174 TODESOPFER RECHTSEXTREMER UND RASSISTISCHER

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174 TODESOPFER RECHTSEXTREMER UND RASSISTISCHER
CHRONIK
DER GEWALT
174 TODESOPFER
RECHTSEXTREMER
UND RASSISTISCHER
GEWALT SEIT 1990
Seit der Wiedervereinigung im Oktober 1990 bis Ende 2010 sind
nach Recherchen einiger Redaktionen und des Opferfonds CURA der
Amadeu-Antonio-Stiftung 174 Menschen durch die Folgen
menschenfeindlicher Gewalt ums Leben gekommen. Oft waren die
Täterinnen und Täter in rechtsextremen Gruppen organisiert und
sind mit ihrer Tat einer rassistischen, homophoben und/oder
obdachlosenfeindlichen Gesinnung gefolgt. Oft genug hatten sie
aber auch keinen offensichtlichen rechtsextremen Hintergrund,
sondern handelten auf Grundlage eines diffusen rechten Weltbilds.
Aufnahme in diese Liste fanden alle Mordfälle, die nach gründlicher
Sichtung der Quellen aus rechtsextremen und rassistischen Motiven
(hierzu zählt auch der Hass auf 'Andersartige', 'Fremde' oder
'Minderwertige') erfolgten oder wenn plausible Anhaltspunkte für
diese Annahme bestehen. Dazu kommen solche, in denen Täterinnen
und Täter nachweislich einem entsprechend eingestellten Milieu
zuzurechnen sind und ein anderes Tatmotiv nicht erkennbar ist.
Alle Listen sind unvollständig – auch (oder gerade) die der
Bundesregierung.
Einige der in dieser Liste genannten Fälle finden sich auch in den
Antworten der Bundesregierung zu Anfragen der Parteien Die Linke und
Bündnis 90/Die Grünen. Viele Fälle bleiben in diesen offiziellen
Statistiken jedoch unerwähnt oder sind in der einen präsent, während
sie in der anderen fehlen. So ist der Obdachlose Helmut Leja, der am 4.
Juni 1991 von einem rechtsextremen Jugendlichen in Gifhorn-Kästorf
(Niedersachen) erstochen wurde, zwar in einer Antwort der
Bundesregierung vom 26. März 2009 zu einer Kleinen Anfrage
(Drucksache 16/12529) der Grünen erwähnt, taucht aber in einer
späteren Antwort auf eine Große Anfrage (Drucksache 16/14122) der
LINKEN zum Thema Rechtsextreme Tötungsdelikte vom 07. Oktober
2009 nicht auf. Dies gilt für vierzehn weitere Personen, die ermordet
wurden, weil sie als Homosexuelle, Obdachlose oder sogenannte
Behinderte nicht in das Weltbild ihrer Mörderinnen und Mörder passten.
Die Bundesregierung wäre folglich angehalten, ihre auf Informationen
des Bundeskriminalamtes (BKA) und der Länderkriminalämter (LKA)
beruhende Nennung von 46 Todesopfern rechtsextremer Gewalt auf
Grundlage des eigenen Materials zu überprüfen und entsprechend zu
korrigieren, denn hieraus würde sich bereits eine signifikant höhere
Ziffer ergeben. Zumindest 59 Opfer müssten dann erwähnt werden.
Doch auch dies sind leider noch längst nicht alle.
Alle Opfer sichtbar machen
Verschiedene zivilgesellschaftliche Institutionen, Printmedien und der Opferfonds CURA
gehen von einer deutlich höheren Zahl von Opfern rechtsextremer Gewalt aus, die
zwischen 88 (Magazin „Stern“ 1. Juni 2006) und 174 (Opferfonds CURA) schwankt.
Diese Schwankungen kommen unter anderem dadurch zustande, dass der Opferfonds
CURA auch solche Taten hinzuzählt, denen rassistische Motive zu Grunde liegen, ohne
das Täterinnen oder Täter auf den ersten Blick als Rechtsextreme zu erkennen wären.
Als Beispiel zu nennen wäre der am 7. Dezember 1993 begangene Mord an Bakary
Singateh durch einen 54-jährigen Deutschen, der sich durch den Asylbewerber „gestört“
fühlte und ihn deshalb vor dem Hintergrund seiner rassistischen Einstellung erstach. Für
BKA und LKA hingegen spielen nur Fälle eine Rolle, bei denen eine Zugehörigkeit zu
rechtsextremen Organisationen besteht oder explizit Anhaltspunkte für eine politische
Motivation gegeben sind. Den aufmerksamen Leserinnen und Lesern dieser Liste wird
auffallen, dass dies eigentlich auf eine Vielzahl der gesammelten Fälle zutrifft. Trotzdem
finden sie in der oben genannten Antwort der Bundesregierung vom 7. Oktober 2009
keine Erwähnung. Es ist leider Aufgabe der zivilgesellschaftlichen Institutionen und
Medien, auf diese Schieflage aufmerksam zu machen. Hin und wieder auch mit Erfolg:
Eine auf Basis der Liste vom Opferfonds CURA erfolgte Anfrage an die Polizeidirektion
Anklam durch die Anklamer Zeitung ergab die Bestätigung eines in der Liste
aufgeführten Falles, der bisher nicht in den offiziellen Statistiken auftauchte. Nun ist es
„amtlich“, der am 11. Juli 1996 in Wolgast in Mecklenburg-Vorpommern von zwei
Neonazis durch mehrere Tritte auf den Kopf schwer verletzte und zwei Tage später
verstorbene Boris Morawek ist ein Opfer rechtsextremer Gewalt.
Von 1990 bis heute haben nach
Recherchen von
- ZEIT
- Spiegel Online
- Tagesspiegel
mindestens 174 Menschen ihr
Leben durch Angriffe rechter
Täter verloren. Die Polizei
dagegen führt lediglich 47 Tote in
ihrer Statistik.
Mit der Veröffentlichung dieser Liste soll
versucht werden, den vielen kaum bekannten
Opfern ein Gesicht zu geben und öffentlich
anzuerkennen, dass sie nicht Opfer eines
"normalen" Gewaltverbrechens wurden.
Hunderte Lokalzeitungsartikel und
Gerichtsurteile wurden dafür gesichtet,
monatelang Opferberatungsstellen und
Hinterbliebene, Anwälte und Strafverfolger
interviewt. Gerichtsurteile mit teilweise
mehrere hundert Seiten wurden analysiert, um
die Motivation der Täter herauszufinden.
1.
Andrzej Fratczak
Pole
Er wird am Abend des 7. Oktober 1990 vor einer Diskothek in
Lübbenau (Brandenburg) bei einem Angriff von drei jungen
Deutschen verprügelt und durch einen Messerstich tödlich verletzt.
Polizei und Staatsanwaltschaft können jedoch nicht ermitteln,
welcher der drei Schläger für den Tod des Polen verantwortlich ist.
Als Motiv für den Angriff kann das Bezirksgericht Cottbus in seinem
Urteil nur feststellen, einer der Angeklagten habe mit dem Polen und
zwei seiner Landsleute "zumindest eine verbale Auseinandersetzung" anfangen wollen. Die drei Deutschen werden zu
Freiheitsstrafen zwischen acht Monaten und dreidreiviertel Jahren
verurteilt. In das Strafmaß einbezogen werden weitere Taten,
darunter im Falle von zwei Angeklagten die Anstiftung und
Beteiligung an einem Massenangriff auf das Asylbewerberheim von
Lübbenau im September 1992.
2.
AmadeuAntonio Kiowa
Angolaner,
28 Jahre
wird in der Nacht zum 25. November 1990 in Eberswalde (Brandenburg) zu
Tode geprügelt. Ungefähr 60 Rechtsextremisten fallen mit Knüppeln und
Messern über Afrikaner vor einem Gasthof her. Während mehrere teils
schwer verletzt flüchten können, erwacht der 28-jährige Antonio nicht mehr
aus dem Koma und stirbt elf Tage später. Die drei Haupttäter, zur Tatzeit
zwischen 17 und 19 Jahren alt, werden 1992 vom Bezirksgericht Frankfurt
(Oder) wegen gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge zu je vier Jahren
Jugendstrafe verurteilt, ein Mittäter (18) erhält zwei Jahre auf Bewährung.
Wer Antonio den tödlichen Tritt ins rechte Auge zufügte, war nicht
nachzuweisen. Dieser Fall wird von der CDU/FDP-Bundesregierung 1993 in
der Antwort auf eine Kleine Anfrage von PDS-Bundestagsabgeordneten
genannt.
Dieser Fall wird von der Regierung Kohl 1993 in der Antwort auf eine Kleine
Anfrage von Abgeordneten der PDS genannt. Auch die Regierung Schröder
erwähnt den Fall 1999 in ihrer Antwort auf eine Anfrage der PDS, ebenfalls
die Regierung Merkel im Jahr 2009 in der Antwort auf eine Große Anfrage der
Linksfraktion.
3.
Klaus-Dieter Reichert
24 Jahre
Die Täter schlugen am 11. Dezember 1990 in einer Wohnung
in Berlin-Lichtenberg derart brutal auf den 24-jährigen KlausDieter R. ein, dass dieser sich in Panik aus einem
Zimmerfenster zehn Stockwerke tief in den Tod stürzt. Die
Täter wollten den Mann zur Herausgabe von 8000 Mark
zwingen, die er angeblich zwei Bekannten schuldete. Diese
hatten einen wegen seiner Brutalität bekannten Skinheads
als Geldeintreiber engagiert. Zwei Schläger waren
vorbestraft, einer auch wegen rechtsextremer
Propagandadelikte. Das Landgericht Berlin verurteilt zwei
Täter zu je vier Jahren Haft, der dritte erhält drei Jahre.
4.
Nihad Yusufoglu
Kurde,
17 Jahre
Der 17 Jahre alte Kurde Nihad Yusufoglu wird am 28.Dezember 1990
in der Kleinstadt Hachenburg (Rheinland-Pfalz) von einem gleich
alten Skinhead durch einen gezielten Messerstich ins Herz getötet.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Koblenz gehörte der Täter
zum Umfeld der rechtsextremen Gruppierung "Taunusfront". Das
Landgericht Koblenz verurteilt den Messerstecher wegen Totschlags
zu einer Jugendstrafe von sechs Jahren. Nach Ansicht der
Strafkammer ist bei dem Skinhead "ein gewisser
ausländerfeindlicher und rassistischer, möglicherweise auch
rechtsextremistischer Hintergrund" zu erkennen, doch sei dem Täter
nicht nachzuweisen, dass er zum "Zeitpunkt des Messerstichs
rassistische Motive verinnerlicht" hatte.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1993 genannt, aber 1999
nicht und 2009 auch nicht.
5.
Obdachloser
31 Jahre
Ein angetrunkener jugendlicher Skinhead schlägt in der
Silvesternacht 1990 in Flensburg einen 31 Jahre alten
Obdachlosen zusammen und tritt auf den Wehrlosen danach
noch mit seinen Stiefeln ein. Sechs Tage später stirbt der
Schwerverletzte an den Folgen der Misshandlung. Weil das
Opfer entgegen dem Rat der Ärzte vorzeitig das Krankenhaus
verlassen hat, wird der inzwischen 21 Jahre alte Täter am
20.April 1993 vom Landgericht Flensburg lediglich wegen
gefährlicher Körperverletzung zu drei Jahren und neun
Monaten Gefängnis verurteilt, wobei das Urteil zusätzlich
mehrere kleinere Diebstahldelikte und Raub berücksichtigt.
6.
Alexander Selchow
Bundeswehrsoldat, 21 Jahre
Der 21-jährige Bundeswehrsoldat wird in der Silvesternacht
1990 in Rosdorf (Niedersachsen) von zwei 18-jährigen
Skinheads niedergestochen, die beide der
rechtsextremistischen FAP (Freiheitliche Deutsche
Arbeiterpartei) angehören. Alexander Selchow stirbt an den
Folgen mehrerer Messerstiche. Das Landgericht Göttingen
verurteilt den Messerstecher wegen gefährlicher
Körperverletzung mit Todesfolge zu sechs Jahren
Jugendstrafe; sein Kumpan kommt mit vier Wochen Arrest
davon.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1993 genannt, aber
weder 1999 noch 2009.
7.
Jorge Gomondai
28 Jahre
Der 28-jährige Mosambikaner stürzt am 31. März 1991 in
Dresden aus einer fahrenden Straßenbahn und zieht sich
tödliche Kopfverletzungen zu. Vor Gericht kann nicht geklärt
werden, ob der Schlachthofarbeiter von Skinheads aus der
Straßenbahn gestoßen wurde oder aus Angst vor der
aggressiven Meute aus der Tür sprang. Das Landgericht
Dresden verurteilt einen der Beteiligten am 29. Oktober 1993
wegen fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von
zweieinhalb Jahren ohne Bewährung. Zwei andere
Angeklagte erhalten Bewährungsstrafen von eineinhalb
Jahren.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1993, 1999 und
2009 genannt.
8. Matthias Knabe
23 Jahre
Der 23-jährige Matthias Knabe wird am 8. Mai 1991 bei
Gifhorn (Niedersachsen) von fünfzehn Skinheads angegriffen.
Anschließend treiben sie den Punk zur Bundesstraße 4. Dort
wird er von einem Auto angefahren und erleidet schwere
Hirnverletzungen, an denen er am 4. März 1992 stirbt. Das
Landgericht Hildesheim verurteilt im November 1992 den
18jährigen Christian B. wegen Beteiligung an einer Schlägerei
und fahrlässiger Tötung zu zwei Jahren Haft. Das Gericht geht
davon aus, Matthias Knabe sei vor das Auto gelaufen.
Augenzeugen haben aber angegeben, er sei von den
Skinheads auf die Straße gestoßen worden.
9. Helmut Leja
39 Jahre
Am 4. Juni 1991 wird der 39-jährige Obdachlose Helmut Leja
in Kästorf (Niedersachsen) von einem 17-jährigen
Jugendlichen in einem Waldstück erstochen. Der Angreifer
gehört laut Innenministerium der örtlichen Skinheadszene an
und bezeichnet Leja als "Abschaum". Am 23. Dezember 1991
verurteilt die 9.Große Strafkammer des Landgerichts
Hildesheim den 17-Jährigen zu einer sechsjährigen
Jugendstrafe wegen Totschlags. Einen rechten Hintergrund
kann die Kammer nicht erkennen.
10. Agostinho Comboio
34 Jahre
Der Angolaner Agostinho Comboio wird in der Nacht zum 16.
Juni 1991 in Friedrichshafen (Baden-Württemberg) von
einem Rechtsextremisten verprügelt und erstochen. Der Täter
wird laut Landgericht Ravensburg nach dem Verbrechen in
der rechten Szene als "Held von Friedrichshafen" gefeiert.
Das Gericht verurteilt den Neonazi wegen Totschlags zu fünf
Jahren Haft.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1993 genannt,
1999 nicht, aber wieder 2009.
11. Kofi Yeboah
27 Jahre
Der 27-jährige Samuel Kofi Yeboah aus Ghana verbrennt in
der Nacht zum 19. September 1991 in einem
Asylbewerberheim in Saarlouis. Unbekannte hatten nachts
gegen 3.30 Uhr einen Brandsatz in die Unterkunft
geschleudert. Zwei weitere Flüchtlinge aus Nigeria werden
verletzt. Der Brandanschlag ist neun Jahre nach der Tat noch
nicht aufgeklärt.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1993, 1999 und
2009 genannt.
12. Gerd Himmstädt
30 Jahre
Der 30 Jahre alte Gerd Himmstädt stirbt am 3. Dezember
1991 an einer Hirnblutung. Sieben Jugendliche hatten den
30-Jährigen drei Tage zuvor in Hohenselchow (Brandenburg)
mit Baseball-Schlägern verprügelt. Das Opfer galt den
Rechten als "Automaten-Knacker". Die Täter gehören nach
eigenen Angaben "dem harten Kern der rechten Szene an".
Das Landgericht Frankfurt (Oder) verurteilt am 27.Oktober
1992 den Haupttäter Sven B. wegen Totschlags zu
siebeneinhalb Jahren Haft. Die anderen erhalten
Bewährungsstrafen zwischen sechs Monaten und einem Jahr
und vier Monaten.
13. Timo
Kählke
29 Jahre
Der 29-jährige Timo Kählke wird am 12. Dezember 1991 in
Meuro (Brandenburg) bei einem Überfall erschossen. Sowohl
der 20 Jahre alte Mörder wie auch die drei Mittäter im Alter
zwischen 20 und 29 Jahren gehören zur Wehrsportgruppe "I.
Werwolf-Jagdeinheit Senftenberg". Die Neonazis wollten
Kählkes Auto rauben, weil sie das Fahrzeug für den geplanten
Überfall auf ein Spielcasino brauchten. Als Kählke sich wehrt,
wird er umgebracht. Das Landgericht Cottbus verurteilt den
Haupttäter wegen Mordes zu neun Jahren Jugendstrafe. Die
Mittäter erhalten Freiheitsstrafen zwischen drei und 15
Jahren.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1993 nicht
genannt, aber 1999 und 2009.
14.
18-Jähriger
Ein 18-jähriger Jugendlicher wurde am 05. Januar 1992 in
Gransee (Brandenburg) von 15 Neonazis erschlagen.
15-17.
Eine dreiköpfige Familie
aus Sri Lanka stirbt am 31. Januar 1992 in ihrer brennenden
Flüchtlingsunterkunft in Lampertheim/Bergstraße. Im Herbst
1992 werden drei Jugendliche festgenommen, die den
Brandanschlag gestehen. 1994 werden sie wegen besonders
schwerer Brandstiftung vom Landgericht Darmstadt zu
viereinhalb bis fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Das Gericht
sieht keinen fremdenfeindlichen Hintergrund.
18. Dragomir
Christinel
18 Jahre
Der Rumäne wird am 15. März 1992 in einem
Asylbewerberheim bei einem Angriff einer 25-köpfigen
Gruppe deutscher Jugendlicher in Saal (bei Rostock) zu Tode
geprügelt. Der 18-jährige Asylbewerber stirbt an
Hirnblutungen. Der Überfall auf das Heim war ein Racheakt
für eine Auseinandersetzung zwischen Deutschen und
Rumänen am Vorabend. Im Juni 1992 verurteilt das
Bezirksgericht Rostock einen 18-jährigen wegen
Körperverletzung mit Todesfolge und schwerem
Landfriedensbruch zu einer Jugendstrafe von zweieinhalb
Jahren. Zwei weitere Angreifer erhalten Bewährungsstrafen.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1993 genannt,
1999 nicht, aber wieder 2009.
19. Gustav Schneeclaus
Seemann, 53 Jahre
Der 53-jährige Seemann Gustav Schneeclaus wird am
18.März 1992 in Buxtehude von Skinheads so schwer
misshandelt, dass er an den Folgen der Verletzungen stirbt.
Zuvor hat Schneeclaus Hitler als "großen Verbrecher"
bezeichnet. Das Landgericht Stade verurteilt die beiden Täter
Stefan S. (19) und Stephan K. (26) im September desselben
Jahres zu Haftstrafen von sechs und achteinhalb Jahren.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1993, 1999 und
2009 genannt.
20.
Sehr geehrte Damen und Herren,
die von Rechtsextremistischen Gewalttätern verübten Morde,
Raubüberfälle und Anschläge erfüllen uns mit Entsetzen und
Abscheu.
Wir trauern um die Opfer und fühlen mit den Angehörigen.
Wir treten gemeinsam ein für ein Deutschland, in dem
Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und
Antisemitismus keinen Platz haben.
Wir stehen für eine Gesellschaft der Vielfalt, an der alle
Menschen unabhängig ihrer Herkunft teilhaben können.
21. Ingo Finnern
Obdachloser, 31Jahre
Der 31-jährige Obdachlose Ingo Finnern wird am 19. März
1992 von einem Skinhead in das Becken des Flensburger
Hafens gestoßen und ertrinkt. Finnern hatte sich seinem
späteren Mörder als Sinti zu erkennen gegeben, nachdem
dieser "Ausländer raus" gerufen hatte. Das Landgericht
Flensburg verurteilt den 21-jährigen Skinhead Sascha D. zu
fünf Jahren Jugendhaft, will aber „keinen direkten
Zusammenhang" zwischen dem Streit, den
fremdenfeindlichen Ansichten des Täters und der Tat
erkennen.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1993 genannt,
1999 nicht, aber wieder 2009.
22. Erich Bosse
Bei einem Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim in
Hörstel (Nordrhein-Westfalen) kommt der dort
untergebrachte Erich Bosse ums Leben. Bis heute ist kein
Täter ermittelt.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1993 genannt, seit
1999 nicht mehr.
23. Nguyen Van Tu
Vietnamese, 29 Jahre
Der 29-jährige Vietnamese Nguyen Van Tu stirbt am 24. April
1992 in Berlin durch einen Messerstich in die Lunge. Der 21jährige Täter gibt an, der rechtsextremen DVU nahe zu
stehen. Er wird am 8. Oktober 1992 vom Landgericht Berlin
wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu viereinhalb Jahren
Haft verurteilt. Als Tatmotiv stellt das Gericht Selbstjustiz vor
dem Hintergrund fremdenfeindlicher Ressentiments fest.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1993, 1999 und
2009 genannt.
24. Thorsten Lamprecht
Punk, 23 Jahre
Der 23-jährige wird am 9. Mai 1992 bei einem Überfall von
etwa 60 Skinheads auf eine Punk-Fete in dem Magdeburger
Lokal "Elbterrassen" mit einem Baseballschläger getötet. Wer
den Punk erschlagen hat, kann nicht ermittelt werden. Vier
Prozesse werden gegen 18 Mittäter angestrengt. Einer der
Haupttäter, ein 24 Jahre alter Mann aus Wolfsburg, wird im
Februar 1995 vom Magdeburger Landgericht zu vier Jahren
Haft verurteilt, wegen Landfriedensbruchs im besonders
schweren Fall in Tateinheit mit gefährlicher
Körperverletzung.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1993, 1999 und
2009 genannt.
25. Emil Wendtland
Obdachloser, 50 Jahre
Der Obdachlose wird am 1. Juli 1992 im Rosengarten in
Neuruppin erstochen. Drei Skinheads verabredeten sich zum
"Penner klatschen" und stießen auf den 50-Jährigen.
Nachdem sie ihn zusammengeschlagen haben, sticht einer
der Angreifer mit einem Messer auf den Wehrlosen ein. Im
Oktober 1993 verurteilt das Landgericht Potsdam den 20jährigen Haupttäter Mirko H. wegen Totschlags zu sieben
Jahren Jugendstrafe. Das Gericht stellt fest, H. habe sein
Opfer für "einen Menschen zweiter Klasse gehalten". Ein
Mittäter wird wegen schwerer Körperverletzung zu drei
Jahren Jugendhaft verurteilt.Dieser Fall wird von der
Bundesregierung 1993 genannt, 1999 und 2009 nicht.
26. Sadri
Berisha
56 Jahre
Der 56-jährige Kosovo-Albaner wird am 8. Juli 1992 mit
einem Baseballschläger erschlagen, als sieben Skinheads
seine Unterkunft in Ostfildern-Kemnat bei Stuttgart stürmen.
Das Motiv der Täter, die sich vorher Hitler-Reden vom Band
angehört haben, lautet: "Polacken klatschen". Lebenslange
Haft bekommt Thomas W. (25), der den tödlichen Schlag
ausgeführt hat. Die sechs anderen Skinheads werden zu
Freiheitsstrafen zwischen sechs Monaten auf Bewährung und
neun Jahren verurteilt.
Dieser Fall von der Bundesregierung 1993, 1999 und 2009
genannt.
27. Dieter Klaus Klein
Obdachloser, 49 Jahre
Der 49-jährige Obdachlose wird in der Nacht zum 1. August
1992 im Park von Bad Breisig (Rheinland-Pfalz) von zwei
Skinheads zusammengetreten und danach mit einem
Kampfmesser niedergestochen. Der Obdachlose, der auf einer
Brunnenmauer schlief, war vom Lärm der Skinheads, die auch
"Sieg Heil" riefen, aufgewacht und hatte sich den Krach
verbeten. Die 17-jährigen Täter Patrick B. und Stefan H.
werden 1993 zu Haftstrafen von acht Jahren und drei
Monaten beziehungsweise sechs Jahren und drei Monaten
verurteilt.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1993 genannt,
1999 und 2009 nicht.
28. Ireneusz
Szyderski
24 Jahre
Der Pole stirbt am 3. August 1992 nach einem Besuch in einem
Discozelt in Stotternheim/Thüringen. Als der 24jährige Erntehelfer
mit Freunden das Gelände über einen Zaun verlassen will, treten und
schlagen drei Ordner, die laut Staatsanwaltschaft Erfurt der
Skinheadszene angehören, auf ihn ein. Nach der Obduktion sagt die
Staatsanwaltschaft, "massive Schläge auf Kopf und Rücken hätten
zum Tod geführt". Im Prozess will der medizinische Sachverständige
allerdings nicht ausschließen, "dass die starke Alkoholisierung des
Polen Schuld an dessen Tod sei". Das Landgericht Erfurt kann nicht
klären, wer die Tritte und Schläge ausgeführt hat und verurteilt den
24-jährigen Rene K. im November 1993 zu zweieinhalb Jahren Haft
wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Ein 23-Jähriger und ein 25Jähriger werden zu Geldstrafen von 760 Mark beziehungsweise 600
Mark verurteilt. Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1993
genannt, 1999 und 2009 nicht.
29. Frank Bönisch
35 Jahre
Der 35-jährige Obdachlose stirbt am 24.August 1992 auf dem
Zentralplatz in Koblenz, als der damals 23-jährige Skinhead
Andy Johann H. (Szenename: "Der deutsche Andy") das
ganze Magazin einer großkalibrigen "Smith & Wesson" auf
eine Gruppe von Punks, Obdachlosen und Drogenabhängigen
abfeuert. H., der zur "Deutschen Front Coblenz (DFC)"
gerechnet wird, erhält zehn Monate nach der Tat vom
Landgericht Koblenz wegen Mordes und siebenfachen
Mordversuchs eine Freiheitsstrafe von 15 Jahren.
30. Günter Schwannecke
58 Jahre
Der 58-jährige Obdachlose Günter Schwannecke wird am 29.
August 1992 nachts auf einer Parkbank in BerlinCharlottenburg von einem Ku-Klux-Klan-Anhänger
zusammengeschlagen. Der 22-jährige Skinhead hatte mit
einem Freund zuvor Ausländer bedroht und dann nach einem
kurzen Wortwechsel mit seinem Baseballschläger auf den
betrunkenen Schwannecke und einen weiteren Obdachlosen
eingeschlagen. Der Täter wollte laut Berliner Landgericht
"seine Aggressionen abreagieren". Günter Schwannecke
stirbt am 5. September 1992 an einem Schädelbruch. Am 23.
Februar 1993 verurteilt das Landgericht Berlin Norman Z.
wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu sechs Jahren Haft.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1993 genannt,
1999 und 2009 nicht.
31. Waltraud Scheffler
Aushilfskellnerin
Bei einem Überfall von Neonazis auf ein Lokal in Geierswalde
(Sachsen) in der Nacht zum 11. Oktober 1992 wird die
Aushilfskellnerin Waltraud Scheffler so schwer verletzt, dass
sie 13 Tage später stirbt. Scheffler hatte versucht, auf die mit
"Sieg Heil"-Rufen eindringenden Skinheads einzureden. Doch
ein Neonazi schlug ihr mit voller Wucht eine Holzlatte auf den
Kopf. Das Jugendschöffengericht Bautzen verurteilt den Täter
zu viereinhalb Jahren.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 2009 genannt.
32. Rolf Schulze
52 Jahre
Der 52-jähriger Obdachlose Rolf Schulze wird am 7.
November 1992 bei Lehnin (Brandenburg) von zwei
Skinheads getreten, mit Fäusten traktiert, mit einer
Propangasflasche geschlagen und mehrmals im Kölpinsee
untergetaucht. Später übergießen die Täter die Leiche mit
Benzin und zünden sie an. Vor dem Bezirksgericht Potsdam
bekennen sich die Angeklagten zu den verbotenen
rechtsextremen Organisationen "Nationale Offensive" und
"Nationalistische Front". Die Neonazis, 17 und 18 Jahre,
erhalten im Juli 1993 Jugendstrafen von neun und sieben
Jahren.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1993 genannt,
1999 nicht, aber 2009.
33. Karl-Hans Rohn
Metzger, 53 Jahre
Der 53 Jahre alte Metzger Karl-Hans Rohn wird am 13.
November 1992 in Wuppertal (Nordrhein-Westfalen) von
zwei Rechtsextremisten geschlagen, angezündet und erstickt.
Rohn hat sich in einem Lokal als Jude ausgegeben, woraufhin
der Wirt mit Worten wie "du kommst nach Auschwitz" und
"Juden müssen brennen" die Skinheads zu der Gewalttat
animiert. Das Landgericht Wuppertal verurteilt die beiden
Schläger wegen Mordes zu 14 beziehungsweise acht Jahren
Haft. Der Wirt erhält zehn Jahre.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1993, 1999 und
2009 genannt.
34. Silvio Meier
27 Jahre
Der 27-Jährige Hausbesetzer Silvio Meier verblutet am 21.
Novem-ber 1992 in Berlin. Der 17-jährige Sandro S. hat mit
einem Messer auf Meier und seine Begleiter eingestochen. Silvio
Meier hatte zuvor einen Aufnäher "Ich bin stolz, ein Deutscher
zu sein" beanstandet. Die Täter rufen: "Jetzt haben wir es euch
gezeigt, ihr linken Säue". Die Jugendstrafkammer des
Kriminalgerichts Berlin-Moabit verurteilt Sandro S. am 2.
Oktober 1993 in einem Jugendstrafverfahren wegen Totschlags
zu einer Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren. Die
Mitangeklagten, der 18-jährige Sven M. und der 17-jährige
Alexander B., erhalten Freiheitsstrafen von dreieinhalb Jahren
beziehungsweise acht Monaten auf Bewährung.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1993, 1999 und 2009
genannt.
35-37.
Bahide Arslan (51)
Ayse Yilmaz (14)
Yeliz Arslan (10)
Die Türkinnen Bahide Arslan (51), Ayse Yilmaz (14) und Yeliz
Arslan (10) sterben am 22. November 1992 in Mölln bei einem
Brandanschlag auf das Haus, in dem sie leben. Das
Oberlandesgericht Schleswig spricht den 25-jährigen
Rechtsextremisten Michael Peters und seinen 19 Jahre alten
Kumpan Lars Christiansen am 8. Dezember 1993 des dreifachen
Mordes in Tateinheit mit versuchtem Mord an sieben Menschen
für schuldig. Peters erhält eine lebenslängliche Haftstrafe.
Christiansen wird zu zehn Jahren Jugendhaft verurteilt.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1993, 1999 und 2009
genannt.
38. Hans-Jochen Lommatsch
Baumaschinist, 51 Jahre
Der 51 Jahre alte Hans-Jochen Lommatsch wird am 18.
Dezember 1992 in Oranienburg erschlagen. Der
Baumaschinist wollte vor dem Schlafengehen nach seinem
neuen Auto gucken. Auf dem Parkplatz trifft er auf zwei
Skinheads aus der rechten Szene, die ihn "grundlos"
angreifen, wie das Bezirksgericht Potsdam feststellt. Es hätte
"jeden anderen treffen können", sagt der 26-jährige Jens
Sch. auf die Frage nach seinem Motiv. Der mehrfach
Vorbestrafte hat sein Opfer mit Faustschlägen und Tritten
getötet. Das Bezirksgericht Potsdam verurteilt Sch. im
Oktober 1993 zu acht Jahren Haft wegen Totschlags.
39. Sahin
Calisir
20 Jahre
Der Türke Sahin Calisir stirbt am frühen Morgen des 27.
Dezember 1992 auf der Autobahn 57 bei Meerbusch (NordrheinWestfalen). Sein Wagen ist zuvor von Klaus E., einem
polizeibekannten rechten Hooligan aus Solingen, verfolgt und
gerammt worden. Der 20-jährige Calisir und zwei türkische
Begleiter flüchten aus Angst auf die Straße. Sahin Calisir wird
von einem Auto erfasst. Das Schöffengericht Neuss kann kein
ausländerfeindliches Motiv für die Verfolgungsjagd erkennen. Es
verurteilt den 23-jährigen Klaus E. im Oktober 1993 wegen
fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung
zu 15 Monaten Haft. Aus dem Gefängnis schreibt Klaus E. über
den Toten: "Das mit dem Herumlaufen hat sich für ihn erledigt."
Der Beifahrer von E. war als Ordner für die rechtsextreme
"Deutsche Liga für Volk und Heimat" tätig.
40.
Bruno Kappi
Zeitungsverteiler, 55 Jahre
Am 15. Dezember 1992 wurde er vor einem Kaufhaus in
Siegen tot aufgefunden. Zwei Neonazis schlugen Bruno Kappi
brutal zusammen, traten dann auf ihn ein und ließen ihn
anschließend sterbend am Boden liegen.
41. Karl Sidon
Parkwächter, 45 Jahre
Am 18. Januar 1993 geraten fünf Jugendliche im
thüringischen Arnstadt mit dem Parkwächter Karl Sidon in
Streit. Die der "Babyskin-Szene" zugehörigen Jugendlichen
verprügeln den 45-Jährigen, mit dem sie mehrfach
Auseinandersetzungen gehabt hatten. Anschließend schleifen
sie ihr regloses Opfer auf die viel befahrene Bahnhofstraße.
Mehrere Autos überrollen den Mann. Im Krankenhaus erliegt
er seinen Verletzungen. Zwei der Jugendlichen, 15 und 16
Jahre alt, verurteilt das Erfurter Bezirksgericht im August
1993 zu drei Jahren und neun Monaten Haft.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 2009 genannt.
42.
Mike Zerna
22 Jahre
Der 22jährige Mike Zerna wird bei einem Überfall von rechten
Skinheads auf linke Jugendliche am 19. Februar 1993 in
Hoyerswerda (Sachsen) zusammengeschlagen. Die Angreifer,
darunter drei wegen fremdenfeindlicher Gewalttaten Vorbestrafte,
prügeln mit Rufen wie "schlagt die Zecken tot" auf Konzertbesucher
und den Fahrer der Band ein. Dann kippen sie ein Auto auf den am
Boden liegenden Mike Zerna. Sechs Tage später erliegt er seinen
Verletzungen. Nach Ansicht des Landgerichts Bautzen sind Polizei
und Sanitäter mitverantwortlich für den Tod, weil sie erst eine
Stunde nach dem Überfall am Tatort eingetroffen sind. Das
Landgericht Bautzen verurteilt im Juli 1994 zwölf Tatbeteiligte im
Alter von 19 bis 25 Jahren zu Bewährungs- und Haftstrafen bis zu
vier Jahren.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1994 in der Antwort auf
eine weitere PDS-Anfrage genannt, 1999 und 2009 auch.
43. Mario
Jödecke
23 Jahre
Am 24. Januar 1993 kam es in Schlotheim (Thüringen) vor
einer Pizzeria während eines "Heavy-Metal-Abends" zu einer
Schlägerei zwischen einer Gruppe linker Punks und einer
Gruppe rechter Heavy Metals. Im Verlauf der Schlägerei
wurde Mario Jödecke, der mit einem Baseballschläger
bewaffnet war, von einem 17-jährigen Skinhead durch einen
Messerstich ins Herz getötet.
44. Mustafa
Demiral
56 Jahre
Der 56-jährige Türke Mustafa Demiral stirbt am 9. März 1993
in Mülheim/Ruhr nach einer Auseinandersetzung mit zwei
Deutschen. Laut Essener Staatsschutz haben die Jugendlichen
den herzkranken Türken angepöbelt. Demiral wehrt sich,
woraufhin ein Mann eine Gaspistole zieht und auf den Kopf
des Türken zielt. Dieser regt sich so sehr auf, dass er kurz
darauf zusammenbricht und an einem Herzanfall stirbt. Beide
Täter sind Mitglieder der "Republikaner". Die zwei Männer
werden wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu je vier
Jahren Haft verurteilt.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1994, 1999 und
2009 genannt.
45.
Hans-Peter Zarse
18 Jahre
Der 18 Jahre alte Hans-Peter Zarse wird am 12. März 1993
nahe Uelzen (Niedersachsen) von seinem Skinhead-Kumpan
erstochen. Bei einer gemeinsamen Fahrt ist das Moped wegen
eines Motorschadens liegen geblieben. Es kommt zum Streit
über die Panne. Bei der auch handgreiflich geführten
Auseinandersetzung fühlt sich der Täter, laut Landgericht
Lüneburg Anführer einer rechtsextremen Skinhead-Gruppe,
"in seinem Dominanzstreben und seiner Ehre beeinträchtigt".
Das Gericht verurteilt den Angeklagten wegen Totschlags zu
einer Jugendstrafe von fünf Jahren.
46.
Matthias Lüders
Wehrpflichtiger, 23 Jahre
Der Wehrpflichtige Matthias Lüders erhält bei einem Überfall
von 40 rechten Skinheads auf eine Diskothek in Obhausen
(Sachsen-Anhalt) am 24. April 1993 zwei Schläge auf den
Kopf. Zwei Tage später stirbt der 23-Jährige. Die Diskothek
habe zum Zeitpunkt der Tat als "linker Treffpunkt" gegolten,
stellt das Landgericht Halle im Prozess gegen einen 20jährigen Skinhead fest. Der "blitzartige Angriff" sei eine
Racheaktion gewesen. Das Landgericht hält der Polizei vor,
sie sei vorab informiert gewesen. Im Februar 1994 verurteilt
das Gericht den Skinhead wegen Körperverletzung mit
Todesfolge zu einer Jugendstrafe von dreieinhalb Jahren. Er
hat zugegeben, mit einem Baseballschläger zugeschlagen zu
haben.
47. Belaid
Baylal
42 Jahre
In der Nacht zum 4. November 2000 stirbt der 42-jährige Belaid Baylal im
Krankenhaus an den Spätfolgen eines rassistischen Angriffs. Zwei rechtsextreme
Skinheads haben den marokkanischen Asylbewerber am 8. Mai 1993 in einer
Gaststätte in Belzig (Brandenburg) beschimpft und verprügelt. Baylal wird mit
schweren Verletzungen ins Krankenhaus gebracht. Im März 1994 verurteilt das
Amtsgericht Brandenburg/Havel den Haupttäter zu einer fünfmonatigen
Bewährungsstrafe, sein Mittäter erhält Arbeitsstunden und eine Geldbuße in Höhe
von 300 Mark. Zwei Monate nach dem Angriff erleidet Baylal erstmals einen
lebensbedrohlichen Darmverschluss. Laut ärztlichem Attest muss wegen des
Angriffs "mit bleibenden Folgen in Form von Darmverwachsungen gerechnet
werden, die zu neuen Darmverschlüssen führen können." Im Mai 1997 wird Belaid
Baylal erneut wegen eines Darmverschlusses stationär behandelt. Als er am 4.
November 2000 wieder zusammenbricht, kommt jede Hilfe zu spät. Nachdem der
Tagesspiegel und die Frankfurter Rundschau Belaid Baylal erstmals im Jahr 2001
als Verdachtsfall erwähnen, initiieren antifaschistische Initiativen eine Debatte
vor Ort. Gegenüber Lokalpolitikern und Journalisten bestätigen die Ärzte von
Baylal, dass der Tod des Asylbewerbers eine Spätfolge des rassistischen Angriffs
war. Seit dem 4. November 2004 erinnert ein Gedenkstein in Belzig an Baylal als
Todesopfer rechter Gewalt.
48. Jeff
Dominia
Motorradfahrer,
25 Jahre
Der Motorradfahrer Jeff Dominiak deutsch-ägyptischer
Hauptdarsteller im Defa-Film "Bockshorn" wird am 26. Mai
1993 bei Waldeck von einem betrunkenen Skinhead aus der
rechten Szene mit einem gestohlenen Auto überfahren,
Ungeklärt bleibt, ob der Täter das 25-jährige Opfer aus seiner
Nachbarschaft gekannt und dessen Motorrad absichtlich
gerammt hat. Das Kreisgericht Königs Wusterhausen
verurteilt den 17-jährigen Daniel K. im November 1993 unter
anderem wegen fahrlässiger Tötung zu einer Jugendstrafe
von zwei Jahren und neun Monaten.
49-51. Gürcün Ince
, Hatice Genc
Gülüstan Öztürk (12), Hülya
Genc (9), Samine Genc (4)
(27)
(18)
,
Auf das Haus der in Solingen lebenden Familie Genc wird am 29.
Mai 1993 ein Brandanschlag verübt. Dabei sterben fünf
Familienmitglieder: Gürcün Ince (27), Hatice Genc (18),
Gülüstan Öztürk (12), Hülya Genc (9), Samine Genc (4). Am
13.10.1995 verurteilt ein Strafsenat des Düsseldorfer
Oberlandesgerichts vier junge Solinger, die zur Tatzeit 16, 17, 20
und 23 Jahre alt waren, wegen auf Ausländerhass basierenden
fünf-fachen Mordes, 14-fachen Mordversuches und besonders
schwerer Brandstiftung zu einmal 15 und dreimal zehn Jahren
Haft.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1994, 1999 und 2009
genannt.
52.
Horst Hennersdorf
Obdachlos, 37 Jahre
Zwei junge Rechtsextremisten quälen am 5. Juni 1993 in
Fürstenwalde (Brandenburg) den Obdachlosen Horst Hennersdorf zu
Tode. Der 37-Jährige wird auf einem Anwesen stundenlang
misshandelt. Mehrere Zeugen beobachten die Tat, greifen aber nicht
ein. Laut Landgericht Frankfurt (Oder) sind die Skinheads der
rechten Szene zuzuordnen, doch habe es für die Tötung kein Motiv
gegeben. Einer der Täter hatte indes bei der Befragung durch einen
Psychiater angegeben, der Obdachlose habe auf ihn den Eindruck
"eines niedrigen Menschen, eines dreckigen Penners" gemacht. Das
Gericht verurteilt die Täter wegen schwerer Körperverletzung mit
Todesfolge zu acht beziehungsweise fünf Jahren Haft.
53.
Ein schlafender Obdachloser
33 Jahre
Ein schlafender Obdachloser wird am 16. Juli 1993 in Marl von einem
rechten Skinhead als "Judensau" beschimpft und mit Schlägen und
Tritten bis zur Bewusstlosigkeit misshandelt. Das 33 Jahre alte
Opfer stirbt drei Monate später im Krankenhaus an einer
Lungenembolie, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben. Im
März 1994 verurteilt das Landgericht Essen den 18-jährigen
Skinhead wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer 15monatigen Jugendstrafe auf Bewährung. Das Gericht sieht keinen
direkten Zusammenhang zwischen Misshandlung und Todesursache.
Der Skinhead ist vor der Tat durch Körperverletzungen und
rechtsextreme Propagandadelikte aufgefallen.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1999, in späteren
Anfragen nicht mehr und erst wieder 2009 genannt.
54. Hans-Georg Jakobson
35 Jahre
Der Arbeitslose Hans-Georg Jakobson wird in der Nacht zum
28. Juli 1993 nahe Strausberg (Brandenburg) von drei
rechten Skinheads aus einer fahrenden S-Bahn gestoßen und
stirbt. Die Angreifer haben zuvor den schlafenden 35-jährigen
geschlagen und getreten. Als sie bei ihm kein Geld finden, soll
Jakobson einen "Denkzettel" erhalten. Das Landgericht
Frankfurt (Oder) bescheinigt dem 20-jährigen, einschlägig
vorbestraften Rene B. erhebliche kriminelle Energie sowie
besondere Brutalität gegenüber Ausländern. Er wird im
Januar 1994 wegen Mordes zu acht Jahren Jugendhaft, die
17- und 18jährigen Mittäter Henry G. und Thomas D. zu
sechsjährigen Jugendhaftstrafen verurteilt.
55. Kolong
Jamba
19 Jahre
Der 19-jährige Gambier Kolong Jamba wird am 7. Dezember
1993 im Eilzug von Hamburg nach Buchholz erstochen. Der
54-jährige Wilfried S. stößt ihm ein zwölf Zentimeter langes
Messer in den Bauch, weil er sich durch den Asylbewerber
gestört fühlt. Das Landgericht Stade verurteilt S. im März
1997 wegen "Totschlags in einem minderschweren Fall" zu
zwei Jahren Haft, auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt.
Die Richter schließen Ausländerhass als Motiv aus, obwohl
Kollegen bestätigen, dass S. Schwarzafrikaner mehrmals als
"Teerpappe" und "Bimbos" bezeichnet hat. Das Messer habe
er sich zugelegt, um sich "vor derartigen Leuten zu
verteidigen".
56.
Michael Gäbler
18 Jahre
Am 19. November 1993 kam es in einem Jugendklub in Zittau
(Sachsen) während einer Party zu einem Streit mit einem
Gast, der auf Grund nationalistischer Sprüche Hausverbot
erteilt bekam. Gäbler und ein Begleiter führten danach eine
verbale Auseinandersetzung mit ihm, 150 Meter vom
Klubhaus entfernt. Als sich der Begleiter zum Gehen
abwandte, stach der bekennende Nazi mehrmals auf Gäbler
ein, der daraufhin an den schweren Verletzungen starb.
57. Bakary Singateh
Asylbewerber, 19 Jahre
Er wurde am 7. Dezember 1993 im Eilzug von Hamburg nach
Buchholz (Niedersachsen) von einem 54-jährigen Deutschen
durch einen Messerstich in den Bauch tödlich verletzt, weil
sich dieser durch den Asylbewerber gestört gefühlt hatte.
58.
Eberhart Tennstedt
Obdachloser,
43 Jahre
Der Obdachlose Eberhart Tennstedt (43) wird in der Nacht vom 5.
April 1994 in Quedlinburg (Sachsen-Anhalt) gemeinsam mit einem
anderen Obdachlosen von drei Angehörigen einer rechten Clique im
Alter von 21 bis 23 Jahren geschlagen und mit Schüssen aus einer
Gaspistole in einen Fluss getrieben. Die Angreifer hindern die hilflosen
Obdachlosen daran, den Fluss zu verlassen. Der stark alkoholisierte
Tennstedt ertrinkt. Als Tatmotiv geben die Täter an, "Penner" würden
nicht ins Stadtbild passen. Ein Kioskbesitzer hatte ihnen den Auftrag
erteilt, die beiden Obdachlosen zu vertreiben. Im Dezember 1994
verurteilt das Landgericht Magdeburg den 21-jährigen Haupttäter
wegen Aussetzung einer hilflosen Person und Körperverletzung mit
Todesfolge zu einer dreijährigen Jugendstrafe. Der Kioskbesitzer und
die Mittäter werden zu Bewährungsstrafen verurteilt. Es habe sich um
eine "Machtdemonstration gegenüber Schwächeren" gehandelt, stellt
das Gericht fest. Die Täter hätten die Obdachlosen "gewaltsam
vertreiben" wollen.
59. Klaus
R.
43 Jahre
In der Nacht zum 28. Mai 1994 geraten Skinheads, die eine
Wohnung in einem Haus in der Lützner Straße in Leipzig
besetzt hatten, mit dem 43-jährigen Mieter Klaus R. in Streit.
Sechs der Jugendlichen verprügeln und treten den Leipziger
zu Tode. 1995 verurteilt das Leipziger Landgericht den 18jährigen Hauptangeklagten wegen versuchten Totschlags und
schwerer Körperverletzung zu fünf Jahren Haft. Die fünf
Mittäter kommen mit niedrigeren Haft- und
Bewährungsstrafen davon.
60. Beate Fischer
Prostituierte, 32 Jahre
Am 23. Juli 1994 abends erwürgen drei Skinheads die 32jährige Berlinerin Beate Fischer und legen sie an eine
Mülltonne. Die Prostituierte ist den drei Männern zunächst
freiwillig in eine Wohnung gefolgt. Dem Gericht zufolge hat
die Frau dort freiwillig Sex mit allen, will aber nach einer
Misshandlung gehen. Die Skinheads verhindern das und
vergewaltigen die Frau mehrmals. Dann töten sie Beate
Fischer. Das Gericht verhängt lebenslange Haft für den 21Jährigen, neun und zehn Jahre Jugendstrafe für die Mittäter.
Der Richter sagt in der Urteilsbegründung, die Neonazis
"haben nach ihrer Wolfsmoral Sex als die Bühne ihrer Macht
benutzt".
61. Jan W.
Polnischer Bauarbeiter, 45 Jahre
In der Nacht zum 26. Juli 1994 ertrinkt in Berlin der polnische
Bauarbeiter Jan W. in der Spree. Der 45-jährige und ein 36jähriger Landsmann sind nach einem Streit mit einer Gruppe
junger Deutscher ins Wasser getrieben und gewaltsam daran
gehindert worden, ans Ufer zurückzuschwimmen. Eine
Polizeistreife hörte die Rufe "Polacken, verpisst Euch" und "lasst
den Polen nicht raus". Auf den Tod von Jan W. reagiert die
Gruppe belustigt. Das Gericht kann keine ausländerfeindlichen
Motive erkennen. Die Rufe hätten lediglich auf die
"Ausländereigenschaft" der Opfer angespielt. Im Mai 1995
werden vier 19- bis 25-jährige Männer und zwei 16- und 17jährige Mädchen wegen Körperverletzung mit Todesfolge und
schwerer Körperverletzung zu Bewährungsstrafen und
Freiheitsstrafen bis zu vier Jahren verurteilt.
62. Ali Bayram
Unternehmer, 50 Jahre
Am Abend des 18. Februar 1994 wurde er in seiner Wohnung
in Darmstadt (Hessen) von seinem Nachbarn erschossen.
Auch seine Tochter wurde von einer Kugel am Arm verletzt.
Der Nachbar war der Familie schon längere Zeit als Neonazi
bekannt. Er begründete die Tat damit, dass die fünfköpfige
Familie zu laut gewesen sei.
63. Gunter
Marx
42 Jahre
Der Radfahrer Gunter Marx wird von vier Skinheads am 6. August 1994
nachts in Velten (Brandenburg) von seinem Fahrrad gestoßen und
getreten. Die Rechten im Alter von 18 und 19 Jahren waren zu einem
Raubzug aufgebrochen. Als Reaktion auf die Antwort ihres 42-jährigen
Opfers, er habe kein Geld dabei, erschlägt ihn der 18-jährige Maik L. mit
einem schweren Schraubenschlüssel. Danach überfällt die Gruppe noch
zwei weitere Opfer. Die Polizei findet bei einer Hausdurchsuchung des
wegen Körperverletzung an einem Portugiesen mit Haftbefehl gesuchten
Maik L., der im Jahr zuvor eine Russin überfallen hatte, unter anderem
einen Baseballschläger mit eingeritztem Hakenkreuz und der Aufschrift
"Sieg Heil". Für die Staatsanwaltschaft handelt es sich beim Tod von
Gunter Marx um einen "normalen Raubmord" ohne rechte Motive. Im
Mai 1995 wird Maik L. vom Landgericht Neuruppin wegen Mordes und
Raub in drei Fällen zu zehn Jahren Jugendhaft verurteilt. Seine Mittäter
erhalten wegen schweren Raubes mit Todesfolge Jugendstrafen von
zweieinhalb, viereinhalb und sechs Jahren.
64.
Piotr Kania
Bundeswehrrekrut,
18 Jahre
Am 6. November 1994 geriet er auf dem Bahnhof von
Rotenburg/Fulda (Hessen) in eine Auseinandersetzung mit
fünf Bundeswehrrekruten. Nach Zeugenaussagen war einer
der Soldaten eindeutig als Rechter erkennbar, weswegen ihn
Kania als "Nazischwein" bezeichnete und ihn bis zum
Bahnhofsvorplatz verfolgte, wo jener sich schließlich plötzlich
umdrehte und ihm einen Stoßdolch gezielt ins Herz rammte.
65. Horst Pulter
Obdachloser, 65 Jahre
Der Obdachlose Horst Pulter wird in der Nacht zum 5. Februar 1995 im
Stadtpark von Velbert (Nordrhein-Westfalen) erstochen. Eine
siebenköpfige Gruppe von 16- bis 24-jährigen Rechtsextremisten will
"Penner klatschen" und stößt auf den 65-Jährigen, der auf einer
Parkbank schläft. Er wird durch Tritte verletzt. Zum Schluss versetzt der
22-jährige Peter D. dem Obdachlosen einen tödlichen Messerstich. Die
Staatsanwaltschaft Wuppertal bezeichnet die Tat als "menschenverachtend und kaltblütig". Am "nationalsozialistischen Hintergrund"
bestehe kein Zweifel. In den Wohnungen der Täter seien neben Hakenkreuzfahnen auch Fotos gefunden worden, auf denen sie mit dem
"Hitlergruß" posieren. Das Opfer sei jedoch zufällig ausgewählt worden.
Im November 1995 verurteilt das Jugendschöffengericht Mettmann
sechs Angreifer wegen Körperverletzung zu Freiheits- und Bewährungsstrafen. Den Haupttäter Peter D. verurteilt das Schwurgericht Wuppertal
im Dezember 1995 wegen Mordes und gefährlicher Körperverletzung
vom Schwurgericht Wuppertal zu zehn Jahren Haft.
66. Peter T.
Bundeswehrsoldat,
24 Jahre
Bei einem Ausflug zu einem Stausee bei Hohenstein/Ernstthal
(Sachsen) am 25. Mai 1995 wird der 24-jährige
Bundeswehrsoldat Peter T. von Skinheads
zusammengeschlagen. Das Opfer stirbt neun Tage später an
seinen schweren Kopfverletzungen. Vor dem Angriff auf Peter
T. hatte die etwa 20-köpfige Täterclique Pakistanis
angegriffen. Das Landgericht Chemnitz verurteilte acht
Angeklagte zu Strafen zwischen zehn Monaten auf
Bewährung und drei Jahren und zehn Monaten. Wer aus der
Clique Peter T. getötet hat, ließ sich nicht ermitteln.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 2009 genannt.
67. Klaus-Peter
Beer
48 Jahre
Der Homosexuelle Klaus-Peter Beer wird in der Nacht zum 7.
September 1995 in Amberg (Bayern) von den Skinheads
Richard L. und Dieter M. in die Vils geworfen und ertrinkt. Die
Skinheads wollen dem 48-jährigen Opfer "einen Denkzettel
verpassen". Das Landgericht Amberg verurteilt die Täter am
29. April 1998 in zweiter Instanz wegen Totschlags zu zwölf
Jahren und acht Jahren Haft. Beide kommen aus
rechtsradikalen Kreisen. In der Urteilsbegründung sagt der
Richter, Scheußlichkeit und Menschenverachtung der Tat
erinnerten an die düstersten Zeiten der deutschen
Geschichte.
68. Dagmar
Kohlmann
25 Jahre
Am 16. Juli 1995 wurde sie in Altena (Nordrhein-Westfalen)
vom vorbestraften und per Haftbefehl gesuchten Neonazi
Thomas Lemke und seiner Freundin stundenlang auf das
Schwerste misshandelt und nach ihrem gewaltsamen Tod in
einem Wald verscharrt. Während der Gerichtsverhandlung
teilte der Täter mit, dass er jemanden habe umbringen
wollen, "einfach irgend jemanden, der dumm genug ist, in
unsere Wohnung mitzukommen".
69. Sven Beuter
Punk, 23 Jahre
Der 23 Jahre alte Punk Sven Beuter wird am 15. Februar 1996 in
Brandenburg/Havel von einem Skinhead so schwer geschlagen
und getreten, dass er fünf Tage später stirbt. An dem
schmächtigen, schon früher von Skinheads überfallenen Opfer
lässt der 21-jährige Täter seinen Hass auf "Zecken" ab, wie
Linke und Punks von der rechten Szene genannt werden. Der
rechtsextreme Hintergrund der Tat wird von Polizeipräsidium
und Staatsanwaltschaft Potsdam acht Monate lang
verschwiegen. Das Landgericht Potsdam wertet das Verbrechen
nicht als Mord, da dem Täter niedere Beweggründe "nicht mit
der nötigen Sicherheit" nachgewiesen werden könnten. Der
Skinhead erhält siebeneinhalb Jahre Haft wegen Totschlags.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 1999 und 2009
genannt.
70.
Martin Kemming
26 Jahre
Am 15. März 1996 wird der 26-jährige Martin Kemming in Dorsten-Rhade
(Nordrhein-Westfalen) von dem Neonazi Thomas Lemke aus Gladbeck
erschossen. Kemming gilt Lemke als "Verräter", weil der Aussteiger aus
der rechten Szene ihn angezeigt und gegen ihn ausgesagt hat. Einen
knappen Monat vorher ersticht Lemke die 23-jährige Patricia Wright aus
Bergisch-Gladbach. Sie war ihm wegen eines "Nazis raus"-Aufnähers an
ihrer Jacke aufgefallen. Mit den Worten "Linke haben kein Recht zu leben"
begründet Lemke die Tat gegenüber einem anderen Neonazi.
Beide Opfer werden von der Bundesregierung 2009 erstmals genannt.
Gemeinsam mit seiner damaligen Lebensgefährtin hat Lemke sein erstes
Opfer im Juli 1995 getötet, die 25-jährige Dagmar Kohlmann. Das Motiv:
Der Odin-Jünger wird zu diesem Zeitpunkt bereits mit Haftbefehl gesucht,
nun will er einem Verrat durch seine Freundin vorbeugen und zieht sie
deshalb in ein Verbrechen hinein. Im März 1997 verurteilt die
Schwurgerichtskammer des Essener Landgerichts Lemke wegen
dreifachen Mordes zu lebenslanger Haft und anschließender
Sicherheitsverwahrung.
71. Bernd G.
Geschäftsmann,
43 Jahre
"Aus Lust und Spaß", so das Landgericht Leipzig in seiner
Urteilsbegründung, töten drei junge Männer am 8. Mai 1996
den 43-jährigen Leipziger Bernd G. Die drei der rechten Szene
zugerechneten Täter, 27, 24 und 21 Jahre alt, schlagen den
Geschäftsmann nach einer Sauftour auf offener Straße in
Leipzig-Wahren zusammen und erstechen ihn. Die Leiche
versenken sie im Ammelshainer See, wo sie eine Woche
später gefunden wird. Nach einem Revisionsverfahren vor
dem Bundesgerichtshof wird der Haupttäter Rainer S. zu
vierzehneinhalb Jahren wegen Mordes, die beiden Komplizen
zu acht und zehn Jahren Gefängnis verurteilt.
72.
Boris Morawek
26 Jahre
Am Abend des 11. Juli 1996 wird der 26-jährige Boris Morawek auf dem
Thälmann-Platz in Wolgast von zwei betrunkenen 19- und 22-jährigen
Skinheads mit Springerstiefeln und Faustschlägen malträtiert. Zeugen
rufen die Polizei. Gegenüber zwei uniformierten Beamten rechtfertigt
der 22-jährige Haupttäter Andreas J. die fortgesetzten Fußtritte gegen
den Kopf von Boris Morawek. Dieser habe ein 3-jähriges Mädchen
missbraucht, der "Kinderschänder" habe keine Rechte mehr. Die
Beamten verhindern nicht, dass die Skinheads weiter auf den am Boden
liegenden Mann eintreten. Erst als Bereitschaftspolizei eintrifft, werden
Andreas J. und sein Mittäter festgenommen. Boris Morawek stirbt zwei
Tage später an seinen schweren Kopfverletzungen. Das Landgericht
Stralsund verurteilt den einschlägig vorbestraften Andreas J. im Januar
1998 wegen Totschlags zu achteinhalb Jahren Haft, sein Mittäter erhält
eine Jugendstrafe von fünf Jahren. Einen rechten Hintergrund sieht das
Gericht nicht. Seine Gesinnung kann Andreas J. auch in der Haft
ausleben: Mit der Skinhead-Band "Staatssturm" nimmt er rechte Songs
auf, die Gesinnungsgenossen im Internet präsentieren.
Maiamba Bunga, Nsuzana
Bunga, Françoise Makodila,
Christine Makodila, Miya Makodila,
Christelle Makodila, Legrand
Makodila, Jean-Daniel Makodila,
Rabia El Omari und Sylvio
Amoussou
73.-82.
Sie verbrannten in der Nacht zum 18. Januar 1996 bei einem
Anschlag auf ein Flüchtlingsheim in Lübeck (SchleswigHolstein).
83. Werner
Elektriker,
Weickum
44 Jahre
Der 44-jährige Elektriker Werner Weickum wird am 19. Juli
1996 am Bahnhof von Eppingen (Baden-Württemberg) von
einer rechtsgerichteten Jugendbande überfallen, ausgeraubt
und zu Tode geprügelt. Im Juli 1997 verurteilt das
Heilbronner Landgericht zwei 23 Jahre alte Mitglieder der
Bande zu lebenslanger Haft. Die übrigen acht Angeklagten im
Alter zwischen 16 und 21 Jahren erhalten Jugendstrafen bis
zu achteinhalb Jahren wegen Mordes, Beihilfe oder
unterlassener Hilfeleistung.
84.
Andreas Götz
34 Jahre
Der 34-jährige Andreas Götz wird am 1. August 1996 in Eisenhüttenstadt von sechs Jugendlichen zu Tode getrampelt. Die Täter im Alter
von 17 bis 21 Jahren, darunter zwei Frauen, haben sich wahllos ein
Opfer ausgesucht. Unter Schlägen, Tritten und mit einem Sprung auf
den Kopf des Vaters einer elfjährigen Tochter erpressen sie 90 Mark
und eine EC-Karte mit Geheimnummer. Andreas Götz stirbt an den
Folgen der Misshandlungen. Zwei der Täter sind wegen rechtsextremer Propagandadelikte gerichtsbekannt. In zweiter Instanz
verurteilt das Landgericht Frankfurt (Oder) den 18-jährigen
Haupttäter Rico B. im April 1998 wegen erpresserischen
Menschenraubs und räuberischer Erpressung mit Todesfolge zu
siebeneinhalb Jahren Jugendhaft. Das Gericht bewertet die Tötung
von Andreas Götz als "Spontantat". Strafverschärfend wertet das
Gericht bei Rico B. die "gewaltbereite Grundeinstellung". In der
Untersuchungshaft hat B. einen Mitgefangenen geschlagen. Die
Mittäter erhalten Jugendhaftstrafen zwischen drei und vier Jahren.
85. Achmed Bachir
Asylbewerber, 30 Jahre
Der 30-jährige Asylbewerber Achmed Bachir wird am 23. November
1996 in Leipzig vor einem Gemüsegeschäft erstochen. Er will
deutschen Kolleginnen beistehen, die von zwei Skinheads attackiert
und als "Türkenschlampen" beschimpft werden. Als der Syrer die
Randalierer aus dem Laden drängt, sticht ihm der 20-jährige Daniel
Z. mit einem Messer ins Herz. Trotz der von Verkäuferinnen
bezeugten rassistischen Drohungen kann die Staatsanwaltschaft
"keinen ausländerfeindlichen Hass" erkennen. Im November 1997
verurteilt das Landgericht Leipzig Daniel Z. wegen Mordes und
schwerer Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von neuneinhalb
Jahren. Sein 19-jähriger Mittäter erhält wegen Beihilfe zum
Totschlag eine Jugendstrafe von viereinhalb Jahren.
86.
Phan Van Toau
Vietnamese, 42 Jahre
Der Vietnamese Phan Van Toau wird am 31. Januar 1997 am
Bahnhof von Fredersdorf (Brandenburg) von einem Deutschen
hochgehoben und mit dem Kopf nach unten auf den Betonboden
geworfen. Das 42-jährige Opfer stirbt drei Monate später in einer
Rehabilitationsklinik. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) klagt
den 30 Jahre alten Täter wegen Mordes an und bescheinigt ihm
"Ausländerhass" als Motiv. Im Prozess am Landgericht Frankfurt
(Oder) äußert der Schläger auch rassistische Parolen wie "Fidschis
raus aus Deutschland". Dennoch ist die Tat nach Ansicht der
5.Strafkammer "nicht von Ausländerfeindlichkeit getragen". Der
Angeklagte wird wegen Totschlags zu neuneinhalb Jahren Haft
verurteilt, ein Mitangeklagter (37) erhält ein Jahr auf Bewährung
wegen gefährlicher Körperverletzung.
87.
Frank Böttcher
Punk,
17 Jahre
Der 17-jährige Punk Frank Böttcher wird am 8. Februar 1997
in Magdeburg von einem Gleichaltrigen mit Springerstiefeln
getreten; als das Opfer am Boden liegt, stößt ihm der Täter
mehrmals ein Butterfly-Messer in den Rücken. Böttcher stirbt
im Krankenhaus. Das Magdeburger Landgericht verurteilt den
17-jährigen Täter, der zur rechtsextremen Skinhead-Szene in
Magdeburg zählt, im Juni 1997 zu sieben Jahren Jugendstrafe
wegen Totschlags.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung erstmals 2009
genannt.
88. Antonio Melis
Italiener, 37 Jahre
Der 37 Jahre alte Italiener Antonio Melis wird am 13. Februar
1997 in Caputh (Brandenburg) von einem 18-jährigen
Deutschen in der Havel ertränkt. Zuvor hat dieser gemeinsam
mit einem 25 Jahre alten Kumpan das Opfer durch Schläge
und Tritte schwer misshandelt. Polizei, Staatsanwaltschaft
und Landgericht Potsdam können kein fremdenfeindliches
Motiv erkennen, obwohl mehrere Zeugen den Medien von
rassistischen Sprüchen des älteren Täters berichten - die
noch zugenommen hätten, als seine Freundin zu einem
ausländischen Kollegen von Antonio Melis wechselte. Das
Gericht verurteilt den älteren Schläger zu 13 Jahren Haft, der
jüngere erhält acht Jahre Jugendstrafe.
89.
Stefan Grage
Polizist
Der Berliner Neonazi Kay Diesner erschießt am 23. Februar 1997
auf dem Autobahn-Parkplatz Roseburg (Schleswig-Holstein) den
Polizisten Stefan Grage. Sein Kollege wird von dem Rechtsextremisten schwer verletzt. Diesner befindet sich auf der
Flucht, nachdem er vier Tage zuvor in Berlin-Marzahn den
Buchhändler Klaus Baltruschat angeschossen hat. Das Landgericht Lübeck verurteilt den Neonazi in zwei Verfahren jedes Mal
wegen Mordes zu lebenslanger Haft und bescheinigt ihm eine
besondere Schwere der Schuld. Die Strafkammern sagen in ihren
Urteilen, in den Taten des Neonazis komme die "niedrigste Stufe
menschlicher Gesinnung" beziehungsweise eine "grundsätzlich
menschenfeindliche Gesinnung" zum Ausdruck.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 2000 und 2009
genannt.
90.
Chris Danneil
31 Jahre
91.
Olaf Schmidke
26 Jahre
Nach einem Polterabend der rechten Szene ersticht ein
Neonazi in der Nacht zum 17. April 1997 in Berlin-Treptow die
zwei "Kameraden" Chris Danneil (31) und Olaf Schmidke
(26). Dem Gewaltexzess geht ein banaler Streit voraus: Der
aus Berlin stammende Täter und ein Kumpan können sich mit
den beiden Neonazis aus Sachsen-Anhalt nicht einigen, wann
die rechtsextreme FAP vom Bundesinnenminister verboten
worden ist. Das Landgericht Berlin verurteilt den 33-jährigen
Messerstecher zu 14 Jahren Haft, der 27 Jahre alte Mittäter
bekommt zweieinhalb Jahre.
92. Horst
Gens
Arbeitsloser,
50 Jahre
Vier junge Männer entführen am 22. April 1997 in Sassnitz
(Mecklenburg-Vorpommern) den Arbeitslosen Horst Gens.
Der 50 Jahre alte Mann wird geschlagen und in einen
Straßengraben geworfen. Die Täter kommen später nochmals
vorbei und erschlagen G. mit einem 30 Kilogramm schweren
Stein. Der Staatsanwaltschaft Stralsund berichten die 18 bis
29 Jahre alten Täter, sie wollten "Assis klatschen". Das
Landgericht Stralsund verurteilt die Schläger wegen Mordes
zu Jugendstrafen zwischen sechs und zehn Jahren.
93.
Augustin Blotzki
Arbeitsloser,
59 Jahre
Der arbeitslose Augustin Blotzki wird am 8. Mai 1997 in
Königs Wusterhausen (Brandenburg) von einer Clique junger
Rechtsextremisten zu Tode geprügelt. Die Täter überfallen
den 59-Jährigen zweimal innerhalb weniger Stunden in seiner
Wohnung. Der Mann wird geprügelt und wegen seines
Namens als "Bulgarensau" und "Ausländerschwein"
beschimpft. Das Landgericht Potsdam verurteilt drei Täter
wegen Mordes zu Haftstrafen zwischen achteinhalb und 14
Jahren. Zwei Jugendliche erhalten vier beziehungsweise
sechseinhalb Jahre wegen Körperverletzung mit Todesfolge.
Die Strafkammer bescheinigt den Tätern Hass,
Menschenverachtung und eine diffuse Ausländerfeindlichkeit.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 2009 genannt.
94. Mathias
S.
39 Jahre
Der 39-Jährige Mathias S. wird am 23. September 1997 in
Cottbus von dem 19-jährigen Skinhead Reinhold K. erstochen.
S. hatte seinen Mörder als "Nazi-Sau" bezeichnet. Vier Tage
später tötet der Skin den 46-jährigen Georg V.; das Motiv sind
geringfügige Geldschulden. Der Verfassungsschutz nennt K.
einen "extrem aggressiven Einzelgänger, der seine
rechtsextremistischen Ansichten offen kundtat". Das
Landgericht Cottbus sieht keinen rechtsradikalen
Hintergrund. K. wird am 24. März 1998 wegen zweifachen
Totschlags zu acht Jahren Jugendhaft verurteilt.
95.
Josef Anton Gera
Rentner,
59 Jahre
Der Rentner Josef Anton Gera stirbt am 17. Oktober 1997 mit
59 Jahren an schweren inneren Verletzungen. Der 26-jährige
Skinhead Patrik K. und der 35-jährige Uwe K. haben dem
Rentner drei Tage zuvor mit einem Stahlrohr tödliche
Verletzungen zugefügt. Vor seinem Tod beschreibt Gera seine
Mörder: "Vier Rechtsradikale". Vor der Tat sind die beiden
durch "Sieg-Heil-Rufe" aufgefallen. Das Landgericht Bochum
verurteilt die Täter im Frühjahr 1998 zu fünf und sechs
Jahren Haft wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Einen
rechtsextremen Hintergrund schließt der Staatsanwalt mit
Verweis auf die schwere Alkoholabhängigkeit der Täter aus.
96. Erich Fisk
Obdachloser
Am 23. September 1997 wurde er in Angermünde
(Brandenburg) mit schweren Kopfverletzungen aufgefunden,
die ihm junge Männer zugefügt hatten. Ohne aus dem Koma
ergewacht zu sein starb Erich Fisk am 30. August 1998 im
Krankenhaus.
97. Georg V.
46 Jahre
Er wurde am 27. September 1997 vom selben Skinhead, der
vier Tage zuvor Matthias S. erstochen hatte, in Cottbus
(Brandenburg) wegen geringfügiger Geldschulden getötet.
98.
Jana Georgi
14 Jahre
Die 14-jährige Jana Georgi aus der thüringischen Kleinstadt
Saalfeld wird am 26. März 1998 auf offener Straße von einem
15-Jährigen erstochen, der kurz zuvor aus einer
psychiatrischen Einrichtung entlassen worden ist. Als Motiv
gibt der Jugendliche Rache für die Beschimpfung als "Fascho"
an. Die Staatsanwaltschaft verneint einen politischen
Hintergrund. Der Junge sei ein "Einzelgängertyp", der zwar
gern Mitglied einer rechten Szene wäre, dort aber nicht
akzeptiert werde. Das Landgericht Gera verurteilt den 15jährigen im Oktober 1998 wegen Totschlags zu fünfeinhalb
Jahren Jugendstrafe.
99.
Nuno Lourenco
Zimmermann
Der portugiesische Zimmermann Nuno Lourenco wird im Juli
1998 in Leipzig niedergeschlagen; er stirbt an den Folgen der
Tat am 29. Dezember 1998 in Portugal. Die Täter sind acht
junge Männer zwischen 15 und 20 Jahren, die nach der WMNiederlage deutscher Fußballer gegen Kroatien laut
Staatsanwaltschaft "Ausländer hacken" wollen. Das
Landgericht Leipzig erkennt im September 1999 auf
Körperverletzung mit Todesfolge und verurteilt den
Haupttäter, einen Elektro-Lehrling, zu vier Jahren Haft, die
Mitangeklagten erhalten Bewährungsstrafen.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 2009 genannt.
100. Farid Guendoul (alias Omar Ben Noui)
Asylbewerber, 28 Jahre
Der 28-jährige Asylbewerber Farid Guendoul (alias Omar Ben Noui) wird in der
Nacht zum 13. Februar in Guben (Brandenburg) von einer Gruppe junger
Rechtsextremisten gejagt. In seiner Panik tritt der Algerier in die Glastür eines
Plattenbaus und zieht sich tödliche Schnittverletzungen zu. Einige Angeklagte
beteiligen sich an der Schändung des in Guben aufgestellten Gedenksteins für
Farid Guendoul. Das Landgericht Cottbus verurteilt 2000 die elf Angeklagten nach
17-monatiger Hauptverhandlung zu Jugendstrafen bis zu drei Jahren. Die
Angeklagten, die sich an der Hetzjagd direkt beteiligt hatten, wurden wegen
fahrlässiger Tötung von Farid Guendoul und gefährlicher Körperverletzung von
Khaled B. schuldig gesprochen. Drei Heranwachsende erhielten Haftstrafen von
zwei Jahren, sechs wurden zu Bewährungsstrafen verurteilt und zwei weitere
Angeklagte lediglich verwarnt. Auf die Revisionen der Nebenkläger und einiger
Angeklagter änderte der Bundesgerichtshof im Oktober 2002 die Schuldsprüche
der Hauptangeklagten auf versuchte Körperverletzung mit Todesfolge. Der
Haupttäter Alexander Bode erhielt eine Jugendstrafe von zwei Jahren. Auch stellte
das Gericht fest, dass alle aktiv an der Verfolgung beteiligten Angeklagten das
gleiche Maß an Verantwortung trügen. Das Strafmaß wurde nicht geändert.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 2009 genannt.
101. Egon
Effertz
Frührentner,
58 Jahre
Der 58-jährige Frührentner Egon Effertz wird am 17. März 1999 in
Duisburg von drei bekennenden rechten Skinheads totgetreten. Aus
purer Lust an der Menschenjagd, wie die Täter später erklären,
schlagen sie auf Effertz ein. Sie brechen seine Rippen und zertreten
den Kehlkopf. Im Prozess vor dem Duisburger Landgericht stellt der
Richter fest: "Das Opfer schrie um Hilfe, Fensterläden wurden
geöffnet, und dennoch half niemand." Im September 1999 wird der
22-jährige Oliver P. wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt.
Die Bundeswehr hatte Oliver P. vor der Tat wegen rechtsextremer
Umtriebe entlassen. Seine Mittäter, der 20-jährige Stefan E. und der
17-jährige Gordon B., erhalten Jugendstrafen von zehn und acht
Jahren.
102.
Peter Deutschmann
Obdachlos,
44 Jahre
Der 44-jährige Obdachlose Peter Deutschmann wird am 9. August
1999 im niedersächsischen Eschede von einem 18-jährigen
Berufslosen und einem 17-jährigen Gymnasiasten mit
Springerstiefeln zu Tode getrampelt. Er hat die beiden wiederholt
aufgefordert, "den Scheiß mit dem Skinhead-Gehabe" zu lassen. Das
Lüneburger Landgericht, das im Januar 2000 fünfjährige
Jugendstrafen wegen Körperverletzung mit Todesfolge verhängt,
meint, die Tat sei nicht politisch motiviert gewesen. Nach der
Haftentlassung gehen die Täter unterschiedliche Wege: Johannes K.
studiert inzwischen Theologie; Marco Siedbürger ist in der
neonazistischen "Nationalen Offensive Schaumburg" aktiv und
erneut wegen Körperverletzungsdelikten verurteilt worden.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung im Februar 2000 in der
Antwort auf eine PDS-Anfrage genannt.
103.
Carlos Fernando
Mosambikaner,
35 Jahre
Der 35-jährige Mosambikaner Carlos Fernando wird am 15. August
1999 in Kolbermoor (Bayern) totgeprügelt. Der Täter Roman G. (31)
hat sich zuvor darüber aufgeregt, dass das Auto seiner Freundin von
Afrikanern zugeparkt worden sei. Das Landgericht Traunstein
verurteilt G. am 16. Mai 2000 wegen Körperverletzung mit
Todesfolge zu zehn Jahren Haft ohne Bewährung. Das Gericht sieht
Ausländerhass nicht als zentrales Motiv an. Die "Nürnberger
Nachrichten" zitieren G. mit den Worten: "Die Drecksneger gehören
alle totgeschlagen".
Dieser Fall wird von der Bundesregierung im Februar 2000 und 2009
genannt.
104.
Patrick Thürmer
17 Jahre
Der 17-jährige Patrick Thürmer wird gemeinsam mit einem Freund
in der Nacht des 3. Oktober 1999 auf dem Heimweg von einem
Punkfestival in Hohenstein-Ernstthal (Sachsen) von drei Männern
überfallen, die mit ihrem Auto Jagd auf Punks machen. Mit einem
Axtstil und einem Billardqueue fügen sie dem schmächtigen, 1,56
Meter großen Malerlehrling tödliche Kopfverletzungen zu.
Vorausgegangen war ein Angriff von drei Dutzend Naziskins auf das
Punkfestival und ein Gegenangriff von Punks auf eine Diskothek im
Ort, in der sie die rechten Schläger vermuteten. Der Malerlehrling
Patrick Thürmer starb "stellvertretend für jene Linken", die an dem
Angriff auf die Diskothek beteiligt gewesen seien, stellt das
Landgericht Chemnitz im September 2000 fest. Einen
rechtsextremen Hintergrund erkennt das Gericht dennoch nicht. Der
23-jährige Haupttäter wird wegen Totschlags zu elf Jahren Haft
verurteilt.
105.
Kurt Schneider
Sozialhilfeempfänger,
38 Jahre
Der 38 Jahre alte Sozialhilfeempfänger Kurt Schneider wird in
der Nacht zum 6. Oktober 1999 von vier Skinheads in BerlinLichtenberg zu Tode gequält. Das Landgericht Berlin
verurteilt im April 2000 zwei 23-jährige, einschlägig
vorbestrafte Täter zu lebenslangen Freiheitsstrafen. Die
beiden anderen Angeklagten, 18 und 19 Jahre alt, werden
nach Jugendstrafrecht zu acht beziehungsweise achteinhalb
Jahren Haft verurteilt. Der Richter sagt zwar, es habe sich
nicht um ein rechtsradikales Delikt gehandelt, verweist aber
auf die Gesinnung der Skinheads.
106. Hans-Werner
Gärtner
37 Jahre
In der Nacht zum 8. Oktober 1999 wird in Löbejün (Sachsen-Anhalt) der
37-jährige Hans-Werner Gärtner mit geistigen Behinderungen von einem
rechten Trio zu Tode gequält. Die Täter im Alter von 25 bis 27 Jahren
trafen ihr Opfer zufällig an einer Tankstelle. Da der 37-Jährige schon
zuvor von einigen aus der Gruppe misshandelt worden war - er galt als
"Dorfdepp", seine Behinderungen waren stadtbekannt - hatte er Anzeige
gestellt. Die Angeklagten behaupteten, sie hätten ihm lediglich "eine
Lektion" erteilen wollen. Sie zwingen ihr unter anderem in einen Gully
zu steigen, schlagen ihn, versuchen ihn im See eines Steinbruchs zu
ertränken, fahren ihn im Auto umher und schlagen ihn erneut. Dann
lassen sie den schwerstverletzten Hilflosen zum Sterben auf einem
Feldweg zurück. Das Landgericht Halle verurteilt die Täter wegen
Mordes zu lebenslangen Haftstrafen. Es habe sich um eine "sinnlose und
niederträchtige Tat an einem Schwächeren, der am Rande der
Gesellschaft stand", gehandelt, so der Vorsitzende Richter bei der
Urteilsverkündung im Oktober 2000.
107.-110. Daniela Peyerl (18), Karl-Heinz
Lietz (54), Horst Zillenbiller (60),
Ruth Zillenbiller (59)
Am 1. November 1999 erschießt der 16-Jährige Martin Peyerl
in Bad Reichenhall (Bayern) vier Menschen: seine Schwester
Daniela Peyerl (18), Karl-Heinz Lietz (54), Horst Zillenbiller
(60) und seine Frau Ruth Zillenbiller (59). Anschließend tötet
der Amokschütze sich selbst. Die Polizei entdeckt bei der
Durchsuchung des Zimmers von Martin Peyerl aufgemalte
Hakenkreuze, Hitlerbilder, Gewaltvideos, rechtsextreme CDs
und ausländerfeindliche Parolen in einem Heft für Notizen.
Laut Staatsanwaltschaft Traunstein ist das Motiv des
Jugendlichen unklar, es liege "in der Persönlichkeit des
Täters". Von Rechtsextremismus könne keine Rede sein, denn
Peyerl habe als "verschlossen und unauffällig" gegolten.
111.
Bernd Schmidt
Obdachlos,
52 Jahre
Der Obdachlose Bernd Schmidt (52) stirbt am 31. Januar 2000 in
Weißwasser (Sachsen) an schweren Kopfverletzungen. Zwei 15Jährige haben Schmidt drei Tage in einer Abrissbaracke geprügelt.
Anfangs hat sich auch ein 16-Jähriger beteiligt. Vor dem Landgericht
Görlitz behaupten zwei Täter, sie wollten von Schmidt 900 Mark für
ein Moped erpressen. Im Urteil sagt das Gericht, ein Täter habe "die
bisher unkorrigierte Fehlhaltung, dass Obdachlose, sozial Schwache
und Ausländer wenig wert sind und kein Recht auf Unversehrtheit
haben." Der 15-Jährige hatte gesagt, Leute wie Schmidt seien
"menschlicher Schrott". Der Angeklagte wird wegen versuchter
räuberischer Erpressung mit Todesfolge und gefährlicher
Körperverletzung zu sieben Jahren Haft verurteilt. Der gleichaltrige
Mittäter erhält viereinhalb Jahre, der 16-Jährige ein Jahr auf
Bewährung.
112. Helmut
Sackers
60 Jahre
Der 60-jährige Helmut Sackers wird am 29. April 2000 von einem 29-jährigen
Rechtsextremisten im Treppenhaus eines Plattenbaus in Halberstadt (Sachsen-Anhalt)
erstochen. Der engagierte Sozialdemokrat hatte zuvor die Polizei gerufen, weil der
spätere Täter Andreas S. lautstark Nazimusik, darunter das "Horst Wessel-Lied",
abgespielt hatte. Bei einer Durchsuchung der Wohnung von S. findet die Polizei mehr als
80 rechtsextremistische CDs, Videos mit Aufrufen zum Mord an politischen Gegnern und
90 neonazistische Propagandahefte. Das Landgericht Magdeburg spricht P. im
November 2000 in erster Instanz wegen "Notwehr" vom Vorwurf der Körperverletzung
mit Todesfolge frei. Im Prozess kommen die politischen Hintergründe der Tat nicht zur
Sprache.
Im Juli 2001 hebt der 4. Senat des Bundesgerichtshofs den Freispruch auf und verweist
den Fall zur erneuten Verhandlung an das Landgericht Halle. Im Juli 2001 hebt der 4.
Senat des Bundesgerichtshofs den Freispruch auf und verweist den Fall zur erneuten
Verhandlung an das Landgericht Halle. Im April 2005 lobt der Vorsitzende Richter, Klaus
Lilie, Helmut Sackers für seine Zivilcourage und spricht den Angeklagten Andreas S.
nach acht achtmonatiger Hauptverhandlung dann erneut frei. Bei den vier Messerstichen
gegen das 30 Jahre ältere und erkrankte Opfer habe es sich um einen "intensiven
Notwehrexzess" gehandelt. Die Staatsanwaltschaft hatte sechseinhalb Jahre Haft für
Andreas S. wegen gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge gefordert.
113. Dieter Eich
Sozialhilfeempfänger,
60 Jahre
Vier Rechtsextremisten überfallen im Berliner Bezirk Pankow
den Sozialhilfeempfänger Dieter Eich. Der 60-Jährige wird in
der Nacht zum 25. Mai 2000 in seiner Wohnung
zusammengeschlagen und erstochen. Als Motiv nennen die
Täter "einen Assi klatschen". Polizei und Staatsanwaltschaft
teilen erst drei Monate nach dem Verbrechen mit, dass die
Täter der rechten Szene zuzuordnen sind.
114. Falko
Punk,
Lüdtke
22 Jahre
Der 22-jährige Punk Falko Lüdtke wird am 31. Mai 2000 in Eberswalde
von einem Angehörigen der rechten Szene vor ein Taxi gestoßen und
überfahren. Laut Zeugenaussagen hat Lüdtke den 27-jährigen Mike B.
zuvor wegen dessen Hakenkreuz-Tätowierung am Kopf kritisiert. Es
folgt ein Streit, der während einer Busfahrt fortgesetzt wird. Opfer und
Täter steigen gemeinsam aus dem Bus aus und prügeln sich. Mike B. gibt
bei der polizeilichen Vernehmung zu, Lüdtke auf die Straße geschubst zu
haben, bestreitet aber politische Motivation und Vorsatz. Sieben Monate
nach dem Tod des Punks in Eberswalde verurteilt das Landgericht
Frankfurt (Oder) Mike B. zu viereinhalb Jahren Haft wegen
Körperverletzung mit Todesfolge. Ausdrücklich sagte die Vorsitzende der
Kammer, Falko Lüdtke habe " aus Zivilcourage" gehandelt und
keineswegs provoziert, als er B. auf seine Hakenkreuz-Tätowierung
ansprach. "Aus dem Tragen des Hakenkreuzes lässt sich die
Überzeugung ableiten", so die Vorsitzende.
115.
Alberto Adriano
Mosambikaner, 39 Jahre
Der 39-jährige Mosambikaner Alberto Adriano wird am 11.
Juni 2000 in Dessau von drei Skinheads schwer misshandelt
und stirbt am 14. Juni 2010. Das Oberlandesgericht Halle
verurteilt den 24-jährigen Enrico H. am 30. September 2000
zu lebenslanger Haft. Der 16-jährige Christian R. und der
gleichaltrige Frank M. erhalten eine Haftstrafe von jeweils
neun Jahren. Frank M. sagt während der Verhandlung: "Ich
hab den Neger getreten, weil ich ihn hasse." Das
Oberlandesgericht stellt fest: "Rechtsextreme Straftäter sind
überdurchschnittlich gewaltbereit."
Dieser Fall wird von der Bundesregierung im September 2000
in der Antwort auf eine Anfrage der PDS-Fraktion sowie 2009
genannt.
116. Thomas Goretzky, 35 Jahre Polizist
117. Yvonne Hachtkemper, 34 Jahre Polizistin
118. Matthias Larisch von Woitowitz
35 Jahre Polizist
Der 31-jährige Rechtsextremist Michael Berger erschießt am 14. Juni 2000 in Dortmund
und Waltrop (bei Recklinghausen) drei Polizisten und anschließend sich selbst. Der 35jährige Polizeikommissar Thomas Goretzky und seine Kollegin wollen den nicht
angeschnallten Berger kontrollieren, als er plötzlich das Feuer eröffnet. Goretzky stirbt
sofort. Auf der Flucht erschießt Berger an einer Ampel die Polizisten Yvonne
Hachtkemper (34) und Matthias Larisch von Woitowitz (35). In der Wohnung des Täters
findet die Polizei später zwei Pistolen, drei Revolver, eine Splitterhandgranate,
Munition, Messer und Bergers DVU- und Republikaner-Mitgliedsausweise. Auf seinem
Auto klebt das Logo der Naziband "Landser". Auf einem zweiten Aufkleber steht die
Forderung: "Töte sie alle...Gott wird seine Wahl treffen." Seinen früheren Arbeitsplatz
hatte der Neonazi wegen seiner rechtsextremen Gesinnung verloren. Nach der Tat prüft
die Polizei, ob Berger einen rechtsterroristischen Anschlag vorbereitete und dachte er
sei aufgeflogen. Später tauchen in der Stadt Aufkleber der Kameradschaft Dortmund
auf: "Berger war ein Freund von uns. 3:1 für Deutschland." Die Trauerstätte für die
Toten wird verwüstet und mit dem Spruch "Scheiß Bullen! Krepieren sollen sie alle!"
beschmiert. In Sicherheitskreisen heißt es jetzt, in der Rückschau sei zu vermuten, dass
der Rechtsextremist in wahnhaftem Hass auf das System die Polizisten ermordet hat.
119.
Klaus-Dieter Gerecke
Obdachlos
Der Obdachlose Klaus-Dieter Gerecke wird in der Nacht zum
24. Juni 2000 in Greifswald erschlagen. Als Tatverdächtige
nimmt die Polizei einen 20-jährigen Mann und zwei 18 Jahre
alten Frauen fest. Sie sollen von dem Obdachlosen Bier und
Geld verlangt haben. Die drei Tatverdächtigen werden der
rechten Szene zugeordnet. Im Dezember 2000 verurteilt sie
das Landgericht Stralsund zu langjährigen Freiheitsstrafen,
erkennt aber kein rechtsextremes Motiv. Im Januar 2010 sagt
der zuständige Polizeisprecher Axel Falkenberg dazu, das
Gericht habe zwar pauschal "niedrige Beweggründe"
festgestellt, "von der Motivlage her ging es aber eindeutig
gegen Obdachlose."
120. Jürgen
S.
Obdachloser,
52 Jahre
Am 9. Juli 2000 überfallen fünf Rechtsextremisten in einem
Abrisshaus in Wismar den Obdachlosen Jürgen S. Der 52Jährige wird mit Schlägen und Tritten so schwer misshandelt,
dass er kurze Zeit später seinen Verletzungen erliegt. Laut
Polizei handelt es sich bei den geständigen Tätern um
Rechtsextremisten. Dennoch kann die Tötung des
Obdachlosen nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Schwerin
nicht als rechtsextreme Tat gewertet werden. Von
einschlägigen Tätowierungen dürfe nicht auf die Gesinnung
geschlossen werden, so die Richter. Der 21-jährige
Haupttäter wird wegen Mordes zu einer lebenslangen
Freiheitsstrafe verurteilt.
121. Norbert
Plath
Obdachloser,
51 Jahre
Der 51 Jahre alte Obdachlose Norbert Plath wird am 27. Juli
2000 in Ahlbeck (Vorpommern) von vier jungen
Rechtsextremisten zu Tode geprügelt. In den Vernehmungen
bei der Polizei nennen die Täter ihr Motiv: "Hass auf
Obdachlose". Einer sagt, "Asoziale und Landstreicher gehören
nicht ins schöne Ahlbeck."
Dieser Fall wird von der Bundesregierung im September 2000
und 2009 genannt.
122. Malte
Lerch
Obdachloser, 45 Jahre
Der Obdachlose Malte Lerch wird in der Nacht zum 12. September 2000
in Schleswig von zwei Skinheads erschlagen. Die beiden Rechtsextremisten hatten mit dem 45 Jahre alten Mann auf einer Wiese gezecht,
dann gab es Streit. Laut Staatsanwaltschaft Flensburg fühlten sich die
Täter von dem Opfer beleidigt. Bei der Polizei haben die beiden 23jährigen ausgesagt, der Obdachlose habe schlecht über die SkinheadSzene gesprochen. Dennoch sahen weder die Staatsanwaltschaft noch
das Landgericht Flensburg ein rechtes Motiv. "Die haben den Mann
zusammengeschlagen und schlichtweg verrecken lassen", sagte der
Leitende Oberstaatsanwalt Rüdiger Meienburg. Im Juli 2001 verurteilte
das Landgericht die beiden Skinheads zu jeweils sieben Jahren Haft
wegen gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge. Die Staatsanwaltschaft hatte für jeden Täter 12 Jahre wegen Totschlags verlangt und
beantragte nach dem Urteilsspruch Revision.
Von der Bundesregierung wird der Fall im Februar 2001 und 2009
genannt.
123.
Eckhardt Rütz
Obdachloser,
42 Jahre
Am frühen Morgen des 25. November 2000 wird der Obdachlose
Eckhardt Rütz in Greifswald vor der Mensa der Universität von drei
rechten Skinheads mit Baumstützpfählen zusammengeschlagen. Die
Täter traktieren das Opfer auch mit Tritten. Der 42-jährige Rütz
stirbt am nächsten Tag an seinen schweren Kopfverletzungen. Bei
ihrer Vernehmung sagen die Schläger, weil "so einer wie Rütz dem
deutschen Streuerzahler auf der Tasche liegt", habe man dem
Obdachlosen eine Lektion erteilen wollen. Ein 16-jähriger Angreifer
war laut Staatsanwaltschaft bis kurz vor der Tat Mitglied der NPD.
Im Juni 2001 verurteilt das Landgericht Stralsund die 16-jährigen
Maik J. und Marcel L. wegen Mordes zu Jugendstrafen von
siebeneinhalb und sieben Jahren. Der 21-jährige Maik M. erhält zehn
Jahre Haft.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 2009 genannt.
124. Belaid
Baylal
Asylbewerber,
42 Jahre
Am 4. November 2000 starb er an den Spätfolgen eines
Angriffs zweier Skinheads am 8. Mai 1993 in einer Gaststätte
in Belzig (Brandenburg). Er war seinerzeit beschimpft und
verprügelt worden und hatte mit lebensgefährlichen
Verletzungen am Dünndarm ins Krankenhaus eingeliefert
werden müssen. Er starb schließlich am dritten
Darmverschluss.
125.
Willi Worg
38 Jahre
In der Nacht zum 25. März 2001 wird der 38-jährige Willi Worg in Milzau (Sachsen-Anhalt) von
fünf jungen Männern zusammengeschlagen. Drei Tage später stirbt er an seinen schweren
Verletzungen. Fast alle Organe im Bauch sind gerissen. Die Staatsanwaltschaft Halle zählt die
Täter zur rechten Szene und spricht von "unglaublicher Brutalität". Dennoch vermutet die
Behörde unpolitische "Rache", weil das Opfer einige Monate vor dem Angriff den 19-jährigen
Haupttäter wegen unterlassener Hilfeleistung bei einem Verkehrsunfall angezeigt hat.
Außerdem hätten die Schläger von Worg Geld verlangt, bevor sie ihn traktierten. So lautet die
Anklage auf versuchten Raub und Körperverletzung mit Todesfolge.
Die Jugendkammer des Landgerichts Halle bewertet die Motivation der Täter anders. Am 13.
November 2001 werden die fünf Angeklagten wegen Mordes und Beihilfe zum Mord zu Strafen
zwischen vier und acht Jahren Haft verurteilt. In der Urteilsbegründung sagt die Vorsitzende
Richterin, die Täter hätten Worg "regelrecht zertreten". Die Kammer sehe einen
Zusammenhang zwischen der brutalen Tat und der rechten Gesinnung der Schläger. "Erst in
der Gruppe, die die Gewalt und die Morde der Altvorderen verherrlicht, bekamen sie die
Einstellung, eine solch furchtbare Sache zu machen", sagt die Richterin. Geltungsbedürfnis und
falsch verstandene Kameradschaft, gepaart mit Menschenverachtung und Gleichgültigkeit,
hätten zu der Tat geführt. Der 19-jährige Haupttäter gibt sich jedoch unbelehrbar: In der
Untersuchungshaft lässt er sich ein Hakenkreuz auf den Bauch tätowieren. Obwohl der
damalige Landesinnenminister Klaus-Jürgen Jeziorsky (CDU) im Juni 2002 dem
Fernsehmagazin Panorama sagt, die Sicherheitsbehörden werteten Worgs Tod als politisches
Delikt, wird die Tat in keiner offiziellen Statistik als rechts motiviert aufgeführt.
126.
Mohammed Belhadj
Asylbewerber, 31 Jahre
In der Nacht zum 22. April 2001 wird nahe Jarmen (Vorpommern) der 31-jährige
Asylbewerber Mohammed Belhadj erschlagen. Als Täter werden vier Männer aus
Greifswald im Alter zwischen 18 und 22 Jahren ermittelt. Einer nimmt sich in der
Untersuchungshaft das Leben. Im Prozess am Landgericht Neubrandenburg behaupten
die unter anderem wegen Gewaltdelikten vorbestraften Angeklagten, sie hätten den
Algerier auf Haschisch angesprochen und dann sei es während der Autofahrt zum Streit
gekommen, weil Belhadj den Weg zum Wohnheim nicht mehr sicher sagten konnte und
die Angeklagten sich um den in Aussicht gestellte Haschisch-Deal betrogen fühlten.
Daher begannen sie den 31-Jährigen schon im Auto u.a. als "Penner" zu beschimpfen
und zu schlagen. An einem Kiessee bei Zarrenthin zerrten sie ihr Opfer aus dem Wagen,
traten und schlugen auf den am Boden Liegenden ein und zerrten ihn schließlich zum
Ufer des Kiessees. Dort zwangen sie ihn, im Wasser zu knien, dann warf der 18-jährige
Haupttäter dem Opfer einen Stein ins Gesicht. Belhadj fiel dadurch ins Wasser, wo er
ertrank. Als einer der Schläger auf dem Nachhauseweg fürchtet, Belhadj sei tot, sagt ein
Kumpan: "Mach dich doch nicht fertig. Es war doch nur ein Scheiß-Ausländer." Im März
2002 verurteilt das Landgericht Neubrandenburg die drei Angeklagten wegen Mordes zu
Jugendstrafen zwischen fünfeinhalb und neun Jahren. Der 18-jährige Haupttäter sei in
"menschenverachtender Weise" mit seinem Opfer umgegangen stellte das Gericht fest.
Einen ausländerfeindlichen Hintergrund erwähnen die Richter nicht.
127.
Fred Blanke
Frührentner,
51 Jahre
Am 26. März 2001 wurde er in seiner Wohnung in Grimmen
(Mecklenburg-Vorpommern) von zwei jungen Männern der
rechten Szene getreten und mit Stuhlbeinen und
Faustschlägen geschlagen. Die beiden waren auf Zechtour
und benötigten Geld, doch Fred Blanke hatte sich geweigert
den ihm flüchtig bekannten Angreifern Geld zu geben. Er
starb an Gehirnblutungen.
128. Dieter
Manzke
Obdachlos,
61 Jahre
In der Nacht zum 9. August 2001 wird in Dahlewitz (Brandenburg) der Obdachlose
Dieter Manzke von fünf jungen Männern in einem leer stehenden Gartenbungalow
erschlagen. Vorher misshandeln sie den 61-Jährigen, drücken Zigaretten in
seinem Gesicht aus und brechen ihm 16 Rippen. Bei ihrer Festnahme geben die
Täter an, sie hätten sich von dem stadtbekannten Obdachlosen "gestört gefühlt"
und "Ordnung schaffen" wollen. Im April 2002 verurteilt die Jugendkammer des
Landgerichts Potsdam vier der fünf Angeklagten im Alter zwischen 17 und 22
Jahren im April 2002 wegen Mordes zu Haft- und Jugendstrafen zwischen sieben
und dreizehn Jahren. Lediglich im Fall des jüngsten Angeklagten erkannte die
Kammer auf Totschlag und verurteilte den 17-Jährigen zu einer Jugendstrafe von
fünf Jahren. "Dieter Manzke musste sterben, weil er als Penner und Suffi den in
der Nachbarschaft lebenden Angeklagten Dirk R. störte", stellte der Vorsitzende
Richter Klaus Przybylla in seiner Urteilsbegründung fest. Der Vorsitzende Richter
betonte, das Tatgeschehen habe zwar keinen rechtsradikalen Hintergrund, es sei
aber nach den reformierten Kriterien des Bundeskriminalamtes zur Erfassung
politisch motivierter Kriminalität als "politisch motiviert" zu werten. Denn die Tat
habe sich gegen den gesellschaftlichen Status des Opfers gerichtet.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 2009 genannt.
129.
Klaus-Dieter Harms
61 Jahre
In Wittenberge (Brandenburg) prügeln am 9. August 2001
zwei Männer den alkoholkranken Klaus-Dieter Harms in
seiner Wohnung zu Tode. Die Staatsanwaltschaft Neuruppin
sieht kein rechtes Motiv. Dass die Täter nach wenigen
Stunden gefasst wurden, ist allerdings der Aussage einer
Zeugin zu verdanken. Sie hatte einen der Schläger als
Rechtsextremisten beschrieben. Er habe auf der Straße
mehrmals den Hitlergruß gezeigt. Im Urteil des Landgerichts
Neuruppin zum Tod von Klaus-Dieter Harms (61) sprechen
Indizien für ein sozialdarwinistisches Motiv beider Täter. Das
Gericht nennt "Mordlust", sagt aber auch, die Täter hätten
Harms als verachtungswürdigen Menschen gesehen und ohne
jeden Anlass gequält.
130. Doris
Botts
Geschäftsfrau,
54 Jahre
Mit 13 Messerstichen in den Oberkörper und das Gesicht tötet der 19-jährige
Rechtsextremist Frank R. am 17. August 2001 in Fulda (Hessen) die
Inhaberin eines Military Geschäfts. Anschließend raubt er Kleidung und
Bargeld im Wert von mehreren hundert Euro. Die 54-jährige Doris Botts
verblutet, nachdem der Angreifer ihr die Kehle durchschneidet. In einem der
Prozesse zur Tat stellt sich heraus, dass es sich für Frank R. um ein
Aufnahmeritual in die Thüringer Neonaziorganisation "Deutsche Heidenfront"
handelte. Laut Aussage des Täters stiftete ihn ein Freund, mit dem er in einer
rechtsextremen Metal-Band spielte, mit den Worten "Fahr nach Fulda und
mach die Alte kalt" zu dem Mord an. In der Untersuchungshaft misshandelt
R. einen Mithäftling, tritt auf ihn ein und drückt ihm eine glühende Zigarette
auf der Stirn aus. Das Landgericht Erfurt verurteilt R. im März 2002 nach
Jugendstrafrecht wegen Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge zu
neun Jahren und zwei Monaten Haft. Laut Gericht ging es Frank R. "in
Erfüllung des ihm erteilten Auftrages in erster Linie um die Tötung der Frau
Botts". Dieses Motiv sei "Tatantrieb und tatbeherrschend" gewesen. Der
mutmaßliche Anstifter wird allerdings später freigesprochen.
131. Arthur Lampel
Aussiedler, 18 Jahre
Dem aus Russland stammenden Aussiedler wurde am 9.
September 2001 bei einem Fest in Bräunlingen (BadenWürttemberg) von einem Skinhead ein Weizenbierglas auf
den Kopf geschlagen. Ein Splitter drang in die Halsschlagader
ein, woran Arthur Lampel schließlich verblutete.
132. Ingo
B.
36 Jahre
Am 6. November 2001 wurde der Herzkranke in einer Berliner
Wohnung von drei angetrunkenen Rechtsextremisten
getreten, geschlagen und gewürgt, da sie angeblich 40 DM
Schulden eintreiben wollten. Er starb daraufhin an einem
Herzinfarkt.
133. Kajrat
Batesov
Aussiedler,
24 Jahre
Der Aussiedler Kajrat Batesov (24) wird am 4. Mai 2002 in
Wittstock von jungen Männern verprügelt. Ein Angreifer wirft
einen knapp 18 Kilo schweren Stein auf Batesov. Knapp drei
Wochen später stirbt er im Krankenhaus Pritzwalk. Der
Anlass für die Schlägerei lässt sich im Prozess am
Landgericht Neuruppin nicht genau klären. Die Kammer
verweist im Urteil auf "diffuse Fremdenfeindlichkeit", sieht
aber kein rassistisches Motiv. Der Haupttäter wird zu zehn
Jahren Haft wegen Totschlags verurteilt, die vier
Mitangeklagten erhalten Strafen zwischen sieben Jahren und
einem Jahr auf Bewährung.
134.
Ronald Masch
Dachdecker,
29 Jahre
Der Dachdecker Ronald Masch (29) wird am 1. Juni 2002 auf
einem Feld bei Neu Mahlisch (Brandenburg) von vier
Neonazis misshandelt. Ein Täter sticht etwa 40 Mal zu. Die
Täter hätten Masch ausrauben wollen, sagt die
Staatsanwaltschaft. Es gebe kein rechtes Motiv. Ohne die
Gesinnung sei aber die extreme Brutalität nicht vorstellbar,
heißt es in Justizkreisen. Die Angeklagten hätten in Verhören
die Menschheit in "Kameraden" und den minderwertigen Rest
unterteilt.
135.
Klaus Dieter Lehmann
19 Jahre
Am 15. Mai 2002 lud der geistig und körperlich Behinderte
zwei betrunkene rechte Skinheads in sein Zimmer in
Neubrandenburg (Mecklenburg-Vorpommern) ein. Dort rissen
sie Poster afroamerikanischer HipHop-Sänger von den
Wänden. Danach gingen sie gemeinsam zu einem See, und da
er "genervt" habe, schlugen ihn die beiden Täter zu Boden,
ehe einer der Skinheads ihm mit Tritten den Kopf
zertrümmerte. Klaus Lehmann starb an Hirnquetschungen.
136. Marinus
Schöberl
17 Jahre
Der 17 Jahre alte Marinus Schöberl wird am 12. Juli 2002 im brandenburgischen Dorf Potzlow von drei jungen
Rechtsextremisten zu Tode gequält. Zunächst schlagen die Täter, zwei Brüder im Alter von 17 und 23 Jahren
sowie ein weiterer 17-Jähriger, bei einem Besäufnis in einer Privatwohnung auf Schöberl ein. Die Schläger
halten das Opfer für minderwertig. Schöberl leidet an Sprachstörungen, außerdem entsprechen seine
blondierten Haare und weiten Hosen nicht dem Geschmack der Rechtsextremisten. Sie pöbeln den wehrlosen
Jugendlichen an, "sag, dass du ein Jude bist". Die Täter flößen Schöberl zwischen den Schlägen Bier und
Schnaps ein, außerdem urinieren sie auf seinen Kopf und Körper. Mindestens zwei erwachsene Augenzeugen
beobachten die Misshandlung, helfen aber dem erkennbar wehrlosen Opfer nicht. Schließlich zerren die Schläger
Marinus Schöberl in einen stillgelegten Schweinestall. Der schon schlimm zugerichtete Jugendliche wird weiter
geprügelt und gezwungen, in den Rand eines Schweinetrogs zu beißen. Als das Opfer am Boden liegt, versetzt
ihm einer der Täter gezielte Tritte an den Kopf, so wie er es in einem US- Film über Skinheads gesehen hat. Nach
mehr als vier Stunden Folter ist Schöberl tot. Die Täter verscharren den Jugendlichen in einer Jauchegrube. Erst
im November 2002 wird die Leiche entdeckt. Einer der Schläger hat in Potzlow mit seiner Tat geprahlt. Die
Staatsanwaltschaft Neuruppin hat die Täter wegen Mordes angeklagt. "Das war eindeutig eine rechte Tat", heißt
es in der Behörde. Einer der Rechtsextremisten verprügelt einige Wochen nach dem Tod von Marinus Schöberl
einen afrikanischen Asylbewerber im nordbrandenburgischen Prenzlau. Zwei Potzlower Augenzeugen der
Misshandlung Schöberls müssen sich wegen unterlassener Hilfeleistung verantworten. Im Oktober 2003
verurteilt das Landgericht Neuruppin den zur Tatzeit 17-Jährigen zu zwei Jahren Jugendstrafe. Der Haupttäter
erhielt 8,5 Jahre Jugendstrafe. Sein erwachsener Bruder erhielt 15 Jahre Freiheitsstrafe wegen versuchten
Mordes. Für beide Verurteilten wirkten sich ihre Alkoholisierung und ein niedriger Intelligenzquotient
strafmildernd aus. Im Dezember 2004 revidierte der Bundesgerichtshof in Leipzig das Urteil. Eine andere
Kammer des Landgerichts Neuruppin verhängte deshalb über den nach dem ersten Urteil Entlassenen drei Jahre
Jugendstrafe. Im Sommer 2008 wurde der Haupttäter nach sechs Jahren Haft entlassen und die Reststrafe zur
Bewährung ausgesetzt.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 2009 genannt.
137.
Ahmet Sarlak
Türke,
19 Jahre
In Sulzbach (Saarland) sticht am 9. August 2002 ein Neonazi
dem Türken Ahmet Sarlak (19) in Bauch und Brust. Das Opfer
ist am nächsten Tag tot. Bei der Durchsuchung der TäterWohnung findet die Polizei Fahnen mit NS-Symbolen. Das
Landgericht Saarbrücken verurteilt den Neonazi zu sechs
Jahren Haft. "Was den Angeklagten zu seiner Tat veranlasst
hat, weiß nur er selbst", heißt es im Urteil.
138.
Hartmut Balzke
48 Jahre
Am 27. Januar 2003 stirbt in Erfurt der 48-jährige Hartmut Balzke nach
einem Angriff von zwei rechten Schlägern auf Punks. Balzke hat zwei Tage
zuvor seinen Sohn zu einer Punk-Party in Erfurt begleitet. Dort versuchten
sich zwei Rechte Zugang zu verschaffen. Nachdem sie abgewiesen wurden,
provozierten sie schließlich eine Schlägerei auf offener Straße. Wenig später
fanden Zeugen den sozial randständigen Balzke und einen weiteren Punk mit
schweren Kopfwunden. Die Staatsanwaltschaft Erfurt ermittelte schnell
gegen einen 23- jährigen Rechten als Haupttäter, der wegen
Körperverletzung und Zeigen des Hitlergrußes unter Bewährung stand. Das
Landgericht Erfurt lehnte die Eröffnung der Hauptverhandlung in 2006
jedoch mit der Begründung "es habe sich um eine Schlägerei mit Todesfolge
gehandelt" zunächst ab; nach einer Entscheidung des OLG Thüringen kam es
dann fünf Jahre nach dem Angriff am Landgericht Erfurt im Sommer 2008 zur
Hauptverhandlung, die mit einer Verurteilung des 23-jährigen Ex-Rechten
wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Bewährungsstrafe von zwei
Jahren endete. Einen rechten Hintergrund wollte das Gericht nicht erkennen.
139.
Andreas Oertel
geistig Behinderter,
40 Jahre
Der geistig behinderte Andreas Oertel wird am 20. und 21. März 2003 in seiner
Wohnung in Naumburg mehrfach von einer mehrköpfigen Gruppe - zwei
erwachsene Brüder und mehrere Jugendliche aus "sozial schwierigen
Verhältnissen" im Alter zwischen 15 und 17 Jahren - zusammengeschlagen,
gewürgt und ausgeraubt. Das 40-Jährige Opfer stirbt am 21. März 2003 aufgrund
von massiven Schlägen und Tritten gegen den Kopf. Nachdem mehrere
Jugendliche mit der Tat geprahlt hatten, informiert ein anonymer Anrufer die
Polizei über den Tod von Andreas Oertel. Als Grund für die Misshandlungen geben
mehrere Tatbeteiligte gegenüber Polizei und Gericht an, das als homosexuell
bekannte Opfer habe 14- bis 16-Jährigen aus dem Umfeld ihrer Clique Geld für
sexuelle Handlungen angeboten. Das Landgericht Halle stellt im Urteil fest, die
Gruppe, die ihr Opfer als "Kinderficker" bezeichnet habe, habe den 40-Jährigen für
sein Fehlverhalten bestrafen, aber nicht töten wollen. Im August 2004 verurteilt
das Gericht zwei vorbestrafte Brüder im Alter von 26 und 29 Jahren daher wegen
Raubes mit Todesfolge zu 15 bzw. 14 Jahren und sechs Monat Haft. Drei
jugendliche Mittäter werden in einem gesonderten Verfahren zu achteinhalb bis
neunjährigen Jugendstrafen verurteilt.
140.
Enrico Schreiber
Punk,
25 Jahre
Drei rechtsextreme Skinheads misshandeln in der Nacht zum 29. März
2003 in Frankfurt (Oder) den ehemaligen Punk Enrico Schreiber (25) so
schwer, dass er wenige Stunden später in einem Krankenhaus stirbt.
Während der mehr als zweistündigen Folter in einer Plattenbauwohnung
springt ein Täter, Stephan B. (20), auf Schreiber herum, schlägt ihn mit
einer Metallstange und versetzt ihm Messerstiche in ein Bein. Die Brüder
Marco S. (26) und Daniel S. (21) prügeln mit. Am Ende der Tortur
stehlen die Schläger noch eine Playstation, Schreibers Handy und sein
Bargeld. Im Prozess berichten mehrere Zeugen, die Skinheads hätten
nach der Tat geäußert, "es war ja nur ein Punk". Das Landgericht
Frankfurt (Oder) wertet den Gewaltexzess als Mord und verurteilt im
Dezember 2003 Marco S. zu zwölf Jahren Haft, Bruder Daniel erhält
sieben Jahre Jugendstrafe, bei Stephan B. sind es acht Jahre. Das
Gericht sieht keine Anzeichen für eine rechte Straftat, betont aber, dass
die Gesinnung der Täter "nicht zu übersehen war".
141. Gerhard Fischhöder
Obdachloser,
49 Jahr
Gerhard Fischhöder wird in der Nacht zum 10. Juli 2003 in seiner
Wohnung in einer Obdachlosenunterkunft in Scharnebeck bei
Lüneburg (Niedersachsen) zu Tode getreten. Der 38-jährige
Angreifer hatte vorher mit seinem Opfer stundenlang getrunken. Als
Fischhöder ihn "arbeitsscheu" nennt, tritt er plötzlich auf den 49Jährigen ein. Insgesamt 18 gebrochene Rippen durchspießen die
Lunge. Anwohner berichten, dass der Täter zu einer Neonaziclique
gehörte, die regelmäßig vor dem Obdachlosenheim durch Pöbeleien,
Gewalt und zeigen des Hitlergrußes auffiel. Der Täter wird im
Dezember 2003 wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu vier
Jahren Haft verurteilt. Das Gericht legte es zu seinen Gunsten aus,
dass er sich durch die Bezeichnung als arbeitsscheu "subjektiv
gekränkt" gefühlt hätte.
142.-144.
Rechtsanwalt Hartmut Nickel 45 Jahre
Tochter Alja Nickel 26 Jahre
Ehefrau Mechthild Bucksteeg 53 Jahre
Mit einer Pumpgun betrat Thomas A. am 7. Oktober 2003 die Kanzlei des Rechtsanwalts Hartmut Nickel
in Overath (Nordrhein-Westfalen). Der 45-jährige, der nach eigenen Angaben in den achtziger Jahren
im südlichen Afrika als Söldner tätig war, erschoss nacheinander den Anwalt, seine Tochter Alja Nickel
(26) und seine Ehefrau, Mechthild Bucksteeg (53). Nickel hatte Jahre zuvor in einem Streit um
Mietschulden A.s die Gegenseite vertreten. Der bekennende Rechtsextremist musste daraufhin ein
Gehöft verlassen, auf dem er Treffen mit Neonazis veranstaltet hatte. Bei der Bluttat von Overath trug
A. am Hemdkragen SS-Runen. Am nächsten Morgen verfasste er ein Flugblatt mit der Überschrift
"Deutsches Volk!" und schreibt darin, "Teile der in der Schutzstaffel zusammengefassten Deutschen
Streitkräfte" hätten nun "mit der Befreiung des Reichsgebietes und der strafrechtlichen Verfolgung der
Hochverräter begonnen". Am 14. Oktober werden A. und seine 19-jährige Freundin Jennifer D., die bei
der Tat geholfen hatte, festgenommen. Das Landgericht Köln verurteilt A. im Dezember 2004 wegen
Mordes, mit besonderer Schwere der Schuld, zu lebenslanger Haft mit anschließender
Sicherungsverwahrung. Diese sei nötig, weil - so die Richter - A. "den bewaffneten Kampf nach seiner
Haftentlassung fortzusetzen gedenkt". Die Komplizin erhält siebeneinhalb Jahre Jugendstrafe. Die
Strafkammer beschreibt im Urteil, wie A. nach dem Mord an Mechthild Bucksteeg, die ihn am
Eindringen in die Kanzlei hatte hindern wollen, seine Hemmung zur Tötung des Anwalts und dessen
Tochter überwand: "Er versetzte sich gedanklich in die Position des von ihm erdachten
Sturmbannführers Hans Völker, dessen Pflicht es sei, gemäß den fortgeltenden Reichsgesetzen und
Führerbefehlen Hochverräter, Kollaborateure und Staatsfeinde - hier: Hartmut und Alja Nickel - zu
töten." Außerdem heißt es, die NS-Anschauung habe A. "ein Handeln mit Härte, Entschlossenheit und
ungerührtem Vollstreckerwillen" ermöglicht". In der Statistik rechts motivierter Tötungsdelikte wird
der Dreifach-Mord trotzdem nicht aufgenommen.
145.-147.
Viktor Filimonov (15), Waldemar Ickert
und Aleksander Schleicher (17)
(16)
Der Skinhead Leonhard S. (17) ersticht am 19. Dezember
2003 in Heidenheim (Baden-Württemberg) die Spätaussiedler
Viktor Filimonov (15), Waldemar Ickert (16) und Aleksander
Schleicher (17). Die Opfer waren nahe einer Diskothek mit
dem Rechtsextremisten in Streit geraten. Leonhard S. sticht
gezielt in die Herzen der Opfer, so wie er es in seiner Clique
geübt hatte. Das Landgericht Ellwangen verurteilt S. im Juli
2004 zu neun Jahren Jugendstrafe wegen Totschlags. Die Tat
sei nicht rassistisch motiviert, aber ohne den
ausländerfeindlichen Hintergrund des Angeklagten nicht
erklärbar, sagt die Kammer. Die Staatsanwaltschaft spricht
noch heute von einem "Kapitalverbrechen mit
rechtsextremem Hintergrund".
148. Oleg Valger
Russischer Spätaussiedler,
27 Jahre
Der 27-jährige russische Spätaussiedler Oleg Valger wird am 20.
Januar 2004 in Gera (Thüringen) nach einem gemeinsamen
Trinkgelage mit vier rechten Jugendlichen getötet. Nach einem
Streit haben die 14- bis 19-Jährigen den ihnen aus der
Nachbarschaft in einer Plattenbausiedlung bekannten
Spätaussiedler in ein Wäldchen gelockt und verletzen ihn tödlich mit
Tritten, Messerstichen und Hammerschlägen. Nach dem Tod Valgers
sagt einer der Täter: "Wenigstens eine Russensau weniger." Das
Landgericht Gera spricht von einer menschenverachtenden
Gesinnung, die in der Tat zum Ausdruck komme, erkennt aber
keinen fremdenfeindlichen Hintergrund. Im Juli 2004 werden die
Haupttäter wegen Mordes zu Jugendstrafen von neun und zehn
Jahren verurteilt.
149.
Martin Görges
46 Jahre
In Burg (Sachsen-Anhalt) wird am 30. Januar 2004 der 46-jährige Martin
Görges von fünf jungen Männern aus der rechten Szene getötet. Die 16 bis
22-Jährigen geben bei der Polizei an, sie hätten ihr Opfer angegriffen, weil er
ein "Kinderschänder" gewesen sei. Ihr Opfer haben sie bei einer
Tanzveranstaltung kennen gelernt. Zunächst will einer der jungen Männer
aus der Clique verhindern, dass seine Mutter mit dem "Asozialen" tanzt.
Dann erfährt die Clique, dass den wohnungslosen Görges wegen schweren
sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Haft gesessen hatte. Die
Rechtsextremisten schlagen Görges vor der Diskothek zusammen und lassen
ihn schwer verletzt zurück. Einige Zeit später kommen die Täter wieder und
töten ihr Opfer durch einen "Bordsteinkick" - sie zertrümmern seinen
Hinterkopf mit Fußtritten auf einer Bordsteinkante. Vor Gericht geben sie den
Film "American History X" über einen US-amerikanischen Neonazi als Vorbild
an. Die Täter erhalten Jugendstrafen zwischen drei und sieben Jahren. Das
Landgericht Stendal stellte im Urteil fest, die Tatsache, dass es sich bei dem
Opfer um einen "Kinderschänder" gehandelt habe, sei "Motivation und
Rechtfertigung" für den tödlichen Angriff gewesen.
150. Thomas
Schulz
31 Jahre
Glatze, Springerstiefel, eine Rückentätowierung "Skinhead" in altdeutschen Lettern - seine Gesinnung
stellte Sven K. gern zur Schau. So war der 17-jährige auch am Ostermontag 2005 als Rechtsextremist
erkennbar, als er gegen 18.30 Uhr gemeinsam mit einer Freundin auf dem Heimweg von einem
Fußballspiel in der Dortmunder U-Bahn-Station Kampstraße auf eine Gruppe von etwa zwanzig Punks
traf. Über die Rolltreppen hinweg flogen wechselseitige Beschimpfungen. Die Punks zogen weiter zu
einem Konzert - bis auf den 31-jährigen Thomas Schulz. Der Familienvater, von seinen Freunden
"Schmuddel" genannt, war alkoholisiert und bekifft und wollte Sven K. zur Rede stellen. Nach weiteren
gegenseitigen Beschimpfungen zog Sven K. ein beidseitig geschliffenes Wurfmesser aus der
Innentasche seiner Bomberjacke und stach sein unbewaffnetes Opfer durch die Brust ins Herz. Schulz
starb kurz darauf im Krankenhaus. Wenige Tage danach klebten Dortmunder Neonazis in der Stadt
höhnische Plakate: "Wer sich der Bewegung in den Weg stellt, muss mit den Konsequenzen leben."
Sven K. sei ein "anerkanntes und respektiertes Mitglied" der neonazistischen Kameradschaftsszene in
Dortmund, hielt das dortige Landgericht im November 2005 in seinem Urteil fest. "Zu seinen
Feindbildern gehörten auch 'Punker' ... Diese bezeichnete er als 'Zecken '." Seinem Hass hatte Sven K.
schon einmal, ein Dreivierteljahr vor der Tötung von Thomas Schulz, freien Lauf gelassen: In einem
Regionalzug beschimpfte und schlug er einen Punk mehrfach ins Gesicht. Nur drei Wochen vor dem
Angriff auf Schulz wurde K. dafür zu einer Woche Dauerarrest und Schmerzensgeld verurteilt.
Ausführlich ging das Gericht auf die Behauptung des Täters ein, er habe sich nur gegen Thomas Schulz
gewehrt, quasi in Notwehr. Eine Bedrohung habe es nicht gegeben, das Opfer sei "in der konkreten
Tatsituation arglos und damit wehrlos diesem Überraschungsangriff ausgesetzt" gewesen, so die
Richter. Wegen Totschlags wird Sven K. zu sieben Jahren Haft verurteilt. Aus dem Gefängnis verschickt
er über neonazistische Websites Grüße an "die Kameraden" und bittet in einschlägigen Szenepostillen
um Briefe.
151. Oury Jalloh
Asylbewerber, 21 Jahre
Oury Jalloh starb am 7. Januar 2005 in einer Zelle des Polizeireviers
Dessau (Sachsen-Anhalt). Der Asylbewerber aus Sierra Leone kam
unter bis heute nicht genau aufgeklärten Umständen während eines
Brandes ums Leben. Zum Zeitpunkt seines Todes war der
Bürgerkriegsflüchtling mit ausgestreckten Armen und Beinen auf
einer Matratze liegend angebunden. Nachdem die Matratze aus
schwer entflammbarem Material aus ungeklärter Ursache in
Flammen aufgegegangen war, verstarb der Gefangene an einem
Hitzeschock. Während die Polizei von einem Freitod sprach, kamen
im Laufe der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zahlreiche
Widersprüche zutage, die zumindest unterlassene Hilfeleistung der
diensthabenden Polizisten wahrscheinlich machen. Der Prozess wird
wieder neu aufgenommen.
152. Tim
Maier
20 Jahre
Tim Maier wird am 26. November 2005 in Bad Buchau
(Baden-Württemberg) von einem 24-jährigen Neonazi
erstochen. Als er mit vier Freunden, von denen einer Türke
ist, ein Lokal verlässt, wird die Gruppe von dem ehemaligen
NPD-Mitglied Achim M. und einem weiteren Rechtsextremisten verfolgt und als "Scheiß Ausländer" beschimpft. Es
kommt zu einer Rangelei, bei der Achim M. dem 20-Jährigen
ein Messer in den Bauch stößt. In der Wohnung des Täters
findet die Polizei Hakenkreuzfahnen, Landser-Hefte und eine
Pistole. Er wird 2006 wegen Totschlag zu zehn Jahren Haft
verurteilt. Laut Gericht kann der rechtsextreme Hintergrund
nicht geleugnet werden, in den Parolen habe sich "dumpfe
Ausländerfeindlichkeit" ausgedrückt.
153. Arthur
K.
34 Jahre
Der Täter Christian W. rief am 15. April 2005 in einem Park in
Schwerte (Nordrhein-Westfalen) rechte Parolen und zeigte
den Hitlergruß. Daraufhin kam es zu einem Wortgefecht mit
dem späteren Opfer. Im Zuge des Streites stach der Täter
fünf Mal auf Arthur K. ein und verletzte ihn damit tödlich.
154.
Andreas Pietrzak
Obdachloser,
41 Jahre
In der Nacht zum 6. Mai 2006 tötet ein junger Neonazi im
bayerischen Plattling einen 41-jährigen Obdachlosen Andreas
Pietrzak. Nachdem der 19-Jährige erst mit dem Opfer getrunken hat,
schlägt er mit einem Holzpflock auf ihn ein und tritt dann mit seinen
Springerstiefeln auf den Kopf des wehrlosen Mannes. Anschließend
beraubt er den Bewusstlosen, übergießt ihn mit Spiritus und zündet
ihn an. Ein Bekannter habe vor der Tat gesagt, "dass man dem Polen
eine Abreibung verpassen müsse", gibt der Angeklagte vor Gericht
zu. Das Opfer hatte die deutsche und polnische Staatsbürgerschaft.
Schon früher hatte der Mörder Pietrzak gemeinsam mit einem
Bekannten misshandelt. Obwohl im Urteil die "ausländerfeindliche
Gesinnung" des Täters ausdrücklich festgestellt wird, sieht der
Richter darin nicht das führende Motiv für die Tat. Der Angreifer
wird im Mai2007 vom Landgericht Deggendorf zu neun Jahren
Jugendstrafe wegen Raubmordes verurteilt.
155.
M. S.
17 Jahre
Der 17-jährige M. S. wird in der Nacht zum 14. Juli 2007 von dem ehemaligen
NPD-Mitglied Garvin K. (23) in Brinjahe (Schleswig-Holstein) mit einer
Eisenstange erschlagen. Das Opfer hatte früher Kontakt zu einer
rechtsextremen Clique, sich aber inzwischen von der Szene gelöst. Schon am
Abend wird der junge Mann von dem Bundeswehrsoldaten auf einer
Privatfeier mehrfach geschlagen. Nachdem sich die Gruppe zu einem
Waldfest begibt, spricht das Opfer zwei Polizisten an, die eine Anzeige gegen
Unbekannt aufnehmen. Auf dem Heimweg trifft die Gruppe um K. an einem
Waldweg erneut auf das Opfer. Sie ziehen ihm ein Polizei-Merkblatt zum
Thema Opferschutz aus der Hosentasche und beschimpfen ihn als "Spitzel",
der einen aus der Gruppe angezeigt habe. K. fordert ihn auf das Papier laut
vorzulesen und schlägt ihm dann mindestens sechs Mal mit der Eisenstange
auf den Kopf. Nach der Tat verbrennt der Täter das Merkblatt und geht mit
Freunden in einem Fastfoodrestaurant essen. Er wird im Februar 2008 vom
Landgericht Kiel wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren
und sechs Monaten verurteilt.
156. Andreas
F.
30 Jahre
Nach einem Streit am Morgen des 1. Januar 2007 wurde der
30-jährige Familienvater aus der rechtsextremen Szene in
Wismar (Mecklenburg-Vorpommern) von örtlichen
Kameraden ermordet.
157. Peter Siebert
Nachbar, 40 Jahre
In der Nacht zum 26. April 2008 ersticht der Rechtsextremist
Alexander B. (21) in Memmingen (Bayern) seinen 40 Jahre alten
Nachbarn Peter Siebert. Die beiden hatten häufig Streit, weil
Alexander B. mehrfach rechtsextreme Musik in größerer Lautstärke
abspielte. Am Abend vor der Tat sind Siebert und B., beide
alkoholisiert, wieder aneinander geraten, in der Nacht gibt es
weiteren Streit. Erneut beschwert sich Siebert über zu laute Musik
und wirft B. seine braune Gesinnung vor. Der Rechtsextremist holt
ein Bajonett und folgt Siebert in dessen Wohnung und sticht ihn tot.
Das Landgericht Memmingen verurteilt den Täter im Dezember 2008
wegen Totschlags zu acht Jahren und drei Monaten Haft. Die Richter
sehen kein rechtes Motiv, doch der Vizepräsident des Landgerichts,
Manfred Mürbe, sagt jetzt, ein rechtsextremer Hintergrund sei
wahrscheinlich. Die Kammer habe es allerdings dabei belassen, den
"äußeren Sachverhalt" zu klären, da der Täter geständig war.
158. Bernd
Köhler
55 Jahre
Der 55-jährige Bernd Köhler wird in der Nacht zum 22. Juli 2008 in
Templin von zwei Rechtsextremisten zu Tode geprügelt. Die Täter
Sven P. (18) und Christian W. (21) hatten zuerst mit dem alkoholkranken Arbeitslosen getrunken. Dann schlug und trat vor allem
Sven P. massiv auf das Opfer ein. Das Landgericht Neuruppin
verurteilte im Mai 2009 Sven P. zu zehn Jahren Jugendhaft wegen
Mordes, Christian W. erhielt wegen Beihilfe zum Mord durch Unterlassen neun Jahre und drei Monate Haft. Die Strafkammer verglich
die Täter mit "Folterknechten, die sich Hitler genommen hat, um die
KZ zu betreiben". Das neonazistische Menschenbild habe eine Rolle
gespielt bei der Auswahl des Opfers, das die Täter als "asozial"
eingestuft hätten. Im Juli 2010 reduzierte das Landgericht die Haft
für Sven P. auf neun Jahre, nachdem der Bundesgerichtshof das
Strafmaß beanstandet hatte. Die Richter waren der Ansicht, das
Neuruppiner Gericht habe den Tatbeitrag von Christian W. zu gering
gewertet.
159.
Karl-Heinz Teichmann
Obdachloser,
59 Jahre
Karl-Heinz Teichmann lag schlafend auf einer Parkbank, wehrlos gegen die Schläge des Angreifers: In
den frühen Morgenstunden des 23. Juli 2008 wurde der Obdachlose in Leipzig von einem 18-jährigen
Rechtsextremen brutal verprügelt und zusammengetreten, zwei Wochen später starb er im
Krankenhaus. Der Täter, Michael H., war in jener Nacht auf dem Heimweg von einer Mahnwache unter
dem Motto "Todesstrafe für Kinderschänder", die von der Neonazigruppe "Freie Kräfte Leipzig"
organisiert wurde. H. hatte viel Alkohol getrunken. Am Schwanenteich mitten im Stadtzentrum, direkt
hinter der Leipziger Oper, traf er auf den 59-jährigen Teichmann. Der wird zum Opfer, weil er nicht in
das Weltbild seines Mörders passt. Ein "Assi", wie Wohnungslose und Alkoholkranke im Jargon der
rechten Szene genannt werden. Mindestens 20 Mal schlug H. dann auf den Mann ein, trat ihm ins
Gesicht. Der Täter, übrigens in Lohn und Brot als Lehrling für Holzbearbeitung, ließ sein
blutspuckendes Opfer für eine halbe Stunde liegen, um sich mit Freunden zu treffen. Danach kehrte er
zum Tatort zurück und prügelte weiter. Am nächsten Morgen entdeckte eine Passantin den
bewusstlosen Teichmann blutüberströmt und regennass auf der Parkbank. Neben massiven
Kopfverletzungen wurden Prellungen am ganzen Körper, Brüche im Gesicht, eine Halswirbelfraktur und
Hirnblutungen festgestellt. Wegen heimtückischen Mordes wird der H. 2009 zu einer Haftstrafe von
acht Jahren und drei Monaten verurteilt. Der Richter stellt "Reifedefizite" fest und wendet das mildere
Jugendstrafrecht an. "Aus seiner schlechten Laune heraus störte ihn der Anblick des schlafenden
Mannes, dessen Schlafplatz er willkürlich als unpassend bewertete", heißt im Urteil. "Das kann man
nicht wegdiskutieren, eine Tat mit rechtem Hintergrund. Natürlich", sagt der Verteidiger des Täters in
einem Fernsehinterview. Sein Mörder habe den Mann "zum bloßen Objekt degradiert", erklärt der
Staatsanwalt. Trotzdem wertet das Gericht den Mord nicht als rechtsextrem motiviert. So bleibt es für
die Polizeistatistik eine "normale" Straftat unter Alkoholeinfluss.
160. Hans-Joachim
Sbrzesny
50 Jahre
In der Nacht zum 1. August 2008 schlagen und treten die alkoholisierten
Rechtsextremisten Sebastian K. (23) und Thomas F. (34) in einem Park in Dessau
den geistig behinderten Hans-Joachim Sbrzesny (50) tot. Der ärmlich aussehende
Sbrzesny lag auf einer Bank und schlief. Vor allem Sebastian K. agiert mit
extremer Brutalität. Er schlägt auf das wehrlose Opfer auch mit einem mehr als
fünf Kilogramm schweren Müllbehälter ein. Die Polizei entdeckt auf den Handys
der rasch fest genommenen Täter unter anderem Hakenkreuze, die Parole "Juden
sind unser Unglück" und Lieder rechtsextremistischer Bands wie der "Zillertaler
Türkenjäger". Die Staatsanwaltschaft Dessau sagt in der Anklage, die Täter hätten
eine "tiefe innere Miss- und Verachtung" für Sbrzesny empfunden und deshalb
"aus ihrem Gefühl der Überlegenheit" heraus den Entschluss gefasst, ihn zu töten.
Im Prozess berichtet ein Zeuge, Sebastian K. habe in der Untersuchungshaft das
Opfer einen "Unterbemittelten" genannt, der es "nicht anders verdient". Das
Landgericht Dessau sieht kein rechtes Motiv und verurteilt im April 2009 beide
Angeklagten wegen Mordes "aus einem sonst niedrigen Beweggrund". Sebastian
K. habe "schlechte Laune" gehabt, Thomas F. "akzeptierte diesen Beweggrund
auch für sein Handeln". Sebastian K. erhält eine lebenslange Freiheitsstrafe,
Thomas F. kommt mit zwölf Jahren davon - wegen seiner mutmaßlich hohen
Alkoholisierung zur Tatzeit.
161. Rick Langenstein
Kunststudent, 20 Jahre
Nach dem Besuch einer Diskothek in Magdeburg-Reform wird der
20-jährige Rick Langenstein in der Nacht zum 17. August 2008
von dem unter anderem wegen einer rassistisch motivierten
Körperverletzung und Volksverhetzung vorbestraften Neonazi
Bastian O. mit unzähligen Schlägen und Tritten tödlich
misshandelt. Das Landgericht Magdeburg sah es in der
Hauptverhandlung als erwiesen an, dass Bastian O. sich nachdem ihn der angehende Kunststudent bei einem zufälligen
Zusammentreffen vor der Diskothek "Fun Park" als Hobbynazi"
bezeichnet hatte - provoziert fühlte und sich rächen wollte. Das
Landgericht verurteilte den 20-jährigen Neonazi im Mai 2009 zu
einer Jugendhaftstrafe von acht Jahren wegen Totschlags.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung 2009 genannt.
162. Cha Dong N.
Vietnamese, 20 Jahre
Der vietnamesische Zigarettenhändler Cha Dong N. wurde am
6. August 2008 in Berlin-Marzahn vom 35-jährigen Tino W.
ausgeraubt und mit mehreren Messerstichen tödlich verletzt.
Zuvor war er vom Täter festgehalten und der Polizei
telefonisch als illegaler Zigarettenhändler gemeldet worden.
W. fragte die Polizei: „Regelt ihr das oder muss ich das selbst
erledigen?" Noch ehe ein Streifenwagen zur Stelle war,
verletzte er sein Opfer so schwer, dass es im Krankenhaus
seinen Verletzungen erlag. Die "Fidschis", wie der Täter die
"kriminellen Vietnamesen" nannte, waren ihm schon lange
ein Dorn im Auge. Gegenüber einem Bekannten hatte er
bereits vor der Tat geäußert: "Ich werde hier aufräumen,
wenn die Bullen das nicht machen".
163. Marcel
W.
18 Jahre
Marcel W. wurde am 24. August 2008 in Bernburg (SachsenAnhalt) über mehrere Stunden von David B. misshandelt und
in Brust und Bauch gestochen, ehe er an seinen Verletzungen
starb. David B. hatte Marcel W. erstmals im November 2007
zusammengeschlagen und wollte eine Zeugenaussage W.s im
Prozess zur Tat verhindern. Der Täter war als rechtsextremer
Gewalttäter polizeilich in Erscheinung getreten. Während des
Gerichtsprozesses betonten Zeugen darüber hinaus, die feste
Verankerung des Täters in der Neonaziszene.
164. Marwa
el-Sherbini
Ägypterin, 31 Jahre
Am 1. Juli 2009 ersticht der NPD-Sympathisant Alex W. (28) im Dresdner
Landgericht die schwangere Ägypterin Marwa el-Sherbini (31) und verletzt
ihren Ehemann Elwy Okaz schwer. Die Tat geschieht während einer
Berufungsverhandlung gegen den Russlanddeutschen. Alex W. hatte die Frau
im August 2008 auf einem Spielplatz grundlos als "Islamistin" und
"Terroristin " beschimpft. Dafür erhielt er eine Geldstrafe. Da W. sie nicht
akzeptierte, war die Verhandlung notwendig. Im Gerichtssaal beleidigt W.
die Ägypterin, dann sticht er überraschend und insgesamt 16-mal auf die
Frau ein. Auch der Ehemann erhält 16 Stiche. Ein Bundespolizist greift ein
und schießt versehentlich auf Elwy Okaz, da er ihn für den Täter hält. Im
November 2009 verurteilt das Landgericht Dresden den Russlanddeutschen
zu lebenslanger Haft wegen Mordes, außerdem verkündet die Kammer eine
besondere Schwere der Schuld. Als ein Tatmotiv nennen die Richter
Fremdenhass. Die Ermittlungen gegen den Bundespolizisten stellt die
Staatsanwaltschaft Dresden im Dezember 2009 ein. Der Mord an Marwa elSherbini gilt als bislang schwerster Fall islamophober Gewalt in der
Bundesrepublik.
Dieser Fall wird von der Bundesregierung im Jahr 2009 genannt.
165.
Enver Simsek
Blumenhändler, 39 Jahre
Inhaber eines Blumenhandels in Schlüchtern, wurde am 9.
September 2000 am Rande einer Ausfallstraße im Osten Nürnbergs,
wo er seinen mobilen Blumenstand in einer Parkbucht aufgebaut
hatte, mit acht Schüssen aus zwei Pistolen angeschossen. Er starb
zwei Tage später im Krankenhaus. Şimşek war 39 Jahre alt, er kam
1986 aus der Türkei nach Deutschland, arbeitete zunächst in einer
Fabrik, eröffnete einen Blumenhandel und schließlich einen
Großhandel mit angeschlossenen Läden und Ständen. Er galt als
erfolgreicher Geschäftsmann. Bei den beiden Tatwaffen handelte es
sich neben der in allen Fällen benutzten Česká 83 um die nicht näher
identifizierbare Pistole des Kalibers 6.35. Normalerweise lieferte
Şimşek nur die Blumen an, doch an diesem Samstag betreute er den
Stand, da der üblicherweise anwesende Verkäufer Urlaub hatte.
166. Abdurrahim
Özüdoğru
Änderungsschneider, 49 Jahre
Abdurrahim Özüdoğru wurde am 13. Juni 2001 in einer
Änderungsschneiderei in der Nürnberger Südstadt mit zwei
Kopfschüssen getötet. Er war 49 Jahre alt, arbeitete als
Schichtarbeiter bei Siemens und half nebenberuflich in dem
Ladengeschäft aus. Die kriminaltechnische Untersuchung
ergab, dass die bei dem Mord an Enver Şimşek benutzte
Česká 83 auch hier verwendet wurde, die weiteren
Ermittlungen blieben ebenfalls ergebnislos.
167. Süleyman
Taşköprü
Gemüsehändler, 31 Jahre
Der Obst- und Gemüsehändler, wurde am 27. Juni 2001 in
Hamburg-Bahrenfeld im Laden seines Vaters mit drei
Schüssen aus zwei verschiedenen Waffen ermordet. Er war
31 Jahre alt, stammte aus Afyonkarahisar und hatte eine
dreijährige Tochter. Die benutzten Pistolen konnten als die
bereits im ersten Mord verwendeten identifiziert werden,
neben der Česká auch die nicht identifizierte Waffe. Die
Hamburger Polizei ermittelte, dass Taşköprü Freunde im
„Hamburger Milieu“ gehabt habe. Obwohl er nie strafrechtlich
aufgefallen war, vermutete man vor diesem Hintergrund ein
Verbrechen im Rahmen der organisierten Kriminalität, das die
drei Opfer miteinander verbunden habe.
168. Habil
Kılıç
Gemüsehändler, 38 Jahre
Inhaber eines Obst- und Gemüsehandels, 38 Jahre alt, wurde
am 29. August 2001 in München-Ramersdorf in seinem
Geschäft erschossen. Im Unterschied zu den drei vorherigen
Morden fanden die Ermittler an diesem, wie an allen weiteren
Tatorten, keine Geschosshülsen vor. Als wahrscheinlichstes
Mordmotiv und Erklärung der Zusammenhänge galt weiterhin
organisierte Kriminalität im Drogenhandel.
169. Mehmet
Turgut
Imbissverkäufer, 25 Jahre
Mehmet Turgut wurde am 25. Februar 2004 an einem DönerImbiss im Rostocker Ortsteil Toitenwinkel mit drei
Kopfschüssen ermordet. Turgut war 25 Jahre alt, kam aus der
Türkei und hielt sich illegal in Deutschland auf. Er war zu
Besuch bei einem Freund in Rostock, für diesen hatte er
spontan übernommen, den Imbiss am Vormittag zu öffnen.
Bis zehn Tage vor seiner Ermordung hatte er in Hamburg
gelebt. Bis zum Dezember 2011 wurde der Name des
Ermordeten, auf Grund einer Verwechslung mit seinem
Bruder, als Yunus Turgut veröffentlicht.
170. İsmail
Yaşar
Dönerbudenbesitzer, 50 Jahre
Inhaber eines Döner-Kebap-Imbisses, wurde am 5. Juni 2005
in seinem Geschäft in Nürnberg mit fünf Schüssen in Kopf und
Herz getötet. Er war 50 Jahre alt und stammte aus Suruç.
Zeugen hatten zwei sich auffällig verhaltende Männer mit
Fahrrädern in der Nähe des Tatorts beobachtet, so dass
Phantombilder angefertigt werden konnten. Nach dieser Tat
ging das Bundeskriminalamt verstärkt von der Möglichkeit
aus, „dass die Opfer in Verbindung mit türkischen
Drogenhändlern aus den Niederlanden standen.“
171. Theodoros
Boulgarides
41 Jahre
Mitinhaber eines Schlüsseldienstes, wurde am 15. Juni 2005
in seinem Geschäft in München-Westend erschossen. Er war
Grieche, 41 Jahre alt und hinterließ eine Frau und zwei
Töchter. Das Geschäft hatte er erst am 1. Juni 2005 eröffnet,
zuvor war er als Fahrkartenkontrolleur beschäftigt. Die
örtliche Boulevardpresse schrieb nach dem Mord: „TürkenMafia schlug wieder zu“.
172. Mehmet
Kubaşık
Kioskbesitzer, 39 Jahre
Besitzer eines Kiosks, wurde am 4. April 2006 in seinem
Geschäft in der Dortmunder Nordstadt ermordet. Der Stadtteil
galt 2006 als eine Neonazi-Hochburg. Kubaşık war 39 Jahre
alt, Deutscher türkischer Herkunft und dreifacher
Familienvater. Nach diesem Mord kam es zu einer
öffentlichen Kundgebung: Am 11. Juni 2006 organisierten
türkische Kulturvereine zusammen mit den Angehörigen
einen Schweigemarsch in Dortmund, gedachten der neun
Opfer der Serie und riefen die Behörden dazu auf, ein zehntes
Opfer zu verhindern. In einer Fernsehsendung am 13.
November 2011 erklärte seine Tochter, dass die Familie
immer davon ausgegangen sei, dass die Tat einen
rechtsextremen Hintergrund gehabt habe.
173. Halit
Yozgat
Cafebesitzer, 21 Jahre
Betreiber eines Internetcafés, wurde am 6. April 2006 in
Kassel durch zwei Kopfschüsse getötet. Er war 21 Jahre alt
und Deutscher türkischer Abstammung. Das Café hatte er erst
kurze Zeit zuvor mit von seinem Vater geliehenem Geld
eröffnet. Zudem besuchte er eine Abendschule, um sein
Abitur nachzumachen. Yozgat befand sich ungeplant in
seinem Geschäft, er hätte bereits von seinem Vater, der sich
verspätete, abgelöst worden sein sollen.
Diese Liste ist mit all ihren Einzelheiten und in dieser Vollständigkeit
die einzige brauchbare und wertvolle Unterlage für all die Menschen,
welche aktiv im Kampf gegen rechte Gewalt, Faschismus und
Rassismus stehen. Wir erleben nämlich tagtäglich, wie rechte
Gewalt systematisch relativiert und verharmlost wird. Dieses Ritual
wird dann auch noch dadurch ergänzt, dass man ablenkt und das
Thema mit absurden "Vergleichen" auf "linke Gewalt" umlenkt.
Diese Liste straft all die Relativierer, Verharmloser und Ablenker
nachweislich Lügen. Das gesamte Ausmaß sowie die Perversion bzw.
der krankhafte Sadismus der Einzelfälle zeigt, woher wirklich die
Gefahr droht: von rechts und nur von rechts. Rechte Gewalt in der
BRD ist unvergleichbar in ihrer Dramatik. Wer angesichts dieser
Liste und angesichts der tagtäglichen neuen Meldungen über
Gewalttaten von Rechten immer noch rechte Gewalt relativiert und
davon abzulenken versucht, macht sich mit den Tätern gemein. Den
Leuten v
on MUT gebührt großer Dank für ihre Arbeit. Sie ist von
unschätzbarem Wert und so manchem Relativierer blieben die Lügen
schon im Halse stecken angesichts dieser Katastrophe.
Aktuell – aber nicht vollständig
Die Recherchen für diese Liste stützen sich u.a. auf die Opfer-Chroniken der
„Frankfurter Rundschau“ und des „Tagesspiegels“, auf die Nachforschungen
des Zentrums Demokratische Kultur (ZDK) und des Internetportals „Netz
gegen Nazis“ sowie auf die Wanderausstellung „Opfer rechter Gewalt seit
1990 in Deutschland“ der Künstlerin Rebecca Forner und des Vereins
Opferperspektive. Eine Vielzahl der hier verwendeten Texte bis zum Jahre
2004 ist dieser Ausstellung entnommen. Da der rechtsextreme und
rassistische Gehalt vieler Gewalttaten sich in einigen Fällen erst sehr viel
später erschließt, wurden nach gründlicher Recherche einige zurückliegende
Fälle in die Liste mit aufgenommen. Auch den Leserinnen und Lesern der MUT
und Opferfonds CURA-Website ist es zu verdanken, dass einige Fehler
berichtigt und neue Fälle hinzugefügt werden konnten. Die Liste umfasst
damit alle uns derzeit bekannten Todesopfer rechtsextremer, rassistischer
und menschenfeindlicher Gewalt, denen wir mit der Nennung ihres Namens
(soweit möglich) ein Stück Gerechtigkeit wiederfahren lassen wollen. Auch
wenn diese Liste damit Aktualität beanspruchen kann, ist nicht zu vergessen,
dass sie keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Gerade die intensive
Beschäftigung mit den verschiedenen Chroniken, die zum Teil
unterschiedliche Opfer nennen, und die Entdeckung weiterer Todesfälle
zeigen, dass eine hohe Dunkelziffer zu befürchten ist.