Borreliose Vermeiden - Erkennen
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Borreliose Vermeiden - Erkennen
Borreliose Infektionen und Hygiene Report 2 Niedersächsisches Landesgesundheitsamt Borreliose Vermeiden - Erkennen - Behandeln Fachgespräch im Niedersächsischen Landtag, Juni 2004 Niedersächsisches Landesgesundheitsamt Borreliose Vermeiden - Erkennen - Behandeln Fachgespräch im Niedersächsischen Landtag, Juni 2004 Herausgeber: Niedersächsisches Landesgesundheitsamt Roesebeckstr. 4-6, 30449 Hannover Januar 2005 Prof. Dr. Adolf Windorfer Protokoll: Werner Schulz Fachgespräch Borreliose 1 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 2. Vorkommen und Häufigkeit der Borreliose 1. Einleitung 1 tige Problematik dieser am häufigsten durch Arthropoden übertra- 2 Prof. Dr. Kimmig, Prof. Dr. Windorfer 3. Diagnostik der Borreliose, ihre Probleme und Möglichkeiten 4 6 Forschung wieder. Literaturhinweise auf abweichende Auffassungen einzelner Experten konnten wegen der Komplexität der Thematik nicht berücksichtigt werden. 8 10 14 Prof Dr. Windorfer Index vermerkt, vom NLGA zusammengefasst. Die sich aus den ReferaAntworten spiegeln die herrschende Meinung in Wissenschaft und Dr. Hetzel 7. Zusammenfassung und Ausblick kussionsergebnis wurden, soweit nicht nachstehend ausdrücklich ten ergebenden Fragen sind durch Fettdruck hervorgehoben. Die Prof. Dr. Nau 6. Neuroborreliose aus psychiatrischer Sicht Stand der Wissenschaft umfassend vorzustellen, aber auch Defizite ßen zum Handeln anzuregen. Die gehaltenen Referate und das Dis- Prof. Dr. Schedel 5. Klinik der akuten und chronischen Borreliose aus neurologischer Sicht genen Infektionskrankheit in der nördlichen Hemisphäre nach dem aufzuzeigen, um Ärzteschaft , Forschung und Politik gleicherma- Prof. Dr. Dr. Eiffert 4. Klinik der akuten und chronischen Borreliose aus internistischer Sicht Ziel der Veranstaltung war es, für den Teilnehmerkreis die vielschich- 15 2 Fachgespräch Borreliose 2. Vorkommen und Häufigkeit der Borreliose Professor Dr. Kimmig, Prof. Dr. Windorfer (Referat und Diskussion zusammengefasst) namentlich zu meldenden übertragbaren Krankheiten und Krankheitserreger sind hoch. So soll das Gesundheitsamt im Einzelfall in die Lage versetzt werden, Massnahmen gegen eine Weiterverbreitung ergreifen zu können. Dies käme bei der Borreliose nicht in Betracht und rechtfertigt somit nicht die Preisgabe personenbezogener Daten. Andererseits könnte eine Prüfung durch den Gesetzgeber nützlich sein, ob und in welcher Form durch eine Meldepflicht die Kann die epidemiologische Datenlage der Lyme-Borreliose in notwendigen Kenntnisse über epidemiologische Daten verbessert Deutschland durch Einführung einer Meldepflicht verbessert würden (siehe die Regelung in den neuen Bundesländern). werden? Neben verbesserten Daten aufgrund einer Meldepflicht nach Das Referat zeigt, dass nur unzureichende und ungenaue Daten dem IFSG könnte auch eine Auswertung der Diagnosestellung aus zur epidemiologischen Situationen der Lyme-Borreliose vorhanden den Fallgruppenpauschalen neue Erkenntnisse zur Borreliose brin- sind. Auf Grund einzelner Prävalenzstudien und grober Hochrech- gen. nungen erkranken in Deutschland jedes Jahr etwa 50.000 Menschen (in Niedersachsen ca. 5000) an einer Lyme-Borreliose. Ca. 7 Prozent der Normalbevölkerung weisen IgG-Antikörper auf. Über Wie schützt man sich wirksam vor Zeckenstichen? Schutz bieten: die Zahl der Spätfolgen, wie der neurologischen Komplikationen 1. geschlossene Kleidung, lange Hose in die Socken stopfen; und psychiatrischer Krankheitsbilder gibt es keine gesicherten Aus- 2. Repellenzien, wie z. B. Autan (Wirkstoff Deet), die auf die un- sagen. Für die Infektionen verantwortlich ist der gemeine „Holz- geschützte Haut( Arme , Hals , Beine) aufgetragen werden, aber bock“, eine Schildzecke, die 95% der heimischen Zeckenfauna nicht grossflächig, da der Wirkstoff resorbiert und toxisch wir- ausmacht. 10-30% der Zeckenpopulation in Deutschland ist mit ken kann; Borrelia burgdorferi infiziert. Spezielle Risikogebiete gibt es nicht. 3. nach Aufenthalt „ im Grünen“ sich selbst oder durch einen Die Zecken kommen ubiquitär vor. Aufgrund der globalen Erwär- Mitmenschen nach Zecken absuchen lassen; ggf. die Zecken mung nehmen die Zecken allerorts immer mehr zu. durch einfaches ziehen, nicht drehen oder quetschen, entfernen Als Grundlage für die Krankheitsprävention spielt die Epidemio- und zwar so nahe wie möglich an der Haut. Die handelsüblichen logie im Hinblick auf die Planung und Bewertung gesundheitspo- Zeckenzangen sind leider noch nicht optimal. Verbesserungen litischer Massnahmen eine wichtige Rolle. Die gesetzgeberische stehen offenbar vor der Marktreife. Die Borrelien befinden sich Grundlage war in bezug auf Infektionskrankheiten das Bundes-Seu- im Mitteldarm der Zecke. Deshalb wird der Erreger auch nicht chengesetz, dass ab 1.1.2001 vom Infektionsschutzgesetz (IFSG) , wie z.B. bei der FSME, sofort beim Zeckenstich übertragen. abgelöst wurde. Dies Gesetz erfasst Infektionen, die von Mensch Normalerweise gelangen die Borrelien erst nach ungefähr 24 zu Mensch oder durch Nahrungsmittel übertragen werden, und Stunden über eine Ausbreitung in den Zecken in den menschli- die aufgrund von Meldepflichten statistisch ausgewertet werden chen Körper. Gelingt die fachgerechte Entfernung der Zecke in- können. Das IFSG sieht neben einer namentlichen -anders als das Bundes-Seuchengesetz - auch eine nicht namentliche Meldepflicht bestimmter Infektionskrankheiten und Erreger durch die niedergelassenen Ärzte, Klinikärzte sowie Laborärzte vor. Die Lyme-Borreliose und ihre Erreger sind nach dem IFSG nicht meldepflichtig. Alle neuen Bundesländer und Berlin hatten allerdings schon vor Inkrafttreten des IFSG eine Meldepflicht für Erkrankungen und positive Laborbefunde eingeführt. Brandenburg hat darüber hinaus die Meldepflicht im Dezember 2001 auf alle klinischen Manifestationen ausgedehnt. Sicher ist, dass eine Meldepflicht zur statistischen Auswertung auch für die Epidemiologie der Zeckenborreliose durchaus hilfreich sein kann, wobei eine namentliche Meldepflicht nicht in Betracht kommt. Die Anforderungen für die Aufnahme in den Katalog der nerhalb dieses Zeitrahmens, ist eine Übertragung von Borrelien unwahrscheinlich. 4. Besprühen der Kleidung mit Acariziden auf der Basis von Permethrin. Gibt es einen Impfschutz gegen die Lyme-Borreliose? Eine Schutzimpfung steht uns nicht zur Verfügung. In den USA wurde eine Schutzimpfung eingeführt, die sich als wirksam und gut verträglich erwies. Der Impfstoff, sog. OspA- Vakzine , (OspA= Outer surface Protein A ) wurde aber im Februar 2002 freiwillig zurückgezogen, weil die Verkaufszahlen enttäuschend schlecht ausfielen. Die Impfung wurde als zu teuer und als unpraktisch kritisiert. Um eine ausreichende Schutzwirkung zu erzielen, waren drei Impfungen erforderlich. Der Impfschutz musste jährlich aufgefrischt werden . Es kursierten auch Gerüchte, dass die Impfung Fachgespräch Borreliose eine Autoimmun- Arthritis auslösen kann. Konkrete Hinweise über solche Nebenwirkungen fehlen jedoch. Der Impfstoff hätte das in Deutschland vorherrschende Erregerspektrum ohnehin nicht abgedeckt. Können die Zecken in der freien Natur wirksam bekämpft werden? Versuche mit Nematoden, Fadenwürmer und Pilzen verliefen unter Laborbedingungen zwar erfolgreich. Diese biologischen Mittel eignen sich allerdings nicht für den grossflächigen Einsatz in der Natur. In den USA lief einen Feldversuch in Gartengrundstücken, mit insektizidgetränkten Wattebäuschen, die in Pappröhren verbracht wurden. Diese wurden dann unter Bäumen und Sträuchern ausgelegt. Strategie: Mäuse, welche die Schlüsselrolle in der Verbreitung der Lyme-Borreliose spielen, finden die Wattebäusche und bringen sie in ihre Gänge, um sie als Nistmaterial einzusetzen. Ergebnis: Die Zahl der Zecken in der engeren Umgebung nahm deutlich ab. Ein langfristiger Erfolg blieb jedoch versagt. Nach zwei Jahren kam es zu einem erneuten Anwachsen der Zeckenpopulation, weil sich vermutlich die Zecken andere Kleintiere als Wirt (z. B. Igel oder Vögel) aussuchten, die keine Wattebäusche einsammeln. Eine flächendeckende Versprühung von Acariziden ist indiskutabel. Hier sind die leidvollen Erfahrungen mit DDT noch in deutlicher Erinnerung. Mit diesem Insektizid hat die WHO in den sechziger Jahren den erfolglosen Versuch unternommen, die Malaria weltweit auszurotten. Das Gift lässt sich bis heute im Fettgewebe von Wildtieren nachweisen. Wir müssen uns wohl damit abfinden, mit den Zecken zu leben und eine wirksame Expositionsprophylaxe betreiben. 3 4 Fachgespräch Borreliose 3. Diagnostik der Borreliose, ihre Probleme und Möglichkeiten Prof. Dr. Dr. H. Eiffert Zusammenfassung des Referates durch den Referenten Die Lyme-Borreliose ist die häufigste durch Zecken übertragene Infektionskrankheit in Europa. Die außerordentlich vielfältige klinische Symptomatik dieser Erkrankung bedingt, dass sie in fast allen medizinischen Fachdisziplinen differenzialdiagnostisch in Erwägung gezogen werden muß. Die klinische Symptomatik wird im allgemeinen in drei Stadien eingeteilt. Diese Einteilung ist jedoch nicht immer verläßlich, da atypische Verläufe vorkommen. Es kann Tage, Wochen, ja sogar Jahre dauern, bis die Erkrankung manifest wird. Der breite Symptomenkomplex konnte erst erfaßt werden, als Burgdorfer das nach ihm benannte Bakterium vor gut 20 Jahren entdeckte. Es handelt sich nicht um eine neue Erkrankung, denn bereits ab dem Jahr 1883 findet man in der medizinischen Fachliteratur Berichte, die typische Symptome vor allem von Haut und Nervensystem beschreiben, ohne allerdings die Ursache zu kennen. In eigenen Untersuchungen konnten wir den Erreger in Zecken nachweisen, die vor mehr als 150 Jahren konserviert wurden. Es handelt sich um ein schraubenförmiges Bakterium, das eine gewisse Verwandtschaft mit dem Syphilis-Erreger Treponema pallidum zeigt. Molekularbiologische Untersuchungen zeigen, dass in Europa bisher die drei humanpathogenen Spezies Borrelia burgdoferi sensu stricto, Borrelia garinii sowie Borrelia afzelii in Patienten vorkommen. In Nordamerika tritt lediglich Borrelia burgdorferi sensu stricto auf. Die Stamm-Heterogenität in Europa erschwert die Labordiagnostik Die Lyme-Borreliose ist in erster Linie eine klinische Diagnose. Oft stützt sich die Diagnose allerdings auf einen mikrobiologischen Nachweis des Bakteriums, das gilt vor allem bei nicht spezifischen klinischen Zeichen. Der Einsatz der mikrobiologischen Diagnostik und die Auswahl der entsprechenden Techniken ist abhängig von der klinischen Fragestellung und von der Art der zu untersuchenden Proben des Patienten. Wünschenswert für einen schnellen und sicheren direkten Nachweis einer Infektion wäre die Mikroskopie und die kulturelle Anzucht des Erregers. Beide Verfahren sind aber für die Routinediagnostik wegen der sehr niedrigen Erregerdichte im Probenmaterial bzw. der langen Generationszeit der Borrelien von mehr als 20 Stunden nicht geeignet. Der Nachweis von spezifischer DNA (Erbsubstanz) von Borrelia burgdorferi durch die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) versprach zunächst eine hohe Sensitivität und Spezifität. Eigene Ergebnisse und die anderer Forschungsgruppen ergaben in der Praxis folgende eher enttäuschende diagnostischen Sensitivitäten: Hautbiopsate bei Erythema migrans 46,2%, bei Acrodermatitis chronica atrophicans 42,9%, Liquor bei Neuroborreliose 21,3%, Synovialflüssigkeit bei Lyme-Arthritis 68%. So wichtig die PCR bei atypischen Verläufen oder in der sehr frühen bzw. chronischen Infektionsphase auch ist, muss hervorgehoben werden, dass diese Untersuchungen Laboratorien mit entsprechender Erfahrung vorbehalten bleiben sollten. Für die Routinediagnostik hat sich vorrangig die Identifizierung Borrelien-spezifischer IgM- und IgG-Antikörper etabliert. Expertengremien empfehlen dazu ein gestaffeltes Vorgehen. Zunächst wird eine ELISA- oder IFT-Verfahren eingesetzt, dem sich bei positivem oder grenzwertigem Resultat eine Immunoblot als Bestätigungstest anschließt. Bei v.a. Neuroborreliose ist der Nachweis intrathekal gebildete Antikörper erforderlich. In den ersten Wochen der Infektion sind bei etwa 20-30% der Patienten (z.B. beim Erythema migrans) entsprechende Antikörper vorhanden, nach einigen Wochen bis Monaten bis zu 80% und bei chronischen Verläufen bis zu 100%. Grenzen dieses Verfahrens sind u.a. eine geringe Sensitivität im frühen Krankheitsstadium, Probleme bei der Differenzierung zwischen aktiver oder überstandener Infektion und bei der Kontrolle des Therapieerfolgs. Zu berücksichtigen ist auch, dass ca. 7% der gesunden Bevölkerung Antikörper gegen Borrelia burgdorferi aufweisen. Darüber hinaus sind andere Störgrößen nicht auszuschließen z.B. Induktion kreuzreagierender Antikörper nach Infektionen Treponemen, anderen Borrelien, Leptospiren, Epstein-Barr Virus. Weitere Probleme der Befundbeurteilung können z.B. durch Durchseuchungstiter, frühe Antibiose, IgM-Persistenz, Heterogenität der Antigene, Immunsuppression, Immunglobulingabe bestehen. Bei Verdacht auf eine Lyme-Borreliose und initial negativem Antikörpernachweis sind mehrere Aspekte zu berücksichtigen: - ein negativer Antikörpertiter schließt eine akute Lyme-Borreliose nicht aus - Erythema migrans: AK nur in 20-30% nachweisbar - in Stadium II und III (chronisch) Anstieg bis 100% - bei weiterem Verdacht: Kontrolle in 2-3 Wochen - bei chronischer Symptomatik ist die Verdachtsdiagnose sehr kritisch zu überprüfen (Ausschlussdiagnostik) Zusammenfassend ist festzustellen: Die Lyme-Borreliose ist eine klinische Diagnose, die durch medizinisch mikrobiologische Methoden unterstützt und abgesichert wird. Für die Routinediagnostik wird ein gestaffeltes Verfahren zum Fachgespräch Borreliose 5 Nachweis spezifischer Antikörper empfohlen. Die Antikörpertests Konnten durch Laborparameter Risiken für Neugeborene bei sind wegen der Heterogenität von Borrelia burgdorferi und variab- Borrelieninfektion in der Schwangerschaft bestätigt wer- len Immunreaktion der Patienten bisher nicht standardisiert. den? Kultur und PCR sind bei besonderen Einzelfällen durchzuführen. Studien haben ergeben, dass Schwangere die gleiche Prävalenz von Für die Interpretation der mikrobiologischen Befunde sind Kennt- Antikörpern gegen Borrelia burgdorferi aufweisen wie die Normal- nisse zur Anamnese und der klinischen Symptomatik unerlässlich. bevölkerung, d.h. etwa sieben Prozent weisen IgG-Antikörper auf. Untersuchungen von Christen und Eiffert (Göttingen) in Südnie- Diskussion : dersachsen zeigten ,dass lediglich 0,8% in der Schwangerschaft eine Serokonversion durchmachen. Weder der einzelne positive Wie zuverlässig sind Laborparameter in der Diagnostik der Antikörperbefund in der Schwangerschaft noch der Befund einer Borreliose? Serokonversion haben jedoch bei Neugeborenen zu erkennbaren Die Diagnose Lyme -Borreliose ist in erster Linie eine klinische Diagnose. Borrelien -Infektionen sind grundsätzlich in jedem Stadium serologisch zu diagnostizieren. Antikörper lassen sich in der Regel frühestens 14 Tage nach der Infektion nachweisen. In den ersten vier bis sechs Wochen einer Infektionen misslingt häufig jedoch ein Antikörpernachweis: 40 bis 50 Prozent der Patienten mit Erythema migrans sind sero-positiv. Beim Bannwarth-Syndrom (Stadium II) sind es bereits 60 bis 80 Prozent. Im Stadium III können Antikörper praktisch in allen Fällen nachgewiesen werden . Die Diagnose Lyme -Borreliose sollte jedoch nie allein vom Antikörperstatus abhängig gemacht werden. Entscheidendes Manko aller Testverfahren ist das Fehlen einer Standardisierung. Deshalb sollten Verlaufskontrollen nach Möglichkeit stets im selben Labor durchgeführt werden. Die Testverfahren können durch Störfaktoren beeinflusst werden. Ein negativer Antikörpertest schließt deshalb eine Lyme-Borreliose nicht aus. Es gibt andererseits eine ganze Reihe von Kreuzreaktionen, die zu falsch -positiven bzw. falsch -negativen Ergebnissen führen können, z. B. bei einer Epstein-Barr-Virusinfektionen oder durch andere Spirochäten (z. B. Lues). Eignen sich Antikörpertests zur Therapiekontrolle? Grundsätzlich ist festzustellen, dass nach erfolgreicher Therapie Antikörper langsam abklingen, was mit serologischen Testverfahren wie z.B. :ELISA kontrolliert werden kann. Besser geeignet ist der direkte Nachweis von Borrelien -Antigenen mittels PCR. Der Westernblot ist als Therapiekontrolle für kurze Zeiträume wenig geeignet. Nach der Therapie vorhandene Banden verschwinden nur sehr langsam. Erst nach einigen Jahren lassen sich auch mit diesem Test Änderungen nachweisen. Risiken geführt. Es wurden dabei über zwei Jahre lang Verlaufskontrollen durchgeführt. Bei keinem der Neugeborenen erkrankter Mütter liessen sich spezifische IgM- Antikörper als mögliches Indiz einer diaplazentaren Infektion nachweisen. Diese Erkenntnisse sind auch durch Studien in den USA und der Schweiz bestätigt worden. Daraus folgt, das Antikörperuntersuchungen allein auf Grund eines Zeckenstichs bei einer Schwangeren weder sinnvoll sind, noch eine Handlungskonsequenz haben. Ein positiver Antikörperbefund und/oder Serokonversion ohne klinische Symptome bedeuten aus heutiger Sicht kein erhöhtes Komplikationsrisiko. Wenn klinische Symptome einer Lyme-Borreliose während der Schwangerschaft auftreten, sollte eine Therapie mit geeigneten Antibiotika (Penicilli 6 Fachgespräch Borreliose 4. Klinik der akuten und chronischen Borreliose aus internistischer Sicht Allgemeine Symptome Müdigkeit, Fieber, Appetitlosigkeit Haut Erythema migrans, multiple Ringerytheme, Lymphadenosis benigna cutie Auge Konjunktivitis Prof. Dr. I. Schedel Nervensystem Kopfschmerzen, Nackensteifigkeit Herz Rhythmusstörungen In der Fachliteratur ist zur Beschreibung des klinischen Erschei- Gelenke Arthralgien, Myalgien nungsbildes der Lyme-Borreliose in Analogie zur Lues eine Stadieneinteilung nach Frühstadium(I), Spätstadium(II) und chronischen Stadium(III) üblich geworden. Dabei sollte bedacht werden, dass eine Infektion nach einem Zeckenstich selten ist, anfängliche Symptome sich selbst limitieren können, was jedoch nicht mit Ausheilung verwechselt werden darf. Am häufigsten wird Zeckenstich von einer banalen Hautrötung begleitet, die sich auf etwa ein bis zwei Zentimeter an der Stichstelle verteilt, häufig stark juckt und nach einigen Tagen oder spätestens einer Woche wieder verschwunden ist. Eine solche harmlosen Rötung ist kein Zeichen einer Infektionen sondern Ausdruck einer lokalen, allergischen bzw. toxischen Reaktionen auf den Speichel der Zecke. Kommt es zu einer Infektion, ist die häufigste Manifestationen in Frühstadium das Erythema migrans (EM), das nach einer Inkubationszeit von einigen Stunden bis Tagen an der Zeckenstichstelle auftritt. Es zeigt sich dort eine Hautrötung, die sich langsam kreisförmig ausbreiten und auch an anderen Körperstellen auftreten kann. Deshalb wird das Erythema migrans auch Wanderröte genannt. Das betroffene Hautareal kann schmerzhaft oder überempfindliche rea- Tab. 1: Potentielle Beschwerden im Frühstadium Durch Streuung des Erregers über die Blut -oder Lymphbahn kann es nach einer Latenzzeit von Wochen bis Monaten im Stadium II zu schweren Organmanifestationen kommen. Bei Befall eines oder mehrerer Gelenke treten dort Entzündungen auf (Lyme-Arthritis), wobei die Kniegelenke besonders häufig betroffen sind. Entzündliche Vorgänge an peripheren Nerven verursachen u.a. das sog. Bannwarth-Syndrom, eine Meningopolyneuritis. Gelegentlich treten auch Hirnnervenausfälle auf, die zu Lähmung meistens eines Gesichtsnervs führen können. Bei 0,3-4% der unbehandelten Patienten kann es bei Beteiligung des Herzens zu einer Herzmuskelentzündung oder einer Herzmuskelschwäche kommen. Das chronische Stadium der Lyme-Borreliose , d.h. Monate bis Jahre nach dem Zeckenstich, imponiert vor allem durch die Akrodermatitis chronica athrophicans („Zigarettenpapierhaut“) und durch rheumatologische Beschwerden in Form von Gelenkentzündungen unterschiedlichster Lokalisation. Tabelle 2 vermittelt nochmals einen Gesamteindruck der klinischen Symptomatik. Stadium I (Tage8 Wochen) Stadium II (bis zu 1 Jahr) Allgemeine Symptome Müdigkeit, Fieber, Appetitlosigkeit Rezidiv der Allgemeinsymptomatik Haut Erythema migrans, multiple Ringerytheme, Lymphadenosis benigna cutie Akrodermatitis chronica athrophicans (ACA), Morphea, eosinophile Faszitis Auge Konjunktivitis Ophthalmitis, Iridozyklitis Nervensystem Kopfschmerzen, Nackensteifigkeit Meningitis, Encephalitis, Radikuloneuriti s,Meningoplyn euritis progressive Enzephalomyelitis Herz Rhythmusstörungen Rhythmusstörungen, Myokarditis, Perikarditis persistierende Rhythmusstörungen Gelenke Arthralgien, Myalgien Mono-/Oligoarthritis chronisch-rez. Arthritis, erosive Arthritis gieren. Mit der Zeit verblasst das Erythem von der Mitte aus, sodass die anfangs scheibenförmige Rötung in eine ringförmige Rötung übergeht. Bei etwa 45 % der Infizierten tritt das Erythema chronicum an Oberschenkel, Leiste oder Axilla auf. Ein Erythema migrans ist das charaktristische Leitsymptom im Stadium I und eine sicheres Indiz für eine Borrelieninfektion. Es entwickelt sich allerdings nur bei etwa 50 % der Borrelienerkrankungen. Eine seltene weitere dermatologische Manifestation ist die Lymphadenosis benigna cutie , ein Lymphozytom, das bevorzugt an Ohrläppchen, Brustwarzen oder am Hodensack auftritt. Gelegentlich kommt es aber auch im Frühstadium zu anderen Organmanifestationen, wobei in 73% ein Organ, 24 % zwei Organe und 3 % drei Organe betroffen sein können. Tabelle 1 zeigt die potenziellen Organmanifestationen mit vorherrschenden Beschwerden: Stadium III (über 1 Jahr) Tab. 2: Klinische Symptome und Erkrankungen bei Lyme-Borreliose Fachgespräch Borreliose 7 Für die Antibiotikatherapie gilt: – Symptomatik im Bereich des Kardio-vaskulären Systems · so früh wie möglich beginnen · lange genug behandeln · hoch genug dosieren. – Symptomatik im Bereich des Bewegungsapparates Das nachstehende Therapieschema (Tabelle 3) gibt Hinweise zur Das klinische Spektrum wird zu 90% durch dermatologische Auswahl der geeigneten Antibiotika, zu ihrer Dosierung in den ver- Symptome, insbesondere das Erythema migrans geprägt. schiedenen Stadien und zur Behandlungsdauer, die im allgemeinen Deutlich seltener, mit jeweils etwa 5%, sind neurologische 21 Tage nicht unterschreiten sollte. Krankheitsbilder und Beschwerden am Bewegungsapparat. Medikamente – Labordiagnose Dosierung Verabreichung Dauer/Tage 2x100 mg/Tag oral 21 Frühstadium: Doxycyclin Eine Therapie ist um so erfolgreicher, je frühzeitiger sie beginnt , d.h. beim wichtigsten Symptom an der Haut, dem Erythema migrans sofort, auch ohne zusätzlichen Laborbefund. Im Frühstadium und Stadium II haben sich Tetrazykline(z.B: Doxycyclin) und Cehalosporine( z.B. Cefttriaxon) als gleichwertig erwiesen. Auch Penizilli- Amoxicillin: Erwachsene 3x500mg/Tag oral 14-21 Kinder 50 mg/Kg/Tag oral 14-21 ne werden empfohlen. Im Spätstadium sollte den Cephalosporinen der Vorzug gegeben werden, die i. v. appliziert werden müssen. Wichtig ist auch, dass hoch genug dosiert wird (z. B. beim Doxycyclin 200 mg pro Tag). Zur Dauer der Antibiotikatherapie hat sich Erythromycin: Erwachsene 3x500mg/Tag oral 14-21 Kinder 30mg/Kg/Tag oral 14-21 Roxithromycin 2x150 mg/Tag oral 14-21 eine Mindestdauer von 21 Tagen als sicher erwiesen. Individuelle Abweichungen, insbesondre bei Neuroborreliosen und psychiatrischer Symptomatik sind nach ärztlicher Indikation möglich. Ist eine Antibiotikaprävention von asymptomatischen Personen nach einem Zeckenstich sinnvoll? Spätstadium: Eine randomisierte , placebokontrollierte Doppelblindstudie liefer- Ceftriaxon 1x2g/Tag i.v. 14-21 Cefotaxim 3x2g/Tag i.v. 14-21 clingabe von 200 mg in über 85% als wirksam erwies. Aufgrund Penicillin G 4x5 Mio IE/Tag i.v. 14-21 dieser Studie wird jetzt in den USA eine solche Einmalprophylaxe Tab. 3: Antibiotische Behandlung bei Borreliose te 2001 in den USA den Beweis, dass sich eine einmalige Doxicy- innerhalb von drei Tagen nach Entfernen der Zecke empfohlen, wenn diese mehr als 36 Stunden Blut saugen konnten. Beträgt der Diskussion: Saugakt weniger als 36 Stunden, wird auf eine Antibiotikaprophy- Die Diskussionsbeiträge der teilnehmenden niedergelassenen Ärz- laxe verzichtet (andere Zeckenspezies in den USA, bei uns wären te lassen einen dringenden Bedarf an Fortbildung erkennen. Vom vergleichbar 24 Stunden als Zeitlimit anzusetzen). Auditorium wurde außerdem eine kontinuierliche Aufklärung der Bevölkerung über präventive Massnahmen gefordert. Diese sollte auch in Form von Gemeinschaftsveranstaltungen mit Selbsthilfegruppen angeboten werden. Gewünscht wird ferner eine praxisgerechte Aufbereitung des gegenwärtigen Wissenstandes, wobei neben standardisierten Testverfahren, einfache Diagnoseschemata ( z.B.: ECM- Diagnose nach Ausmass der Rötung , 5cm Induration?) und Therapiestrategien im Vordergrund stehen sollten. Der Zeitaufwand für Beratungsgespräche von Patienten mit BorrelioseSymptomatik wird allgemein als erheblich bezeichnet. Kann ein Diagnoseschema empfohlen werden? Als Basis für die Diagnosestellung wird auf die Kriterien der CDC aus dem Jahre 2003 verwiesen: Falldefinition Lyme-Borreliose: Erythema migrans + mind. 1 der folgenden Kriterien: – Symptomatik im Bereich des Nervensystems 8 Fachgespräch Borreliose 5. Klinik der akuten und chronischen Borreliose aus neurologischer Sicht Prof. Dr. Nau Wenige Wochen bis einige Monate nach der akuten Infektion kann dritten Generation bevorzugt. Bei rekurrierender Symptomatik können längere Behandlungszeiten erforderlich werden. Die Probleme bei der Durchführung von Therapiestudien liegen in · Schwierigkeiten bei der Diagnostik, · der hohen Spontanheilungsrate im Früh-und Spätstadium · der nur langsamen klinischen Besserung im Stadium III. Folgendes Behandlungsschema wird für die Stadien II und III emp- Nachstehende Tabelle zeigt die ungefähre Häufigkeit des klinischen fohlen: · Ceftriaxon 1 x 2g/pro Tag i.v. · Doxycyclin 2 x 1OOmg/pro Tag p.o. · Cefotaxim 3 x 2 g/ pro Tag i.v. · Penicillin G 4 x 3g/ pro Tag i.v. Bildes einer Neuroborreliose: Behandlungsdauer 2-4 Wochen in Abhängigkeit vom Medikament eine neurologische Symptomatik auftreten. Das sog. BannwarthSyndrom, eine Meningoradikuloneuritis, ist nach dem Erythema migrans die bei uns häufigste Manifestation einer akuten Borreliose. Erwachsene Kinder Radikuloneuritis (M. Bannwarth) 80% 10-20% Meningitis 10% 30% Enzephalitis 5-10% 5-10% Myelitis <5% <5% isolierte Fazialisparese plus Liquorpleozytose <5% 40% (s.u.) Keine Kortikosteroide! Standardtherapie: · Ceftriaxon 1 x 2g/pro Tag i.v. über I4 Tage · Wirksam anhand pharmakokinetischer und -dynamischer Daten sowie begrenzter klinischer Erfahrung: Doxycyclin 2 x IOOmg/ pro Tag p.o. über 2I Tage Beim Bannwarth-Syndrom treten quälende , wandernde Schmerzen, häufig kombiniert mit Parästhesien und Hyperalgesien , schlaf- · Verkürzte oder niedriger dosierte Behandlungsprotokolle vermeiden! Keine Pausen an Wochenenden! fe Lähmungen und sensible Ausfälle auf. Bis auf den N. olfactorius können alle Hirnnerven betroffen sein, überwiegend allerdings der Von einer möglichen oder wahrscheinlichen chronischen Neurobor- N. facialis. Dies führt bei den Betroffenen zu Gesichtslähmungen. reliose sollte nur gesprochen werden, wenn neben dem Vorliegen Der Geschmackssinn kann verschont bleiben. klinischer Symptome Borrelien-spezifisches IgM im Serum oder Li- Die Diagnose der Neuroborreliose erfordert zu allererst eine ent- quorpleozytose und Borrelien-spezifisches IgG im Serum nachweis- sprechende klinische Symptomatik. Die Verdachtsdiagnose kann bar sind. Dabei ist zu beachten, dass auch nach erfolgreicher an- durch Liquoruntersuchungen (Pleozytose, oft mit Vorherrschen tibiotischer Behandlung borrelien-spezifisches IgM im Serum oder lymphozytärer Zellen, Liquoreiweisserhöhung; intrathekale Immun- eine Liquorpleozytose nur langsam abklingen. Eine intrathekale globulinsynthese , intrathekale Synthese Borrelienspezifischer An- Synthese von Borrelien-spezifischen Antikörpern kann über Jahre tikörper und Borrelienserologie) verifiziert werden. Der Nachweis persistieren. Borrelien-spezifischer Antikörper trifft allerdings nur mittelbar eine Unspezifische Beschwerden (Erschöpfbarkeit, Muskel- und Aussage darüber, ob ein Mensch noch lebende Borrelien beherbergt Gelenkschmerzen, Dysästhesien und Parästhesien, Stimmungs-, oder ob diese bereits abgetötet sind. Der kulturelle Erregernachweis Schlaf- und Gedächtnisstörungen) nach durchgemachter, lege artis aus dem Liquor ist schwierig und wenig sensitiv. Bei sehr früher Ma- behandelter Borreliose sind nicht selten. nifestation der Neuroborreliose kann, wenn noch keine spezifische Die weitaus meisten nicht auf Antibiose reagierende Patienten ha- Immunantwort vorliegt, die PCR nützlich sein. Die Empfindlichkeit ben keine floride Neuroborreliose: lässt bei der PCR zu wünschen übrig. als aussichtsreich bezeichnet werden, wenn geeignete Antibiotika entweder - nie eine gehabt, oder die Borreliose wurde - ausreichend behandelt. ausreichen dosiert und lange genug eingesetzt werden. Dennoch Länger als 1 Monat andauernde „ Antibiotikakuren“ machen kei- Die Behandlung der Neuroborreliose kann im Stadium I und II mangelt es derzeit noch an umfassenden kontrollierten Studien für nen Sinn und sind potenziell schädlich für den Patienten. Sie kön- ein standardisiertes , allgemein akzeptiertes Therapieregime. Es gibt nen lediglich kleine randomisierte Studien .Während im frühen Stadi- Durchfall und pseudomembranöse Colitis hervorrufen, um der Borrelieninfektion vorwiegend Amoxicillin und Doxycyclin zu einer Selektion resistenter Bakterien führen und zu Einsatz kommen, wird bei Beteiligung des Zentralnervensystem, die Entstehung von Gallengries bei langdauemder Gabe von Cef- eine intravenöse antibiotische Therapie mit Cephalosporinen der triaxon begünstigen. Fachgespräch Borreliose Auch sind Todesfälle in der Literatur beschrieben worden. Residualzustände nach überstandener Neuroborreliose sprechen nicht auf antibiotische Therapie an. Sie müssen symptomatisch behandelt werden (Antiphlogistika, Antidepressiva, Krankengymnastik, Ausdauersport, Psychotherapie) Ein Zusammenhang zwischen Borrelieninfektionen und „Chronic fatigue“, Fibromyalgie u.ä. Erkrankungen ist unbewiesen. Literaturhinweise: Eine dreimonatige antibiotische Therapie (2g Ceftriaxon/pro Tag i.v. über 30 Tage, 200mg Doxycyclin/pro Tag p.o. über 60 Tage) verringerte diese Beschwerden nicht stärker als Placebo (Klempner et al, NEJM 2001; 345: 85-92). Die Symptome waren in einer altersbezogenen Vergleichsgruppe von Patienten ohne durchgemachte Borreliose nicht seltener als bei Patienten nach Borreliose (Seltzer et al, JAMA 2000; 283: 609616). Diskussion: In welcher Häufigkeit tritt eine Neuroborreliose auf? Im Verhältnis zum Erythema migrans tritt sie in einer Häufigkeit von 1:10 auf. Gibt es eine Prädisposition? Kinder , die nach einem Zeckenstich eine Neuroborreliose entwikkeln, sind in der Regel am Kopf gestochen worden. Dagegen sind Grunderkrankungen nicht bekannt, die eine Neuroborreliose begünstigen. Menschen mit wiederholten Exposition gegen Borrelien( z.B. Waldarbeiter, Förster) weisen diese neurologische Komplikation häufiger auf. Statistische Untersuchungen haben ergeben, dass von den vier genetisch zu unterscheidenden Borrelienarten, B. garinii häufiger Neuroborreliosen verursacht. Welche Besonderheiten ergeben sich bei der Diagnose und der Therapie? Neuroborreliosen im Stadium I ,wie z.B : Meningitis sind rar. Die Radikuloneuritis (M.Bannwarth) als häufigste Komplikation manifestiert sich erst ab Stadium II. Die Diagnose beruht meist auf Klinik und Liquorbefund sowie dem Nachweis von Borrelienspezifischen Antikörpern. Der Nachweis dieser Antikörper sagt nur mittelbar etwas darüber aus, ob ein Mensch noch lebende Borrelien in sich trägt oder ob alle Erreger abgetötet sind. Die in Betracht kommenden Labortests sind leider wenig sensitiv. Das gilt sowohl für die Kultur wie für die PCR. Für die Therapie sind ,abweichend von der o.a. gegebenen Hinweise, individuell bis zu 4 Wochen sinnvoll. Längere Therapieintervalle sind nicht zu empfehlen. Sie schaden dem Patienten mehr als das sie noch von Nutzen sind (s.o.). 9 10 Fachgespräch Borreliose 6. Neuroborreliose aus psychiatrischer Sicht tienten das krankheitsspezifische ECM. In den meisten Fällen tritt Dr. Hetzel dener Organsysteme (Haut, Gelenke, Herz, Augen, Nervensystem) Zusammenfassung des Referates durch den Referenten Symptome einer Meningitis (Kopfschmerzen, Nackensteifigkeit, Einleitung etwa zeitgleich einer grippeähnlichen Allgemeinsymptomatik auf. Es kann früh zu einer Ausbreitung der Borrelien und Befall verschiekommen. Ist das Gehirn an der Infektion beteiligt, können akut Lichtempfindlichkeit, Übelkeit, Erbrechen etc.) und Enzephalitis in Form eines organischen Psychosyndroms (Aufmerksamkeits-und Konzentrationsstörungen, Gedächtnisstörungen, Desorientiertheit, Es handelt sich bei der Borreliose um eine weltweit verbreitete, Gereiztheit, emotionale Labilität etc.) auftreten. Der Zeckenstich durch infizierte Schildzecken der Gattung Ixodes übertragene und und die damit verbundene Infektion mit Borrelien kann auch in vie- stadienhaft verlaufende Infektionskrankheit mit besonderer Betrof- len Fällen unbemerkt verlaufen und nicht erinnert werden. Nach ei- fenheit der Haut, Gelenke, Herz, Augen und des Nervensystems. ner beschwerdefreien Latenz von Monaten bis Jahren können sich Aus psychiatrischer Sicht ist hierbei die Schädigung des zentralen dann erste organspezifische Krankheitssymptome inclusive psych- Nervensystem bei der Entwicklung von psychopathologischen Sym- iatrische Erkrankungen manifestieren. ptomen im Krankheitsverlauf von entscheidender Bedeutung. Obwohl Spontanverlauf und Prognose häufig gutartig sind, kommen, Psychiatrische Symptomatik ähnlich wie bei der Lues, chronische Verläufe, Rückfälle und auch Die erste Beschreibung eines ECM mit einer im Verlauf als Kom- Späterkrankungen vor (Schmidt et al. 1985). plikation auftretenden psychischen Erkrankung stammt aus dem Die erstmals in Europa, im Jahre 1922 von Garin und Bujadoux Jahre 1930 (Hellerström S., 1930). Zwei Monate nach dem ECM und zu Beginn der 40`iger Jahre ausführlicher von Bannwarth be- entwickelte der Patient eine halluzinatorische Psychose. Oepen schriebenen Manifestation am Nervensystem (Meningopolyneu- (1987) sowie Neumerker (1989) beschrieben je einen deutschen ritis Garin-Bujadoux-Bannwarth), stellt ein in seinen Grundzügen Patienten mit einer borrelieninduzierte kataton-schizophrenen einheitliches, im Einzelfall jedoch unterschiedlich ausgeprägtes Symptomatik. Im Jahre 1991 folgte eine Fallbeschreibung eines Krankheitsbild dar: dem Zeckenbiß folgt das pathognomonische weiteren deutschen Patienten, bei dem die Borrelien-induzierte Erythema chronicum migrans (ECM). Die anschließende, weniger paranoid-halluzinanatorische Symptomatik klinisch nicht von einer charakteristische neurologische Symptomatik wird durch heftige primären schizophrenen Erkrankung zu unterscheiden war (Barnett wandernde Schmerzen eingeleitet. Die ca. 1-3 Wochen später et al. 1991). Desweiteren wurden Fälle von Patienten berichtet die einsetzende neurologischen Ausfälle entsprechen einer asymme- im Krankheitsverlauf eine Demenz (Reik et al. 1986; Warniek et al. trischen Polyneuritis, die häufig den N. facialis mit einbezieht. Bei 1995; Ackermann et al. 1988), Anorexia nervosa (Pachner et al. geringer meningealer Reizung besteht gleichzeitig eine lymphozy- 1989), Manie (Fallon et al. 1993), Panikstörung und Agoraphobie täre Meningitis (Schmidt und Ackermann, 1985). 1970 wurde das (Fallon et al. 1994) entwickelten. ECM erstmals in den USA entdeckt (Scrimenti et al., 1970). Dem Eine häufige auch in kontrollierten klinischen Studien beschriebe- folgte 1975 die erstmalige Beschreibung einer Arthritis, als Folge ne psychiatrische Erkrankung stellt die Depression dar (Krupp et al. eines Zeckenstiches in Lyme, Staat Connecticut in den USA (Steere 1991). In einer Übersichtsarbeit von Fallon und Nields (1994) wurde et al., 1977). 1981 wurde die krankheitsauslösende Spirochäte von bei 20 – 66 % der Patienten eine affektive Krankheitssymptomatik Burgdorfer isoliert und nach dessen Namen, Borrelia burgdorferi beobachtet (Depression, emotionale Labilität, Gereiztheit). Fallon benannt (Burgdorfer et al., 1982). Nach anfänglich im Vordergrund und Miarbeiter (1997) konnten desweiteren zeigen dass 70 % der stehenden Fallberichten und Fallserien bzgl. psychopathologischer Neuroborreliose-Patienten im Laufe der Erkrankung eine depressive Auffälligkeiten, konnte in den letzten Jahren auch in kontrollierten Episode von mindestens 2 Wochen Dauer entwickelten. Studien ein vermehrtes Auftreten von depressiven Symptomen und neuropsychologischen Defiziten gezeigt werden. Allgemeine Symptomatik Anhaltende neuropsychologische Defizite treten v.a. in der chronischen Krankheitsphase auf. 50 – 60 % der Patienten mit einer chronischen Neuroborreliose zeigen objektivierbare neuropsychologische Defizite (Krupp et al. 1991; Logigan et al. 1995). Wester- Die allgemeine Krankheitssymptomatik hängt vom Stadium der velt und McCaffrey (2002) beschrieben in einer Übersichtsarbeit Erkrankung ab. Die Erkrankung wird allgemein in 3 Stadien einge- die Ergebnisse neun kontrollierter Studien. Die Neuroborreliose- teilt, wobei das „früh-lokalisierte“ (akut), „früh-disseminierende“ Patienten zeigten konsistent im Vergleich zu Kontrollgruppen eine (akut) und „Spätstadium“ (chronisch) unterschiedenen werden. verminderte kognitive Leistungsfähigkeit (Aufmerksamkeits- und Tage bis Wochen nach dem Zeckenstich entwickeln ca. 2/3 der Pa- Konzentrationsstörungen, Gedächtnisstörungen, Desorientiertheit, Fachgespräch Borreliose 11 Wortfindungsstörungen, verlangsamtes Sprechen und Denken, Le- krankheitsspezifischen Therapie (Antibiotika; s. nächstes Kapitel) ist sestörung, Gereiztheit, emotionale Labilität, Müdigkeit, Schlafstö- in diesem Zusammenhang wichtig für die Verhinderung von Spät- rungen). komplikationen. Pathogenese Aufgrund der begrenzten Aussagefähigkeit laborchemischer (Serum, Liquor: Antikörpernachweis, Kultur, PCR), apparativer (Bildge- Die Inkubationszeit beträgt 3 – 32 Tage. Die primäre Ausbreitung bung, EEG) und neuropsychologischer Testverfahren, stehen neben der Borrelien erfolgt über die Haut. Grundsätzlich besteht die Mög- der Anamnese die aktuellen psychopathologischen Veränderungen lichkeit, dass die Spirochäten innerhalb der ersten Wochen nach im Vordergrund der Diagnostik. dem Zeckenstich über die Blutbahn disseminieren und das Gehirn Die Beantwortung folgender Fragen sollten bei der psychiatri- befallen (Garcia-Monco et al. 1990; Luft et al. 1992). Einmal im schen Differentialdiagnostik Berücksichtigung finden: Gehirn angelangt kommt es entweder zu einer akuten Entzündung 1. Lebt oder lebte der Patient in einem Borrelien-Endemiegebiet? oder die Borrelien verbleiben über Monate bis Jahre latent im Ge- 2. Ist eine Zeckenstich oder eine Hautveränderung (ECM) erinner- hirn ohne Krankheitssymtome auszulösen (Logigan et al. 1990). bar? Nach einer längeren symptomfreien Latenz besteht dann die Mög- 3. Gibt es in der Vorgeschichte psychische Erkrankungen? lichkeit, dass sich die Borrelieninfektion erstmalig, isoliert in Form 4. Gibt es in der Familie psychische Erkrankungen? psychopathologischer Auffälligkeiten äußert. 5. Ist bei der psychiatrischen Erstmanifestation das Erkrankungsal- Folgende pathogenetische Mechanismen der ZNS-Schädigung werden diskutiert: - anhaltende aktive Infektion und damit verbundene direkte Schädigung von Nervenzellen durch Borrelien und deren Sekretionsprodukte (Coyle et al. 1992) - Induktion einer lokalen Produktion entzündlicher, zytotoxischer Stoffe (Coyle et al. 1992) - durch Borrelien getriggerte spezifische Autoimmunreaktion (Bildung von Antikörpern gegen eigenes Hirngewebe) (Rowe et al. 2000) - durch Borrelien getriggerte unspezifische Immunreaktion (Fallon et al. 1994) Diagnostik Die Unterscheidung, ob es sich bei der psychiatrischen Symptomatik um eine primär psychische Erkrankung oder eine sekundär durch Borrelien bedingte organisch psychische Störung handelt kann im Einzelfall sehr schwierig sein. Fehldiagnosen sind häufig und in „beide Richtungen“ möglich. Einerseits besteht die Möglichkeit, dass eine primär psychische Störung als Neuroborreliose verkannt wird, und dann unnötigerweise antibiotisch, und nicht adäquat psychiatrisch-psychotherapeutisch behandelt wird. Diese Fehlbehandlung könnte dann mit erheblichen negativen Konsequenzen einhergehen, wenn man z.B. die hohe Suizidrate von Patienten mit depressiven Störungen berücksichtigt (Wilner et al. 1979). Auf der anderen Seite kann eine durch Borrelien verursachte organisch psychopathologische Symptomatik als primär psychische Störung fehldiagnostiziert werden. In diesem Fall würde es nicht zur Einleitung einer krankheitsspezifischen antibiotischen Therapie kommen. Entscheidend ist, dass Ärzte in Borrelien-Endemiegebieten bei ihren differentialdiagnostischen Überlegungen, die Neuroborreliose als mögliche Ursache einer psychischen Störung mit einbeziehen. Die frühzeitige Diagnosestellung und Einleitung einer ter untypisch? 6. Zeigt die aktuelle psychiatrische Erkrankung untypische Symptome? 7. Besteht eine Therapierefraktärität trotz Standardtherapie? Ein weiterer wichtiger Punkt bei der Differentialdiagnostik, einer durch psychiatrische Krankheitssymptome geprägten Neuroborreliose, ist die Beachtung krankheitsspezifischer, nicht-psychiatrischer Begleitsymptome, die in der Vorgeschichte manifest waren bzw. die aktuelle psychiatrische Symptomatik begleiten: - Peripher neurologische Symptomatik - Gelenkerkrankungen - Muskelschmerzen - Herzerkrankung - Augenerkrankung - Anhaltende Kopfschmerzen - Ausgeprägte Müdigkeit - Geräusch- und Lichtempfindlichkeit Das Labor stellt eine wichtige ergänzende diagnostische Maßnahme dar. Im Serum sowie im Liquor kommt es in Abhängigkeit vom Krankheitsstadium- und Verlauf zur Bildung von Borrelienspezifischen Antikörper (IgM, IgG). Hierbei ist die Möglichkeit von „falsch-positiven“ und „falsch negativen“ Befunden zu berücksichtigen. Der Antikörper Serum/Liquor-Quotient ist eine diagnostische Hilfe um Antikörper-Diffussionen vom Serum in den Liquor, bei der Diagnostik einer zentralnervösen Beteiligung mit zu berücksichtigen. Die Borrelien-Kultivierung ist schwierig und unsicher, BorrelienDNA kann mittels PCR (Polymerase-Chain-Reaction) nachgewiesen werden. Die neuropsychologische Testdiagnostik bietet die Möglichkeit auch diskretere, in der klinischen Untersuchung nicht erkennbare kognitive Defizite zu erkennen. Sie geht mit einer hohen Sensitivität (80 – 90 %) und niedrigen Spezifität einher, d.h. kognitive Defizite 12 Fachgespräch Borreliose können mit hoher Sicherheit erkannt werden, die Zuordnung zu ei- mit therapierefraktären kognitiven Defiziten keine Überlegenheit nem spezifischen Krankheitsbild ist jedoch schwierig und unsicher. einer 90-tägigen Antibiotikatherapie gegenüber Placebo zeigen. Das EEG (Elektroencephalogramm) zeigt in Einzelfällen eine Allge- In der Literatur finden sich nur vereinzelt kontrollierte Therapiestu- meinveränderung als Hinweis auf eine organisch psychische Stö- dien zur Reversibilität psychischer Störungen unter Antibiotikathe- rung. Im MRT (Kernspintomogramm) wurden hyperdense Areale rapie. Der Nutzen einer augmentativ symptomorientierten Psycho- der weißen Substanz des Gehirns beschrieben. In letzter Zeit wurde harmakotherapie wurde lediglich in Einzelfällen beschrieben (Nields das Gehirns mittels SPECT (Single-Photon-Emission-Computer-To- et al. 1998): Es wurde über den positiven Effekt einer medikamen- mographie) bei Neuroborreliose Patienten u.a. mit neuropsycholo- tös-antidepressiven Therapie mit einem selektiven Serotoninwie- gischen Defiziten untersucht. Hierbei zeigte sich in Einzelfällen eine deraufnahmehemmer bei affektiven Krankheitssymptomen, nied- diffuse Minderperfusion des Gehirns, die sich unter antibiotischer rigdosierte Behandlung mit Amitryptilin bei Schlafstörungen und Therapie teilweise wieder zurückbildete. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass sämtliche laborchemischen, apparativen und testpsychologische diagnostischen Methoden für sich allein betrachtet unsicher sind und lediglich in die Medikation von Methylphenidat bei Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen berichtet. Zusammenfassung der Gesamtschau der Diagnostik (inclusive Anamnese und Klinik) Es handelt sich bei der Borreliose um eine potentiell multisystemi- eine wichtige differentialdiagnostische Informationsquelle darstel- sche Erkrankung, die häufig zu einer entzündlichen Veränderung len. des Gehirns, mit daraus resultierenden psychopathologischen Veränderungen führt. Die damit einhergehenden pathogenetischen Therapie Mechanismen sind noch nicht ausreichend untersucht und weitge- Das Mittel der ersten Wahl zur Behandlung organisch psychischer hend hypothetisch. Die Differentialdiagnose kann im Einzelfall sehr Störungen im Rahmen einer Neuroborreliose stellt die intravenöse schwierig sein. Fehldiagnosen sind in diesem Zusammenhang häu- Medikation mit Antibiotika dar (Cephalosporine: z.B. Ceftriaxone fig. Die Erhebung der genauen Anamnese, die Berücksichtigung i.v. 2g/d; Cefotaxim 6g/d) (Halperin et al. 1999; Paparone et al aktueller psychopathologischer Veränderungen, sowie die Unter- 1998). Die Dauer der Behandlung wird in der Literatur unterschied- suchung auf eine nichtpsychiatrische Begleitsymptomatik, stellen lich mit 4 - 6 Wochen angegeben (Coyle et al. 1993; Halperin et al. wichtige differentialdiagnostische Schritte dar. Die Ergebnisse zu- 1999; Paparone et al 1998). Behandlungen in der frühen, akuten satzdiagnostischer Maßnahmen wie Labor, apparativer Diagnostik, Erkrankungsphase scheinen mit einer besseren Langzeitprognose neuropsychologischer Testverfahren müssen in der Gesamtschau und geringeren Spätkomplikationsraten einherzugehen. Hierzu exi- der Befunde Berücksichtigung finden. Sie sind für sich allein ge- stieren jedoch insbesondere bzgl. psychiatrischer Spätkomplikatio- nommen diagnostisch unsicher und häufig mit „falsch positiven“ nen keine kontrollierte Studien. Die Rückbildung psychopathologi- und „falsch negativen“ Befunden behaftet. Die Neuroborreliose scher Symptome unter einer antibiotischen Therapie wurde mehr- kann sich auch noch nach Jahren symptomfreier Latenz, isoliert fach in Fallberichten und Fallserien beschrieben (Fallon et al. 1994; in Form einer psychischen Störung manifestieren. Die frühzeitige Stein et al. 1996; Fallon et al. 1995): Die Behandlungsdauer betrug Diagnostik und die damit verbundene Einleitung einer krankheits- 10 Tage bis zu 29 Wochen. Oft waren wiederholt Antibiotikathe- spezifischen Therapie sind für die Prognose entscheidend. Bei einer rapie-Zyklen erforderlich um eine Symptomlinderung zu erzielen. Fehldiagnose kann aus einer akuten, potentiell gut behandelbaren In 2 älteren offenen Studien konnte gezeigt werden, dass neuro- Infektionskrankheit, eine chronische, stark lebensbeeinträchtigen- psychologische Defizite unter einer antibiotischen Monotherapie de, schwierig behandelbare Erkrankung mit einer fluktuierenden reversibel sind (Halperin et al. 1988; Pass et al. 1988). Das Vorge- Krankheitssymptomatik entstehen. hen bei Therapieresistenz wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Die Datenlage ist diesbezüglich „spärlich“. Empfehlungen gehen Ausblick und Forschungsbedarf in verschiedene Richtungen, von keiner Therapie bis hin zur mehr- Die Anzahl wissenschaftlicher Untersuchungen bzgl. psychiatri- monatigen intravenösen und wiederholt antibiotischen Therapiezy- scher Komplikationen im Rahmen einer Neuroborreliose ist in klen. Pachner (1985) beschrieb eine Verbesserung psychiatrischer Deutschland gering. Es existieren hierzu kaum kontrollierte Studi- Symptome nach mehrmonatiger antibiotischen Therapie. In einer en. Ergebnisse aus dem außereuropäischen Ausland (hauptsächlich offenen Studie profitierten Patienten mit anhaltenden neuropsy- USA) können u.a. wegen unterschiedlicher Borrelienstämme nicht chologischen Defiziten von einer wiederholten Antibiotikatherapie uneingeschränkt auf Deutschland übertragen werden. (Fallon et al. 1999). Eine placebokontrollierte Studie aus dem Jahre 2001 (Klempner et al. 2001) konnte bei Neuroborreliose-Patienten Fachgespräch Borreliose Wissenschaftlich könnten folgende Untersuchungen sinnvoll sein: 1. Untersuchungen zur Häufigkeit psychiatrischer Störungen, mittels standardisierter psychiatrischer Diagnostik. In diesem Zusammenhang sollten gesunde seropositive (spezifische Antikörper gegen Borrelien) Probanden und Patienten mit einer klinisch manifesten Borreliose untersucht werden. 2. Nicht alle Menschen entwickeln nach einer Borrelieninfektion psychopathologische Auffälligkeiten. In diesem Kontext erscheinen Untersuchungen zu möglichen Prädiktoren (biologisch: Immunologie, Serotoninstoffwechsel, HPA-Achse; nicht-biologisch: Psychiatrische Anamnese) sinnvoll. 3. Fragen zur Ätiologie psychiatrischer Komplikationen könnten durch die Verknüpfung derselben mit immunologischen Veränderungen, der monoaminergen Funktion, HPA-Achse und funktionelle Bildgebung nachgegangen werden. 4. Es existieren keine kontrollierten Therapiestudien zur Wirksamkeit von Antibiotika, bei borrelieninduzierten psychischen Störungen. Studien zur Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit von Antibiotika sind diesbezüglich erforderlich (Dauer, Dosierung, Vorgehen bei Therapieresistenz). 5. Desweiteren sollte auch der Effekt einer augmentativen Psychopharmakotherapie unter kontrollierten Bedingungen untersucht werden (Antidepressiva, Neuroleptika, Stimulantien). 6. Entscheidend für eine erkenntnisreiche Forschung auf diesem Gebiet ist eine enge Kooperation zwischen Internisten, Neurologen, Labormedizinern und Psychiatern. 7. Die Implementierung von Borreliose-Spezialambulanzen in psychiatrischen Kliniken ist zu diskutieren. Diskussion: Die psychiatrische Symptomatik der Lyme-Borreliose wird charakterisiert durch eine sehr eingeschränkte Datenlage, eine kontroverse Diskussionen in der Literatur und durch nur wenige kontrollierte Studien , die auch noch fast ausschliesslich aus den USA stammen. Kann davon ausgegangen werden, dass Borrelieninfektionen auch zu psychiatrischen Krankheitsbildern führen können? Es gilt wissenschaftlich als gesichert, dass Borrelien auch psychiatrische Erkrankungen verursachen können. Eine Stadieneinteilung ist allerdings unsicher. Zur Pathogenese ist bekannt, das innerhalb weniger Tage nach einem Zeckenstich, sich die Borrelien über die Blutbahn verbreiten und auch das ZNS befallen können. Dort können Sie eine Meningitis oder auch Encephalitis hervorrufen. Im Verlauf einer Neuroborreliose kommt es in 70% der Fälle -zeitweilig-zur Ausbildung einer Depression. Die Borrelien können auch latent im 13 ZNS über Monate bis Jahre ohne Krankheitssymptome persistieren. Die Unterscheidung zwischen einer Neuroborreliose und primär psychiatrischer Erkrankungen ist im Einzelfall schwierig und führt häufig zu Fehldiagnosen. Wegen der schwierigen Differenzialdiagnose ist eine enge Kooperation zwischen Psychiatern, Internisten, Neurologen in Kliniken und Forschung dringend erforderlich. 14 Fachgespräch Borreliose 7. Zusammenfassung und Ausblick Abständen über die Wirkungsweise der Zecken und geeigneter Prof. Dr. Windorfer Instrumentarium in geeigneter Form (Meldepflicht) auf die Lyme- Die Lyme-Borreliose ist eine weltweit durch Zecken verbreitete erweitern. Infektionskrankheit, über die einiges Detailwissen existiert, vieles Die Niedersächsische Ärztekammer wird aufgerufen, íhre Fortbil- aber noch unzureichend erforscht ist. Die Krankheit hat sich in dungsveranstaltungen speziell auf diese Infektionskrankheit aus- den letzten Jahren im Ansehen von Bevölkerung und Ärzteschaft zurichten und dabei auch Selbsthilfegruppen mit einzubeziehen. von einer „Modekrankheit“ zu einer ernstzunehmenden , ja so- Nicht zuletzt ist es Vertretern dieser Gruppen zu danken, dass die Vorbeugungsmassnahmen gegen Stiche aufzuklären. An den Gesetzgeber ist die Bitte zu richten, das epidemiologische Borreliose mit ihren verschiedensten klinischen Manifestationen zu gar unheimlichen Krankheit entwickelt. Schuld an dieser gewissen gesundheitspolitische Bedeutung dieser Erkrankung (wieder) in den Mystifizierung sind die unklare epidemiologische Situation, eine Blickpunkt gerückt ist. schwierige Differenzialdiagnose und Unsicherheiten in der Bewer- Für die Universitäten ergibt sich folgender Forschungsbedarf: tung neurologischer und psychiatrischer Komplikationen , vor allem Die Studienlage in Deutschland ist spärlich. Es fehlen: in den Spätstadien. · standardisierte Untersuchungsverfahren Wir wissen heute sicher, dass die Zeckenborreliose im Regelfall in · kontrollierte Therapiestudien der nördlichen Hemisphäre durch den Stich einer infizierten Schild- · Untersuchungen zur Prädiktion für die Entwicklung psychiatri- zecke (Ixodes ricinus) übertragen wird . Bis zu einem Drittel der scher Komplikationen ( biologisch und nicht-biologisch; z.B. Zeckenpopulation ist in Deutschland mit Borrelien infiziert. 50% Immunologie, Serotoninstoffwechsel, Anamnese) aller Zeckenstiche bleiben unbemerkt. Auf 100 Stiche ist mit nur · Untersuchungen zur Ätiologie ungefähr einer Erkrankung zu rechnen. Nach vagen Schätzungen · Entwicklung eines Impfstoffes. erkranken in Deutschland jedes Jahr 30-60 000Menschen, davon Zur Aufklärung unklarer psychiatrischer Krankheitsbilder ist eine in Niedersachsen rd. 5000 . Die Prävalenzrate wird mit 7 % in der enge Kooperation zwischen Internisten, Neurologen und Psych- Normalbevölkerung angegeben. iatern in Klinik und Forschung gefragt. Dieser wiederholt vorge- Die Lyme-Borreliose tritt regelmässig als akute Infektionskrankheit tragene Aspekt führt zu der Anregung, in Niedersachsen eine Art mit Erstmanifestationen an der Haut ( z. B: Erythema migrans )auf. Zentrum einzurichten, das sich fachübergreifend mit dem Krank- . Eine überstandene Erkrankung schützt nicht vor einer Reinfektion. heitsbild der Lyme-Borreliose befasst und das sich mittelfristig auch Im Stadium I und II kommt in vielen Fällen zu Spontanheilungen. anderer durch Zecken übertragbarer Erkrankungen annehmen Borrelien können auch andere Organe wie Augen, Nervensystem, könnte. Adressat diese Vorschlages wäre das Niedersächsiche Sozi- Herz und Gehirn befallen. Oft fehlen aber typische Symptome. Un- alministerium und das Ministerium für Wissenschaft und Kunst. behandelt kann es Wochen bis Monate später zu Hirnhautentzündung, Lähmungen wie der Facialisparese oder Gelenkbeschwerden kommen. Noch nach Jahren können Erkrankungen des Nervensystems, des Herzens sogar psychiatrische Krankheitsbilder auftreten. Häufig werden diese Beschwerden mangels geeigneter differenzialdiagnostischer Überlegungen nicht ursächlich auf eine Borrelieninfektion zurückgeführt und dann falsch behandelt. Da der klinischen Diagnose eine herausragende Bedeutung zukommt, werden von den niedergelassenen Ärzten praxisgerechte Diagnoseschemata und Therapiestrategien gefordert. Das Mittel der Wahl, die Antibiotikatherapie ,sollte so früh wie möglich, ausreichend lange und hoch genug dosiert durchgeführt werden. Fraglich ist, ob es sinnvoll ist, den amerikanischen Empfehlungen zu folgen und jedem Zeckenstich, auch ohne Symptomatik, mit einer einmaligen Antibiotikagabe zu behandeln. Da eine Eindämmung oder gar Eradikation der Zeckenpopulation illusorisch ist, und ein Impfstoff nicht zur Verfügung steht, bleibt als wichtigste Präventionsmassnahme die Expositionsprophylaxe . Deshalb ist es auch unerlässlich, die Bevölkerung in regelmäßigen Fachgespräch Borreliose 15 Index A M Acarizide 2 Agoraphobie 10 Akrodermatitis chronica athrophicans 6 Anorexia nervosa 10 Antibiotikatherapie 7 Autoimmun- Arthritis 2 Meldepflicht 2 Meningopolyneuritis 6 Meningoradikuloneuritis Bannwarth-Syndrom 8 B Borelliose-Zentrum 14 Borrelien-spezifische IgM- und IgG-Antikörper 4 Borrelieninfektion in der Schwangerschaft 5 Borreliose Definition 12 Diagnostik 4 Erreger 4 Maßnahmen bei Verdacht 4 Nachweismethoden 4 Stadien 4 Burgdorfer 4 N Neuroborelliose 4 Behandlung 8 chronische Verlaufsformen 8 Diagnostik 8 Häufigkeit 9 Prädisposition 9 Psychiatrische Symptomatik 10 Neurologische Komplikationen 2 neurologische Symptomatik 8 Niedersächsische Ärztekammer 14 P D paranoid-halluzinanatorische Symptomatik 10 PCR 4 Psychiatrische Krankheitsbilder Diagnostik 11 Pathogenese 11 Spätfolgen 2 Diagnostik Zuverlässigkeit der Laboruntersuchungen 5 R C Chronic fatigue 9 E ELISA- oder IFT-Verfahren 4 Empfindlichkeit der Testverfahren 4 Erythema migrans 4 F Fallgruppenpauschalen 2 Fibromyalgie 9 Forschungsbedarf 12 FSME 2 I IFSG 2 Immunoblot 4 Infektionsrisiko nach Zeckenstichen 14 K kataton-schizophrenen Symptomatik 10 Klinische Symptomatik Erythema migrans 6 Hautrötung 6 Stadieneinteilung 6 Konzentrationsstörungen 10 Kultureller Erregernachweis 4 L Lyme-Arthritis 6 Routinediagnostik 5 S Schutzimpfung 2 Selbsthilfegruppen 14 Spätfolgen 2 T Testverfahren Antikörpertests zur Therapiekontrolle 5 Standardisierung 5 Störfaktoren 5 Therapiestudien 8 Therapie bei organisch psychischen Störungen 12 U Universitäten 14 Z Zecken 2 Schutzmaßnahmen 2 Vorkommen 2 Zeckenzangen 2 Herausgeber: Niedersächsisches Landesgesundheitsamt Roesebeckstr. 4-6, 30449 Hannover Januar 2005 Prof. Dr. Adolf Windorfer Protokoll: Werner Schulz