Sant Santoater - Café Vlissinghe

Transcription

Sant Santoater - Café Vlissinghe
D
cafevlissinghe.be/500
musea
brugge
Santé
Santoater
…’t is beter bier dan woater
AUSSTELLUNG
25/04 - 13/12/2015
Volkskundemuseum Brugge
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Poster des Kulturvereins die Schwarze Katze, mit Stammort im Stube Au Lion Belge,
1894, Bruggemuseum, Sammlung Volkskunde
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EINFÜHRUNG
Die Ausstellung „Santé santoater…“ des Volkskundemuseums von Brügge taucht
ein in die Vergangenheit von Wirtshäusern, Kneipen und Cafés. Anlass ist das 500.
Jubiläum von Café Vlissinghe in der Blekersstraat, unweit des Volkskundemuseums.
Wirtshäuser, die früheren Herbergen, nehmen seit Jahrhunderten eine wichtige
Stellung im gesellschaftlichen Leben der Stadt ein. Gemeindemitglieder, Zunftbrüder, Amtskollegen und gewöhnliche Bürger kamen in der Herberge zusammen.
Sie trafen sich hier zu Versammlungen, um Feste zu feiern, zu spielen und natürlich um Neuigkeiten auszutauschen und Geschäfte zu besiegeln. Aufgrund des
öffentlichen Charakters einer Herberge erhielten soziale Beziehungen hier eine
offizielle Bekräftigung. Der gemeinsame Umtrunk stellt dabei ein ausgezeichnetes
Hilfsmittel dar.
Wirte des Kneipes “’t Oudhandbogenhof”, 1934, Stadtarchiv Brügge
Kolophon
Expo “Santé Santoater” 25/04 – 13/12/2015 – Volkskundemuseum Brugge
Koordination und Texte: Geert Souvereyns
Präsentation der Objekte: An Verbruggen und Kristel Van Audenaeren
Realisierung:
atelier technique Musea Brugge and Geneviève Callewaert
Verleiher:
Stadtarchiv Brügge, Öffentliche Bibliothek Brügge, Luc Traen, Dries
Weyts, Alex Calmeyn
Grafik: Druck Führer: Druck Infotafeln: Cavalry.be
Stadsdrukkerij
Complot bvba
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DIE HERBERGEN
VON BRÜGGE
Während ihrer Blütezeit war Brügge eine international renommierte Handelsstadt, in der
Kaufleute von auswärts Herbergen aufsuchten – nicht nur zwecks Unterkunft und Verpflegung, sondern auch auf der Suche nach
Lagerraum, Entspannung, Unterhaltung, Informationsaustausch und natürlich auch aus
geschäftlichen Gründen. Die Gastwirte traten dabei als Vermittler und Makler auf.
Herbergen waren der ideale Ort, um soziale Kontakte zu knüpfen und zu stärken. Alle
Detail aus Abraham Van der Heckens Wirtskamen hier zusammen, arm und reich, ungehausszene, 17. Jahrhundert, Groeningemuseum Brügge - © Lukas vzw, foto Hugo Maertens
achtet des gesellschaftlichen Stands. „Alle“
ist jedoch nicht ganz korrekt. Herbergen
waren echte Männerbollwerke. Nur an Feiertagen, wie an Fastnacht, fanden sich beide
Geschlechter zum Tanzen und zum Trinken in der Herberge ein ... und um dort einen
geeigneten Heiratskandidaten zu finden.
Ab dem 18. Jahrhundert geht die Schere zwischen Arm und Reich jedoch immer mehr
auseinander. Die höheren Klassen frequentieren die eleganten Kaffeehäuser am Markt
und in den schickeren Geschäftsstraßen. Die Cafés tragen wohlklingende Namen wie
„Grand Café“, „Au Panier d’Or“ oder „Café Royal“.
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Stuben am Marktplatz, 1898, Stadtarchiv Brügge, Sammlung J. A. Rau
Trinkstube In ’t Onze Vrouwtje, 1898, Stadtarchiv Brügge
Die ärmeren Bevölkerungsschichten zieht es dagegen in die zahlreichen Bierkneipen
und Trinkstuben. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nimmt die Zahl dieser
Lokale noch stark zu. Immer mehr Bewohner der ärmeren Arbeiterviertel richten ihre
Vorderstube als Trinklokal ein, um sich etwas dazu zu verdienen. Oftmals steht eine
Frau am Ausschank, die damit das Einkommen ihres regelmäßig arbeitslosen Ehemanns
aufzubessern versucht. Im Jahr 1807 gab es in Brügge 283 Kneipen und Trinkstuben,
ein Jahrhundert später waren das 1.296. Jedes achte Haus der Stadt war inzwischen ein
Wirtshaus!
Sie konzentrierten sich vor allem in der Nähe der Marktplätze und entlang der Zugangsstraßen der Stadt. Auch in der Umgebung von Kasernen und im Arbeiterviertel
Sint Anna wimmelte es nur so von Wirtshäusern. Um 1900 herum gab es davon in der
Langestraat 54, in der Vuldersstraat 32 und in der Carmersstraat 30.
Mit dem Gesetz Vandervelde aus dem Jahr 1919, das Spirituosen verbot, und den strengeren Vorschriften für Gastwirte nahm auch die Zahl dieser Etablissements ab. Darüber hinaus bekamen sie Konkurrenz von Neuerungen wie Kino, Rundfunk und Fernsehen. Durch den steigenden Wohlstand und die Individualisierung verloren Wirtshäuser
allmählich ihre ehemals so wichtige Funktion im Gemeinschaftsleben.
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TRINKEN
Dem „Bouc der ambachten“, einem französisch-flämischen Konversationsbuch eines
Brügger Schulmeisters aus dem Jahr 1370, ist zu entnehmen, was man in einer Brügger
Herberge im 14. Jahrhundert zu trinken bekommen konnte: rheinischen, französischen und griechischen Wein, lokal gebrautes Bier, deutsches Bier, englisches Ale,
Met bzw. Honigwein und schließlich Apfelcider. Wasser wurde damals nicht getrunken: Die Gefahr, sich dabei mit einer Krankheit anzustecken, war zu groß. Bier hatte
einen viel besseren Ruf und galt zudem als sehr nahrhaft. Alle tranken Bier: Männer,
Frauen und Kinder. Das Bier für den Alltag, das so genannte „cleyn bier“, hatte jedoch
mit etwa 3 % viel weniger Alkohol als unser Bier heute. Aufgrund
der hohen Transportkosten war
Wein indes den bemittelten
Stadtbewohnern vorbehalten.
Im Mittelalter brauten die meisten Wirte ihr eigenes Bier, da Bier
damals nicht lange haltbar war.
Im Laufe des 15. und 16. Jahrhunderts entstanden unabhängige
Trinkbecher des “Kunstgenegen”vereins mit Tagungsraum
im Café Vlissinghe, rund 1894
Brauereien. Bis ins 18. Jahrhundert importierte Brügge vornehmlich Bier aus Brabant. Später gewann das lokale Bier
erneut an Beliebtheit. 1913 waren in Brügge 31 Brauereien angesiedelt.
Bierträger transportierten die Bierfässer aus Eichenholz auf speziellen Lastkarren zu den Herbergen. Dort wurden sie oftmals im Keller gelagert. Der
Wirt füllte das Bier zunächst in einen
Bierkrug um und schenkte es dann in
der Gaststube in Gläser oder Trinkbecher aus. Das Fassungsvermögen der
Bierfässer und -krüge war streng reglementiert und wurde regelmäßig von so
genannten Eichern geprüft. Der erste
Bierdruckapparat für den Ausschank
wurde 1818 in Brügge eingeführt. Ein
gewisser Herr Godell aus London demonstrierte die Funktion des Apparats
im englischen Kaffeehaus in der Kuipersstraat. Ende des 19. Jahrhunderts
ging man in vielen Brauereien auf die
Flaschenabfüllung über. Die Bierflaschen wurden danach in Holzkisten
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Bierfass aus Holz des Brauers August Van
Neste, rund 1900
transportiert. Verschiedene Erfinder suchten inzwischen
nach dem besten Flaschenverschluss. Zu den Erfindungen
gehören u. a. der Bügelverschluss aus Metall mit Porzellankopf und Gummidichtung (Charles de Quillfeldt, 1875),
der abschraubbare Korken (Henry Barrett, 1879), der
Kronkorken (William Painter, 1889) und Kugelflaschen mit
Glaskugelverschluss (Hiram Codd, 1892).
Im ausgehenden 17. Jahrhundert werden Wacholderschnaps und Branntwein zu einem immer beliebteren
Volksgetränk. Der Vormarsch dieser Getränke, die nicht
nur billiger waren, sondern auch mehr Alkohol enthielten,
wurde von Zeitgenossen als wahre Plage beschrieben
– vor allem für die ärmere Bevölkerung. Die steigenden
Getreidepreise ließen zudem auch die Bierpreise steigen.
Wacholderschnaps bzw. „Jenever“ oder „Genever“ wurde
ab Mitte des 19. Jahrhunderts im Steinkrug abgefüllt, dem
so genannten „Stoop“. Daraus schenkte man den Schnaps
in ein „Borrelglas“. Das „Orlam“-Glas ist ein kelchförmiges
Zapfhahn aus Porzelan vom
Glas mit kurzem Stiel und schwerem, flachem Fuß, damit
Café Vlissinghe
es zur Bekräftigung eines Trinkspruchs mit Schwung auf
dem Tisch abgestellt werden kann.
Der hohe Alkoholkonsum der unteren Schichten bereitete dem Bürgertum Sorge.
Schon im Jahr 1860 erließ die Brügger Stadtverwaltung eine Verordnung zur
Bekämpfung öffentlicher Trunkenheit.
Auch Wirte, die Gästen zu viel Alkohol
ausschenkten, machten sich strafbar. 1887
wurde dies landesweit zum Gesetz. Die
Maßnahmen zeigten jedoch kaum Wirkung.
Zwischen 1880 und 1890 wurden überall
in Belgien Temperenzgesellschaften und
„Mäßigkeitsvereine zur Verbreitung der
Enthaltsamkeit“ gegründet. Wie überall
rekrutierte der 1891 gegründete Brügger
Enthaltsamkeitsbund seine Mitglieder in den
besseren Kreisen des Bürgertums. Sie führten die Armut und das Elend der Arbeiter
auf deren Trunksucht zurück, verschlossen
sich jedoch vor den strukturellen Ursachen
der gesellschaftlichen Problematik. Der
Höhepunkt dieser Anti-Alkohol-Offensive
war das 1919 erlassene Gesetz Vandervelde.
Dieses Gesetz verbot den Verkauf von Spirituosen in Wirtshäusern und blieb bis 1983
in Kraft.
Biertrager mit Lastkarr im Innenhof der
Brauerei “De Halve Maan”, 1923,
Stadtarchiv Brügge, Sammlung J. A. Rau
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GLÜCKSSPIELE
Kartenspiele, Tricktrack, Domino, Schach, Dame, Darts, Tischkegeln, Würfeln und andere
Glücksspiele waren in den Wirtshäusern sehr beliebt. Einige dieser alten Spiele können Sie
auch hier in der Herberge und im Garten des Volkskundemuseums ausprobieren.
Die Kügelspieler des Stubes “De Wilde Baan”, 1937, Stadtarchiv Brügge
In den Wirtshäusern des 19. Jahrhunderts entschied man sich
jedoch am häufigsten für Boßeln oder Klootschießen. Es gibt
verschiedene regionale Varianten mit einer jeweils eigenen SpielKugeln
weise und speziellen Kugeln, den „Bollen“. In Brügge verwendete
man als Kugeln hauptsächlich „Wildebaanbollen“, „Pasbaanbollen“ und „Gaaibollen“. Bei
den ersten beiden Varianten rollen die Spieler die flachen Kugeln über eine 20 Meter lange Bahn Richtung „Stake“ oder „Plume“. Bei Zweifel misst der so genannte „Passer“ millimetergenau den Abstand zwischen Kugel und Stake. Die „Gaaibollen“ sind kleinere, scheibenförmige Kugeln, die über eine flache Bahn 10-20 Meter weit bewegt werden. Man zielt
dabei auf die „Gaaien“, einem (hölzernen) Vogel nachempfundene Stäbe. Diese Stäbe sind
am Ende einer Rampe befestigt, dem „Berd“. Ein typisches Phänomen der zweiten Hälfte
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Die Stahlbogenschütze auf dem Schiessplatz vom Herberg “Het Peerd”, 1932, Bruggemuseum
des 19. Jahrhunderts waren Vereine oder Gesellschaften, die in den Herbergen bestimmte
Spiele organisierten. 1860 gab es in Brügge 41 dieser Spielvereine: 24 „Pasbaanbollen“-,
12 „Gaaibollen“- und 5 „Wildebaanbollen“-Vereine. Sie waren jeweils mit einem Wirtshaus
verbunden, hatten einen eigenen Namen, eigene Spielregeln und führten manchmal sogar ein Banner oder Wappen. Mitglieder, die die Regeln missachteten, wurden mit einem
geringen Bußgeld belegt. Mit dem Geld aus der Bußenkasse und den Vereinsgebühren
wurden Festessen für die Mitglieder organisiert.
Der Brügger Raucherverein vor der Stube Craenenburg (Markt), rund 1900, Bruggemuseum
Auch Finken-, Tauben- und Kanarienzüchter, Domino- und Billardspieler sowie Radrennfahrer gründeten Vereine und trafen sich in Wirtshäusern und Gasthöfen, um dort Versammlungen abzuhalten und sich zu amüsieren. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts waren
Raucherclubs stark im Kommen. Es wurden Wettkämpfe ausgerichtet, wobei Teilnehmer
mit einer bestimmten Tabakmenge so lange wie möglich rauchen mussten, ohne dass das
Feuer ausging. Ein Raum dieses Museums ist ganz dem Thema Tabak & Pfeiferauchen
gewidmet.
Auch das Bürgertum pflegte seine eigenen Spieltraditionen. Dazu gehörten u. a. Billard,
Schach und Domino. 1886 gab es in Brügge über 50 Billardvereine.
Trotz des Glücksspielverbots wurde damals in den Kneipen viel um Geld gespielt. Vor
allem Karten- und Würfelspiele („Tuysschen“) waren dabei beliebt. Aber auch das Würfelspiel Sonne und Anker erfreute sich großer Beliebtheit. Dieses Spiel besteht aus einem
Spielbrett und drei Würfeln, auf denen dieselben Symbole abgebildet sind. Die Spieler setzen auf eines der Symbole und werfen dann die Würfel. Zeigen die Würfel das Symbol, auf
das man gewettet hat, gewinnt man den Einsatz pro Würfel mit diesem Symbol. Kommt
ein Kontrolleur vorbei, der „Champetter“, kann das Spielbrett schnell zusammengeklappt
und versteckt werden. Das einzige Glücksspiel, das offiziell gespielt werden durfte, war die
Lotterie. Für viele Wirte stellten Lotterien gewinnbringende Veranstaltungen dar.
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FESTE, MUSIK UND TANZ
Feiertage, Jahrmärkte, Hochzeiten und andere
Feierlichkeiten boten Anlass, die Wirtshäuser zu
Tanzlokalen umzugestalten. Auch die „Heilig-Bloed“-Prozession war eine ideale Gelegenheit für
Tanzveranstaltungen. Getanzt werden durfte jedoch erst, wenn die Prozession vorüber war.
Tanzveranstaltungen, bei denen Jungen und Mädchen miteinander tanzten, waren der Kirche allerdings ein Dorn im Auge. Die Kirche hob hierfür
sogar ein neues Wort aus der Taufe: Labaismus.
Nach dem Konzil von Trient führte die Kirche
einen wahren Kreuzzug gegen die „Sünder“. Im
Laufe des 18. Jahrhunderts änderte die Kirche ihre
starre Haltung und wurde milder, doch der Argwohn gegen die Kirche hielt sich noch lange. 1912
genehmigte die Brügger Stadtverwaltung nicht
weniger als 703 Tanzveranstaltungen. Die
Tanzen in der Stube,
meisten fanden
Sammlung Alex Calmeyn
in einer
Gaststätte bzw. in einem angrenzenden
Saal statt.
Zu einem solchen Tanzfest gehörte
natürlich auch Musik. Bis 1850 war
die Geige das Instrument für derartige
Gelegenheiten. Danach wurde die musikalische Begleitung vielfältiger. Klavier,
Drehorgel, Orchestrion (mechanische
Orgel), Harmonium und Akkordeon
kamen hinzu. 1913 verfügten sieben
Brügger Wirtshäuser über ein Pianola.
In der Museumsherberge können Sie ein
seltenes Exemplar aus dem Jahr 1910 bewundern. Die Musik wurde mithilfe gelöcherter Papierrollen abgespielt, die den
Liederbüchern der Drehorgel ähneln.
Über ein pneumatisches System spielte
das Klavier selbsttätig. Zur gleichen Zeit
wie das Pianola erblickte das Grammophon das Licht der Welt. 18 Wirtshäuser
in Brügge verfügten 1913 bereits über
einen Phonographen, den Vorläufer des
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Pianola in der Stube “In de Zwarte Kat”
im Volkskundemuseum Brügge, 1910
Die Muziker Eddy Burssens und Gaston Verhaeghe machen Spass in der Stube “Het Brugsche Vrije”,
Sammlung Alex Calmeyn
Grammophons. Ab 1950 hielten die ersten Jukeboxen bzw. Musikautomaten in Brügge Einzug.
Seit den 1850er Jahren setzte sich eine neue Form des Amüsements in den Kneipen
und Cafés der Stadt durch: das Café-chantant. Dieses Konzept stammte ursprünglich
aus Paris. In einem Café-chantant stimmt ein Sänger ein Lied an, das von den Gästen
aufgegriffen und mitgesungen wird. Meistens handelt es sich um triviale Lieder mit
einer bekannten Melodie, deren Refrein jeder mitsingen kann. Das Bürgertum protestierte wiederholt gegen den derben und vulgären Inhalt der Darbietungen in den
Café-chantants. Einige Volkssänger verkleideten sich sogar und brachten ihre Lieder
als fröhliche Kalauer auf die Bühne. Diverse Brügger Cafés und Kneipen schafften ein
Klavier an, um die Darbietungen noch attraktiver zu machen. Andere Sänger wiederum begleiteten ihr Stück mit einem
Akkordeon. Vor allem das Lichtervelder Akkordeon bzw. so genannte
„Callewaert“ (nach dessen Bauer Eugène
Callewaert) war beliebt.
Drei Muziker in einem Gasthaus in Oostkamp, 1920,
Stadtarchiv Brügge, Sammlung J. A. Rau
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KULTUR UND SPEKTAKEL
Im 19. Jahrhundert gab es in einigen Lokalen eine eigene Theatergesellschaft, die
vor Ort probte und ab und an in einem angrenzenden Saal oder im Garten Aufführungen organisierte. Auch die erste „kinematographische Vorführung“ in Brügge
fand in einem Wirtshaus statt, nämlich am Samstag, den 5. September 1896, im Café
„De Keizerlijken Arend“ am Theaterplatz. Um noch mehr Gäste anzulocken, griffen
Wirtsleute auch auf exotische Spektakel und menschliche Raritäten zurück, wie Riesen, siamesische Zwillinge und Elefantenmenschen.
1894 wurden zwei Künstlervereine gegründet: „Kunstgenegen“ und „Zwarte Kat“.
Beide Vereine hatten ihre eigene Räumlichkeiten in einem Lokal. Während „Kunstgenegen“ in einem Nebengebäude von Café Vlissinghe zu finden war, versammelten sich
die Mitglieder der „Zwarte Kat“ in einem Hinterzimmer des Cafés „Au lion belge“ in
der Langestraat. Der Name dieses Vereins (zu deutsch: schwarze Katze) geht auf das
erste, 1881 von Rodolphe Salis gegründete Pariser Cabaret zurück, dem „Chat Noir“.
Wie sein Pariser Pendant wollte der Verein kulturell interessiertes Publikum bei litarischen Vorträgen, Konzerten und Ausstellungen zusammenbringen. Anfang des 20.
Jahrhunderts wurden die Aktivitäten unvermittelt eingestellt; der Verein löste sich auf.
„Kunstgenegen“ dagegen war ein Verein für Lehrer und (ehemalige) Schüler der Brügger Kunstakademie, die einander künstlerisch stimulieren sollten. Sie richteten sich
im Nebengebäude von Café Vlissinghe ein und gestalteten es nach ihrem Geschmack.
Das Lokal wurde im Volksmund „’t museetje“ genannt, das kleine Museum.
Das Innere des Tagungsraums von “Kunstgenegen” in Café Vlissinghe, Stadtarchiv Brügge
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In der Museumsherberge finden Sie Erinnerungsstücke an beide Vereine. Das Rednerpult (1898) sowie ein großes Plakat nach
dem Entwurf von Théophile Steinlen
(1896) stammen aus dem Vereinslokal der
„schwarzen Katzen“. Hinter dem Rednerpult
hängt ein Rollbild (1896) von Victor De
Loose, einem Mitglied des Vereins „Kunstgenegen“. Auf dem Rollbild sind Szenen
aus „De vogel en de vis“ abgebildet, dem
Lieblingslied der Stammgäste des Café Vlissinghe.
Klublokal der Schwarze Katze in der Stube
“Au Lion Belge”, 1899, Stadtarchiv Brügge,
Sammlung J. A. Rau
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SPARSCHRÄNKE
Ende des 19. Jahrhunderts hielt eine weitere Wirtshaustradition Einzug, das
Vereinssparen. Viele Lokale hatten einen eigenen Sparverein. Die hölzernen
Sparschränke sind heute noch in einigen alten Lokalen zu finden und erinnern an
diese Tradition. Jedem Sparer wurde ein Fach mit einer Nummer und einem Schlitz in
diesem Schrank zugewiesen. Geldnoten wurden mit einem kleinen Schuhlöffel so tief
wie möglich in die Fächer gestopft. Der Kassierer sammelte das Geld aller Mitglieder
ein und ging damit zur Bank (ASLK, Allgemeine Spar- und Rentenkasse) oder zum
Postamt, wo das Geld Zinsen einbringen sollte. Am Ende des Vereinsjahrs – oftmals
zur Karnevalszeit – wurde das Ersparte für das so genannte „Teerfeest“ aufgewendet,
bei dem die Mitglieder gratis essen und trinken konnten. Essen und Trinken sind natürlich die Hauptpfeiler eines Wirts, um Gäste an sich zu binden. Sparkasse aus Holz in Café Vlissinghe
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EINRICHTUNG DES WIRTSHAUSES
Die Museumsherberge „In de Zwarte
Kat“ ist nach dem Vorbild eines Wirtshauses aus dem späten 19. Jahrhundert
eingerichtet. Früher stand an dieser Stelle übrigens eines der vielen Wirtshäuser
des Arbeiterviertels Sint Anna.
Theke vom Café Arthur, rund 1950, Bruggemuseum
Typisch an einem Wirtshaus für das
einfache Volk ist, dass es oftmals aus nur
einem einzigen, offenen Raum bestand.
Dadurch konnte jeder jeden sehen und
mit jedem reden, ohne vom Stuhl aufstehen zu müssen. Ein intimes Gespräch
war demnach nicht selbstverständlich.
Auch andere Einrichtungsgegenstände lassen erkennen, in was für einem Lokal man
sich befindet. So gibt es hier neben einem Sparschrank und einem Kartenregal an der
Wand auch ein Pianola, einen Kegeltisch, einen Spucknapf und eine weiße Abtropfplatte auf dem Schanktisch. Den Schanktisch ziert zudem ein Taubenrelief. Möglicherweise gehörte dieser Schanktisch ursprünglich einem Lokal für Taubenzüchter.
In einem solchen Wirtshaus kann man zuweilen das Gefühl bekommen, die Zeit sei
stehen geblieben. Da sich die Einrichtung im Laufe der Jahre kaum veränderte, blieben
diese Lokale bis in die 1970er Jahre vielfach erhalten. Inzwischen sind die meisten
jedoch verschwunden.
Aan de toog van Dries Weyts
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Café Vlissinghe in der Blekersstraat ist eine der ältesten Herbergen der Stadt Brügge.
Schon seit 1515 ist hier ein Gaststättenbetrieb. Die einzigartige Atmosphäre und das
einladende Ambiente machen Café Vlissinghe zu einem Publikumsmagneten für Touristen und Einheimische.
2015 ist aufgrund des 500. Jubiläums ein besonderes Jahr mit den passenden Feierlichkeiten. Dank der intensiven Zusammenarbeit mit der Organisation Erfgoedcel Brugge
steht dabei das Erbe dieses Etablissements im Vordergrund. Im Café Vlissinghe
werden abwechselnd Miniausstellungen und Videomontagen präsentiert. Außerdem
gehen diverse Vorträge, Wanderrouten, Workshops und andere Aktivitäten näher auf
die 500-jährige Geschichte der Herberge ein.
Theke vom Café Vlissinghe, 1928, Stadtarchiv Brügge
Weitere Informationen über das bunte Festprogramm finden Sie unter
www.cafévlissinghe.be/500
Aktuelles, Infos und Fotos finden Sie auch auf der Facebook-Seite
www.facebook.com/cafe.vlissinghe