Film und Psychoanalyse: Girl Meets Boy
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Film und Psychoanalyse: Girl Meets Boy
Film und Psychoanalyse Film und Psychoanalyse: Girl Meets Boy BRINGING UP BABy 16 Von Billy Wilder soll die Anekdote stammen, dass er oft im Traum spannende Filmideen gehabt, sie aber am Morgen nicht mehr erinnert habe. Einmal notierte er in der Nacht so einen Traum – und als er ihn in der Früh las, stand da: »Boy meets girl«. Liebesfilme haben eine gute Publikumsresonanz, zumal die Zuschauer sich leicht mit den Protagonisten identifizieren und entsprechend intensive Gefühle miterleben: Verliebtheit, Verschmelzung mit dem oder der Geliebten, das Glück, wenn alles gut läuft und die Verzweiflung, wenn es schief geht. »Boy meets girl«, das impliziert, dass die aktive Rolle beim Mann liegt. Er wählt, und das Girl lässt sich wählen. Die Rollenverteilung ist klar. Um das ein bisschen unklarer zu machen, kehren wir in dieser Staffel unserer Reihe »Film und Psychoanalyse« den berühmten Satz um und zeigen Filme, in denen die Liebesbegegnung von der Frau ausgeht. Frauenfiguren, die selbstbewusst lieben und wählen, die für ihre Liebe kämpfen, gelten aber nicht nur als stark oder emanzipiert, sondern auch als irgendwie unheimlich oder verschroben, stiften Verwirrung oder leiten bestürzende Abenteuer ein. Vivian Pramataroff-Hamburger Bringing up Baby (Leoparden küsst man nicht) | USA 1938 | R: Howard Hawks | B: Dudley Nichols, Hagar Wilde | K: Russell Metty | M: Roy Webb | D: Katharine Hepburn, Cary Grant, Charles Ruggles, Walter Catlett, Barry Fitzgerald | 102 min | OmU – Dieser Film als die screwball comedy schlechthin, der Klassiker der »girl meets boy«-Filme, strotzt nur so vor lauter unkorrekten Anzüglichkeiten. Cary Grant als verschrobener Wissenschaftler muss für seine frevelhaft libidinöse Besetzung eines Dinosaurierknochens büßen, indem er vom »rich and crazy girl« Katharine Hepburn aus seinem seelischen Gleichgewicht, seiner Verlobung und seiner musealen Ordnung der Dinge gekippt wird. Der widerstrebende Mann trifft hier auf die Frau, die wie selbstverständlich über ihn verfügt, der Verlust der männlichen Würde entspricht der Kapitulation vor der Willensstärke der Frau. Das enorme Filmtempo steht für die ausgelebte Botschaft der stets quirliger als der Mann agierenden Frau: »Du, der du dir einbildest, mich nicht zu lieben – lass alle Hoffnung fahren!« ▶ Sonntag, 23. Februar 2014, 17.30 Uhr | Einführung: Salek Kutschinski, Mathias Lohmer ▶ Sonntag, 23. März 2014, 17.30 Uhr | Einführung: Irmgard Nagel, Katharina Leube-Sonnleitner I girasoli (Sonnenblumen) | Italien 1970 | R: Vittorio De Sica | B: Tonino Guerra, Cesare Zavattini | K: Giuseppe Rotunno | M: Henri Mancini | D: Marcello Mastroianni, Sophia Loren, Ljudmila Saveleva, Galina Andrejeva, Anna Carena | 107 min | OmeU – Giovanna verliebt sich stürmisch in Antonio und heiratet ihn vom Fleck weg, damit er nicht sofort zum Militär eingezogen wird. Nach zwölf Honeymoon-Tagen muss Antonio jedoch an die russische Front und kommt nie wieder zurück. Er gilt als verschollen. Giovanna wartet auf ihn, fest überzeugt, dass er am Leben ist. Nach vielen Jahren des Wartens reist sie in die Sowjetunion, um ihn dort zu suchen. Tatsächlich findet sie ihn – mit einer anderen Frau. Giovanna, die mit ihm nur den wilden Honeymoon, aber kein Leben hatte, will und kann nicht mit der fürsorglichen Frau, die auch Mutter ist, um ihren Mann kämpfen. Sie verzichtet auf ihre große Liebe. Aber nun wird Antonio zum Suchenden. Als er sie zuhause in Italien wiederfindet, ist Giovanna mit einem neuen Mann liiert und hat ein Kind. Der Film geht dem Wandel der »klassischen« Geschlechterrollen von Weiblichkeit und Männlichkeit nach und ihrer Dekonstruktion. ▶ Sonntag, 27. April 2014, 17.30 Uhr | Einführung : Vi- vian Pramataroff-Hamburger Something Wild (Gefährliche Freundin) | USA 1986 | R: Jonathan Demme | B: E. Max Frye | K: Tak Fujimoto | M: John Cale, Laurie Anderson | D: Melanie Griffith, Jeff Daniels, Ray Liotta, Leib Lensky, Tracey Walter | 114 min | OmU – Nach einem Besuch in einem Diner konfrontiert die faszinierend-irritierende, schwarzgekleidete und schmuckbehangene Lulu den biederen Steuerberater Charlie damit, dass er die Rechnung nicht bezahlt hat. Wir Zuschauer ahnen sofort, was Charlie bald erfährt: Dieser Frau geht es nicht um Gerechtigkeit. Ihr Verhältnis zu sozialen Konventionen jeder Art ist mehr als prekär. Sie verwickelt Charlie erst in Sexspiele, dann, im Rahmen eines turbulenten Roadmovies, in ihr Vexierspiel mit der Identität: Sie wechselt bei einem Besuch in ihrer provinziellen Heimatstadt Namen und Erscheinung. Aber auch Charlie ist nicht ganz der, der er zu sein scheint und entwickelt im Film ungeahnte Eigenschaften und Fähigkeiten, vor allem in der Auseinandersetzung mit dem Gangster Ray, der plötzlich aus Lulus Vergangenheit auftaucht. ▶ Sonntag, 25. Mai 2014, 17.30 Uhr | Einführung: Mat- thias Baumgart, Eva Friedrich Film und Psychoanalyse Un amor (Eine Liebe fürs Leben) | Argentinien 2011 | R: Paula Hernández | B: Leonel D’Agostino, Paula Hernández, nach der Kurzgeschichte von Sergio Bizzio | K: Guillermo Nieto | M: Axel Krygier | D: Diego Peretti, Elena Roger, Luis Zirmbrowski, Alan Dalca, Denise Groesman, Agustin Pardella, Santiago Rovito | 99 min | OmU – Argentinien in den 1970er Jahren: Bruno und Lalo sind 16 Jahre alt und dicke Freunde. In ihrem kleinen Dorf nahe Buenos Aires passiert nicht viel, bis Lisa, ein kapriziöses, selbstbewusst-freches Mädchen, in die Gemeinde zieht und die männliche Dorfjugend ganz schön durcheinander wirbelt. Die beiden jungen Männer verfallen dieser verspielten jungen Frau, die klar den Ton angibt. Dann verschwindet Lisa ohne Vorankündigung mit ihren Eltern. Dreißig Jahre später taucht sie völlig unerwartet wieder auf. Regisseurin Hernández springt in ihrer Erzählweise zwischen der Jugendzeit und dem Jetzt, in dem die erotische Spannung ungleich höher ist. Die beiden Männer sind daran, noch einmal den Verstand zu verlieren. Der zart und leichthändig komponierte Film porträtiert drei unterschiedliche Lebensentwürfe, die so fragil wie authentisch sind. 17