationslagern und in den chilenischen Gefángnissen an unschuldig Eingekerkerten verübt werden. Heute, hier in Helsinki, haben wir bei den Sitzungen der Internationalen Kommission für die Untersuchung der Verbrechen der Militárjunta in Chile neue Zeugenberichte über diese grausamen Verbrechen gehórt. Zweifellos wird der Tag kommen, da die Schuldigen an diesen Taten abgeurteilt werden kónnen. Wáhrend es noch nicht soweit ist, setzen wir alles daran, diese Verbrechen zu untersuchen, und wir wollen eine Warnung aussprechen an die Kommandanten der Konzentrationslager und an die Direktoren der Gefángnisse, die 23s fürdiebegangenenBrutalitátenVerantwortlichsind,auchwollen Befehle nicht wir feststellen, daB die Berufung auf empfangene anerkannt werden wird' entkommen' S. tOn""n kaum erwarten, daB es ihnen gelingt zu chilenischen und dem Sie werden bis ans Ende der wert verfolgt wir rufen sie auf , über volk übergeben werden, damit es sie richti: ihrSchicksalnachzudenkenunddiesenVerbrecheneinEndezu bereiten. Blut vergossen wir rufen auch die aúf , die noch kein unschuldiges haben,undbittensie,überihreVerantwortungnachzudenken'die siedemchilenischenVolkgegenüberundvordemGesetztragen. sie zu Komplizen dieser Sie mógen der Junta nicht gestatteí' Verbrecher zu machen' Beendigung der Wir bestehen auf einer sofortigen und totalen Verbrechen gegen das chilenische Volk. 236 # Inhalt Das Gespenst 5 Chacabuco 25 La Pampa 113 Pisagua 163 Absatz rómisch sechs 233 1:.. i'-' : ¡+ I :L::-*.4 Quellenangaben: Seite I Eines der letzten Gedichte Pablo Nerudas. Die deutsche Übertragung von Walter Fritzsche wurde erstmalig in "Kürbiskernr, 3/74, München, veróffentlicht Seite 97 Aus der chilenischen Kantate < Santa Maria de Iquique " von Luis Advis, deutsch von Klaus Méckel, Verlag Volk und Welt, Berlin 1973 Seite 138 Aus ,. Der groBe Gesang n von Pablo Neruda, Nachdichtung von Erich Arendt, Neuauflage Verlag Volk und Welt, Berlin 1974 i l. Auflage 1974 @ 1974 by Verlag der Nation . Berlin Alle Rechte vorbehalten Lizenz-Nr. 400183174 Lektor: Günter Creutzburg Technischer Redakteur: Ingrid Welzer Cestaltung: Walter Martsch, Hans-Joachim Petzak, Hans-Joachim Schau8, Gruppe 4 Satz: Druckerei Neues Deutschland .Berlin Reproduktion und Druck: Druckerei Márkische Volksstimme .Potsdam Buchbinderische Verarbeitung: Interdruck IV . Leipzig Best.-Nr. 696 408 3 svp zsÜ r: ¡* .1ltl :ll L**ro".,