Streifzug durch die Geschichte des Handwerks - Elektro
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Streifzug durch die Geschichte des Handwerks - Elektro
Ein Streifzug durch die Geschichte des Handwerks ! ! ! ! andere giga ntische V orh ab en vo n M enschenhand erric htet w urden, die n ic ht nu r ein g era d e zu ve r blüffendes technisches, w ie auch handw e rk liches K n o w -H o w vo ra u s s e tze n . D e n k e n w ir n u r a n d ie geheim nisvollen, großen Steindenkm äler, in Form von Dolm en und Megalithen in England und Frankreich, an großartige und handwerklich-technisch perfekte Bauten in Südam erika, deren Sinn und Zweck allerdings den W issenschaftlern im m er noch Rätsel aufgibt. Auf jeden Fall ist davon auszugehen, dass die M enschen, die auf oftm als so wunderbare W eise ihre Spu ren hinterlassen haben, keine in Felle gehüllte Barbaren waren, die gerade mal einen primitiven Faustkeil in ihrer Hand hielten. Erstaunlicherweise gab es zu diesen Zeiten, jedenfalls nach Lehrm einung, überhaupt noch keine W erkzeuge, m it denen m an beispielsweise solch harten Gesteine wie G ranit und vor allem in solchen Ausm aßen bearbeiten konnte. Gehärtete M etalle, wie Eisen waren noch gar nicht entdeckt ! Der wissenschaftliche Disput geht weiter und wir wollen uns an dieser Stelle auch nicht einm ischen. Eines ist jedoch klar : die Anfänge von handwerklicher Kunst reichen weiter zurück, als noch vor k urzer Zeit angenom m en. Die Entwicklung des Handwerks, eines von “Händen g e fo rm te n W e rk e s ”, s in d u n tre n n b a r m it d e r a llgem einen Entwicklung des Menschen verbunden. W enn m an vom “Menschen” spricht, spricht man auch vom Handwerk. N e ben vielem U n gek lärten aus diesen Z e ite n a u f unserer Erde, lässt sich zum indest in Mitteleuropa seit dem Ende der Jungsteinzeit eine relativ klare Entwicklung der handwerklichen Kultur verfolgen. Anknüpfend an unseren “Feuerstein-Meister” m üssen wir uns auch die ungeheuren Zeiträum e klarm achen, in denen beispielsweise die W eiterentwicklung von Steinwerkzeugen voranging. Tausende Jahre tat sich nichts ! Bis eines Tages ein aufm erksam er Mann am Feuer entdeckte, dass aus den Steinen, die die Feuerstelle begrenzten und die m it rötlichen Streifen durchzogen waren, kleine Rinnsaale einer Flüssigkeit hervortraten. Kupfer ! Nach dem Erkalten der Feuerstelle nahm er die rötlich-glänzenden unregelm äßigen Gebilde, die entstanden waren, in die Hand. Er wusste nicht, was er dam it tun sollte, also hing er sich ein besonders schönes, m it einem Loch versehenes Metallplättchen als Am ulett um den Hals. Schnell sprach sich der neue Schm uck herum . Auch andere wollten solche geheim nisvollen Gegenstände besitzen. E s setzte ein fieberhaftes S am m eln von Steinen ein, die von rötlichen Adern durchzogen waren. Man fand auch Brocken, die gelbe oder helle Äderchen zeigten. Der W eg zu den Metallen war bereitet ! D iese für die M enschheit ungeheuer bedeutsam en Entdeckungen fanden nicht nur an einer bestim m ten Stelle oder gar gleichzeitig auf diesem Planeten statt. Vielm ehr vollzogen sich diese Entwicklungen völlig zeitversetzt über tausende Jahre und an den unterschiedlichsten Plätzen aller Kontinente. Bald schon gewann m an ganz gezielt das Metall aus den Erzen an der Erdoberfläche. Das Handw erk in alter Zeit Der Aufstieg des Handw erks und der Städte Das Handwerk nach dem Dreißigjährigen Krieg Die industrielle Revolution, der Liberalismus und die Entw icklung bis in die Gegenw art Das Handwerk in alter Zeit Der M ann trägt schwer an seiner Last. Tief gebeugt schleppt er auf seinem Rücken einen aus W eidenruten geflochtenen Korb ins Lager seiner Sippe. Am nahe gelegenen Bachlauf hat er Feuersteinknollen ausgegraben, die er jetzt seinem Bruder bringt. Dieser hat besonderes Geschick, die Brocken aus Feuerstein zu bearbeiten. Er hat es in A uge und G efühl, w o die Sprünge und Risse im Feuersteinknollen gehen, wo m an ansetzen m uss und w ie stark m an den Schlag führen m uss, dam it aus dem ungefügen blauen Stein m it der grauen Rinde die kunstvolle Steinaxt wird, m it der m an sogar Bäum e fällen kann. Er verstand es, m it allerlei Hilfsm itteln wie Sand, Ton und verschiedenen T ierknochen die grob zurechtgehauenen Steinwerk zeuge und -waffen w eiter zu bearbeiten. Kanten wurden begradigt, dam it S chneiden daraus wurden, die anschließenden Flächen poliert, dam it die W erk ze uge bes s ere E igens c haften annahm en, ja sogar Löcher arbeitete der erste Handwerksm eister mit viel Geduld in den Stein. Sein Großvater hatte diese Kunst des “Bohrens” von einem längeren Streifzug jenseits des G ebirges vor vielen Jahren m itgebracht. Die von ihm hergestellten Äxte, Schaber, Messer, Pfeil-und Speerspitzen sind wegen der besonders guten Ausführung nicht nur bei seiner Sippe b egehrt, sondern sind auch begehrte T a u s c h o b je k te b e i fr ie d lic h e n B e g e g n u n g e n m it anderen Stäm m en. Ganz früh hat m an die Töpferei entdeckt. Irgendwann in dieser E poche m ögen Frauen festgestellt haben, dass T onerde im Feuer hart wird und sich dann auf solch einer Tonscherbe das Regenwasser ansam m elt und nicht versickert. W elche Gelegenheit, welche Möglichkeit, Flüssigkeiten aufzubewahren. Das Töpferhandwerk entwickelte sich ra s c h . S icher besaß jede F am ilie F ähigk eiten zu dieser Keram ikherstellung und nicht nur bestim m te Personen. D er “erste Handwerksm eister” , wie wir ihn nennen, m ag so oder ähnlich gewirkt haben. N iem and kann genau sagen, wo und wann diese erste Meisterwerkstatt existiert hat. Die Steinzeit - wie wir sie nennen um fass t einen für uns ere heutig e n Z e itm a ß s täbe u n g e h e u r e n Z e itra u m . S ie re ic h t vie lle ic ht ze h n tausende Jahre in das geheimnisumwitterte Dunkel der Menschwerdung zurück. Dabei verlief die Entwicklung der Völker auf unserer Erde durchaus unterschiedlich. Sowohl unter zeitlichen, als auch unter qualitativen Gesichtspunkten. M ittlerweile gibt es unu m stöß liche B ew eise, dass schon vor m ehr als zehntausend Jahren Bauten und 1 Erste einfache Bergwerke wurden angelegt. Kupfer, G o ld , Z in n w a r e n d ie e r s t e n W e r k s to f f e d ie zu Schm uc k gegens tänden, W affen und W erkzeugen verarbeitet wurden. Versuch über Versuch wird in der “ersten” Schm iedewerkstatt angestellt. Vielleicht durch Zufall, wie vieles in der Geschichte der Menschheit, wurde irgendwo beim Schm elzen von Erz, K u p f e r u n d Z in n v e rm is c h t - u n d d a s E rg e b n is Bronze- war viel härter als die bekannten Metalle. Ein neuer W erkstoff war geboren. Eine neue Zeit brach an. W elch’ Möglichkeiten taten sich auf ! So geschehen vor über 4000 Jahren irgendwo in Mitteleuropa. Die Schm iedekunst war geboren. Der Schm ied “weiß” m ehr als die anderen ! Das geheim nisvolle Elem ent des Feuers steht ihm zu Diensten - er gilt als ein heim licher Kenner göttlicher G esetze, denn ihm gehorcht das Feuer ! ER lernt die Metalle zu form en, zu härten. ER kannte den Am boss. Er war vielleicht der erste selbständige und w ic htigs te H andwerker ! D enn er verstand es W affen herzustellen, Äxte , Schwerter, Dolche und Pfeilspitzen, die im Kam pf m it anderen Stäm m en und Völkern von fundam entaler Bedeutung waren. Der Schm ied führt zugleich Thors Ham m er, das uralte Sym bol des Rechtes und der W eihe - wir haben es heute noch, wenn wir eine Grundsteinlegung m it drei Ham m erschlägen beginnen, oder wenn Gegenstände unter den Ham m er kom m en. D ie S u c h e d e s S c hm iedes nac h im m er bes seren Metallen führte vor vielleicht 3000 Jahren in Europa zur Entdeck ung des Eisens. Bei den Kelten taucht das Eisenschwert zum ersten Mal nördlich der Alpen auf. Die “Hallstatt-Zeit” ist ein Begriff für diese Epoche. Hier auf dem Gebiet des heutigen Österreichs hatte sich e in e e r s te b e r g m ä n n is c h e F ö r d e ru n g d e s E rze s entwickelt. Eisenschwerter waren allen anderen W affen natürlich an Festigkeit weit überlegen. S e lte n n o c h w a r d a s E is e n , d a r u m w e r tv o ll u n d siegverleihend. So beschränkte sich seine Verwertung anfänglich fast nur auf W affen. Aber nicht nur der Schm ied prägte die handwerklichen Fähigkeiten unserer Vorfahren. Vor allem die Holzbearbeitung war in den waldreichen Gebieten Mitteleuropas ausgeprägt. Man verstand es Pfosten und Balk en zu behauen und zu behobeln, H olzhäu s e r m it G ie beldäc hern zu bau en un d das Sparrenwerk der Dächer nicht schlechter zu errichten, als es heute noch bei schilfgedeckten Häusern der Fall ist. Bänk e, S tühle u nd S c hem el w urden gefertigt, aus Schlafbänken entwickelten sich die Betten und sicher hat es auch schon Tische in unterschiedlicher Gestalt gegeben. Natürlich hatte der W aldbauer allerhand Gerätschaften zur Bestellung des A ck ers in seinem H aus. Hakenpflug, E gge w are n b ek annt u nd u m C hristi G eburt wurde der Pflug m it zwei R ädern erfunden, den die Röm er dam als noch nicht kannten. Karren, Kasten-und Ackerwagen, sowie Kum m et und Joch für Pferde u nd O chsen verm ochten die Stellm acher und Zim m erer ebenfalls herzustellen. Benutzt wurden Äxte in unterschiedlicher Ausführung, erste einfache Sägen, Ziehklingen als einfache Hobel und Bohrer m it oben angebrachtem Q uerholz. Das L o tb le i zu m H a u s b a u w a r bek annt un d vo r a lle m Holznägel wurden benutzt. Bronzenägel waren zu weich und solche aus Eisen wahrscheinlich zu teuer. Man arbeitete m it Zapfen und Nut bei Holzverbindungen und verwandte das W inkelm aß. Zweifellos verstanden es die germ anischen Stäm m e, Tierhäute zu gerben und dam it haltbar zu m achen. Hergestellt wurden einfache Schuhe, Dolchscheiden, Schilde, Helm e, allerlei Riem en, Trinkbecher , Eim er, ja sogar Handschuhe aus Leder. Dieses Gewerbe setzte jedoch m ehr voraus, als einer einfachen Bauernfam ilie zur Verfügung stand. Spezielle G erätschaften, die Fähigkeit zur H erstellung der Gerberlohe oder auch die Nähe zu fließendem W asser s in d h ie r u n a b d in g b a r. D ie s w e is t a u f e in e frü h e Spezialisierung ähnlich dem Schm ied hin und m acht den G erber und S attler zu einem frühen, vielleicht selbständigen Handwerker. Dagegen war die W eberei ein reines H ausgewerbe und als M aterial standen W olle, später Leinen und Flachs zur Verfügung. Kleider, Röcke, M äntel für die Frauen sowie Hem den, W ickelbinden um die W aden und später sogar Vorläufer von Hosen wurden für die Männer gefertigt. Auch W ollm ützen und Handschuhe waren bekannt. Der Schm ied, der Zim m erm ann, G erber, Töpfer und W eber waren also die ersten H andw erker aus den Reihen unserer Vorfahren. Und dies bis vor 2000 Jahren. D ie Entwicklung der m enschlichen G esellschaft in Europa hatte bis zum Beginn unserer Zeitrechnung, der Blütezeit Rom s, einen durchaus unterschiedlichen Stand erreicht. Kultur, Handwerk, W issenschaft, Staatswesen, Handel - alle Bereiche der m enschlichen G esellschaft waren nördlich und südlich der Alpen völlig unterschiedlich ausgeprägt. Das röm ische Reich repräsentierte als Schm elztiegel der M ittelm eervölker den bis dahin erreichten gesellschaftlichen Stand dieses Raum es. W ährend die nördlichen Völker auch aufgrund ihrer anders gearteten Lebensräum e andere Fähigkeiten entwickelten, die denen der Röm er nicht nachstanden. Allerdings auf anderen Gebieten. Das Zusamm entreffen beider Völker war aber nicht nur kulturell und technisch, sondern auch handwerklich eine bedeutende, ja historisch einm alige große Befruchtung. Das Handwerk hatte sich natürlich aufgrund der völlig unterschiedlichen Lebensweise von Röm ern und G erm anen auch die jeweiligen Erfordernissen nach sehr unterschiedlich entwickelt. Städte waren nördlich der Alpen unbekannt, also war auch kein städtisches Leben m it all seinen W esenszügen und vor allem der handwerklicher Kultur, wie sie Städte hervorbringen, vorhanden. Vor allem kannte m an nicht die Steinbaukunst, wie sie die Röm er zu einer B lüte gebracht hatten. D ie O rganisation der rö m is c h e n G e s e lls c h a f t v e r la n g t e a b e r d a n a c h . S traß en , s teine rne B rück en und Viadukte, um nur einige Beispiele zu nennen, wurden durch ihre Maurer und Steinarbeiter errichtet, die wir auch heute zum Teil noch bewundern können. Im Gegensatz zum Mittelmeerraum , gab es im waldrei2 che n N orden keinen M angel an H olz. Es erscheint daher einleuchtend, dass die dortigen Völker für die Häuser ihrer D örfer dieses Material m it erstaunlicher handwerklicher Fertigkeit verwandten, wie es wiederum die Röm er nicht verm ochten. Seit der Begegnung der Legionen Cäsars mit den germ anischen Stämmen sind viele Dinge in das Leben unserer Vorfahren übernom m e n w o rd e n . A b e r a u c h a n d e r s h e ru m e rre ic h te m anches die Römer von den Germ anen. Der Hygiene nicht gerade abträglich war die Bekanntschaft m it der aus dem W ollfett der Schafe zubereiteten Substanz der Seife, die die Röm er von den Germ anen im portierten, genauso wie Rüben, Rettiche oder westfälischen Schinken. Gem auerte W ände und Dachziegel, Glas und Töpferscheibe waren den G erm anen unbekannt. Das Maurerhandwerk entwickelte sich in den folgenden Jahrhunderten ganz wesentlich unter röm ischem Einfluss, wie noch heute unsere aus dem Lateinischen abgeleite te W ö rte r Z ie ge l, M a ue r, P fe ile r, P f o rte , S tra ße bew eisen . Eb enso w ie E strich, Ke ller, Ke m ena te, Mörtel und Kalk. Die Röm er bringen allerlei technische Erfindungen mit: Göpel, Tretmühle, W assermühle, Drehtüren, Flaschenzüge, Lupe und Brennglas. Der Erdglobus und W indfahnen waren in Rom bekannt. Die G lasbearbeitung hatte einen bewundernswerten Stand erreicht. Kaiser Tiberius soll einen unzerbrechlichen Pokal aus Hartglas besessen haben. Der röm ische Geschichtsschreiber Plinius spricht von Tischtüchern aus Asbest, die nicht gewaschen, sonder ausgeglüht wurden. Bleierze aus Bergwerken wurden zu R ohre n, M ünzen und G es c h o s s en ve ra rb eitet. W iederum kannten die Röm er keine Fässer. Plinius schreibt: ”m an verwahrt den W ein am Fuß der Alpen in hölzernen Gefäßen und um gibt diese m it hölzernen Reifen”. Dank sei unseren Vorfahren für diese Erfindung ! (Es geht ja nichts über einen im Eichenfass gereiften Reserva) Eines der wichtigsten Arbeitsm ittel des Bauern war im Norden höher entwickelt : Der Pflug ! Die Germ anen hatten bereits den Räderpflug m it mindestens einer eisernen Pflugschar, der es erlaubte, viel tiefer und viel gründlicher zu ackern, als es der röm ische Bauer konnte. Dafür wurden durch sie auf nördlichem Terrain Kirschen, Pflaum en, Pfirsiche und - natürlich W ein angesiedelt. Diese bei weitem nicht vollständigen Beispiele lassen aber die ungeheure W irkung auf die gesellschaftliche Entwicklung im Europa dieser Epoche erahnen. D ie wichtigste Folge der g egens eitigen Berührung jedoch ist die indirekte Einwirkung. Der Kampf mit dem röm is c hen R eic h zwang die G erm anen, ihre kleinrä u m ig e n S ta m m e s g e b ild e zu g r o ß e n S tä m m e n zusam m en zu fassen. Dam it aber entstanden m achtvolle Könige, die als Auftraggeber auch für handwerkliche Kunstschöpfungen mehr aufwenden konnten, als der einzelne große Bauer. N icht zuletzt hatte auch die N otwendigk eit, den röm ischen W affen bessere Mittel gegenüber zu setzen, einen nicht unwesentlichen Einfluss auf die Entwicklung des Handwerks nördlich der Alpen. Auch die Entwicklung des Handwerks in Rom selbst ist m it dem Aufstieg und dem Verfall dieser klassischen Gesellschaft verbunden. W ar es noch in frührömischer Zeit durchaus ehrbar, als freier Bürger einem Handw erk nachzugeh en, so w ar es m it der steigenden Anzahl von Sklaven, die aus allen Mittelm eergebieten nach Rom ström ten, im m er m ehr eine Aufgabe dieser Sklaven, handwerkliche Arbeiten auszuführen. Natürlich brachten diese M enschen auch die unterschiedlichsten Techniken, Künste und Fertigkeiten m it. Auf dem H öhepunkt der röm ischen M acht b eruhte die m eiste handwerkliche Kunst des großen R om s auf Sklaven und später der Freigelassenen. Es war aber Sklavenarbeit. In den unterschiedlichen E pochen des röm ischen Im perium s soll es aber auch schon besondere Zünfte oder Gilden(“collegia”)der Goldschmiede, Zimmerleute, Färber, Schuster, Gerber, Kupferschmiede und Töpfer gegeben haben, was zumindest auf eine nicht untergeordnete Bedeutung dieser Handwerke schließen lässt. Mit dem Anbruch der Völkerwanderungszeit, die m an sich angew öhnt h at m it dem Einfall der Hunnen in Europa im Jahre 375 n. Chr. anzusetzen, ist auch der N iedergang des alten Rom nicht m ehr aufzuhalten. Z w a r k a m e s s c h o n la n g e vo rh e r zu ve rs tä rk te n Käm pfen, mit den auf die römischen Grenzen drückenden Völker, a be r nun k an n da s ries ige R eich dem A n s tu rm d e r ve rs c h ie d e n s te n V ö lk e r n ic h t m e h r wiederstehen. W aren es Klim averänderungen, plötzliches Bevölkerungswachstum oder ein nicht ergründbarer innerer Antrieb der M enschen auf dem eurasischen Kontinent, die die Völker durcheinander wirbelten - niem and weiß es genau ! Die röm ischen W eltreich zerbrach und m it ihm seine Kunst, Kultur und Gesellschaft. A n de r Bildhauerkunst oder der M alerei sind diese Zerfallserscheinungen besonders deutlich zu erkennen. Keine geringe Rolle spielte hierbei das Christentum in seiner frühen E n ts teh un gs zeit. A blehnung gegenüber allem Darstellenden, Bildlichen, die ja aus dem alten H eidnischen, der alten W elt der G ötter k o m m e n , s in d M e rk m a le d ie s e r Z e it. D a m it s in d na tü rlic h , u n d d a s n u r a ls B eispiele, die a lte h erv o r r a g e n d e B ild h a u e r k u n s t u n d M a le r e i s c h w e r getroffen. Erst in späteren Jahrhunderten, wie wir es an prachtvollen Kathedrale und W andmalereien sehen können, wird diese anfängliche Einstellung überwunden. Natürlich war der Einfluss der Röm er auf alle Gebiete, die sie besiedelten, unauslöschlich. Nun kam en aber auch andere Strömungen der um herziehenden Völker m it zum Tragen. W ährend in Rom das Handwerk im N iedergang begriffen w ar, bekam es nörd lich und südlich der A lpen durch die vielfältigsten frem den Einflüsse neue Im pulse. Die bisher röm isch besiedelten Gebiete, ob am Rhein, an der Donau, in Oberitalien oder in Britannien wurden von nun an von den dort eingebrochenen Stäm m en und Völkern besiedelt. Die Langobarden in Oberitalien, die Angelsachsen in Britannien, die Franken in Gallien - alle hatten sie die röm ischen Einflüsse in die germ anischen Traditionen ihrer Handwerke einfließen lassen. Auf der eine Seite zeugen gerade bei Ausgrabungen entdeckte Goldschm iedearbeiten, z.B. Königskronen, G eschm eide und k unstvoll gearbeitete S c hwerter dieser Zeit von hohem handwerklich- künstlerischem 3 K önnen, auf der anderen S e ite s in d r e la tiv w enig schriftliche Ü berlieferungen bekannt, aus denen der S tand d es H andwerks im D etail abgeleitet werden kann. Ein anderes wesentliches, gesellschaftshistorisches M om ent m uss m an bei der Betrachtung der Entwicklung des Handwerks im ersten Jahrtausend n. Chr. unbedingt m it heranziehen. W ar noch bis zum Ende der Völkerwanderungszeit, im Reiche der Franken bis etwa 500 n. Chr., der Bauer und Handwerker noch freier Mann auf seinem Lande, auch wenn es oftm als noch so klein war, so setzte m it der Christianisierung eine unheilvolle Entwicklung für die allerm eisten Menschen ein, überall dort, wo die Kirche langsam ihre Macht ausbreitete. Die Unfreiheit kom m t ! Man kann sehr gut nachvollziehen, dass von der geknechteten und geschundenen Bevölkerung dieser Zeit natürlich keinerlei schöpferis c he Im pulse auf d en u nte rschiedlichsten gesellschaftlichen G ebieten ausgingen. Das dunkle frühe M ittelalter hielt auch für das Handwerk nichts G utes bereit. Frondienste, Leistung des Zehnten, Zwangsschenkung auf dem T otenbett sind Merkm ale dieser Zeit, unter denen die allerm eisten zu U nfreien, zu “B arscha lk en “ w urden und den G rund herren und Bischöfen dienen m ussten. In dem M aß e, w ie d ie freie L an db evö lk eru ng arm wurde, m ehrte sich der R eichtum der K irche in den Jahren von 500-1000 n. Chr. ins Unerm essliche. Mächtige Bistümer entstanden, die gewaltigen Grundbesitz ihr Eigen nannten und keinerlei Abgaben an den König entrichten m ussten. In den Klöstern sam m elten sich eine große Anzahl von Bauern m it handwerklichen Fähigkeiten an, so dass bald fast jedes Kloster komplett mit allen Handwerkern aus ges ta tte t w a r, die natürlich nu r für den Klerus arbeiten m ussten. Sie waren ja unfrei ! In d ies er Z eit liegen auch die W urzeln der späteren Zünfte. Die an den Klöstern und Bischofssitzen zusam m engezogenen Bauern und Handwerker begannen, wo immer e s ih n e n m ö g lic h w a r , s ic h zu “ B r u d e r s c h a fte n ” zusam m en zu schließen. Diese Bruderschaften waren nur für religiöse Zwecke geschaffen, andere Aufgaben und Ziele waren verboten. Kaiser Karl der G roße (Karolingische Zeit) verbot im Jah re 779 n. C h r. jede G ilde “m it wec hse lseitiger Eidverpflichtung” außer jenen, die der Alm osenspende und der B eihilfe bei B randschaden und Schiffbruch dienen sollten. D ies e B ruderschaften sind die erste Form , m it der n o c h u n f re ie H a n d w e r k e r zu e in e m e ig e n e n Z u sam m enschluss gelangten. D a g e g e n h a t e in e a n d e re , u rs p rü n g lic h re in d e n grundherrlichen Interessen dienende Organisation für die Geschichte des Handwerks eine starke Bedeutung bekom m en - das “Magisterium ”. Es ergab sich aus der Lage der Dinge, dass jeder Fronhof und jedes Kloster, das über eine größere Anzahl von Handwerkern eines H andwerk es verfügte, jem and beauftragte, der die Arbeit dieser Leute zu leiten hatte - einen wie sich die Klöster lateinisch ausdrückten “magister”. Der Mann an der Spitze einer solchen Handwerkergruppe brauchte dabei durchaus nicht im m er selber Handwerker zu sein, sondern von der Arbeit nur einiges zu verstehen. O ft w ar diese S tellung m it H ofäm tern verbunden. Richterliche Aufgaben, G ewerbepolizei und G ewerbegericht zählten zu den Aufgaben des “Magisters”. Im Laufe der Zeit entwickelte sich aus dieser Konstellation sogar die M öglichkeit, dieses Am t zu kaufen oder es aus dem Handwerk heraus selbst zu übernehm en. In unterschiedlichem Tempo und an verschiedenen Orten gelang es zunächst den wirtschaftlich am stärksten aufstrebenden G ruppen das M agisterium zu überwinden. So etwa in Basel und in Mainz, wo die Münzer diese Angelegenheit selbst in die Hand nehm en und daraus eine erste echte Gilde entsteht. Sie wird bald eine vornehm e Gruppe und ist in zunehm enden Maße weniger Handwerker, als Händler, W echsler Kaufleute und stellt in der Folge häufig das G roßbürgertum in den Städten. Andere Handwerkergruppen m ögen in ähnlicher W eise ihre A nstrengungen unternom m en haben. Der Begriff Gilde wird dabei in den unterschiedlichen Regionen auch unterschiedlich angewandt. Einm al bezeichnet es eine G ruppe von alteingesessenen Bürgern, in anderen Städten sind Zusamm enschlüsse von Handwerkern gem eint oder die Korporation von Kaufleuten trägt diesen Nam en. D ie s e A r t d e r W ie d e rg e w in n u n g d e r F r e ih e it is t sicherlich nicht d enk bar gew esen, w enn n icht e in neues Mom ent in der städtischen Entwicklung aufgetaucht wäre. D a s w a r d ie M a sse der in die S tädte ström ende n Bauern. Stadtluft m acht frei ! W er in die Stadt ging, der wollte sich dem Druck seines Grundherren entziehen. Es waren vielleicht die Selbstbew usstesten und T üchtigsten, die diesen S chritt wagten. So kam auch als neues E lem en t der G edanke der persönlichen Freiheit und der schaffenden Arbeit als bedeutende Triebfeder eines aufstrebenden Handwerk in die Stadt. Von Anfang an - bis zum heutigen Tag w ar der W eg des H andw erks m it einem ständigen Kam pf für Gleichberechtigung und der Respektierung ihrer Interessen verknüpft. Da war der Stadtherr, ein Bischof, G raf oder Herzog. Er erließ Gesetze, legte Steuern auf und sprach Recht. Ihm gegenüber trat das Großbürgertum , die “Gilde” , vor allem Kaufleute und andere wohlhabende Leute nicht “niederer” Herkunft. D ie G ilde strebte zwar nach städtischer Selbstverwaltung, aber beileibe nicht nach einer Art , die alle Bürger um fasst hätte. Beide Kräfte waren durchaus nicht daran interessiert, ein starkes Handwerk (heute würde man sagen Mittelstand) entstehen zu lassen. Je s c h w ä c h e r d ie H a n d w e rk e r w a re n , u m s o b illig e r m ussten sie arbeiten und verkaufen. Man m uss nicht gerade besondere W eihen em pfangen ha ben, um Parallelen bis in unsere heutige Zeit zu erkennen. In dieser Zeit, und entstanden aus diesen Käm pfen, liegen die W urzeln des deutschen Handwerks, die die gesellscha ftliche E ntwick lung in M itteleuropa über J a h rh u n d e rte b is zu m h e u tig e n T a g e w e s e n tlic h m itbestim m t haben. 4 Stadt gek om m en er H an dw erk er de r U rsprung der späteren Zünfte sei. Es setzte eine Entwicklung ein, die sich sehr unterschiedlich vollzog. Sie war abhängig von vielen Faktoren. Stand die Stadt unter bischöflicher Verwaltung, übte der König noch unm ittelbar seine Rechte aus oder hatte er sie schon an die Stadtherren abgegeben, w ie w aren die M ac htverhältnisse der Bevölkerungsschichten untereinander. Selbst geografische G esichtspunkte, die m it H andelsprivilegien verk nüpft waren und dam it natürlich auch m it wirtschaftlicher S tärk e, s pielten e ine g roße R olle. Ein e in h e itlic h e s B ild d ie s e r E n ts te h u n g s p h a s e d e s stä dtis chen H andw erk s k ann m an a uf keinen F all feststellen. Es vollzogen sich aber zwei Entwicklungen : A uf de r eine n S eite ström ten in im m er größerem Um fang freie Leute vom Lande in die Städte, die sich eine neue wirtschaftliche Grundlage schaffen wollten. Mit ihnen kom m en zahlreiche Unfreie vom Lande, die “die Stadtluft freim achen” soll. Auf der anderen Seite löst sich das alte “Magisterium ” langsam auf. Stück für Stück werden alte Abhängigkeiten abgebaut, bis nur noch Reste (Am tsbürtigkeit, Ernennung eines “Königsm eisters” durch den Landesherren, Zahlung bestim m ter Abgaben) fortbesteht. Hofdienste verschwinden gänzlich. Vom einstigen “Lohnwerker” der ausschließ lich im frem den Hause und m it gestelltem Material arbeitete vollzog sich der Schritt zum eigentlichen selbständigen Handwerker, der seine Produkte in seiner W erkstatt o d e r s o g a r a u f d e m M a rk t a n b ie te n k o n n te . D a s W ürzburger Privileg für die Schuhm acher-Innung von 1128 spricht von Abgaben an die Obrigkeit, die doch eher auf ein bereits m it eigenem Material arbeitendes H a n d w e r k s c h lie ß e n la s s e n . E in e M a g d e b u r g e r Urkunde der Schuhm acher von 1152 behandelt ganz besonders den Verkauf von Schuhen auf dem Markt, also nicht “Lohnarbeit”, sondern V erarbeitung von eigenem Material. Es ist also alles noch im W erden in diesen Städten des 10. und beginnenden 11. Jahrhunderts. Alte Röm erstädte m it Bischofssitzen, Ansam m lungen von Marktbuden, die langsam zu einem festen Handelsplatz m it dauernder Marktgerichtsbarkeit werden, Zusam m enschlüsse von verkehrsgünstig gelegenen Dörfern, Vorburgen, die sich zur Gemeinde auswachsen - alles das besteht nebeneinander. Freies B ürgertu m m it gildenartiger Verfassung neben langsam sich befreienden einst völlig hörigen und neu eingewanderten freien u n d f r e iw e r d e n d e n H a n d w e rk e rn , S c h iff e r n u n d Händlern. D abei m uss ausdrücklich gesagt werden, dass die allerm eisten Bürger auch der Stadt, mit landwirtschaftlicher Arbeit befasst waren, um schlicht ihre Nahrungsm ittel zu erzeugen. D ie R echtsverhältnisse sind uneinheitlich . Es gibt O rtschaften, wo m ehrere Gerichte nebene inander bestehen: ein Bischofsgericht, ein kaufm ännisches Markgericht, das Schultheißengericht der Gem einde und daneben noch das ganz ländliche Grafschaftsgericht. Die kaufm ännischen und großbürgerlichen Gilden sind es, die zuerst einm al den Kam pf m it dem Stadtherrn führen und Schritt für Schritt die Rechte des Gem einwesens auszubauen versuchen, weil es ihre eigenen Rechte sind. Erst hinter ihnen rückt das Handwerker- Der Aufstieg des Handwerks und der Städte E s g ib t k a um g rö ß ere G le ic hfö r m ig k e it u n d d o c h g r ö ß e re V e r s c h ie d e n h e it a ls in d e r L e b e n s - u n d Gesellschaftsordnung der Periode um das Jahr 1000 n. Chr.. Ü b r ig e n s w a rte te s ch on d am a ls d ie W e lt a u f d e n U ntergang u nd n ac h d en Ü berlieferungen glaubte Kaiser Otto III .nicht daran, den Jahreswechsel 999 auf 1000 zu überleben. Von den alten Röm erstädten am Rhein einm al abgesehen , war das L a n d d a m a ls n o c h g a n z wes entlich unstädtisch. Überall setzen jedoch starke Neurodungen ein, D ö rfe r, B u rg e n , K lö s ter und M ark tplätze e n ts te h e n . T ro tzd e m w a r e s s e lb s t fü r d a m a lig e V erhältniss e e in a rm e s L a n d . Be festigte S traß en kannte m ann nicht. Die gesundheitlichen Verhältnisse dieser Zeit m üssen katastrophal gewesen sein. Viele Schriften deuten auf ständige Erkältungskrankheiten und dam it zusam m enhängende Leiden hin. Das Klim a soll in dieser Epoche ebenfalls eine Verschlechterung erfahren haben. Fensterglas war viel zu teuer und deshalb waren oftm als nicht einm al die Burgen der Ritter dam it ausgestattet, so dass das Bärenfell vor dem Kam in ein zugiges Plätzchen war. Lediglich die hohe Geistlichkeit hob sich aus dieser Armut etwas ab. H inzu kam en ständige kriegerische Auseinandersetzungen und R aubzüge vor allem an den Außengrenzen des dam aligen Reichsgebietes und kosteten viele Menschenleben. Man m usste neben dem harten R ingen um den Lebenunterhalt s ehr oft auch ganz einfach sein nacktes Leben verteidigen. Diese Grenzkriege und Ü berfälle führten im Laufe der Zeit dazu, d a s s s ic h im m e r m e h r M e n s c h e n s ic h u n te r d e n S c h u tz d e r B u r g e n b e g a b e n u n d d a m it s tä rk e re A n s a m m lu n g e n a n s o lc h e n P lä tz e n e n ts ta n d e n . N atürlich betraf dies auch andere M arktplätze oder Klöster. D ie objek tiven V orauss etzungen zur Ve rteidigung waren an solchen Orten wesentlich besser gegeben, als in kleinen Dörfern am W aldesrand. Daraus sollten s ic h s päter die sta rk b e fe s tig te n S tä d te m it ihrem Stadtm auern, Toren und Zinnen entwickeln. Von Landschaft zu Landschaft sind die Rechts- und Lebensverhältnisse ganz verschiedenartig. Man kann nicht von “der Stadt” des 10. und 11. Jahrhunderts sprechen. Es gab vielm ehr völlig verschiedene Typen von Städten: Es gab die alten Röm erstädte am Rhein m it ihren Bischofssitzen wie, Konstanz, Basel, Straßburg, Speyer, W orm s, Mainz, Köln, Trier und Lüttich, a b e r a u c h A ugs burg, die sic h durc haus ebenfalls v o n e in an de r u nte rs ch ie de n. E in e a n d e r e G ru p p e bildeten Städte die seit etwa dem 9.Jahrhundert im inneren Deutschland em por kam en, wie: Magdeburg, B rem en, H am burg, G öttingen, D ortm und, Leipzig, Tangerm ünde, Bam berg, W eim ar oder Gotha. Eine dritte G ruppe m ac hen die seit Ende des 11. Jahrhunderts künstlich angelegten Gründungen aus, denen gleich ein fertiges Stadtrecht erteilt wurde wie : Meißen, Dresden, Greifswald und - Chem nitz . Mit viel Eifer ist darüber gestritten worden, ob die auf d e m F r o n h o f zu s a m m e n g e f a s s t e n H ö r ig e n u n d u n fre ie n H a n d w e rk e r u n te r ih re m M a g is te r, d e m “M agisterium ”, oder ob die freie Einung freier in die 5 tum herauf, danach die ganz Arm en. Einer der heftigsten Käm pfe ging um das Marktrecht zwischen K aufm annsgilden und Handwerkern. W er darf auf dem Markt feilhalten ? Eine zentrale Frage des M ittelalters. W ochen- und Jahrm ärkte gab es schon vor der Jahrtausendwende. Die Bedeutung der Jahrm ärkte ist von besonderem Gewicht, lockten sie doch Kaufleute und Händler aus Fern und Nah herbei. Diese Märkte wurden auf einen Sonn- oder Feiertag gelegt. Oftm als auch in Verbindung m it der Kirchweihe. Sollte ein solcher Jahrmarkt Erfolg haben, so musste er unter k öniglichen S c hutz g e s te llt w e rd e n , d am it die Sicherheit auch über die Grenzen des Grundherrn hinaus gesichert waren. W ochenm ärkte zu erlauben, stand dagegen ganz im Erm essen des Grundherren. Eine andere Frage war, ob denn auch ein Handwerker, der nicht in der Stadt ansässig war, auf dem Markt seine W aren verkaufen durfte. Dies war durchaus nicht eindeutig entschieden und sicherlich auch in ein und d e r s e lb e n S ta d t zu v e rs c h ie d e n e n Z e ite n u n te r schiedlich geregelt. Abhängig vom jeweiligen Machtgefüge in der Stadt : Stadtherr - kaufm ännische Gilden - Handwerker. Auch auf einem anderen G ebiet, das später im m er wieder von Bedeutung war, zeigte sich die gewachsene Stärke des Handwerks - dem Militärischen. Im jahrhundertelangen Ringen der Königsgeschlechter um G ebiete, F ürs tentüm er und ganze Königreiche wogte der Kam pf hin und her. Zeiten der Ruhe folgten Zeiten der Kriege und Bürgerkriege. D ie Kirche war voll mit in diesen Kam pf einbezogen. Der König setzte den Papst ab, der Papst sprach den Bann über den König und Fürsten wählten einen Gegenkönig. Macht und E influss stand über allem und wurde von jeder G ewalt m it allen Mitteln angestrebt. Auf der anderen S eite erk an n te m a n a u c h im H a n d w e rk , das zum Beispiel die politischen Ziele des deutschen Königs H e in r ic h I V . n a c h R e ic h s e in h e it u n d d a m it n a c h innerem Frieden, im Interesse der Bürger lagen. Auch aus diesem Grund unterstützte das Handwerk in der Erhebung von W orm s im Jahre 1074 den König im Kam pf gegen Klerus und abtrünnige Fürsten. Die Stadt stellte 6000 Bewaffnete, die m eisten Handwerker, für des Königs Sache. Die Handwerker käm pften nicht nur für den König und für ein einheitliches R eich, sondern für ihre eigene Freiheit, für die Freiheit der Stadt von der Macht der Stadtherren und für ihre persönliche Freiheit gegen die Reste der Hörigkeit. Selbst in Zeiten fehlender Zentralgewalt, die mit Beginn der “kaiserlosen Zeit” 1256 einsetzte, hatte beispielsweise der Rheinische S tädtebund im Beschluss zur Aufrechterhaltung der Reichseinheit das klare Bekenntn is zu F rie d e n u n d V e rte id ig u n g d e r e rru n g e n e n Rechte form uliert. Den Aufstieg der Städte konnte niem and aufhalten, obwohl sie von den unterschiedlichsten Landesherren nicht gerade m it Rechten überhäuft wurden. Gerade so, wie es die Interesse n der Fürsten un d K önige verlangten, suchte man m it bestim m ten Privilegien die Unterstützung der Stadtbevölkerung für die eigenen Ziele zu erlangen. Es waren im W esentlichen zwei wichtige Punkte, die zur Blüte der m ittelalterlichen Städte und des Hand- w e rk s u n d d a m it des ganzen m itte le u ro p ä is c h e n W irtschaftsraum es führten. Zum einen war es die innere Kraft der Stadtbevölkerung, ihre Organisation, die Arbeitsteilung und der Fleiß der Handwerker und der weltoffene Drang der Kaufleute freien Handel zu führen. Dies war zweitens Motor und Bedingung zugleich, um die im 12.Jahrhundert einsetzende gewaltige W elle der Kolonisation und Städtegründungen zu erklären. D ie m achtpolitische A u s d e h n u n g d e r d e u ts c h e n F ü rs te n u n d K ö n ig e m achten M ecklenburg und Pom m ern zu deutschen G ebieten, die natürlich besiedelt werden m ussten. Stadtgründungen gab es wie am Fließband. Rostock, Schwerin, Greifsw ald oder Stettin und W olgast und Danzig sind nur Beispiele im nördlichen Bereich. Aber auch die Lausitz , Schlesien und Böhm en werden zu Lehensgebieten auf deren Boden sich ein im m enser Aufschwung vollzieht. Parallel zu den erforderlichen Rodungen entstehen in Böhm en beispielsweise Städte wie Brünn, Olm ütz, Aussig, Budweis oder Melnik, die König Ottokar von Böhm en gründete. In all die Städte u n d D ö rfe r s trö m te n K a u fle u te , H a n d w e rk er un d Bauern aus Franken Schwaben oder Sachsen um ihr Glück zu suchen und dabei m it ihrem Fleiß und ihrer Schaffenskraft in der neuen Heim at Zeichen zu setzen. Große Handelstraßen entstehen. Von Nord nach Süd, von W est nach Ost durchziehen sie Mitteleuropa und bedürfen des S chutzes der Landesherren, den sie m eistens auch gewähren, denn sie zogen ja ebenfalls großen Nutzen aus reichen Städten und florierendem Handel. Bis nach Südungarn und Rum änien strömten deutsche Siedler, die von ungarischen Königen ob ihrer Fähigkeiten und ihres Fleißes gerufen wurden. Die Siebenbürger Sachsen sind noch heute ein Begriff und stehen für deutsches H andwerk und für solche Städte wie Kronstadt oder H errm anstadt. Ü brigens kann m an noch heute gerade in Ungarn die tiefen handwerklichen W urzeln aus dieser Zeit in Gesprächen m it dortigen Handwerkern spüren. Viele deutsche Begriffe wurden ins polnische, tschechisch oder ungarische übernom m en. Beispielsweise der schlesische Ausdruck “Zeche” für Zunft wurde im polnischen zu “cech”, W erk statt zu “ w a r s zta t ”, S c h e ib e zu “s zib a ”, H a k e n zu “ h a k ” , Rathaus zu “rathuz”, Maurer zu “m urarz”, Bäcker zu “piekarz” und die Dörfer bezeichnete m an als “gilda” vom deutschen “G ilde”. Im Ungarischen kennt m an den “Pék” als Bäcker, den “bakrim a” als Pochriem en, das “biglajz” als Bügeleisen, den “m olnar” als Müller, den “m ester” als Meister, die “m utér” als Schraubenm utter oder den “drot” als Draht. Man könnte dies noch lange fortsetzen. Auf diese - und das sei ausdrücklich hervorgehoben friedliche Ausstrahlung auf die Nachbarvölker, kann das deutsche Handwerk noch heute stolz sein. Diese Epoche ist neben den natürlich vorhandenen m achtpolitischen Auseinandersetzungen, W irrungen und m ittelalterlichen Unzulänglichkeiten des Lebens ein Beweis für den wirtschaftlichen Aufschwung in ganz Europ a. H an dw erk er, Kaufleute, Bauern und auch friedlich gesonnene, aber wehrhafte Ritter hatten einen großen Anteil daran. Vor allem aber war es die städtische Kultur, die neue gesellschaftliche und wirtschaftliche Kräfte freisetzte und dabei weit über die Stadtm au6 ern hinaus ausstrahlte. Das Handwerk war wirtschaftlich erstarkt und versuchte fortan, diese Stellung auch in der gesellschaftlichen Hierarchie durchzusetzen. W ie sah es nun im Innern dieses Handwerks aus und welchen Um fang hatte es angenom m en ? Die rein räum liche Ausdehnung der deutschen Bevölkerung, die Aufschließung neuer H andelswege, die g e s te ig e rten L e b e n s b e d ü rfn is s e v e rlang ten eine deutliche Steigerung der gewerblichen W arenproduktion. Einher ging dam it eine Differenzierung, Verfeinerung und Arbeitsteilung des Handwerks, die alles bis dahin Vorhandene übertraf. Ganz klar vollzieht sich jetzt die T rennung von Bauer und Handwerker. Das heißt natürlich nicht, dass nicht die m eis ten s tädtischen H andwerk er wie auch alle anderen angesehenen Bürger der Stadt noch ein Stück Ack er vor den Stadttoren hatten und ihre Kuh oder Ziege dort weiden ließen. W ohl aber vollzog sich eine Trennung vom sogenannten dörflichen Handwerk, das vom Markt in der Stadt verschwand. Die Handwerkszünfte sc hließen sich ge gen diese Ko nk urrenz ab nehm en auch k eine S öhne solcher ländlicher “Pfuscher” in ihre Reihen auf. Vorwiegend wird im eigenen H aus produziert. Vor allem aber tritt eine deutliche Aufspaltung der handwerklichen Tätigkeit ein. Der Streifzug durch die m ittelalterlichen Handwerke beginnt mit dem Schm ied, eines der ältesten Gewerbe. F rüh bildete sich in den Städten der G oldschm ied heraus. Es gibt den G eschm eidm acher, der k ünstlerische Schm iedearbeiten in Messing und Eisen oder auch Edelm etallen herstellt. D er “R otgießer” ist der eigentliche Kupferschm ied. Der “Grapengießer” oder “K ann engießer” fertigt den m etallenen dreifüßigen Kochtopf des Mittelalters den “Grapen”. Der Ausdruck “Kannengießer” wurde aber wahrscheinlich eher auf den Zinngießer angewandt, der vor allem Essgeschirr w ie T eller, Be che r, H um pen , Ka nne n, Sc hüsseln, Leuchter oder Löffel herstellte (die Gabel kannte m an noc h nic ht). D euts c he Z innerzeugnisse waren ein b e ge hrte s H a nd els gu t u nd s te llte n e in w e rtv o lle s Handelsprodukt dar. Es gab natürlich den W affenschm ied, den Schwertner, der die W affe fertigte und den Schwertfeger, der sie putzte und glatt m achte. Messerschmiede (Klingenschmied, Klingner, Messerer) stellten wie der N am e sagt M esser und Dolche her. Augsburg und Passau ware n hierfür sehr bek annt (Passauer W olfsklingen). Der Bogner stellte in Deutsch land Bogen aus Eibenholz, dann aus Horn oder Eisen her. Im 12.Jahrhundert kom m t die Arm brust auf. Das G ew erbe d er A rm brus ter e ntsteht. H arnisch -oder Panzerschm iede stellten R üs tungen her, “Ringler” fertigten Kettenhem den und der Helm - oder “Hubenschm ied” häm m erte die kriegerische Kopfbedeckung. Der Hufschmied ist nicht wegzudenken und gilt zu dem als “R oß arzt”. V on ihm wird auc h die H eilung von Pferden verlangt und wenn Not am Mann war, hatten auch die Menschen m ehr oder weniger Vertrauen zu ihm . Doch nicht im m er m üssen seine Heilm ethoden auf den Menschen gepasst haben - “Roßkuren” waren daher ein Begriff und haben sich in der Bedeutung bis heute gehalten. E s g a b G r o b s c h m ie d e , w ie P f lu g s c h m ie d e u n d W e rk ze ug sc hm ie d e , a b e r a u c h a u s g e s p r o c h e n e Feinschm iede, wie den Nadelm acher oder “Nestler”. W erkzeugm acher wie Feilenhauer, Spengler, Drahts c h m ie d e , S c h le if e r , S c h e r e n m a c h e r. A u s d e m Schm iedehandwerk entwickelte sich das Uhrm acherund Zeigerm acherhandwerk. Der Zim m erm ann, der W agenbauer, der Rademacher, der “Holzschuher”, der Böttcher, der “Schäffler”, der Schöpfgefäße herstellt oder der “Daubenhauer” der Fassdauben m acht sind Beispiele von Holzhandwerk e rn . D a s d e u ts c h e D r e c h s lerh a n d w e rk is t h o c h a n g e s eh e n . D er K istenm acher fertigt K is ten, d a s Schreiner- und Tischlerhandwerk entwickelt sich. Der Holzschnitzer ist eigentlich schon ein wahrer Künstler, der sein Metier vor allem in der Schnitzerei von Altären und dergleichen hatte. Le d e rve ra rb e itu n g u n d K ü rs c h n e re i is t u ra lt. S ie erfuhren jedoch einen qualitativen Aufschwung. Im m er m ehr verwendet der Schuhm acher fertiges Leder, das e in g e fü h rt w ird u n d m a c h t e s n ic h t m e h r s e lb e r zurecht. D er “R otgerber” verwendet Eichenlohe um d e m L e d e r e in e ro te F arbe zu geben, w as s c h o n dam als im 1 3. J ah rhu ndert sehr gefragt war. D er “W eißgerber” verwendet Alaun zu Färbung, wie der “Rußgerber” für schwarzes Leder zuständig ist. Es gibt Sattler, Riem er, Kum m eder (er fertigt Pferdegeschirre, Kum m e), die wiederum dem Beutler oder Taschenmacher “nicht ins Handwerk pfuschen dürfen”. Die W eberei war ebenso ein weit in sich aufgeteiltes Gewerbe. Der W ollschläger, der “W ullenweber”, der “Lohenweber”, der Tuchscherer waren alle Glieder in der Kette der Verarbeitung von W olle und ein einträgliches G eschäft. Färber bildeten ein eigenständiges Gewerbe, das unterteilt war in Schwarzfärber und Blau und Schönfärber (W aidner). Im Bekleidungsgewerbe gab es natürlich den Schneider und den Kürschner. Aber auch so manche Spezialisten traten auf , wie der “Mäntler”, der natürlich Mäntel herstellte, der “Leinhösler”, der Stum pfhosen m acht oder der “Buntfatter”, der m it feinen Fellen arbeitet. W ie m an sich gut anzog, so begann m an auch besser zu e s s e n . E s entw ick elte s ic h in d e n S tä d te n e in Nahrungsm ittelgewerbe handwerklicher Art. Bäcker oder “Pfister” begannen ihr H andwerk zu teilen. Es entstehen Feinbäcker, der Sem m ler, der Stutner, der Mutzenbäcker, der Pastetenbäcker, der “Küchler” oder auch “Lebkuchner”. Aber auch das Metzgergewerbe verfeinerte sich. Neben dem eigentlichen Metzger gibt es Seifer (Ziegenschlächter), Viehhändler, Knochenhauer, Kuttler, die gegen Lohn schlachteten und die Abfälle bekam en und weiterverarbeiteten. Der Fleischs a lze r, d e r d a s F le is c h rä u c h e rt u n d e in le g t, de r W urstm acher, der diese aufkom m ende Kunst verfeinert und der “Garbräter”, der zubereitete Speisen über die Straße verkauft - der dam alige Partyservice - sind Beispiele für die Spezialisierung. Man speiste gut und m an trank gut ! Das alte deutsche Hausgetränk, der M et, hergestellt aus gewürztem Honig, erfreute sich noch lange starker Beliebtheit. Es setzte sich jedoch im m e r m e h r d ie B ierh ers tellung durc h. D urc h d ie ausgeprägten Handelswege bezog m an beste Gerste und Hopfen, beispielsweise aus Böhm en. Vor allem in Norddeutschland war das Bier ein begehrtes Handelprodukt. Dabei lag im M ittelalter die “Biergrenze”, wo nicht m ehr das Bier, sondern der W ein Volksgetränk ist, weiter im Nordosten als heute. (W enn m an jetzt 7 überhaupt noch von solchen Grenzen sprechen kann) I n B a y e r n w a r d e r W e in , n ic h t d a s B ie r, b is in s 17.Jahrhundert hinein das Volksgetränk. Der W einbau wurde weiter nach Norden hin betrieben als heute, was vielleicht auch an einer klim atisch günstigeren Epoche lie g t. J e d e n f a lls w a r d e r W e in b a u m it a ll s e in e n handwerklichen Konsequenzen weit verbreitet. Auf guten T runk hielt das Bürgertum der m ittelalterlichen deutschen Stadt und in vielen Zunftdokum enten finden sich Bestim m ungen, dass für kleine Verstöße gegen die Zunftordnung der Schuldige es durch Bier oder W ein “bessern” m üsse. Vieles deutet darauf hin, dass bei Festen und Feierlichkeiten sehr heftig den alkoholischen Getränken zugesprochen wurde. E s gab natürlich noch eine ga nze M eng e and erer Handwerke wie die Gruppen der Glaser und Glasm aler, die sich erst entwickelten, denn vor allem Fensterg la s w a r n o c h n ic h t verb re itet und sehr teuer. Im Baugewerbe hatten die Steinm etze ein große Bedeutung. Es gab M aurer und Ziegelm acher. W enn m an heute die großartigen Bauten dieser Zeit wie Kathedralen, Münster aber auch die wunderbaren alten Rathäuser voller Bewunderung und Respekt betrachtet, dann m uss m an sich klar m achen, dass diese gewaltigen, in Harm onie und Kunstfertigkeit perfekten Bauten das W e r k v o n H a n d w e r k e r n u n d n ic h t vo n g e le h r te n A rchitek ten sind! Selbst der E ntw urf und die K onstruktion lag in den Händen der Baum eister, die das W erk dann auch um setzten und vollendeten. Die m ittelalterliche H ochblüte des H andwerks, seine Ausdehnung, war gewiss begünstigt durch die zahlreichen Handelstraßen, die sich auf deutschem Gebiet kreuzten, durch mancherlei Anregungen und Einflüsse aus Italien, Frankreich und dem Orient und günstige Beschaffungsm öglichkeiten von Rohstoffen durch eine große Ausdehnung des Reichsgebietes. Entscheidend war jedoch, was die Bürger durch ihre handwerkliche Kultur aus dieser günstigen Lage wirklich gem acht haben, wie es ihnen gelang die Qualität ihrer Produkte so zu steigern, dass ihnen Absatzgebiete sicher waren und der Ruf dieser W aren eine ständige Nachfrage sicherte. Untrennbar verbunden, ja Voraussetzung dafür war die Leistung, eine O rganisation des deutschen H andwerk s w eit ü be r den d eu tschen R aum hinaus zu schaffen, die Jahrhunderte hindurch funktioniert hat, Zehntausenden von Fam ilien Verdienst gab und dafür sorgte, das die Q ualität der Produkte sich abhob von Billigwaren. Hier liegen die Grundlagen des Begriffs “Made in Germ any” und bilden zweifelsohne die weit zurück reichenden W urzeln des W ohlstandes in der jetzigen Zeit. men, ist den erwähnten Königen eher nicht zuzurechn e n , d a b e id e in d e r G eschichtsschre ib u n g n ic h t gerade städtefreundlich beschrieben werden, dafür mehr der Geistlichkeit verbunden waren. Es ist daher auch anzunehm en, dass unter dem be de ut en den Kaiser Friedrich I. (Barbarossa) der eigentliche Prozess der Stadtgründung einsetzte. Der Beginn und Anlass hierfür könnte der Aufenthalt des Kaisers im damalig so genannten Reichsterritorium “Pleißenland” im Jahre 1165 gewesen sein. Denn gerade unter diesem Kaiser kam es zu vielfältigen S tädtegründungen w ie das L a nge n s a lza , H e ilig e n s ta d t, L a n d s h u t, B ra u n a u, Straubing oder München belegen. Barbarossa sah, im G e g e n s atz zu s e in e n b e id e n V o rg ä n g ern , in d e r Stärkung der Städte auch eine vor allem wirtschaftliche Stärkung der Reiches und damit auch eine Sicherung d e r K aiserlichen Z e n tra lg e w a lt a u f a ltd e u ts c h e m Boden, wie auch in den neu besiedelten Gebieten. Jedenfalls kann m an für C hem nitz kein eindeutiges Gründungsdatum zuordnen (vielleicht um 1170). Die erste nachweisliche urkundliche Erwähnung erfolgte 1216. Als eines der w ichtigste Dokum ente für die spätere Entwicklung von Chem nitz ist das Bleichprivileg von 1357 zu nennen. Hierin bestim m en die meißnischen M a rk g ra fe n Friedrich und B althasar, d a s s “N y k e l Manhoupte m üntzmeister zcu Friberg, Nykele Schultheissin zcu Myteweide, Mathis Maltzm eister burger zcu Kempnitz unnde Hentzel Randecken burger zcu Friberg” erlaubt wird, am Chemnitzfluss eine Bleiche anzulegen, die niem and im U m kreis von 10 Meilen stören solle. Die G eburtsstunde für das Chemnitzer Textilgewerbe ! Die W asserverhältnisse und Lage der Flussauen müssen besonders gute Voraussetzungen für den Bleichprozess geboten haben. Dass aber auch die A nw esenheit einer ausreichenden A nzahl von Leinewebern die Standortw ahl b eg ün stigte, ist anzunehmen. In den ersten überlieferten Urkunden nach 1330 findet m an Nam en wie : Schuw ichte, Ditherich der bader, H a n n u s d e r g e r w e r , M a lc zm e is te r , S w e r tv e g e r , G oltsm ied e, Ledrer, C ziec hn er, S po rer od er B ierschröter. Diese Handwerker müssen also schon in der S tadt tätig gew esen sein. S c ho n 1331 zeugt eine Übereinkunft der Stadt m it den K losterherren, dass kein Dorfhandwerker - von der Kirchweih abgesehen auf dem Markt von Chemnitz etwas anbietet, von einer gewissen Stärke des Handwerks auch gegenüber dem R a t, d e r deren F o rd e ru n g e n in d ie s e m F a ll a u c h u m s e tzte . D ie Ü berlieferungen und S chrifts tü c k e besagen jedoch, dass gerade durch das wirtschaftliche Erstarken des H andwerks vielfältige Konflikte zw ischen Stadtherren und Handwerk ausgelöst wurden. Die herangewachsenen wirtschaftlich potenten Kräfte aus dem H andw erk rangen um Teilhabe am Stadtregiment. Zur Durchsetzung der entstandenen Forderungen eigneten sich als mittelalterliche Korporationen die Zünfte in ganz besonderer W eise. Sie boten zum einen Möglichkeiten zur Lösung gewerbeinterner und w irtschaftspolitischer Fragen, eröffneten aber auch Gelegenheiten zur politischen Kom munikation. Es ist nicht verwunderlich, dass die Stadtherren natürlich ihre Macht nicht gern teilen wollten und alles taten, um ein organisiertes, also “zünftiges“ Handwerk zu verhindern. W ie sah es nun mit dem Handwerk nach der Stadtwerdung von Chemnitz aus ? Das erste, uns erhaltene Dokum ent, was in Zusammenhang mit der Entwicklung von Chemnitz zu sehen is t, s te llt e in U rk u n de aus dem J ah r 1 1 4 3 d a r. In die s em S c hrifts tüc k b e s tätig t der deuts che K önig Konrad III. die durch seinen Vorgänger Kaiser Lothar 1136 erfolgte Gründung des Benediktinerklosters auf dem heutigen Schloßberg. Damit verbunden war das Recht, einen reichsoffenen Marktplatz einzurichten, der vom Zoll befreit war. Vielleicht ist hier die Absicht zu erkennen, einen Fernhandelsplatz zu errichten. Der W ille, die Gründung einer Rechtsstadt vorzuneh8 Es ging in Chemnitz sogar soweit, dass der Versuch unternommen wurde, den Landesfürst zunftfeindlich zu beeinflussen. Die sich formierenden Innungen, wie sie im obersächsischen Raum heißen, hatten es also auch zu Beginn ih r e r E n ts te h u n g n ic h t e in fa c h . U m 1 3 4 5 g a b e s de m na c h led ig lic h s e c h s Z ü n fte : “...Is w are n dri h a n tw e rk , n u s in t ir s e c h s e w ord en die w ile d ie ir innunge haben.” Um 1415 gab es : sartores( Schneider), fabri (Schm iede), p is tores (B äc k er), lanifices (Tuchmacher/W ollweber), sutores (Schuster), carnifices (Fleischer), linifices (Leinew eber) , w ie aus der W ach - und Zirkelordnung hervorgeht. In w eit über fünfzig Jahren kam gerade mal eine Zunft dazu. Aus dieser Zeit finden sich fast keine schriftlichen Überlieferung en, die einen Blic k in d as zunftinterne Leben ermöglichen könnten. W ahrscheinlich war der Umfang des Regelwerkes in dieser Phase durchaus noch mit m ü n d lic h e n , a lth e r g e b r a c h te n V e r e in b a ru n g e n , Absprachen und Überlieferungen zu beherrschen. Erst 1470 beginnen mit dem Chemnitzer Tuchmacherstatut die mehr oder weniger detaillierten Überlieferungen der Zunftordnungen in unserer Stadt. genossen benannte m an lediglich m it der einschlägige n H an dw erk sbe ze ic h n u n g : b e k ere (um 13 45 ), snider und sm yt (1379),fleischawer (1402) und schustir (1432). Erst im Laufe der Zeit entstand die Notwendigkeit, den Stand der selbständigen Handwerker eindeutiger von dem der Gesellen oder dam als Knechte zu unterscheiden. Dies war wie alles in der Geschichte ein Prozess, der sich in Deutschland territorial und zeitlich sehr unterschiedlich gestaltete. In Chem nitz stam m t der erste Beleg aus dem Jahr 1414 : “W er ouch yn eym e handwerke meisterwerdin wil, der salczu den kerczen desselben handwerks zcwei pfundwachsis gebin”. Der Übergang zur selbständigen Handwerkerschaft ist hier (Chem nitz) erstm al mit Auflagen, Leistungen oder Bedingungen verknüpft, die in späterer Zeit im m er größere Ausm aße annahm en. Zu den Vorleistungen gehörten der Nachweis über Geburt, Lehre, W anderjahre, Bürgerschaft und Eheschließung, dann folgte die M utung oder Anwartschaftszeit und die Zahlung von G ebühren und anderer G elder an Rat und Zunft. In zunehmendem Maße setzte sich die Anfertigung eines Meisterstückes durch. In Chem nitz ist das relativ spät 1536 bei den Beutlern belegt. V on A usnahm en abgesehen, hielten sich bis zum Dreißigjährigen K rieg alle Anforderungen an einen Aufnahm ekandidaten der Zunft aus zeitlicher, materieller als auch rein handwerklicher Sicht in vernünftigen G renzen. Diese H ürden k onnten ohne weiteres von einem tüchtigen G esellen genom m en werden, ohne dass er sich restlos verschuldete. Erst im Laufe des 17.Jahrhunderts wurden die Anforderungen derart hoch geschraubt, dass von einen regelrechten Fernhalten von der Zunft gesprochen werden kann. Bedenken m uss m an aber ausdrücklich, dass diese V erhaltenw eise der Zünfte nicht aus Laun en oder Selbstherrlichkeit heraus geschah, sondern im veränderten sozialökonom ischen Kontext dieser Zeit zu s u c h e n is t. S ollte, aus der dam alig e n S ic h t e in e r ganzen gewerblichen Kultur, das Handwerk Prinzipien u n d P rivile g ie n au fge be n, d ie ü b e r J a h rh u n d e rte Zehntausende von Fam ilien in Deutschland eine große soziale Sicherheit gegeben haben ? Man konnte dies bei ernsthafter und näherer Betrachtungsweise nicht verlangen, da die sich abzeichnenden frühkapitalistischen Prinzipien von Kapital und Markt a u s g e fü h lm ä ß ig e n und rationellen G rü n d e n d e n uralten G rundprinzipien des H andw erk s widersprachen. M it dem fehlenden analytischen W issen, verm ochte m an nicht, alle m it dem Begriff der Ehrbarkeit verbundenen Grundfesten des Handwerksstandes m it den Veränderungen auf sozialökonomischen und damit gesellschaftlichen Gebiet zu verbinden. Die Erfahrungen solcher Prozesse können gerade in der jetzigen Zeit wertvolle Anregungen auch für so m anche Neuorientierung im heutigen Handwerk sein. Der von Anfang an geführte Kam pf des Handwerk, um einen gesicherten gesellschaftlichen S tand, hatte natürlich im m er politische Auseinandersetzungen m it dem Stadtregim ent zur Folge, die auf alle Belange der Stadtbürger ausstrahlten. Durch die Festlegungen der Zünfte, wie Um fang der P roduk tio n, Zahl der M eiste r und w eite rer D eta ils bekam das Handwerk natürlich starken Einfluss auf die Preisbildung in der Stadt. Dies wiederum konnte den In d e n d e u ts c h e n Z ü n f te n h a tte s ic h e in e in n e r e O r d n u n g e n t w ic k e lt, d ie d u rc h e in e V ie lza h l vo n V ors c hriften , R egeln, Schranken und m oralischen G rundsätzen gestützt w urd e. D er B eitritt zur Zunft verlangte eine freie und “ehrbare” Herkunft. Sie will sich dagegen sichern, dass Unwürdige in ihre Reihen eindringen und auf diese W eise die gesellschaftliche Stellung untergraben. Ferner fordert das alte Handwerk s tets , d as s n iem and a ufgenom m en werden dürfe, gegen den persönlich etwas vorlag. E r m usste also nicht nur freien (ehrlichen) und ehelichen Abkom m ens sein, sondern m usste auch persönlich in jeder W eise ehrenhaft sein. W enn bei jeder Lehrlingsaufnahm e und Gesellenlossprechung die ganze Zunft befragt wurde, ob gegen den Lehrlin g u n d G e s e lle n a u c h n ic h ts Ehrenrühriges vorläge, so war dies nichts anderes, als was jed er a uf E hre h altende S tand , wie etwa das Rittertum und die Bürgergeschlechter der Städte auch taten. D ie im m e r w ie de r a n g e fü h r te n a lte n , ve r zo p f te n , erstarrten und schikanösen Bestim m ungen, wie sie in späteren Jahrhunderten zu finden sind und den Begriff der “Zünftlerei” zum Ausdruck vollendeter Engherzigkeit und organisierten gegenseitigen Neides gem acht haben, waren dem alten Handwerk des 13.,14. und 15. Jahrhunderts frem d. Die Voraussetzungen zur Aufnahm e in die Zunft waren also an die volle W ertigkeit eines Bürgers der Stadt gekoppelt. In einem ging m an natürlicher W eise noch weiter: Er m usste zum indest Proben seines Könnens abliefern. Bei den Berliner Bäcker von 1271 heißt es : “W er das Handwerk haben will, soll an des Meisters Ofen backen, dass man sieht, ob er sei W erk kann.” Das war auch aus der Sicht der S ta dtherren ve rn ünftig, das s die N ahru n g s m itte lversorgung der Stadt nicht unter der Unfähigkeit eines Mannes litt. U rsprünglich scheint es, hatte der Begriff “M eister” einen m ehr politischen Inhalt, denn noch im 15.Jahr h u n d e r t m e in te d er C h em n itze r R a t, w en n er vo n Meister sprach , die Vorsteher der Zunft, die Vierm eister oder späteren O berm eister. D ie übrigen Z unft9 Ratsherren nicht gerade gefallen , so dass sich das V e rh ä ltn is v o n S tadtherren und Z ünften in eine m ständigen Spannungsfeld befand, in dem m an sich je nach m om entaner Machtlage gegenseitig Zugeständnisse abzuringen versuchte. Dieses kom plexe Verhältn is h a tte z u m B e is p ie l z u r F o lg e , d a s s zw a r d ie K a u fh e rre n a n n ie drigeren P reisen durc h h ö h e re Konk urrenz Interesse hatten, aber auf der anderen Seite auch an hochwertigen W aren interessiert waren, was wiederum ein Mitwirken der Zünfte erforderte, um “Pfuscher” fernzuhalten. B r a u t v o r d e r H o c h ze it “... d u rc h zw e i b e e id ig te Am btsm eister zur anzeig ihrer unbefleckten Jungfrawschaft antasten oder begreiffen zu m üssen”. W aren die grundlegenden Forderungen erfüllt, wurde das Lehrgeld ausgehandelt, zwei Bürgen benannt, die m it finanziellen Beträgen dafür einstehen sollten, dass der Lehrling die Ausbildung auch wirklich absolvierte und nicht vorzeitig davon lief. W ar alles besprochen u n d g eregelt, gelobte der L e h rlin g b e i g e ö ffn e te r Zunftlade die Lehre durchzustehen, fleißig, gehorsam und gottesfürchtig zu sein. Dann wurde er vom Viero d e r O b e rm e is te r in s H a n d w e r k a u f g e n o m m e n , seinem Lehrherrn übergeben und alle P a pier des Lehrjungen in die Zunftlade hinterlegt. Dann begann nach einer Probezeit von 8 T agen bis 3 Monaten die Lehrzeit. Die Lehrzeiten selbst waren von Gewerbe zu Gewerbe stark differenziert und lag zwischen ursprünglich 2 Jahren (die Tuchm acher in Chem nitz, 1470), wie in vielen Handwerken auch in anderen Teilen Deutschlands, bis zu 6 Jahren (Beutler, 1649). Generell kann m a n vo n e in e r Z u n a h m e d e r L e h rze it b is zu m 18.Jahrhundert auf ca. 4 Jahre sprechen. Die höchste erm ittelte Lehrzeit in Sachsen h ab en die Leipziger Goldschm iede m it 8 Jahren zu bieten. Der Lehrling unterstand der Erziehungs- und Aufsichtsgewalt des Lehrm eisters und war so Teil der ganzen Hausgesellschaft des M eisters. In der R egel wurde vom Lehrling gefordert, er solle früh der erste in der W erkstatt sein und abends hat m an ihm das Ausfegen des Raum es überlassen. Eine festgelegte Lehrausbildung gab es nicht. Sein Ausbildungsfortschritt hing also in großem Maße von seiner Fähigkeit ab, mit den Augen zu beobachten und m it den Händen nachzuahm en. Selbstredend spielte auch das Können des Meisters selbst eine große Rolle und in welchem zeitlichen Rahm e er die Möglichkeit bekam , die eigentlichen Lehre auszufüllen. Es ist durchaus nicht ungewöhnlich und zu seiner Zeit auch nicht kritikwürdig gewesen, wenn der Lehrjunge auch zu anderen Tätigkeiten in der Hauswirtschaft herangezogen wurde, denn die Aufwendungen für den Haush a lt, d e n L e b e n s u n te rh alt un d fü r d ie N a h ru n g s gewinnung waren im Mittelalter wesentlich höher und la s s e n s ic h n ic h t m e h r m it h e u tig e n M a ß s t ä b e n m essen. Auf grobe Verstöße achtete die Zunft, so dass zum indest bis zum Ende des 16.Jahrhunderts auf eine gesunde Ausbildung zu schließen ist, wovon auch der hohe Stand der H andw erksprodukte dieser Epoche zeugt. Positiv m ochte es auch von der Tatsache sein, dass kein M eister m ehr als einen Lehrling ausbilden durfte. H ier k om m t auc h d ie F rage d es N achwuchses ins Spiel. Sollten kontinuierlich, also auch für die Zukunft gleichbleibende Qualität geliefert werden, bedurfte dies gut ausgebildeter G esellen. Es entwickelte sich eine geordnete Ausbildung, die es bis dahin nicht gab. W ann eine geordnete Lehrzeit das erste Mal verlangt w u r d e , lie g t im D u n k e ln . D ie f rü h e s te U rk u n d e stam m t von den Kölner Drechslern aus dem Jahr 1182 und fordert : “...dass niem and, der nicht selbst zwei Jahre gelernt habe, Lehrlinge anlernen solle.” Ein Mindestalter für Lehrlinge wurde vorgeschrieben, wie auch m itunter ein H öchstalter. D ie Buchbinderordnung von Nürnberg (1598) schrieb vierzehn Jahre vor, die O rdnung der Schneider in H ohenzollern von 1593 dreizehn bis vierzehn, die Zieglerordnung von W ürttem berg (1589) fünfzehn Jahre, w eil sonst der Lehrling die schwere Arbeit nicht schaffen könne. Der M e is te r m u ß te s ic h in v ä te r lic h e r W e is e u m d e n Lehrling küm m ern, ihn im Sinne der M oralvorgaben des Handwerks erziehen, ihm Ernährung und Kleidung sichern. Allerding erhielt er dafür m eisten auch Lehrgeld von den Eltern des Lehrlings. Um Missstände und ein Ausnutzen der Lehrlinge zu verhindern, führten einzelne Zünfte Lehrlingsprüfungen ein. Stellte sich dann heraus, dass der Meister seinem Lehrling nichts beigebracht hatte, dann wurde der Lehrling bei einem anderen Meister untergebracht und der erste Meister m usste den Schaden bezahlen. In diesen Dingen , wie auch in allen anderen gewerblichen Fragen besaß die Zunft ihre eigen Gerichtsbarkeit, m it aller Konsequenz für ihre Zunftgenossen. Die Aufnahm e als Lehrling eines Zunftm eisters war an eine lange Reihe von Forderungen gebunden. Er hatte ein Zertifikat seiner ehrlichen Herkunft vorzulegen, das h e iß t, d a s s e r n ic h t e in e r F a m ilie e in e s S ta n d e s entstam m te , die als unehrlich galt. Er m usste außerdem ehelicher Herkunft sein. Nur in Ausnahm efällen konnte durch Anruf des Landesherren eine Sondererlaubnis durch die Eltern erwirk t werden. Vielfach wurde durch die Obrigkeit in speziellen Anordnungen die Ehrbark eit ausdrück lich bestätigt. Zum Beispiel erklärte Kaiser Ferdinand II. die Kriegstrom peter und Paukenschläger für ehrlich. Ähnliches wurde auf dem Reichsdeputationstag in Frankfurt 1577 für die Leineweber, Barbiere, Schäfer, Müller, Zöllner oder Pfeifer angeordnet. Hier zeigen sich schon aus der heutigen Sicht sonderbare Missbräuche, die vielleicht sogar in G ründ en aus frühe r Ze it zu suc hen sind, die aber oftm als völlig übertrieben w aren. N icht nur was die Lehrlinge angeht trieb das überspitzte Ehrbarkeitsgebot zum Teil drollige, ja skandalöse Blüten, sondern auch bei der Eheschließung. So hatten die Schuhm ac her von Brem en die sonderbare G ew ohnheit, die W ar der letzte T ag d er vorgeschriebenen Lehrzeit vollendet, so konnte der Lehrling die Aufnahm e unter die Gesellen verlangen, falls er nicht zu den Handwerk e n g ehörte , d ie e in e P rü fu n g in d e r e in e n o d e r anderen Form verlangten. D as form ale Ritual der Lossprechung fand im m er vor geöffneter Zunftlade vor vers am m eltem H an dw e rk s tatt. B es on de rer W ert wurde auf die Anwesenheit von G esellen gelegt, in deren Kreis der Lehrling nun eintreten sollte. Nach m ehr oder weniger um fangreich dargebotenen Redensarten wurde der Geburtsbrief und das Bürgengeld zu rü c k g e g e b e n s o w ie d e r L e h rb r ie f a ls ü b e r a u s wichtiges Papier überreicht. Nun fragte der Altgeselle, 10 ob er gesonnen sei, auszustehen, was ein anderer ehrliche r G ese lle aus ge s tand en ? U nd erhielt zur Antwort : ja, sie m öchten es aber leidlich m achen, also nicht übertreiben. D ie ursprünglich harm losen und he ite re n H ä n s e le ie n (T a u fe n , S c h leifen, H obe ln) arteten aber später vielfach in einer W eise aus, dass m it V erboten da g e g en eingeschritten w urde. V om A ns atz h e r w a re n e s g u te alte B räuc he, die dazu diene n sollten, den neu en G ese llen in eine S char Gleicher aufzunehm en, ihn m it den alten Gebräuchen des H andw erk s vertraut zum achen, ehrbares Auftreten, Begrüßungen und Redensarten zu verm itteln und ihn auf die W anderjahre vorzubereiten. So bezeichnet der “Metzgersprung von München” einen zum Volksfest gewordenen Brauch der Metzgergesellen am Rosenm ontag. Beispielsweise hatten die Schuhknechte von Chem nitz im Laufe des 15.Jahrhunderts von den Meistern das Zugeständnis eines Badetages abgetrotzt. 1496 ließen sie sich das vom Rat in ihren Statuten bestätigen, doch nicht eher , als sie 3 Paar Schuhe gemacht hätten.Eine besondere Stellung nim m t im m er wieder der “blaue M ontag” ein und ist M ittelpunkt zah lreic h e r zäher K äm pfe. D a die G esellen m eisten in W oc henlohn bezahlt wurden, konnten sie nur gewinnen, wenn sie ihre Arbeitzeit beschränkten. Da sowieso Montag der Tag war, an dem die Gesellen , die wandern wollten, zum T or hinaus begleitet w urden, die Backstuben besonders besucht wurden und m an sich überhaupt vom Trunk des Sonntags gern ausruhte, so kann m an sich vorstellen wie der Montag zu seinem Namen kam . Manchm al wird angenom m en , dass der sogenannte blaue oder gute Montag jeden Montag betraf, was aber durch nichts unterm auert ist. Vielm ehr handelt es sich um eine gew isse A nzahl von Montagen, die illegal “abgefeiert” , aber später zum Teil offiziell sanktioniert wurden. Beispielsweise wurden den Schlossergesellen in Chem nitz 1618 jährlich 3 freie M ontage zugestanden. Hatte der Lehrling seine Lehrzeit bestanden und war freigesprochen, standen die W anderjahre bevor. W ann diese Gepflogenheit erstm als praktiziert wurde, ist nicht nachzuweisen. Es w ird s ic h wohl um einen langen Prozess gehandelt und, gerade in der Zeit territorialer Ausdehnung und eines blühenden Handel, junge Leute in die Ferne gelockt haben. Zurückgekehrte Burschen brachten W eltoffenheit, neue Techniken und Sitten mit und waren wichtige Bindeglieder des H andwerks im Deutschen Reich. Die Zünfte erkannten sicherlich die Nützlichkeit solchen Erfahrungserwerbs und nahm en d ie W a n d e re m p fe h lu n g e n S tü c k fü r S tü c k in d ie Zunftordnungen auf - erst der Neid und die Furcht vor Konkurrenz missbrauchten das W andern als ein Mittel, um die Niederlassung von Gesellen als Meister durch unverständiges Ausdehnen der W anderzeit zu erschweren. Bei den Ham burger G erbern (1375) und Lüneburger Schuhm achern (1389) gibt es in deren Zunftordnungen erste Hinweise auf das W andern. Es gab kaum einen Stand, außer vielleicht der Geistlichkeit, der einen solch starken Zusam m enhang trotz der s c hw ierigen Verk ehrsverhältnisse über das ganze Reich besaß, wie das Handwerk. Ursprünglich war der Stand des G esellen von einer W a r te p o s itio n g e k e n n ze ic h n e t a u f d e m W e g zu r Erlangung der Meisterwürde. Erst als die gesellschaftpolitischen Spannungen und Entwicklungen ab dem 16. Jahrhundert es fraglich w erden ließen, ob viele G esellen jem als eine eigene W erkstatt begründ en könnten, treten die Gesellenkorporationen stärker in den Vordergrund. Von nun an entspannen sich im m er wieder Auseinandersetzungen m it Meister und dem Rat hinsichtlich der sozialen Absicherung, vor allem in Arbeitszeit- und Lohnfragen. S o g a lt b e is p ie ls w e is e 1 7 8 0 b e i d e n M a u r e r n in Chem nitz für die Som m erzeit ein Arbeitstag von früh um 5 Uhr bis abends um 6 Uhr, abzüglich 2 Stunden Pausen. In den “W erkstatthandwerken” waren es aber durchaus bis zu 13 Stunden. Ein zähes Ringen gab es überall um spezielle Freizeitfonds, die z.B. das Aufsuchen des Bades gestatteten. W ir können aus den Überlieferungen annehm en, dass es sich oftm als um einen k ollek tive n B adebesuch geh and elt h a t, b e i d e m zu n ä c h s t d a s e ig entliche waschen, das ”balbieren” vorgenom m en wurde und dan ach das ge m einsa m e Sitzen “in einer W ann e” zelebriert w urde. H ier durfte keiner “ungewaschen sein”! W enn m an auf die Verdienste der H andwerk er und Löhne der Gesellen abzielt, so betritt m an ein äußerst kom pliziertes Terrain. Z um einen war der W ert des Geldes allgem ein großen Schwankungen unterlegen und zum anderen legte so ziem lich jeder Landesfürst den W ert, den N am en u nd d ie U nterteilung seiner Münzen selbst fest. Man m uss auch bedenken, dass sich der W ert einzelner m aterieller Güter und Dienstleistungen untereinander zum größten Teil vollkommen ve rs c h o b e n h a t. E s n u tzt a ls o s e h r w e n ig , w e n n beispielsweise der Roggenpreis als Vergleichsnorm al herangezogen wird. Die m eisten Vergleiche, die rein auf arithm etischen Um rechnungen basieren und nicht die jeweiligen Lebensqualitäten- und ansprüche m it e in b e zie h e n (s o w e it d a s ü b e rh a u p t g e h t) fü h re n deshalb zu unbrauchbaren Ergebnissen. T rotzdem kann m an aus allen überlieferten Q uellen schlussfolgern, dass zum indest bis zum Dreißigjährigen Krieg das Handwerk in seiner G esam theit in bem erkensw ertem W ohlstand lebte und nach dem Krieg eine k on tinu ierliche A bw ärtsbew egung in den m eisten Gewerben einsetzte. D agegen käm pften natürlich die aktiven und wehrhaften Gesellenkorporationen besonders an. Im m er wieder kom m t es zu Auseinandersetzungen zwischen den G esellen auf der einen und dem R at und den Zunftm eistern auf der anderen Seite. Im Mittelpunkt s te h e n f a s t im m e r d ie m ite in a n d e r v e r w o b e n e n Sachverhalte : Arbeitszeit, Lohn und Gesellenehre. 1724 legten in W ürzburg die “Schuhknechte”, also die Schuhm achergesellen die Arbeit wegen Lohnstreitigkeiten nieder, 1723 verließen die Schneidergesellen in H annover die W erkstätten und sam m elten sich vor dem S tadttor, w eil ein M eister gegenüber seinem Gesellen “gröblichst Handwerksrecht und Gewohnheit” verletzte. In Chem nitz kann m an solcherlei Geschehnisse ebenfalls verfolgen. 11 167 7 wa ren einem in d ie S ta d t gek om m ene n P osam entierergesellen 7 G roschen angeboten worden, die hiesigen G ese llen erhielten aber einen halben G roschen m ehr. D a sie Lohndrückerei befürchteten, entspann sich daraus ein kleiner Aufstand. Die Meister w and ten sich an den R at und beide hielten es für richtig, “Solchen frevel zubestraffen”. Die aufgebrummten 2 Tage Gefängnis verfehlten indes ihre W irkung, denn wenig später zeigten die Viermeister dem Rat an, dass 15 G esellen ”einen Auffstandt gem achet, nicht a r b e ite n w o lte n , s o n d e r n b e is a m m e n lä g e n u n d söffen”. Auch hier reagierte der Rat auf Drängen der Zunft m it Gefängnis und Geldstrafen. m is c h e n E n tw ic k lu n g d e s g e s a m te n H a n d w e rk s entstanden und w eiter oben schon anges prochen wurden. Kam ein G eselle beispielsweise auf seiner W anderschaft in Chem nitz an, suchte er die für sein Gewerbe zuständige Herberge auf. Das konnte ein separates G e b ä u de s e in , w ie b e i d e n B ä c k e rg e s e lle n o d e r Leineweberknappen, w ar aber m eistens das Haus eines Meister, der als Herbergsvater fungierte. In der Herberge traf der Anköm m ling die rasch zusammengerufenen G esellen seines Handwerks und erhielt von ihnen einen Begrüßungstrunk der sich oft zum Leidwesen der M eister einige Stunden ausdehnen konnte. Dann erfolgte die Arbeitssuche, die vom Altgesellen o d e r d e m d a f ü r zu s tä n d ig e n M e is te r, m e is t d e m Herbergsvater, geleitet wurde. Ein streng festgelegter Verhaltenskodex verpflichtete die Gesellen zu Sittsam keit und Gehorsam . Besondere Aufm erk sam keit fiel auf das Bett, ein m it Strohsack und Decke ausgestattete Schlafstelle. In vielen Vorschriften wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass m an es nicht “verunehren” solle. Es m öge daher auch nur eine solche Menge Bier getrunken werden, dass m an sie nicht “m uste wieder geben”. Die ausdrücklichen H inw eise darauf, kam en nicht von ungefähr. Verm utlich nahm es die Burschenschaft oftm als nicht allzu genau m it d ere rlei A uflag en . M uss m an dem rom antischen Klischee der W anderschaft angesichts der staubigen Straßen, der Entfernung zur Heim at und der steigenden Unsicherheit, ob sich die vielen Entbehru n g e n u n d O p fe r a u c h je m a ls lohnen, durchau s k ritis c h g e g e n ü b e r s t e h e n , s o w a r e n d o c h d ie s e Gesellenburschen von Lebensfreude und Optim ism us er fü llt : “ C h ris tuß im he rtzen , die L ieb ste im arm , vertreibet vül Schm ertzen vnd m achet fein warm .” K am nun der G eselle aus der Frem de zurück und wollte nun ebenfalls Meister werden, m usste er eine sogenannte “M utzeit” (Anwartschaft, nicht von Mut) ab s olviere n. In d ies er Z eit k on n te s ic h d ie Z un f t vergewissern, ob sich der G eselle draußen redlich gehalten hat und zugleich sehen, ob er wirklich etwas gelernt hat. Die “Mutzeiten” waren ursprünglich nicht sehr lang, höchsten ein halbes bis ein Jahr, und die “M eisterstücke” waren weder überm äßig kostspielig noch überm äßig schwer herzustellen - das kam erst auf, als auch das Meisterstück zum Mittel der Fernhaltung neuer Meister wurde. Im ess- und trinkfreudigen Mittelalter war es außerdem üblich, d ass der n e u a u fgenom m ene M eiste r ein “Meisteressen” gab und der Lehrling bei der Lossprechung der Zunft einen Trunk bezahlte. H eute ist es anders herum und der frischgebackene Geselle stößt m it dem Oberm eister auf der Innung Kosten an. Die Bader von Lüneburg gaben sogar die Speisekarte vor : “einen Schinken, ein Gericht grüner Fische und zwei Stöfchen W ein”. Es hielt sich zu dieser Zeit alles im R ahm en, denn die M aler un d G las er von Lübeck forderten, dass die G esam tkosten nicht über 5 Mark betragen sollten und dass er eine Tonne Bier “unde nich m er” gebe. Ü b rig e n s w a re n d ie s e lu k u llischen E reignisse im Mittelalter nicht nur im Handwerk verbreitet, denken wir nur an den “Doktorschm aus” der späteren Universitäten. Trinkbecher einer Schneiderinnung Goldschmiedearbeit von 1586 Dass das Bild des Mittelalters ein sehr Facettenreiches ist, gilt auch für das G esellenwesen. M an verstand es auch , sich überaus intensiv zu am üsieren. W öchentlich traf m an sich zum gem einschaftlichen Bier, veranstaltete Fastnachtstänze und ging zu den Tanzveranstaltungen auf den Tanzboden des Gewandh a u s e s . V o r a lle m b e i A n k u n ft u n d A b g a n g v o n W andernden, Freisprachen, M eisterschaften, Hochzeiten und dergleichen hatten die Gelage im Rahm en des Kommunikationssystem s einen hohen Stellenwert. D a s “ W a n d e r n ” na h m e in e ze n tr a le S te llu n g im m ittelalterlichen Zunft- und Gesellenwesen ein. W aren ursprünglich die berufliche Qualifikationserweiterung, A u f n a h m e n e u e r P r o d u k tio n s - u n d M o d e tre n d s , Vergrößerung der individuellen W elt-und Menschenkenntnis, Charakterprägung, aber auch jugendlicher Bewegungsdrang und Abenteuerlust von wesentlicher Bedeutung, so wurde das W andern zunehm end von anderen Einflüssen geprägt, die aus der sozialökono12 Die Zunft bedeutet zu dieser Zeit alles - der einzelne Meister geht in ihr auf. Sie ist Lebengem einschaft, eine Gem einschaft der Ehrbarkeit und der guten Leistung. Die Zunft nim m t teil, wenn der junge Meister heiratet, sie nim m t an der Kindstaufe teil, sie gibt ihm das letzte G eleit. Die Zunft ist Kam pfgem einschaft im Verteidigungsfall und verlangt von M eistern und G esellen, dass sie die vorgeschriebenen W affen besitzen und führen können. F rühzeitig is t d iese G em einschaft nicht nur für die Meister da , sondern auch für die Gesellen. Die ersten Ansätze, sicher nicht m ehr, von Beihilfen im Krankheitsfall und bei Unfällen sind zu erkennen. Kranke M eister oder die unverschuldet in N ot geraten sind, e rh a lte n e in e n Z u s c h u s s a u s d e r Z u n ftla d e . D ie Zim m erleute von Straßburg bestim m en 1478 : “Und w ere es Sac he, das s er s ic h ve rh ie w e (e n tw e der verheb t oder m it der A xt verhaut), so so ll ihm der Meister Essen und drinken geben”. D as gegenseitige “Ausspannen” vo n G esellen war unter den Meistern ausgeschlossen und verboten. Die Zunft regelte diese Angelegenheiten genauso, wie die Lohnverhältnisse und die Arbeitszeit. Die Nachtarbeit o d e r “L ic h ta rbeit” war verboten, n ic h t n u r u m d ie Feuersgefahr für die Stadt zu beschränken, sondern a u c h , u m z u v e rh in d e rn , d a s s e in M e is te r d u r c h d a u e rn d e N a c h ta rb e it m e h r p ro d u zie rte , a ls d ie and eren. S onn tags wurde selbstverständlich nicht gearbeitet und auch Sam stag-Abend war meistens frei. Die Zunft regelte alle Angelegenheiten in ihrem Inneren selbst oder versuchte es in großen Teilen. Gerade über der Frage der Zunftsgerichtbarkeit ist ein nicht geringer Teil der Käm pfe zwischen Rat und Zünften entstanden. Nicht nur reine Handwerkssachen wurden innerhalb der Zünfte entschieden, sondern auch andere Streitigkeiten zwischen Zunftgenossen. Dabei ist es wichtig, dass diese innere Rechtsprechung keine Körperstrafen k annte und dass auch keine größeren Verbrechen verhandelt wurden. W er einm al so etwas begangen hatte, war für das ehrbare Handwerk unehrlich und m it dem wollte es nichts m ehr zu tun haben. Auch nicht als Richter. Dieses alte Handwerk legte viel W ert auf Tradition, auf Ehrbarkeit und hatte auch seine Überlieferungen und kleinen Geheim nisse, die zu Teil noch aus vorchristlicher Zeit stam m en. Diese werden von Generation zu Generation weiter gegeben und befinden sich m anchm al sogar in und auf den alten Zunftladen, wie zum Beispiel der Lade der Bäckerzunft zu Chem nitz um das Jahr 1568, wom it wir auf unserer Zeitreise in unserer Heim atstadt angelangt wären. Das m ehrfach restaurierte Kleinod deutscher Handwerksgeschichte befindet sich heute im Chem nitzer S chloßbergm useum . Die Sym bole und Darstellungen auf dieser Lade lassen die tiefen from m en, vielleicht auch m ystischen Verbindungen in die Vergangenheit erahnen. Auf beiden Seiten befindet sich die “ Laf-Rune”, die alte germ anische R echts run e üb er de r B retzel u nd in der M itte der Löwenkopf. Es gibt kaum eine Bäckerzunft, die nicht den Löwenkopf und die Bretzel führt - aber die wenigsten wissen, dass der Löwenkopf die “Verbildlichung” der alten Laf-Rune ist und die eigene Gerichtsbarkeit, und zwar im Sinne des alten Rechts bedeutet und die Bretzel die alte Bergrune, den Berg, in dem die Toten schlafen gegangen sind und aus dem sie wiederkehren. Die alten Meister haben dam it sagen wollen, dass hier das alte frei R echt gehütet und geh eg t werde. W eiter finden wir 13 Fem erosen - denn die Dreizehn war die alte Glückszahl, die “dreizehnte T ür” ist der erste Monat des neuen Jahres und dam it das neue Leben. W ir sehen die beiden Männer m it je einem zur Schleife gewundenem Tuch in der Hand. Dieses Tuch findet m an auf alten Grabsteinen wieder und scheint die alte Odalsschleife darzustellen. Sie bedeutet das neue Leben aus der Mutter Erde und ist ein bäuerliches Zeichen. W ie es sich für eine Bäckerzunft, die die Frucht der Erde , das Korn, verarbeitet geziem t, gehört dieses Sym bol auf die Zunftlade. Um diese Zeit zeigten sich die ersten Vorboten kom m ender dunkler Jahre in d en de utsc he n L anden. Sowohl äußere, wie auch innere Entwicklungen, die dann zu solchen späteren Ereignissen wie den Bauerk rie g e n o d e r d e m D re iß ig jä h rig e n K rie g fü h rte n , brachten für die Städte und dam it auch für das Handwerk nichts Gutes. Um 1500 blühte jedoch das Handwerk noch im ganzen Lande w ie eine bunte B lum e in seinen s c hö nsten Farben. Das deutsche mittelalterliche Handwerk zeigte sich auf seiner Höhe. Noch im m er überwiegt der Holzbau in der Stadt. Die m eisten H äuser sind un terk ellert, h ab en ihr e geschm ückten Fachwerkgiebel zur Straße zu gewandt und für die Dächer wird im m er m ehr der Dachziegel verwendet. Die meisten Häuser sind sehr schm al, denn es ist sehr w enig P latz inn erh alb der S ta dtm auer vorhanden, die Grundstücke deshalb klein. D ie Fenster sind a lle m it L äd en ausgestattet und nunm ehr überwiegend aus Glas - den allseits bekannten ”Butzenscheiben”. Überhaupt ist es, in die dam alige G esellschaft hineinversetzt, kein ärm liches Leben. Neben den Grundprinzipien des Zunftwesens, und der Kaufm annsgilden, ein solides Auskom m en für alle zu sichern, führen zum indest eine Zeit lang auch m erkwürdige Finanzgebahren m ancher Landesherren zur Schaffung großer m aterieller W erte. Auf Erzbischof W ichm ann von Magdeburg soll zum Beispiel der Fakt zurück zuführen s ein, am Ende des Jahres alles in U m la u f b e fin d lic h e G e ld zu e in e m u m e tw a 2 0 % geringerem W ert um prägen zu lassen. Sicher nur, um Lade der Bäckerzunft zu Chem nitz ca. 1586 13 seine Kasse zu entlasten. Dies hatte jedoch den Effekt, dass das Geld im Laufe eines Jahres im m er m ehr an W ert verlor. Jeder war also bestrebt, in Sachwerte zu investieren - das Geld schrie nach Anlage. Das Geld lief so der Arbeit nach. Die Leute m ussten es ausgeben ! V ie lle ic h t h a t d ie s e A rt d e r G e ld e n tw e rtu n g zu m “goldnen Boden” des Handwerks zumindest zeitweise beigetragen, wie auch die Errichtung von herrlichen Dom en und Rathäusern in auffallend kleinen Städten hierin m it zu erklären ist. Viele Handwerke hatten eine solche Höhe erreicht, das deren Technik en und dam it die P rodukte heute nur noch von wenigen Spezialisten oder überhaupt nicht m ehr zu realis iere n sind. D enk en w ir an K ünstlerH andwerker wie Veit Stoß oder Tielm ann R iem enschneider mit ihren unnachahm lichen Kunstwerken der H olzsc hnitzere i. S ehen w ir in die W erkstätten von Lucas C ranach und H olbein, in denen zu dem viele Lehrlinge und Gesellen beschäftigt waren. Auch die Schm iedekunst hat beispielsweise im Ausschm ieden von Eisen eine verbreitete P erfek tion e rreicht, die heute nur m it Mühe der Meister unter Meistern erreicht. In diese Zeit fallen solch historische Erfindungen, wie die Buchdruckkunst eines Johann Gutenberg oder die Taschenuhr, das “Nürnberger Ei”, von Peter Henlein. Eine Fülle von technischen Erfindungen und Entwicklungen, viele große Bauten und kluge kleine Gegenstände, aber auch ein durc haus ges ellschaftlicher Friede zeugen von der Schaffenskraft, der Innovation und der Lebensqualität des städtischen Handwerks bis zum Ende des 16. Jahrhunderts. In diese Zeit fallen auch die ersten Bem ühungen der Städte, neben den schon bestehenden Kloster- oder Dom schulen, auch städtische Schulen zu etablieren, in denen neben Latein und Religion auch R echnen, Deutschschreiben und Deutschreden gelehrt werden konnten. Das ging nicht ohne Kam pf m it der Geistlichk eit, die vor jeder Zunahm e der Volksbildung Angst hatte, weil sie aus der Schulung des Verstandes nur eine Gefährdung ihrer eigenen, gut dotierten Einkünfte befürchtete. Gerade das Handwerk der alten Städte d r ä ng te im m e r w ie de r a uf d ie E in fü hru ng s o lc h e r Schulen und war sich in dieser Frage m it den Ratsgeschlechtern durchaus einig. Beispielsweise war es trotz der verzweifelten Versuche der Pfaffen gelungen, 1261 in Lübeck, 1267 in Breslau, 1281 in Ham burg, 1403 in Stettin und 1420 in Braunschweig städtische deutsche Schulen einzuführen. In letzterer Stadt gab es sogar regelrechte Unruhen, bei denen die Zünfte m ehrfac h in W affen traten, um ihren Forderungen gegenüber der G eistlichkeit Nachdruck zu verleihen. Auch diese Leistungen des alten deutschen H andwerks sollten nicht vergessen werden. G e g e n E n d e d e s 1 5 . J a h r h u n d e r ts m a c h e n s ic h Entwicklungen bem erk bar, die auch unm ittelbaren Einfluss auf das Handwerk haben. Alte Absatzgebiete deutscher Handwerkswaren fallen weg oder es wird schwieriger, W aren dorthin zu liefern. Die wirtschaftlic h e U m g e s ta ltu n g E n g la n d s b r a c h te ve r s tä r k te Konkurrenz m it sich. Die “Hansa” oder auch “Hanse” sah sich in steigendem Maße W ettbewerbern gegenü b e r. E s k a m ü b e r a ll zu A u s e in a n d e r s e tz u n g e n zwischen den bestehenden Handelsgesellschaften mit den Engländern, den Holländern oder den Ländern des O stseeraum es. A ber auch in P olen , B öhm en und U n g a rn w u r d e n d ie H a n d e ls b e zie h u n g e n d u r c h Z urü c k drä ng un g d es de utsc hen E influsses s tar k beschädigt. Der Niedergang des deutschen Außenhandels war augenfällig. Europa begann wirtschaftlich ein völlig anderes Gesicht zu bekom m en. Es gab jedoch keine Kraft, die im dam aligen Deutschla n d d ie s e r E n t w ic k lu n g h ä t te e n t g e g e n s te u e r n k ö n n e n . E s f e h lte e in e e in h e itlic h e F ü h ru n g , d ie Kleinstaaterei und M acht der F ürsten nahm im m er m ehr zu, die Vorzugsstellung der “röm ischen” Kirche wurde im m er unerträglicher. Vor allem die Last auf der Bauernschaft forderte die kom m enden Erhebungen förm lich herauf. Es gärte in der Stadt, es gärte auf dem Land. Überall kam es zu Bauernaufständen, die dann 1 5 2 4 im g ro ß e n B a u e r n k r ie g g ip f e lte n . O f tm a ls b e te ilig te n s ic h in v e rs c h ie d e n e n O rte n auch die Handwerker m it an diesen Erhebungen. Ging es doch fü r d e n Z u n ftm e is te r g e g e n d ie a lten F einde, die L a n d es h e rr e n , d ie d ie S tä d te a b h ä n g ig m a c h e n w ollten, die hohe G eistlichkeit als Stadtherren, die Steuerfreiheit der geistlichen Stifter und nicht zuletzt gegen das röm ische Recht, überhaupt alles , was er unter dem Schlagwort “Rom ” zusam m engefasste und wogegen er von der R eform ation Luthers wirkliche Hilfe erwartete. D ie zw ölf A rtik el d es Bauerkrieges verlangen freie Pfarrwahl (Religion), Abschaffung des Leinen Zehnten und des Blutzehnten, Verwaltung des Großen Zehnten durch die Gem einden, Aufhebung der Leibeigenschaft, neue Schätzung der Dienstabgaben, Verbesserung der R e c h ts p f le g e , R ü c k g a b e d e s A llm e n d e be s itze s , W egfall des “Todesfalles”, das heißt jener furchtbaren Pflicht, dass beim Ableben eines Bauern das beste S tück seiner H abe der K irche abgegeben werden m usste. Hier lagen Handwerk und Bauern nicht weit auseinander. Die W ogen des Bauernkrieges zogen die unterschiedlichsten religiösen und gesellschaftlichen Strömungen und Ideen nach sich. Namen wie Thomas Müntzer oder die grauenvolle Komödie der “W iedertäufer” in M ünster 1534 sind m it frühkom m unistischen oder ganz einfach wahnwitzigen Ideen verbunden. Die m ittelalterliche Zunft hat die G ütergleichheit und G üterg em einschaft nie gewollt. G leichm äß ig gute V ersorgung, Verm eidu ng aller ihr nicht eh rlich e rscheinenden Vorteile, daru m Kontrolle der Preise, Forderung der guten Q ualität, Kontrolle, ja vielfach G em einsam keit des R ohstoffeink aufs. Sie hatte es aber stets begrüßt, wenn ein Meister durch Tüchtigkeit und F leiß es zu e tw a s b ra c h te . D a s E ig entum zu leugnen, wäre einem m ittelalterlichen Zunftm eister niem als eingefallen - sein Haus und seine W erkstatt w a re n fü r ihn das S tück L e b e ns ra u m , d a s e r b e herrschte und das er zu verwalten hatte. Begeben wir uns auf dem Streifzug durch die mittelalterliche Geschichte des H andw erks w ieder nach Chemnitz. Bis zum Übergreifen des D reißigjährigen Krieges auf Sachsen hatte sich auch in Chemnitz das Handwerk prächtig entwickelt. In erster Linie war die handwerkliche Produktion jedoch auf die Herstellung von Textilien orientiert. Das Bleichprivileg von 1357 hat hierbei generell fördernd gew irkt, aber auch dafür gesorgt, dass die Leinenerzeugung dom inierte. Zu Beginn des Krieges um ca. 1620 waren in Chem nitz 14 mehr als 300 Meister mit der Leinen- und Barchentweberei beschäftigt. Nahezu 1000 städtische Meister der Region gehörten zur Chemnitzer Hauptlade, das heißt W eberstädte der Umgebung, wie Rochlitz, Mittweida, Zschopau, Frankenberg oder Oederan richteten sich nach den Chem nitzer Statuten. 1589 erlangten die Chemnitzer Zunftstatuten der Leineweber für weitere 22 S tädte G ültigke it, w a s a u sdrück lich du rch den Landesherren bestätigt wurde. Die Jahresproduktion belief sich auf ca. 300.000 m Barchent (Mischprodukt aus Flachs und Baumwolle) und W ollzeug im W ert von 85.000 Gulden. Diese Leineweber-Zunft war also eine wirtschaftlich mächtige und damit auch reiche Innung. Es verwundert also nicht, dass sie von 1530 - 1718 am K irc h p la tz ü b e r e in e ig e n e s Z u n fth a u s v e r f ü g te , gen aus o w ie d ie T u c h m a c h e r s e it M itte des 16.Jahrhunderts in der Lohgasse. D ie Auswirkungen des furchtbaren Krieges auf das Handwerk, auf die wir später noch eingehen werden, waren auch in Chemnitz verheerend. Am Ende waren 72% des Gebäudebestandes zerstört und die vordem auf etwa 5500 Personen geschätzte Einwohnerzahl w ar stark dezim iert. Nur noch 52 Meister stehen im R egister u nd a llein 1 02 M eis ter s eien a n der Pest ges to rb e n . In teres s ant ist die Tats ac he, dass die Leineweberei zunächst “unzünftig” betrieben wurde und das nicht nur in Chemnitz. Dieser Handwerkszweig galt lange Zeit genauso wie Müller, Schäfer, Bader, Henker und Abdecker als “unehrlich” nach den W ertevorstellungen des M ittelalters. Zum indest die Leinew eber wurden von höchster Stelle um 1456 auf Grund ihrer Verdienste um das Fürstentum von Kurfürst Friedrich II. aus dieser m ißlichen Lage rein form al befreit. Die Vorurteile hielten sich freilich noch lange und wurden nur zögerlich abgebaut. Neben den Leinewebern entwickelten sich die Tuchm acher (W ollweber) zu einem nicht unbedeutenden gewerblichen Zweig, der 1630 im m erhin 8000 Stück Tuch im W ert von rund 100.000 Gulden herstellte. Im U m feld eines textilen G ew erbes w achsen natürlich auch solche Handwerke wie das der Schneider, der Hutmacher und später auch der Strumpfwirker. Speziell im Schneiderhandwerk ergaben sich aus den relativ bescheidenen materiellen Mitteln, die zur Ausübung desselben notw endig w aren, keine nennensw erten Z uga ngs bes chränk ung e n . Z u m a n d e re n unterlag dieser Handwerkszweig vor allem in der 2. Hälfte des 1 7 .J a h r h u n d e r ts e in s c h n e id e n d e n A u fla g e n u n d Beeinträchtigungen ihres gewerblichen Spielraumes auf G rund von landesherrlichen Kleider-und Luxusordnungen. Auch äußerlich sollte der Unterschied zu den adligen Oberschichten gewahrt bleiben, so m ussten sich die Bürger mit niederen Stoffqualitäten, dem W eglassen von Besätzen und Zierwerk und überhaupt mit allem einschränken, was irgendwie auffällig w ar. Strenge, “ständig” geprägte Norm en für das Tragen von Kleidung schränkten Verbraucher wie auch Produzenten ein. Viele Bürger, vor allem aus den mittleren Standesschichten, hätten gern gezeigt , was sie sich leisten können. Im Metallgew erbe setzte, w ie s c hon e rw ähnt, eine frühe Differenzierung und Spezialisierung ein. Diese E n tw ic k lu n g n a h m ih r e n A u s g a n g s p u n k t b e i d e n S c h m ie d e n , d ie m inde stens seit Be ginn des 15.Jahrhunderts ihre Zunft besaßen. Die Feuerordnung von 1492 forderte von den “Schmieden aller Art”, dass sie eine gute steinerne Esse besitzen sollten und dort, w o d iese das D a ch durchstoß e, m üs s e m a n e in e Ziegelabdeckung anbringen. D ie Bezeichnung des Handwerks deutet auf eine sogenannte Sammelinnung hin, in der Sensen-, Huf-, W affen-, Messer-, Säge- und K upferschm iede, W agner, S chlosser, R iem er und G ürtler zusam m engeschlossen w aren. N eben der Korporationsform, die ein eng bezeichnetes Handwerk in einer Stadt verband und sicher am bezeichnendsten für die Zunft steht, war dies die zweite Form. Es fanden sich, spe ziell in kleineren Städten, nicht genügend Meister eines spezialisierten Gewerks, um eine eigene Innung mit Leben zu erfüllen. Deshalb verbanden sich Meister verwandter Handwerke auf lokaler Ebene zu den erwähnten Sammelinnungen. Die dritte Form der Zusam m enschlüsse w aren die sogenannten Kreisoder Landesladen, deren Mitglieder sich überregional organisierten und damit dem lokalen Zunftsystem fern blieben. Beispiele hierfür sind in Chemnitz die Feilenhauer, die Zinngießer, W eißgerber oder die Hutm acher. In den Lebensm ittelhandwerken lassen sich schon frü h ze itig e n ts ta n d e ne Z ünfte verm u te n . B e i d e n Bäckern deuten Überlieferungen auf des Jahr 1331 hin, zumindest seit Anfang des 15. Jahrhunderts gab es sie. Die Bäcker mussten ihr G etreide selber auf dem Kornmarkt kaufen sich auch um das Mahlen kümmern. G ebacken w urde im 15. Jahrhundert “szo uffte” der B ä c k e r “b a c k e n w il u n d v o rtre y b e n m a g k ”. 1 5 2 3 erreichte der Druck der ärmeren Bäcker eine Reduzie- Bäckermeister 15 rung der Backtage auf Montag, Dienstag und Freitag. Von alters her wurde in den Brotbänken verkauft, die sich unter den Lauben in einem Rathausdurchgang befanden. Es wurde vom Rat und den Schaumeistern streng auf vorgegebene Gewichtsvorgaben geachtet. Eine oft gerügte Praxis der Bäcker bestand darin, den W ecken oder Pfennigbroten mit W asser aufzuhelfen. Bei Verstoß gegen die Backordnung drohte bis zwei Monate Backverbot. Seit dem 17. Jahrhundert wurde zunehmend “aus dem Fenster”, das heißt aus dem eigenen Haus verkauft. Auch die Fleischer scheinen sich als Innung zu Beginn des 14. Jahrhunderts entwickelt zu haben. Haupttätigkeitsfelder der Fleischer bestanden im Viehkauf, dem Schlachten und Fleischverwerten sowie im Verkauf der W aren. Der Viehkauf ging vornehmlich in der Region vonstatten und das Schlachten der Tiere im städtischen Schlacht- und Kuttelhof, der schon vor 1500 in C h e m n itz b e s ta n d . E r m u s s a b e r ze itw e ilig n ic h t sonderlich gut funktioniert haben, denn die Meister wollten wieder zu Hause schlachten. Es ist überliefert : “T a g e la n g lass e der Kuttler, der vom H a n d w e rk eingesetzte Verwalter, das Blut in den Kessel kochen, wasche die W annen, Tonnen und Zuber nicht aus und sei permanent betrunken !”(1667) Auch im Fleischerh a n d w e r k f a n d e n s t r e n g e K o n tr o lle n n a c h d e n Q u a litä ts -, S o rtim e n ts ,-Q uantitäts - und P reisvorschriften des Rates statt. Sie wurden vom Ratsbeauftra g te n s o w ie m in d e s te n s ein em V ie rm e is te r d e r Innung durchgeführt. (Die Innung wurde damals von ein bis vier “Viermeistern” oder Obermeistern geführt.) Natürlich lassen sich nach den Quellen im Chemnitzer Stadtarchiv noc h eine g anze R eihe w eitere H andwerksinnungen nachweisen. 1679 wurde Chemnitz als Sitz der Kreislade der W eiß gerber auserkoren, die Schuster dürften schon um 1334 zünftig agiert haben. Täschner sind seit 1619, die Kürschner seit m indestens 1492 nachweisbar. Die Buchbinderinnung ist seit m indestens 1673 nachweisbar, deren Innungslade, G ründungs urk unde und P rotokollbücher die Jahrhunderte zum Glück überstanden und sich heute in den Händen traditionsbewußter Handwerker befinden. Natürlich war auch das Bau- und H olzgew erbe vertreten. Vermutlich seit der Mitte des 16. Jahrhunderts existierte bei den Tischlern eine Zunft. Die Drechsler erhielten 1649 ihre Statuten. Innungen in den Baugewerben bildeten sich jedoch relativ spät. Maurer und Zimmerleute fanden 1673 und die Glaser zwei Jahre später zu ihren Vereinigungen. Obwohl die Entwicklung des H andwerks in Chemnitz auf Grund ihrer Gründungsgeschichte natürlich später einsetzte als in den großen deutschen Reichsstädten w ie K ö ln , S tra ß bu rg , M a in z o de r R e ge ns bu rg , s o bildete sich doch eine eigenständige Struktur heraus, die in eng em Z u s a m m e n h a n g m it geog rafisc hen, wirtschaftlichen oder politischen Besonderheiten zu sehen ist. Beispielsweise im Textilgewerbe das schon erwähnte Bleichprivileg oder d ie N ähe zum frühen Bergbau des Erzgebirges, deren Auswirkungen bis in die Neuzeit anhalten sollten. Das Handwerk nach dem Dreißigjährigen Krieg Der Dreißigjährige Krieg war in seinem Ausm aß und seinen Folgen eine der tiefsten Zäsuren in der deutschen G eschichte. Die Bevölkerung in vielen Teilen des Landes war dezim iert durch Kriegsereignisse und K rankheiten, H underte von D örfern w aren von der Landkarte getilgt, Städte nur noch ein Schatten ihres früheren Glanzes. Ganze Landschaften waren entvölkert, die Felder und W iesen von Buschholz bewachs e n . D ie V ie h b e s tä n d e w a re n a u f e in k o s tb a r e s Minim um geschrum pft. Die gesamte Jugend kannte keinen anderen Zustand, als den der G ewalttat, der Flucht, der allm ählichen Verkleinerung von Stadt und Dorf. Man m usste schon auf der H öhe des Lebens stehen, um sich daran zu erinnern, wie es vorn dem Krieg ausgesehen hatte. Und welche W unden sind dem geistigen Leben der Nation geschlagen worden ! Viele alte Bräuche gingen zugrunde, das Leben wurde leerer und leidvoller. Das Selbstregim ent der der Städte ging verloren und die Leibeigenschaft wurde härter denn je in vielen Gegenden des Landes. D ie alte Kunstfertigkeit der W erkstätten war verküm m ert, das allgem eine Elend und die gleiche Armut hatte keine Aufträge für die W erkstätten. Auf künstlerischen Schm uck und sorgfältige Form en wurde wenig m ehr gegeben, nur das Notwendigste wurde verlangt. S o verk üm m erte und verarm te das Handwerk. Jedes nachfolgende Geschlecht kannte und konnte weniger, als das vorhergehende. Viele Kunstfertigkeiten gingen ganz verloren und wurden erst viel später wieder entdeckt oder durch die Einwanderer der kom m enden Jahrzehnte wiederbelebt. Die eigentlichen Sieger des Krieges waren neben den a u s lä n d is c h e n Z e n tra lg e w a lte n d ie V ie lza h l vo n Landesfürsten. Ihre Residenzen blühten auf, während die alten Reichsstädte und viele andere Landesstädte vor sich hin küm m erten. M anche S tädte und Dörfer hatten die Einwohnerzahl vor dem Krieg erst nach 200 J a h r e n w ie d e r e rre ic h t. In d e n E rg e b n is s e n d e s Dreißigjährigen Krieges sind auch zweifellos schon ein G roßteil der W urzeln und U rsachen der ver hä ngnisvollen Kriege unse res J ah rhu nderts zu suchen. W äh ren d s olc he N ationalstaaten w ie Frankreich, E n g la n d , S p a n ie n o d e r H o lla n d g e s tä r k t d a ra u s hervorgingen und ihre nationalen Interessen im Handel und in der Eroberung von Kolonien durchsetzten, war Deutschland ein einziger politischer Flickenteppich. Die politische und wirtschaftliche Bedeutung war auf ein bedeutungsloses Maß gesunken und es sollte m indestens noch 200 Jahre dauern, bis diese r Zustand überw unden w urde. A uch diese E inflüsse auf das Handwerk sollte m an nicht vergessen. In dieser W echselwirkung von äußeren Einflüssen und innerem Verharren wuchs die Verkrustung und der S tills ta n d im H a n d w e rk und die M issbrä u c h e d e r ehem als sinnvollen und ehrlichen Gebote wurden in verstärktem Maße von den Landesherren nicht m ehr toleriert. Die im m er stärkere E influssnahm e auf die Zunftgesetzgebungen fand 1731 ihren ersten Abschluss im Reichsbeschluss, der großen “Reichszunftordnung”. Es wurde angeordnet, dass nunm ehr auch die Kinder solcher schon erwähnter Stände, wie die der Stadtknechte, Gerichtsdiener, Fronknechte, Gassen16 kehrer, Totengräber, Schäfer und dergleichen, nicht länger vom Erlernen eines Handwerks ausgeschlossen w e r d e n d ü rfte n . N u r m it d e n S c h a r f r ic h t e r n u n d A b d e c k e rn w u rd e e in e A u s n a h m e g e m a c h t. D ie V o r te ile d e r M e is te rs ö h n e , w ie zu m B e is p ie l d ie geringere Lehrzeit, wurden für n ic htig erklärt. M an verbot alle “seltsam en, teils lächerlichen, teils ärgerlichen Gebräuche beim Aufdingen und Lossprechen der Lehrjungen, wie Hobeln, Schleifen, Taufen, ungewöhnliche Kleidung anlegen, auf den Gassen herum fahren”. Im ersten Artikel wurden alle Zusamm enkünfte, Artikel d e r S ta tu te n , G e b r ä u c h e u n d G e w o h n h e ite n d e r Handwerker ohne Genehm igung und “Vorwissen ihrer ordentlichen O brigk eit” verboten. D as R eichgesetz verbot ferner allzugroße Ausgaben und Aufwendungen beim Aufdingen, Lossprechen und bei der Anfertigung des Meisterstück es. E s w urde neben G eburts- und Lehrbriefen, ein allgem eines Form ular für die Arbeitbescheinigung der W andergesellen entworfen. Diese G esetzesvorgaben m uss m an deutlich anerkennen, denn die Missstände , auf die sie abzielten, behinderten die E ntw ic k lu ng des deuts c hen H an d w erk s in zunehm endem Maße. Ein Handwerk, dem es aus innerer Erstarrtheit verbote n is t, p ra k tis c h e N e u e ru n g e n u n d E rfin d u n g e n m itzu m a c h e n , d a s zu r ü c k b le ib e n m u s s , w e il d e r gegenseitige Neid, der falsche T raditionalism us, das H a fte n a n d e r a lte n ü b e rk o m m e n e n F o r m je d e n Fortschritt lähm en, bringt sich selber um . Sein Sinn war einst d er freie, erfindungsbegabte, sch öpferisc he, m eisterliche Mann, der nicht nur das weiterführte, was er erlern t h atte, s ondern N eues hinzu erfand. D as Handwerk des M ittelalters w ar ein T räger des technischen Fortschritts, verbreitete überall in Europa eine hohe Kultur. Die Zunft des 18. Jahrhunderts war zu einer Organisation verkom m en, die den Handwerker geradezu künstlich von allem Fortschritt fernhielt und hem m te , wo sie konnte. Zum indest in vielen Handwerkszweigen. Natürlich kann m an auf der anderen Seite auch nicht vo n e in e m v ö llig e n N ie d e r g a n g d e s H a n d w e r k s sprechen. G roßen und durchaus positiven Einfluss h a tte in d ie s e r B eziehung die E in w a n d e ru n g vo n M enschen aus N achbarstaaten. Die französischen Protestanten, die Hugenotten, die nach 1700 ins Land ström ten, brachten nicht nur neue T echniken und Id e e n m it, s o n d e rn auch einen neuen, freien un d m odernen Geist, m it dem das Handwerk im allgem einen konfrontiert wurde. W ichtige Im pulse aber, gingen in dieser Zeit nicht von Deutschland aus, sondern von technischen Erfindungen in England, Frankreich oder Holland. Die Dam pfm aschine von Jam es W att ab 1769, die erste Spinnm aschine von A rk w righ t im se lbe n J ah r o de r der m echanische W ebstuhl von Cartwright 1784 seien nur Beispiele hierfür. D as industrielle Zeitalter k ündigte sich an und die größten Um gestaltungen im Handwerk standen noch bevor. Vor allem im Textilgewerbe entstand m it den neuen Techniken und P roduktionsm ethoden erstm als ein neuer Typ von Unternehm ern und Arbeitskräften und form te seine sozialen Merkm ale. Das Leinewebergew e rb e , d ie T u c h m a c h erei, aber a u c h d a s Schuhmacher- und Schneiderhandwerk, um nur einige zu nenne n, k onnten in ihrer alten Form nicht m ehr w eite rbeste h en oder verschw anden gänzlich. D ie gewerbliche W arenproduktion teilte sich von nun an in eine industrielle Massenproduktion und in eine handwerkliche, individuell, auf besondere Qualität bedachte Herstellung von Erzeugnissen. Viele DienstleistungsHandwerke verschwanden, aber auch neue Gewerbe kam en hinzu. Und diese Entwicklung hält bis heute an. Die industrielle Revolution, der Liberalismus und die Entwicklung bis in die Gegenwart Die Zurückdrängung der Zünfte und die zunehm ende O rientierung auf die Gewerbefreiheit erfahren unter d e m E in flu s s d e r A u fk lärung, d e r F ra n zö s is c h e n Revolution und den Auswirkungen der Napoleonischen Herrschaft einen imm er stärkeren Zuspruch. Die Zünfte wurden in allen von Frank reich besetzten G ebieten abgeschafft und dieses V orgehen strahlte auf viele Länder Deutschlands aus. Es gab in dieser Zeit eine völlig ungleichmäßige Entwicklung. In m anchen Teilen bestanden die Zünfte weiter, im angrenzenden Fürstentum waren sie verboten und in anderen Gebieten wiederum bestanden “Zünftige “ neben “Unzünftigen”. In Preußen forderte schon kurz nach dem Befreiungskrieg der Freiherr vom Stein: “... die Zurückführung der G ewerbefreiheit in gesetzm äßige Grenzen und W iederbelebung der Zünfte. Das Bürgertum werde besser erblühen aus Zünften, die durch gem einschaftliches Gewerbe, Erziehung, Meisterehre und Gesellenzucht gebunden seien.” In einigen deutschen Staaten nahm m an die Gewerbefreiheit zurück. Brem en stellte 1814, Hannover 1815, Generalinnungsartikel von 1780, Sachsen 17 K u rh e s s e n 1 8 16 und O ld e n b u rg 1 8 3 0 d ie Z ü n fte wieder her, allerdings überall m it Einschränkungen. Auch Preu ß en s c hrä nk te im J ah r 184 5 un ter dem Eindruck der nicht m ehr zu übersehenden Misstände auf handwerklichem G ebiet die G ewerbefreiheit für eine große Anzahl von H andwerken wieder ein. Für eine ganze Reihe von Gewerben war die Zulassung w ie d e r a n e in e P rü fu ng g eb un de n. E b en fa lls d a s Ausbilden von Lehrlingen. Die politische Entwicklung verlief aber unaufhaltsam unter dem E in fluss “liberaler”, m ächtiger Kreis e in Richtung völliger Gewerbefreiheit. Der an sich große G edanke der freien persönlichen Entfaltung und der freien Berufswahl kollidiert bei näherem Ü berlegen sofort m it der Tatsache, dass jeder, jedes Handwerk ausüben darf ! Ob er die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten dafür hat, spielt überhaupt keine Rolle. Im Zuge der R evolution fand sich 1848 parallel zur tagenden Reichsversam m lung in Frankfurt ein “Handwerk erparlam ent” (H andwerk er- und G ewerbekongress) zusam m en, das grundlegende Forderungen zur Neuordnung des H andwerk in der sich form ierenden Industriegesellschaft aufstellte. D ie Errichtung von Pflichtinnungen, ein Prüfungs- und Befähigungsnachweis, die Einschränkung der Meisterzahl, eine dreijährige Lehrzeit und die Errichtung von Gewerbekam m ern gehörten dazu. M it dem Scheitern der Nationalversam m lung verhallte auch dieser Ruf und die eifrigsten V ertreter des Liberalism us dirigierten die gesam te W irtschaft im m er weiter in Richtung hem m ungsloser K a pita lis m u s. D ie E rg e b n is s e - h u n d e r tta u s e n d e verarm ter Handwerker, Elendsquartiere der Massen von Industriearbeitern, Verfall der Ausbildung - konnten nur m ühsam ihm Rahm en der gesam ten Bism arckschen Politik wieder korrigiert werden. V ergeblic h forderten die H andwerk ertage 1850 in Stettin, 1861 in Berlin, 1862 in W eim ar Einhalt gegenübe r dieser Entwicklung und der Auslieferung des Handwerks an die Macht des großen Kapitals. Es blieb vergeblich. Ab 1861 wurde die Gewerbefreiheit nacheinander in allen deutschen Staaten eingeführt. Das Streben den H andwerks nach einer geordneten und gesicherten Existenz war jedoch nicht gebrochen. Ein allgem einer H andwerkstag in M agdeburg 1882 forderte wieder die obligatorische Innung, das Arbeitsbuch, die obligatorische Gesellen- und Meisterprüfung. Die Gewerbefreiheit sei eine “Gewerbevogelfreiheit”, m it den R am schläden und P fuschern sei m an jetzt glücklich so weit, dass zwei Drittel der Handwerker in Deutschland ruiniert seien. Der Protest blieb ergebnislos. Noch einm al keim te Hoffnung auf, als Kaiser W ilhelm II. auf eine Eingabe des 1890 in Berlin abgehaltenen Handwerkertages, auf dem zum erstenm al die beiden bis dahin uneinigen Organisationen , der “Allgem eine deutsche Handwerkerbund” und der “Zentralausschuss des vereinigten Innungsgewerbes” zusam m enwirkten, eine Abordnung der Handwerker em pfing. Der Kaiser versicherte seine Sym pathie und sprach den W unsch aus, dass das Handwerk wieder zu der Blüte gelangen m öge, in der es bereits im 15. Jahrhundert gestanden habe. Aber die Ministerialbürokratie stellte sich taub. Man war eben liberal und ließ die W irtschaft laufen wie sie lief. T rotzdem brachte unter dem Druck des handwerk- lichen M ittelstand es d ie Zeit Zugeständnisse und Ergänzungen der Gewerbeordnung. Das Handwerkergesetz vom 26. Juli 1897 nahm dabei auch für die zukünftige Entwicklung ein Schlüsselrolle ein. Es sah nicht nur die Bildung von freien Innungen vor, die es ja im m er gegeben hatte, sondern brachte auch die - und schon im Nam en ist das widerwillige Zugeständnis ausgedrückt - “Zwangsinnungen”, die durch Verfügung der höheren Verwaltungsbehörde für H andwerker gleicher oder verwandter G ewerbe auf Antrag Beteiligter gebildet werden konnten, wenn : 1. Die Mehrheit der beteiligten Gewerbetreibenden der Einführung des Beitrittszwangs zustim m t, 2. der Bezirk der Innung so abgegrenzt ist, dass kein Mitglied durch die Entfernung seines W ohnorts vom Sitz der Innung behindert wird, am Genossenschaftsleben teilzunehm en und die Innungseinrichtungen zu benutzen, 3. die Zahl der im B ezirk vorhandenen beteiligten Handwerker zur Bildung einer leistungsfähigen Innung ausreicht. D ie Innungen waren allgem ein berechtigt, u.a. Vera n s ta ltu n g e n zu r F ö r d e r u n g d e r A u s b ild u n g d e r Meister, Gesellen und Lehrlinge durchzuführen, auch Schulen zu unterhalten und G esellen und M eisterprüfungen zu veranstalten. Ein gem einschaftlicher Geschäftsbetrieb wurde aber ausdrücklich untersagt. In dieser H andwerksnovelle wurden außerdem die Grundlagen für die Schaffung von Handwerkskam m ern geschaffen. 71 dieser Kam m ern entstanden 1900 im Deutschen Reich, die sich im Novem ber des selben J a h re s a u f fre iw illig e r B a s is zu m “D e u ts c h e n H andwerks- und G ewerbekam m ertag” zusam m enschlossen. Heute sind es noch 55 H andw erkskam m ern. Parlamentarisch wurde das Gesetz von der Deutschen Zentrum spartei, den Konservativen und einem Teil der N ational-Liberalen getrag en . B ezeichn en de rweise waren die Sozialdem okraten m it die größten Gegner d ie s er N euord nung des H andw erk s. Sie sahen in e in e m s o lid e n H a n d w e r k s s ta n d k e in e p o litis c h e Zielgruppe, wohl eher in den Proletarierm assen der entstehenden Industrie. Ein Ziel wurde m it dem Handwerkergesetz noch nicht erreicht : die Einführung des Kleinen Befähigungsnachweises, nach dem niem and Lehrlinge ausbilden darf, wenn er nicht die Meisterprüfung abgelegt hat und erst recht nicht die Festschreibung des “G roßen Befähigungsnachweises”, also den Meistertitel zur Führung eines Handwerksbetriebes. A lle rd in g s w a r d e r a lle rto lls te n P fusch e re i in d e r L e h rlin g s haltung ein R ie g e l vo rg e s c h o b e n , d e n n Lehrlinge anleiten durfte nur, wer 24 Jahre alt war, die M e is te r p r ü f u n g b e s ta n d e n o d e r m in d e s te n s d ie Lehrzeit zurü c k ge leg t h atte, die G esellenprüfung bestanden oder m indestens 5 Jahre das H andw erk persönlich ausgeübt hatte oder während dieser Zeit als W erkm eister oder ähnlicher Stellung tätig war. Erst 1908 brachte eine erneute N ovelle zur G ewerbeordnung den Kleinen und erst 1935 die Handwerkso rd n u n g d e n G ro ß e n B e f ä h ig u n g s na c h w e is , d e r allerding im Kontext m it der völligen G leichschaltung der Nationalsozialisten zu sehen ist. B is 1 9 3 3 b e s ta n d e n in b u n t e r W e is e “fre ie ” u n d “Zwangsinnungen” nebeneinander. 18 Man zählte : Freie Innungen 1907 1919 1926 7513 7878 6294 selbständigen Handwerk seine Grundlage, näm lich die Produktionsm ittel und die W erkstatt zu entziehen, um so aus dem Handwerker einen handwerklich tätigen sozialistischen M enschen zu m achen. In Chem nitz erfolgte unter diesem Aspekt 1955 die Gründung der ersten Produktionsgenossenschaft des H andwerks (PG H). Es war die PG H des Elektrom aschinenbaus “Dynamo”, die bis zum Ende der DDR fortbestand und deren Nachfolgebetrieb heute M itglied der ElektroInnung Chem nitz ist. Das Handwerk bestand trotz aller W idrigkeiten unter den realen Bedingungen des Sozialism us in der DDR in einer bem erkenswerten Vielfalt und Leistungsfähigk e it fo rt u n d b ild e te e in e w e s e n tlic h e S tü tze d e r G esam twirtschaft, vor allem hinsichtlich der Versorgung der Bevölkerung m it Dienstleistungen und W aren. Mal wurde das Handwerk etwas gefördert, m al wurde es zurückgedrängt - je nach den Befindlichkeiten der S ED -P artei und der m om entanen w irtschaftlichen Lage. Stets war jedoch ein Zusam m enhalt zu spüren, der auch die Arbeit in den bestehenden “Berufsgruppen” auszeichnete. D iese Berufsgruppen nahm en wichtige Funktionen, auch jenseits der ihnen vom Staat zu g e d a c h te n A u fg a b e n w a h r. W e ite rb ild u n g d e r Handwerker, Aushandeln von Preisen, Kontingenten oder Lehrlingszahlen gegenüber staatlichen Stellen, M itw ir k u n g b e i d e r F e s tle g u n g v o n te c h n is c h e n V o r s c h r if te n u n d A u s b ild u n g s in h a lte n s o w ie d ie wichtige Seite eines geselligen Lebens waren hier von zentraler Bedeutung. Die ab 1990 neu- oder wiedergegründeten Innungen in den neuen Bundesländern knüpften sowohl an die Jahrhunderte alten Traditionen des deutschen Handwerks an, schöpfen aber auch aus den selbsterlebten Erfahrungen einer sozialistischen Diktatur m it all ihren verschiedenen Seiten. Zwangsinnungen 3291 5501 10812 Der Trend zu den Zwangs- oder besser Pflichtinnungen ist eindeutig zu erkennen. Die von den Erfahrungen des W irtschaftssystem s, den Auswirkungen des Ersten W eltkrieges, der Rezessionen und der Inflation aufgerüttelten Handwerkerschaft führte aus freien Entscheidungen zu diesen Zusam m enschlüssen, die darin die wirksam ste Verteidigung Ihre Interessen sahen. Eine organische, von Selbstbes tim m ung gek enn zeich n e te W eiterentw ick lung wurde leider durch die Machtergreifung Hitlers und des folgenden unsäglichen Krieges zu Nichte gem acht. Nach dem Krieg begann in Deutschland, wie in allen gesellschaftlichen Sphären der dem okratische Neuaufbau. Leider verlief er, natürlich der sich abzeichnenden T eilung D eutschlands e nts prec hend, sehr unterschiedlich. Zunächst wurden in ganz Deutschland die Innungen aufgelöst. In den westliche Besatzungszonen fand die Gewerbefreiheit ihren Einzug und erst 1953 wurde durch die Handwerksordnung die Grundlage der Neuerstehung eines leistungsfähigen H andwerks gelegt. Im Ostteil Deutschlands wurde dagegen die Sozialisierung des Handwerks, wie sie schon 1919 im Zuge der Novem berrevolution in vielen Kom m unen angedacht war, unter dem Schutz Stalins von der alles beherrschenden Partei vorangetrieben. An Stelle der Innungen traten ab 1946 die Einkaufs- und Liefergen o s s e n s c h a f te n ( E L G ) d ie , n e b e n d e r ze n tra le n W arenbeschaffung der M angelwirtschaft, auch als Instrum ent der Kollektivierung und Überwachung des H andwerks eines oder verwandter G ewerbszweige dienten. Der nächste S chritt zie lte d ara uf ab, dem 19