Kennen Sie eigentlich schon „art but fair“
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Kennen Sie eigentlich schon „art but fair“
Liebe Leserinnen und Leser, es ist vollbracht! Der ARTikel geht in die vierte Runde. Auch in dieser Ausgabe haben wir wieder spannende Interviews geführt und interessante Beiträge, bspw. über Qualitätsmanagement im Kulturbetrieb, für Sie zusammengestellt. Der ARTikel freut sich über eine stetig wachsende Zahl seiner Leserschaft und wir, das Redaktionsteam, hoffen, dass diese auch in Zukunft weiter wachsen wird. Ihr -Team Was macht eigentlich... ab Seite 3 ... der Fachverband Kulturmanagement? ... ein Kunstverein? ... das kreativzentrum.saar? ... die Künstlervermittlung der Folkwang AGENTUR? ... die Leiterin eines Kulturbüros? ... ein Hauptabteilungsleiter Klangkörper? Wer ist... ... Davide Martello? ... Craig Schuftan? ab Seite 13 Was ist eigentlich... ... ein Unternehmenstheater? ab Seite 16 Wussten Sie etwas über ... ab Seite 20 ... die Kulturhauptstadt Aarhus 2017? ... die Kulturförderung Hohenlohe? ... die Dauerausstellung „Faszination und Ge walt“? ... Wagner Calling? ... das Green Hill Festival? ... die Kunst des Tätowierens? Worum geht es eigentlich in... ab Seite 33 ... „Wie überlebe ich als Künstler“? Was ist sehenswert... ab Seite 36 …„What happiness is“ ... „Fremde Kinder“ und „Mädchengeschichten Kennen Sie eigentlich schon „art but fair“ ? Ein Beitrag von Johannes Maria Schatz Art but fair ist eine neue, internationale Bewegung, die faire Arbeitsbedingungen sowie angemessene Gagen in den Darstellenden Künsten und der Musik zu erreichen sucht. Die Organisation besteht aus drei untereinander koordinierten, gemeinnützigen Vereinen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Facebook-Seite „Die traurigsten & unverschämtesten Künstlergagen und Auditionserlebnisse“ die am 19. Februar 2013 online ging, stieß bei darstellenden Künstlern rasch auf große Resonanz. Inzwischen hat sie beinahe 16.000 Fans. Künstler aller Sparten begannen ihre unglaublichen Erlebnisse zu veröffentlichen. Der Fokus lag dabei auf ihren alltäglichen Arbeitsbedingungen. Es wurde schnell deutlich, dass einem Großteil ein finanzielles Auskommen allein aus künstlerischer Tätigkeit trotz jahrelanger Ausbildung und entsprechender akademischer Qualifikation nahezu unmöglich ist. Erste Medienberichte über die „Künstler-Klagemauer“ erschienen in der Berliner Zeitung und in der Frankfurter Rundschau. Unterstützung erhielt die FacebookSeite im März 2013 durch die österreichische Mezzosopranistin Elisabeth Kulman, die Missstände in der „Oberliga“ des Kulturbetriebs öffentlich machte. Namentlich kritisierte sie die ersatzlose Streichung der Probengelder bei mehrwöchigen Opernproduktionen der Salzburger Festspiele durch Intendant Alexander Pereira, enge Termindispositionen ohne Rücksicht auf die körperliche Belastbarkeit der Sänger, Inkompetenz und Korruption bei den Entscheidungsträgern. Welche neuen Publikationen gibt es im Fachbereich … ab Seite 38 ... Kulturmanagement? ... Eventmanagement? Als sie am 16. März 2013 zur „Revolution der Künstler“ aufrief, griffen weitere Medien das Thema auf (Die Zeit, Salzburger Nachrichten, Die Welt, Wiener Zeitung, Süddeutsche Zeitung, Neue Züricher Zeitung, Profil, Kurier, Artsjournalblog „Slipped Disc“, ORF, ZDF, BR, WDR, NDR). Wie funktioniert eigentlich... ab Seite 39 ... Qualitätsmanagement im Kulturbetrieb? Inzwischen hat sowohl die österreichische als auch die Deutsche Presse Agentur ausführlich über art but fair berichtet. Ausgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014 Seite 1 Elisabeth Kulmans öffentliche Kritik fand Bekräftigung durch ihre Opernkollegen Laura Aikin, Marlis Petersen, Markus Brück, Thomas Moser, Jonas Kaufmann und Simon Keenlyside. Auch der internationale Agent Germinal Hilbert, die Intendanten Barrie Kosky, Peter Jonas, Ioan Holender, zahlreiche Kulturjournalisten sowie die Psychiaterin Déirdre Mahkorn, Leiterin der ersten deutschen „Lampenfieber-Ambulanz“, waren sich einig, dass „das erkrankte System den Künstlern schadet“. Eine breite Diskussion ist mittlerweile im Gange, die den Handlungsbedarf verdeutlicht, nicht nur im Operbetrieb, sondern in allen Sparten der Musik und der Darstellenden Künste. Die Vereinsgründung von art but fair fand am 7. September 2013 in Berlin statt. Das Team um Johannes Maria Schatz und Elisabeth Kulman setzte sich folgende Ziele: Johannes Maria Schatz Gründer der Facebookseite: „Die traurigsten & unverschämtesten Küstlergagen und Audtiotionserlebenisse“ -- die Künstler untereinander zu solidarisieren und zu vernetzen; -- ie Öffentlichkeit auf die Missstände hinzuweisen und Aufklärungsarbeit hinsichtlich des Berufsbildes des Künstlers zu leisten; -- die Bedeutung und den Wert der Kunst und der Künstler ins Bewusstsein der Gesellschaft zu rücken; -- mit den am Kulturbetrieb Beteiligten – Künstler, Veranstalter, Intendanten, Agenten, Lehrer, Kulturpolitiker, Gewerkschaften etc. – Maßnahmen zur Verbesserung der Situation zu finden und diese umzusetzen. -- das Kunstgütesiegels „art but fair“ einzuführen. 2013 wurden in einem langen kooperativen Prozess auf Social Media Plattformen die „Goldenen Regeln künstlerischen Schaffens“ formuliert. Diese sollen, verbunden mit dem selbstverpflichtenden Gütesiegel, den gerechten, respektvollen Umgang innerhalb des Kulturbetriebs gewährleisten. Sie existieren derzeit in einer „Betaversion“ und sollen nach einem Jahr der Erprobung und Feinjustierung in den sogenannten „art but fair consultations“ 2014 in einer endgültigen Fassung veröffentlicht werden. Das Logo des Gütesiegels art but fair wurde am 1. Mai 2013 der Öffentlichkeit präsentiert. Das Redaktionsteam meint dazu: Art but fair scheint mit ihrer Initiative ein längst überfällige Diskussion ins Rollen gebracht zu haben und trägt dazu bei, die Öffentlichkeit über die Missstände, mit denen Künstler zu kämpfen haben, aufzuklären. Durch die mediale Aufmerksamkeit hat ‚art but fair‘ die Möglichkeit ganz offen auch über schwierige Themen wie niedrige Gagen und schlechte Arbeitsbedingungen nicht nur zu berichten sondern auch wirklich etwas bewirken. Tagungen mit Gewerkschaftern und Kulturfunktionären sowie die Kooperation mit dem Deutschen Bühnenverein zeigen, dass Veränderungen möglich sind. Allerdings darf man nicht nur mit dem Finger auf die Theater- und Opernhäuser zeigen und die Künstler „bedauern“, sondern es muss zu einem Umdenken aller Akteure bis hin zum Publikum kommen. Dann hat ‚art but fair‘ die besten Voraussetzungen auch in Zukunft weiterhin ihre Ziele umzusetzen. Weitere Informationen unter: http://www.artbutfair.org https://www.facebook.com/Kuenstlergagen Ausgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014 Seite 2 Was macht eigentlich... ... der Fachverband Kulturmanagement? Ein Beitrag von Birgit Mandel Birgit Mandel ist seit Januar 2013 Vorsitzende des Fachverbandes für Kulturmanagement, dem Zusammenschluss der akademisch lehrenden und forschenden KulturmanagerInnen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Sie ist Professorin für Kulturmanagement und Kulturvermittlung an der Universität Hildesheim. Der 2007 gegründete Fachverband für Kulturmanagement in Forschung und Lehre vernetzt Studiengänge und Wissenschaftler im Bereich des Kulturmanagements in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Ziel ist es, das noch relativ junge Fach wissenschaftlich weiter zu entwickeln, indem es die Lehrenden und Forschenden der verschiedenen Hochschulen auf Fachtagungen und im Rahmen von Forschungsprojekten zusammenbringt und wissenschaftliche Ergebnisse in einem Jahrbuch publiziert. Vorsitzende des Fachverbands für Kulturmanagement: Birgit Mandel Die erste Tagung des Fachverbandes, die im Januar 2008 an der Universität Hildesheim stattfand, beschäftigte sich unter dem Titel „Forschung im Kulturmanagement“ damit, wie sich aus den verschiedenen wissenschaftlichen Bezugsdisziplinen, von der Betriebswirtschaftslehre über die Kunst- und Kulturwissenschaften bis zu den Sozialwissenschaften interdisziplinäre Forschungsansätze für das Fach Kulturmanagement generieren lassen.Die zweite Fachtagung 2009 an der Zeppelin University in Friedrichshafen untersuchte „Rollenmodelle im Kulturmanagement“, die sich in den vergangenen Jahren sehr stark gewandelt haben vom pragmatischen Technokraten und „Diener von Kunstinstitutionen“ zum „Gestalter kultureller Kontexte“. Welche zentralen „Theorien für das Kulturmanagement“ wissenschaftliche Basis sein können, diskutierte die dritte Tagung 2010 an der Hochschule für Musik in Wien. Die vierte Fachtagung an der Universität Basel 2011 nahm das Verhältnis von Kulturmanagement und Kulturpolitik in den Blick und fragte danach, wie viel politischen Einfluss Kulturmanagement und Kulturmanager haben, inwiefern sie evtl. beitragen zu einer unreflektierten Wachstumslogik im Kulturbetrieb und wie sie ihrer Verantwortung für das kulturelle Leben gerecht werden können. Mit dem Kulturpublikum und der Kulturnutzerforschung beschäftigte sich die fünfte Fachtagung 2012 an der Leuphana Universität in Lüneburg. Thema der sechsten Tagung, die im Januar 2013 an der Hochschule in Potsdam stattfand, war das Verhältnis von Kulturmanagement und Kunst als zentralem Bezugsfeld.Die siebte Tagung wird sich vom 16.- 18. Januar 2013 an der Hochschule Kufstein mit neuen Modellen von Kulturfinanzierung und ihren Konsequenzen für Kunst- und Kulturproduktion und -Rezeption beschäftigen. Über die wissenschaftliche Weiterentwicklung des Faches hinaus ist es Ziel, Kulturmanagement als eine auch inhaltlich gestaltenden Profession in der kulturellen Praxis und Kulturmanager als einflussreiche strategische Akteure einer konzeptbasierten Kulturpolitik und Kulturentwicklungsplanung zu positionieren. Ausgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014 Seite 3 Seit gut 20 Jahren gibt es in Deutschland Studiengänge, die für Kulturmanagement im weitesten Sinne qualifizieren. Nach anfänglichen Widerständen sowohl aus der kulturellen Praxis, wo viele eine Kommerzialisierung des Kultursektors durch Kulturmanagement befürchteten, wie auch an den Universitäten, die dem Kulturmanagement zunächst seine Eignung als Wissenschaft absprachen, hat sich Kulturmanagement inzwischen als Profession wie als wissenschaftliches, forschungsbasiertes Fach etabliert. War das Kulturmanagement der 90er Jahre noch sehr stark auf den öffentlichen Kulturbetrieb fokussiert und hier wiederum vor allem an der möglichst effizienten Organisation der Rahmenbedingungen für künstlerische Produktion, so hat es inzwischen nicht nur seinen Radius in alle Sektoren des Kultursektors ausgeweitet, sondern auch seinen inhaltlichen Einflussbereich in Felder der Kulturvermittlung und der Kulturpolitik. Dem entsprechend sind auch wissenschaftliche Bezüge nicht mehr vorwiegend in der BWL und den Wirtschaftswissenschaften angesiedelt, sondern ebenso in den Politik-, den Sozial-, den Kunst- und Kulturwissenschaften. Grundsätzlich ist das Verhältnis von Wissenschaft und Praxis im Kulturmanagement ein engeres als in anderen Hochschuldisziplinen. Kulturmanagementlehre und –forschung ist ohne einen direkten Bezug zur kulturmanagerialen Praxis kaum zu leisten, wenn sie gesellschaftlich relevant sein will. Die systematische, empirische Analyse und Reflexion von Praxis ist unverzichtbar, um Erkenntnisse für die Weiterentwicklung der Disziplin zu generieren; praxisorientierte Forschung, auch in Lehrforschungsprojekten, ist Bestandteil vieler Studiengänge. Neben dieser am Praxisfeld orientierten Lehre und Forschung ist aber auch die Auseinandersetzung mit kulturtheoretischen Fragestellungen bereichernd und notwendig für das Verständnis von Zielen und Funktionen des Kulturmanagements und dessen Einordnung in größere gesellschaftliche Zusammenhänge. Derzeit gibt es in Deutschland ca. 50 Studiengänge, die für Kulturmanagement qualifizieren, in grundständigen Bachelorstudiengängen fast immer in Kombination mit einem oder mehreren anderen Fächern; reine Kulturmanagementstudiengänge gibt es sinnvoller weise fast nur als zusätzlich qualifizierende Masterstudiengänge, die auf einem anderen Fach aufbauen können. Versteht man Kulturmanagement als die Moderation, Vermittlung, Organisation und Gestaltung der Rahmenbedingungen künstlerischer und kultureller Produktion und Rezeption, so ist es Bestandteil des arbeitsteiligen Prozesses kollektiver Kreativität und bestimmt auch künstlerisch-kulturelle Prozesse mit, ohne dabei in einzelne Kunstwerke einzugreifen. Zugleich ist Kulturmanagement auch eine kulturpolitische Funktion, indem es zur Moderation verschiedener kultureller Interessen in der Bevölkerung, zur Formulierung und Umsetzung von kultur- und gesellschaftspolitischen Zielen beiträgt. Denn die (interkulturellen) Veränderungsprozesse der Gesellschaft verlangen neue Strategien, das kulturelle Leben zu stimulieren und zu moderieren. Die Absolventen der Kulturmanagementstudiengänge, die bereits an den verschiedenen Stellen des Kultursektors und darüber hinaus tätig sind, haben zur Professionalisierung des Kultursektors (und seiner Institutionen) sowie zur VerAusgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014 Seite 4 netzung mit anderen Bereichen beigetragen. Sie haben in den Einrichtungen und der Verwaltung für mehr Effizienz und Effektivität gesorgt, haben Zielorientierung und strategisches Vorgehen eingebracht und bestimmte ideologische Scheuklappen (z.B. gegenüber einem strategischen Kulturmarketing) abgebaut. Eine wichtige zukünftige Aufgabe, an der auch die Kulturmanagement-Studiengänge mitwirken sollten, besteht darin, das Bild des Kulturmanagers in der Fachöffentlichkeit zu weiten vom „Diener der Kunsteinrichtungen“ und „Kommerzialisierer“ zum Gestalter, der auch gesellschaftspolitisch denkt und handelt und wesentlich zur Innovationsfähigkeit des Kulturbetriebs beiträgt. www.fachverband-kulturmanagement.net SAVE THE DATE: Die nächste Jahrestagung des Fachverbandes wird im Januar 2015 an der Reinhold-Würth-Hochschule der Hochschule Heilbronn am Campus Künzelsau stattfinden! Nähere Informationen zu dieser Veranstaltung und einen „Call for paper“ finden Sie zeitnah auf den Webseiten der Hochschule und des Fachverbandes. Ausgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014 Seite 5 ... ein Kunstverein? Ein Beitrag von Gunhild Schweizer 1. Vorsitzende des Kunstverein Erlangen e.V. Es gibt in Deutschland über 250 Kunstvereine, die sehr unterschiedlich aufgestellt sind – vom kleinsten Club bis zu großen Ausstellungshäusern. Das Kunstmagazin ART nannte die Kunstvereine in einem ausführlichen Artikel „Pfadfinder der zeitgenössischen Kunst“. (Ausgabe Nr.5 2008) So unterschiedlich die Vereine sind, es verbindet sie das Ziel, den Menschen an verschiedensten Orten, zeitgenössische Kunst nahe zu bringen. Das geschieht vor allem durch Ausstellungen, Künstlergespräche, durch Austausch, persönliche Kontakte und Reisen in jeder Form und Dimension. Einer der großen Vorteile ist ihre örtliche Präsenz, ihre räumliche Nähe zu allen Interessierten. Die großen Häuser mit hochkarätigen Ausstellungen und Projekten bieten zudem eine gute Vorbereitungsebene auf dem Weg zur Arbeit in Museen. Die Vereine können Kunst ohne wirtschaftlichen Erfolgsdruck zeigen. Ihre Vorstände arbeiten meistens ehrenamtlich. Dafür werden diese Vereine in der Regel als gemeinnützige anerkannt. Sie dürfen Spenden annehmen und bekommen steuerliche Vorteile. Die meisten von ihnen sind im Dachverband der „ Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Kunstvereine“ - ADKV – organisiert, der ein Bindeglied zwischen seinen Mitgliedern, Politik und Medien darstellt. Der Kunstverein Erlangen gehört mit seiner Gründung 1904 zu den ältesten Kunstvereinen in Deutschland und ist mit seinen 110 Jahren ein fester Bestandteil des Kulturlebens dieser kleinsten Großstadt in Bayern. Im Gegensatz zu anderen Vereinen gibt es keine Aufnahmekriterien. Von den knapp 550 Mitgliedern sind etwa 70 % Künstler- auf jedem Niveau- vom „ Hobby- Künstler“ bis zum gut ausgebildeten Künstler mit akademischem Grad. Er ist der Verein, der sich in erster Linie um die Interessen und Belange der Künstler in der Region kümmert. Er bietet ein Netzwerk, Möglichkeiten, sich zu treffen, sich zu Gruppenausstellungen zusammen zu finden, vor allem aber in seinen Galerieräumen Möglichkeiten für Ausstellungen. Einen Augenblick lang Rauminstallation, Lackfarbe auf MDF Foto: Striebel Darüber hinaus können sich aber Künstler auch von überall her für Ausstellungen in der „ Neuen Galerie“ des KVE bewerben. Die eingereichten Arbeiten werden juriert. Es zählt hier nur die künstlerische Qualität. Höhepunkt des Jahres aber ist unsere Winterausstellung, die nur für Mitglieder zugänglich ist. Sie findet in den repräsentativen Räumen des hiesigen Kunstpalais statt. Eine wechselnde Jury wählt nach strengen Kriterien aus. Wir freuen uns immer über die vielfältigen Arbeiten aus Malerei, Graphik, Skulptur und Installation. Sie findet als Verkaufsausstellung immer im Dezember statt.. In Zusammenarbeit mit der Stadt Erlangen haben wir ein Künstlerportal erstellt, das den Mitgliedern die Möglichkeit bietet, sich zu präsentieren. Dieses Portal ist sowohl über die Homepage der Stadt als auch des KVE frei zugänglich. Es ist eine selbstverständliche Aufgabe aller Kunstvereine, vor allem junge Künstler zu beobachten und zu fördern. Ausgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014 Seite 6 ... das kreativzentrum.saar? Ein Beitrag von Tamay Zieske Das kreativzentrum.saar ist ein Projekt des KuBa - Kulturzentrum am EuroBahnhof e. V. und wird durch das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr des Saarlandes gefördert. Die Kultur- und Kreativwirtschaft steht hoch im Kurs und wird nicht nur als Innovationstreiber, sondern auch als starker und wachsender Wirtschaftsfaktor gehandelt. Ihr werden all diejenigen Kultur- und Kreativunternehmen zugerechnet, die überwiegend erwerbswirtschaftlich orientiert sind und sich mit der Produktion, Schaffung, Verteilung und/oder medialen Verbreitung von kreativen Gütern und Dienstleistungen befassen - soweit die Statistik. Tamay Zieske tätig bei kreativzentrum.saar Doch der typische Kreativunternehmer tickt anders als der klassische Unternehmer - und das ist auch gut so. Häufig hat man es mit Einzelkämpfern, Querdenkern, A-typischen Lebensläufen und innovativen Ideen zu tun, die nicht mit einem standardisierten Fragen/Antwortkatalog abzuwickeln sind. Auf diese besonderen Anforderungen gilt es durch ein spezielles Beratungsangebot einzugehen. Diesem Umstand wurde im Saarland, durch die Eröffnung des kreativzentrum.saar, im September 2012 Rechnung getragen. Seitdem kann man sich bei dem Wahlsaarländer und Alumnus des Studiengangs Betriebswirtschaft mit Kultur-, Freizeit- und Sportmanagement Tamay Zieske persönlich beraten lassen und seine Ideen auf Kurs bringen. In individuell abgestimmten und kostenlosen Beratungen zu Gründungs- und Unternehmensfragen der Kreativwirtschaft, wird auf die außergewöhnlichen Ideen der Kreativschaffenden eingegangen. Dabei muss oft quer gedacht und regelmäßig müssen neue Wege gefunden werden. Das kreativzentrum.saar hilft Kreativschaffenden dabei, einen Schritt zurückzutreten, um das eigene Projekt mit dem nötigen Abstand kritisch betrachten und zu einem belastbaren Geschäftsmodell weiterentwickeln zu können. Ebenso wichtig wie eine gute Beratung ist der Kontakt zu Gleichgesinnten, möglichen Partnern, Kunden oder Zulieferern. Denn gerade in einer Branche, die zu 97% aus Selbstständigen, Klein- und Kleinstunternehmen besteht, sind Netzwerke eine wichtige Grundlage des unternehmerischen Handelns. Durch vielzählige Veranstaltungsformate unterstützt das kreativzentrum.saar den Erfahrungsaustausch zwischen Kreativschaffenden, präsentiert Best-Practice Beispiele und fördert den Kontakt mit der traditionellen Wirtschaft. Ausgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014 Seite 7 ... die Künstlervermittlung der Folkwang AGENTUR? Ein Beitrag von Antje Breucking Die Folkwang AGENTUR GmbH wickelt im Auftrag der Folkwang Universität der Künste seit ihrer Gründung 2008 verschiedene Geschäftsbereiche als Dienstleister und Servicegesellschaft der Hochschule ab. Zu unseren Kernbereichen gehören die Künstlervermittlung und die Vermietung und das Veranstaltungsmanagement für das SANAA-Gebäude. Unsere Geschäftsfelder werden ergänzt durch die Umsetzung von Weiterbildungsangeboten und neuerdings auch das Jobportal KREATIV. STELLENWERK-ESSEN. Mit der Künstlervermittlung verfolgt die Agentur bzw. die Folkwang Universität der Künste zwei Ziele: Sie möchte den Folkwang-Studenten praktische Erfahrungen bieten und Veranstaltern exzellente junge Künstler vermitteln. Neben der universitären Ausbildung und der Möglichkeit bei universitären Veranstaltungen aufzutreten, sollen die Studenten auch außerhalb des universitären Raums frühzeitig Fertigkeiten entwickeln. Die jungen Musiker, Musical-Darsteller, Schauspieler, Tänzer, Komponisten, Designer und Fotografen, die die Agentur vertritt, treffen auf professionelle Veranstalter, Privatleute oder Unternehmensmitarbeiter und rüsten sich so für ihre mögliche Zukunft als freischaffende Künstler. Sie werden vertraut im Umgang mit den verschiedenen Auftraggebern und sammeln wichtige Erfahrungen. Bei vielen Projekten – gerade in den Bereichen Musical, Gesang, Schauspiel und Tanz – steht jedoch im Vordergrund auch eine Absprache mit den Professoren und Dozenten der Universität, sodass der Studienverlauf der Studenten nicht beeinträchtig wird und jede Studentin/ jeder Student optimal gefördert wird. Bei allen Engagements ist es der Agentur und der Universität wichtig, dass es ein für alle Seiten erfreuliches und positives Erlebnis ist – das geht von der vertraglichen Absicherung der Künstler und der Kunden bis zur Sicherstellung, dass alle Details besprochen sind. Dafür ist eine Mitarbeiterin der Künstlervermittlung gleichermaßen Ansprechpartnerin für die Studenten sowie für die Auftraggeber und Veranstalter. Die Folkwang AGENTUR schaut bereits auf einige erfolgreiche Jahre in der Künstlervermittlung zurück und hat vielen Studenten der Folkwang Universität der Künste die Möglichkeit geboten, ihr Können zu präsentieren und dabei durchaus auch Geld zu verdienen. Natürlich ist es der Folkwang AGENTUR ein Anliegen neben der Freude über die hochwertige Kunst auch die Tatsache zu vermitteln, dass Kunstschaffen seinen Wert hat und entsprechend entlohnt werden muss. Nur so können Kunst und Kultur sich auch in Zukunft entfalten. Ausgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014 Seite 8 ... die Leiterin eines Kulturbüros? Ein Beitrag von Elke Sieber Die Stadt Karlsruhe fördert Kultur und Kunst im Wissen um deren Bedeutung für den Einzelnen wie für die Gesellschaft. Sie entwickelt dabei ein Profil, das Traditionen bewahrt und Zukunftsperspektiven aufnimmt. Die zahlreichen und herausragenden Kulturakteure in der Stadt - vom ZKM über das Staatstheater Karlsruhe bis hin zu den soziokulturellen Zentren und Einzelakteuren - tragen zu diesem herausragenden Kulturprofil bei. Das Kulturbüro mit seinen über 20 Mitarbeitenden, welches wie auch die Städtische Galerie, das Stadtarchiv und die Stadtbibliothek dem Kulturamt angehört, beteiligt sich an der Entwicklung eines qualitativen Kulturprofils der Stadt Karlsruhe und setzt sich dafür ein, das kulturelle Leben zu sichern und auszubauen. Es berücksichtigt sowohl die Breite als auch die Spitzenkompetenzen Karlsruhe. „Die spannende Arbeit in der Kulturverwaltung: Gestalten, beraten, fördern“. Elke Sieber Leiterin des Kulturbüros Karlsruhe Fördern und beraten, planen und veranstalten: Der Slogan des Kulturbüros drückt schon sehr gut die dortigen Tätigkeiten aus. Das Kulturbüro ist die zentrale Förder- und Beratungsstelle für institutionelle und freie Kulturakteure in der Stadt. Dazu gehören die administrative, projektbezogene sowie institutionelle Finanzierung, die Beratung von Kulturakteuren hinsichtlich Räumen, Projektpartnern, Fördermöglichkeiten, Drittmittelerschließung, Infrastruktur, Vernetzung, Marketing, Öffentlichkeitsarbeit oder PR. Die Förderungen werden in der Regel durch den Haushalt, politische Entscheidungen und gesellschaftliche Entwicklungen bestimmt. Die Kulturförderung umfasst auch die Prüfung und Bearbeitung von institutionellen und projektbezogenen Förderanträgen und die Begleitung und Betreuung von Projekten der geförderten Einrichtungen. Außerdem sind die Evaluierung und Auswertung der Ergebnisse, die Belegprüfung und Abrechnung sowie Kontrolle der Mittelverwendung inbegriffen. Dazu kommen in erheblichem Maße die Betreuung baulicher Sanierungs-, Umbauund Infrastrukturerhaltungsmaßnahmen. Eigene Veranstaltungen des Kulturbüros, wie beispielsweise die Karlsruher Wochen gegen Rassismus oder das KiX/JuX Kulturfestival der Kinder und Jugendlichen, werden in der Regel in Kooperation mit anderen Kulturakteuren und städtischen Dienststellen durchgeführt und tragen zum Kulturprofil der Stadt Karlsruhe nach innen und außen bei. Außerdem begleitet und unterstützt das Kulturbüro Veranstaltungen der Kulturinstitutionen und Kulturakteure und tritt als Partner von Veranstaltungen auf. Des weiteren ist das Kulturbüro für die Planung, Entwicklung und Umsetzung von Konzepten im Auftrag des Gemeinderats oder des Oberbürgermeisters bzw. Bürgermeisters zuständig, wie beispielsweise das zurzeit in der Entstehung befindliche Kulturkonzept der Stadt Karlsruhe. Das Kulturbüro ist neben der externen Dienstleistung im Bereich der Kulturförderung auch interner „Dienstleister“. Hier werden hauptsächlich Reden, Stellungnahmen und Antwortschreiben verfasst. Außerdem ist das Kulturbüro die Koordinationsstelle für verschiedene Gremien wie: Stiftungsrat ZKM, Verwaltungsrat Badisches Staatstheater Karlsruhe, Stiftungsrat Centre Culturel Franco-Allemand, Kulturausschuss, Kunstkommission, Forum für Kunst, Recht und Technik. Ausgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014 Seite 9 ... ein Hauptabteilungsleiter Klangkörper? Ein Beitrag von Holger Kruppe Um es vorweg zu nehmen: Alle die gedacht haben, hier würde nun ein neues Instrument der zeitgenössischen Musik inklusive Spielanweisung erläutert, müssen (leider) enttäuscht werden. Dieser Begriff, oder sagen wir ruhig, dieses typisch deutsche Wort-Ungetüm entspringt dem organisatorischen Vokabular unserer öffentlich rechtlichen Rundfunkanstalten: so da wären der NDR, der rbb, Deutschland Radio und Deutschlandfunk, Radio Bremen, der WDR und der HR, der MDR und SWR und der SR und ganz im Süden der BR. Davon haben einige „Anstalten“ Orchester, Big Bands, Chöre, Musikfestivals und so manche „Spezial-Ensemble“ für Alte Musik oder Neue (zeitgenössische) Musik u. a. m. und diese nennt man Klangkörper. Die jeweiligen Klangkörper (z. B. Sinfonierochester, Chor, Big Band etc.) einer Rundfunkanstalt sind in Abteilungen und bei größeren Anstalten darüber in Hauptabteilungen organisiert.Organisatorisch leiten – das haben Sie sich sicher schon gedacht - die Abteilungen die „Abteilungsleiter“ und die Hauptabteilung? Richtig! Die Hauptabteilungsleiter. Holger Kruppe über seine Tätigkeit als Hauptabteilungsleiter Klangkörper Somit ist der Hauptabteilungsleiter der Klangkörper einer Rundfunkanstalt eine Art Geschäftsführer für alles, was in einer Rundfunkanstalt Musik produziert. Nach der umfassenden Begriffsbestimmung: „Musik ist eine vom Menschen willentlich gestaltete akustische Erscheinung, die Informationen enthält und Gefühle auslösen kann“, ist hier auch der breite Musikbegriff gemeint: also alles was zwischen Renaissance und Zeitgenössischer Musik zu finden ist, ist damit gemeint. Der Hauptabteilungsleiter stimmt sein Budget (das Geld, was er für Personalkosten und alles andere – später näher erläutert) mit der Geschäftsleitung, dem/der Hörfunkdirektor/in ab. Diese/r hat wiederum dieses Teilbudget mit dem Budget des Hörfunks in der Runde mit den anderen Direktoren und deren Chef, dem Intendanten der Rundfunkanstalt abgestimmt. Nur der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle angedeutet, dass das Gesamtbudget einer Rundfunkanstalt durch Gebühren (und zumindest z. Z. noch durch Werbeeinnahmen) erzielt wird, die wieder in der Höhe von den Ministerpräsidenten der Länder genehmigt werden müssen. Zurück zur Hauptabteilung Klangkörper. Der Hautabteilungsleiter oder kurz der HA (es gilt in diesem Text für alle HA auch die Summe der weiblichen HA’innen) genannt stimmt sein Gesamtbudget mit den Abteilungsleitern (die gleiche Summenbezeichnung wie für HA) ab: dem für den Chor, dem für den Kinderchor, für die Big-Band für das Sinfonieorchester, für das Rundfunkorchester für die Konzerte, Festivals und Wettbewerbe und anderen zahlreichen musikalischen Aktivitäten. Nachdem die Einzel-Budgets abgestimmt sind, „tagen“ die künstlerischen Runden: der HA zusammen mit den Abteilungsleitern und den künstlerischen Leitern. Diese haben, in der Regel für zwei Jahre im voraus, ihre Programme entworfen und möchten nun die entsprechenden finanziellen Mittel, Ihre Ideen um zu setzen. Um es kurz zu machen: wir gehen hier, wie in der BWL und VWL von Modellen aus: unser Modell ist der künstlerische Leiter eines „Klangkörpers“ der mit den Ausgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014 Seite 10 gegebenen Mitteln ein maximales musikalischen Ziel/Niveau des Klangkörpers erzielt: in der Praxis finden hier durchaus – aber an dieser Stelle nicht näher bezeichnete – hochengagierte Diskussionen zwischen den künstlerischen und den organisatorischen Leitern statt......wie man sich denken kann und gelegentlich ja auch durch die schreibende Zunft Wikki-Leaks gemäß an die Öffentlichkeit kolportiert.Der Tagesablauf eines HA ist mit zahlreichen Sitzungen mit den einzelnen Abteilungen seiner Hauptabteilung, aber auch mit zahlreichen vom Hörfunk und dem Fernsehen, aber auch mit der Öffentlichkeitsarbeit der Rundfunkanstalt „verziert“. Beispielsweise finden Gespräche über Fernsehproduktionen mit den Klangkörpern statt. Dies sind entweder Mitschnitte von Konzerten oder aber auch Reportagen über Tourneen oder Produktionen im Studio von Auftragskompositionen der Rundfunkanstalt und deren Erarbeitung. Aber die Klangkörper produzieren natürlich auch große „Sendestrecken“ –so nennt man die Zeit im Hörfunk und Fernsehen - für den eigenen Sender oder das Archiv, für geplante und später gesendete Sendungen. Es geht bei der Planung also nicht nur um Geld und Kunst, sondern auch um Zeit: wann muss was zu welcher Zeit fertig sein, damit die geplante Sendung auch über die richtige Musik verfügen kann, die es ggf. noch nicht auf CD oder Schallplatte auf dem Markt gibt. Aber auch Wettbewerbe werden von den Rundfunkanstalten durchgeführt, die dann von den Klangkörpern „begleitet“ werden. Dafür müssen Extra-Proben mit jungen, noch nicht so erfahrenen Künstlern eingeplant werden, deren Leistungsstand zu der Zeit (also vor Bekanntgabe, wer den Wettbewerb gewonnen hat) dem Klangkörper unbekannt ist. Und hier liegt der Teufel im Detail. Die Klangkörper arbeiten nach besonderen Tarifverträgen, die auf die besonderen Bedürfnisse solch spezieller Anforderungen der Arbeitsleistung: immer und ständig auf Spitzenniveau (!!!) abgestellt sind. Ohne auf die Kompliziertheit dieser Tarifverträge einzugehen kann man sich leicht vorstellen, dass die Zeit für Proben und Aufführungen in der Woche limitiert ist. Limits sind immer kompliziert zu organisieren; und werden heiß umkämpft zwischen dem HA und der gewerkschaftlichen Vertretung der Klangkörper: den jeweiligen Chor- und Orchestervorständen. Das Ziel ist die Einigung und der Weg ist steinig! Ich fasse zusammen: Das Budget, die Programmabstimmung mit Hörfunk und Fernsehen. Die Suche nach den jeweiligen Leitern der Klangkörper aber auch die nach den Mitarbeitern der Hauptabteilung, die Programmabstimmung der Klangkörper untereinander in enger Zusammenarbeit mit den jeweiligen künstlerischen Leitern und den Gastdirigenten/-leitern und wiederum mit den Solisten und deren Engagement, dazu gehört auch das Aushandeln der Verträge, entweder mit den Künstlern direkt oder mit deren Agenten, die dann von der Hörfunkleitung und dem Direktor für die Finanzen in Zusammenarbeit mit der so genannten „HoLi“ (der Hauptabteilung für Honorare und Lizenzen) abgezeichnet wird und die Veranlassung der Überweisungen der Honorare unter der jeweiligen steuerlichen Besonderheit, die Koordination der künstlerischen Planung für Konzerte, Ausgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014 Seite 11 auch die jeweiligen Orte und die organisatorische Zusammenführung von Buchungen der Konzertorte, Koordination des Verkaufs der Eintrittskarten/Abonnements und die entsprechende Werbung (hier können auch unterschiedliche organisatorische Formen in den Rundfunkanstalten vorliegen: teilweise intern, teilweise extern), sowie die rechtzeitige Erstellung der Jahresprogrammhefte und der einzelnen Konzertprogrammhefte, alles geht über den Tische des HA. Und da sind noch gar nicht innovative Projekte genannt, die ungewöhnliche Musik an ungewöhnlichen Orten mit ungewöhnlichen Künstlern in ungewöhnlicher Aufführungsregie beinhalten. Es sei aber auch die Zusammenarbeit mit der Tonträgerindustrie erwähnt, doch ist diese im Lauf der Jahre immer mehr in den Hintergrund getreten. Nicht zuletzt und immer stärker zunehmend die Akquisition von Sponsoren für die Realisation von Projekten außerhalb des Budgets und neuen Besuchergruppen in der gesamten Spreizung der menschlichen Altersstrecke. Man sieht leicht, der Arbeitstag eines HA umfasst leicht 10-12 Std. pro Tag und das Wochenende besteht aus „ganz normalen Arbeitstagen“. Mit anderen Worten, wer nicht bereit ist, sich für die Sache auch selbst auszubeuten, der sollte den Schritt auf einen solchen Posten überdenken. Ausgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014 Seite 12 Wer ist eigentlich... … Davide Martello? Ein Beitrag von Carolin Jakob Davide Martello‘s Ziel ist es mit seinem Flügel alle Hauptstädte der Welt zu bespielen. © Foto: Willy Brüchle Als ich diesen Sommer eine Freundin in Konstanz besuchte, fragte sie mich, ob ich nicht Lust hätte auf die Konstanzer Fahrradbrücke zu gehen, um einem Straßenmusiker zuzuhören. Sie erzählte mir, dass dieser bei den politischen Unruhen in der Türkei vor kurzem noch auf dem Taksim-Platz Klavier gespielt hätte und jetzt wieder in Konstanz sei. „Ach ja!“ dachte ich mir, „Das sagt mir doch etwas, davon habe ich gelesen.“ Wir setzten uns also, wie 200 weitere Menschen (oder waren es noch mehr?), bei strahlendem Sonnenschein auf den Gehsteig und lauschten den Kompositionen des Pianisten.Der junge Klavierkünstler heißt Davide Martello und hat es sich zur Aufgabe gemacht, in jede Hauptstadt dieser Welt zu reisen und dort mit seinem Klavier zu spielen. Davide Martello lebt eigentlich in Konstanz und spielt auch dort des Öfteren bevor er sich dann erneut aufmacht, in die nächste „unbespielte“ Hauptstadt dieser Welt. Im Sommer dieses Jahres war er zur Zeit der politischen Unruhen auch in der Türkei unterwegs. Über seinen Auftritt auf dem Taksim-Platz sagt er: „Es war eine allgemeine Entspannung zu spüren: Keine Proteste, kein Gas, keine Steine.“ 1 Nach diesem Auftritt war der Künstler in aller Munde, weil er mit Musik etwas erreichte, was beispielsweise der Polizei vor Ort nicht gelang: Er brachte Ruhe in die Proteste und bot den Menschen eine „Auszeit“. Was bewegt einen Menschen, der sich vornimmt mit seinem Flügel - den er übrigens eigens für dieses Projekt umgebaut hat - durch die Welt zu reisen, um für die Menschen dort seine Musik zu spielen? Und das, ohne Konzerthallen füllen zu wollen, sondern ausschließlich um der Kunst willen? Nach seinem Auftritt in Istanbul wurde ihm sogar ein Plattenvertrag angeboten, doch Martello möchte „frei sein“ wie er selbst sagt und in dieser Freiheit kreativ sein und uneingeschränkt spielen können. In erster Linie geht es ihm bei seinen Reisen darum, die Welt zu sehen und sich durch die einzelnen Länder und deren Hauptstädte für seine Musik inspirieren zu lassen. Seit dem Auftritt auf dem Taksim-Platz fühlt er sich nun jedoch auch ein wenig wie ein Botschafter. Durch sein Spiel konnte er etwas Frieden in die angespannte Lage der Proteste bringen und die Menschen positiv beeinflussen. Und das ist das Schöne dabei: Menschen zu erreichen, die sich vielleicht vorher nie mit Klaviermusik beschäftigt haben und sie dann auch noch damit zu berühren und zu begeistern. Ein Mann auf dem Taksim-Platz sagte zu Martello, dass er für die Menschen dort über Nacht zum Nationalheld wurde. 2 Dies mag vielleicht übertrieben scheinen, leugnen kann man anhand der Ereignisse jedoch nicht, dass hier etwas Besonderes stattgefunden hat und dies durch die Klaviermusik eines den Menschen dort Fremden ausgelöst wurde. Dies und viele weitere Erlebnisse werden es wohl sein, die Davide Martello dazu bewegen, seine Musik für alle Menschen zugänglich zu machen – ohne Konzertsaal und Eintrittsgelder, nur um der Musik selbst willen. www.klavierkunst.com 1 Jung, J., Konstanzer Pianist auf Taksim-Platz: „Die Stimmung war gigantisch“, Spiegel Online GmbH(Hrsg.), online unter: http://www. spiegel.de/panorama/leute/pianist-martello-spielt-auf-dem-taksim-platz-in-istanbul-a-905685.html Stand: 10.12.2013 2 Ausgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014 Siehe oben Seite 13 ... Craig Schuftan? Ein Beitrag von Craig Schuftan Schuftan, Autor, Broadcaster und Musikproduzent aus Sydney, Australien lebt seit einiger Zeit in Berlin. Wissbegierig wie er ist, erforscht er neugierig Alles und jede kulturelle Bewegung, die ihm vor die Nase kommt. Dabei lässt er uns alle an seinen Entdeckungen teilhaben. Jeden Monat präsentiert er seine neusten Erkenntnisse im Rahmen seines KulturKlubs im Cafe Tischendorf in Kreuzberg, hat mittlerweile aber auch drei Publikationen veröffentlicht: The Culture Club (2007), Hey! Nietzsche! Leave Them Kids Alone! (2009) and Entertain Us! The Rise and Fall of Alternative Rock in the 90s. 2014 geht er nun mit seinem Buch Hey! Nietzsche! Leave Them Kids Alone! auf Lesetour in Deutschland. Den Inhalt des Buches erklärt er uns hier in ARTikel. Craig Schuftan - setzt sich auf ganz individuelle Weise mit den Einflüssen der Romatik auf die Rock- und Popkultur außeinander My name is Craig Schuftan, and I love misery. I love hopeless suffering and thwarted desire, loneliness that drives you mad and love that kills. But I’m not morbid or depressed, and there’s nothing really wrong with me. I just like pop music a lot, and to like pop music is, as I’ve discovered, to develop a taste for these things, and others besides; things like self-expression, individualism, the superiority of feeling over thinking, the desire to escape society, the divinity of sin, the tragic view of nature, ideal love, dying young, melancholy, medievalism and mountains - big, big mountains. These are some of the recurring themes and preoccupations of the last half century of rock and pop, from Phil Spector to Kanye West, from Bruce Springsteen to Bright Eyes, David Bowie’s ‘Heroes’ to Depeche Mode’s ‘Personal Jesus’, from the first lines of the first song on the first Weezer album, to the tune that plays in the final scene of the final episode of the Sopranos. They also happen to be the defining ideals and characteristics of romanticism, the artistic and philosophical movement that dominated much of the nineteenth century. But what does that have to do with rock and roll? The Romantic movement peaked somewhere in between the start of the Napoleonic wars and the publication of Nietzsche’s ‘The Birth of Tragedy’. It was certainly well and truly over by the time rock music arrived on the scene in the 1950s. And yet, listening to the radio today, you wouldn’t know it. Romance is everywhere, on every singer’s lips, in every video clip and magazine photo shoot, in every other word we use to describe or criticise music. Whenever we praise an album for being ‘heartfelt’, or applaud a singer for sharing her innermost feelings on stage, we’re employing a standard no-one would have thought to apply to music or verse before the romantics came along. Romance is in love songs, of course, but it’s also in a lot of places you’d never expect. Skrillex makes party soundtracks for the masses, but he rarely looks like he’s having a good time - the producer builds his personal mystique by adopting an air of sullen detachment which hints at a secret sadness. The look is copped, ultimately, from Lord Byron, who partied just as hard as any of today’s superstar DJs, but was also very careful never to appear to be enjoying himself. Daft Punk pose as Futurists, techno-cyborgs entertaining the masses from within a giant 3D pyramid. But their world-view is as romantic as that of a 19th century lyric poet, and they love technology about as much as William Blake loved factories. They’re obsessed Ausgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014 Seite 14 with love, landscape, and in particular, childhood - their utopia lies not in the future, but in the past. Given that Romanticism originally developed and flourished as a response to a very specific set of historical circumstances, the French Revolution, the expansion of industry and the growth of the middle-classes in Europe, the question is: why do we still need it? Are artists and fans simply stuck in a historical rut, or do the Romantics still have something important to say to us in the 21st century? In 2009, I wrote a book called ‘Hey Nietzsche! Leave Them Kids Alone!’, in which I set out to answer these questions. By taking key examples of romantic philosophy, poetry, music and painting, and comparing and presenting them side by side with the work of artists like David Bowie, The Cure, The Smiths, The Buzzcocks, Siouxsie and the Banshees, Depeche Mode, Smashing Pumpkins, Weezer, Bright Eyes and My Chemical Romance, I tried to demonstrate the extent of the Romantics’ influence on popular music, and to show how an understanding of romantic themes and ideas could enrich our understanding of contemporary culture. 2014 auf Lesetour in Deutschland Having returned from my travels in the nineteenth century I found that the world I thought I knew looked slightly different. I heard new ideas and relationships jumping out of the speakers, a new sense of the history that informs a song like ‘Heroes’ or ‘Born to Run’ or ‘Bohemian Rhapsody’, a new sense of excitement at the demands being made in an album like Faith, The Queen Is Dead, Violator or Siamese Dream. But I also realised that there were some more sinister implications behind pop music’s ongoing obsession with romantic themes. Because we all know music is used today to sell things, not just products and lifestyles, but also ideas and ideals, and romance is one of them. And while Romantic art remains exciting, the philosophy behind it is nevertheless notoriously, and perhaps dangerously flawed. Some fret about the 20 year nostalgia cycle, about the seemingly unstoppable course of the 90s revival. I wonder whether this 200 year old retro trend, this craze for love, landscape and loss, is the one we ought to be most concerned about. www.craigschuftan.com Ausgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014 Seite 15 Was ist eigentlich... ... ein Unternehmenstheater? Künstlerische Leiter, Michael Bandt im Gespräch mit Andrea Barthelmeß Seit über 28 Jahren spielt das Scharlatan theater. Es ist Deutschlands größtes Unternehmenstheater, mit Sitz in Hamburg und sticht durch das Spielen mit ganz neuen Perspektiven und emotionalen Impulsen heraus. Im Jahre 1985 trifft Ali Wichmann Deed Knerr und gemeinsam bringen die beiden ihr erstes Stück in der Hamburger Markthalle auf die Bühne. Hier war die Idee geboren, Theater nicht nur als kulturelle Ausdrucksform, sondern auch als Mittel der Kommunikation einzusetzen. Interviewpartner ist Michael Bandt: Regisseur, Autor und Schauspiellehrer. Nach Stationen an deutschen Bühnen, wie dem Schauspielhaus Hamburg, Kampnagel Hamburg oder dem Bayerischen Staatsschauspiel München, prägt er heute als künstlerischer Leiter das Scharlatan theater auf kreative und künstlerische Weise. Außergewöhnliche Namensgebung - Scharlatan theater. Laut Duden ist Scharlatan ein eher negativ definierte Persönlichkeit: „Jemand, der bestimmte Fähigkeiten vortäuscht und andere damit hinters Licht führt“. Wie definieren Sie für sich den Begriff Scharlatan? Ein Scharlatan ist immer einer, der eine Art andere Realität vorgibt – eine andere Realität vortäuscht. Bei diesem Ansatz sind wir schnell bei dem Begriff Theater. Ich beziehe dies immer auf den Möglichkeitssinn! Michael Bandt, künstlerische Leiter des Scharlatan theaters Foto: Oliver Nimz Wir, die Scharlatane, versuchen das Leben so darzustellen, wie es ebenso möglich sein könnte. Eben nicht den Wirklichkeitssinn zu stärken, sondern den Möglichkeitssinn. Ein Scharlatan soll diesen Möglichkeitssinn aktivieren, weil er damit prüft, wie die Realität auch noch sein könnte. In jedem unserer Stücke durchlebt die Hauptfigur eine Art Entwicklung und die Entwicklung wird exemplarisch vorexerziert. Einer zeigt spielerisch den möglichen Weg, den das Unternehmen plant, der gemeinsam bestritten werden soll. Und täuscht, spielt also die zukünftig auch mögliche Realität vor. Unternehmenstheater - was muss man sich genau darunter vorstellen und wie sieht die Umsetzung in der Praxis aus? Eine Firma plant einen Change-Prozess. In diesem Fall tritt die Firma an uns heran und informiert sich darüber, was wir dazu beisteuern können, um den Veränderungsprozess für die Mitarbeiter und die Führungsebene möglichst angenehm zu gestalten. Hierbei begleiten wir die Unternehmen mit Theater und künstlerischen Mitteln. Wichtig allerdings: immer auf der Grundlage von Interviews, die wir zum einen mit den Auftraggebern führe, zum anderen aber auch mit denjenigen, die die Maßnahme letztendlich erleben und umsetzen werden. Also immer mit den Betroffenen. Deren Meinungen, Ängste, Befürchtungen, Zweifel, deren Skepsis werden in unseren Theaterstücken abgebildet. So, dass deren Wort, durch unsere Stimme auf der Bühne durchdringt. Dies ist ein elementarer Bestandteil unsers Konzeptes. Nach dem das Unternehmen uns gerufen hat, werden Interviews mit einzelnen Ausgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014 Seite 16 Mitarbeitern geführt. Hierbei ist es Aufgabe des Unternehmens, fünf bis sechs Mitarbeiter zu bestimmen, die interviewt werden sollen und damit helfen, die problematischen Bereiche im Unternehmen herauszuarbeiten. Auf Basis der gemeinsamen Erarbeitungen entsteht dann ein auf das Unternehmen zugeschnittenes Stück, mit dessen individuellen Problemstellungen. Von diesen auserwählten Personen hängt die Qualität des Stückes ab, denn die Personen sollten in der Firma geschätzt sein, aber genau so dafür bekannt sein, dass sie ein offenes Wort pflegen. So dass tatsächlich die kritischen Situationen ans Licht gebracht und angepackt werden können. Wenn die Zuschauer, sowohl die Führungsebene als auch die Mitarbeiter dann das Theaterstück sehen, ist immer deutlich zu spüren, dass sich die Zuschauer extrem wertgeschätzt fühlen, weil ihre Stimmen in einem Theaterstück aufgenommen wurden. Selbstverständlich verfolgen unsere Auftraggeber, meist die Managementebene, gewisse Ziele. Diese Ziele werden aber immer in die im Vordergrund stehenden Befürchtungen und Ängste der Mitarbeiter eingebettet. Dies kann Theater sehr gut, weil es vielseitig perspektivisch Phänomene beleuchten kann ohne, dass sich der Zuschauer angegriffen bzw. befohlen fühlt. Denn letztendlich bleibt es dem Zuschauer selbst überlassen, welche Botschaft er aus dem Stück verinnerlicht. Es gibt drei Formate, wie die Umsetzung in der Praxis erfolgen kann, die sich am Grad der Beteiligung der Mitarbeiter unterscheiden. Keine aktive Beteiligung am Stück findet sich im klassischen Unternehmenstheater wieder. Das auf Basis der Interviews entwickelte Stück wird von unseren Schauspielern aufgeführt, aber es wird keine weitere Teilnahme der Mitarbeiter verlangt. Das Forumstheater (Theaterform entwickelt von Augusto Boal) fordert hingegen während des Stückes die Beteiligung der Zuschauer, der Mitarbeiter. Die Szene wird zu Beginn im worst-case dargestellt. Folgend dürfen die Zuschauer durch Zwischenrufe und das Einfrieren der Situation Verbesserungsvorschläge einbringen und verhelfen dadurch letztendlich, die Szene zu einem best-case Szenario, durch einen Entwicklungsprozess zu transformieren. Den höchsten Grad an Beteiligung fordert der Theaterworkshop selbst. Mit den Mitarbeitern wird ein Stück entwickelt und selbst gespielt. Oft haben diese Stücke eine inhaltliche Fragestellung, wie bspw. „Wo soll das Unternehmen in 10 Jahren stehen“. Durch das intensive Auseinandersetzten mit der Thematik wird das Ziel verstärkt verinnerlicht. Wie schaffen Sie es, dass die Mitarbeiter ihre Ängste und Zweifel im Unternehmen gerade Ihnen anvertrauen? Das ist eine sehr große Herausforderung. Wir versichern, dass unsere Interviews immer anonym bleiben. Informationen werden nicht aufgezeichnet, werden zwar verschriftlicht, gehen aber nie personalisiert an den Arbeitgeber zurück. Und auf der Bühne spielt nie eine personalisierte Person auf die man namentlich oder durch Äußerlichkeiten auf die interviewte Person rückschließen könnte. Niemand wird persönlich diskreditiert. Ausgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014 Seite 17 Durch diese Versicherungen fangen die Mitarbeiter an Vertrauen zu fassen, die sich dann Stück für Stück auf den gemeinsamen Erarbeitungsprozess ausweitet. Häufig kommen auch Unternehmen auf Sie zu, wenn diesen große Herausforderungen bevorstehen. Was ist dann besonders zu beachten? Der Hauptanker ist der Auftraggeber selbst. Er muss uns die Freiheit geben, offen kritische Situationen anzusprechen. Nur dann besteht die Chance, die Mitarbeiter zum Mitmachen zu bewegen und auch durch das Theater mitzunehmen. Im ersten Briefing appellieren wir daran, dass die Führungsebene den Mut haben soll, Dinge kritisch ansprechen zu lassen. Dies ist im Endeffekt auch der Schlüssel, damit die Mitarbeiter bereit sind es anzunehmen und zu öffnen. Zweiter Schlüssel ist die Kommunikation immer über Komik erfolgen zu lassen. Wir produzieren immer eine Komödie. Dadurch können wir Bewegung in einige verfahrene Strukturen oder auch Konfliktlinien bringen. Wenn man darüber mal wieder lachen und die Situation aus Distanz betrachten kann, entsteht wieder ein aufgebrochener Blickwinkel auf die verfahrene Situation. Lässt sich der Erfolg eines Unternehmenstheaters betriebswirtschaftlich messen? Dies ist sehr schwer zu messen. Der Erfolg passiert im Moment. Theater funktioniert im Moment. Man nennt die Kunst auch time-based media – eine Kunstform die nur im Moment passiert. Wenn ich ein Bild haue, kann ich als Bildhauer die Skulptur noch Jahre danach anschauen, aber Theater funktioniert so nicht - nur im Augenblick. Schon eine Videoaufzeichnung ist eine 70 -80% Reduktion von dem was beim Spielen passiert. Dies entspricht auch dem Erfolg, auch er ist im Moment spürbar - man spürt, ob die Leute lachen, applaudieren oder Standing Ovation geben. Erfolg betriebswirtschaftlich nach einem Jahr zu messen, ist schwer für uns. Unser Erfolg ist der Wandel, der in der Person geschieht. Die Botschaft, die der Zuhörer persönlich aus dem Stück mitnimmt. Die Freiheit dessen, was der Zuschauer für sich aus dem Stück mitnimmt, ist gleichzeitig unsere Schwierigkeit es messbar zu machen. Gibt es Gegner dieser Art des Theaters – Missbrauch der Kunst für einen betriebswirtschaftlichen Zweck? Das trifft genau meine Zweifel, die ich selbst zu Beginn hatte. Ich habe damit sehr lange gehadert, ob ich vermehrt im Bereich des Unternehmenstheaters tätig werden möchte. Man versteht sich mehr als Arbeitgeber einer betriebswirtschaftlichen Zielsetzung. Bei mir fand dann der Paradigmenwechsel statt, als ich gesagt habe: Nicht Kunst statt Auftrag sondern viel mehr Kunst trotz Auftrag! Vorher war ich der Meinung entweder ich mache Kunst oder erfülle einen Auftrag. Hierbei lag für mich eine ganz strickte Trennung vor. Nur wenn ich eigene Stücke und eigene Bühnen gesucht habe, dann war das für mich Kunst. Aber nun sag ich Kunst trotz Auftrag. Auch in einem Auftrag ist Kunst möglich. Unsere Stücke sind zudem auch sehr kunstfertig. Viele Stücke sind stark musikalisch. Unsere Schauspieler müssen sowohl schauspielern als auch musizieren können. Ausgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014 Seite 18 Erst als ich diesen Wandel gedanklich vollzogen hatte, konnte ich mich guten Gewissens verstärkt im Scharlatan theater engagieren. Und das Besondere an unseren Unternehmenstheatern ist, dass wir eine extreme Wertschätzung der Mitarbeiter vermittelt bekommen, da es in de Stück ganz gezielt um sie und deren Probleme geht! „Jemand hat sich so intensiv mit meinem Unternehmen, mit meiner Problematik beschäftigt, dass er darüber sogar ein Stück geschrieben hat.“ Wenn man durch Spielen einen Wandel im Denken ermöglichen kann, würde es dann nicht jedem von uns gut tun ‚spielender‘ durch das Leben zu schreiten? Hier möchte ich sehr gerne auf den Schriftsteller Friedrich von Schiller verweisen, der dies treffend in nur einem Satz erfasst: „Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“ Herzlichen Dank Herr Bandt für das offene und sehr angenehme Gespräch. Und wenn Sie, liebe Leser, sehen wollen, wie ein produziertes Stück aussieht, schauen sie einfach in das Videomaterial des Scharlatan theaters: http://www.scharlatan.de/ Ausgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014 Seite 19 Wussten Sie etwas über ... ... Aarhus Kulturhauptstadt Europas 2017? Ein Bericht von Prof. Dr. Raphela Henze über ein Treffen mit der britischen Kulturmanagerin Rebecca Matthews und ein Plädoyer für die Internationalisierung des Kulturmanagements Viele werden weder Aarhus noch Rebecca Matthews kennen. Das sollte sich ändern! Aarhus ist mit 319.000 Einwohnern die zweitgrößte dänische Stadt (nach Kopenhagen) und darf sich im Jahr 2017 mit dem Titel Europäische Kulturhauptstadt (gemeinsam mit Paphos auf Zypern) schmücken. Rebecca Matthews ist diejenige, die Aarhus darauf vorbereiten und erfolgreich durch das Kulturhauptstadtjahr führen soll. Im August 2013, knapp zwei Monate nachdem die gebürtige Britin ihr Amt als ‚Managing Director‘ der Stiftung Aarhus 2017 angetreten hat, war sie – trotz bereits vollen Terminkalenders – bereit, sich mit meinen dänischen Studierenden und mir zu treffen und darüber zu berichten, wie sie das relativ kleine Aarhus auf die kulturelle Landkarte zu heben gedenkt. 3 ½ Jahre hat sie Zeit für die Vorbereitung. Ein Jahr lang muss sie unter dem Motto „Rethink“ eine Veranstaltung nach der nächsten (100 Projekte stehen bereits) für die erwarteten 4 Millionen Besucher anbieten. Und über 2017 hinaus soll – so will es die EU, so wollen es die Stadtväter – nach Möglichkeit auch noch was bleiben: gerne Touristen, ein Ruf als Kulturmetropole des hohen Nordens mit einer kulturellen Infrastruktur die ihresgleichen sucht, gesteigerte Mobilität europäischer Kulturschaffender und natürlich die unvermeidlichen Netzwerke. 2017 wird das Projekt offiziell ein Jahr alt sein. Inoffiziell hat das Vorhaben „Kulturhauptstadt“ aber bereits zehn Jahre früher begonnen. 2007 machten sich die Stadtväter erstmals Gedanken über eine Bewerbung, um dann im September 2011 mit einem Programm-Vorschlag ins Rennen zu gehen. Kurz nachdem die Stadt Ende August 2012 den Zuschlag erhielt, machte man sich auf die Suche nach einer Person, die das Ganze fortan professionell vorantreiben wird. Daran, dass die Geisteswissenschaftlerin Rebecca Matthews (M.A. in Modern Languages aus Cambridge) dieses – wohl umstrittenste – EU Projekt stemmen kann, besteht nach wenigen Minuten des Gesprächs mit ihr kein Zweifel. Sie bringt Berufserfahrung in einer Vielzahl von Institutionen und Ländern mit (u.a. Sydney Opera, British Council). Die Dänen wussten, warum sie jemanden mit einem derart internationalen Netzwerk ins Boot holten, obwohl es sicher viele qualifizierte einheimische Bewerber gegeben hätte. Das Kulturhauptstadtjahr ist ein europäisches Projekt mit – wie es häufig so schön heißt – internationaler Strahlkraft. Hier braucht es „internationale Kulturmanager“, die fähig sind, sich schnell in die Besonderheiten des Landes, in dem sie arbeiten, einzudenken – und dies am besten schon in verschiedenen Kontexten geübt haben – darüber hinaus aber ebenso in der Lage sind, über die jeweiligen Landesgrenzen hinaus Begeisterung zu entfachen. Das Beherrschen der Landessprache ist kein Muss mehr, wie Rebecca Matthews, deren Dänisch rudimentär (aber ausbaufähig) ist, beweist. Ihre, durch ihre Berufserfahrung durchaus schon vorhandenen, Managementkenntnisse hat sie parallel zu ihrer Tätigkeit an der Oper an der Australian Graduate School of Management noch weiter ausgebaut. Ausgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014 Seite 20 Im Sommer 2013 war Rebecca Matthews mit ihrer Assistentin noch alleine. Zu Hochzeiten sollen knapp 80 Personen an dem 67 Millionen € Vorhaben „Rethink“ mitwirken. Nicht alle werden extra dafür eingestellt. Die Stadt und die Region stellen Mitarbeiter zur Verfügung, die für diese befristete Tätigkeit von ihren eigentlichen Aufgaben freigestellt werden. Noch ist die Finanzierung der Projekte nicht komplett gesichert. Hier wird noch viel Fundraising von Nöten sein, um aus Plänen Realitäten werden zu lassen. Aber nicht nur die Suche nach geeigneten Sponsoren wird das Team von Aarhus 2017 umtreiben, auch geht es darum, die Menschen in der Stadt und der Region „mitzunehmen“, sie zu begeistern, begeisterte Gastgeber zu werden. Schlagworte wie kulturelle Infrastruktur, Diversity und Kreativität lassen selbstverständlich auch bei der Vorstellung von „Rethink“ nicht lange auf sich warten. Aarhus und Rebecca Matthews haben sich viel vorgenommen und wollen dies nun u.a. in enger Kooperation mit der renommierten Universität vor Ort angehen. Im Gespräch mit der Kulturmanagerin wurde deutlich, welch eine Komplexität und wie viele Erwartungen mit dem Vorhaben Kulturhauptstadt verbunden sind. Es geht um mehr als das Abfackeln von Events, deren Wirkung früher oder später verpufft. Es geht darum, die Potentiale einer Stadt zu erkennen, sie zu präsentieren, aber auch sie zu ändern. Von daher hat das Vorhaben weitreichendere, insbesondere auch kulturpolitische Implikationen als man gemeinhin annehmen könnte. Bleibt dem wachsenden Team um Rebecca Matthews zu wünschen, dass viele Menschen 2017 und darüber hinaus den Weg nach Jütland finden, um sich von den unzweifelhaft vorhandenen kulturellen Höhepunkten inspirieren zu lassen. Weitere Informationen finden sich unter: www.aarhus2017.dk Ausgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014 Seite 21 ... die Kulturstiftung Hohenlohe? Christian Schmierer im Interview mit Marcus Meyer Marcus Meyer studierte nach seiner Ausbildung zur Fachkraft für Veranstaltungstechnik an der Europäischen Medien und Eventakademie Baden Baden Betriebswirtschaftslehre mit Kultur- und Freizeitmanagement an der Reinhold-Würth-Hochschule in Künzelsau. Er arbeitete mit Justus Franz und der Philharmonie der Nationen, der Bachwoche in Ansbach sowie dem Pasadena Roof Orchestra zusammen und ist seit September 2013 Geschäftsführer der Kulturstiftung Hohenlohe. Marcus Meyer Geschäftsführer der Kulturstifung Hohenlohe Was ist der Stiftungszweck der Kulturstiftung Hohenlohe und wie wird dieser erfüllt? Die Kulturstiftung Hohenlohe nahm 1994 ihre Arbeit auf. Ihr Ziel ist, das vielfältige kulturelle Leben Hohenlohes „über den Tag hinaus“ zu bereichern, zu unterstützen und zu fördern. Dies geschieht insbesondere durch den „Hohenloher Kultursommer“ als Kulturangebot, das die historischen Gebäude der Region durch Konzerte zu einem kulturellen Gesamterlebnis und letztendlich zu einem Festival werden lässt. Neben anderen kulturellen Initiativen und Veranstaltungen verfolgt die Kulturstiftung Hohenlohe mit den Projekten „Internationaler Wettbewerb für Violine“ und „Meisterkurs für Streicher“ insbesondere die Förderung des musikalischen Nachwuchses. In 2014 steht zum ersten Mal ein kleines Jazz-Festival mit Workshops und Konzerten im schulmusikalischen Bereich auf unserer Agenda. Was verbirgt sich hinter dem Begriff „Hohenloher Kultursommer“? Ein Festival! Ein Musikfestival, das 1987 mit der Idee gegründet wurde, eine Region, die reich an Schlössern, Burgen, Kirchen und Klöstern ist, durch ein Kulturereignis zu verbinden und diesen kulturellen Reichtum erlebbar zu machen – übrigens im gleichen Jahr gegründet wie das Schleswig Holstein Musikfestival, das ein ähnliches Konzept verfolgt. Mittlerweile finden jährlich zwischen Juni und September bis zu 70 Konzerte an über 40 verschiedenen Spielstätten in Orten über 4 Landkreise verteilt statt. Historische Musik in historischen Räumen ist die ursprüngliche Formel des Hohenloher Kultursommers. Im Kern ist das immer noch so, aber über die Jahre hinweg ist z.B. auch die Sparte Weltmusik hinzugekommen, was zum Teil auch folkig-poppige Töne möglich macht. „Historische Musik in historischen Gebäuden“ ist wahrscheinlich nicht der beste Ansatz, um junges Publikum anzuziehen. Wie gehen Sie mit dem Thema „Audience Development“ um? Für jeden Kulturbetrieb ein sehr wichtiges Thema. Das Ziel ist natürlich, ein nachwachsendes Publikum zu generieren und jüngere Leute mit den Konzertangeboten zu erreichen. Der erste Ansatz, den ich hierzu verfolgt habe, erfolgte über das Programm selbst. Gerade in der Sparte Weltmusik haben wir bewusst junge Künstler, die teilweise gerade auf dem Weg zum Profi sind, mit aufgenommen. Und das geht auch im klassischen Bereich. Ich denke, wenn das Programm und der Auftritt frisch ist und nicht angestaubt wirkt, dann findet sich auch ein jüngeres Publikum. Ich denke auch, dass jüngere Leute bei Musik mehr und mehr zu Authentizität tendieren – und das bieten unsere Konzertprogramme auf jeden Fall. Auch medial erfolgreiche Künstler wie David Garret, Ausgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014 Seite 22 Nigel Kennedy oder Lang Lang helfen dabei, Klassik im weitesten Sinne einem breiten Publikum näher zu bringen, weil sie nicht „angestaubt“ sind. Im Sektor Weltmusik sind die Grenzen zu Pop und Folk eh fließend – das zeigen Künstler wie Helene Blum, Levantino, Passenger oder The Lumineers. Instrumente wie Akkordeon, Geige, Banjo, Mandoline, Ukulele etc. halten Einzug in die Popmusik und „öffnen“ das Ohr. Heutzutage funktioniert viel über „lifestyles“, die sehr vielfältig sein können und im Prinzip der Motor unseres Konsums sind. Das muss auch der Kultur- und Festivalbetrieb erkennen und ich möchte es hier „livestyles“ nennen – die Live-Atmosphäre ist der beste Trumpf, den wir haben. Die Verbindung von Kultur, Landschaft und Geschichte als Gesamtpaket in einem Festivalgedanken ist meiner Meinung nach zukunftsträchtig und wird auch von jungen Menschen zukünftig mehr nachgefragt. Ein weiterer Aspekt ist natürlich kulturelle Bildung durch neuartige, attraktive Initiativen. Somit zielt unser JazzProjekt mit Workshops an Schulen auch auf Audience Development für den Hohenloher Kultursommer ab. Ist ein solches „Flaggschiff“ wie das Festival im Sommer für die Stiftung in Bezug auf das Branding eher ein Fluch oder ein Segen? Ohne den schnellen Erfolg des Hohenloher Kultursommers in den ersten Jahren hätte es wahrscheinlich keine Kulturstiftung Hohenlohe gegeben. Man suchte damals nach einer professionellen und rechtlichen Struktur, das Festival erfolgreich weiter führen zu können. Dafür wurde die Kulturstiftung Hohenlohe ins Leben gerufen und fungiert seither als übergeordnete Trägerstruktur für die einzelnen Projekte. Der Hohenloher Kultursommer ist dabei natürlich das Aushängeschild und in gewisser Weise wahrscheinlich mehr eine Marke als die Kulturstiftung selbst. Das ist aber - denke ich - nicht nachteilig – da fallen mir spontan „Rama“ und „Unilever“ ein. Die Kulturstiftung Hohenlohe definiert sich über ihre Projekte und Initiativen. Diese wiederum über ihre Formen, „live-styles“ und deren künstlerische Qualität. Das „Branding“, wenn Sie so wollen, fängt für mich im „eigenen Haus“ an – bei jedem Konzert in jeder Stadt, Kommune, Pfarrgemeinde oder in jedem Fürstenhaus, mit den Verantwortlichen, mit denen wir bei der Durchführung der Konzerte und Veranstaltungen zusammenarbeiten. Hier gilt es erkennbar zu machen, welchen Wert die jeweilige „Marke“ (Kultursommer, Violinwettbewerb, Meisterkurs) für die Region hat. Dann werden die einzelnen Projekte attraktiv für lokale Sponsoren, Förderer und im Idealfall davon ausgehend für überregionale Interessenten und für den Tourismus. Das ist meiner Meinung nach bereits gut gelungen und soll weiter verfolgt werden. Idealerweise befruchten sich die Projekte gegenseitig und stärken letztendlich so das Branding der Stiftung. Dass die vielen Projekte der Kulturstiftung Hohenlohe durch die Qualität und Quantität einen beträchtlichen Finanzmittelbedarf aufweisen, liegt auf der Hand. Wie ist das Finanzierungsmodell ausgestaltet? Eigentlich fast lehrbuchmäßig möchte ich sagen. Ein Großteil des FundingMixes erfolgt über öffentliche Zuschüsse seitens des Landes und seitens der Landkreise Hohenlohekreis und Schwäbisch Hall sowie über die einzelnen Gemeinden. Hinzu kommen private Gelder von Sponsoren und Spendern sowie Förderbeiträge eines Förderkreises, der aus Privatpersonen und Firmen besteht. Die finanzielle Unterstützung ist zum Teil projektbezogen. Somit ist eine geAusgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014 Seite 23 trennte Kalkulation und finanzielle Zielplanung für die Projektinitiativen nötig. Die Hälfte des jährlichen Etats des Hohenloher Kultursommers soll durch die Ticketeinnahmen erzielt werden. Was sind die Ziele für die nächsten Jahre? Erfolgreich weiterarbeiten und nicht „verstauben“. Neue Initiativen anregen und die Vernetzung der Kulturstiftung und ihrer Projekte weiter stärken, verankern und profilieren. Und somit die finanzielle Grundstruktur sichern, um Weiterentwicklungspotentiale ausschöpfen zu können. Herzliches Dankeschön Herr Meyer für die Zeit, die Sie sich für das Interview genommen haben! Ausgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014 Seite 24 ... über die Dauerausstellung „Faszination und Gewalt“ Ein Beitrag von Lisa Eisemann auf den Spuren der deutschen Geschichte Die Masterstudierenden des Fachbereichs Kultur-, Freizeit- und Sportmanagement der Hochschule Heilbronn vom Standort Künzelsau begaben sich am 11.12.2013 auf eine Reise in die deutsche Vergangenheit. Lisa Eisemann studiert an der Hochschule Heilbronn am Standort Künzelsau im Masterstudiengang Kultur-, Freizeit- und Sportmanagement. Zunächst nahmen die Studierenden an einem Workshop in der Dauerausstellung „Faszination und Gewalt“ des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände in Nürnberg teil. Inhalt der 1.300m² großen Ausstellung sind die Ursachen, Zusammenhänge und Folgen der nationalsozialistischen Herrschaft, die hauptsächlich in Verbindung zur Stadt Nürnberg chronologisch dargestellt werden. Der Workshop, der unter dem Motto „Propaganda“ steht, beinhaltet eine bildliche und schriftliche Auseinandersetzung mit dem Thema. Die Teilnehmer werden dazu angeregt, sich in kleinen Arbeitsgruppen mit dem Begriff, seinem damaligen Verständnis und seiner Umsetzung zu befassen. Im Anschluss an einen Workshop, können in einem der dafür vorgesehenen Seminarräume, brisante Themen noch einmal besprochen werden, beispielsweise das heutige Verständnis von Propaganda. Die Studierendengruppe hat hierbei definiert, dass Propaganda eine Art Werbung mit einem bestimmten Zweck ist, meist mit politischen Inhalten belegt. Es geht darum, Menschen auf der Gefühlsebene anzusprechen und diese zu beeinflussen, vorwiegend unter Verwendung der Massenmedien. Die Teilnahme an einem Workshop im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände ist aufschlussreich und im Vergleich zu klassischen Führungen sicher ein abwechslungsreiches Angebot – für Personen mit Vorwissen jedoch möglicherweise zu grundlegend. Das vor zwölf Jahren eröffnete Museum könnte authentischer nicht sein, da noch heute riesige Baureste auf einem Areal von circa elf Quadratkilometern an den Größenwahn des NAZI-Regimes erinnern. Diese beeindruckende Kulisse bietet eine optimale Ausstellungsfläche und setzt, durch ihre Konstruktion aus Glas und Stahl, nicht nur von innen, sondern auch von außen ein weithin sichtbares architektonisches Zeichen. Insgesamt kann hervorgehoben werden, dass das Doku-Zentrum ein empfehlenswertes Museum ist, gekennzeichnet durch seine kaum vergleichbare Architektonik, die ansprechende und gepflegte Aufmachung der Ausstellungsstücke sowie die Einbindung diverser Medien und Lichteffekten. Ein Besuch des Memorium Nürnberger Prozesse ist zusätzlich empfehlenswert, besonders in Kombination mit einer Führung. Die Nürnberger Prozesse sind zwar auch Inhalt im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände, jedoch werden hier am Originalpatz die Vorgeschichte, der Verlauf und die Nachwirkungen der Verfahren vertieft dargestellt. Zudem sind ausgewählte Objekte, wie beispielsweise Teile der originalen Anklagebank oder Ton- und Filmdokumente, Bestand des Museums. Im Rahmen eines Ausstellungsbesuches kann auch der Schwurgerichtssaal besichtigt werden, jedoch ist dieser auch heute noch Ort der Rechtsprechung und deshalb nur eingeschränkt zugänglich. http://www.museen.nuernberg.de/dokuzentrum/ http://www.memorium-nuernberg.de/index.html Ausgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014 Seite 25 ... Wagner Calling? Ein Beitrag von Anja Krauth Aus den Monitorboxen wummert „Boys Boys“ von Sebo & Madmotormiquel. Die tanzende Menge wird wogenweise in seegrünes und ozeanblaues Licht getaucht. Auf einer riesigen Leinwand bewegen sich im Rhythmus der Musik Unterwasserpflanzen und Fischschwärme. Auf einer Tanzbühne spielen drei sexy Piratenbräute anmutig mit einer goldenen Discokugel. Über ihnen erhebt sich ein vier Meter hohes Gesicht, das via Mapping das Geschehen mit Argusaugen überwacht. Auf einmal öffnen sich die roten Lippen und sprechen mit schallender Stimme zur Partycrowd: „Im ewigen fließenden strömenden Rhein...lagert das Rheingold...funkelt sein Schein“. Kurz darauf wechselt der DJ Steve Senderos zum nächsten Track. Die Menge dankt es ihm mit lautstarkem Stampfen und Pfeifen... Am 3. August 2013 fand vor über 1000 Gästen „Wagner Calling. Ein Discomärchen“ in der Bayreuther Stadthalle statt. Dazu wurde das mondäne Theaterhaus in eine Club- und Märchenlandschaft auf mehreren Areas umgestaltet. Auf der Hauptbühne erzählten zur Primetime um 23 Uhr farbige Discoeffekte, bewegte Live-Visuals, surreales Mapping, fantasievolle Dekorationen und glitzernde Show-Acts zusammen mit der Musik eine Geschichte - und zwar Auszüge aus dem „Ring des Nibelungen“ von Richard Wagner. Auf weiteren Floors und an Themenbars, die zu Originalschauplätzen aus Wagners größtem Musikdrama umgestaltet wurden, konnten sich die Gäste ebenfalls amüsieren und austauschen. Da gab es das goldene „Göttermahl auf Walhall“, den grünen „Garten der ewigen Jungend“ oder den blauen „Weisheitsbrunnen“. Die Firma dj-sets. com GmbH aus Bayreuth bereitete zum Start der Bayreuther Festspiele Wagners Heldenepos discoadäquat auf und schaffte damit erstmals eine Nische für junge und jung gebliebene Erwachsene, die Partypeople. „Elektronische Tanzmusik als universeller Schlüssel“, erklärt Mareike Dünkel, kreativer Kopf von Wagner Calling und Erfindern vom Format Discomärchen. Doch wie kommt man auf die Idee, Wagners gewaltige Musik mit Deep-HouseKlängen zu verbinden? „Wagners Musikdramen sind voll von Leitmotiven. Das sind kurze Tonfolgen, die für Figuren, Gegenstände und Gefühle stehen. Da gibt es das Drachenmotiv, die Liebessehnsucht oder das Rheingold. Nimmt man nun diese kurzen Tonfolgen und unterlegt sie mit pumpenden House-Beats, erschafft man eine völlig neue Perspektive auf Wagners Heldengeschichten. Bühne und Zuschauerraum vermischen sich dazu im bunten Glanz der Lichteffekte. Visuals nehmen die Gäste mit auf eine Reise. Schlüsselszenen werden durch glitzernde Live-Acts vermittelt. Die Story kann durch Melodien, Rhythmus und Farbstimmungen erfühlt und durchs Tanzen reflektiert werden. Der tanzende Zuschauer wird somit Teil der Inszenierung.“ Für Urmutter Erdas Stimme wurde extra die schönste Stimme Bayreuths gecastet. Ein Marketingschachzug, mit dem schon Wochen vorher auf das großangelegte Schnittstellen-Projekt aufmerksam gemacht wurde. Das gigantische Gesicht und die riesige Leinwand bespielten am Abend die Münchner VJs Betty Mü und Hiltmeyer.Inc. Neben insgesamt 9 House und HipHop-DJs legte außerdem Ausgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014 Seite 26 der Weltstar und House-DJ Boy George als schillernder Paradiesvogel und Publikumsmagnet für ältere Party-Jahrgänge auf. Des Weiteren kamen traditionelle chinesische Drachentänzer, tollkühne Parcour-Akrobaten und professionelle Gogo-Tänzer zum Einsatz. Draußen vor der Stadthalle wurde mit kostümierten Statisten, riesigen Requisiten und farbenfrohem Mapping das Intro zum Disco-Ring geschaffen. Bayreuth ist weltbekannt durch Richard Wagner und die Bayreuther Festspiele. Wagners Heldengeschichten um Siegfried, Brünnhilde und die Nibelungen wurden und werden bis heute immer wieder gerne aufgegriffen, wie beispielsweise auch im letzten Tarantino-Film „Django“. Mareike und ihr Mann Norbert hegten schon seit langer Zeit die Idee, etwas zur Festspielzeit zu machen für junge Erwachsene und in Kombination mit elektronischer Tanzmusik. Warum also nicht zum 200. Geburtstag eines der größten Komponisten? Das Konzept „Wagner Calling. Ein Discomärchen“ wurde Anfang des Jahres geboren. Was Richard Wagner zu dem bunten Treiben gesagt hätte, kann man nur erahnen. Vielleicht hätte er es sich sogar träumen lassen, denn bekannt als bunter Hund und Genussmensch, stand er schon zu Lebzeiten für das Extravagante und den Fortschritt. Wagner Calling soll auf alle Fälle wieder stattfinden. Für die Zukunft sieht Mareike die Spielstätte allerdings nicht mehr im Theaterhaus, so sehr sie die ganze Bühnentechnik auch reizt. „Ich will dahin, wo das Discomärchen seinen konzeptionellen Ursprung hat: in die Disco. Einfach um völlig barrierefrei am Besucher zu sein und auch aus organisatorischen Gründen. Man kann halt echt nur mit schlechtem Gewissen um vier Uhr früh aufhören, wenn man wochenlang deswegen kaum geschlafen hat!“ Ausgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014 Seite 27 ... das Green-Hill-Festival in Birkenfeld? Alexandra Enderle im Interview mit Moritz Fricke Schon im Dezember geht es wieder los, die Line Ups für die Festivalsaison 2014 werden bekannt gegeben. Rock am Ring und Rock im Park sowie Southside Festival und Hurricane Festival sind in dem Bereich wohl die bekanntesten Player in Deutschland. Aber neben den großen und bekannten Festivals gibt es tausende von kleinen Musikfestivals aller Genres, von denen man vielleicht schon mal gehört hat und andere, die sich nur regional einen Namen gemacht haben. Fest steht aber: der Festivaltrend wächst und in den Sommermonaten hat man jedes Wochenende freie Wahl auf eines der Festivals zu gehen. Auch in Birkenfeld (Rheinland-Pfalz) gibt es jährlich ein Festival, das Green-Hill-Festival. Dieses Festival findet auf dem Grünen Hügel am Umweltcampus Birkenfeld der Fachhochschule Trier statt und ist komplett von Studierenden organisiert. Green-Hill-Festival Birkenfeld Warum Green Hill? Seid ihr ein grünes Festival und was bedeutet „grünes“ Festival eigentlich? Ja, das sind wir eindeutig. Als Studierende des Umwelt-Campus Birkenfeld lernen wir wie wichtig die Umwelt ist. Somit liegt es uns am Herzen, das Festival klimafreundlich und nachhaltig zu gestalten. Wir bekommen unseren gesamten Strom aus Photovoltaik und aus dem nah gelegenen Biomassekraftwerk. Wir verwenden ausschließlich Mehrwegbecher. Besteck und Teller sind aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt. Hierdurch wollen wir größere Mengen Abfall vermeiden. Neben generellem Natur- und Gewässerschutz und Mülltrennung sorgen wir beispielsweise auch dafür, dass ausreichend Bus- und Bahnverbindungen am Veranstaltungstag zur Verfügung stehen. Für alle, die trotzdem mit dem Auto anreisen möchten, haben wir ein innovatives Parkleitsystem entwickelt: Es funktioniert über eine SmartphoneApp und zeigt den Autofahrern in Echtzeit, wo noch Stellplätze verfügbar sind. Damit soll vermieden werden, dass ein Verkehrschaos überhaupt entstehen kann. Dies alles geschieht in Zusammenarbeit mit „Sounds for Nature“, ein eingetragener Verein und Ableger des Bundesamtes für Naturschutz, der nachhaltige Festivals zertifiziert. Das Ziel ist die Auseinandersetzung mit „Natur und Umwelt“ im Kontext mit Livemusikveranstaltungen und auch anderen Events. Das Green Hill Festival hat deswegen einen Leitfaden anhand der Sounds for Nature - Richtlinien entwickelt, um den Ansprüchen eines modernen, ökologischen Festivals gerecht zu werden. Zur dritten Ausgabe des Green-Hill-Festivals in 2013 wurde uns das Umweltzertifikat von „Sounds for Nature“ verliehen. Das proklamierte, mittelfristige Ziel des Festivals ist es, CO²-neutral zu werden, was auf deutschem Boden einmalig wäre. Wie läuft die Organisation eines solchen Festivals ab? Ganz zu Beginn suchen wir motivierte, engagierte Studierende. Dies geschieht über eine Ausschreibung des AStA (Allgemeiner Studierenden Ausschuss). Hiernach gibt es erste Sitzungen, um den „Frischlingen“ die Idee hinter dem Festival und den Ablauf zu erläutern. Bisher hatten wir das Glück, dass sich immer „alte Hasen“ bereit erklärten die Leitung zu übernehmen, da ein solches Festival wirk- Ausgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014 Seite 28 lich viel Übersicht und Planungsgeschick erfordert. Die Studierenden überlegen sich daraufhin in welchem Bereich sie ihre Stärken sehen und wo sie sich engagieren möchten. So gibt es Teams von Bandbetreuung, Platzlogistik, Werbung und Sponsoring über Internetpräsenz bis hin zu Controlling und Finanzen. Die Bandplanung wird gemeinsam diskutiert und entschieden. Jedes Team erstellt eine Kalkulation und diese werden als Gesamtfinanzplan zusammengefügt und erörtert. So erarbeitet jede Gruppe ihre eigenen Ziele, wobei zumeist jede Gruppe von einem Teammitglied, dass bereits bei der Organisation mitgewirkt hat, angeleitet wird. Besonders wichtig sind die Absprachen mit den zuständigen Behörden bzgl. Ausnahmegenehmigungen und Sicherheit. Um alle Sicherheitsbestimmungen zu erfüllen, erarbeiten wir jedes Jahr ein Sicherheitskonzept. Dieses wird mit dem Sicherheitsunternehmen, Polizei, Feuerwehr und Jugendamt abgesprochen. Durch das Zusammenspiel von Erfahrung und frischen Ideen entsteht jedes Jahr ein neues, einmaliges Festival. So entwickelt sich Jahr für Jahr auch unser Besucherkreis und wir hatten nun bereits Gäste aus den Niederlanden, Österreich und Hamburg vor Ort. Über Facebook und unsere Homepage erreichen wir mehrere tausend Menschen. Die Besucherzahl variiert je nach Jahr und Wetter. So hatten wir bis zu 4000 Besucher in 2011 als Jupiter Jones Headliner waren. Wie kommt ihr an die Bands? Welche Bands fragt ihr bevorzugt an? Fördert ihr lokale Künstler oder wollt ihr auch an die „großen Fische“? Zuerst einmal geht es vor allem darum, den Musikgeschmack der Studierenden zu treffen. Wir informieren uns bei Musikredakteuren und Booking Agenturen über „aufstrebende Stars“ und lassen uns Vorschläge aus allen Musikgenres unterbreiten. Aus den gesammelten verfügbaren Bands suchen wir dann, passend zu unserem Budget, einen bunten Musikmix. Meist war es so, dass 1-2 überregional bekannte Bands als Headliner gewonnen werden konnten und das Rahmenprogramm wurde von lokalen Bands abgerundet. So konnten bekannte Bands wie Jupiter Jones, Pohlmann, Jamaram, Prinz Pi und Grossstadtgeflüster für unser Festival begeistert werden. Werdet ihr auch in 2014 wieder ein Green-Hill-Festival veranstalten? Es ist geplant auch 2014 wieder ein Green-Hill-Festival zu veranstalten. Momentan stecken wir mitten in der Band- und Terminplanung. Alles Neue und Wichtige könnt ihr unter www.green-hill-festival.de erfahren. www.green-hill-festival.de Vielen Dank für das nette Gespräch! Ausgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014 Seite 29 ... über die Kunst des Tätowierens? Daniela Maier im Interview mit Daniel Berner, Tätowierer aus Friedrichshafen „Das tolle an der Kunst ist, dass sie nur dir gehört. Sie ist nicht handelbar, sie ist persönlich!“ Die Kunst des Tätowierens ist keine Erfindung der Neuzeit, sondern es gibt sie schon seit ewigen Zeiten. Selbst die alten Ägypter nutzten Tätowierungen, um den Gottheiten zu huldigen. Ötzi, der vor über 5000 starb, ist der älteste Mensch, der mit Hautkunst gefunden worden ist. Es gibt Hinweise, dass sich in jeder Kultur das Tätowieren individuell entwickelt hat. Jedoch ist es heutzutage gesellschaftlich immer noch nicht voll akzeptiert und aus sozialrechtlicher Sicht sind Tätowierer keine Künstler und haben somit auch kein Anspruch auf die Künstlersozialversicherung. Daniel Berner, 24 Jahre alt, hat eine Ausbildung als Schreiner gemacht und danach eine Produktdesignschule besucht. Durch die Tätigkeit als Technischer Zeichner und Schreiner wurden ihm seine handwerkliche Geschicklichkeit und seine Leidenschaft für die Kunst des Tatöwierens immer bewusster. Nach einer gewissen Zeit als Projektleiter in einer etablierten Firma am Bodensee, entschied er sich dann, etwas ganz Neues anzufangen. Daniel Berner, Tätowierer aus Friedrichshafen, beim Stechen. Was hat dich dazu bewegt den Job als Projektleiter gegen den als Tätowierer einzutauschen? Durch die moralischen Gewissensbisse, die ich in der Industrie hatte, konnte ich die Arbeit nicht weiter mit mir vereinbaren. Die Schreinerei hatte mir schon damals aufgezeigt, wie gut mir gestalterische, handwerkliche und kreative Tätigkeiten liegen und gefallen. Tattoos waren schon immer ein Thema, mein erstes hatte ich schon mit 15 Jahren. Die Beweggründe waren letztendlich die äußeren Einflüsse durch Punks, Skateparks und natürlich die Musik, die mich inspiriert hat, wie zum Beispiel Parolen „I wear my heart on my sleeve“. Wie lief deine Ausbildung als Tätowierer ab? Es gibt ja keine Ausbildung im klassischen Sinne, sondern es ist eher eine traditionelle Ausbildung. Die Erfahrungswerte und das Wissen werden vom Lehrer an den Schüler weitergebeben. „Learning by doing“ sozusagen. Ich bin im meinem zweiten Lehrjahr, von insgesamt drei. Das erste halbe Jahr habe ich zugeschaut, geputzt und gezeichnet. Dann habe ich langsam angefangen Kundengespräche zu führen und Termine zu vereinbaren. Ab dem Zeitpunkt durfte ich ein paar meiner Freunde unter Aufsicht tätowieren und nachdem die ersten Ergebnisse schon sehr ordentlich waren, kamen meine ersten kleinen Kundenaufträge. Was fasziniert dich an deinem Beruf? Der Fokus in meinen früheren Berufen verkörperte den Zeitgeist und das Weltbild von heute. Alles ist hektisch, kapitalorientiert, konsumorientiert und kurzlebig. Dadurch ist die Frustration sehr hoch und man ist irgendwann emotional geschädigt. Ich habe nach dem Gegenteil gesucht- nach Beständigkeit-und es gefunden. Nichts auf der Welt bleibt für immer, aber Tätowierungen bleiben. Und genau wie du selber, verändern sie sich mit dir! Das ist die Faszination. Es ist die ehrlichste und höchste Kunstform die es gibt, du kannst nichts korrigieren und Fehler können nicht rückgängig gemacht werden. Man muss zu jeder Zeit Ausgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014 Seite 30 absolute Konzentration beim Stechen zeigen. Tätowierungen sind ein künstlerisches exklusives Handwerk, nicht pure Kunst. Du bist selbstständig. Wie denkst du über die Künstlersozialversicherung und davon, dass Tätowierer sie nicht bekommen? Für Künstler ist das eine feine Sache. Jedoch werden Tätowierer und Goldschmiede nicht als solche angesehen. Die neue Ära von Tätowierern haben oft studiert und werden trotzdem weniger geschätzt und weniger seriös als andere Künstler angesehen. Ich arbeite 13 Stunden am Tag, morgens entwerfe ich, danach tätowiere ich bis das Studio schließt und abends tusche ich noch. Es ist schade, dass das nicht honoriert wird. Werden Tattoos in der heutigen Gesellschaft akzeptiert oder haben sie immer noch ein verruchtes Image? Sie werden immer mehr akzeptiert und sind kommerzialisiert. Es ist wie ein Schrei nach Befreiung, der gesellschaftliche Druck wird immer größer und keiner wird ihm mehr gerecht. Somit ist das Tattoo eine Ausdrucksform der Persönlichkeit. Tätowierungen werden immer legitimer und gesellschaftsfähiger. Skizze als Vorarbeit Sind Tätowierungen nur Modeschmuck oder Kunst? Das muss man für sich entscheiden. Für die meisten ist es heute eher Modeschmuck, früher war es ein Statement. Es war der Ausdruck für Randgruppen und Individualisten wie Rocker, Punker und Skinheads. Dafür ist heute die Qualität gestiegen und Tätowierungen bekommen viel mehr Aufmerksamkeit durch den Fortschritt. Aber der Fortschritt hat auch immer seine Sonnen- und Schattenseiten. Verfällt Kunst dadurch, dass jeder Tätowierer werden kann? Nein natürlich nicht. Umso mehr talentierte Tätowierer es gibt, desto höher wird die Qualität der Szene und desto mehr Akzeptanz findet es in der Gesellschaft. Davon profitiert jeder. Kunst ist Ästhetik. Bilder von Van Gogh wird man niemals so auf die Haut tätowiert bekommen, wie es auf der Leinwand möglich ist, da die Farbe nicht so in der Haut bleibt. Ein Van Gogh ist bei näherer Betrachtung ein Mosaik und bei der gesamten Betrachtung fügen sich dann die Puzzleteile zu einem Bild zusammen. Das wird eine Leinwand immer besser darstellen. Jedoch gibt es auch Fälle, die auf der Haut besser als auf der Leinwand aussehen. Durch die konvexen und konkaven Körperformen kann man Tattoos hervorheben und somit Bilder wirkungsvoller auf der Haut aussehen lassen wie sie z.B. auf einer Leinwand wären. Tusche-Zeichnung Wie wichtig ist Kreativität in deinem Beruf und inwieweit kannst du sie ausleben? Kreativität ist in meinem Beruf natürlich super wichtig. Aber der Spielraum ist unterschiedlich. Du musst die Balance zwischen Kundenwunsch und deiner eigenen Ästhetik finden. Der Kundenwunsch muss zu dir passen und du musst ihn erfüllen können. Zeichnest du die Motive selber oder am Computer? Ich zeichne alle Motive selber und das ist mir auch sehr wichtig und das, was mir an dem Job auch den meisten Spaß macht. Am liebsten Zeichen ich mit Papier Ausgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014 Seite 31 und Bleistift, aber wenn man grafische Elemente mit in das Bild einbeziehen möchte, ist ein PC ab und zu schon sehr hilfreich. „Die Haut ist eine Leinwand“. Was hälst du von dem Statement? Damit muss man vorsichtig sein, wenn man die Gelegenheit bekommt, völlig frei zu arbeiten, ist das natürlich eine Ehre und super. Doch das kommt wirklich auf den Kunden an und wie gesagt, ich sehe mich eher als exklusiver Handwerker der individuelle Kundenwüsche umsetzt und nicht als Künstler Vielen Dank für das interessante Gespräch! Das Kunstwerk am Mensch Ausgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014 Seite 32 Worum geht es eigentlich in ... ... „Wie überlebe ich als Künstler“? Besprechung eines Buches und der Reaktionen, die es hervorrief von Prof. Dr. Raphaela Henze Ina Ross unterrichtet an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst Ernst-Busch Projektmanagement und Marketing für Künstler. Allein das ist schon bemerkenswert, denn nur wenige der zahlreichen Kunsthochschulen in Deutschland bieten solche Kurse überhaupt an. Dass diese Abstinenz Gründe hat, beweisen die sehr unterschiedlichen Reaktionen auf ihr im Jahr 2013 erschienenes Buch „Wie überlebe ich als Künstler? Eine Werkzeugkiste für alle, die sich selbst vermarkten wollen.“ Ina Ross hat – so mutet es an – ihre Vorlesung verschriftlicht und zwischen zwei Buchdeckel gepackt. Offensichtlich herrscht in Berlin ein lockerer Umgangston, denn dass die Leser geduzt werden, ist für Außenstehende anfangs doch eher etwas befremdlich. Der geneigte Künstler ( aber auch für Studierende anderer Fachrichtungen etwa des Kultur- und Medienmanagements kann die Lektüre zumindest zu Beginn des Studiums durchaus wertvoll sein) erfährt hier etwas über das Schreiben von Pressemitteilungen, den Sinn und Unsinn von Newslettern, über Sponsoring und Crowdfunding. Alles erfrischend, gut verständlich und motivierend. Richtige Marketing-Profis werden hier allerdings nicht mehr viel finden, das ihnen nicht bereits in Fleisch und Blut übergegangen ist. Nun aber zurück zu den Reaktionen auf diese Veröffentlichung aus dem transcript Verlag. Wer meint, dass der Ansatz, angehende Künstler frühzeitig auf eine Existenz jenseits der etablierten Häuser und der Festanstellung vorzubereiten, einhelliges Lob erfährt, irrt. Dies verwundert insbesondere in Anbetracht der immer wieder genannten Zahlen und Fakten, die eine solche Existenz für viele – aber mit Blick auf die Bewerberzahlen an Kunsthochschulen offensichtlich (und vielleicht auch dankenswerterweise) nicht für alle – wenig attraktiv erscheinen lassen (die Künstlersozialkasse taxiert das Einkommen eines freiberuflichen Künstlers auf ungefähr 950 € im Monat). Vorneweg: dass ein Buch besprochen wird, wenn auch kontrovers oder gar negativ, ist definitiv nicht immer etwas Schlechtes (vielleicht wird Ina Ross in eine Neuauflage auch noch einen Absatz zum Umgang mit Negativ-PR aufnehmen). Von einer Besprechung in der FAZ, wie sie diesem Buch im Dezember 2013 zuteilwurde, können viele Autoren nur träumen. Zeigt die Resonanz in diversen Foren doch, dass die Autorin einen Nerv getroffen hat. Und offensichtlich ist dies der Nerv mehrerer Kunsthochschulen und der dort Lehrenden selbst. Es scheint, als wolle man sehr bewusst verhindern, dass Studierende zu frühzeitig beginnen, dem schnöden Mammon zu huldigen. Verständlich ist, dass an aller erster Stelle die Konzentration auf die Kunst und auch der Glaube an die eigenen Fähigkeiten stehen soll. Die Kunsthochschulen sollen ihr „Handwerk“ vermitteln und das ist mit Sicherheit nicht als Kernkompetenz das Management oder gar das Marketing. Darf dies aber gleichzeitig bedeuten, dass man die Augen vor der Realität so komplett verschließt? Ausgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014 Seite 33 Die Untersuchungen zu Künstlerkarrieren sind Legion, die daraus resultierenden Negativschlagzeilen – bis hin zur Forderung doch junge Menschen vor sich selbst zu schützen und die Hälfte dieser Institutionen glatt zu schließen – ebenso. Würde es den zahlreichen Kaderschmieden (interessanterweise haben viele große Künstler nie eine solche besucht) nicht vielleicht doch gut zu Gesicht stehen, sich Gedanken um die Zukunft derjenigen zu machen, die sie ausbilden? Wäre das nicht sogar ihre Pflicht? Fazit: Das Buch ist gut, weil es insbesondere Einsteigern eine Hilfe bei den ersten Schritten im (Selbst-)Marketing ist. Es ist noch besser, weil es eine Diskussion angestoßen hat. Mit welch ideologischem Ballast und in welcher Schärfe diese in diversen Foren geführt wurde, ist jedoch erstaunlich. Ausgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014 Seite 34 Was ist sehenswert... ... WHAT HAPPINESS IS. Ein Film von Harald Friedl Ein Beitrag von Angelina König Wie misst man eigentlich Glück? „Was brauchen Sie persönlich, um richtig glücklich zu sein?“, beginnt der GlückForscher seinen Katalog. Die Beamten des Ministeriums für Glück sind insgesamt acht Monate lang unterwegs, um mit dicken Fragebögen das Glück im Land zu ermitteln. Dieses weltweit einzigartige Projekt soll den Status Quo ermitteln: Wie ist es um das Glück der Bhutanerinnen und Bhutaner bestellt? Bis 1961 war Bhutan vollkommen isoliert – tief im Himalaya gelegen, eingeklemmt zwischen Indien und China, zwischen eisigen Bergen im Norden und dichtem Dschungel im Süden. Ein Land so groß wie die Schweiz, mit 700.000 Einwohnern, davon 70% Bauern. Über 80% des Landes liegen auf über 2.000 Meter Höhe. Nun will sich das das Land Bhutan der Welt öffnen, ohne jedoch dem Materialismus zu erliegen. Es will sich modernisieren, ohne seine Seele zu verkaufen. Maßstab für die Entwicklung ist „Gross National Happiness“, das Bruttonationalglück, das anhand eines Fragebogens mit an die 1.000 Fragen ermittelt werden soll. Die Fragen befassen sich mit Wünschen, Sehnsüchten, Infrastruktur, Spiritualität und Psychologie. Es geht um das Leben, insbesondere das Private. Jede Befragung nimmt drei Stunden in Anspruch. 7.000 Fragebögen sind im Umlauf und werden mit zufällig ausgewählten Einwohnern von Bhutan durchgearbeitet. ‚WHAT HAPPINESS IS‘ aktuell im Kino zu sehen Der Filmemacher Harald Friedl gibt mit seiner Dokumentation nicht nur Einblick in dieses erfrischende Projekt, sondern vor allem auch in das Königreich Bhutan. Pressestimmen: „Ein sensationeller Film“ (radioeins rbb) „… Momentaufnahme einer fast schon utopisch wirkenden Gesellschaft. Gerade das macht sie für einen des Kapitalismus müden Westler so faszinierend…“ (PROGRAMMKINO.DE) „What happiness is“ läuft aktuell in folgenden Kinos: Duisburg, filmforum | Düsseldorf, Atelier Kino im Savoy-Theater | Freiburg, Friedrichsbau Lichtspiele GmbH & Co. KG | Hannover, Apollo | Mosbach-Neckarelz, Filmwelt Mosbach Neckarelz Weitere Informationen unter: www.whathappinessis.de Ausgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014 Seite 35 ... „Fremde Kinder“ und „Mädchengeschichten“. Ein Beitrag von Alexandra Neher Hier möchte ich auf zwei besondere Dokumentarreihen hinweisen. Alle Filme entstehen als Auftragsproduktionen von ZDF/3sat und beide laufen auf dem Fernsehsender 3sat. Die 30-minütigen Dokumentarfilme erzählen einzigartige Lebensgeschichten von Kindern und Jugendlichen aus der ganzen Welt. Es handelt sich um „Fremde Kinder“ und „Mädchengeschichten“. Im Mittelpunkt eines jeden Beitrags steht ein Kind oder Jugendlicher dessen oftmals schwierige Lebenssituation erzählt wird. So unterschiedlich wie die Personen von denen erzählt wird, ist auch deren Herkunft. Von der Taiga bis zum Amazonas. „Fremde Kinder“ widmet sich Jungen und Mädchen im Alter bis zu 14 Jahren, erzählt unverfälscht deren Lebenssituation und ergreift Partei für sie. Dabei wird aus der Perspektive der Kinder erzählt und ihnen so eine Stimme verliehen. Es gibt dabei kein Schema F nach dem gefilmt wurde und das macht jeden Beitrag so unverwechselbar. Die Beiträge sind keineswegs „leichte Kost“ und können den Zuschauen ganz schön mitnehmen. Ein Film zeigt den 13-jährigen Sohel aus Dhaka, Bangladesch. Er hat auf Wunsch seiner Familie die Schule abgebrochen. Dann bekommt drei Handys unterschiedlicher Netzanbieter von seinem Vater geschenkt und soll nun helfen das Einkommen der Familie zu sichern. Er wird auf die weit entfernten Schwemminseln geschickt und bietet dann dort seine Dienste bei den Insulanern als „Networker“ an. Für die bitterarmen Menschen dort ist er seine Art „Tor zur Welt“ mit seinen Handys und Sohel kann durch das verleihen seiner Handys für einen geringen Betrag, seine Familie unterstützen. Weitere Titel wie „Von Bagdad nach Dallas“ oder „Ein Sohn der Taiga“ lassen auf weitere außergewöhnliche Lebensgeschichten schließen. Foto: 3 sat „Mädchengeschichten“ stellt junge Frauen meist im Alter von 17 Jahren vor, die noch auf der Schwelle zwischen Kindheit und Erwachsensein stehen. Die Beiträge zeigen ihre verschiedenen Lebensentwürfe mit kleinen und großen Träumen für ihre Zukunft. Eine schmerzliche, wenn auch Mut machende Geschichte wird von Tschetschenin Fatima geschildert. Nach dem Tod ihres Vaters im tschetschenischen Krieg hat es sie und ihre Familie durch die Wirren des Krieges in eine abgelegene Berggegend im Nordosten Georgiens verschlagen. Sie heiratet einen Georgier und findet sich in einer patriarchalischen Familienstruktur wieder. Doch die Geburt ihrer Tochter kann findet sie wieder Mut und entscheidet sich dazu ihr Leben wieder selbst in die Hand zunehmen. Dabei sind nicht alle Geschichten tragisch sondern beschäftigen sich eher mit den Wünschen der Mädchen und lassen so viel Platz für Hoffnung. Wie beispielsweise der Beitrag über die junge Häuptlingstochter Alina. Sie lebt im Urwald Panamas und gilt mit ihren siebzehn Jahren nach indianischem Recht bereits als Erwachsene. Sie ist verheiratet und führt zwei Haushalte. Doch das Territorium des Stammes wird als Naturschutzgebiet deklariert und so sind die Embrá-Indianer gezwungen neue Wege einzuschlagen. Alina nutzt den Ökotourismus und Ausgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014 Seite 36 präsentiert Touristen Stammesrituale , verkauft traditionelles Kunsthandwerk ihres Stammes und trägt so zum Erhalt nicht nur ihrer Traditionen sondern ihres gesamten Stammes bei. So kann sie den Spagat zwischen Tradition und der Modernen Welt meistern. Die Leiterin der ZDF-Filmredaktion 3sat, Inge Classen, und die Redakteurin Katya Mader bekommen für Redaktion und Konzept der Dokumentarfilmreihe „Mädchengeschichten“ (ZDF/3sat) in der Kategorie „Information und Kultur/ Spezial“ den Adolf-Grimme-Preis 2009. Jeder einzelne dieser Dokumentarfilme regt zum Nachdenken an und drängt einen dazu sein eigenes Leben zu reflektieren. Nicht jeder Beitrag hat ein Happy End aber es handelt sich hier auch um das reale Leben und kein Hollywood Film. Jeder der einmal Lust hat über den Tellerrand zu blicken, dem kann ich diese Dokumentarreihe nur empfehlen. Die Dokumentarfilme können in der Mediathek von 3sat aufgerufen und angeschaut werden. Ausgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014 Seite 37 Welche neuen Publikationen gibt es im Fachbereich … ... Exporting Culture - Which role for Europe in a Global World? European culture as export commodity? Is European culture visible enough in the globalized world? Why is culture from this continent often perceived as ‘old-fashioned’ or even worse as ‘out-dated’? Is the export of national cultural products and services – in most European countries subsidized by the taxpayer – no longer relevant, or more relevant than ever before? Is it a huge waste of money, time, and effort or an attempt to create another form of globalization? Culture – in its broadest sense – is often viewed and accepted in ways that differ completely from those of other internationally traded goods. This might be one of the reasons why so many institutions, foundations and cooperations invest time, power, and money in cultural projects. Is this an exaggerated approach or an intelligent recognition of the genuine values of the 21st century – creativity and cultural sensitivity? These and several other questions concerning the export of culture are addressed by authors from differentcountries in order to initiate a debate about the role European cultural products and services are able to play globally. Editors are Raphaela Henze who is professor of Cultural Management at Heilbronn University and Gernot Wolfram who teaches as professor of Arts Management at the MHMK University of Berlin. ... Eventmanagement – How to create the Wow Effect! Das Lehrbuch spannt den inhaltlichen Bogen vom konzeptionellen Anfang bis hin zu Planung, Organisation, Umsetzung und der Erfolgskontrolle von Events. Ausgangspunkt ist die Funktion des Events als Instrument der Marketingkommunikation, das eine Kampagne anführen oder in eine solche integriert werden kann. Mit der Event Toolbox werden die relevanten Umsetzungsdimensionen vollständig abgebildet. Daneben werden alle für die Umsetzung wichtigen Randthemen verständlich erläutert sowie aktuelle Eventtrends und Tendenzen der Media-Entwicklung, Bedeutung und Einfluss von Web 2.0 und Social Media beleuchtet. Brancheninformationen zum Eventmarkt, Eventagenturen, Ausbildungsmöglichkeiten, Berufsbild des Eventmanagers geben handfeste Orientierung und vermitteln Transparenz. Fallbeispiele, Checklisten und ein Sicherheitskonzept zusammen vermitteln Rundum Know how für den sicheren Beginn und die ersten Jahre einer beruflichen Tätigkeit im Bereich Eventmanagement. Prof. Dr. Hermann-Josef Kiel lehrt seit 1997 an der Hochschule Heilbronn. Dipl-Kfm. Univ. Ralf Bäuchl ist seit 1998 ist er als Lehrbeauftragterund seit 2007 Mitinitiator sowie zusammen mit Prof. Dr. Hermann-Josef Kiel in der wissenschaftlichen Leitung des BEA BlachReport Event Award zusammen mit dem TechAward der Aktivmedia GmbH. Ausgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014 Seite 38 Wie funktioniert eigentlich... ... Qualitätsmanagement in der Staatsgalerie Stuttgart? Ein Beitrag von Dr. Sabine Hirschle, Projektmanagerin und Qualitätsmanagementbeauftragte der Staatsgalerie Stuttgart und Dirk Rieker, Kaufmännischer Geschäftsführer und Vorstandsmitglied Der Begriff „Qualität“ ist im Museum allgegenwärtig. Aufgrund der sich rasant verän-dernden Umfeldbedingungen und durch den gestiegenen Wettbewerb der Museen untereinander und mit den Anbietern des expandierenden Freizeitsektors wird die Qualität, die von Besuchern und Partnern der Museen wahrgenommen wird, zum wichtigen Differenzierungsmerkmal und Erfolgsfaktor. Damit Museen auch zukünftig ihre Kernaufgaben Sammeln, Bewahren, Forschen und Vermitteln entsprechend der eigenen und von außen an das Museum herangetragenen Qualitätsansprüchen erfüllen können, ist ein professionelles Management und eine gezielte Marktorientierung notwendig. Dr. Sabine Hirschle, Projektmanagerin und Qualitätsmanagementbeauftrage der Staatsgalerie Stuttgart Die Erfahrung aus anderen Branchen zeigt, dass ein fundiertes Qualitätsmanage-ment (QM) die Effizienz und Effektivität der inhaltlichen und auch fachlichen Arbeit sicherstellen und signifikant verbessern kann. Im erwerbswirtschaftlichen Bereich ist das QM de facto nicht mehr wegzudenken, in der Museumslandschaft befindet sich der Ansatz noch weitgehend in der Entwicklungs- und Erprobungsphase. Die Einführung des QM inklusive der Zertifizierung nach den in der DIN EN ISO 90011 gestellten Anforderungen an ein QM ist somit ein zielführender Schritt zur Sicherung und Stärkung der Marktposition von Museen, insbesondere um aktuellen und zukünftigen Herausforderungen adäquat begegnen zu können. Da die ISO 9001 nur definiert was von einem Qualitätsmanagementsystem gefordert ist und nicht wie die Umsetzung zu erfolgen hat, eignet sie sich branchenübergreifend für die Produktions-, Dienstleistungsunternehmen also auch für Kultureinrichtungen wie Museen. Aus dieser Motivation heraus hat sich die Staatsgalerie Stuttgart für den Aufbau ei-nes Qualitätsmanagementsystems entschieden. Dabei stehen die Hauptaufgaben eines Museums im Vordergrund. Die ganzheitliche Betrachtungsweise des Quali-tätsmanagements schafft hierfür klare Zieldefinitionen, Strukturen und Geschäftsprozesse. Neben den Kernaufgaben stehen auch weitere relevante Aufgaben, wie z. B. das Management der Geschäftsprozesse, die Planung und Umsetzung der Qualitätspolitik oder das IT Service Management beim qualitätsmanagementorientieren Denken im Museum im Vordergrund. Von zentraler Bedeutung ist es, diese Aufgaben stets im Kontext des strukturellen Umfelds des Museums zu fokussieren. Das ganzheitliche Qualitätsmanagement trägt hierbei zu einer besseren Ausnutzung und Einschätzung der Ressourcen bei, deckt Verbesserungspotential stetig auf, gestaltet Prozesse transparenter und hilft Kosten und Zeit einzusparen. Auch die Größe 2 der Staatsgalerie Stuttgart und die Entwicklungen3 seit 1984 ver-langen nach einem professionellen Qualitätsmanagement. Ausgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014 Seite 39 Geschäftsprozesse und Kommunikationswege gestalten sich immer komplexer und müssen systematisch analysiert werden. Das Qualitätsmanagement ermöglicht eine kritische Selbstbeurteilung der eigenen Prozesse und verlangt eine allgemeine Qualitätssicherung. Darüber hinaus dient das Qualitätsmanagement der Rechenschaftslegung innerhalb des Museums, aber auch gegenüber der Öffent-lichkeit, also auch gegenüber den Aufsichtsgremien. Befasst man sich zum ersten Mal mit der Thematik Qualitätsmanagement, ist zu-nächst eine Auseinandersetzung mit dem Begriff „Qualität“ notwendig. Die Anzahl an Definitionen ist ebenso groß wie die unterschiedlichen Auffassungen jedes Einzelnen von „Qualität“. Versteht man Qualität im Sinne der ISO 90004 ist sie der „Grad, in dem ein Satz inhärenter Merkmale Anforderungen erfüllt. (…) „Inhärent“ bedeutet im Gegensatz zu „zugeordnet“ „einer Einheit innewohnend“, insbesondere als ständiges Merkmal.“5 Eine einfachere, aber ebenso treffende Beschreibung von Qualität ist die Erfüllung von Anforderungen. Dirk Rieter, Kaufmännischer Geschäftsführer und Vorstandsmitglied Die Qualitätsanforderungen kommen von drei Seiten. Zum einen von den interessierten Parteien.6 Für die Staatsgalerie sind dies z. B. die Besucher, die zuständigen Ministerien, der Landesrechnungshof, die Denkmalpflege, sowie die Leihgeber und der Verein „Freunde der Staatsgalerie“. Zum anderen von der Organisation selbst und von gesetzlicher Seite. Zur systematischen und strukturierten Umsetzung der Qualitätsanforderungen dient das Qualitätsmanagementsystem. Vereinfacht gesagt werden Spielregeln aufgestellt, eingehalten, aufrechterhalten, ggf. verändert und verbessert. Damit wird der zentrale Leitgedanke des kontinuierlichen Verbesserungsprozess von Qualitätsmanagement im Sinne des PDCA7 – Regelkreis umgesetzt. Beim Aufbau eines Qualitätsmanagementsystems nach ISO 9001 wird der prozess-orientierte Ansatz verfolgt. Dieser hat die Zielsetzung die Effizienz und Effektivität der Prozesse messbar zu steigern, die Betriebskosten langfristig zu senken und über eine höhere Motivation der Mitarbeiter Innovationen anzuregen. Ein Prozess setzt sich vereinfacht aus den Elementen Input, definierter Ablauf und Output zu-sammen. Zwischen den Prozessen bestehen verschiedenartige Wechselbeziehungen sowie externe und interne Kunden-Lieferanten-Verhältnisse. Dies bedeutet, der Pro-zessoutput kann sowohl für Kunden außerhalb der Organisation erstellt werden, als auch für interne Kunden, sprich Mitarbeiter. Ausgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014 Seite 40 Auf dem Weg zur Erfüllung der Norm und damit zur Zertifizierbarkeit hat die Staats-galerie Stuttgart durch die Norm definierte Aufgaben zu erarbeiten. Der erste Schritt war die Identifizierung der zu erfüllenden Vorschriften der ISO 9001/2008 als Pla-nungsgrundlage für das weitere Vorgehen. Die Erstellung einer Prozesslandkarte sowie die Modellierung der festgelegten Führungs-, Kern-, Unterstützungs- sowie ausgegliederten Prozesse zur Veröffentlichung in einem speziell für QM aufgebauten Intranet. 8 Weitere zentrale Elemente bei der Normenerfüllung sind die Festlegung einer Qualitätspolitik9 und Zielen, die Erstellung des Handbuches, die Durchführung einer Managementbewertung sowie eines internen Audits. Des Weiteren müssen die Verantwortlichkeiten und Befugnisse festgelegt sowie ein Dokumenten- und Aufzeichnungsmanagement aufgebaut werden. Nach erfolgreicher Einführung des Qualitätsmanagementsystems und „Leben“ der festgelegten QM-Spielregeln kann die Zertifizierung durch eine externe Zertifizierungsstelle erfolgen. Dies ist für September 2014 geplant. Die Zeit nach der Zertifizierung wird zeigen, inwieweit das QM für die Staatsgalerie Stuttgart die Zielsetzungen erfüllt, sich für den gesellschaftlichen und politischen Wandel zu rüsten, ohne dabei ihren Bildungs- und wissenschaftlichen Auftrag aus den Augen zu verlieren und zur reinen Freizeiteinrichtung zu mutieren. 1 DIN EN ISO 9001:2008 – Qualitätsmanagementsysteme - Anforderungen Staatsgalerie – Fakten zur Größe: Eröffnet 1843, ca. 500.000 Kunstwerke, 12.000 qm Ausstellung-fläche, 220 Mitarbeiter (110 VZÄ), Jahresetat 2013: 10 Mio. €, Besucher 2012: 284.000, Rechtsform: Landesbetrieb. 3 Staatsgalerie – Fakten zur Entwicklung: Verdreifachung der Ausstellungsfläche, Vervierfachung der Mitarbeiterzahl, Erweiterung der Son derausstellungen, Erhöhung des Vermittlungsangebotes, Erhö-hung der Qualitätsanforderungen bei Kunsttransporten und Restaurie rung, Steigerungen der Anforde-rungen der öffentlichen Hand, Umwandlung in einen Landesbetrieb. 4 DIN EN ISO 9000:2005 – Qualitätsmanagementsysteme – Grundlagen und Begriffe 5 DIN EN ISO 9000:2005 Nr. 3.1.1 6 Die ISO 9001 orientiert sich an den Kundenanforderungen. Für Museen eignet sich eine Erweiterun-gen der Anforderungsgruppen auf die interessierten Parteien im Sinne der DIN EN ISO 9004:2009. 7 PDCA ins Deutsche übersetzbar in: Planen – Umsetzen – Überprüfen – Handeln 8 Die Staatsgalerie Stuttgart hat sich hierbei für die Prozesessmodellierungssoftware Xpert der Firma Axon Active entschieden. 9 Für Museen ist die Begrifflichkeit „Leitbild“ gängiger und für die Mitarbeiter verständlicher als „Quali-tätspolitik“. Grundsätzlich sollte die durch die Norm gegebene Freiheit genutzt werden und Begriffe gewählt werden, die für die Mitarbeiter gut verständlich und bestenfalls bereits gängig sind. 2 Ausgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014 Seite 41 SAVE THE DATE ... 2. Künzelsauer Kulturmnanagement -Konferenz „Kultur im off“ Nach zwei Jahren ist es wieder soweit. Am 23. und 24. Januar 2014 findet die 2. Künzelsauer Kulturmanagement Konferenz diesmal zum Thema „Kultur im off“ organisiert von den Bachelor-Studierenden des 6. Semesters statt. Über die Herausforderungen von Kulturschaffenden jenseits der Metropolen wollen wir mit namhaften Wissenschaftlern und Praktikern aus unterschiedlichen Sparten diskutieren. Wir freuen uns auf spannende Vorträge und Diskussionen und natürlich auch auf Ihre Beteiligung. Auch der Kunst- und Kulturgenuss wird während der zwei Tage nicht zu kurz kommen. Wir bieten Ihnen Führungen in der Kunsthalle Würth und in der Johanniterkirche sowie ein Konzert in absoluter Dunkelheit durchgeführt vom PODIUM Festival Esslingen. Die Plätze zu dieser kostenfreien Veranstaltung sind begrenzt. Wir bitten Sie daher, sich noch heute umgehend anzumelden. Nähere Informationen finden Sie auf unserer Tagungswebseite: www.hs-heilbronn.de/kultur-im-off Ausgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014 Seite 42 Liebe Leserinnen und Leser, hat Ihnen unser Newsletter gefallen? Dann abonnieren Sie ihn unter http://lists.hs-heilbronn.de/info/kulturnewsletter und empfehlen ihn weiter. Falls Sie unseren Newsletter nicht mehr erhalten möchten, können Sie ihn unter dem oben genannten Link auch wieder abbestellen. Mitmachen erwünscht! Für gute Ideen und pfiffige Beiträge sind wir immer offen. Senden Sie Ihren Vorschlag per E-Mail an kulturnewsletter@hs-heilbronn.de ! Ihr -Team IMPRESSUM Prof. Dr. Raphaela Henze Hochschule Heilbronn Campus Künzelsau Reinhold-Würth-Hochschule Daimlerstraße 35 • 74653 Künzelsau Telefon: 07940 / 1306 250 E-Mail: raphaela.henze@hs-heilbronn.de Redaktion und Layout Andrea Barthelmeß und Alexandra Neher Die namentlich gekennzeichneten Artikel spiegeln die Meinungen der jeweiligen Verfasser wider, die auch für die Inhalte verantwortlich sind. In keinem Fall wird für Schäden, die sich aus der Verwendung der abgerufenen Informationen ergeben, eine Haftung übernommen. Ausgabe Nr. 4 · 22. Januar 2014 Seite 43