Implantatersatz eInes frakturIerten schneIdezahns

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Implantatersatz eInes frakturIerten schneIdezahns
Fallbericht 01 | 2010
Fallbericht 01 | 2010
Implantatersatz
eines frakturierten
Schneidezahns
Management einer komplexen ästhetischen
Situation mit Camlog® Screw-Line Implantaten
Dr. Peter Hunt
Philadelphia, USA
Peter Hunt gehört zur vierten Generation von Zahnärzten in seiner Familie und stammt aus Großbritannien.
Nach seiner Ausbildung am Guy’s Hospital in London und Weiterbildungen in Mund-, Kiefer- und
Gesichtschirurgie erhielt er einen Master-Abschluss in Advanced Restorative Dentistry (fortgeschrittene
restaurative Zahnheilkunde) am UCL Eastman Dental Institute in London. Anschließend absolvierte er eine
weitere Fortbildung in Parodontologie und parodontaler Prothetik an der University of Pennsylvania, USA.
Später wurde er klinischer Professor für Parodontologie an der „Penn“ (School of Dental Medicine,
University of Pennsylvania) und danach Professor für restaurative Zahnheilkunde sowie Leiter der
Postgraduierten-Fortbildung und der Implantologie und parodontalen Prothetik an der NSU in Florida.
Peter Hunt verwendet CAMLOG-Produkte seit mehr als einem Jahrzehnt und hat auf der ganzen Welt
­ orträge bei ­CAMLOG-Veranstaltungen gehalten. Er war Programmdirektor des CAMLOG USA-KongresV
ses im Juni 2009, ist Mitglied des International Council of Experts der CAMLOG Foundation und Heraus­
geber von camlogconnect.com. Seine Praxis für Implantat- und Rehabilitations­zahnheilkunde befindet
sich in Philadelphia, USA.
VERWENDETE IMPLANTATE
Zahn
18 17 16 15 14 13 12 11 21 22 23 24 25 26 27 28
Implantattyp
SL SL
13,0 13,0
Implantatlänge
Implantat-Ø
5,0 5,0
P P
Implantatoberfläche
Zahn
48 47 46 45 44 43 42 41 31 32 33 34 35 36 37 38
Implantattyp
Implantatlänge
Implantat-Ø
Implantatoberfläche
Implantattyp: ROOT-LINE (RL)/SCREW-LINE (SL) Implantatoberfläche: Promote® (P)/Promote® Plus (PP)
PROTHETIK
Standard
Platform Switching
herausnehmbar
festsitzend
X Krone
Brücke
X zementiert
verschraubt
Teilprothese
Totalprothese
sonstige
Universal-Abutment
Esthomic® Abutment
Teleskop-Abutment
Gold-Kunststoff-Abutment
X Keramik-Abutment
Individuelles Zirkonoxid-Abutment
auf Titanbasis
Logfit ® Abutment
Locator ® Aufbau
Stegaufbau
Kugelaufbau
sonstige
Fallbericht 01 | 2010
INFORMATIONEN ÜBER PATIENT UND BEHANDLUNG
Der Patient, ein gesunder, 44 Jahre alter Mann, stellte sich mit gelockertem,
leicht extrudiertem rechten oberen mittleren Schneidezahn vor. Bei der
Untersuchung stellte sich heraus, dass der Zahn frakturiert war. Die Ästhetik
der Region war beeinträchtigt durch die klinisch zu langen Kronen der mittleren
Schneidezähne. Das Alveolarfach erschien dünn, und es war anzunehmen,
dass der labiale Knochen in der Region Dehiszenzen und Fenestrationen
aufweisen könnte. Eine Malokklusion der Angle Klasse II/1 mit anteriorem
Tiefbiss war ebenfalls vorhanden.
Mit dem Patienten wurden konventionelle Zahnersatzmöglichkeiten
besprochen. Alle beinhalteten die Überbrückung eines sich zurückbildenden
Kieferkamms durch eine Ersatzkrone. Obwohl sich damit zunächst eine
vernünftige ästhetische Lösung schaffen ließe, würde sich die Ästhetik mit
fortschreitender Resorption sicherlich verschlechtern. Aus diesem Grund
wurden Implantatlösungen diskutiert.
Es erschien nicht sinnvoll, ein einzelnes Implantat zu setzen und zu versuchen,
das Gingivaniveau um das Implantat an das des benachbarten mittleren
Schneidezahns anzupassen. Obwohl sich „lange Kronen“ häufig durch Eruptionstherapie korrigieren lassen, bedeutete die vertikale Fraktur des einen
Schneidezahns in diesem speziellen Fall eine schlechte Prognose für eine Eruptionstherapie. Deshalb war der Ersatz beider mittlerer Schneidezähne durch
implantatgestützte Kronen die schließlich gewählte Therapie. Eine Augmentation der Kieferkammhöhe während der Implantatinsertion war wünschenswert. Es wurde außerdem beschlossen, das kosmetische Resultat durch Überkronung und Vergrößerung der seitlichen Schneidezähne zu verbessern.
Ausgangssituation
Abb. 1:Ausgangsansicht. Der rechte mittlere Schneidezahn
ist beweglich und leicht extrudiert.
Abb. 2:
Palatinale Ansicht, welche die offensichtliche
Fraktur des Zahns zeigt.
Abb. 3:Ausgangsröntgenbild. Beachtenswert ist, dass der
Nachbarzahn umfassend endodontisch behandelt
worden ist.
Therapeutische Überlegungen
Abb. 4:Panoramaaufnahme mit intakter Dentition und allgemein gutem Zustand der stützenden Strukturen.
Abb. 5:Nahaufnahme der mittleren Schneidezähne, welche
die klinisch übermäßig langen Kronen zeigt.
Der rechte mittlere Schneidezahn war nicht zu erhalten und musste schnell extrahiert werden. Es
standen drei Behandlungsprotokolle zur Verfügung,
um Kieferkammresorption zu vermeiden. Das erste
war eine Alveolenregeneration. Das zweite war,
den Kieferkamm nach der Extraktion abheilen zu
lassen, mit späterer Rekonstruktion des resorbierten Kieferkamms und anschließender Implantat­
insertion. Das dritte war die sofortige Implantat­
insertion mit Augmentation. Die Entscheidung
erfolgt zum Zeitpunkt der Extraktion.
Begleitende Therapie
Abb. 6:Die beiden mittleren Schneidezähne wurden auf
Zahnfleischniveau gekappt und die seitlichen
Schneidezähne für Kronen präpariert. Dies gewährleistete ein sauberes Arbeitsfeld beim Einpassen der
provisorischen Restauration.
Abb. 7:Die provisorische Brücke dient auch als chirurgische
„Vorlage“. Sie zeigt die Lage der gingivalen Ränder zu
Beginn des Verfahrens, was hilfreich ist, wenn diese
verschoben werden sollen.
Abb. 8:Die Wurzeln der beiden mittleren Schneidezähne
sind nun entfernt und die knöchernen Alveolen kürettiert und inspiziert. Die Alveolen sind intakt, wenn
auch sehr breit (8 mm).
Implantatinsertion
Abb. 9:
5,0 x 13,0 mm SCREW-LINE (J-Serie) Implantate
wurden zur palatinalen Wand der Alveolen hin
gesetzt. Die Plattformen wurden nur leicht
subgingival platziert.
Abb. 10:Die verbleibenden Hohlräume um das Implantat
wurden mit Geistlich Bio-Oss® Partikeln aufgefüllt.
Abb. 11:Die marginale Gingiva wurde mobilisiert und nach
krestal verschoben. Ein Gaumen-Bindegewebstransplantat wurde über die Implantatplattformen
und bis unter die marginale Gingiva platziert.
Einheilung mit Provisorien
Abb. 12:Das zuvor angefertigte Provisorium wurde einprobiert.
Die labialen Ränder lagen auf den Weichgeweben
auf, von denen zu erwarten war, dass sie in der
frühen post­operativen Phase anschwellen würden.
Abb. 13:Die labialen Ränder wurden gingival gekürzt, was
die Ästhetik verbesserte.
Obwohl es viele Diskussionen über die
Sicherstellung der korrekten mesiodistalen und
bukkolingualen Platzierung eines Implantats
gibt, ist die korrekte vertikale Position der
Implantatplattform entscheidend, um eine
adäquate Weich­g ewebs­d eckung und
Entwicklung des optimalen Austrittsprofils zu
gewährleisten. In diesem Fall war die Weich­
gewebe­augmentation über den Implantat­platt­
formen entscheidend, um das gewünschte
Resultat zu erreichen.
Postoperative Heilung
Entwicklung des Austrittsprofils bedeutet, dass
das die Implantatplattform abdeckende Weich­
gewebe neu geformt wird, damit es erscheint
wie ein Zahn, der durch die Gingiva tritt.
Abb. 14:
Die provisorische Restauration funktionierte
während der dreimonatigen Einheilphase gut.
Abb. 15:Nach dem Abnehmen waren die Implantatplatt­
formen mit Gingiva bedeckt, und Spitzen von Weichgewebe verblieben in den potenziellen Interdentalregionen.
In Abb. 17 ist zu sehen, dass die provisorische Restauration die abgerundeten und eingesunkenen
Papillen wieder zurück in die spitze Form gedrückt hat. Dies muss beim endgültigen Abutment nachgebildet werden.
Entwicklung des Austrittsprofils
Abb. 16:Transgingivale Gingivaformer wurden durch kleinere
Zugangsinzisionen hindurch eingesetzt. In der gleichen Sitzung wurden Abformungen auf Implantatniveau durchgeführt.
Abb. 17:
Verschraubte provisorische Restaurationen ent­
wickelten das gewünschte Weichgewebs-„Austritts­
profil“ und stellten die natürliche Form der Papillen
wieder her.
Abb. 18:Die Keramik-Abutments erhalten die geschaffene
subgingivale Form.
Fallbericht 01 | 2010
Vorher
Hier nochmals die Situation zu Beginn der Therapie.
Ein kritischer Zustand mit dem frakturierten
Zahn überlagerte eine unästhetische, sich
sukzessive verschlechternde Umgebung. Der
Therapiebedarf für das akute lokale Problem
musste mit einer Therapie zur Stabilisierung und
Verbesserung der Funktion und Ästhetik der
gesamten Region verbunden werden.
Abb. 19:Ausgangssituation 2004.
Abb. 20:Ausgangsröntgenbild.
Nachher
Die Therapie dauerte insgesamt neun Monate.
Nach dem Abschluss war die Ästhetik verbessert
und die Situation stabil und funktionstüchtig.
Während der gesamten Behandlung hatte der
Patient eine festsitzende Versorgung. Er war
sehr angetan vom Resultat.
Abb. 21:Endsituation 2005.
Abb. 22:A bschlussröntgenbild 2005.
SCHLUSSFOLGERUNGEN
Die Herausforderung bei einem Fall wie diesem besteht darin, reibungslose
Übergänge zwischen den einzelnen Phasen der Behandlung zu planen. Es
geht darum, eine Vorstellung davon zu entwickeln, was man erreichen möchte,
und dann permanent an der Umsetzung dieser Vorstellung zu arbeiten. Auf
dem Weg zum Ziel gibt es gewisse kritische Phasen. Bei diesem Fall gab es zu
Beginn drei chirurgische Optionen, doch nach der Entfernung des vertikal
frakturierten Zahns war es möglich, sich für eine sofortige Implantatinsertion
mit begleitender Augmentation sowohl der Hart- als auch der Weichgewebe
zu entscheiden.
Die initiale Implantatstabilität war jedoch wie so oft unzureichend, um eine
provisorische Restauration zu stützen, und deshalb war es hilfreich, über eine
bereits fertige provisorische Brücke zu verfügen, die sofort eingesetzt werden
konnte. Dies ermöglichte einen natürlichen Heilungsverlauf, ohne Belastung
auf den Implantaten, dem Knochenersatzmaterial oder den Weichgewebe­
komplexen.
Zu Beginn der restaurativen Phase war dann die Entwicklung des Austritts­
profils entscheidend. Bei der Herstellung der transgingivalen Verbindung
wurden die über der Einheilkappe liegenden Weichgewebe eher verdrängt als
exzidiert. Gleichzeitig wurde ein Abdruck genommen, und die provisorischen
Restaurationen folgten innerhalb einer Woche. Diese begannen, die
gewünschten Austrittskonturen zu entwickeln. Die Konturen der beiden
Zähne unterschieden sich minimal. Das Implantat zum Ersatz des linken
mittleren Schneidezahns war leicht nach labial gekippt, und deshalb wurden
die ­Konturen der provisorischen Restauration nach palatinal korrigiert. Beide
Provisorien wurden passend zu den seitlichen Schneidezähnen sowie
zueinander konturiert, um die gewünschte Papillenform zu entwickeln. Statt
stumpf und abgerundet wurden sie spitz zulaufend verlängert und „normal“.
Die weiteren Schritte hin zum endgültigen Abutment und zur definitiven
­ estauration waren dann gut vorhersagbar, wenn auch immer noch mit
R
­Fehlermöglichkeiten behaftet. Heutzutage ist es relativ einfach, die Konturen
des endgültigen Provisoriums oder zumindest derjenigen, die in der subgingivalen Region vorhanden sind, kopierzufräsen und sie im endgültigen Abutment zu reproduzieren. Vor fünf Jahren, als dieser Fall behandelt wurde, war
es jedoch erforderlich, fertige Komponenten abzuändern, um die gewünschten Resultate zu erreichen. Bei diesem Fall wurde vorgefertigte 6,0-mm-­
Keramikaufbauten im Halsbereich reduziert, damit sie auf einen 5,0-mm-­
Pfosten passte. Dies ermöglichte ein breiteres Austrittsprofil, das die mit dem
Provisorium erreichten Papillenkonturen erhielt. Die endgültigen Kronen sowohl auf den natürlichen Zähnen als auch auf den Implantatabutments konnten dann harmonisch und natürlich aussehend gestaltet werden.
Bei jedem komplexen Fall ist es eine wertvolle Hilfe, die erforderlichen Therapie­
phasen zu identifizieren. Am Ende jeder Phase empfiehlt es sich, innezu­halten
und den erreichten Fortschritt neu zu beurteilen. Leichte Abänderungen der
Therapie können erforderlich sein und sollten das Endresultat verbessern.
­Änderungen gegen Ende der Therapie sollten nur noch Feinkorrekturen sein.
Viel hängt von der biologischen Reaktion auf die durchgeführte Therapie ab.
RETROSPEKTIVE ÜBERPRÜFUNG
Es ist stets sinnvoll, einen Fall nach Abschluss nochmals zu überprüfen. Hätte
mit anderen Mitteln ein besseres Resultat erzielt werden können? Hätte der Fall
effizienter und mit weniger chirurgischen Eingriffen gehandhabt werden
können? Wie sind die Langzeitperspektiven? Würde man heute die gleichen
Verfahren, die gleichen Prinzipien und Materialien anwenden? Die Beurteilung
nach fünf Jahren zeigt, dass das Resultat recht stabil ist. Der Zustand der
angrenzenden natürlichen Zähne hat sich etwas verschlechtert, aber die
Implantate, ihre Restaurationen und die Umgebung scheinen unverändert.
Als dieser Fall behandelt wurde, war die Sofort-Implantattherapie nicht Usus.
Das gleiche gilt für minimal-invasive Therapie, knöcherne Augmentation um
Implantate, „Untertunnelung“ von Lappen, Lappenverschiebung und Weich­
gewebeaugmentation zum Zeitpunkt der Implantatinsertion. Der Sinn dieser
Verfahren ist es, die Umgebung einer Extraktionsalveole zu stabilisieren und
den Verlust von Hart- und Weichgewebe nach der Einbuße eines Zahns zu verhindern. Durch logisches Denken und ­Respektieren der lokalen Biologie ist es
möglich, vorhersagbare und stabile langfristige Resultate zu erhalten.
Die einzigen Änderungen an der Therapie, die man heute vornehmen würde,
wären die Verwendung von Promote® Plus Implantaten anstelle von Promote®,
die Verwendung von Geistlich Bio-Oss® Kollagen anstelle von Geistlich
Bio‑Oss® Granulat, eine Fixationsabformung zum Zeitpunkt der Implantat­
insertion und das Einsetzen einer individuellen Zirkonoxid-Mesostruktur auf
­einer K2244 Titanbasis-Komponente beim Zweiteingriff zur Implantatfrei­
legung. Diese Änderungen würden die Heilung beschleunigen und verbessern
sowie die Anzahl der Eingriffe reduzieren.
Foto vorher
Abb. 23:Für diese Situation hätte es viele verschiedene Behandlungspläne gegeben. Es war notwendig, nicht nur den frakturierten Zahn zu ersetzen, sondern auch die stützenden Strukturen zu stabilisieren. Im Verlauf der Behandlung war auch eine
Verbesserung der Ästhetik wünschenswert.
Abb. 24:Ausgangsröntgenbild.
Foto nachher
Abb. 25:Beim Recall-Termin nach fünf Jahren ist zu sehen, dass die Ziele der Therapie erreicht wurden und dass die Endsituation
nicht nur stabil und funktionstüchtig, sondern auch ästhetisch ansprechend ist.
Abb. 26:A bschlussröntgenbild 2010.
Fallbericht 01 | 2010
Notizen
Literatur
Krennmair G, Seemann R, Schmidinger S, Ewers R,
Piehslinger E
Clinical outcome of root-shaped dental implants of various diameters:
5-year results. Int J Oral Maxillofac Implants 2010; 25: 357-366.
Zafiropoulos GGK, Deli G, Bartee BK, Hoffmann O
Single tooth implant placement and loading in fresh and regenerated ex­
traction sockets. 5-year results. A case series using two different implant
designs. J Periodontol. 2010; 81: 604-615.
Ackermann KL
Extraction site management using a natural bone mineral containing collagen:
rationale and retrospective case study. Int J Periodontics Restorative Dent
2010; 29: 489-497.
Kontakt
Dr. Peter Hunt
266 So 21st Street,Philadelphia, PA 19103, USA
Telefon: +1 (215) 546-9813
E-Mail: peter.hunt@DrPeterHunt.com
Zahntechniker
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