Tageslicht in der Europäischen Architekturtradition
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Tageslicht in der Europäischen Architekturtradition
Forum Building Science 2013 Tageslicht in der Europäischen Architekturtradition Ao.Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Caroline JÄGER-KLEIN Architekturgeschichte I TU-Wien & UBT-Prishtina Fenster und Lochfassade als Charakteristikum der europäischen Architekturtradition Palazzo Tarugi (Natale-Nobili) in Montepulciano von Antonio da Sangallo dem Älteren, um 1520 (oben); für solche erste Palastfassadenversuche dient der Topos der rekonstruierte Bühnenfassade des römischen Theaters (scena frons) als Vorbild; (Beispiel unten: Ephesos, 2. Jh. v. Chr. (?) nach Koepf, Baukunst in fünf Jahrtausenden) Die Architekturtheorie der Renaissance formuliert daraus die bis ins 20. Jahrhundert hinein gültigen Kompositionsregeln für die europäische (Palast-)Fassade: Beispiel: Ancy-le-Franc, 1546, Sebastiano Serlio Fenster und Lochfassade sind kein Charakteristikum anderer Architekturtraditionen Straßenaufnahme von Pompeij: Paul Vlaar (wikipedia free license) Old-Al-Ulah - Karawanenstadt in Nordwesten SaudiArabiens: Cluster aus Hofhäusern ohne Außenfensteröffnungen; die Belichtung der Innenräume erfolgt nur über deren Türöffnungen zum Innnenhof Selbst die Architektur der Antike (Griechen und Römer) war noch nicht von der Lochfassade bestimmt: Beispiel rechts: Pompeii , Haus der Vettier, 2. Jh. V. Chr: Atrium mit Impluvium zur Belichtung und Wasserversorgung sowie griechisches Peristyl als Gartenhof Fensteranordnung als Fassadenkomposition Die Hauptfassade (Schaufassade) ist in der europäischen Architekturtradition das “Gesicht” (Fassade = Face) des Hauses zum Öffentlichen Raum und bestimmt damit dessen “Charakter”: Giebelfassaden von Häusern in Beaune im Burgund und in Venedig Fensteranordnung als Fassadenkomposition Nach dem Ausstieg der Architektur des 20. Jahrhunderts aus der Tradition des Klassizismus und Historismus muss auch mit der Fensteranordnung in der Fassade experimentiert werden, was gestalterisch durchaus sehr vielfältig gelingt: Links: Kommunaler Wohnbau für „Eigen Haard“ in Amsterdam, Spaarndammerplatsen von Michel de Klerk, 1913-20 Mitte: kommunale Wohnbauten Vrijheidslaan in Amsterdam von Michel de Klerk, 1921-23 Rechts: Tomba Brion am Friedhof von S. Vito d‘Altivole (Veneto) von Carlo Scarpa, 1969-78 Sukzessive Eliminierung des Fensters aus der Fassadenkomposition Letztendlich setzt sich aber in der Architektur des 20. Jahrhunderts eine fast ausschließliche Glashülle (curtain wall) durch, die völlig mit den Gesetzmäßigkeiten des Massivbaues bricht. Die Forderung nach absoluter Transparenz in der Architektur eliminiert die Lochfassade und damit die klassische Fensteröffnung als Tageslicht- und Frischlufteinbringer: Links: Falling Water, Haus Kaufmann in Bear Run, Pensylvania von Frank Lloyd Wright, 1936 Mitte: Werkstattflügel des Bauhauses in Dessau von Walter Gropius, 1925-26 Rechts: Domino-Suites Hotel in Ebreichsdorf von Walter Ifsits ua., 1990-93 Fazit heute nach vielen Jahren Glasarchitektur Die moderne Architektur mit einem hohem Maß an Lichteinfall im Vergleich zur Gründerzeitarchitektur zuvor entsteht in hohem Ausmaße durch das Mitwirken von Ärzten im Krankenhausbau um 1900 in Österreich aus deren Erkenntnis heraus, dass ausreichend Tageslicht für die Gesundheit des Menschen unabdingbar notwendig ist. Viele der Krankheiten sind mittlerweile durch heutige Wohnverhältnisse völlig eliminiert. Alle Pläne, Aquarelle und historische Fotographien aus dem Forschungsprojekt zum Steinhof (OttoWagner-Spital Baumgartner Höhe in Wien) von Plakolm-Forsthuber und Jäger-Klein an der Technischen Universität Wien Fazit heute nach vielen Jahren Glasarchitektur Das häufig zu große Ausmaß an Transparenz in der Architektur ist andererseits für die Bewohnbarkeit grenzwertig geworden – psychisch und auch physisch (Er- und Überhitzung der “Glasräume”). Abhilfe abseits von Klimaanlagen über diverse Verschattungssysteme und verspiegelte Fassaden, die die Glasarchitektur in ihrem Ansatz konterkarieren. Deutscher WeltausstellungsPavillon in Barcelona von Ludwig Mies van der Rohe, 1929 (oben) und Neue Nationalgalerie in Berlin von Ludwig Mies van der Rohe, 1962-68 (rechts) Tageslichtöffnungen und konstruktive Limitierung Die Ausführung der Fensteröffnungen erzählt von den materiellen und technologischen Ressourcen zum Errichtungszeitpunkt: Sturz(Überlagerausbildung), Limitierungen der Spannweite und Größe, Verfügbarkeit von Glas und anderen, Licht durchlässigen Materialien usw. Ganz oben: Palastfassade der Burg von Carcassonne Links: Venedig, Scuola Grande della Misericordia von Jacopo Sansovino, 1535-83 Mitte oben: Petrikyrka in Klippan (Schweden) von Sigurd Lewerentz, 1962-66 Tageslichtöffnungen und ihre tektonische Gestaltung Und sie erzählen von der Akzentuierung dieser technologischen Leistung durch die Fassadengestaltung im Detail: farbliches Absetzen, Hervorstreichen, Umranden, etc. Links: Torre dei Lamberti in Verona in Norditalien, 1172 errichtet; Ganz und rechts oben: Barocke Fassaden am Markplatz von Lemberg Rechts unten: Site Office Oud-Mathenesse in Rotterdam von J.J.P. Oud, 1923 Tageslichtöffnungen und Inszenierung des Raumes Insbesondere in der Gotik werden erstmals die Möglichkeiten des farbigen Lichteinfalles entdeckt und in der Architektur ausprobiert (Lichtmystik) Links: King‘s College Chapel in Cambridge, 1446-1526 Rechts: Saal der Kapitelle in der Kathedrale S. Lazare von Autun, 1120-40 Tageslichtöffnungen und Inszenierung des Raumes Noch eindrucksvoller ist dieser Effekt beim Tageslichteinfall über Deckenöffnungen (Lichtkuppeln). Links: Oktogon (hölzerne Vierungskuppel) der Kathedrale von Ely, 1322-35 Rechts: S. Lorenzo in Turin von Guarino Guarini, 1634-80 Tageslichtöffnungen und Belichtung des Arbeitsplatzes Sheddächer zur gleichmäßigen Ausleuchtung von eingeschossigen Industriehallen: Oben und links: Steyr, Steyr-Daimler-Puch-AG, Shedhallen zwischen 1912 und 1920 (Umbau 1991, Werksplanung; Statik: Wolfgang Jäger) Vergrößerte Fensterflächen zur Belichtung der einzelnen Werkplätze: Unten rechts: Wien VII, Agentor-Werke in der Wimbergergasse, Stagl & Broadhag, 1894-1902 Tageslichtöffnungen und High-Tech-Lichtplanung Blendungsfreies Tageslicht mit Sonnenschutz über Glasgewölbe durch reflektierende Lichtprismen: Linz, Design Center, Thomas Herzog und Wolfgang Kaufmann, 1994 (rechts): Lichtplanung: Christian Bartenbach Der Himmelsrichtung entsprechender Lichteinfall pro Bürosektor: Aldrans bei Innsbruck, Bartenbach Lichtstudio von Josef Lackner, 1988 (unten und links) sowie Lichtlabor Bartenbach (sukzessive Weiterentwicklung am Bau) Tageslichtöffnungen und Low-Tech-Handling Fischerhäuser auf Burano in der Lagune von Venedig Tageslichtöffnungen und Low-Tech-Handling Intelligenz der vernakulären Architektur Niederösterreichs bezüglich TageslichtHandling systematisch analysieren ! Potentials of Domestic Building Traditions in Saudi Arabia. Further Observations towards Sustainable Strategies for Future Building First impressions of smart traditional domestic architecture of Saudi Arabia from Al-Ulah, Jeddah and Asir, Vienna University of Technology / KAAU Jeddah 2008 Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Caroline JÄGER-KLEIN History of Architecture I Vienna University of Technology Potentials of Domestic Building Traditions in Saudi Arabia. Further Observations towards Sustainable Strategies for Future Building Parallels between sun shading facades of traditional architecture in Asir I Saudi-Arabia (combination of stone plates and cob walls) and a modern school building in Western Austria (combination of metal slats in front of the extent glass windows and thermo-insulated concrete walls) Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Caroline JÄGER-KLEIN History of Architecture I Vienna University of Technology Potentials of Domestic Building Traditions in Saudi Arabia. Further Observations towards Sustainable Strategies for Future Building For further (high-tech) research I founded a “Dissertation Club” (Dipl.-Ing. Sieghartsleitner, Dipl.-Ing. Gregor Radinger, Dipl.-Ing. Wolfgang Stumpf) between 3 Austrian Universities (VUT, Danube University Krems and FH Pinkafeld) to learn more about the intelligence of Traditional Architecture in Saudi Arabia, for example on hot air /cool air streams within the old buildings under laboratory conditions. Light Laboratory at Danube University Austria – Declared Cooperation Partner for Simulation of Light Situation and Heat Development on Building Surfaces of Traditional Buildings in Saudi Arabia Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Caroline JÄGER-KLEIN History of Architecture I Vienna University of Technology Gugalun House, Versam, Switzerland by Peter Zumthor, 1990-94 Foto: Architecture and Urbanism, February 1998, Extra Edition, p.98 BAUEN MIT BESTAND AUS DER ARCHITEKTURTRADITION Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn. Caroline JÄGER-KLEIN Architekturgeschichte I TU_Wien & UBT_Prishtina Literatur: - JÄGER, Caroline, „Eck-Ansichten“. Was uns die Gebäudeecke über Architektur mitteilt“, S. 31-48 in: Institut für Baukunst, Bauaufnahmen und Architekturtheorie der TU Wien (Hg.), Andere Räume – Andere Zeiten 1, Wien – Graz (NWV) 2002 - JÄGER, Caroline, Europäische Architekturtraditionen. Ideen und Konzepte, Wien - Graz (NWV) 2002 - JÄGER-KLEIN, Caroline, Österreichische Architektur des 19. und 20. Jahrhunderts, Wien - Graz (NWV) 2010 (2. Auflage) - LEHNER, Erich, Ideen und Konzepte der Architektur in außereuropäischen Kulturen, Wien – Graz (NWV) 2006 - ROWE, Colin / SLUTZKY, Robert, Transparenz, Basel (Birkhäuser) 1968, 1989 (3. und erw. Auflage) HERZLICHER DANK FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT ! Ao.Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Caroline JÄGER-KLEIN Architekturgeschichte TECHNISCHE UNIVERSITÄT WIEN University of Business and Technology Prishtina Lehrauftrag an der Donau Universität Krems (Universitätslehrgang für Tageslichtarchitektur) Allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige für Denkmalschutz, Ortsbildpflege und Altstadtsanierung Kaiserstrasse 101/2/5 A-1070 Wien Kontakt: jaeger-klein@tuwien.ac.at