Predigt: Ex 20,4 – Das 2. Gebot: Du sollst dir kein Bildnis machen
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Predigt: Ex 20,4 – Das 2. Gebot: Du sollst dir kein Bildnis machen
Predigt: Ex 20,4 – Das 2. Gebot: Du sollst dir kein Bildnis machen Heute fahren wir fort mit unserer Predigtreihe über die 10 Gebote, die wir auch Angebote zur Freiheit nennen können. Letzten Sonntag hat Reiner de Vries begonnen, uns das 1. Gebot näher zu bringen "Ich bin der Herr dein Gott, du sollst andere Götter neben mir nicht verehren". Er hat in seiner Predigt dieses Gebot mit in unsere heutige Zeit hineingenommen und mit den Worten von dem evangelischen Pastor und Buchautor Jörg Zink neu formuliert: " Gott ist der Eine. Setze keinen Menschen an seine Stelle". Vor Beginn dieses Gottesdienstes waren hier an der Leinwand einige Impressionen vom Gesprächskreis am Dienstag zu sehen. Ich fand den Abend sehr eindrücklich und wertvoll und hoffe, dass es euch ebenfalls ein wenig so ergangen ist. Auf diesen Bildern sind nicht nur Menschen, sondern auch Gegenstände zu sehen, denen wir möglicherweise in unserem Leben den obersten Platz einräumen - ob das nun die Spielsucht ist, der Glaube an heilende Steine, das Versinken in allen eventuell denkbaren Krankheiten oder unser Leben beispielsweise vom Fussball, vom Streben nach vollendeter Schönheit oder von der Gier nach Macht und Geld völlig bestimmt wird wie beim reichen Mann im Schellenursli. Und um es einmal ganz deutlich mit den Worten von Klaus Douglass hervorzuheben: Gott braucht keinen Monopolschutz - aber wir müssen geschützt werden vor allem, was sich vor diesen Gott schieben will, uns abhängig macht und unsere Freiheit ganz erheblich beschneidet! Lasst uns heute gemeinsam in das 2. Gebot eintauchen "Du sollst dir kein Bildnis machen von Gott, mache dir überhaupt kein Abbild von irgendetwas im Himmel, auf der Erde oder im Meer". Der hebräische Urtext lässt auch da die andere Variante zu: "Du wirst dir kein Bildnis machen"….im Sinne von "du brauchst das gar nicht". Also eine weitere Freiheit, die Gott uns schenkt. "Komm, ich möchte hier gern ein Bild von dir machen" - das sagen wir doch manchmal zu einander, wenn wir einen schönen Augenblick oder eine Situation festhalten wollen. Wir machen auch Landschaftsaufnahmen, weil wir die Stimmung oder einen Ort grade so wunderschön finden. Auch die Nachbarvölker Israels hatten damals Bilder angefertigt, mit denen sie ihre heiligen Gottheiten dargestellt haben. Das waren teilweise Steinsetzungen, Zeichnungen, Tonfiguren oder goldene Stierbilder. Sie befanden sich an einer geweihten Stätte und waren für sie Bilder mit göttlichen Kräften. Was mit diesem Bild geschah, das traf auch die Gottheit. Speziell beauftragte Priester wuschen, fütterten und schmückten das Bild. Sollte die nötige Pflege ausbleiben, so würde sich das Bild ja rächen. Wurden dem Bild jedoch Huldigungen zuteil, so belohnte es die Frommen. Diese Götter konnten also aus Sicht der Menschen mit Hilfe der Bilder gelenkt, gesteuert und beeinflusst werden, wenn man sie erst im Bild oder in Schriftform dingfest gemacht hatte. Die Bilder hatten eine grosse Macht, dass sie Gott selbst darin festlegten und ihn tanzen liessen wie eine Marionette. Warum nun diese Warnung vor Bildern im Alten Testament? Welche Sorge, welche Gefahr könnte dahinter stecken? Warum sollen wir uns von Gott kein Bild machen, warum nicht einmal Bilder von irgendetwas im Himmel, auf der Erde und im Meer? Hier geht es einfach darum, dass Bilder immer nur eine begrenzte und eingeschränkte Wiedergabe dessen sind, was sie abbilden. Das, was sie sichtbar machen in der Abbildung, ist nie das vollständige Ganze. Unser Bild von etwas umfasst immer nur einen begrenzten Ausschnitt des Ganzen. Selbst die Bibel kann - wenn sie falsch verstanden wird - unter das Bilderverbot geraten, wenn Wörter oder einzelne Abschnitte darin -in Anführungsstrichen "vergöttlicht" und über die Liebe gestellt werden. Dieser Glaube herrschte damals unter den Nachbarvölkern Israels. Und im krassen Gegensatz dazu stand daher der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, der Vater Jesu Christi, unser Vater. Dieser Gott lässt sich nicht abbilden. Dorothee Sölle schreibt dazu: "Der unsichtbare Gott will seine Macht nicht in ein Bildwerk hinein verkörpern, weil sonst im Bild diese Macht ergriffen, festgehalten, besessen und gelenkt werden könnte." Dieses 2. Gebot gab während der Reformationszeit Anlass zu heftigen Unruhen. Die Verbal-Attacken Martin Luthers gegen die Bilderverehrung in der Katholischen Kirche fielen bei Radikalreformern auf fruchtbaren Boden, besonders bei den Schweizer Reformern Zwingli und Calvin. Unzählige Ikonen, Kruzifixe, reichverzierte Kanzeln, Bildhauereien und Heiligenfiguren wurden geschleift und verbrannt. Luther war wohl ziemlich erschrocken über diese Auswüchse seiner Reformation und "versteckte" vermutlich aus diesem Grund das Bilderverbot im ersten Gebot: "Habe keine anderen Götter neben mir…und mache dir kein Bildnis von mir oder sonst irgendetwas…" Zwingli und Calvin hatten das Bilderverbot allerdings bereits zum Programm erhoben. So gibt es bei ihnen das Bilderverbot als eigenständiges 2. Gebot. Ich möchte euch gerne kurz etwas zeigen: Stellt euch nun vor - dies ist ein Bild. Was seht ihr darin? - Zum Antworten einladen…Frauenkopf mit braunem, lo- ckigem Haar, 2 Augen, Mund, Nase, blaue Brille, Fältchen im Gesicht, ein Lächeln.. Das alles ist sichtbar für euch. Aber wenn ihr das Bild anschaut: - wisst ihr in keinster Weise, wie es in mir drin aussieht. - Ihr kennt nicht meine Gedanken, die mich gerade bewegen. - Ihr wisst nichts von meiner Kindheit, - kennt nicht die Höhen und Tiefen in meinem Leben, Freude und Verletzungen gehen daraus nicht hervor. - Ihr erkennt darin auch nicht meine Stärken und Schwächen, -und ihr hört auf diesem Bild auch nicht den Klang meiner Stimme. - Ihr ahnt nichts von meinen Wünschen und auch nichts von meinen Sorgen - Ihr könnt daraus nicht ersehen, ob ich gut oder schlecht in der Schule war - Ihr erseht in dem Bild nichts von meinem Freundeskreis und auch nichts von meiner Familie, die mich geprägt haben - Ihr erkennt darin auch nicht meinen Beruf und auch nicht meine Hobbies. - Ihr wisst nicht, ob ich ein Naturmensch bin und welche Musik ich gerne höre - Ihr kennt nicht meine Lieblingsfarbe und auch nicht mein Lieblingsessen - Ihr wisst nicht, ob ich gerne auf Menschen zugehe oder lieber alleine für mich lebe - Ihr wisst nicht, was ich denke und an wen oder was ich glaube - Ihr seht nicht, ob ich mich heute Morgen geärgert oder mich auf die Begegnung mit euch gefreut habe Diese Liste könnte ich grade endlos weiterführen - aber erkennt ihr, was ich damit ausdrücken möchte? Dieser Bilderrahmen hier engt mich ein und reduziert meine Persönlichkeit lediglich auf mein sichtbares Äusseres. All das, was mich aber ganz wesentlich prägt und ausmacht, was mich lebendig sein lässt, kommt in diesem Bild nicht zum Ausdruck. Wenn ich euch ein Foto aus den Bergen zeigen würde, dann könntet ihr zwar die schöne Bergwelt sehen, aber ihr würdet nicht die ganz eigene Stimmung wahrnehmen, die dort auf dem Gipfel herrschte. Ihr wisst auch nichts von den Bergdohlen und den Blumen, die um mich herum waren. Die Luft da oben könnt ihr nicht riechen. Ihr könnt die Stille dort oben nicht erleben und auch nicht mein Glück fühlen und die grenzenlose Freiheit und Dankbarkeit, die ich da oben empfinde. Unsere Bilder, unsere Vorstellungen halten einen Moment fest, aber nur wenige Aspekte davon und nie das Ganze. Bilder lassen Lebendiges erstarren. Das deutsche Wort "Bild" stammt von dem althochdeutschen Wort "bilidi" und bedeutet: "magische Kraft, magisches geistiges Wesen, doppeltes Wesen, Omen". Wenn wir uns den gegenwärtigen Umgang mit Bildern anschauen, dann wird auch diese alte Bedeutung wieder aktuell: Bilder bekommen Macht, unglaubliche Macht, sogar vernichtende Macht: - "Das vergesse ich dir nie!" - da wird ein Mensch auf seine Taten festgelegt ohne eine Chance des Verzeihens - "Du Versager" - Kränkungen stehen im Raum und schlagen buchstäblich die Tür zu einander zu. - "Ich hasse dich" - Schlimme Worte und Dinge, die wir einander so zufügen. - zwischenmenschliche Enttäuschungen, Verletzungen, Vertrauensbrüche geschehen unter uns Menschen. Bleiben sie unversöhnt und unvergeben, dann verhärten sie unser Herz, bestimmen unser Verhältnis zu einander und nageln den anderen auf seine Schuld und sein Vergehen an uns fest. Dieses Bild vom anderen wird zur Macht und in uns zum Minuszeichen bei allen Begegnungen mit einander. Kennen wir das selbst nicht auch im Umgang mit einander? Wie schnell haben wir denn jemanden in unserer Schublade -in unserem Bilderrahmen- drin? Gehen wir in unseren Begegnungen nicht auch nach dem, was wir vor Augen haben? Wie schnell beurteilen wir denn jemanden und legen ihn oder sie auf das fest, was wir vermeinen, vor uns zu haben? - Da wurde ich gestern hier im Café Reber fast von einer Service-Kraft umgerannt, die draussen bedienen wollte. Eine Frau vor mir rief ihr hinterher: "Nur mal keine Hektik hier." - Aber wissen wir, welchen Druck die Service-Kraft gerade hatte und ob sie überhaupt Unterstützung bei dem grossen Andrang draussen hatte? Wir wissen nicht, ob es ihr gesundheitlich gut geht und sie normalerweise ein ausgeglichenes Wesen hat. - Viele der Flüchtlinge finden sich in unserer Schublade der "SozialSchmarotzer". Aber wissen wir um ihre Lebenssituation in ihrem Heimatland, ihre Ängste vor Terror und Folter, ihre Perspektivlosigkeit? Und die Sorge um ihre Familie dort bedrückt sie auch hier. Wollten wir ihre Lebensumstände für uns haben? - Da ist die völlig genervte Kassiererin im Migros, die uns grade dumm anmacht. Sehen wir, was sie den ganzen Tag über schon an Bemerkungen einstecken musste, welchen Stress sie hatte und was sie zuhause noch erwartet? - Da ist das Kind in der Schule, das sich nichts zutraut und nur still und zurückgezogen in der Bank sitzt. Wissen wir um den lieblosen Umgangston zuhause, der keine Hoffnung aufkeimen lässt und eine kleine Kinderseele grausam misshandelt? - Welches Bild haben wir denn von Obdachlosen oder von den Bettlern, die wir im Zug oder in der Stadt antreffen? Wissen wir um ihre persönlichen Schicksale oder kommen sie gleich in unsere Schublade, wo sich die Nichtstuer und der Abschaum der Gesellschaft befinden? - In welcher Schublade haben wir uns in unseren Beziehungen festgenagelt, in der Ehe, in der Familie? Begegnen wir uns da unter liebender Berücksichtigung unseres Wesens oder sehen wir nur das eingeengte Bild unseres Partners, unserer Kinder oder Eltern, das vielleicht durch gegenseitige Verletzungen oder Resignation über die Jahre getrübt ist? - Wie ist es mit unserer Bildergalerie von Menschen, mit denen wir täglich Umgang haben? Geben wir ihnen überhaupt die Chance, aus unserem Bilderrahmen für sie zu entkommen? Oder ist es uns lieber und für uns bequemer, wenn sie da drin bleiben? - Und was ist mit den Bildern, die wir durch die Medien suggeriert bekommen? Wie viele ältere Menschen glauben, dass sie mit bestimmten Medikamenten oder Pastillen ihre Altersbeschwerden lindern könnten und zu einem Jungbrunnen würden? - Welche Body-Maße und Mode wird unseren Jugendlichen vermittelt, wenn sie die Models auf den Laufstegen sehen? - Auf unseren Strassen und in den Schulen hören wir Worte, die nur noch verletzend und richtig dreckig sind und nur die öffentliche Demütigung und Erniedrigung des anderen erreichen wollen. Dieser schlimme Umgangston wird als Normalität von manchen Fernseh-Sendungen verbreitet. - Welche Bilder aus den Medien setzen sich denn in uns so fest und bestimmen unser Denken von einander und unser Verhalten? Ist es nicht so, dass unsere Kinder heute mehr durch Filme wie Avatar, Starwars, Matrix oder ähnliches als durch religiöse Erziehung geprägt werden frei nach dem Motto "Die Macht sei mit dir"? Mit welchen Bildern und Eindrücken belasten und verfälschen wir die Entwicklung unserer Kinder, wenn wir sie unkontrolliert und unbeobachtet alles sehen und spielen lassen, was das Fernsehen und der Computer so hergibt? Solche Bilder werden einmal ihre Macht erweisen - besonders bei ungefestigten labilen Persönlichkeiten. Viele der Amokschützen gehören dazu. Das Bildergebot ist ganz sicher kein überkommenes antikes Gebot, sondern wir haben es nötiger denn je. Der evang. Theologe Helmut Gollwitzer schrieb einmal zum Bildergebot: "Hätte die ganze Christenheit sich so an das biblische Bilderbot gehalten…dann hätten wir vielleicht auch nicht heute so einen heftigen Streit über das angeblich männliche Gottesbild der Bibel, und ob es nicht an der Zeit wäre, es durch ein mehr weibliches Gottesbild zu ersetzen." Die Bibel hat hier eine ganz klare Aussage: "Jedes Bild von Gott -egal ob nur männlich oder nur weiblich- ist eine Verengung und Verkürzung seines Wesens. Spätestens jetzt müssten wir fragen: "können wir überhaupt anders, als uns eine Vorstellung, ein Bild von Gott zu machen?" Er selbst war es doch, der aus der Verborgenheit herausgetreten ist und sich in seinem Sohn Jesus Christus selbst geoutet hat. Und redet dieser und alle Propheten des Alten Testaments nicht von Gott als Vater, als Herr, König und Richter? Die Psalmen von einer Burg, vom Adler, vom Wehen des Windes und vielen anderen Vergleichen? Und die Reden Jesu sind doch voll von Bildern, und auch in seinen Gleichnissen bekommen wir eine Vorstellung von Gottes Wesen. Widerspricht das also nicht dem Bildergebot? Die Antwort liegt im Vorspann der Gebote:: "Ich bin der Herr dein Gott, der dich aus Ägyptenland geführt hat." Wenn wir hier genau hinhören, so wird uns eigentlich mehr das Wesen und Verhalten Gottes vorgestellt - nicht etwas Statisches, sondern etwas Lebendiges, das geprägt ist von Liebe und Freiheitswillen. Christen aller Konfessionen - wir alle- machen unsere Erfahrungen mit Gott bis heute. Doch wer seine Erfahrungen und Erkenntnisse absolut setzt, der rahmt Gott ein, zwängt ihn in einen Bilderrahmen und setzt ihn darin gefangen. Wir sprechen ihm damit seine Lebendigkeit, seine Freiheit und seine Liebe für uns ab. Ein so eingerahmter Gott ist aber ein klar definierter Gott, mit dem wir andere Menschen massregeln und unterdrücken können. Das ist ein Gott, mit dem man in den Krieg ziehen kann, für Volk und Vaterland - das kennen wir alle. Deshalb werden wir angehalten, uns keine in Stein gemeisselten Vorstellungen zu machen - weder von Gott, noch von anderen Menschen. Denn wir laufen Gefahr, uns selbst diesen Bildern zu unterwerfen oder Menschen unseren eigenen Vorstellungen zu unterwerfen, die wir für sie vorgefertigt haben. Wie viele Beziehungen leiden gerade darunter, dass beide ständig versuchen, den anderen in das Bild zu verändern, dass sie von ihrem Partner haben. Aber das ist genau das Gegenteil von Liebe! Wenn man sich ein Bild von einem Menschen macht, dann ist man bereits mit ihm fertig, dann ist die Liebe schon verraten und die gegenseitigen Enttäuschungen setzen sich fort. Der Dichter Max Frisch schreibt: "Die wahre Liebe befreit uns aber aus jeglichem Bildnis, weil wir nämlich mit den Menschen - wenn wir sie lieben und solange wir sie lieben- nie fertig werden". Der große Kirchenlehrer Augustinus hat recht, wenn er sagt: "Wenn wir wirklich lieben, brauchen wir keine Gebote. Dann werden wir entweder sowieso tun, was sie sagen - oder wir werden etwas Besseres tun." Die Frage an uns persönlich lautet: Wie bilde ich die Liebe Gottes, die ich für mich erfahren habe, so gut wie möglich in diese Welt hinein ab? Und in Bezug auf das 2. Gebot lautet meine Antwort darauf: Indem ich Gott und jeden Menschen aus der Enge des Bilderrahmens freigebe, in den ich ihn eingezwängt und darin festgehalten habe. Gott hat jedem von uns eine ungeahnte Freiheit in Christus geschenkt und keiner hat das Recht, sie dem anderen zu nehmen oder Gott in seinem Wesen zu begrenzen. Gehen wir mit diesen Gedanken doch in diese Woche… Amen.