Berufseinstieg mit Promotion

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Berufseinstieg mit Promotion
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Sozialwissenschaftler/innen – jede Woche aktuell.
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Tiefbohrungen entwickelt und über Jahre
zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen führen, folgen eher persönlich-inhaltlichen als berufstaktischen Erwägungen.
Foto: AP/Wila
Arbeitsmarkt Universität
 PRAXISTIPPS
Berufseinstieg mit
Promotion
Promovierte Akademiker/innen bekommen die besseren
Jobs und verdienen mehr. So die landläufige Meinung.
Bei Geisteswissenschaftlern ist die Sache – wie so häufig
– etwas anders. Wie präparieren sich Dr. Phil & Co für den
Arbeitsmarkt? | Andreas Pallenberg
A
ber Du wolltest ja unbedingt Deinen Doktor machen“, lautet schon
mal der leicht vorwurfsvolle Kommentar aus der familiären Umgebung,
wenn es nicht so richtig klappen will mit
dem Einstieg in die Berufswelt. Tatsächlich müssen sich Absolventinnen der
Geisteswissenschaften auf eine aktive
Bewerbungsphase von durchschnittlich
einem Jahr einstellen, bis sie beruflich
einigermaßen untergekommen sind.
Unmittelbar nach dem Studium den Job
fürs Leben zu bekommen, ist inzwischen
die große Ausnahme. Bei Absolventinnen
und Absolventen mit Doktorhut sieht das
nicht anders aus.
arbeitsmarkt BILDUNG | KULTUR | SOZIALWESEN
Natürlich wissen promovierende Geisteswissenschaftler/innen, dass ihr Titel
allein kaum eine hinreichende Voraussetzung für lukrative Jobs in der heutigen
Arbeitswelt darstellt. Trotzdem werden
die Studienfachentscheidungen in den
Geisteswissenschaften nicht vor dem
Hintergrund der späteren Nähe zum
Arbeitsmarkt, sondern eher aus Interesse
am Inhalt getroffen. Das tut den Studierenden gut, der Wissenschaft ebenfalls
und sorgt dafür, dass es eine akademische Welt gibt, die nicht nur auf unmittelbare ökonomische Verwertbarkeit ausgerichtet ist. Auch die Entscheidungen für
Promotionsthemen, die als akademische
1
Macht ja alles nichts, wenn man doch
sowieso an der Uni bleibt, könnte man
meinen. Die Promotion ist schließlich Voraussetzung und prädestiniert geradezu für
die Uni-Karriere. Wenn es klappt, alles
wunderbar. Und schaut man sich unsere
Stellenauswertungen im Tätigkeitsbereich
7. „Wissenschaft, Hochschule, Forschung“
näher an, so staunt man nicht schlecht
über die Vielzahl an Offerten, die sich an
den wissenschaftlichen Nachwuchs und
an erfahrene Kandidaten für Forschung
und Lehre richten. Wöchentlich sind das
durchschnittlich 60 Stellen, die von Universitäten, Hochschulen und Forschungseinrichtungen ausgeschrieben werden.
Das macht Mut, ist aber trügerisch.
Natürlich hat man davon gehört, dass
Stellen schon mal pro forma ausgeschrieben werden, weil es im Öffentlichen
Dienst eine Ausschreibungspflicht gibt,
die Kandidaten aber für solche Stellen
längst ausgehandelt sind. Nachweisen
lässt sich das kaum, aber es geschieht.
Allerdings deutlich seltener, als die Gerüchteküche uns das glauben macht.
Viel gravierender aber ist die Tatsache,
dass es rein zahlenmäßig eine absolute
Diskrepanz zwischen freien bzw. frei
werdenden Stellen im Hochschulbetrieb
und der Nachfrage danach gibt. Schon
seit vielen Jahren sind die Hochschulen
nicht mehr annähernd in der Lage, ihren
eigenen wissenschaftlichen Nachwuchs
mit entsprechenden Stellen zu versorgen.
Synchron dazu geht der bildungspolitische
Wunsch, einen höheren Akademisierungsgrad in Deutschland zu erreichen,
mit jedem Studienjahr erneut in Erfüllung.
Und das bedeutet: Immer mehr junge
Akademiker/innen strömen auf den Arbeitsmarkt, und zwar bevorzugt mit den
beliebten Geisteswissenschaften. Da
helfen auch die besten Abschlussnoten
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nicht, wenn es zu wenig Stellen gibt. Um
die Situation irgendwie zu entschärfen,
werden vorhandene Stellen zerlegt und
als Teilzeitstellen vergeben, von denen
kaum noch jemand leben kann. Befristungen und Kettenverträge im Takt der
Haushaltsjahre oder projektbedingte Zeitverträge sind der Regelfall und machen es
gerade für junge Akademiker/innen mehr
als schwierig, eine wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen, von Lebensplanung
ganz zu schweigen. Nur ganz wenigen
ist es vergönnt, die akademische Karriere
schließlich mit einer ordentlichen, sicheren und auskömmlichen Professur zu krönen. Das scheint sich herumzusprechen,
denn laut Aussagen einer Verdi-Studie von
2009 hat auch nur noch jeder zehnte Promovent den Wunsch, an der Universität
Karriere zu machen..
Außeruniversitäre Forschung
Uni nein – Forschung ja!, lautet dann das
Credo. Tatsächlich gibt es zahlreiche Institutionen in öffentlicher oder privater Trägerschaft, z.B. bei Vereinen, Stiftungen
und Unternehmen. So verzeichnet allein
die „Karte Außeruniversitäre Forschung“
für NRW über 50 Forschungseinrichtungen jenseits der Universitäten. Dazu gehören Ressortforschungseinrichtungen
mit beratender Funktion wie z.B. das Robert-Koch-Institut, das der Bundesregierung in Gesundheitsfragen zuarbeitet.
Auch die Bundesländer unterhalten
über 160 landes- und kommunale Forschungseinrichtungen, zum Beispiel die
Akademie für Technikfolgenabschätzung, das Institut für Wissenschaft und
Ethik e.V. oder das in der Nachhaltigkeitsforschung tätige Wuppertal Institut.
Um dort einzusteigen, sollte so früh
wie möglich Kontakt über Praktika, freie
Mitarbeit, Vertretungsjobs, Projektmitarbeit etc. gesucht werden.
Jenseits der Wissenschaft
Da es aber auch in diesem Sektor deutlich mehr Kapazitäten für Absolventen
arbeitsmarkt BILDUNG | KULTUR | SOZIALWESEN
der MINT-Fächer als für solche geisteswissenschaftlicher Disziplinen gibt, muss
man sich auch über mehr oder weniger
fachinhaltlich entfernte Berufsfelder
kümmern.
Geisteswissenschaftler/innen werden
ja auf dem Arbeitsmarkt in der Regel nicht
wegen ihrer speziellen Fachqualifikation
gesucht. Das mag frustrieren, ist aber Realität. Je früher man diese Erkenntnis gewinnt, umso aussichtsreicher lassen sich
alternative Strategien zum Einstieg in die
Berufswelt entwickeln. Die Chance besteht ja darin, dass man Absolventen mit
„arbeitsmarktfernen“ Studiengängen wie
den Geisteswissenschaften fast überall
gebrauchen kann. Die große Frage, „wo“
das überall sein könnte, war nicht zuletzt
Motiv zur Entwicklung des vorliegenden
Informationsdienstes, der inzwischen
seit 19 Jahren regelmäßig wöchentlich
die Antwort liefert, und zwar mit 400
bis 500 Beschäftigungsmöglichkeiten in
acht Tätigkeitsfeldern.
Irgendwas mit ...
Was allen Kandidatinnen und Kandidaten
mit geisteswissenschaftlichem Background aber nicht erspart bleibt, ist die
Auseinandersetzung mit den eigenen
Fähigkeiten vor dem Hintergrund der
tatsächlichen Beschäftigungsmöglichkeiten. Dazu eine deutliche Warnung von
Manfred Bausch (ehemaligen Berater
und Vermittler für Fach- und Führungskräfte bei der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung): „Geisteswissenschaftlern, die
versuchen, der schwierigen Arbeitsmarktsituation allein durch die Aufnahme eines Promotionsstudiums zu entrinnen,
gelingt es in den seltensten Fällen, dadurch ihre Berufschancen zu verbessern.“ Typische Reaktion aus der Leserschaft unserer Zeitung: „Pro Heft finde
ich nur ein bis zwei Stellen, die auf meine
Qualifikation passen.“ Eine solche Erkenntnis ist bitter, muss aber nicht zur
Resignation führen. Denn umgekehrt
gedacht, wird daraus eine Strategie: Wo
überall kann ich mit meinen Fähigkeiten
2
auf dem Arbeitsmarkt ankommen, welche Qualifikationen und Erfahrungen
muss ich mir dafür eventuell noch zulegen? Gerade Geisteswissenschaftler/
innen passen mit ihrem Bündel an Fähigkeiten und Erfahrungen auf eine Vielzahl
von ausgeschriebenen Stellen. Man
muss sie aber entsprechend erkennen,
analysieren und in der Lage sein, die eigene Qualifikation als passend wahrzunehmen und zu vermarkten.
Deshalb muss die Zeit während des
Studiums bzw. während der Promotion
unbedingt genutzt werden, um sich
aktiv und initiativ mit dem Arbeitsmarkt
und mit den eigenen Vorstellungen der
beruflichen Zukunft zu beschäftigen.
Diffuse Berufswünsche wie „irgendwas
mit Medien ...“ etc. müssen unbedingt
konkretisiert werden. Das regelmäßige Beobachten des Stellenangebotes
schärft dabei den Blick für die Realitäten
auf dem Arbeitsmarkt und bietet mit
den Qualifikationsanforderungen in den
gewünschten Tätigkeitsfeldern gute Hinweise für die individuelle Profilierung.
Was kann der Doktor?
Diese strategischen Überlegungen
betreffen im Prinzip alle Geisteswissenschaftler, egal ob mit oder ohne Promotion. Aber es gibt durchaus ein paar
Qualitäten, die man speziell Promovierten zuschreiben kann. Manfred Bausch
fasste es in einem Interview so zusammen: „Die analytische Schärfe, die man
sich während der Promotion erarbeitet,
kann äußerst nützlich sein, namentlich
auch für die von vielen Geisteswissenschaftlern angestrebte journalistische
Tätigkeit. Wer promoviert hat, beweist,
dass er komplexe Sachverhalte systematisch erschließen und durchdringen kann
– diese Eigenschaft ist sicherlich für viele
gehobene Tätigkeiten (...) von Vorteil.“
Betriebsgröße
Je größer das anvisierte Unternehmen,
der Verein oder der Verband, umso eher
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wird die Promotion als förderlich angesehen. Kleinbetriebe (bis ca. 10 Mitarbeiter), oft als Familienbetriebe organisiert,
bieten nur geringe Aufstiegschancen,
und sind eher zurückhaltend. Sie wollen
sich niemanden hereinholen, der vermutlich nach Höherem strebt. Selbst
wenn man das Gegenteil beteuert.
Auch mittelständische Unternehmen
(10 bis ca. 500 Mitarbeiter) bieten relativ
wenig adäquate Positionen, da sie zwar
ein gut bestücktes mittleres Management haben, aber wenig Spitzenpositionen bieten und keine größeren und
eigenständigen Abteilungen zum Beispiel
für PR, Marketing oder interne Kommunikation unterhalten. Auch hier kann es
zu dem Eindruck kommen, dass jemand
mit Promotion nicht glücklich wird unter
ihrem Dach.
Bei Großbetrieben gibt es weniger
Berührungsängste mit akademischen Titeln und Doktorwürden. Im mittleren bis
oberen Management sind Akademiker
reichlich vertreten. Hier werden weniger
die Praktiker und Projektorganisatoren als
viel mehr die Analytiker und Theoretiker
gebraucht, die die Unternehmensleitung
beraten und mit dieser auf Augenhöhe
kooperieren. Bei der Bewerbungsstrategie kann es deshalb sinnvoll sein, sich
nicht nur auf Stellen im mittleren Management zu bewerben, sondern auch
auf höhere Positionen. Das hat nichts
mit Überheblichkeit zu tun, sondern entspricht den Erwartungen an promovierte
Bewerber. Man traut solchen Kandidaten
grundsätzlich mehr zu. Nicht selten scheitern promovierte Bewerber bei einfachen
Einstiegsstellen, weil sie als überqualifiziert angesehen werden. Der Titel kann
dann zum Klotz am Bein werden. Auf höher angesiedelten Stellen dagegen kann
der Doktortitel durchaus als Eintrittskarte
akzeptiert werden, wenn zusätzlich die
anderen Qualifikationen stimmen. Zusammen mit einem gewinnenden Auftritt
und einer überzeugenden Persönlichkeit
kann der (Quer-)Einstieg relativ weit oben
durchaus möglich sein. Man braucht natürlich gute Argumente („Weshalb sollten
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wir gerade Sie einstellen?“), passende Fähigkeiten und erste Erfahrungen. Fehlende Fachkenntnisse müssen dagegen kein
Hindernis sein, da sie schnell lernbar sind.
Ein absolutes Greenhorn hat da natürlich
keine Chancen. Dazu Manfred Bausch:
„Hat man erst einmal die Chefetage
erreicht, ist der Titel eher nebensächlich
– aber auf dem Weg dorthin kann man
mit dem Doktor manche Hürde deutlich
schneller überwinden.“
Geisteswissenschaftler zu Recht die Promotion auch als gute Basis für eine eigene
unternehmerische Tätigkeit in der Beratungsbranche, in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, in Kulturagenturen oder ...
auch in den Bereichen Werbung und Marketing nutzen können. Für die Außenwirkung auf die Kunden ist der positive Effekt
sicherlich nicht zu unterschätzen.“
Repräsentanz
Was sich schmeichelhaft anhört, hat
manchmal etwas Teuflisches. So auch die
gern genommene Absagebegründung:
„Sie sind zu gut für diese Stelle, Sie sind
überqualifiziert.“ Mit diesem nett gemeinten Satz werden Akademiker/innen, besonders Titelträger, gerne abgespeist,
wenn sie sich zum Einstieg auch auf Stellen mit geringeren Qualifikationsansprüchen bewerben, um vielleicht einfach die
fehlende Berufserfahrung zu erwerben.
Manchmal stimmt die Begründung,
weil der Geschäftsführer langfristig Unzufriedenheit beim möglichen neuen
Mitarbeiter, Probleme im Kollegium oder
sogar die Säge am eigenen Chefsessel
befürchtet. Oft wird die Begründung
„Überqualifizierung“ aber nur vorgegeben, weil sie so schön positiv klingt und
man nicht viel erklären muss. Es lohnt
sich mitunter nachzuhaken.
Manche Arbeitgeber muss man davon
überzeugen, dass man kein „verkopfter“
Wissenschaftler ist, dass man sich auch
außerhalb des viel zitierten Elfenbeinturms
beruflich bewegen kann und dass man sich
nicht aus Not und Verlegenheit bewirbt.
Das eigentliche Problem liegt aber
woanders. Geisteswissenschaftler mit
Promotion sind nicht überqualifiziert,
sondern „nicht passend“ qualifiziert. Und
gegen diese Matching-Problem können
die Unis wenig ausrichten, weil sie in erster Linie wissenschaftliche Fachexpertise
entwickeln wollen, die in ihrer Spezialisierung auf dem Arbeitsmarkt kaum gefragt
ist. Die passende Qualifizierung bzw. die
„Employability“ muss sich jeder selbst
zulegen. Durch Fortbildung, praktischen
Ein besonderes branchenübergreifendes
Arbeitsfeld für promovierte Akademiker/
innen sind repräsentative Positionen.
Stellen für Generalsekretäre, Präsidenten
oder andere Repräsentativposten werden
selten an Leute ohne akademischen Titel
vergeben. Solche Stellen werden entsprechend ausgeschrieben und richten
sich an berufserfahrene Kandidaten. Der
Run auf solche „Top-Stellen“ ist entsprechend bombastisch. Selbst wenn solche
Karriereziele nicht angepeilt werden, gibt
es Tätigkeiten auf internationaler Ebene,
bei denen der Titel sicher nicht nachteilig
ist, wie zum Beispiel im höheren diplomatischen Dienst, bei EU-Organisationen
oder den Vereinten Nationen. Für derartige Berufswege gibt es regelmäßig Recruiting-Veranstaltungen bzw. Ausschreibungen für Nachwuchskräfte.
Start up, Doc!
Wer als promovierter Geisteswissenschaftler grundsätzlich bereit ist oder gar
Lust verspürt, sich als Freiberufler unternehmerisch zu betätigen, sollte diesen
Weg als ernsthafte Alternative prüfen. Zur
guten Idee gehören ein durchdachter Plan
und passende Marketing-Konzepte. Und
gerade hier entfaltet der Doktortitel seine
Wirkung. Auf dem freien Markt, besonders
im Dienstleistungsbereich, wird der Titel
gerne gesehen, denn er hat Strahlkraft
und steht für Kompetenz und Seriosität.
Manfred Bausch bestätigt das:„Etliche
Untersuchungen haben ergeben, dass
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Überqualifiziert?
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Einsatz oder passende Nebentätigkeiten.
Die Career-Center und ähnliche Einrichtungen an den Hochschulen können dabei hilfreich unterstützen. Frühzeitige Kontaktaufnahme ist dringend empfohlen.
Literatur, Links und Quellen:
Ines Schipperges, Hut der Hoffnung,
http://www.zeit.de/2013/48/promotionkarriere-gehalt/seite-2:“
Manfred Bausch, Interview in arbeitsmarkt
19/2009: „Was bringt der Doktorhut?“
Lena Greiner, Vergesst den Doktortitel,
Spiegel-online vom 30.08. 2012:
DIE ZEIT: Campus Ratgeber Berufseinstieg 2014, 3,50 €
Andreas Pallenberg, Bewerbung – Masterplan nach dem Studium, in arbeitsmarkt 47/2013
Dr. Cornelia Voss, Forschen außerhalb
der Hochschulen, arbeitsmarkt UWS16/
2011
Dr. Maria Kräuter, Geisteswissenschaftler als Gründer, Broschüre, Wissenschaftsladen Bonn e.V.
Der Autor, Andreas Pallenberg, hält regelmäßig Vorträge und Workshops an Universitäten, bei Career-Service-Einrichtungen und Alumni-Initiativen zum Themenfeld Berufseinstieg für Geisteswissenschaftler/innen.
Kontakt: andreas.pallenberg@wilabonn.de
 INTERVIEW
Frühzeitig passende
Kompetenz aufbauen
arbeitsmarkt: Frau Dr. Bohne, Sie
selbst sind promovierte Archäologin.
Aktuell beraten Sie beim Career Center der Universität Bonn junge Akademiker beim Einstieg in die Arbeitswelt.
Wie passt das zusammen?
Dr. Anke Bohne: Ich wollte beruflich seit
Beginn meines Archäologie-Studiums in
den Bereich der Vermittlungsarbeit. Ursprünglich in die museale Vermittlungsararbeitsmarkt BILDUNG | KULTUR | SOZIALWESEN
beit. Zugleich habe ich aber während des
Studiums und der Promotion intensiv
nach beruflichen Alternativen Ausschau
gehalten. Nach Stationen in der Ausstellungsorganisation und in der universitären Öffentlichkeitsarbeit (speziell für
Geisteswissenschaften) arbeite ich nun
seit Oktober 2012 am Career Center der
Universität Bonn. Hier kann ich meine
beruflichen Erfahrungen aus dem Kulturund Museumsbereich und der Wissenschaftsverwaltung einerseits, aus der
Vermittlungsarbeit und der Veranstaltungsorganisation andererseits zusammenfließen lassen.
Für viele Geisteswissenschaftler/innen
ist die Promotion der krönende Abschluss des Studiums. Ist sie auch die
Eintrittskarte in den Arbeitsmarkt?
Eine Promotion ist sicherlich ein gewinnbringender Abschluss des Studiums. Ob
eine Promotion auch die Eintrittskarte in
den Arbeitsmarkt ist, kommt immer auf
den einzelnen Absolventen und seine
überfachlichen Qualifikationen, die vorhandene Flexibilität und ein gutes Netzwerk an. Und – was nicht vergessen
werden sollte: Glück und Zufall spielen in
vielen Fällen eine wichtige Rolle.
Wer promoviert, wünscht sich meistens
eine Karriere an Universitäten und
Hochschulen. Wie realistisch sind heute
die Chancen, in der universitären Forschung und Lehre unterzukommen?
Viele, die mit einer Promotion beginnen,
wünschen sich eine Karriere in der Wissenschaft. Wobei ich Wissenschaft nicht
auf den Bereich Universität und Hochschule einschränken möchte. An vielen
außeruniversitären Forschungsinstitutionen wird wissenschaftlich geforscht, seien es Museen, Archive, Bibliotheken oder
Institutionen wie das Deutsche Historische Institut oder das Deutsche Archäologische Institut. Mit dem Abbau vieler
entfristeter sogenannter Mittelbau-Stellen in der Wissenschaft ist die Chance,
auf Dauer in der universitären Forschung
und Lehre unterzukommen, in den letz-
4
ten Jahren nicht gestiegen. In der außeruniversitären Forschung gibt es, wie auch
an den Universitäten, viele DrittmittelProjekte. Aber auch hier handelt es sich
in vielen Fällen um befristete Stellen.
Wo können promovierte Philologen,
Historiker oder Sozialwissenschaftler
auch außerhalb der Unis passende
Jobs bekommen?
Überall dort, wo sie ihre Fähigkeiten und
Interessen einsetzen können und wollen.
Voraussetzung ist allerdings, dass sie sich
bereits vor dem Ende der Promotion Fähigkeiten und Kenntnisse in dem Bereich
erworben haben, in dem sie später einmal beruflich aktiv werden wollen – sei es
durch Praktika, freie oder nebenberufliche Tätigkeit, teilweise auch durch ehrenamtliches Engagement.
Sind solche Jobs dann – bezogen auf
ursprüngliche Karrieregedanken – zweite Wahl oder das Ergebnis bewusster
Berufsstrategien?
Dies kommt auf die einzelne Person an.
Für viele ist eine berufliche Tätigkeit jenseits der Forschung zweite Wahl. Sie
können sich nichts Anderes vorstellen,
fallen aber dementsprechend auch in ein
tiefes Loch, wenn es mit der Tätigkeit in
der Wissenschaft nicht klappt. Viele Promovierende merken aber während der
teilweise ja sehr langen Arbeit an ihrem
Thema: Wissenschaft macht mir Spaß,
aber eine Tätigkeit außerhalb der Wissenschaft macht mir noch mehr Spaß. Für
diese Promovierenden ist die Bewerbung
auf Jobs im nicht-wissenschaftlichen Bereich das Ergebnis einer bewussten Entscheidungsfindung.
Was zeichnet einen Doktor aus gegenüber seinen Konkurrenten mit Bachelor-, Master-, Magister- oder DiplomAbschluss?
Auch dies ist natürlich nicht pauschal zu
beantworten. Viele promovierte Geisteswissenschaftler zeichnen sich gegenüber
ihren nicht-promovierten Mitbewerbern
u.a. durch folgende Punkte aus:
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1. In einer Promotion beschäftigt man
sich teilweise jahrelang und selbstorganisiert mit einem wissenschaftlichen Thema. Die Fähigkeit, sich trotz
vermeintlich nicht überwindbarer Herausforderungen weiter mit einem
Thema zu beschäftigten, wird einen
auch durch komplexe Projekte tragen.
2. Die Fähigkeit, komplexe Probleme
strukturiert anzugehen und zu bearbeiten.
3. Eine gewisse Lebenserfahrung, da
promovierte Absolventen in der Regel
älter sind als ihre nicht-promovierten
Mitbewerber.
Geisteswissenschaftler mit Promotion
haben ja bisweilen acht Jahre und
länger an der Uni verbracht. Manche
Arbeitgeber behaupten, solche Kandidaten seien nur noch sehr mühsam in
die Arbeitswelt zu integrieren. Können
Sie diese Haltung nachvollziehen?
Ich denke, promovierte Kandidaten, deren Bewerbung auf dem Arbeitsmarkt
jenseits der Wissenschaft eine bewusste
und längerfristig vorbereitete Berufs- und
Karriereentscheidung ist, können sich
sehr gut auf die völlig anders gelagerten
Bedürfnisse und Wünsche jenseits von
Universität und Forschung einstellen. Sie
können auch gut damit leben, dass das
Thema und die Benotung ihrer Doktorarbeit in vielen Fällen für ihre tägliche Arbeit
keine oder nur eine geringe Rolle spielt.
Gerade der Berufseinstieg stellt für
promovierte
Geisteswissenschaftler
eine echte Klippe dar. Sie müssen sich
auf eine Bewerbungsphase von
durchschnittlich einem Jahr einlassen.
Sollte man sich dann auch auf unterqualifizierte Jobs einlassen oder lieber
Geduld haben und sich nicht unter
Wert verkaufen?
Die wichtige Frage ist natürlich: Wie finanziere ich mich als promovierter Geisteswissenschaftler während dieses einen
Jahres der durchschnittlichen Bewerbungsphase. Geduld kann ich mir nur
dann leisten, wenn ich finanziell abgesiarbeitsmarkt BILDUNG | KULTUR | SOZIALWESEN
chert bin – ob nun durch Partner / Partnerin oder finanzielle Rücklagen. Wenn
dies nicht der Fall ist, würde ich in jedem
Fall empfehlen, mir einen „Brotjob“ zu
suchen, der mir hilft, den Kühlschrank zu
füllen, die Miete und die Versicherungen
zu bezahlen und von dieser Basis aus
weiter nach einer langfristigen, meinen
Interessen und Fähigkeiten adäquaten
beruflichen Tätigkeit zu suchen.
Kommt eine junge Geisteswissenschaftlerin in Ihre Beratung. Sie will
zum Beispiel in Philosophie promovieren. Raten Sie ihr ab oder bestärken
Sie die angehende Akademikerin?
Dies ist in keinem Fall pauschal zu beantworten. Aspekte wie Beweggründe und
Motivation, eine Promotion zu beginnen,
Fragen der finanziellen Absicherung und
vor allem die beruflichen Wünsche der
Promotionsinteressierten spielen hier
eine Rolle.
In jedem Fall versuche ich, der Geisteswissenschaftlerin die Risiken, aber
auch die Chancen einer Promotion näher
zu bringen. Zugleich würde ich versuchen, ihr aber auch deutlich zu machen,
dass sie alleine die Verantwortung für ihren beruflichen Werdegang trägt: Nicht
ihr Doktorvater, nicht ihre Doktormutter,
nicht die allgemeine Hochschulpolitik
und nicht ihr privates und berufliches
Umfeld.
Was würden Sie derzeit promovierenden Geisteswissenschaftlern und Geisteswissenschaftlerinnen im Hinblick
auf den Berufseinstieg raten?
1. Sich früh darüber klar werden, wohin
die berufliche Reise gehen soll.
2. Sich – egal, in welche Richtung die
berufliche Reise gehen soll – frühzeitig mit den eigenen Stärken und
Schwächen auseinandersetzen, in einem zweiten Schritt dann Kompetenzen für den gewünschten Berufsbereich aufbauen.
3. Sich frühzeitig erkundigen, wer Hilfe
und Unterstützung bei der Berufsorientierung für Promovierende anbietet,
5
so z. B. an den Universitäten die Career Center bzw. Career Service-Einrichtungen.
Nicht zu vergessen: Die Hochschulteams
der Arbeitsagentur – und in Bonn natürlich auch der Wissenschaftsladen Bonn.
INTERVIEWPARTNERIN
Dr. Anke Bohne ist Mitarbeiterin im
Career Center der Universität Bonn
(www.careercenter.uni-bonn.de).
Sie absolvierte nach ihrer Promotion im Fach Klassische Archäologie an der Universität Bonn ein
wissenschaftliches Volontariat an
einem Museum in Süddeutschland. Während ihrer Tätigkeit als
Marketingreferentin an der Geisteswissenschaftlichen Sektion der
Universität Konstanz initiierte sie
Veranstaltungen wie den „Tag der
Geisteswissenschaften“ oder den
„Konstanzer Geistes Slam“.
Im April 2014 findet erstmals die
Veranstaltung „Doktorhut – alles
gut?! Karriereperspektiven nach der
Promotion in den Geisteswissenschaften statt“, die Anke Bohne
zusammen mit zwei Kollegen der
Förderberatung der Universität Bonn
initiiert hat.
Foto: © Volker Lannert/Uni Bonn
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